Joseph Aheinberger - eLiechtensteinensia

Joseph Aheinberger
GedenKschrist;u seinem loo.Gleburtstag
am 17. M ä r ; 1939
Don seinen Schülern und Verehrern
Herausgegeben bon Hans Walter Kaufmann
Alle Rechte vom Herausgeber borbehalten
—
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Inhaltsverzeichnis
Zum Geleit
Fischer, Franz (Silikon): Das Ehrenmal
' .
.
.
I. A l l g e m e i n e s
Kaufmann, Hans Walter (Schellenberg): Joseph Rheinberger
.
Rheinberger, Rudolf (Vaduz): Einiges über Vorfahren und Abstammung Joseph Rheinbergers
Rupp, Emile (Straszburg): Meister Joseph Rheinberger — ein
Retter der absoluten Musik
Schmid, Josef (München): Joseph Rheinberger — der grosze Lehrer,
Mensch und Freund
,
II. R h e i n b e r g e r s L e h r t ä t i g k e i t
Hild, Georg (München): Wie s beim Meister war
Kircher, Felix (Amberg): Joseph Rheinberger in der Köntrapunltstunde
Petzet, Walter (Dresden): Joseph Rheinberger
Vogler, Carl (Zürich): Aus meiner Studienzeit bei Joseph Rheinberger in München
III. E r i n n e r u n g e n a n J o s e p h R h e i n b e r g e r
Bluin, Georg (Nürnberg)
Döbereiner, Christian (München)
Homer Sidneq (Boston)
Meister, Casimir (Solothurn)
Real, Heinrich (Heidelberg)
Pembaur, K a r l M a r i a (Dresden)
Schmid, Heinrich Kaspar (München)
Trunk. Richard (München)
Weismann, J u l i u s (Freiburg i . B r . ) . . . . .
.
.
.
IV. A n e r k e n n u n g e n
Berroald, William (Syrakuse) .
Furtwängler, Wilhelm (Berlin) .
Homer Sidney (Boston) .
Kahn, Robert (Feldberg)
Sieben, Wilhelm (Dortmund)
Wolf-Ferrari, Ermanno (Planegg)
V. R h e i n b e r g e r s W e r k e
Egli, Jakob (Wald): Joseph Rheinberger als Orgelkomponist . .
Renner, Josef jun. (Regensburg): Rheinbergers Kirchenmusik .
Sandberger, Adolf (München): Joseph Rheinberger . . . .
Schmid-Lindner, August (München): Joseph Rheinbergers polyphone Klaviermusik
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VI. V e r schi e d e n e s
Anekdoten
Feller, Otto (München) i Rheinbergers Wohltätigkeit . . . .
Kaufmann,'Hans Walter (Schellenberg): Rheinberger und Reger
Ritt, Hanns (München): Die „Rheinberger Ehorvereinigung" in
München
Schiedermair, Ludwig (Bonn): Joseph Rheinberger und
das Bonner Beethovenhaus
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Anhang
Lebensdaten der Mitarbeiter
Verzeichnis der im Druck erschienenen Werke Rheinbergers
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Beilagen
Joseph Rheinberger, Aufnahme aus seinen letzten Lebensjahren .
Das Ehrenmal (mit dem Geburtshaus des Komponisten) . . .
Joseph Rheinberger, Jugendbildnis (1855)
Die Eltern Rheinbergers
Probeseiten aus den Zensur- und Tagebüchern Rheinbergers .
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Zum Geleit
A m 17. M ä r z 1939 konnte man den 100. Geburtstag
Joseph Rheinbergers begehen. Das Land Liechtenstein
gab aus diesem Anlaß eine Briefmarke mit dem B i l d n i s
des Komponisten heraus. Auch war eine grosse Gedenkfeier — verbunden mit der Enthüllung eines Ehrenmals in Vaduz und der Ausgabe einer Festschrift —
geplant. Die Konzerte sollten auserlesene Werke des
Meisters zu Gehör bringen, und die noch lebenden ehemaligen Schüler des großen Kontrapunktlehrers hoffte
man an der Feier begrüßen zu können. D a die Arbeiten
bis zum Gedenktage nicht abgeschlossen werden konnten,
wurde die Feier auf den Spätherbst verlegt. Inzwischen
hatten sich die Verhältnisse in Europa geändert, so daß
es leider bei einigen örtlichen Veranstaltungen blieb.
E s wurde ein Preisausschreiben f ü r Denkmalsentwürfe erlassen; das Preisgericht entschied sich für das Werk
des schweizerischen Künstlers Franz Fischer. Der Unterzeichnete wurde beauftragt, die Festschrift herauszugeben.
Sein Bestreben war es, ehemalige Schüler Rheinbergers
für die Mitarbeit zu gewinnen, was ihm auch, dank dem
Entgegenkommen vieler, i n großem Maße gelang.
Allen, die an den Arbeiten beteiligt waren, sei hier
bestens gedankt: der Hohen Fürstlichen Regierung, die
das Werk finanziell ermöglicht hat, dem Festkomitee,
dem Preisgericht, dem Schöpfer des Ehrenmals, dem
Drei-Masken-Verlag, B e r l i n , der Universal-Edition,
Wien und dem Max-Hesse-Verlag, B e r l i n , f ü r die
freundliche Erlaubnis des Nachdruckes, besonders aber
den verehrten Schülern Rheinbergers und andern Persönlichkeiten, die im treuen Gedenken an den Meister
uneigennützig an dieser Schrift mitgearbeitet oder f ü r
das Denkmal einen Ehrensold gespendet haben.
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Die Beiträge sind, um übersichtlicher zu bleiben, i n
Sachgruppen alphabetisch eingeordnet, kleinere erscheinen unter einem gemeinsamen Titel. Bildnisse und Faksimilebeilagen, letztere von Herrn ° Studienrat Georg
Hild, München, aus den Censur- und Tagebüchern f ü r
den Kontrapunkt- und Kompositionsunterricht Rheinbergers i n verdankenswerter Weise zur Verfügung gestellt, schmücken das Werk. I m Anhang sind die wichtigsten Lebensdaten der Mitarbeiter und ein Verzeichnis
der im Druck erschienenen Werke Rheinbergers angeführt.
Diese Eedenkschrift wird i n der Rheinberger-Literatur
eine bis heute fühlbare Lücke ausfüllen, da sie, neben
andern wertvollen Beiträgen, die so hochwichtige pädagogische Tätigkeit des weltberühmten Kontrapunktlehrers aufzeigt, und sie stellt der „Rheinberger-Schule",
dem Lehrer wie den Schülern, ein herrliches Zeugnis
aus.
Nun ziert die Vorderseite des Gartens, der das Geburtshaus Rheinbergers einfriedet, ein würdiges Ehrenmal. Dessen Inschrift lautet!
Seinem großen Sohne, dem Komponisten
Joseph Gabriel von Rheinberger,
Eeheimrat und Professor,
1839 Vaduz
1901 München,
errichtet Liechtenstein dies Ehrenmal.
S o soll auch diese Schrift hinausziehen und künden
von des Meisters Leben und Schaffen und anregen, seiner und seiner Werke stets zu gedenken!
S c h e l l e n b e r g , Liechtenstein, i m August 1940.
H a n s W a l t er K a u f m a n n .
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D a s -Ehrenmal
Bon Franz Fischer
Z m Vorfrühling 1939 erhielt ich nach vorheriger Anfrage durch
die Eidgenössische Kunstkommission von der Fürstlichen Regierung
von Liechtenstein eine Einladung zu einer Konkurrenz f ü r ein Denkmal f ü r den Komponisten Joseph Gabriel von Rheinberger i n V a duz. A n Hand der übersandten Wettbewerbsbestimmungen und den
Aufnahmen des vorgesehenen Bauplatzes konnte ich ersehen, welch
interessante Aufgabe hier zu lösen war.
Eine voralpine Gegend, stille bewaldete Felshänge, ein schön
gegliedertes einfaches Haus, das Geburtshaus Rheinbergers, davor
ein Garten, der beherrscht wird von einer Tannengruppe, die man.
wenn sie fehlen würde, pflanzen mühte, und endlich im Vordergrund,
als Kreuzungspunkt verschiedener S t r a ß e n , der vorgesehene Platz
für ein Denkmal.
A n der Konkurrenz, die beschickt wurde von ein paar Liechtensteinern, Schweizern und deutschen Bildhauern, entschied sich das
Preisgericht, das aus dem Herrn Landtagspräsidenten A . Frömmelt,
Vaduz, Herrn Bildhauer H . Hubacher, Zürich, und Herrn Professor
Liebermann, München, bestand, f ü r meinen Vorschlag. V o n Anfang
an war ich mir im klaren, daß dieses Denkmal nicht wie vielerorts
wie ein Fremdkörper in die Gegend hineingestellt werden dürfe, es
sollte vielmehr aus dieser Landschaft herauswachsen; es war also
für mich gegeben, daß ich, wo immer möglich, auf die vorhandenen
natürlichen und baulichen Anlagen Rücksicht nehmen wollte. S o
baute ich denn das Bauwerk, welches aus Steinmaterial der Gegend
ist, um die schöne Tannengruppe und verschob den Hauptteil des
Denkmals nach rechts, um damit den Blick auf das rückwärtsliegende Geburtshaus des Komponisten frei zu lassen, und so ergab
sich eine gegliederte, aufgelockerte Anlage.
W a s den eigentlichen plastischen Schmuck anbelangt, so stelle ich
mich auf den Standpunkt, daß ein Thema oder Vorwurf f ü r eine
Denkmalsplastik auf einem öffentlichen Platz immer so gestaltet
werden müßte, daß es auch dem einfachsten Manne aus dem Volke
sofort verständlich sein würde. Dies ist der Grund, warum ich davon
abgesehen habe, irgendeine Figur symbolischen I n h a l t s darzustellen.
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I n dieser Auffassung wurde ich durch die sehr schönen Photoaufnahmen Rheinbergers bestärkt, und so ergab sich, daß ich den Komponisten selber am Denkmal darstellte, und nur eine Harfe und
Inschrift sollten dem Beschauer Leben und Schaffen des Verewigten
deuten.
Ich möchte meine Denkmalschronik nicht abschließen, ohne vorher
meinen herzlichsten Dank vor allem dem Herrn Landtagspräsidenten
A . Frömmelt, der mir in vielen Besprechungen beistand, sowie auch
dem Architekten Rheinberger, der mir bereitwilligst alle vorhandenen Aufnahmen des Komponisten aus Familienbesitz zur Verfügung stellte, auszusprechen.
Das Ehrenmal
1. Allgemeines
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Joseph Rheinberger
Von Hans Walter Kaufmann
„Ein Volk, das seine groszen Männer ehrt,
ehrt sich selbst."
A m 17. M ä r z 1939 waren es 10V Jahre her, seitdem wohl der
größte und berühmteste Liechtensteiner, Joseph Rheinberger, i n V a duz das Licht der Welt erblickt hat.
M i t Bangen erwarteten die Eltern die Geburt des Kindes,
denn „noch war Joseph nicht geboren, aber die Mutter i n gesegneten
Umständen, und zwar schon ziemlich nahe an ihrer Entbindung, als
sie infolge eines Fehltrittes die Treppe des Hauses herabstürzte. E s
war ein großer Schrecken und namentlich der Vater so besorgt, der
F r a u oder dem zu erwartenden Kinde könnte durch verfrühte Geburt
oder andern E i n f l u ß Unheil geschehen, daß er sich i m Gebet zu Gott
wendete und das Gelübde tat! wenn kein Schaden entstände an den
beiden teuren Wesen, wolle er alles daran setzen, um der Kirche
S t . F l o r i n , die ohnedem seine nächstgebaute Nachbarin war, eine
neue Orgel zu verschaffen. Wunderbar war der Lohn seines Versprechens, denn der F a l l der Mutter hatte gar keine schlimmen
Folgen, und nach sieben Jahren spielte das K i n d , der kleine Joseph,
für dessen Erhaltung das Gelübde geschehen war, zum erstenmale
die neue Orgel."
Dem kleinen Pepi war ein überragend großes musikalisches T a lent i n die Wiege gelegt worden. Seine Mutter, Elisabeth Rheinberger geb. Carigiet, entstammte einer rätoromanischen und sehr
musikalischen Familie in Disentis, Kanton E r a u b ü n d e n . V o n ihr
hatte Joseph wohl den S i n n f ü r Melodik, das große Formenbedürfnis, die Zartheit seiner Empfindung und das Ohr f ü r fein abgewogene Harmonik ohne jede Übertreibung. Auch der Vater, Johann
Peter Rheinberger, war nicht unmusikalisch, wie man früher behauptete; er spielte Flöte und zeigte stets Interesse f ü r die Kirchenmusik i n Vaduz, womit auch das erwähnte Gelöbnis i n Zusammen-
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hang stehen dürfte, und Lehrer Pöhly berichtet, daß der Vater beim
Musikunterricht des Knaben immer zugegen war. Unseres Meisters
Verschlossenheit, Wortkargheit und Arbeitsfreudigkeit sowie die gewisse Großzügigkeit wiesen auf sein alemannisches B l u t hin.
„Rheinberger war gut mittelgroß, trug einen braunen Vollbart,
der nach unten spitz endete. Seine Züge waren von edler Bildung,
Stirne und Schädel von ausgesprochen interessanten Formen, die
Nase kühn gebogen. Seine klugen, forschenden, lichten Augen konnten
manchmal sehr liebenswürdig und heiter durch die scharfe B r i l l e
blicken. S e i n typischer Ausdruck war jedoch der eines strengen, ernsten
Mannes, dessen mutiger Geist mit eiserner Energie dem schwachen
Körper stets neue Arbeitsstunden abzuringen weiß, der mit seinen
Gedanken bei seiner Arbeit weilt und der nur momentan von seinem
Schreibtisch abgerufen ist." S o charakterisiert Zda Cairati (Deckname: Jodokus Perger) den Meister.
Die schöne Heimat gab dem Künstler unvergeßliche Erinnerungen; gerade dann hat er, als schlichter Sohn der Berge, die schönsten
Eingebungen, wenn er sie besingt. Wie das Rheintal i n lieblicher
Innigkeit zwischen Bergriesen eingebettet ist, so erscheint uns Rheinbergers Musik i n mildem, sonnigem Licht, die sich aber auch zur
Großartigkeit steigern kann. Die Mozartverehrung Rheinbergers
wurzelte nicht nur i n seinem Wesen, in den ersten musikalischen E i n drücken und der Schulung, sondern auch i n der vielfachen Gleichartigkeit der Landschaften von Salzburg und Vaduz.
Wie der damalige Lehrer von Schaan, Sebastian Pöhly, den
älteren Schwestern Josephs Unterricht im Singen und Eitarrenspiel
gab, bemerkte er bald das überragende Musiktalent des Knaben.
Diesen unterrichtete der Lehrer nun in Klavierspiel und Musiktheorie, und Joseph machte solche Fortschritte, daß seine Vaduzer i m
Jahre 1846 von ihrem siebenjährigen Organisten eine dreistimmige
Messe zu hören bekamen. Der Ruhm des Wunderkindes verbreitete
sich in der ganzen Umgebung, aber Joseph war schon damals allem
Lobe abgeneigt. „ M a n konnte ihn schwer dazu bewegen, vorzuspielen, und kamen Leute, um den .Rentmeisterspepi' zu sehen, so war
er sicher nicht zu finden, sondern versteckte sich im hohen Gezweige
einer schattigen Buche so lange, bis er die Besucher das Haus wieder
verlassen sah." B e i aller Munterkeit zeigte der lernbegierige Knabe
schon frühzeitig einen Ernst, den man bei Kindern selten findet.
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Auf vielfaches Drängen entschloß sich der Vater, P e p i zur weiteren Ausbildung nachFeldtirch zu geben (1849). Dort unterrichtete
ihn Chorregent Schmutzer; Oberlehrer i. P . Nikolaus Moritz lieh
ihm zum Studium die Werke Bachs. 1850 kehrte Joseph wieder ins
Vaterhaus zurück, und es bedürfte des ganzen Einflusses des späteren Musikdirektors i n Innsbruck, M a t t h ä u s Nagiller, daß der
Rentmeister den Knaben ans Konservatorium nach München ziehen
ließ.
Anfang Oktober 1851 reiste Joseph nach München. Nicht ohne
pochendes Herz fand er sich zur Aufnahmsprüsung im Odeon ein.
A l s er jedoch durch die geschlossene T ü r die Spieler heraushörte,
dachte er bei sich: S o kann ich's auch. Nach bestandener P r ü f u n g
trat der Direktor, Franz Hauser, heraus und sagte zu den andern!
„Oiovinotti, jetzt nehmt euch zusammen; da ist einer — der Kleinste
von euch — der überholt euch schon jetzt!" Tüchtige Lehrer unterrichteten den überaus fleißigen Knaben, sodaß er die P r ü f u n g e n
glänzend bestand.
I n Universitätsprofessor Dr. Schafhäutl fand der angehende
Künstler einen großen Gönner und Förderer. Professor Herzog verschaffte dem Dreizehnjährigen die Stelle des Vizeorganisten an der
Michaels-Hofkirche. Nach Absolvierung des Konservatoriums (1854)
bildete sich Rheinberger bei Generalmusikdirektor Franz Lachner
weiter aus und verdiente seinen Lebensunterhalt durch Stundengeben. Die Studienjahre waren f ü r ihn eine Zeit der Entbehrungen
und vieler Arbeit. Dadurch ließ seine Gesundheit schon früh zu
wünschen übrig, es zeigte sich namentlich eine nervöse Überreizung.
Köstlich sind Rheinbergers Iugendbriefe. S i e sind voll Humor
und launiger Einfälle, schelmische Neckereien, Wortspiele, Verse
gelungene Skizzen und Tonreihen lösen einander ab. S i e zeigen so
recht das kindlich-heitere Gemüt, die Unbefangenheit des Knaben,
seine Liebe zu Elternhaus und Heimat.
>.
Die Jahre 1854—1858 waren die produktivsten seines Lebens.
E s entstanden über 125 (Zugend-) Werke: Messen, Offertorien,
Oratorien, Opern, Sinfonien, Ouvertüren, geistliche und weltliche Chorgesänge und Lieder sowie Kammermusik i n verschiedener
Besetzung. Gewiß ist viel Unreifes darunter, aber die leichte und
reiche Schaffenskraft erinnert an Mozart. A m 24. J a n u a r 1867
schrieb Rheinberger i n sein Notizbuch! ..Viel meiner alten Musik
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durchgestöbert — .bleib bei uns, denn es w i l l Abend werden' — wie
es mir damals möglich war, diese Motette zu schreiben, begreife ich
heute nicht — habe seit diesem Iugendwerk nichts Besseres geschrieben." Einen groszen Erfolg brachte ihm die A u f f ü h r u n g seiner ersten
(Jugend-) Sinfonie i m Jahre 1855.
1859 wurde Rheinberger als Lehrer f ü r Klavierspiel ans Konservatorium berufen, ein J a h r später rückte er zum Kompositionslehrer vor. 1864 übernahm er die künstlerische Leitung des Oratorienvereins und war, wie aus den Aufführungsverzeichnissen hervorgeht, bestrebt, die Münchner besonders mit den Oratorien E . F .
Händels bekanntzumachen. Die Tätigkeit als Solorepetitor am Königlichen Hoftheater i n den Jahren 1865,67 machte ihn mit dem
Theaterbetrieb vertraut und regte ihn zur Komposition von Opern
an. Damals war aber gerade der Kampf zwischen den Anhängern
der konservativen Richtung i n der Musik und den Fürsprechern der
Musik Richard Wagners entbrannt. S o brachte diese Zeit f ü r Rheinberger, der sein I d e a l i n den Werken Mozarts und der andern
Wiener Klassiker sah, manches Unliebsame, und gern nahm er die
Berufung als Königlicher Professor und Inspektor an die neuerrichtete Musikschule i m Jahre 1867 an.
Die Lehrtätigkeit sagte Rheinberger viel mehr zu, als das bewegte Theaterleben. Hier war er, der geborene Pädagoge, i n seinem
ureigensten Gebiet. A l s Kontrapunktlehrer wurde er weltberühmt,
und bis zu seinem Rücktritt von der Akademie der Tonkunst i m
Oktober 1901 hat er gegen 600 Schüler aus aller Welt zu tüchtigen
Musikern herangebildet, wovon sich viele einen Namen machten und
sich stets ihres Lehrers dankbar erinnerten und erinnern, wofür auch
diese Eedenkschrift zeugt. Hans von Bülow nannte Rheinberger den
ersten Kontrapunktisten und Lehrer Deutschlands. Und i n der Tat,
Rheinberger ist einer der größten Kontravunktisten, die je gelebt
haben. „Seine Schüler gaben ihm den Scherznamen .Fugensepperl'
und erzählten sich Wunderdinge von seinen kombinatorischen Fähigkeiten." Auch sein vieljähriges Leiden hat zu seiner vollendeten
Beherrschung des Kontrapunktes beigetragen. „Dem Meister wurde
der Kontrapunkt ein wunderbares M i t t e l , sich über den Zwang des
Körperlichen zu erheben: ein Symbol seines Lebens", so äußert
sich treffend T h . Kroyer i n seiner ausgezeichneten RheinbergerBiographie.
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1867 vermählte sich Rheinberger mit einer sehr gebildeten und
sprachenkundigen Offizierswitwe. Sie wurde ihm eine treue Lebensgefährtin, regte ihn durch viele ihrer Dichtungen, die sie unter dem
Namen Fanny von Hoffnaaß veröffentlichte, zu Kompositionen an
und war unermüdlich bestrebt, dem leidenden Manne ein behagliches Heim zu bieten. Die feinfühlige A r t dieser F r a u klang stets
durch Rheinbergers späteres Leben, und von ihr hatte er manche
Vorurteile gegen die neue Musik, die er früher nie besessen. I h r
Bericht „Aus der Heimat", i n dem sie die Iugendgeschichte ihres
Mannes festhalten wollte, ist leider unvollendet geblieben. Sie
starb, vom Gatten tiefbetrauert, am 31. Dezember 1892.
A n äußeren Ehrungen fehlte es Rheinberger nicht. Seit 1877
war er Königlicher Hofkapellmeister und hatte als solcher die K i r chenmusik der Allerheiligen-Hofkirche zu leiten. Papst Leo XIII. ernannte ihn zum Ritter des Eregoriusordens, Bayern zum Ritter
der bayrischen Krone, womit der persönliche Adel verbunden war,
der Prinzregent verlieh ihm den Eeheimrat-Titel. Die Akademie
der Künste i n B e r l i n erwählte ihn 1884 zu ihrem Mitglied, und
die Universität München ehrte ihn mit der Verleihung des Ehrendoktorates.
Johannes Vrahms fand unsern Meister geistesverwandt mit
Schubert. Hans von B ü l o w trat stets mit Wort und Tat f ü r seine
Werke ein. Trotzdem blieb dem Künstler i n den Jahren seines reifsten Schaffens der durchgreifende Erfolg versagt. Die musikalischen
Verhältnisse hatten sich zugunsten der neuen Musik verändert, und
Rheinberger wurde ein Schicksalsgenosse Draesekes,Bruchs und Naffs.
Aber er schuf aus innerem Drang und der Erkenntnis, daß er der
Welt was zu sagen habe. Werk auf Werk und brachte es (die J u gendweihe nicht eingerechnet) auf die Opuszahl 197, wozu noch viele
Schöpfungen ohne Opuszahlen kommen. E r ist der vielseitigste der
Nachklassiker; er hat die Musik i n solchem Formenreichtum gepflegt
wie nur wenige der großen Komponisten. A l s schaffender Künstler
stand er zeitlebens der Wagner-Lisztschen, aber auch der Vrahmschen Richtung fern, beide gingen ihm, wie er Wilhelm Kienzl offenherzig gestand, „gegen den Strich". E r war i n seinem Schaffen ein
eigener, was jedoch f ü r ihn spricht. Wohl zeigen manche Werke
einen S t i l , der dem Brahmschen nicht allzu fernesteht, und einige
Zeit hatte er sogar dem Wagnerischen Kreis zugeneigt, aber sein
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Ideal war und blieb Mozart, und als er einmal i n Mozartschen
Molinsonaten schwelgte, rief er aus: „O Wonne in dieser Musik!
Zum Teufel mit aller Schopenhauerschen Musik!" E r sah es f ü r die
Kunst als Nachteil an, daß man soviel Gutes und Altbewährtes
über Bord warf. Gab ihm die Entwicklung der Tonkunst zur Atonale
in mancher Beziehung nicht recht?
Allgemein bewundert und anerkannt wurde und wird sein
großes, fast beispielloses Können, womit er alle Formen der Musik
meistert. Aber oberflächliche Kenner seiner Werke sprechen ihm
manchmal die Ursprllnglichkeit der Erfindung ab. Z u Unrecht! M a g
er auch hie und da seiner Eeschicklichkeit etwas zugute tun, i n der
Eroßzahl der Werke zeigt er sich als ein Eottbegnadeter. Seine M u sik erschließt sich manchmal nicht so leicht. Aber man muß nur recht
hinhören: welche W ä r m e , welche Innigkeit durchströmen seine unerschöpflichen Melodien! Wie ist alles ausgeglichen i n Form, Tönung
und Farbe! W i e gebraucht er das Chroma ohne jedes Übermaß! W i e
natürlich fließen selbst die Stimmen im strengsten S t i l , im Kanon
dahin! Aber er weiß auch zu gegebner Zeit seinen S t i l zur M o n u mentalität zu steigern: seine großen Chorwerke und seine S i n f o nien f ü r die Orgel, so darf man die Orgelsonaten wohl nennen,
belegen dies i m besondern.
I h m , dem tiefreligiösen Manne, war es seit frühester Kindheit
ein Herzensbedürfnis, Kirchenmusik zu schreiben. E r hat die orgelbegleitete Messe zur vollen künstlerischen Reife gebracht. Seine achtstimmige Messe, Seiner Heiligkeit Papst Leo XIII. gewidmet, ist
„die schönste reine Vokalmesse des 19. Jahrhunderts". Das Requiem,
c»p. 60, und die Orchestermesse, c>p. 169, gelten als die schönsten
Werke ihrer A r t der nachklassischen Periode. I n den Motetten gab
der Meister Schöpfungen von zeitloser Kunst. Leider fand er zeitlebens mit der Kirchenmusik, dem besten T e i l seines Schaffens, wenig Anerkennung. Erst die neuere Zeit anerkennt ihn als einen
Erneuerer der katholischen Kirchenmusik und berücksichtigt die Werke
in gebührender Weise.
D a und dort, besonders i n England und Amerika, mögen heute
noch seine Orgelwerke erklingen, aber andere Schöpfungen hört man
selten. A u s welchen G r ü n d e n ? Das Musikleben von heute zeigt eine
große Einförmigkeit, da nur die Meister ersten Ranges gelten und
man an vielen wahren Meisterwerken achtlos vorübergeht. F ü r
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Rheinberger hat noch nie eine „ P a r t e i " geworben, gegen seine Werke
herrscht eine große Voreingenommenheit, obwohl man sie nur ungenau oder gar nicht kennt. Sicher wird die Zeit kommen, da man
Musik, wie er sie geschrieben, wieder zu Ehren zieht.
E i n von Professor August Schmid-Lindner i n seinen „Erinnerungen an Joseph Rheinberger"' mitgeteilter Vorfall, der der musikalischen Welt zu denken geben sollte, sei noch erwähnt: „Einige
Jahre nach Rheinbergers Tode tauchte i n W i e n ein ruhmsüchtiger
junger M a n n auf, der es zweckmäßig fand, Werke von Rheinberger
Note f ü r Note abzuschreiben und keckhin mit seinem Namen zu versehen. M a g die überspitzte Eitelkeit, die hier leitete, als geistige
Abnormität berühren, so lag der Handlung doch tiefe Sachkenntnis,
ja ein gewisses Raffinement zugrunde, i n der A r t , wie die unbeachteten, wertvollen Erzeugnisse eines verstorbenen Autors, der sti l
seine Bahn gewandelt war, f ü r welchen niemals eine Partei agitie t
hatte, zum Gegenstand des Raubes ausersehen wurden. N u r der
Reklametrommel — die der junge M a n n trefflich zu bedienen verstand — bedürfte es und der Sieg mußte gesichert sein. Die Rechnung
war tadellos und die Werke Rheinbergers, unter neuem Firmenschild dargeboten und von kräftiger Werbung getragen, hatten einen
Bombenerfolg, wie ihn der bescheidene Autor sich nie hätte träumen
können und wie er ihn natürlich zu Lebzeiten i n dieser Stadt niemals gehabt hatte. Viele Monate hindurch dauerte der Rausch des
Erfolges, bis der Schwindel entdeckt wurde." Leider hat das P u blikum daraus keine Lehre gezogen.
Rheinberger vergaß seine Heimat nie. Immer kehrte er gern
zu ihr zurück und sein Herzenswunsch war es gewesen, einst i n ihrer
teuren Erde die letzte Ruhe zu finden. N u r auf ausdrücklichen Wunsch
seiner Gattin erwarb er auf dem südlichen Friedhof i n München
eine Grabstätte, wo er nach seinem am 25. November 1901 erfolgten
Tode neben ihr beigesetzt wurde.
W i r ehren i n Joseph Rheinberger den guten, edlen Menschen,
den begnadeten Künstler und den großen Liechtensteiner.
1. Zeitschrift für Musik, 1338, Januarheft.
7 *
Joseph Rheinberger, Iugendbildnis (18SS)
Die E l t e r n Rheinbergers
Zohann Peter Rheinberger l1«70)
M a r i a Elisabeth Carigiet (1872)
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Einiges über Vorsahren und Abstammung
Jloseph Rheinbergers
Von Rudolf Rheinberger
Ich betrachte es nicht als meine Aufgabe, i n diesem Rahmen
eine nach rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgebaute genealogische Abhandlung zu schreiben. Vielmehr soll dieser kleine Aufsatz
die Abstammung Rheinbergers nur i n den Erundzügen aufzeigen
und Persönlichkeit und Charakter einzelner seiner Vorfahren kurz
beleuchten.
Wenn wir die noch vorhandenen, unser heutiges Liechtenstein
betreffenden Urkunden des 16. und früherer Jahrhunderte durchgehen, so werden wir den Namen „Rheinberger" vergeblich suchen.
Auch im Legerbuch des Jahres 1584, das sämtliche damals i n den
Herrschaften Vaduz und Schellenberg ansässigen Geschlechter erfaßt,
begegnet uns noch kein Träger dieses Namens. Dann aber, um das
J a h r 169V, treten gleich zwei Brüder, ein Hans und ein M a t h y s
Rheinberger, i n Erscheinung, und diese sind die Begründer der beiden heute noch i n Liechtenstein lebenden Linien, aus deren einer
auch unser Tondichter Joseph Rheinberger hervorging.
Eine alte Familienüberlieferung besagt, daß das Geschlecht ursprünglich aus der Gegend von Rankweil i n Vorarlberg stamme, was
ich auch bei meinen Nachforschungen immer wieder bestätigt finden
konnte. Der Name Rheinberger kommt von dem ursprünglichen
Wohnsitz der Familie, dem „Rinberg", einem Waldvorsprung östlich von Rankweil. Eine Urkunde aus dem J a h r 1426 nennt einen
„ S t e f f a n ab dem Rinberg uff Rinberg" und einen „ M a r t i n ab dem
Rinberg uff Rinberg". Eine weitere aus dem J a h r 1538 einen
„Christian Reinberger ab Reinberg". I n diesem Jahrhundert lassen
sich noch mehrere Mitglieder des Geschlechts urkundlich feststellen.
W i r dürfen die um 16VV nach Liechtenstein eingewanderten Brüder
Hans und Mathys Rheinberger wohl mit Sicherheit als Nachkommen der „Reinberger ab Reinberg" betrachten, llber die Herkunft
der Bewohner des „Reinberges" läßt sich aber noch mehr ermitteln.
Eine vortreffliche Zusammenstellung über „die Ansiedlung der W a l -
— 130 —
ser in der Herrschaft Feldkirch c. 1300—1450" von J o s Zösmair
gibt uns darüber wichtige Aufschlüsse. Daraus ist zu entnehmen,
daß die erste Besiedlung des „Reinberges" um das J a h r 1363 durch
die Walliser erfolgte, und daß die „Reinberger ab dem Reinberg"
als Nachkommen dieser Walliser betrachtet werden müssen.
Zur besseren Orientierung füge ich hier eine Stammtafel bei,
in der alle Voreltern Joseph Rheinbergers, seit sie i n Liechtenstein
ansässig sind, aufgeführt werden. Die Stammtafel wurde schon von
dem Rentmeister Johann Peter Rheinberger in der M i t t e des vorigen Jahrhunderts nach den Kirchenbüchern in Schaan angefertigt,
jedoch ohne genauere Daten. Peter Eöring, der 1926 einen Artikel
„Familienkunde im Fürstentum Liechtenstein" veröffentlichte, nahm
sich dann die Mühe, diesen ganzen Stammbaum mit genauen J a h reszahlen zu versehen. Einige Ergänzungen konnte ich noch beifügen
auf Grund verschiedenen Quellenmaterials, das ich i n den letzten
Jahren gesichtet hatte.
N u n etwas über Persönlichkeit, Beruf und Stellung der Voreltern Rheinbergers.
B i s gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts waren sie Banern
und scheinen durch nichts Besonderes hervorgetreten zu sein. David
Rheinberger (1731—1795), der Urgroßvater des Komponisten./bewirtschaftete noch einen Hof. Daneben hatte er das A m t eines Wuhrmeisters und Geschworenen inne. A l s verständiger und kluger M a n n
war er allgemein geachtet. Seine F r a u , Anna Katharina Wolf aus
Vaduz, war eine Urenkelin Georg Wolfs, der unter den Grafen von
Hohenems zweimal (1672 und 1680) Landamman der Grafschaft
Vaduz gewesen war.
Johann Rheinberger, der Sohn Davids und Großvater Joseph
Rheinbergers, widmete sich ganz dem Staatsdienst. B e i der damaligen geringen Zahl von Beamten — es waren derer 3 oder 4 —
versah er zugleich die Ämter eines Amtsboten, Amtsschreibers,
Haupizollers und Straßenaufsehers. E r war „ein f ü r seinen Stand
sehr gescheidter und hauptsächlich rechtschaffener M a n n " . Seine zierliche und charaktervolle Handschrift i n den zahlreichen von ihm noch
erhaltenen Schriftstücken sticht uns heute noch i n die Augen. Der
damalige Postmeister Häusle von Feldkirch soll ihm oft das Kompliment gemacht haben, er sei der einzige Liechtensteiner, der korrekt
ichreiben könne.
— 131
—
Johann Rheinberger hatte neben seinem Beruf auch noch andere Interessen.,Seine Aufzeichnungen aus der Zeit der Franzosenkriege sind hochinteressant. E i n „politisches Tagebuch" aus seiner
Feder ist uns noch erhalten. E s stand auch Peter Kaiser, unserem
großen Liechtensteiner Historiker, zur Verfügung. I n seiner Chronik
von Liechtenstein bringt dieser einen Abschnitt aus dem „politischen
Tagebuch" zum Abdruck (Kaiser, Geschichte des Fürstentums Liechtenstein, 1. Ausgabe, Seite 300 u. f.). A n gleicher Stelle nennt Peter
Kaiser Johann Rheinberger „einen in vaterländischen Dingen sehr
erfahrenen M a n n " .
Die F r a u Johann Rheinbergers stammte aus der alten V a duzer Familie Hartmann. S i e war die Tochter des fürstlichen J ä g e r s
A. Hartmann und der M a r i a Wolsinger aus Balzers.
„Anno 1789, den 19. October ist unser Johann Peter in den
Scorpion geboren worden, morgens um zwei Uhr". S o lautet eine
Eintragung im Gebetbuch des Amtsboten Johann Rheinberger.
Johann Peter Rheinberger, das zweite K i n d des Amtsboten, mußte
seine Jugend i n einer schweren Zeit verbringen, hatten doch die
Franzosenkriege das ganze Land i n tiefe Not gebracht, sodaß auch
er sehr darunter zu leiden hatte. M i t 10 Jahren besuchte Johann
Peter zum erstenmale einen Winter lang die Schule in Vaduz; als
er jedoch im F r ü h j a h r weder lesen noch buchstabieren konnte, beschloß sein Vater, ihn in die eigene Lehre zu nehmen, wobei er dann
allerdings bessere Fortschritte machte. B a l d stellte sich bei ihm eine
vorzügliche Neigung und großes Talent für Mathematik und Geometrie heraus. S e i n Vater, der die Begabung erkannte, verschaffte
ihm mathematische Bücher, was damals gar nicht so leicht war. E r
selbst sparte jeden Sechser zusammen, um daraus Bücher und geometrische Instrumente zu kaufen. E i n Zimmermann verfertigte ihm
den ersten Meßtisch.
A l s er 20 Jahre alt war, hatte er es i m Feldmessen so weit
gebracht, daß er mit seinem Vater zusammen verschiedene Güter
vermessen konnte. A l s dann bald darauf die Grundbücher errichtet
wurden, konnte er die hierzu erforderlichen Vermessungen großenteils ausführen. 1814 trat er in den Dienst des Seminars S t . Luzi
in Chur, wo er 5 Jahre zubrachte und Gelegenheit hatte, sich bei
den dortigen Professoren weiter auszubilden.
—
132 —
I m Jahre 1819 wurde Johann Peter Rheinberger unter Landvogt Schuppler Amtsschreiber i n Vaduz und einige Jahre darauf
fürstlicher Aktuar und Erundbuchführer. N u n , da er eine gesicherte
Stellung innehatte und nach damaligen Begriffen ein „Herr" geworden war, konnte er daran denken, zu heiraten. Seine Auserwählte war M a r i a Hilte von Schaan. Z u r Zeit, als er noch in Chur
weilte, sattelte er oft in der Abenddämmerung sein Pferd und ritt
zu seinem „ M e i l i " nach Schaan. I m November 1820 wurde Hochzeit
gehalten. A u s dieser Ehe entsprang ein Sohn David, der spätere
liechtensteinische Regierungssekretär. Aber schon nach wenigen J a h ren wurde dem Erundbuchführer die Gattin durch den Tod entrissen.
D a er noch ein junger M a n n war, gedachte er nicht, sein ferneres Leben als Witwer weiterzuführen. I n Schaan lernte er seine
zweite F r a u , M a r i a Carigiet, kennen, die ihrem Bruder, der dort
Pfarrer war, den Haushalt führte. M a r i a Carigiet war die Tochter
des Landammanns Johann Laurenz Carigiet und der M a r i a Christina, geborene von M o n n , aus Disentis.
Außer dem Erundbuchführer gab es zu dieser Zeit nur noch
2 Beamte, den Landvogt und den Rentmeister.
Johann Peter Rheinberger bot sich später Gelegenheit, sich auf
technischem Gebiet zu beschäftigen. Nachdem er 1836 zum fürstlichen
Rentmeister ernannt worden war, brachten ihm Rheinkorrektion,
Entwässerung und S t r a ß e n b a u viel Arbeit auf seinem Lieblingsgebiet.
I m Jahre 1839, am 17. M ä r z , also vor 100 Jahren, kam als
8. K i n d des Rentmeisters ein Sohn zur Welt, der auf den Namen
Joseph getauft wurde. Seine glücklich zustandegekommene Geburt
gab den Anlaß zur Erstellung einer neuen Orgel i n der Vaduzer
Kirche. Doch dürfte diese Episode genügend bekannt sein, weshalb
ich sie hier nicht wiederholen möchte.
Johann Peter Rheinberger versah noch lange Zeit sein Amt
als Nentmeister. A l s er dann i n den wohlverdienten Ruhestand
trat, widmete er sich bis zu seinem Lebensende ganz seinen Liebhabereien.
Zum Abschluß wäre noch auf eine Frage einzugehen, die allerdings recht schwer zu beantworten ist: V o n welcher Seite seiner
Vorfahren erbte Joseph Rheinberger seine musikalische Anlage?
Th. Kroyer hat diese Frage i n seiner Biographie schon berührt.
Über die Vorfahren Rheinbergers war jedoch Kroyer falsch oder
gar nicht unterrichtet, was ja auch aus meinen vorangehenden Ausführungen zu ersehen ist. Kroyer sagt, Johann Peter Rheinberger
sei vollkommen unmusikalisch gewesen. Diese Behauptung musz als
unrichtig bezeichnet werden, denn wie sein Sohn David berichtet,
spielte er ganz ordentlich die Flöte. Die Familie Carigiet brachte
mehrere musikalisch sehr begabte Personen hervor. Das; die Mutter
Josephs selbst keine musikalischen Eigenschaften zeigte, besagt nichts,
denn der Erbgang kann ja auch rezessiv erfolgen. W i r dürfen daher
wohl mit Recht annehmen, dasz Joseph Rheinberger seine musikalischen Fähigkeiten sowohl vom Vater als auch von der Mutter mitbekommen hat.
E s wäre eine ebenso dankbare wie wünschenswerte Aufgabe,
diese Frage der Vererbung einmal auf rein wissenschaftlicher Basis
ausführlich zu bearbeiten. Hoffen wir, dasz sich bald ein Berufener
findet, der diese Arbeit in Angriff nimmt!
— 134 —
Stammtafel
Johann Rheinberger, V um 1600, ^ um 1670
(D M a r i a Wiser
I
Johann. V1651. ^ 1731
(D M a r i a Strub (1674)
>
Georg, V 1675, ^ 28. Oktober 1760
(D Barbara Bühler
I
Andreas, V 27. November 1702
(D Christina Wille, V 24. J u n i 1701, ^ 24. J a n u a r 1765
I
David, V 4. August 1731, /1.25. Oktober 1795
(D A n n a Kath. Wolf, V 23. November 1739,
26. Februar
1789 (Tochter des K a r l Wolf und der Magdalena Hof)
I
Johann. V 20. J u n i 1764. >!. 16. Februar 1828
(D Josefa Hartmann (1787) (Tochter des fürstlichen J ä g e r s
A . Hartmann und der M a r i a Wolfinger)
>
Johann Peter, V 19. Oktober 1789, ^ 25. M ä r z 1874
W M a r i a Elisabeth Carigiet, V 17. Oktober 1801. ^ 4. Oktober 1873
I
Joseph Gabriel, V 17. M ä r z 1839. >K 25. November 1901
(D Franziska Jägerhuber, Witwe von Hoffnaasz, V 18. Oktober 1832, ^ 31. Dezember 1892.
—
135
—
Meister Joseph Rheinberger ein Retter der absoluten Musik
Von Professor Emile Rupp
I m Spätherbst des Jahres 1893 verließ ich nach vierjährigem
Aufenthalt das „städtische" Konservatorium zu S t r a ß b u r g , wo ich
mich speziell im Orgelspiel ausgebildet hatte. Der vorzügliche Theorieunterricht wurde durch einen früheren Absolventen der Königlichen Akademie der Tonkunst i n München und Schüler Joseph
Rheinbergers Professor C a r l Somborn erteilt. (Somborn war Rheinländer und zog sich nach dem Weltkrieg nach München zurück.)
Das Stadttheater S t r a ß b u r g gab damals unter Wilhelm Bruch
vorzügliche Wagner-Vorstellungen; i n der benachbarten badischen
Residenzstadt Karlsruhe waren die von Felix M o t t l geleiteten Konzerte des Hoforchesters ein gewattiger Magnet, der uns „modern"
eingestellte Straßburger Konservatoristen i n seinen Bannkreis zog.
M o t t l pflegte i n hervorragender Weise die dramatischen und Orchesterwerke von Hektor Berlioz, der damals i n S t r a ß b u r g auf dem
Index der das Musikleben dirigierenden preußischen Eeheimräte
und Professoren stand! Der Zaubertrank der beiden größten Romantiker wirkte verhängnisvoll auf das leicht entzündbare Gemüt der
musikstudierenden Jugend; viele von ihnen wurden ihrem Spezialinstrument untreu und wandten sich der dornenvollen Dirigentenlaufbahn zu.
Auch ich gehörte zu den Berückten; ein mehrwöchentlicher Aufenthalt i n dem hyperkonservativen Leipzig trieb mich vollends dem
Modernismus i n die Arme; ich sagte vorläufig der Orgel Valet!
Und als kurz darauf aus den Proszeniumtiefen des Münchener
Opernhauses die 12 Kontrabässe des Hoforchesters unter Hermann
Levis Zauberstab das Kontra-Ls des „Rheingold"-Vorspiels anstimmten, glaubte ich mich dem Z i e l meiner Sehnsucht nah! A m
nächsten Vormittag kam freilich eine Ernüchterung: die Aufnahmeprüfung als Studierender der Königlichen Akademie der Tonkunst.
Ich belegte zwei Hauptfächer: einen Doppelkurs f ü r einfachen und
doppelten Kontrapunkt sowie Formenlehre und Orchesterkunde bei
— 136 —
Joseph Rheinberger. Klavier bei dem Meisterpianisten Heinrich
Schwartz.
D a das Klavier i m Straßburger Konservatorium als „Nebenfach" (!) der Organisten ziemlich stiefmütterlich behandelt worden
war, mußte ich mich bei Heinrich Schwartz einer strengen Lehre
unterwerfen. Meister Schwartz pflegte mit bajuvarischer Offenheit
Minderwertiges zu rügen und strenge Vußübungen i n F o r m täglich
mehrstündiger Technikstudien den S ü n d e r n aufzuerlegen. Ganz ähnlich bedeutete das Studium bei Rheinberger eine gewaltige Belastung der Arbeitskraft von uns Akademikern. Außer den laufenden
Aufgaben — vierstimmige Bearbeitung eines csntus tirmuL i n Ober-,
M i t t e l - und Baßstimmen, Anfertigung einer Fuge oder eines K a nons nach gegebenem Thema, Instrumentierung eines klassischen
Sonaten- oder Quartettsatzes f ü r Orchester— mußten wir zur Dokumentierung i n der Formenlehre ganze Sätze aus Sinfonien und
Quartetten abschreiben, da wir, wie Rheinberger malitiös lächelnd
meinte, hiedurch genötigt waren, die betreffenden Tonstücke zu lesen
und folglich zu studieren! Kein Wunder, daß wir jeden konzertfreien
Abend von 8 bis 11 Uhr am Schreibtisch saßen, bevor die ersehnte
„ M a ß " i m H o f b r ä u h a u s winken durfte.
Rheinberger nahm unter seinen Schülern eine gewisse Selektion vor und beschäftigte sich hauptsächlich mit den wirklich Befähigten, welche sich meist unter den aus bescheidensten Verhältnissen
hervorgegangenen Staatsstipendiaten befanden. E s war sozusagen
seine musikalische Leibgarde, welche bei seiner Elockenschlag 8 Uhr
erfolgenden Ankunft i m Odeon (einem früheren der Krone gehörigen P a l a i s , wo die Königliche Akademie der Tonkunst untergebracht war) sich mit wilder Begeisterung auf den Hut, Pelzmantel
und Stock des Meisters stürzten und um 12 Uhr ihm diese Gegenstände wieder präsentierten, was Rheinberger mit ausgestreckten
Armen und stoischem Gleichmut über sich ergehen ließ. S e i n K u m mer wären die vielen Dilettanten und reichen Bürgersöhnchen,
welche zu jener Zeit musikalischer llberkultur sich zum Komponisten
oder Dirigenten berufen glaubten und nach einigen Jahren angenehmen Eroßstadtlebens, zwar ohne Examen, aber mit einigen auf
Vaters Kasse gedruckten und der Liebsten gewidmeten „Liedern" i n s
bürgerliche Dasein zurückzukehren pflegten. Eine andere Spezialität
— 137 —
waren die spleenigen Engländer und Amerikaner, welche mit dickleibigen Orchesterpartitüren der Richard Wagnerschen Tondramen
unterm A r m auf den Hauptpromenaden von Jsar-Athen sich wichtig
zu machen pflegten. Wenn einer dieser /Vlister auf dem täglichen
Spaziergang im Hofgarten oder gar beim Spielchen B i l l a r d i m
Hofgartencafe den Meister anzureden begann, so schnitt dieser die
Audienz kurz ab mit den Worten: „ M e i n e Herren, außerhalb
meiner Dienststunden im Odeon bin ich ein gänzlich unmusikalischer
Mensch!"
Der verbohrt einseitige Wagnerianismus jener Epoche, wo die
Bierheben auf Phantasienamen wie Brünhilde, Eutrune, W a l traute usw. zu hören pflegten und i n einem Cafe sogar M e t i n
Auerochsenhörnern kredenzt wurde, mußte f ü r eine ethisch-strenge
Musikernatur eine wahre Q u a l bedeuten. Die schroffe Ablehnung
Wagners durch Rheinberger hatte wohl nicht nur ästhetische Motive,
sondern hing auch mit dem Übergriff des mit der Reorganisation
der Musikschule betrauten gewalttätigen Dichter-Komponisten zusammen. A l s ich wenige Tage nach, meinem Eintritt anläßlich der
im Jnstrumentationskursus zur Rede stehenden Baßklarinette i n L
schüchtern bemerkte, daß es doch auch eine solche i n ^ (Tristan)
gäbe, verließ Rheinberger indigniert den S a a l und es bedürfte
mancher gutgelungenen Doppelfuge, bis der verehrte Lehrer mir
seine Gunst wieder zuwandte.
Nach etwa einem Zahr bewirkte, bei mir die sechsmalige Anhörung von Vizets „ C a r m e n " (sie war auf Wunsch des meiner Familie
befreundeten Generalmusikdirektors Levi erfolgt, welcher mir sogar
die Orchesterpartitur während mehrerer Wochen zur Verfügung
stellte) eine ähnliche Reaktion wie bei dem ehemaligen WagnerSchwärmer Friedrich Nietzsche. Die geistreich-klare Instrumentation
dieses Meisterwerkes der neuerwachenden und nach jahrzehntelanger Abhängigkeit von deutschen und italienischen Einflüssen sich auf
sich selbst besinnenden französischen Tonkunst wirkte auf mich geradezu als Offenbarung. W i e Bizet mit einfachsten M i t t e l n , z. B .
eines Duos zwischen Harfe und Flöte, allein durch die absolut-musikalische Essenz seiner Themen und ihrer Verarbeitung gewaltige
Wirkungen erzielt, ohne ständig eine ganze Militärkapelle i m Rahmen des klassischen Orchesters i n Bewegung zu setzen, ließ mich plötz-
s*
— 138 —
lich die von den „Wagnerianern" und neuaufwuchernden „Straußianern" kolportierte „Rückständigkeit" unseres verehrten Lehrmeisters in einem neuen Lichte sehen.
Als ich für einen Dirigentenabend unserer Anstalt Bizets « ^eu
ci'^nkant» und für einen andern Vortragsabend eine Mozartsche
Klaviersonate gewählt hatte, drückte mir Rheinberger eines Tages
stillschweigend die Hand. I n seinen Augen strahlte die Freude über
einen aus Klingsors Zaubergarten entwichenen und ins rein-musikalische Eden zurückgefundenen Adepten. Ich möchte betonen, daß
wenn es mir heute vergönnt ist, in den Reihen der französischen
Musiker ein ehrenvolles Plätzchen einzunehmen, ich dies in erster
Linie der durch Rheinberger vermittelten Erkenntnis von der
Ü b e r z e i t l i c h keit der a b s o l u t e n M u s i k verdanke. Heute
ist ja die Gefahr beschworen, die absolute Musik hat ihren Herrschersitz wieder eingenommen und sich nicht zur Sklavin nebulöser
Philosopheme und ihrer Zeit verfallenden schwülstigen Dramentexte
erniedrigen lassen! Daß der Umschwung in relativ kurzer Zeit sich
vollziehen konnte, verdankt die. Welt in erster Linie mutigen Naturen und musikalischen Eewissenskündern, wie Joseph Rheinberger
einer der erfolgreichsten war.
Durch einen puren Zufall hatte ich mich in einer Privatpension
im dritten Stock des „Rheinberger-Hauses" in der Fürstenstraße,
ganz nahe beim Odeon eingemietet. Dies gab mir Gelegenheit, aus
der Vogelperspektive die Lebensweise des vereinsamten Meisters
(der Tod hatte ihm kurz zuvor seine Gattin, eine begabte Dichterin,
entrissen) zu studieren. Sie war fast mathematisch streng reguliert;
ich habe nie einen Menschen kennengelernt, der den unwiederbringlichen Wert der Zeit so zu schätzen wußte wie Rheinberger. Er pflegte
sehr früh aufzustehen, dann begab er sich in die Frühmesse der benachbarten Ludwigskirche und von da ins Odeon, wo seine Theoriekurse
ihn bis Mittag festhielten. Nach dem Mittagessen, das er sich im Restaurant holen ließ (ein alter Diener und ein großer Hund waren
zeitweise die einzigen Hausgenossen des Meisters), pflegte Rheinberger seinen Spaziergang im benachbarten Hofgarten zu machen und
dann im „Englischen Cafe" die Zeitungen zu lesen. Der Nachmittag
war der Komposition gewidmet und von 5 bis 6 Uhr pflegte der
Meister auf einem der beiden großen, seinen Arbeitssalon schmückenden Konzertflügel klassische Musik, vor allem Bach, Mozart und
—
139 —
Beethoven mit vollendeter Technik und peinlich genauer Phrasierung
und Rhythmiksichvorzuspielen. I m Sommer, wenn die Fenster geöffnet waren, pflegten wir oft dieser musikalischen Andachtsstunde
eines wahren Priesters seiner Kunst zu lauschen.
Rheinberger war als Komponist äußerst fruchtbar. Der Schwerpunkt seines Schaffens lag auf dem Gebiet der Chormusik; mit Klavier-, Orgel- und Orchesterbegleitung hat er eine große Anzahl geistlicher und weltlicher Chöre geschrieben. Sein Dienst als KöniglichBayrischer Hofkapellmeister in der Hofkirche (an großen Feiertagen
pflegte er eine glänzende Uniform mit Schiffhut und Degen zu tragen)
brachte ihn in ständige Berührung mit einem der best stilisierten Chöre
Münchens, dessen Mitglieder, meist im Hofopernchor tätig, bezahlt
waren und allwöchentlich 4 Proben zu absolvieren hatten. Dieser
Chor pflegte allsonntäglich im Amt mitzuwirken und hat mir die
Kenntnis und Verehrung des a-capelw-Stils eines Palestrina und
Orlando di Lasso vermittelt.
Rheinberger war auch ein hervorragender Orgelpädagoge. Seine
Orgelsonaten, von etwas lyrischer Stimmung, schwingen sich oft zu
hoher Inspiration auf und verlangen einen virtuos-sattelfesten Spieler! Sie werden leider von der jungen und jüngsten Organistengeneration ungebührlich vernachlässigt, was auf die ungerechte Beurteilung Mendelssohns und der Frühromantiker zurückzuführen ist.
Die Suite für Molinchor und Orgel in <2 sowie das strahlende Konzert in l^ für Orgel, Streichorchester und 3 Hörner sind Glanznummern, welche auch heute eines markanten Erfolgessichersind.
So steht vor uns ehemaligen Schülern (aus dem Elsaß möchte
ich bei dieser Stelle noch den vor 5 Iahren verstorbenen elsässischen
Komponisten Charles Eckert nennen) das Bild Joseph Rheinbergers
als das eines aufrecht-charaktervollen Mannes, der niemals durch
„moderne" Zeitströmungen sich von seinem der Suche des Ideals
geweihten Pfade abbringen ließ. Er hat viel Gutes gewirkt und viel
Schönes geschaffen.
E h r e seinem A n d e n k e n !
—
140 —
Joseph Rheinberger der große Lehrer, Wensch und Freund
Von Musikdirektor Josef Schmid
Rheinberger — der große Lehrer des Kontrapunktes — so ist
er für alle Zeiten als „Unvergänglicher" in der Geschichte der Musik
verankert! Eine Legion von Schülern aus aller Herren Ländern dankt
laut ihr Können wie Bestehen dem kritischen Weltforum gegenüber
diesem wahrhaften Meister der Satzkunst.
Seine geradezu märchenhafte Unbeirrbarkeit in musikalischen
Dingen, sein seltener, feiner, zum Sarkasmus neigender Witz, wie
die Vornehmheit seiner Gesinnung stempelten ihn zu einer Persönlichkeit außergewöhnlichen Formates; einen „Typ", den man am
richtigsten als „einprägsam fürs ganze Leben" bezeichnen möchte.
Unbeugsam betreffend Disziplin in jeder Form, verschloß er sich
doch keineswegs moderneren Regungen, wie sie uns Schülern, im
übrigen wohl jedwelchen Lernenden eigentümlich sind. Und schoß bei
uns Schülern etwas zu sehr in die Halme, so meinte er mit ironischem Lächeln: „ S o lange Sie bei mir sind, sollten Sie tun, was
ich meine; später das, was Sie für gut finden!" Traf er aber bei
seinen früheren Lehrlingen auf wirklich Gutes, Vorausschauendes,
so war er hochzufrieden mit der Bemerkung: „Sehr schön, wenn
auch ziemlich modern. Doch bin ich eben der Alte und Sie der
Zunge! Und darum ist's recht so!"
Jedenfalls kann von einer „Verknöcherung", die man unserem
Meister auch heute noch so gerne andichtet, keine Rede sein. Freilich
konnte er sich mit gar manchen Dingen, diesichum ihn taten, innerlich nicht befreunden; doch konnte kein Mensch ihn hierüber ausforschen. Sein Takt war sprichwörtlich und somit jeder geplanten
Attacke, Meinungsäußerungen sozusagen herauszufordern, a priori
der Boden entzogen.
Dieser inneren Disziplin entsprach auch die Systematik, der
ganze Aufbau des Unterrichtes. „Zn allem exakt!" Sauberkeit in
allen Dingen. Nicht zuletzt betreffend Notenschrift. Bei jeder Stunde
mußten die Reinschriften vorgelegt werden, wobei ihm — bei seinem
—
141 —
beispiellosen Überblick — kein verlorenes Zeichen entging. (Hiezu
seine stereotype Bemerkung: „Jetzt noch selbst besorgen; später —
wenn Sie sich's leisten können —nimmt's Ihnen Ihr Sekretär
ab.") Auch beim Spielen eben gebauter Arbeiten holte er sich gerne
seine „bekannten Opfer" immer wieder vor. Eben der Erzieher!
War doch sein Grundsatz: „über den Zwang zur Freiheit!" Doch
erschien ihm jede „Nursystematik", jedwelche Technikdrescherei eine
zum Tode verurteilte Sache! Der Kontrapunkt — so sagte er — muß
wie ein Baum „gewachsen" und auch „ästhetisch" begründet sein!
So traversierten wir von einer Disziplin zur andern: vom
„csntus lirmus" bis zu den höchsten, ja letzten technischen Möglichkeiten kontrapunktischer Deutung. Daß dabei dem Kanon wie der
Fuge ein gerüttelt Maß zukam, versteht sich bei Rheinbergers Eigenart als klassizierender Fugenkomponist von selbst.
Einzigartig seine Behandlung der Stimmführungsmaterie! Zm
allgemeinen wie im besonderen. Vielleicht des großen Praktikers
„Domäne"; wie es wohl kaum einen seiner Jünger geben dürfte,
der hierüber nicht gründlichst Bescheid wüßte! Speziell das „Chorische" zu beherrschen, vom einfachen Lied im Volkston bis zum
vielstimmigen, komplizierten Motettensatz einen Vokalsatz wirklich
„klingend zu gestalten", dies uns einzuhämmern, war er der
Meister!
Wenn wir bei der Instrumentation nicht so ganz auf unsere
Rechnung kamen, so lag das unleugbar nicht bei Rheinberger, sondern war sozusagen „begründet" in der Atmosphäre, die — durch
die Musikreformer genährt — zu gleichen Teilen ebenso Enthusiasmus wie andererseits stärksten Widerstand zeitigte. Daß Rheinberger in gerade diesen Zeiten des „Umbruches" im Zenith seiner
Lehrtätigkeit stand, kann und konnte ihm niemand aberkennen. Wir
Jungen aber wollten am liebsten nach der verbotenen Frucht greifen! Der neue Farbenrausch hatte bereits abgefärbt! Bewunderungswürdig, wie unser Erzieher nun darauf gerichtet war — ohne den
neuesten Bestrebungen Konzessionen zu machen — uns zunächst die
positiven ewigen Schönheiten (hauptsächlich Webers Orchesterkolorit)
immer und immer wieder eindringlichst vorzudemonstrierenN
1. E r selber stand ja im Instrumentieren, wie die meisten seiner Zeitgenossen, auf dem Boden der Romantiker.
—
142 —
Daß er sich innerlich den hauptsächlich in den achtziger Iahren
mächtig stürmenden Neuerern nicht angleichen konnte oder besser
wollte, kann ihm nicht verübelt werden. E r , der große „Formalist",
mußte naturnotwendig — als. Verfechter eines einwandfrei gegliederten Satzgebäudes — seine ernstesten Bedenken haben. W a s hatte
übrigens die neue „Programmusik" mit der allerorts geläufigen
Form überhaupt noch zu schaffen? Der Ruck war zu gewaltsam, um
einem Romantiker oder auch Nachromantiker nicht auf die Nerven
zu fallen! Kamen noch dazu die Geschmacklosigkeiten, mit denen die
Neutöner selbst, wie auch deren begeisterte Trabanten unseren M e i ster bedienten. E s sei hiezu an den „geheiligten Lehrstuhl und die
dazugehörigen Stuhlbeiner" (gemeint ist Rheinberger) erinnert!
Auch was schließlich die weltlichen Reformatoren an „Liebenswürdigkeiten" noch übrig ließen, das rundeten die um die „Reinigung
der katholischen Kirchenmusik bemühten Cäcilianer" im Verfolg
ihrer Bestrebungen noch zur positiven Beleidigung des ausgezeichneten Musikers auf!
Zum Anschluß an die eine oder andere P a r t e i oder gar an
beide war f ü r Rheinberger kein Raum. Leben als aufrechter M a n n ,
der er nun einmal war, blieb ihm nur eine W a h l — „ n e u t r a l " zu
bleiben. Und wir — die seine Einstellung sehr wohl kannten —
wagten nicht an den heiklen Punkt zu tasten, geschweige denn, den
Finger i n diese brennende Wunde zu legen. W a r doch der Nimbus,
der unseren Lehrer umgab, so groß, daß es jedem von uns ein
„Sakrileg" bedeutet hätte, den Meister durch eine unziemliche Frage
vielleicht tiefinnerst verletzt zu wissen! Und solches zu verhüten,
schien uns dem seltenen Menschen gegenüber als eine glatte Selbstverständlichkeit.
W a r doch Rheinberger nicht nur als bedeutender Künstler,
sondern auch als vornehmer, untadeliger Mensch leuchtendes Vorbild f ü r uns. Rein äußerlich eher einem gelehrten Kathederfürsten
gleichend als einem aüserwählten Künstler, machte er — durch die
S t r a ß e n gemächlich schlendernd — den Eindruck des dauernd innerlich beschäftigten, an der Lösung großer Probleme arbeitenden M a n nes. I m Umgang von einer vornehmen Zurückhaltung, jedoch ohne
jedwelchen Stolz, dazu aber ein feiner Menschenkenner! Wer je das
Glück hatte, ihm nähertreten zu dürfen, war bald i m Bilde über sein
Wesen! Sein Charakter, seine geradezu Eichendorffsche Eemütsver-
— 143 —
fassung, wie eine tiefe Religiosität vermengten sich i n ihm zu einer
wunderschönen Harmonie; und wer verstand genau hinzuhören, dem
konnte es nicht entgehen, jenen leisen Unterton zu entdecken, i n dem
sich eine reine, mitteilsame Liebe ganz leise ausschwang! Daß er
nach a l l dem Gesagten zum unvergeßlichen Freund werden mußte,
erklärt sich von selbst.
Und so steht Joseph von Rheinberger heute wie je vor uns:
Als großer Lehrer, gütiger Mensch und allzeit bewährter, ebenso
denkender wie handelnder Freund!
2. Rheinbergers Lehrtätigkeit
—
147 —
Wie'6 beim Meister war'
Erinnerungen aus den beiden letzten Zahren
seines RontrapunKt- und Huimpofltioneunterrtchte
(Jahrgang 1899-1S01)
Von Georg Hild
Im 28. Jahresbericht- der Königlichen Akademie der Tonkunst
i n München findet sich unter den Allgemeinen Nachrichten die M i t teilung:
In den dauernden Ruhestand trat wegen Krankheit Eeheimrat
Dr. J o s e p h R h e i n b e r g e r unterm 16. Oktober 1961. Schon
wenige Wochen später, am 25. November, rief ihn der Tod ab.
Der berühmteste Name i n den Verzeichnissen der an der M ü n chener Musikschule tätigen Lehrer sollte von nun an nicht mehr i n
Erscheinung treten.
Kein Geringerer als Richard Wagner hatte die Anstellung des
damals erst 26jährigen Meisters an der von Ludwig II. geplanten,
neuzugestaltenden Musikschule ^ gefördert. In einem Bericht nimmt
er (Wagner) gegen die vom König am 13. A p r i l 1865 ernannte
Kommission angesehener Musiker und Gelehrter Stellung und fügt
hinzu, „er bemerke dabei ausdrücklich, dasz er die W a h l des Herrn
Professor Rheinberger, als wirklichen ausübenden Musikers und
Künstlers, f ü r eine Bereicherung des von Seiner Majestät erwählten Ausschusses ansehe."
Und kein Geringerer als Hans von Bülow, der dann zum D i rektor dieser Musikschule ernannt wurde, schreibt über Rheinbergers
„ E r ist ein wahrer, idealer Kompositionslehrer, der an Tüchtigkeit,
1. Die Anrede „Meister" wurde von uns Schülern nur selten gebraucht.
W i r sagten „Herr Professor" oder „Herr Eeheimrat".
2. Jahresberichte wurden erst seit 1874 herausgegeben.
S. Rheinberger war bereits am alten „Hauserschen" Konservatorium
tätig gewesen.
4. Brief an den Maler Spitzweg. Bülow blieb, bei manch sachlicher E i n schränkung in der Anerkennung Rheinbergers als Komponist, stets dessen
— 148 —
Feinheit und Liebe zur Sache seinesgleichen i n ganz Deutschland
und Umgebung nicht findet, kurz einer der respektabelsten Musiker
und Menschen der Welt." A n anderer Stelle wieder nennt er ihn
den ersten Kontrapunktisten Deutschlands.
E s durfte also nicht wundernehmen, das; Schüler aus vielen
deutschen S t ä d t e n und aus aller Herren Ländern nach München
kamen, um den Unterricht des Meisters zu besuchen — darunter
Namen von bereits gutem Klang.
Die bei Rheinbergers Tod an der Akademie wirkenden hauptamtlichen Lehrer waren zum weitaus überwiegenden T e i l Schüler
Rheinbergers gewesen, so daß Professoren und Schüler i n gleicher
Weise den unerwartet frühen Heimgang ihres Lehrers betrauerten.
Ende J u n i , einige Wochen vor Beendigung des Schuljahres,
hatte mich der Meister, der den nicht weiten Weg zu seiner Wohnung (in der nunmehrigen Rheinbergerstraße)^ stets zu F u ß ging,
gegen Schluß des Unterrichtes leise beauftragt, ihm eine Droschke
zu besorgen, da „er sich gar nicht wohl befinde". Bestürzt eilte ich
davon, und beklommenen Herzens sah ich dem davonrollenden W a gen nach.
Joseph von Rheinberger, seit 4l1 Jahren an der Münchener
Musikschule tätig, hatte die letzte seiner berühmten Kontrapunktstunden gegeben.
Noch einmal — bei Ablegung unserer Absolutorialvrüfung —
sahen wir den Meister seiner Pflicht und seines Amtes als Inspektor
des Theorie- und Orgelunterrichts walten. Hier, wo es galt, noch
einmal die Interessen seiner Schüler wahrzunehmen, wollte er wohl
nicht fehlen. Gerüchtsweise hörte man, daß er — unzufrieden mit
dem nach Perfalls Rücktritt erfolgten Wechsel i n der Direktion —
sich vom Lehramt zurückziehen wolle.
A n die Möglichkeit eines baldigen Todes des körperlich und
geistig noch immer imponierenden Meisters dachte jedoch niemand.
E i n leises Zittern der rechten Hand", die aber, wenn sie auf
den Tasten lag, fest und beherrscht wurde, mochte auf eine uns
Freund und Förderer. E r setzte sich namentlich für die Oper „Türmers Töchterlein" ein, bevorzugte ihn in seinen Koil^ertprogrammen und nennt ihn
einen „5csr>stti rs^ivivu;".
i>. Eine Gedenktafel ist am Haus angebracht.
6. Rheinbergers rechter Zeigefinger war nach einer Operation steif gewoioen. Obwohl ich im Unterricht neben ihm sasz, ist es mir nie aufgefallen.
— 149 —
allen begreifliche Überanstrengung hindeuten. Jenes Leiden aber,
das des Meisters Todesursache werden sollte und ihn, wie wir
Schüler später erfuhren, schon seit langem ergriffen hatte, war ihm
keineswegs anzusehen. Aufrecht und achtunggebietend betrat er täglich pünktlich um 8 Uhr das Kontrapunktzimmer.
Nie war an ihm während des 2 volle, pausenlose Stunden
dauernden Unterrichts^, der bei seiner Arbeitsweise ein außergewöhnliches M a ß von Aufmerksamkeit und Energie erforderte, eine
Spur von E r m ü d u n g zu bemerken. Auch erinnere ich mich nicht, daß
er je zu spät erschien, oder daß i n den beiden letzten Jahren Unterrichtsstunden krankheitshalber ausfielen.
Bei einem Besuch am 14. J u l i 1901, den ich abstattete, um mich
für die am Schulschluß erhaltenen Auszeichnungen und Vergünstigungen zu bedanken (ich traf den Meister arbeitend am Schreibtisch) ,
sagte er mir allerdings: „Ich bin kränker als alle wissen und
glauben."
Der 25. November erbrachte dann die traurige Bestätigung
dieser Worte. „ I oseph R h e i n b e r g e r im Alter von 62 Jahren
gestorben."
Wie viele Schüler i n aller Welt mochten sich nun wieder jener
Stunden erinnern, i n denen sie neben dem Meister auf der Orgelbank oder im Theorieunterricht gesessen hatten, um sich, jeder i n
seiner A r t , das Rüstzeug f ü r den beschwerlichen Kampf um V o l l endung zu holen oder zu mehren. W i e viele auch mochten noch einmal i n Dankbarkeit ihrer beruflichen Förderung durch den Meister
gedenken.
Hatte doch seine, stets der lautersten Gesinnung und absoluten
Unbestechlichkeit entsprungene Empfehlung Geltung weit hinaus
über Deutschlands Grenzen.
I n meinem Besitz befinden sich Rheinbergers „Censur und
Tagebücher für den Kontrapunkt- und Kompositions-Unterricht."
Sie umfassen die J a h r g ä n g e 1867 mit 1886. Die der Jahre 1887
bis 1901 sind nicht auffindbar. Aber auch die vor mir liegenden
geben Zeugnis von der i n seinem Unterricht geleisteten Arbeitsfülle und von der großen Z a h l seiner zu Ansehen und Berühmtheit
gelangten Schüler des I n - und Auslandes.
7. Anschließend erteilte er dann noch Orgelunterricht.
— 150
—
Neben den als csntus kirmus^ in allen Varianten zu bearbeitenden Chorälen und Melodien für die erste Kontrapunktklasse"
enthalten sie eine Fülle von Themen für die ein- bis sechsfache Fuge
(Fuge zu 6 Themen!) und alle anderen Kunstgattungen. A u s vielen
Anmerkungen ist ersichtlich, welch weites Blickfeld auf dem Gebiet
der Form, der Satztechnik und Ästhetik der Meister seinen Schülern
eröffnete. Daneben ist sowohl über deren Teilnahme am Unterricht
als auch ihre selbständige Betätigung Buch geführt.
Alle von ihnen in Teilstücken oder fertig vorgelegten Arbeiten
und Kompositionen sind eingetragen und kurz, zuweilen auch ausführlicher qualifiziert. So z . B . : Hallen bringt den ersten Satz eines
Klavierquartetts. E i n wahrer Urwald von unmöglichen Harmoniefolgen, doch mit Talentspuren. E i e h r l ' " bringt 4 Lieder mit K l a vierbegleitung, etwas überschwenglich. Hieber" bringt ein Terzett
für 3 Frauenstimmen mit Orgel, melodielos, verschroben und gesucht; hielt ihm darüber, einen kräftigen halbstündigen V o r t r a g t ,
der hoffentlich seine Wirkung tut. Schon i n der nächsten Stunde legt
derselbe Schüler, wohl um den Meister wieder zu versöhnen, eine
anscheinend „gemäßigtere" Arbeit vor. Aber auch diese findet nur
bedingte Anerkennung; nämlich: Hieber bringt einen neuen (?)
Männerchor, in welchem echte „Liedertafelluft" weht. Melodie ganz
anständig, Basz und Mittelstimmen lahm. M i t einem gutmütigen
Ausrufezeichen erledigt der Meister die Kuriosität. Stich bringt eine
Fuge für 2 Flöten und Oboe (!).
E s mögen diese. Beispiele ein Hinweis sein, dasz Rheinberger
den Arbeiten seiner Schüler nicht gleichgültig gegenüberstand.
Welch reine Freude spricht nicht aus dem Eintrag: „ K e m p t e r ^
bringt sein Quatuor ( L - M o l l ) vollständig fertig; ein vortreffliches
und künstlerisch völlig reifes Werk." Diese Tage- oder Zensurbücher
der „höheren Theorie", wie bei einigen der Untertitel lautet, hat
der Meister bis zuletzt sorgfältig geführt. E s wäre zu begrüßen,
wenn die J a h r g ä n g e 1886 bis 1901 wieder ans Licht gelangten.
8. Feststehende Melodie.
9. Der Unterricht umfaßte 3 Klassen bzw. Jahrgänge.
10., 11. Später neben Rheinberger geschätzter Lehrer am Konservatorium.
12. Gegen des Meisters Gewohnheit. Sein Urteil war bündig und kurz.
E s mag wohl in einer Orgelstunde geschehen sein.
13. Nachmals 0r. pbil. n. c. und 1. Kapellmeister und Kompositionslehrer
in Zürich.
—
151 —
Zusammen mit den vorhandenen würden sie späterer Forschung
über manche B e r ü h m t h e i t " als Unterlagen dienen, sowie über A r t
und Wesen der „Rheinberger-Schule" sichere Anhaltspunkte bieten
können. Denn die Bedeutung dieser Schule ist nicht wegzuleugnen.
S i e reicht bis in unsere Zeit. Manche seiner S c h ü l e r ^ stehen noch
heute i m Mittelpunkt der musikalischen Bewegung Münchens, gute
Tradition mit zeitgemäßen Kunstbestrebungen in Verbindung
bringend.
.
Es war nicht so leicht, in den Klassen Rheinbergers Aufnahme
zu finden. Wer Kontrapunkt oder Komposition als Hauptfach bei
ihm studieren wollte, mutzte sich einer gründlichen P r ü f u n g unterziehen.
„ W i r R h e i n b e r g e r - S c h ü l e r " war die etwas provokatorische Losung von uns Wolkenkuckucksheimern. Jeder den M a r schallstab i m Tornister unter einem Himmel voller Geigen! S t i l l schweigend wurde uns von den übrigen Studierenden eine „höhere
Rangklasse" zugebilligt, und man trug den Kopf gewaltig hoch.
I m Unterricht schrumpfte diese Erhabenheit dann merklich zu-,
sammen. Hier wurden wir insgesamt recht „klein". Den jugendlichen „Vertraulichkeiten", die wir uns, bei aller Anhänglichkeit und
Verehrung, anderen Lehrern gegenüber erlaubten, war bei Rheinberger automatisch Einhalt geboten. Sonst recht hemmungslose P o l terer wurden in seiner Nähe still und bedienten sich der Zehenspitzen; manche unserer sich zuweilen recht blasiert und eigenwillig
gebärdenden Ausländer strichen alsbald die Segel, wenn die Augen
des Meisters in feinem Sarkasmus zu funkeln begannen; allzu
Redselige wurden seinen knappen Repliken gegenüber still und bescheiden. Das „Wie und W a s " seiner Äußerungen, schlicht, leichtverständlich und selbst in schwierigen Fällen nur mit sachlichem Ernst
und meist „sotto voce" vorgebracht, trug eben stets das Gepräge
reicher Erfahrung und Abgeklärtheit. Oft schmuggelten w i r auf Verabredung gewagte Harmonien und Modulationen unserer dama14. Zum Beispiel Humperdinck, der neben unveröffentlichten Bokalkom-,
Positionen seine groszen Thorballaden „Wallfahrt nach Kevlar" und „Glück
von Edenhall" sowie seine „Humoreske" für Orchester bei Rheinberger geschrieben hat,
15. Professor Carl Ehrenberg, Eeheimrat Professor Adolf Sandberger,.
Professor August Schmid-Lindner, Präsident der Akademie der Tonkunst R i chard Trunk und andere.
—
152 —
ligen „Neutöner" i n unsere Arbeiten ein, um zu sehen, welchen
Eindruck sie auf den Meister machten. N u r zu bald waren wir durchschaut. Äußerungen wie z . B . „Ich bin nicht gegen eine k ü h n e
Modulation, wenn sie nicht häßlich und abstoßend ist", waren das
Resultat unserer Experimente. Ich selbst holte mir dabei einmal
eine klare, sachliche Abfuhr, die meine stürmische, voreilige Begeisterung rechtzeitig i n die Schranken wies und mir im späteren Leben gar manchmal von Nutzen gewesen, ist.
I n solchen Fällen bewies der Meister, welches M a ß an Feinfühligkeit und überlegenem Humor ihm eigen gewesen ist. Ich
könnte mir unter den lebenden Meistern nur einen denken, der ihm
hierin gleichkäme und ihn auch als Lehrer zu ersetzen vermöchte:
R i c h a r d S t r a u ß . I n der unbedingten Verehrung f ü r Mozart
und i m Prinzip, dem musikalischen Nachwuchs die Gefahren der
Überspannung^ überzeugend klarzumachen, sind diese beiden Künstler sehr nah verwandt.
Wenn Rheinberger seinerzeit den hohen F l u g des Straußischen
Schaffens nicht voraussehen konnte, indem er nur dessen „schönes
T a l e n t ' ' f ü r Komposition" anerkannte, so darf ihm dies nicht allzu
übel angerechnet werden. E r stand und steht da auch heute noch nicht
allein.
Und wenn dabei die Bezeichnung „ I r r w e g e " mit unterlief, so
dürfte ihr kein allzu tragischer S i n n beizumessen sein. Dem Musiker
S t r a u ß hat Rheinberger jedenfalls gegeben, was des Musikers ist.
Mehrfach wurde ja den Äußerungen des Meisters eine falsche
Deutung untergeschoben, indem der Situation, der sie entsprangen,
nicht genügend Rechnung getragen wurde. S o brachte einer meiner
Studiengenossen, gebürtiger Italiener, eine Orchesterkomposition i n
Vorlage, wollte es aber durchsetzen, daß der Meister zuerst eine auf
feinstes Büttenpapier geschriebene, mit schönen färbigen Seidenschnüren zusammengebundene „ E r l ä u t e r u n g " lese. Dieser schob das
etwas umfangreiche Manuskript, vielleicht war's eine Dichtung oder,
Novelle, vorerst beiseite und vertiefte sich in die Partitur. Jedenfalls verfuhr er nach dem Schumännschen Rezept: „Erst laß mich
sehen, oh du gute Musik gemacht hast, dann kannst du mir auch dein
16. Siehe dessen Vorrede zur Jnstrumentationslehre von Berlioz.
17. Rheinberger pflegte den Ausdruck „schönes Talent" öfters anzuwenden.
— 153 —
Programm zeigen." Das Ergebnis war ein negatives; Rheinberger
lehnte die Komposition ab. Erregt meinte der junge Künstler schließlich: „ D a s Stück sei eben ohne Kommentar ganz und gar nicht verständlich und zu beurteilen."
Mochte nun dieser an sich ja begreifliche Einwand, i n mangelhaftem Deutsch vorgebracht, etwas zu temperamentvoll ausgefallen
sein, der Meister erwiderte i n einer Mischung von Heiterkeit und
Ärger: „Wenn ich wissen w i l l , ob ein Stück etwas taugt, brauchte
ich mir nur die Kontrabaßstimme anzusehen."
Diese doch nur „cum AiAno salis" erfolgte Äußerung hatte zur
Folge, daß ich später wiederholt der unsinnigen Behauptung entgegentreten mußte: Rheinberger habe bei Durchsicht von Partituren
immer nur die Kontrabaßstimme angesehen (!!). Dabei war gerade
seine Sorgfalt i m Lesen und Korrigieren (wie spielte er, trotz seiner
manuellen Teilbehinderung, Partituren vom B l a t t ) bewunderungswürdig.
Ich habe es nie über das Herz gebracht, eine seiner wirklich von
„Liebe zur Sache" ^ veranlaßten Verbesserungen und Einzeichnungen aus meinen Manuskripten zu entfernen. Der S t i f t des Meisters
fuhr nämlich oft recht kräftig i n unsere, wenn auch nicht musikalisch,
so doch „kalligraphisch" auf der Höhe stehenden Manuskripte. „Gewöhnen S i e sich beizeiten eine gute, deutliche Notenschrift an, das
erspart Ihnen später viel Verdruß", pflegte er zu sagen.
So manchesmal betrachteten w i r unsere mit Wellenlinien, A n merkungen, Ausrufe- und Fragezeichen reichlich bedachten Kunstwerke i n „kindlicher Trauer" und gedachten mit Wehmut des Zeitaufwandes, der durch die Anfertigung einer neuen Reinschrift
bedingt war.
W a r ' s aber erreicht, daß der Meister neben einigen anerkennenden auch noch das ersehnte Wort „ D a s Stück kann aufgeführt
werden" sprach, so geriet die ganze Klasse i n freudige Bewegung.
Rheinberger sah sich dann i n den darauffolgenden Stunden
einem gesteigerten Andrang von Kompositionsversuchen ausgesetzt.
Jeder wollte erneut sein Glück probieren und seinen Platz an der
Sonne suchen.
18. Vergleiche Büloros Brief an Spitzweg.
95
— 154 —
Ich, der i m letzten Schuljahr wöchentlich 8 S t u n d e n " neben
dem Meister saß, war Zeuge, mit welcher Geduld er die von ihren
Elaboraten oft stark begeisterten jugendlichen Tonsetzer von der U n brauchbarkeit oder Unfertigkeit ihrer Arbeiten zu überzeugen suchte,
und wie sicher und leichtverständlich er die Erundübel, an denen
sie krankten, klarzulegen verstand.
Unbelehrbare bekamen schließlich ein paar Worte zu hören wie:
„Wer viel moduliert, dem fällt gewöhnlich nichts ein" oder: „ E i n fachheit w i l l eben gelernt sein."
Der Unbelehrbaren gab's aber nicht allzuviele. Widerspruch
verbot sich bei dem Ansehen des Meisters von selbst.
E i n reicher Amerikaner, der es sich hatte leisten können, bei
allen namhaften Kompositionslehrern Deutschlands zu studieren,
sagte mir: „Keine dieser Persönlichkeiten vermochte solche Ehrfurcht
einzuflößen wie Rheinberger, höchstens, wenn auch nicht i m gleichen
M a ß , Herzogenberg 2°.
Diese Ehrfurcht beseelte uns alle, obgleich die Natürlichkeit und
die bei allem Ernst immer wieder zutage tretende Güte des Meisters
dazu angetan war, uns jede Befangenheit zu nehmen.
Rheinberger stand dabei i n einem wohltuenden Gegensatz zu
den Lehrern der vorbereitenden Theorieklassen, S . . . und E . . .
Diese, seine ehemaligen Schüler, gebärdeten sich „päpstlicher als der
Papst" und waren nur darin Meister, ihrenischülern jegliche Freude
an dieser Materie auf das gründlichste auszutreiben. A l s bei einer
P r ü f u n g die beiden Herren einen Schüler auf ihre Weise „ m a l t r ä tierten", erhob sich Rheinberger höchst mißmutig und strich die von
jenen gestellte Aufgabe auf der Tafel mit den Worten aus: „Nein,
meine Herren, darin besteht das Geheimnis des Kontrapunktes
wahrlich nicht."
Rheinberger rekapitulierte denn auch zu Beginn der 1. Kontrapunktklasse stets das ganze Gebiet der Harmonielehre. Z n 4 Wochen
war da mehr erreicht als sonst i n 3 Jahren. Hier wurde uns nun
endlich Brot statt Steine geboten.
Nach diesem schlichten, aller Schulmeisteret entblößten, n a t ü r 19. Ich durfte ausnahmsweise die 2. und 3. Klasse in einem Jahrgang
besuchen.
20. Heinrich von Herzogenberg, namhafter Komponist und Lehrer in
Leipzig.
— 155 —
lichen und logischen Unterricht konnte es f ü r uns keine „ P r o b l e m e "
mehr geben. Der Meister gehörte eben zu jenen Gelehrten, die
lieber Wolken zerstreuen als Wolken machen. E s ist zu beklagen,
das; er kein diesbezügliches Lehrbuch veröffentlicht hat.
Die Kontrapunktstunde selbst begann mit der Durchsicht der
häuslichen Arbeiten, meist Fortsetzung oder Beendigung einer i n
der vorhergehenden Stunde begonnenen Choralfiguration, Fuge,
Instrumentation usw. Die Korrekturen beschränkten sich nicht etwa
nur auf Parallelenjägerei (Quinten, Oktaven, Querstände u. a.),
sondern es wurde beispielsweise hier auf die Möglichkeit einer
besseren B a ß - oder S t i m m f ü h r u n g , dort auf eine wirkungsvoll
unterzubringende I m i t a t i o n oder Melodie hingewiesen und die
Brauchbarkeit der Arbeit nach jeder Seite hin erwogen.
Auch hierüber finden sich kurze Qualifikationen i n den Tagebüchern, wie: „Aufgaben i m ganzen nicht schlecht" — „fleißig gearbeitet" — „gering" — „quasi niente", oder „Aufgabe bei M . . .
gut, die übrigen unbedeutend, bei N . . . hoffnungslos schlecht".
Während dieser Tätigkeit hatte ein Schüler die f ü r die betreffende Stunde i n Aussicht genommenen Aufgaben an die Tafel
zu schreiben. Nachdem dann Rheinberger A r t und Form der Ausführung besprochen, wie auch auf voraussichtliche Schwierigkeiten
und deren Behebung hingewiesen hatte, ging es an die A u s f ü h r u n g .
Der an die Tafel gerufene oder sich freiwillig meldende Schüler
hatte dann Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen. Seine
Versuche wurden von Lehrer und Schülern aufmerksam verfolgt und
kommentiert. Geriet der an der Tafel waltende Kunstjünger ins
Stocken, so galt es, Vorschläge zu machen, die dann der Meister kurz
und sachlich erörterte. W o wir versagten, half er aufmunternd nach.
E s kam aber (wenn auch selten) vor, daß er selber zugestand:
„Auch ich weiß augenblicklich keinen geeigneten Ausweg."
Selbstverständlich strengten wir dann unsere Köpfe erneut an,
um ihm in der Lösung doch noch zuvorzukommen. Wenn das gelang,
bekundete der Meister eine offensichtliche Freude. E i n wiederholtes
Pochen mit der Hand und ein freundliches Zunicken war die Belohnung des „glücklichen Finders", der dann die Arbeit fortsetzen
durfte, bis er schließlich selber wieder stecken blieb und von einem
Konkurrenten abgelöst wurde. Nichts blieb unfertig oder unausgeführt, und es gab viel zu schaffen. Gearbeitet würde nur i n alten
— 156 —
Schlüsseln. Die Konzepte aus dem Unterricht muhten zu Hause sorgfältig ins Reine geschrieben und zu fliehendem „Vorspielen" eingeübt werden. Darauf sah Rheinberger sehr. M i r liegen heute, nach
mehr als 46 Jahren, viele dieser Übungen noch i n den Fingern.
Gut geführte Kontrapunktbücher aus jener Zeit möchte ich musikalische Bibeln nennen. E a r manchmal habe ich mir R a t und Aufmunterung daraus erholt. „ E i n Angedenken treu und fest,, dran
sich der Lenz erkennen Iaht."
Nicht festgehalten aber ist alles das. was der Meister persönlich
seinen Schülern an Anregung und Lehre mit auf den Weg gegeben
bat. Ob er nun bei E r l ä u t e r u n g des Begriffs Tonalität ans Klavier
ging und Mozarts (er stellte keinen Musiker über ihn) „bstti, datti"
oder „vendrai osrino" spielte und dann leuchtenden Auges sagte:
„Mozart, überhaupt Mozart!" — oder ob er aus Werken des von
ihm immer als genial bezeichneten B e r l i o z ^ zitierte („so sehr dieser
auch manchmal über die Schnur gehauen") -— stets stand man im
B a n n seiner von äußerer wie innerer Wahrhaftigkeit getragenen
Darlegungen; obwohl wir alle bereits von der gerade i n jener Zeit
machtvoll um sich greifenden „modernen" und „hypermodernen"
Bewegung ersaht oder bereits i n Besitz genommen waren. E s wäre
ein I r r t u m , zu glauben, dah Rheinberger dies nicht wußte. E r war
ein feiner, kluger Beobachter"^, und an Hellhörigkeit fehlte es ihm
keineswegs.
Auch konnte er aus den ihm vorgelegten Kompositionen, die
in Form, Fassung und Harmonik meist allzu modernes Gewand
trugen, ersehen, wie es um uns stand.
E r hat denn auch Werke ^ von Schülern zur A u f f ü h r u n g zugelassen, die sich unverhüllt zu der damals i n höchster B l ü t e stehenden „Programm-Musik" bekannt haben. Der Sohn seiner Heimat
wußte gut genug, dah ein über die Ufer tretender Bergstrom nicht
aufzuhalten sei — sondern vorbeibrausen müsse — um später wieder
friedlicher und stiller dahinzurauschen.
21. Nach dessen Jnstrumentationslehre auch Rheinberger unterrichtete.
22. Sein im Alter von 22 Jahren an die Eltern gerichteter Brief ist ein
köstliches, bedeutsames Dokument von Klugheit, Sachlichkeit und Menschenkenntnis.
23. Zum Beispiel I. A . Coerne: „Hiawatha", sinfonische Dichtung i n
5 Sätzen.
—
157 —
Es allen recht zu machen, ist freilich auch dem ehrlichen, unbestechlichen Meister ebensowenig gelungen wie seinen Nachfolgern
im Lehramt, Klose und Reger, die allerdings nach kurzer Zeit wieder
abwanderten, während er, gefeit gegen Hieb und Stich, Jahrzehnte
hindurch seines Amtes waltete, ein „Eroßsiegelbewahrer" jener
Fürsten, die nimmer zu entthronen sind und deren Sterne leuchten
werden, wenn viel blendender Glanz für immer erloschen sein wird.
In ihrem Sinn trat er jeder Un- und Afterkunst gewappnet entgegen. Nie aber verließ ihn dabei die seinem Wesen ureigentümliche
Vornehmheit und Gelassenheit.
Vielleicht aber waren es gerade diese Eigenschaften, welche
manche Legenden über seine „Unnahbarkeit" heraufbeschworen haben. Verletzte Schülereitelkeit mag des weiteren dazu beigetragen
haben, daß entstellende- Berichte über des Meisters „Einseitigkeit"
oder „Rückstündigkeit" in Umlauf gesetzt wurden^
Rheinberger machte eben seinen Schülern Fleiß, Gründlichkeit
und Ausdauer zur Bedingung. Für „bohemisierendes" Kllnstlertum
hatte er nichts übrig.
Für Theoriestudium ohne vorherige gediegene Beherrschung
eines oder mehrerer Instrumente hatte er nur ein bedenkliches
Kopfschütteln. Es war ihm nicht Hauptsache.
So hatten einige Jnstrumentalisten sich in der musikgeschichtlichen Prüfung derart gründlich ausgeschwiegen, daß der Direktor
der Akademie, Exzellenz von Perfall, erzürnt ausrief: „Vielleicht
können Sie mir wenigstens sagen, ob Mozart ein Tischler oder Tapezierer gewesen ist?" und dann, zu Rheinberger gewendet, fragte:
„Solche Leute kann man doch in keinem Orchester brauchen?"
worauf dieser gelassen erwiderte: „Das sind die Besten." Dies zur
Widerlegung einer häufig gehörten Behauptung „für Rheinberger
fange der Musiker erst bei der Fuge an".
Ein weiterer Vorwurf geht dahin, daß er „religiösen Texten"
einen Vorzug zugebilligt habe, obwohl auf 260 textierte und aufgeführte Kompositionen der Jahrgänge.1874—19W nur 21 obengenannten Charakters treffen. Die ihm zugeschriebene Abneigung
gegen Posaunen und Tuba ist eine geradezu böswillige Erfindung.
Rheinberger hat sich dieser Instrumente in allen größeren Orchesterwerken wirkungsvoll (wenn auch nicht mit dem eine zeitlang grassierenden „Vlechhunger") bedient und auf die Klangschönheit dieser
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158 —
„wichtigen Jnstrumentengruppe" (seine eigenen Worte) eindringlich hingewiesen.
Ich selbst hatte i n einem Sinfoniesatz ziemlich schweres Geschütz
aufgefahren und die Tuba, wie Rheinberger bemerkte, i n ihrer „unmöglichsten Tiefe" reichlich verwendet.
Das Stück wurde von ihm zur A u f f ü h r u n g vorgeschlagen. D i e
Lehrer hatte er i n einer Sitzung ersucht, die Stimmen mit den
Schülern sorgfältig einzuüben, „da die Komposition n i c h t a u f
der L a n d s t r a ß e l i e g e " .
Unser Schulorchester war gut und stark besetzt. Einen Tubabläser aber hatten w i r nicht; dieser wurde bei Bedarf aus dem
Hoforchester bestellt. Der zweite Direktor der Anstalt, mir wegen
einer kleinen „Meuterei" nicht mehr besonders gewogen, verweigerte nun die Bestellung der von ihm f ü r diese einzige „ P i e c e " als
zu kostspielig befundenen Aushilfe. Gekränkt fügte ich mich ins
„Unvermeidliche". Ganz unerwartet erschien dann Rheinberger bei
der Hauptprobe, obwohl er bereits keinen Unterricht mehr gab.
Alsbald hatte er das Fehlen des „vierten M a n n e s " i n der
Posaunenecke entdeckt. A l s ich ihm auf Befragen den Sachverhalt
mitteilte, kam es zwischen ihm und dem die Probe überwachenden
obengenannten Direktor, seinem geschätzten Freund und ehemaligen
Schüler, zu einer kleinen Auseinandersetzung, die Rheinberger mit
den Worten beendete: „Und ich bitte dich trotzdem, lieber Hans,
die Tuba zu bestellen, denn, was bei Berlioz recht ist, soll ihm (gemeint war ich) billig sein."
I m vorhergehenden Konzert war nämlich dessen „VehmrichterOuvertllre" auch als e i n z i g e Nummer f ü r g r o ß e s O r c h e s t e r
aufgeführt worden, selbstverständlich i n unverminderter Besetzung.
Das war dem Gedächtnis des Meisters nicht entgangen, und so kam
auch ich zu meiner Tuba.
W a s bleibt von.der Posaunenfeindlichkeit Rheinbergers nun
noch übrig?
Aber auch Vorwürfe ernsterer A r t wurden gegen den Meister
erhoben. S o hat ein ehemaliger Schüler, K a r l Eleitz, aus Hitzerode
gebürtig und 1883/84 i n München studierend, i n einer polemischen
Schrift „Künstlers Erdenwallen" sich zur Behauptung verstiegen:
Rheinberger habe die Auslandsschüler zum N a c h t e i l d e r ü b r i g e n bevorzugt. A u s den Tagebüchern ist ersichtlich, daß Eleitz
— 159 —
eine Konzert-Ouvertüre vorgelegt hatte, die aber nicht aufgeführt
wurde. Wohl waren i n den Programmen dieser J a h r g ä n g e die
Namen Franchetti, Parker und Husz vertreten, aber es waren N a men, auf welche die Münchener Musikschule stolz sein durfte, während Eleitz, der schließlich wegen Disziplinarvergehens von der
Schule weggewiesen wurde, auch a n d e r w ä r t s den Kampf gegen E r folglosigkeit aufnehmen mußte und i m Dunkel geblieben ist. Oder
hätte Rheinberger Musikern wie Avercamp, Benett, Bullard, B u o n a m i c i ^ , Coerne, Duniecki, Wolf-Ferrari und den Obgenannten
seine Anerkennung versagen sollen?
Weit über 199 Auslandsschüler ( T i r o l , Schweiz und Österreich
nicht mitgerechnet) haben sich i m stillen mit der Ehre begnügt, überhaupt Schüler Rheinbergers gewesen zu sein, wie es auch Herrn
Eleitz wohl angestanden wäre, dessen Angriffe i n sich selbst zusammenbrechen. W i e gründlich der Meister mit sich selbst zu Rate ging,
wenn es galt, wichtigere Entscheidungen zu treffen, mag aus F o l gendem zu ersehen sein:
Seit 1874 gab es einen f ü r die damaligen Verhältnisse gut
dotierten Ehrenpreis f ü r Studierende der Komposition oder des
dramatischen Gesanges. E r sollte i n gleichem Wechsel den beiden
Kategorien zugute kommen. I n einem J a h r den S ä n g e r n , im anderen den Komponisten^. Schiedsrichter waren die einschlägigen
Fachlehrer.
Hauptsächlich auf Rheinbergers Veranlassung, dem es als Vorsitzender des Preisrichterkollegiums ein Leichtes gewesen wäre, jeweils einen seiner Schüler (als relativ besten) durchzusetzen, ging
der P r e i s f ü r die Komponisten des öfteren verloren und fiel dann
den triumphierenden S ä n g e r n zu.
Wohl wissend, welchen Schaden verfrühte Lorbeeren anzurichten vermochten, legte der Meister einen strengeren Maßstab an als
die übrigen Lehrer, vor allem die alte Exzellenz von P e r f a l l , f ü r
n ö t i g hielten. Der Letztere mochte als Intendant der königlichen
Theater den S ä n g e r n und S ä n g e r i n n e n manche Verdrießlichkeit zu
24, Dessen bei Rheinberger komponiertes Streichquartett auch Richard
Wagners Beifall fand.
25. Diese hatten ein Chorwerk mit Klavier und ein Streichquartett mit
Variationen einzuliefern. Die Komponisten muhten bayerische Staatsangehörige sein.
—
160 —
danken haben und deshalb wohl den angehenden Bühnensternen
nicht allzufreundlich gegenüberstehen. (Auch komponierte er selbst.)
A l s es mir gelang, den wiederum mehrere Jahre nacheinander von
den Eesangstudierenden eingeheimsten Ehrenpreis wieder f ü r die
Komponisten zu buchen, bezeugte von Perfall große Freude und bedankte sich bei mir, weil ich dem „blamablen Zustand" ein Ende
gemacht hätte. S p ä t e r erfuhr ich allerdings, daß ich das Rennen
nur knapp gewonnen hatte. Rheinberger schwankte, ob er sich f ü r
mich oder meinen fleißigen, begabten Kollegen Höfer entscheiden
sollte. Kurz vor der ausschlaggebenden Sitzung rief er uns beide
nochmals an die Tafel und stellte uns eine nicht eben leichte Aufgabe, deren Lösung, wie er sagte, „Sache des guten Geschmacks sei".
Das Glück war mir mehr gewogen als meinem von mir sehr
geschätzten Kameraden. E r hat dem Meister nichts nachgetragen und
ihm Treue bewahrt, i n der Erkenntnis, daß der Meister außerstande
war, gegen sein Gerechtigkeitsgefühl und seine Überzeugung zu handeln, wie gern er auch überall geholfen hätte.
Ich komme zum Schluß meiner Ausführungen. Das Schuljahr
ging zu Ende. Die Direktion hatte, i n Kenntnis der Rllcktrittsabsichten Rheinbergers f ü r das Schlußkonzert die A u f f ü h r u n g seines
„Christophorus", Legende f ü r S o l i , Chor und Orchester, angeordnet.
In den Proben wurde mit besonderem Eifer gearbeitet, um
dem wirklich „all"verehrten Meister mit einer befriedigenden Aufführung Freude zu machen.
Der Konzertabend, es war der 12. J u l i 1901, kam. Prominente
Schüler: H. K . Schmid mit dem Händelschen Orgelkonzert K-Dur,
Nikolaus Koulukis (Athen) mit Mozarts Andante f ü r Flöte und
die liebliche, ausgezeichnete Geigerin Bert« Zollitsch mit Larghetto
und Rondo des Beethovenschen Violinkonzerts hatten den ersten
T e i l des Programms bestritten und beendet. Rheinberger aber war
noch nicht erschienen.
Sein S t u h l blieb auch leer, als wir nach gespannter Erwartung
die Pause beenden und mit dem Vorspiel beginnen mußten. N u n
wußten wir alle: E s mußte schlimm stehen. A l s im überwältigend
schönen Schlußchor des Werkes die Worte erklangen:
—
161 —
„Christophorus — Christusträger —
S e i gegrüht!
Willkommen im himmlischen Reich,
Willkommen!"
traten vielen der Mitwirkenden T r ä n e n i n die Augen und tiefe
Ergriffenheit bemächtigte sich aller. Ich, der an den Pauken sah,
weinte bitterlich. Bekümmert dachte ich der Zukunft. W a s würde
sein, wenn ich diesen hochverehrten Gönner, dem ich die ersten glücklichen Jahre nach einer schweren, sorgenvollen Jugend verdankte,
so bald wieder verlieren sollte?
A l s er sich nach jener Probe, i n der er mir zur Tuba verholfen
hatte, verabschiedete, nahm er mich beiseite und sagte mir, dah ich
abends den B e g i n n der A u f f ü h r u n g (meine Komposition stand
am Anfang des Programms) n i c h t v e r z ö g e r n solle, denn es
sei nicht wahrscheinlich, dah er kommen könne.
Angesichts meiner Enttäuschung fuhr er tröstend fort: „ D a s
darf Ihnen nichts bedeuten. Denken S i e nur daran, wie selten ein
junger Tonsetzer das Glück hat, sein Werk aufführen und persönlich
leiten zu können. S i e haben ein weiches Gemüt — werden S i e hart,
wie es das Leben nun einmal ist — und wenn S i e Rates bedürfen,
lassen S i e sich bei mir sehen; jedenfalls aber noch einmal vor Ihrer
Abreise"-«.
Meine Komposition war also das l e t z t e O r c h e s t e r s t ü c k ,
welches der Meister a n g e h ö r t hat, und dessen P a r t i t u r , die
neben den Tagebüchern im Heimatarchiv von Vaduz Platz finden
soll, die l etz t e, die er nach 46jähriger Lehrtätigkeit k o r r i g i e r t e .
Die Akademie der Tonkunst veranstaltete einen Monat nach Rheinbergers Tod eine Gedächtnisfeier mit einer Folge seiner schönsten
Werke.
In der „Münchner Allgemeinen Zeitung" vom 26. November
1961 aber war zu lesen: „ E i n Stern ist erloschen... Rheinberger
ist nicht mehr. Feuchten Auges blicken wir ihm nach, der edlen,
männlichen Gestalt dieses herrlichen Menschen und Künstlers und
grollen dem Geschick, das ihn so früh von uns hinweggeführt. Aber
uns ist er nicht gestorben."
2»i. Rheinberger hatte mich an das Konservatorium in Athen, dessen
Direktor sein Schuler gewesen war, empfohlen. A l s eine vereinbarte Kaulion
nicht rechtzeitig eintraf, riet er mir wieder ab, hinzugehen.
—
162 —
> !1 >
Jetzt ist das Grab des Meisters bereits vom Verkehr und der
Unrast der wachsenden Erofzstädt umlärmt. Gerne hätte er auf dem
stillen Vergfriedhof zu Vaduz die letzte Ruhestätte gefunden, aber
seiner im Tod vorangegängenen Gattin zuliebe entsagte er schliefzlich auch diesem W u n s c h .
A m Tage aber)'an ^
von des Meisters'Denkmal
in V a d u z - f a l l ^
zu München mit einem
Kranz, gewunÄü'Äis ^denHerMumen der Heimat, geschmückt sein
— von den Schülern'u^d Verehrern seiner hohen und reinen Kunst.
Ns6s.ii lt.l,iP s.t/6ogi NO« o.ich?otsmi'j
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^ 27. Rheinbergers Gattin Fanny.von Hoffnaaß geb. Zägerhuber wollte i n
München5än-seinVr Te'itLWKäKn'.s.ein. S o kaufte er denn eine Gruft unter
den'UArkäden^ d'esMünW
— 163 —
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165 —
— 167
—
Joseph Rheinberger
in der Kontrapunktstunde
Eine kleine Plauderei von Felix Kircher
Joseph Rheinberger war ein strenger, aber gerechter Lehrer.
W i r hatten zweimal i n der Woche i n der Zeit von 8 bis 16 Uhr
Kontrapunktstunde. K o n t r a p u n k t ist die Lehre der Komposition, wörtlich genommen heißt es „Punkt gegen Punkt", musikalisch
ausgedrückt „Note gegen Note", freier gesagt „ S t i m m e gegen S t i m me" oder „Melodie gegen Melodie". Dasz dazu spezielle Veranlagung gehört, Komponieren nicht nach Schema erlernt werden kann,
ist selbstverständlich. I n diesen Stunden wurden der einfache und
mehrfache Kontrapunkt, Imitationen, Fugen, 2- bis 12stimmige
Chor- und Orchesterwerke i n verschiedenen Besetzungen gelehrt. F ü r
einen fähigen, talentierten Schüler gewisz viel des Interessanten.
M i t 1 Stunde war da nichts anzufangen, weshalb 2 Stunden U n terricht war und selbst in diesen 2 Stunden wuchsen die llbungsbeispiele oft nur um 8 bis 16 Takte.
Rheinberger selbst erschien meist punkt 8 Uhr, sehr selten verspätete er sich und wenn, dann entschuldigte er sich jedesmal i n aller
Höflichkeit. Eine Verspätung bei den Schülern konnte er nicht leiden,
das bekam man gleich zu spüren. Wenn der Herr Hofrat also kam,
dann nahm ihm einer der anwesenden 12 bis 14 Schüler erst Hut
und M a n t e l ab. S e i n Platz war an der oberen Schmalseite des
Tisches, richtete umständlich seine Bleistifte her und nun wurden
die Aufgaben, die i n der Reinschrift der i n der letzten Stunde erarbeiteten Ubungsbeispiele bestanden, angesehen. Jeder Schüler muhte
seine Arbeit vorlegen.
E s gab sich jeder einer großen Täuschung hin, wenn er glaubte,
er könnte sich unbemerkt seiner Korrektur entziehen. Der Herr P r o fessor sagte nichts, rügte nichts, aber er lieh den Betreffenden auf
seine Weise merken, dah er den Drückeberger wohl erkannt habe,
indem er den S ü n d e r f ü r mehrere Stunden als Leerläufer i m U n terricht behandelte. N u r durch peinliche und gewissenhafte Pflicht-
— 168 —
erfüllung konnte man wieder seine persönliche Inanspruchnahme
zurückgewinnen.
Nach der Korrektur hieß es, die letzten 4 Takte der Aufgabe an
die Tafel schreiben, denn ohne eine frühere Notiz wäre eine inhaltliche, gedankliche Verbindung und Fortsetzung undenkbar. N u n zeigte
sich eine Eigenart des Meisters. Der große R u f des Komponisten
Rheinberger erstreckte sich nicht nur über den europäischen Kontinent, sondern auch darüber hinaus nach Amerika und Australien.
W i r waren daher i n dieser Stunde ein kleiner Völkerbund von
Schülern — Engländer, Franzosen und hauptsächlich Amerikaner
mit Nord- und Süddeutschen. E s ist haarklar und menschlich begreiflich, daß sich der i n aller Welt verehrte Meister mit diesen
Begabtesten des Auslandes geschmeichelt fühlte und sich gerne mit
ihnen beschäftigte. Der erste hatte die Ehre, die genannten 4 Takte
an die Tafel zu schreiben, der zweite sollte aus eigenem weitere
Takte dazukomponieren. Damit hatte es oft seine Schwierigkeiten,
nicht immer kam was Brauchbares dazu. D a erhob er sich nun vom
Stuhle, überschaute erst, was Neues dazukam, dann setzte er sich an
das Klavier, spielte erst die bewußten 4 Takte, um sich i n den S t i m mungsgehalt der Komposition einzuleben und präludierte weiter.
Hier mußte nun der richtige Musiker einsetzen,.d.h. er mußte alle
Stimmen hören und die Fähigkeit besitzen, das Gehörte niederzuschreiben. Ohne unbescheiden zu sein, darf ich mich hier selbst anführen, daß ich flink niederschrieb, was er spielte und somit stets
der dritte junge M a n n war, der an der Tafel arbeitete und mit
den Ausländern in friedlichen Wettbewerb treten durfte. Darauf
war ich stolz und freue mich noch heute darüber.
Gelungen war immer, wenn der Herr Hofrat nachsehen kam
und von der Arbeit befriedigt war, dann sagte er mit einem ihm
nur eigenen Tonfalle „hübsch — hübsch" und spielte und phantasierte am Klavier. Sodann schob er die B r i l l e i n die Höhe und sagte
versonnen und nachdenklich: „Löschen S i e diesen und jenen Takt
auSj das könnte man besser so machen", was er dann vorspielte.
Der Leser wird denken, was hat er denn gemacht, während
der Schüler an der Tafel weiternotierte? Rheinberger war ein rastloser M a n n , behäbige Ruhe war ihm fremd. I n den sich ergebenden
Zwischenzeiten legten die jungen Komponisten ihre jüngsten Geburten dem Meister zur Begutachtung vor, holten sich R a t und M u t
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169 —
zu frischer weiterer Tat. D a zeigte sich seine innere Seelengröße und
seine vornehme Gesinnung. Professor Rheinberger hat nie einen
Schüler wegen seiner Arbeit — und war sie noch so gering — bespöttelt. Jeden hat er ermuntert, ihm Ratschläge gegeben, wie er
leichter arbeiten könnte, sogar eigene Gedanken niedergeschrieben
und eingefügt.
Darum hatte, auch jeder seiner Schüler vor ihm einen heiligen
Respekt und besondere Hochachtung. Der Name Rheinberger war
f ü r uns der Inbegriff höchster Künstlerschaft, Beherrscher der Töne,
Meister der Fuge, gepaart mit echtem Edelmut und menschlicher
Größe. Der Spitzname „Fugenseppl", wie wir ihn wegen seiner
besonderen Vorliebe f ü r Fugen und fugierte Sätze nannten, konnte
unsere Liebe und Anhänglichkeit zu ihm i n keiner Weise schmälern.
E r lebt unter uns, seinen Schülern, bis in unser höchstes Alter
als jener fort, der er uns war, als unser verehrter Meister.
1 0 5
—
171 —
Joseph Rheinberger
2. Kapitel aus einem noch ungedruckten iLrinnerungsbuch
„8^»erxo roelsncolico"
Von Professor Walter Petzet
Unterrichtsmethoden: Das Äußerliche, das Schulgemäße,
die freie Komposition — Verhältnis zu Wagner — Aufsatz in
der „Allgemeinen Zeitung" — Frau Rheinberger — Frau
Konservator Maier — Rheinbergers Schüler.
B e i Rheinberger befand ich mich sicher i n den richtigen Händen.
Ich kam i n eine Klasse, die schon Kontrapunkt begonnen hatte,
als mir die Anfänge der Harmonielehre noch verschlossen waren.
R h e i n b e r g e r überließ es mir, mich zurechtzufinden, gab mir
aber viele Übungsstücke an, die ich abschreiben und i n den 4 Schlüsseln spielen mußte. E r hatte seinen Unterricht i n 3 Klassen eingeteilt. Nach dem 1. Jahrgang, i n den ich viel zu spät eintrat, nahm
ich im 2. die 1. und 2. Klasse zusammen, dann im 3. die 2. und 3.
und schließlich im 4. J a h r die 3. Klasse noch einmal, so daß ich
Rheinbergers Unterweisung gründlich genossen habe. Ich wußte nach
meiner P r i v a t p r ü f u n g , die so zufriedenstellend verlief, gar nicht, wie
schwer es war, zu ihm zu gelangen. Erst als ich später einmal zufällig der allgemeinen Aufnahmeprüfung beiwohnte, sah ich, wie
sorgfältig er auswählte und wie viele er zurückwies. E i n junger
Grieche zum Beispiel war durchgefallen und bat Rheinberger, ihn
doch zu nehmen, er sei extra seinetwegen von Athen hergereist.
„Gehen S i e zurück nach Athen", war alles, was Rheinberger antwortete. Der Grieche tat es aber nicht, nahm i n München Vorbereitungsstunden und ruhte nicht, bis er nach Jahresfrist die P r ü f u n g
bei Rheinberger bestanden hatte. Nasos wurde später Direktor des
Konservatoriums i n Athen. E i n anderer reicher Ausländer glaubte
Rheinberger dadurch zu gewinnen, daß er sich erbot, das Doppelte
des ausbedungenen Honorars zu zählen. Rheinberger wandte ihm
den Rücken Und nahm einen bayrischen Schulmeisterssohn umsonst.
— 172 —
„Die Methode dieses großen Pädagogen war die einfachste von
der Welt, ihr Geheimnis das der mittelalterlichen B a u h ü t t e n , der
großen Schulen der Renaissance. Strengste Arbeit unter des M e i sters Augen" sagt S a n d b e r g e r i n dem Nekrolog, den er nach
Rheinbergers Tode 1901 f ü r die Beilage der „Allgemeinen Zeitung" schrieb. Ich w i l l versuchen, diese A r t und Weise des Unterrichts ein wenig zu schildern.
A n langen Tischen saß die kontrapunktische Tafelrunde und der
Meister präsidierte obenan. Nachdem er die Reinschriften „vom
letzten M a l e " durchgesehen hatte, bezeichnete er ein Opfer, das zur
Tafel gehen mußte, und setzte sich ans Klavier, um einige Takte anzuschlagen. „Schreiben S i e das und machen S i e i n derselben Weise
weiter" hieß es dann. Wehe, wenn der Betreffende nicht richtig gehört hatte! Die Takte wurden dann wohl noch ein- bis zweimal mit
immer stärkeren Akzenten wiederholt, aber dann brach er los: „ S i n d
S i e ein Musiker? E i n Musiker muß Ohren haben" und fügte vielleicht den etwas bissigen Rat bei: „Werden S i e Schuster!" I n seiner
Klasse saßen Leute, die schon Lehrer und Organisten gewesen und i n
ihrer Heimat als musikalische Leuchten bewundert worden waren;
mehrere trugen Volldärte, einer war verheiratet, ein anderer sogar
schon Witwer; ich wurde also als das Kontrapunktkind betrachtet
und war auch i n der Tat ein reiner Tor, den eben nur der Umstand
rettete, daß er Ohren hatte. Dieser Naturgabe hatte ich es zu verdanken, daß ich während meines mehr als 4jährigen Studiums i n
jeder Stunde „daran genommen" wurde, was als die höchste Auszeichnung betrachtet werden mußte. Die meisten beachtete der M e i ster nur gelegentlich, manche saßen als Ehrenmitglieder da und
führten nur Protokoll über die musikalischen Ereignisse. Wenn einer
einmal i n den Geruch böswilliger Modernität kam, dann wurde er
gar nur zum Tafelauswischen verwendet. E s ging also so zu, wie es
sich f ü r den ernsten und strengen S t i l ziemt. E s war ein Ereignis,
als ein Unglücklicher, der sich nicht zu helfen wußte, einmal i n tödlicher Verlegenheit die verwünschte Tafel höher schrauben wollte,
um wenigstens etwas zu tun, und sie dabei umwarf. Alle sprangen
dienstwillig auf, und ein langer Amerikaner bemerkte: „Oh, Herr
Professor, das war eine Umkehrung des Lsntu8!" Während der
Meister nur kurz dazufügte: „Schreiben S i e künftig nicht so heftig!"
I n diesem glücklichen Glauben half er über die fatale Stelle hinweg.
— 173 —
Das war aber die einzige heitere Episode i n diesen Stunden, sonst
herrschte bitterer Ernst. M a n anerkannte gern die Erösze des M e i sters. Wenn auch eigensinnigerweise bei verpönten Vühnenwerken
die Klasse des Gewaltigen fast vollzählig i m Theater zu finden war
— sie wußte ja, daß ihr Meister sicher nicht da sein würde — i m
ganzen schätzte man sich glücklich, sein Schüler zu sein und betrachtete
sich entschieden als etwas Besseres als die anderen Musikschüler. N u r
einmal beklagte, sich ein Empfindlicher beim Direktor über allzu
strenge Behandlung von feiten des Meisters, mußte aber die einzig
richtige Antwort hören: „ S i e , mein Lieber, können w i r entbehren,
aber Rheinberger können wir nicht entbehren, also gehen S i e , wenn
es Ihnen nicht paßt."
Niemand bezweifelte, daß man etwas lernte, und besonders
interessant wurden die Stunden, wenn etwa ein Korrespondent
eines auswärtigen Blattes zuhörte, um Stoff zur Schilderung des
Unterrichts bei dem berühmten Meister f ü r seine Zeitung zu gewinnen.
Rheinbergers Lehrgang war etwa folgender: I m 1. Jahre
wurden Choräle vierstimmig i n den alten Schlüsseln mit dem L s n tus kinnus i n jeder Stimme bearbeitet. Dazu trat später oft noch
ein freies M o t i v , das i n jedem Takt und i n den Zwischenpausen
des Lsntüs auftreten mußte. Selbstverständlich gingen daneben die
Übungen i n fortlaufender Achtel-, Triolenbewegung oder dergleichen
zu einer gegebenen Stimme. Das 2. J a h r brachte den doppelten und
mehrfachen Kontrapunkt i n Verbindung mit der Fugenlehre. Zuerst
gab es vierstimmige Vokal-, dann Jnstrumentalfugen. Das Streichquartett wurde oft zum Quintett bzw. Sextett bei Doppelfugen erweitert. A n der dreistimmigen Fuge oder Fughette wurde der Orgelsatz
studiert, an der zweistimmigen der Klaviersatz. Die Jnstrumentationslehre wurde zunächst theoretisch erörtert. I m 3. J a h r wurde
eine Mozartsche Klaviersonate instrumentiert. Zwanglos schloß sich
daran die Behandlung größerer Formen, nachdem die kleinere Formenlehre unmerklich i n homöopathischen Dosen dem Schüler schon
früher beigebracht worden war. E i n gewaltiges Variationenwerk
Mit 60 und mehr Veränderungen gab Gelegenheit, noch einmal alle
Formen des Kontrapunkts durchzuproben und mit dieser Arbeit das
Lehrgebäude zu krönen. A l s Absolutorialaufgabe behandelte ich ein
—
174 —
gegebenes Thema als Fuge und nahm eine Choralzeile als Eegenthema. A m Schluß setzte der ganze Choral ein, und das erste Fugenthema wurde als begleitendes M o t i v i n allen Stimmen verwendet.
»
I n der freien Komposition, bei Werken, die nicht als Schularbeiten gedacht waren, ließ Rheinberger den Schülern viel Freiheit,
vorausgesetzt, daß sie dem vierstimmigen Vokalsatz gerecht wurden.
Das blieb aber Grundbedingung. E i n m a l brachte ein junger Kapellmeister eine Sinfonie. Der Meister besah nur die erste Seite und gab
das Ganze dem Komponisten mit den Worten zurück: „Schreiben
Sie vierstimmige Lieder!"
Auch ich Kontrapunktkind wollte einige Lieder mit Klavierbegleitung, von denen eines meinem ersten Singspiel entnommen
war, vorzeigen, erhielt aber nebst einigen kurzen Bemerkungen über
die Schwierigkeit des Unterfangens nur denselben Bescheid. E s
mußten also vierstimmige Chöre sein! Das war zuerst sehr schwer,
und ich mühte mich lange Zeit vergeblich ab. Rheinberger zeigte aber
viel Geduld. E r verbesserte, gab Ratschläge, ließ kleine Partien umarbeiten, neue Reinschriften anlegen, so daß ich schließlich mit einer
ganz anderen Arbeit erschien, die freilich gewandter als die erste
aussah. Wenn ich glaubte, daß nun endlich die Sache probiert werden dürfe, dann sagte der Meister: „Sehen S i e , jetzt ist es viel
besser. Jetzt versuchen Sie etwas Neues!" Und es wiederholte sich
das alte S p i e l : neues Feilen, Umarbeiten, hier die S t i m m f ü h r u n g
zu ungelenk, dort die Stimmung nicht genügend vertieft, dann fehlte
die formelle Abrundung, daher neue Reinschrift, endlich neue Hoffnung und schließlich: „Machen S i e nur so weiter!"
Allmählich ließ, ich alle Hoffnung fahren, schrieb aber gewohnheitsmäßig vierstimmige Lieder dutzendweise, grade so, wie ich aß,
trank und schlief. Um so größer war daher die Überraschung, als
Rheinberger eines Tages 3 unter 5 neuen Chören a u s w ä h l t e mit den
Worten: „Die sind reif, die können S i e dem Herrn Konzertmeister
A b e l bringen". E r knüpfte f ü r seine Tafelrunde die Mahnung
daran, kein Stück je i n den Chor- oder Orchesterstunden probieren
zu lassen, das er nicht ausdrücklich gestattet habe. Der Herr Konzertmeister studierte nun die Chorlieder ein und ich fühlte mich nicht
wenig geschmeichelt, wenn ich gefragt wurde, ob ich es mir so oder
so gedacht habe. I n Wahrheit wußte das immer Konzertmeister Abel
—
175 —
am besten. Letzterem gefielen die Sachen, und bei einem öffentlichen
Konzert der Anstalt brachte er sie zur Aufführung. Publikum und
Presse begrüßten sie sehr warm als die Arbeiten „eines der jüngsten
und talentvollsten Mitglieder der Kompositionsklasse" und der große
Schritt i n die Öffentlichkeit war erfolgreich i m M a i 1884 getan. N u n
wurden mit verdoppeltem Eifer vierstimmige Chöre geschrieben
und siehe da! S i e gelangen meistens. Noch mehrere andere durften
öffentlich gesungen werden.
D a brummte eines Tages Rheinberger, als ihm wieder von
mir vierstimmige Lieder vorgesetzt wurden: „ W a r u m schreiben S i e
denn immer vierstimmige Lieder? Das können S i e doch jetzt! Jetzt
übertragen S i e den Satz einmal aufs Klavier! S i e sind Klavierspieler, da wird sich schon etwas dazu finden." Natürlich geschah es
so, und nach einigen Verbesserungen wurde das Stück „Romanze"
getauft. „ N u n betrachten S i e das als den zweiten Satz einer Sonate
und schreiben S i e den ersten" sagte der Meister. Das war nun freilich beträchtlich schwerer, und der Meister ließ redlich Durchführungen und Reinschriften anfertigen, bis alles Gnade vor seinen Augen
gefunden hatte, aber schließlich kam nicht nur der erste, sondern nach
etwa Monatlicher Arbeit auch der dritte und vierte zustande. Der
18jährige Komponist dürfte sein eigenes Werk öffentlich spielen.
Eine zweite Sonate wurde i n 5 Tagen beendigt. Der Vortrag
der ersten gelang so gut, daß mein Klavierlehrer E . i e h r l darauf
bestand, ich müsse nun auch mit Orchester auftreten. A u s Dankbarkeit wählte ich das Rheinberger-Konzert. D a s ganze durfte ich leider
nicht vorführen; das hätte zu viel Zeit i n Anspruch genommen. Herr
E i e h r l beauftragte mich daher, Rheinberger aufzusuchen, um ihn
f ü r eine Teilung seines Werkes zu gewinnen. Das Anliegen wurde
vorgetragen, aber die Entscheidung lautete: „ M e i n Konzert läßt sich
nicht teilen! Schreiben S i e doch selber eines!" S o sehr dies meiner
Eigenliebe schmeichelte, so ratlos stand ich doch vor dieser Aufgabe.
Im Unterricht war vor kurzem erst mit der Jnstrumentätionslehre
begonnen worden und ich wußte bei manchen Instrumenten kaum,
wie sie aussahen. Aber nun bekümmerte ich mich tüchtig darum und
studierte auch die einschlägige Konzertliteratur. E i n Grundgedanke
wollte aber nicht kommen und mein Tagebuch verzeichnete die trübe
Betrachtung: „Den unglücklichen Gedanken, ein Klavierkonzert zu
schreiben, habe ich aufgegeben." Tags darauf begann ich das Stück,
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zunächst f ü r zwei Klaviere, indem ich mir das zweite Klavier orchestral vorstellte. N u n verwickelte ich mich aber i n die Schwierigkeiten
der Instrumentation, und der gute Meister hatte vieles zu bessern
und zu raten. E s war nämlich seine A r t . keine durchgreifenden Änderungen vorzunehmen. Der Schüler sollte sein Werk wirklich selbst
verfaßt haben und wurde darum nach kurzen Hinweisen mehr zum
Umarbeiten und Neuschreiben angehalten. Das erforderte freilich
viel Geduld auf beiden Seiten. E i n m a l hieß es zum Beispiel: „ S i e
nehmen zu viele Bläser, und nicht nur I h r e Freunde, die Posaunisten, sollten einmal gründlich Ruhe haben. Schreiben S i e eine
kontrapunktische Triolenbewegung i n den Streichern f ü r mehrere
Seiten, das wird dem Stücke gut tun". — M a n kann sich denken,
mit welchen Gefühlen der junge Himmelstü'rmer über die Pfingstfeiertage eine „Triolenbewegung" anfertigte! E i n anderes M a l
wurde eine „ J a g d auf Quartsextakkorde" angestellt und diese vernichtet, wo sie gerade am schönsten waren. Aber natürlich hatte
Rheinberger immer recht und das Stück konnte sich schließlich hören
und sehen lassen.
I n demselben J a h r 1885 wurde es zur öffentlichen A u f f ü h r u n g
gebracht und Konzertmeister Abel dirigierte, nachdem bei den P r o ben sich mehrere Studiengenossen als Dirigenten daran versucht
hatten. Die Proben mit dem 2. Klavier hatte ich mit meiner P r i m a donna abgehalten. Die Arbeiten am 2. und 3. Satz zogen sich bis ins
nächste Schuljahr hin. aber zum Schlüsse konnte ich mit meinem
Werke auch als Pianist glänzen. Und nicht nur den herzlichen B e i fall von Publikum und der gesamten Presse konnte ich entgegennehmen, sondern es wurde mir auch die höchste Auszeichnung zuteil,
die damals das Konservatorium zu vergeben hatte: eine öffentliche
Belobigung. Der gute Meister soll damals erklärt haben: „Viele
spielen ja schneller und vielleicht gewandter als der Petzet, aber
keiner so musikalisch". Das verriet mir Professor E i e h r l . N u n war
also die Bekanntschaft mit dem Orchester angeknüpft, und mutig
wagte ich den höchsten Versuch: ich schrieb eine Sinfonie während
des letzten Studienjahrs bei meinem Meister. Auch diese wurde eingehend besprochen, praktisch studiert und erst nach ihrer Vollendung
meinte der weise Mentor: „Nun könnten S i e einmal Lieder mit
Klavierbegleitung probieren". Hiermit hatte ich Übereifriger bekanntlich beginnen wollen.
— 177 —
E s war bewundernswert, wie Rheinberger die Kompositionen
seiner Schüler durchging und zu gleicher Zeit die Arbeiten an der
Tafel überwachte. E r schien ein vorgelegtes Stück nur durchzublättern und wußte doch ganz genau, was darin stand. Manchmal unterbrach er sich und sagte: „Aber das harmoniert ja gar nicht mit der
Stelle vor 6 Seiten —sehen Sie, hier; oder: „ D a s haben S i e ja
gar nicht gemeint, sondern so", und immer traf er den Nagel auf
den Kopf. D a n n wandte er sich zur Tafel und rief kurz ein paar
Noten zu, die i n der Mittelstimme einer Fuge geändert werden
sollten, und fuhr wieder i n der Kritik des ersten Stückes fort. M a n
kam bei ihm nicht aus dem Staunen. Immer wußte er verschiedene
andere Möglichkeiten und Auswege.
M a n würde aber fehlgehen, wenn man bei Rheinberger M a n gel an Humor annehmen wollte. N u r i n den Schulstunden wurden
Humoristics vermieden, ebenso aber auch Angriffe auf musikalische
Zustände, die ihm nicht paßten. E s ist grundfalsch, wenn Richard
W a g n e r i n einem Brief an König Ludwig II. behauptet, Rheinberger lasse keine Unterrichtsstunde vorübergehen, ohne ihn herabzusetzen und mit Gift zu bespritzen. Siegfried W a g n e r hat i n
Dresden im Februar 1926 mit der Verlesung von 3 ungedruckten
Briefen, worin der erwähnte Passus vorkommt, dem Andenken seines
großen Vaters einen schlechten Dienst erwiesen. Hans B u ß m e y e r ,
der als Schüler und später als Kollege sein gaazes Leben lang mit
Rheinberger i n engster B e r ü h r u n g stand, erzählte mir i m Sommer
1926, daß sich Rheinbetger niemals gegen Wagner gewendet habe.
Adolf S a n d b e r g e r schreibt i n dem schon erwähnten Artikel, der
auch i n seine „Gesammelten Aufsätze zur Musikgeschichte" (München,
Drei-Masken-Verlag) aufgenommen wurde: „Nie habe ich i n unseren Stunden nur ein einziges Wort aus seinem Munde gegen jene
hohe Kunst gehört, die ihm so herzlich unsympathisch war. Und das
i n den achtziger Jahren, da wir noch um Wagner kämpften!" Ich
kann aus persönlicher Erfahrung dazufügen: nie habe ich das Wort
Wagner von ihm vernommen, weder i n seinen Stunden, noch später
bei meinen häufigen Besuchen i n seinem Hause. N u r i n einem Brief
aus München vom 20. November 1897, den er an mich nach Helsingfors sandte, las ich mit vergnügtem Schmunzeln: „Die W a g n e r -
— 178 —
schen Leit-, Leid- und Läutmotive fliegen hier nur so wie die
Schneeflocken herum. D a haben Sie's i n Ihrem ultimz Inule bester!
S i e können zur Abwechslung doch hie und da einen Original-Eisbären brummen hören, etwa im Subcontrs-tls oder dort herum!"
Gleich aber fährt er fort: „ S i e werden auch mit Teilnahme gelesen
haben, daß wir unseren lieben, verehrten R i e h l verloren; ich habe
vor 4V Iahren i n seiner Familie Klavierunterricht erteilt und seit
dieser langen Zeit war er mir ein treuer Freund! K. i. p." E r wechselt überhaupt i n diesem Brief zwischen Scherz und Ernst und unterzeichnet sich schließlich als „Ihr herzlich ergebener alter Freund
J.RH."
Professor Dr. K r o y e r hat i n der Sammlung Kirchenmusik im
Verlag von Pustet i n Regensburg ein Buch über Rheinberger erscheinen lassen. Unter den Aufsätzen, die er als Quellen anführt,
befinden sich auch 2 aus meiner Feder, ein englischer (Nu8ics1 ^ 6 vsiioe, N i n n e a p y l w , Ulinn. 1889) und ein deutscher (Neue Musikzeitung, Köln a. Rh., 1899). Beide sind mir abhandengekommen und
ihr Inhalt ist mir nicht mehr gegenwärtig. Dagegen habe ich zum
6V. Geburtstag Rheinbergers i m Morgenblatt N r . 75 der „Allgemeinen Zeitung" (16. M ä r z 1899) einen Artikel veröffentlicht, der
Herrn Professor Kroyer entgangen ist, und den ich hier auszugsweise einrücken möchte, schon wegen der interessanten Briefzitate.
Der Artikel enthält zunächst eine Schilderung von Rheinbergers
Lebensgang und versucht die Bedeutung des großen Kontrapunktlehrers ins rechte Licht zu setzen. Dann wendet er sich dem Komponisten zu.
„Am schönsten sind zweifellos seine Orgel- und Kirchenkompositionen. A l s gläubiger Katholik hat er eine große Menge Messen,
Hymnen und dergleichen f ü r den Gottesdienst verfaßt, und alle Organisten diesseits und jenseits des Ozeans bedienen sich mit Vorliebe
seiner Werke. Seine Orgelsonaten gehören zum besten, was i n dieser
Art überhaupt existiert, und die beiden herrlichen Orgelkonzerte sind
vielleicht seine hervorragendsten Arbeiten. Auch unter seinen K l a vierkompositionen verdienen die Stücke i m strengen S t i l den Vorzug.
B ü l o w pflegte zu sagen: „ W a s Beethoven f ü r die Klaviersonate
war, ist Raff f ü r die Klaviersuite und Rheinberger f ü r die Klaoiertoccata." Die Kammermusik verdankt unserem Meister auch viele
Perlen, f ü r Orchester allein hat er verhältnismäßig wenig geschrie-
—
179 —
ben: außer der Wallenstein- und der Florentinischen Sinfonie sind
es nur wenige Ouvertüren. Begreiflich ist, dasz Rheinbergers B ü h nenwerke weniger erfolgreich waren, denn er steht modernen Zeitströmungen, die er als krankhaft empfindet, ablehnend gegenüber
und hat überhaupt wenig Vergnügen an dramatischer Musik, wo
manchmal nur ,ein paar Takte komponiert werden, damit einer über
die Bühne gehen kann'. E r ist eben absoluter Musiker. B e i aller
akademischen Vollendung ist ihm ein gesunder Herzenston eigen, der
im Rein-musikalischen Genüge findet. Dabei hat er die Vokalkomposition durchaus nicht vernachlässigt, sondern i n allen Formen gepflegt.
E i n - und mehrstimmige Lieder, Chöre f ü r M ä n n e r - und Frauenstimmen, mit und ohne Begleitung, namentlich aber Balladen und
Kantaten haben seinen Namen auch i n der Laienwelt weit bekannt
gemacht. Und nicht nur große, sondern auch kleine Leute hat er mit
seinen Gaben bedacht; oftmals lieferte seine Gattin die poetische
Unterlage dazu. S o schrieb sie mir einst: .Nächstens erscheint eine
kleine Oper mit Klavierbegleitung f ü r Kinder, welche ich gedichtet
und Kurt (dies war der Hausname Rheinbergers) komponiert hat.
Der Stoff ist einem Märchen von Hauff entnommen und der Titel
heißt » D a s Zauberwort«. I h r gestrenger Lehrer und Kontrapunktist
wird Ihnen hierbei i n neuem Licht erscheinen.' Und ein andermal:
, I n den letzten Wochen hat er — ein Liederbuch f ü r Kinder komponiert, 3V Lieder zu neuen Texten. Ich durfte auch Gedichte liefern,
und diese Arbeit hat ihn so gefreut, daß er manchmal laut zu lachen
anfing, besonders bei dem Lied eines kleinen Geigers, der überall
wegen seines Gekratzes ausgewiesen wird, sogar von Vater und
Mutter'.
Auch f ü r ausgedehnte Chorwerke schrieb F r a u Rheinberger den
Text. S o veranlaßte zum Beispiel ein himmlischer Sommertag i n
Vaduz Dichtung und Komposition von M o n t f o r t ' , worin die Sage
Rheinbergers Heimat verklärt; denn jahrhundertelang haben die
Grafen Montfort auf Schloß Vaduz gehaust. Auch die Worte vieler
anderer Vokalwerke stammen aus der Feder der Gattin, deren
Schriftstellername der ihres ersten Gatten F . v. H o f f n « a ß war.
F r a u F r a n z i s k a R h e i n b e r g e r , geborene Zägerhuber,
war eine bedeutende Persönlichkeit von ausgebreitetem Wissen und
erlesenem Geschmack. S i e ging ganz i m Wirken f ü r ihren Gatten auf
und unterstützte ihn i n allen seinen Arbeiten. S o nahm sie ihm einen
— 180 —
T e i l der Korrespondenz ab und führte ein genaues thematisches Verzeichnis seiner sämtlichen Werke. Unter dem T i t e l . A u s der Heimat'
hat sie auch die Jugend Rheinbergers reizvoll geschildert. F r ä u l e i n
Emma Rheinberger hat mir die Lektüre der liebenswürdigen Handschrift freundlichst ermöglicht.
E s sei gestattet, noch einen kurzen Auszug aus einem der Briefe
von F r a u Rheinberger an mich beizufügen, da er ein treffendes U r teil über Rheinberger enthält und zugleich das schönste Zeugnis f ü r
beide Gatten bildet: ,Sie können sich denken, wie sehr es mich freut,
daß S i e sich durch das Studium Rheinbergerscher Kompositionen
angezogen fühlen, nicht nur um seines Ruhmes' i n Amerika willen,
sondern weil ich aus Erfahrung weiß, daß man sich seelisch i n guter
Gesellschaft befindet, wenn man seine Kompositionen spielt oder hört.
Auch sind dieselben durchaus i n Harmonie mit seinem eigenen Wesen; man kann daher ihn und seine Werke auf gleiche Stufe stellen.
Denken Sie nicht, lieber Freund, daß ich dadurch, daß ich seine F r a u
bin, einseitig über ihn denke. Seit 31 Jahren kenne ich ihn, seit
dieser Zeit beobachte ich ihn mit Verstand und Herz und habe nie
— i n nichts auch nur die geringste Enttäuschung an ihm erlebt, aber
sehr viel durch seinen würdevollen Charakter gelernt.' Nachdem i m
Dezember 1892 der Tod Rheinberger die treue Gefährtin entrissen
hatte, schrieb er mir: ,So wird das Leben immer ernster und schließlich wundert man sich, daß man einstens fröhlich war'.
Seit dieser Zeit hat sich der Meister noch mehr von der Öffentlichkeit zurückgezogen, um so mehr, als auch körperliche Leiden sich
immer mehr fühlbar machten. M i t bewundernswerter Gewissenhaftigkeit und strengem Ernst erteilt er aber noch Unterricht, und
seine Schüler, die aus allen musikalischen Ländern des Erdballs
stammen, verstehen oft erst nach dem Verlassen der Schule den Wert
seiner Lehren recht zu würdigen. Selbst wenn sie auf andere Bahnen
als er selbst geraten sollten, müssen sie sich doch darüber klar werden,
daß man schwerlich eine solidere kompositorische Grundlage als bei
Rheinberger erringen kann. Bach und Mozart sind seine Lieblinge,
und bei Besprechung ihrer Werke gerät der sonst i n den Unterrichtsstunden kühle M a n n i n förmlichen Enthusiasmus und preist i n den
wärmsten Worten ihre Vorzüge.
Außerhalb der Schule ist der Meister von gewinnender Freundlichkeit und bleibt seinen Schülern ein wohlgesinnter Freund.
—
181 —
So steht in Rheinberger eine vornehme, künstlerische Persönlichkeit vor uns, welche stets edle Musik in technischer Vollendung
darbietet, denn ,so grosz die Zahl seiner Werke ist, man wird nichts
Banales unter ihnen finden'." Mit diesem Ausspruch H. v. Bülows,
den ich mir zu eigen mache, und einigen Schluszbetrachtungen endigt
der erwähnte Artikel.
Rheinberger, der an seinem 60. Geburtstag auf Vorschlag
Sandbergers von der Universität München zum Ehrendoktor ernannt worden war, schrieb mir darauf: „Meinen besten Dank für
Ihren lieben Brief und warmen Aufsatz in der .Allgemeinen Zeitung', in dem ich aber zu .schön' gemacht bin, wie Sie aus beiliegendem Konterfei ersehen können".
Schon früher hatte er mich durch ein Bild erfreut, das mir aber
ein amerikanischer Langfinger entwendete. Außerdem besitze ich noch
die Partitur seines Elegischen Marsches, op. 167 b, und die Klaviersonate ki8-Moll, op. 184, mit seinen Widmungen. Besonders hoch
schätze ich einige Manuskripte, die mir aus dem Nachlaß der Frau
Konservator M a i e r zufielen.
Bekanntlich war Rheinberger Schüler des Konservators der
musikalischen Abteilung der Bayrischen Hof- und Staatsbibliothek,
Julius Josef M a i e r , der 1889 in München starb. Maiers Witwe
zog nach dem Tode ihres Gatten wieder in die badische Heimat.
I n Karlsruhe lernte ich die hochbetagte Dame kennen, und da sie
auf Rheinberger sehr stolz war, spielte ich ihr manchmal etwas von
seinen Kompositionen vor. Dafür bedachte sie mich in sehr liebenswürdiger Weise in ihrem letzten Willen. Ich erhielt ein schönes Eipsrelief Moritz Hauptmanns, das dieser einst seinem Schüler Julius
Josef Maier gegeben hatte. Auch ein feingeschnittenes Medaillon
von Mendelssohn lag bei. Die Hauptsache waren mir 2 größere
Manuskripte Rheinbergers, nämlich die Motette „ v o m i n e DeuZ",
die Kroyer Seite 48 bespricht, und „Sechs Motetten", von denen 4
in op. 40 veröffentlicht sind. Die erste Nummer von op. 40, der
114. Psalm („Ich liebe, weil erhöret der Herr") fehlt bei mir; dafür
besitze ich die Manuskripte des 21. und 83. Psalms („Herr in Deiner
Kraft" und „Wie lieblich sind deine Wohnungen").
Außerdem überließen mir die Erben einen Brief Rheinbergers
an die „Hochverehrte Freundin" (vom 6. Februar 1901), in dem er
i i
— 182 —
nach ausführlichen Mitteilungen über eigene Verwandte sich folgendermaßen vernehmen läßt: „Wie mir Petzet mitteilte, befinden S i e
sich gottlob wohl und gesund; er sagt, S i e seien sehr freundlich gegen
ihn gesinnt; ich glaube, daß er dies verdient, gegen mich zeigte er
sich immer als dankbarer Schüler. Unter den cs. 600 Schülern kann
ich das nicht von allen sagen! D a sind viel schwarze Schafe drunter".
Professor Otto S c h m i d in Dresden erzählt im 2. Dezemberheft 1901 der Zeitschrift „Die Musik", daß Rheinberger eigenhändig
für ihn seine besten Schüler verzeichnet habe. Die Liste lautet:
D r . S a n d b e r g e r , H ä u s e r , R e n n e r , N e n n e t , Hermann
Scholtz. E. M . Sachs, P o d b e r t s k y , M e y e r - O l b e r s l e b e n , D r . K l i e b e r t , v. P e t e r s e n n , B u o n a m i c i , P e m b a u r (Vater und 2 Söhne), V u ß m e y e r , S o m b o r n , T e r r a b u g i o , v. W e l z , Hans K ö ß l e r , Viktor E l u t h , Z y r i l l K i s t l e r , PH. W o l f r u m , H u m p e r d i n c k , E i e h r l , C h a d w i c k ,
T h u i l l e , Alexander S t ä g e r , Henry H o l d e n H u ß , P e t z e t ,
W h i t i n g , P a r k e r , A v e r k a m p , D r . H a y m , Robert K a h n ,
Ferdinand T h i e r i o t , F r a n c h e t t i (Alberto und Giorgio).
W e i d i g . I m letzten Jahre wäre zweifellos noch F u r t w ä n g l e r dazugekommen. Auch sonst fehlen in diesem wohl flüchtig hingeworfenen Verzeichnis eine ganze Anzahl von bedeutenden und
bekannten Rheinbergerschülern. Eigentümlich, daß gerade die berühmtesten bayrischen Musiker dieser Zeit, S t r a u ß und R e g e r ,
nicht bei Rheinberger studierten!
B e i S t r a u ß waren offenbar Familienbeziehungen zu Hofkapellmeister M e y e r maßgebend-Er hat aber i n seiner Jugend nebenbei
auch öfters Kompositionen Rheinberger zur Durchsicht vorgelegt. —
Reger versuchte zwar, nach Adalbert Lindners Reger-Buch (Stuttgart, Engelhorn) Rheinberger f ü r sich zu interessieren, war aber mit
dem Erfolg nicht zufrieden. Daß Reger Rheinberger sehr hochschätzte,
habe ich aus seinem eigenen M u n d gehört. E r bat mich unter anderem, ihm ein Rheinberger-Stück vorzuspielen.
Die sogenannte Münchener Schule, die von dem RheinbergerSchüler T h u i l l e ihren Ausgang nahm, muß in Rheinberger ihr
Haupt verehren. Ebenso sind die meisten guten amerikanischen Komponisten Rheinbergers Schüler. Ich hatte schon Gelegenheit, dies
nach einem Artikel Florizel von R e u t e r s über „Amerikanische
Tonsetzer der Gegenwart" in den „ S i g n a l e n f ü r die musikalische
Welt" (vom 6. M a i 1925) bei meiner Ergänzung unter den „Kleineren Mitteilungen" vom 20. M a i 1925 zu betonen. E s wirkt also
in der Tat, wie Professor S c h m i d meint, „der Geist des Meisters"
auch nach dem am 25. November 1901 erfolgten Tode „ i n beiden
Hemisphären fort".
E i n prächtiges Denkmal schmückt Rheinbergers Gruft i n den
südlichsten Arkaden des südlichen Friedhofs i n München. Der Neffe
Egon hat ein treffliches B i l d n i s des Meisters ausgemeißelt und
ihm die Gattin gegenübergestellt. Über beiden erscheint Christophorus mit dem Christuskind auf dem Rücken, den beide gemeinsam
in einer Chorlegende besungen haben, und den Sockel verzieren
musikalische Sinnbilder. Auch an Rheinbergers Wohnhaus i n der
Fürstenstraße ist jetzt unter dem Fenster, an dem er arbeitete,
neben einer Inschrift ein Relief angebracht, das seine Züge trägt.
Die Straße, die von dieser Stelle aus zur Ludwigstraße führt, heißt
Rheinbergerstraße.
—
185 —
Aus meiner StudienMt
bei Joseph Nheinberger in München
Von C a r l Vogler
Es war im Frühherbst 1895, als ich nach 2i/2jährigem Studium
an der Musikschule Zürich meine erste Auslandsreise antrat. Das
Ziel war Deutschland, noch unbestimmt aber blieb der Ort. Doch
standen München und Köln im Vordergrund; München, weil Joseph
Rheinberger dort unterrichtete, Köln bot als Anziehungspunkt das
von Franz Wüllner geleitete Konservatorium^ An beiden Orten
wußte ich mich für das Studium meiner Spezialfächer, Orgel und
Theorie, gut aufgehoben; in München auf alle Fälle, wenn ich von
Rheinberger als Schüler angenommen wurde. Für den Theorieunterricht wenigstens schien es im Bereiche der Möglichkeit zu liegen,
denn ich hatte den größten Teil meiner Vorstudien bei Lothar
Kempter sen. genossen, der, von Rheinberger ausschließlich ausgebildet, seine Schüler vortrefflich für dessen Unterricht vorzubilden
wußte. Eine Garantie besaß man immerhin nicht, am allerwenigsten
im Orgelunterricht, denn der Zudrang war dort besonders groß,
und Rheinberger pflegte stets nur 4 Schüler mit wöchentlich 2 gemeinsamen Stunden anzunehmen bzw. bei Schüleraustritten die
Klasse jeweils wieder auf 4 Schüler zu ergänzen. Die Dinge lagen
aber auch da im Herbst 1895 insofern günstig, als vom vorigen Jahr
nur Josef Pembaur noch in der Klasse war, sodaß für 3 Neueintretende Platz blieb.
Die Aufnahmeprüfung vollzog sich in Gegenwart sämtlicher
18 Bewerber und das „Lampenfieber" war daher mächtig, als ich
den ersten Satz aus Rheinbergers Ves-Dur-Sonate vorzutragen begann. Kaum hatte ich auch recht zu spielen angefangen, lag schon
des Meisters Hand auf meinem linken Unterarm, und ich glaube
heute noch die von Neulingen so sehr zu Unrecht als bissig gefürchtete
Stimme zu hören, womit ich mich mit der Bemerkung „schon gut"
als endgültig Abgelehnten wähnte und mich mit hängendem Kopf
bereits auf der Weiterfahrt nach Köln sah. Vorsorglich hatte ich auch
meine Habseligkeiten noch nicht völlig ausgepackt. Doch kam alles
— 186 —
anders als ich befürchtete: K a r l Pembaur, der letztes Z a h l verstorbene jüngere Bruder von Josef und spätere Hofkapellmeister i n
Dresden, Sidney Durst, ein Amerikaner, von dem ich leider nie
mehr etwas hörte, und ich waren die Auserwählten!
Daß i n Rheinbergers Kontrapunktzimmer mehr R a u m f ü r Wissensdurstige sei als auf dessen Orgelbank, hatte ich schon am Vormittag
erfahren, denn die A u f n a h m e p r ü f u n g i n jenem Fach war gut verlaufen und, auf des Meisters Pünktlichkeit zum voraus aufmerksam gemacht, fand ich mich am ersten Studientag mit K a r l Pembaur zusammen so frühzeitig als möglich ein. Z u unserer Überraschung waren aber
bereits sämtliche S t ü h l e besetzt bis auf die beiden letzten zu beiden
Seiten des langen Tisches und den einen am Tischende nächst der
Türe. M i t etwas unbehaglichem Gefühl wählte ich den S t u h l rechts,
sah ich doch auf allen Gesichtern ein unmißverständlich spöttisches
Lächeln, das ich mir allerdings sofort zu deuten vermochte, a l s die
T ü r aufging, Rheinberger eintrat und nach einem stummen Neigen
des Kopfes — den Platz am Tischende, zwischen Pembaur und mir
einnahm. D a h e r kam also die Pünktlichkeit unserer Kollegen und
das Wettrennen um die entferntesten Plätze! Rheinberger schien
das zu wissen, denn ich machte sehr bald die Beobachtung, daß diejenigen, die ihn fürchteten und seine Nähe mieden, auch während
ihrer ganzen Studienzeit von ihm i n Distanz gehalten wurden.
Nicht, daß er deswegen Begabte übersah, denn er hatte einen sehr
raschen und klaren Blick f ü r seine Schüler, und er fand sofort heraus, welche von ihnen aus Schüchternheit und welche aus Unsicherheit „in Deckung" zu bleiben suchten.
W a r u m ich diese scheinbar belanglose Geschichte hier erzähle?
W e i l sie mir f ü r das ganze künftige V e r h ä l t n i s Rheinbergers zu
seinen Schülern bestimmend schien. Nichts war ihm denn auch tatsächlich unsympathischer, a l ssichvon seinen Schülern gefürchtet oder
in übertriebenem Maße bewundert zu sehen. E r liebte den freien,
ungezwungenen Verkehr und schätzte nichts höher als die ihm ohne
Zeremoniell entgegengebrachte Achtung und das durch dieselbe bedingte Vertrauen. E r wollte, daß man sich ihm gegenüber gab wie
man war, ohne Geziertheit und Umständlichkeit und ganz besonders
ohne scheinheilige Unterwürfigkeit. D a r i n war Rheinberger trotz
seines belvundernswerten Aufstieges i n seinem Berufe und trotz
aller ihm zuteil gewordenen Ehrungen von höchster Stelle das
—
187 —
schlichte K i n d seiner Berge geblieben, und darin lag ohne Zweifel
auch seine unverkennbare Vorliebe f ü r Schüler begründet, die aus
ähnlichen Verhältnissen stammten. Nicht ohne sichtbaren Stolz erzählte er mir auch, dasz seine Mutter eine Schweizerin aus Disentis
im Kanton E r a u b ü n d e n gewesen sei^.
Rheinbergers oft falsch verstandene Strenge i m Unterricht war
bedingt durch seine unbegrenzte Achtung vor dem Berufe und durch
seine Überzeugung, dasz „Kunst" von „Können" kommt. Oberflächlichkeit i m Schaffen ertrug er nicht, und wie er i n den Orgelstunden
auch nicht eine unrichtige Note unbeanstandet durchliesz, so rügte er
im Kontrapunkt jeden, auch den leisesten Verstoß gegen Regel und
Gesetz. Welcher gewesene Schüler erinnert sich nicht des berühmten
„hüübsch" aus Rheinbergers Munde, wenn ihm bei seiner Arbeit
an der Tafel etwa eine Quintenparallele unterlief? E s erklang i n
einem Tonfall, dasz man sich vor Scham am liebsten unter den Tisch
verkrochen hätte! Kontrapunkt i m Sinne des Meisters bedeutete
die hohe Schule der Logik, und i n der freien Komposition galten
die klassischen Formen vor allen andern. Wer das nicht begriff, hatte
bei Rheinberger nichts zu suchen. Das erfuhren wohl alle seine
Schüler. D a fällt mir eben wieder ein Studienkollege ein, der
wochenlang die P a r t i t u r i n Riesenformat einer „Sinfonischen Dichtung" — wer alles schrieb damals nicht „sinfonische Dichtungen"?
— mit sich herumtrug und die er i n allen Cafes liegen ließ, i n der
Hoffnung, daß sie jemand anschaue. Noch sehe ich Rheinberger vor
mir, wie er i n dem B a n d herumblätterte und zum Schluß anstelle
des erwarteten Lobes lächelnd die Bemerkung machte: „Wollen S i e
mir nicht lieber einmal ein Stück f ü r vierstimmigen gemischten Chor
bringen? Ich kann so große Partituren nicht gut lesen!" Bemerkungen wie diese trugen natürlich viel dazu bei, daß Rheinberger
bei den „Fortschrittlern" unter uns teils als „Reaktionär" verschrien, teils als „alter Herr" mitleidig belächelt wurde, lebten
w i r doch i n einer Zeit scharfer Gegensätze i n der Kunstauffassung,
die sich besonders i n München deutlicher auswirkten als an manchen
1. Elisabeth Rheinberger, aus dem bekannten Geschlechte der Carigiet i n
Eraubünden stammend, führte den Haushalt ihres Bruders, des i n Schaan
wirtenden Pfarrers und Landesvikars Anton Carigiet, und lernte dort auch
den fürstlich-liechtensteinischen Rentmeister Johann Peter Rheinberger i n V a duz, den Vater von Joseph Rheinberger, kennen.
—
188 —
andern Orten. Wagner, Liszt und der als Komponist noch stark
umkämpfte Richard Strauß waren die Götter der Jungen, besonders derjenigen unter ihnen, denen es an der tiefern Einsicht gebrach und die im Neuen nichts anderes sahen oder sehen wollten
als den langersehnten Bruch mit allem hergebrachten Zwang, das
Morgenrot ungehemmtester Freiheit in der maßlosen Verwendung
unbegrenzter Mittel und des zügellosesten Schwelgens im Klanglichen, womit man die eigene innere Leere verdecken zu tonnen
glaubte. Daß Rheinberger die Wagnerschen Musikdramen aus innerer Überzeugung ablehnte, wußte man ebensowohl, wie man von
ihm ein Eingehen auf Richard Strauß nicht verlangen konnte. Da
lagen unüberwindliche Hindernisse in der ganzen eigenen Entwicklung, im Persönlichen, Künstlerischen und Weltanschaulichen begründet, dazwischen! Aber zur Ehre des Meisters und in Anerkennung seiner überaus noblen und ritterlichen Natur sei gesagt, daß
gehässige oder abschätzige Bemerkungen, wie man sie von andern
Lehrern der Akademie in oft recht bajuvarischer Art mehr als genug
hören konnte, bei ihm nicht vorkamen. Sagte er etwa in der J n strumentationslehre bei der Behandlung des Schlagzeuges, daß „in
neuester Zeit auch der Amboß zum Musikinstrument geworden sei"^
oder bezeichnete er Lieder im Sprechgesang mit recht überladener
Begleitung als „Klavieretüden mit Deklamationsbegleitung", so
wußte man wohl, wohin er zielte — aber welcher Gelehrte oder
Künstler leistet sich nicht gern ab und zu einen Witz auf Kosten
seiner lieben Kollegen! Und zu allem wußte man, daß Rheinberger
neben Max Zenger einer der ganz Wenigen war, die sich von der
frühern „Münchner Musikschule" zur „Akademie" durchgerungen
hatten und uns Studierende nicht mehr als Schulkinder behandelten. Unter Rheinbergers lächelndem Auge geschah sogar das Unerhörte, daß man das Haus durch die „Damentreppe" verließ, statt
sich, den Unterricht in einer ganzen Flucht von Lehrzimmern störend, züchtig wie's vorgeschrieben war, nach der im andern Flügel
liegenden „Herrentreppe" zu begeben!
Rheinberger als Lehrer genossen zu haben, bedeutete für jeden
seiner Schüler unverlierbaren Gewinn. Mögen Manche seiner Kompositionen, als einer andern Geschmacksrichtung angehörend, heut«
nicht mehr in dem ihnen gebührenden Maße gewürdigt werden —
ohne seine Orgelwerke wird man auch in aller Zukunft weder im
—
189 —
Gottesdienste noch im Kirchenkonzert auszukommen vermögen. Und
in allem, was er seinen Schülern als Mensch und Lehrer gab, kann
er nur von denen richtig und nach Verdienst gewürdigt und im
Gedächtnis behalten werden, die das Glück hatten, ihm menschlich
näher zu kommen.
3. Erinnerungen an Joseph Rheinberger
— 193 —
Georg Blum
E s war i n den Jahren 1889—1891, in denen ich Unterricht von
Professor Rheinberger erleben konnte. Eine ziemlich starke Klasse
von Kontrapunktschülern, die sich aus 9 Deutschen, 5 Amerikanern,
2 Engländern und 1 Balten rekrutierten. Professor Rheinbergers
R u f als Lehrer des strengen Kontrapunktsatzes hatte sich weit verbreitet, abgesehen von den wertvollen musikalischen Schöpfungen,
die seinen Namen i n der ganzen Welt bekannt machten.
D a die Nationen damals noch friedlich nebeneinander sich der
Pflege der K u l t u r hingeben konnten, so herrschte i n der Rheinberger-Klasse ein erfreulicher Wettstreit um die besten musikalischen Einfälle, die freilich manchmal ins Stocken kamen, wo dann
Professor Rheinberger als erfahrener Meister dem Kunstwerk,
das auf der Tafel gefertigt wurde, das Weiterleben ermöglichte.
Die Amerikaner brachten neben einem freieren persönlichen A u f treten auch oft Zeichen eines gesunden Humors mit, die den Eesichtszügen des strengen Meisters Rheinberger ein Schmunzeln entlockten.
I . S . Bach war der Pol und die Richtschnur aller Arbeiten i n
der musikalischen Kunst, die er unermüdlich hauptsächlich aus dem
„Wohltemperierten K l a v i e r " demonstrierte, dessen Inhalt er vollständig i n sich aufgenommen hatte.
E s war eine merkwürdige Zeit f ü r den Musikstudenten. Auf
der einen Seite dieses strenge Gebundensein an die bewährten Formen und harmonischen Gebilde der sogenannten klassischen Satzkunst.
K a m dann f ü r ihn der Abend, dann hörte er partitur-behaftet auf
einer Treppenstufe der Hoftheater-Ealerie die Wunder des „Tristan"
vor sich aufgetürmt. Oder i n einem Konzert die U r a u f f ü h r u n g des
„Ständchens" von Richard Strausz, oder hatte Gelegenheit, ein M a nuskript — die vierhändige Bearbeitung des „Don J u a n " — desselben Meisters durchzuarbeiten. Kein Wunder, dasz mancher schon
vor der Zeit revolutionäre Gedanken pflegte.
Doch Professor Rheinberger wehrte allzufreiem Walten innerhalb der zielgerichteten Lehrmethode. E r forderte, daß alle Arbeiten
der Lehrzeit von dem Schüler i n tadelloser Handschrift zu späterem
— 194 —
Einblick niedergelegt wurden, eine Maßregel, die in späterer Zeit
für den Schreiber zum Genuß wurde.
E s muß noch hervorgehoben werden, daß Professor Rheinberger
stets der gütige und beratende Lehrmeister für den Schüler war,
was sich bei dem Abschiedsbesuch in dem Absolutorium i n besonders
teilnahmsvoller A r t zeigte.
Daß die Arbeiten des Meisters noch hochgeschätzt werden, konnte
ich vor kurzer Zeit an einem sächsischen Oberlehrer und Organisten
erfahren, der, nachdem ich mich als Rheinberger-Echüler vorgestellt,
nun seine große Begeisterung f ü r die Kompositionen des Meisters,
besonders seine Orgelsonaten, die er alle genau beschreiben konnte,
erklärte. E i n späterer Ferienaufenhalt in „ S a m i n a " gab dem
Schreiber die Gelegenheit, das Geburtshaus des verehrten Meisters
aufzusuchen und das Gedenken an den gütigen Lehrmeister zu vertiefen.
Christian Döbereiner
Joseph Rheinberger war ein großer Meister und Lehrer des
einfachen und doppelten Kontrapunktes und der Formenlehre. Die
von ihm während des Unterrichtes gestreute Saat ging allerdings
bei vielen seiner Schüler oft erst viel später auf. B e i mir kam die
Frucht erst nach einigen Iahren zu schönstem Gewinn, als ich mich
der Wiederbelebung alter Musik in ihrer originalen Gestalt widmete. B e i Ausarbeitung des Lasso Lontinuo der verschiedenen
Werke kam mir erst voll die Erkenntnis, wie viel ich Meister Rheinberger. besonders im einfachen Kontrapunkt, zu danken hatte. Der
Meister legte selbst den größten Wert darauf, daß seine Schüler im
einfachen Kontrapunkt sattelfest wurden.
In manchem erschien er mir nahezu als ein musikalisches Phänomen; er konnte zum Beispiel 2 Arbeiten zu gleicher Zeit abhören
und „cezensieren", das heißt ein Schüler spielte die durchgearbeitete
Aufgabe von der letzten Stunde (das heißt der vorhergegangenen)
auf dem Klavier vor, während Rheinberger eine neue Komposition
eines andern Schülers, die dieser zur „Rezension" vorlegte, durchsah und abwechselnd, je nach der gegebenen Situation, den Spieler
— 195 —
der Aufgabe oder den Komponisten auf M ä n g e l oder falsche Noten
aufmerksam machte. Alles höchst treffend und charakteristisch.
Unvergeßlich ist mir auch des Meisters Hinweis, man könne
ein Werk am besten studieren, indem man es auch abschreibe. Dabei
erzählte er, als Knabe sei er stundenweit von Vaduz gewandert, um
Klaviersonaten von Beethoven abschreiben zu können.
Ich halte Meister Joseph Rheinberger hoch in Ehren und werde
ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren!
Sidne? Homer
A u s seinem Buche " N v >Viks and I", erschienen 1939 bei N a e millan OompÄiiv ^ e w VorK, mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers.
Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Frick.
Ich war 19 Jahre alt, als ich mit Herrn Chadwick zu studieren
begann. E r wünschte, dasz ich im September in die RheinbergerKlasse der Königlichen Musikschule in München eintrete und plante
meine Studien demgemäß. Ich konnte nicht ohne Erlernung eines
Instrumentes eintreten und so dachte ich, Orgel zu spielen. Theorie
war mein hauptsächliches Studium und im Winter nahmen wir
Harmonielehre, einfachen und doppelten Kontrapunkt, alle Formen
des Kanons und einfache Fugen durch. Musik ist ein leichtes S t u dium bei einem großen Meister, und im Sommer stand ich ganz auf
eigenen Füßen. Kein Problem der Harmonielehre oder des Kontrapunktes beunruhigte mich mehr.
Welch ein Wechsel! Das Pertrauen und die Sicherheit wurden ^
mir durch einen M a n n gegeben, f ü r den Musik eine Kunst und nicht
mehr bloße Technik war.
Die nächsten 3 Jahre waren die eines konventionellen Musikstudenten. Rheinbergers Klasse war einfach der Platz, wo wunderbare Kontrapunkte geschrieben wurden. Wenn einer geschickt war,
konnte er lernen. Keine Heimarbeit wurde aufgegeben außer dem
sorgfältigen Studium dessen, was i n der Klasse durchgenommen
wurde. Alle originellen Arbeiten eines Studenten kamen aus eige-
— 196 —
nem Antriebe. Alles, was er schrieb, wurde von Rheinberger still
i n der Klasse durchgesprochen und keiner der 26 Klassenkameraden
hörte jemals etwas davon. Alle Klassenarbeit ging an der Schultafel vor sich, und das Klavier wurde selten gebraucht.
In dieser Stille wurden die auserlesensten Kontrapunkte entweder durch Rheinberger oder durch einen Studenten auf die Tafel
geschrieben. Die Spannung war kolossal, und nach 2 Stunden waren
wir erschöpft.
Welch ein seltsamer Blick f ü r einen Außenstehenden, der Gelegenheit hatte, hereinschauen zu können. E i n langer, kahler R a u m ,
schlecht beleuchtet durch Gas. E i n kleiner, graubärtiger M a n n mit
brennenden Augen und ausdrucksvollen Händen; 2V ganz absorbierte
Studenten auf eine Tafel schauend, auf welcher Noten geschrieben
wurden, atemlos und i n absorbierter Stille auf die nächste Steigerung wartend: eine wunderbare Stelle i m A l t , ein aufregender
Anschlag im Tenor, eine delikate, befriedigende Melodieführung i n
dieser oder jener Stimme. Das Ganze wunderbar klingend. K l a n g !
Wie — wenn diese Noten klingen könnten? J a , jeder Student hörte
sie und jede kleine weiße Note klang, wenn sie geschrieben w a r . . .
Unsere Klasse löste sich auf und jeder startete ins Leben. Viele
von ihnen erreichten große Bedeutung. Rheinbergers Idealismus
breitete sich über die,Welt aus.
Ich inserierte im „Bostoner Sinfonie-Programm" und i m „Bostoner Transkript für Harmonie, Kontrapunkt und Komposition" —
und wartete. E s war eine gespannte Zeit, aber w i r hatten beste
Hoffnung, daß das Unmögliche geschehen werde. Und plötzlich geschah
es. K a r l Baermann, unser erster Pianist, welcher von München kam,
ließ mich zu sich kommen und sagte mir, daß ihm von München
geraten wurde, seine Schüler i n meine Harmoniestunden zu schicken.
Ich wußte, das war Rheinberger, der f ü r mich was tat. Ich war
erfüllt von einer tiefen, überströmenden Dankbarkeit. Der kleine
gasbeleuchtete R a u m und die 3 langen Jahre kamen i n die Erinnerung zurück und ich fühlte mich entschädigt f ü r a l l die harte Arbeit,
welche ich geleistet hatte. Und so ist es. Wenn wir durch das Leben
gehen, treffen wir einige wenige große Seelen, deren Idealismus
so rein, so unerschütterlich dasteht wie ein schneebekleideter Bergesgipfel. Diese Empfehlung von Rheinberger, der zwar viele tausend
Meilen entfernt war, bedeutete alles.
— 197 —
Casimir Meister
B e i Joseph Rheinberger studierte ich 2 Jahre (1889—1890)
an der damals Königlichen Musikschule (der heutigen Akademie der
Tonkunst) i n München. E r war mein Hauptfachlehrer i n Kontrapunkt und Komposition. Meinen „Meister" verehrte ich aus aufrichtigem Herzen, und diese Verehrung ist mir zeitlebens geblieben.
S e i n leutseliges Wesen, seine tiefgründige Lehrtätigkeit hinterließen
auf mich einen tiefen Eindruck. E r war seinen Schülern stets ein
liebevoller Berater und Förderer i n späteren Lebensfragen. Ich
besitze jetzt noch ein von Joseph Rheinberger vor 47 Jahren eigenhändig geschriebenes Empfehlungsschreiben, das mir i n meinem
Leben den Weg öffnete.
Nach Beendigung meiner Studien riet mir Rheinberger, nach
Paris zu gehen, um auch französische A r t kennenzulernen. Ich bin
ihm zeitlebens dankbar dafür. M i t meinem Münchner Diplom trat
ich i n die Kompositionsklasse T h . Dubois ein. Joseph Rheinberger
gab mir noch eine spezielle Empfehlung an seine Freunde, Organisten Euilmant und Widor, die mich weiterhin i n s Orgelspiel
einführten.
Wenn ich das Glück hatte, bis auf den heutigen Tag eine anständige Dirigenten-Lebensstellung erhalten zu haben, verdanke ich
dies nur meinem lieben, unvergeßlichen Lehrer Joseph Rheinberger.
Heinrich M a l
Rheinberger war besonders bedeutend in der Anwendung der
gebundenen Formen, Kanon und Fuge, die er meisterhaft zu lehren
verstand. In seinen Stunden wurden viel Noten, besonders von
Mozart abgeschrieben, was natürlich einem jungen Kopf mit so viel
neuen Ideen vorerst nicht gefiel und einleuchtete.
Der Meister hat auf seine Schüler durch seine Persönlichkeit
auch als Mensch den besten E i n f l u ß geübt. Der „Fugenseppl", wie
wir Schüler ihn nannten, war bei uns sehr beliebt, weil wir merkten, daß in seinem Innern ein fühlendes Herz für die Mitmenschen,
insbesondere für die Jugend schlug. Wenn kleine menschliche Eigen-
— 198 —
heiten manchmal hervortraten, ließ das den Künstler nur noch
sympathischer erscheinen, denn jedes großartige Getue und, wie man
bei uns sagt, „ A u f d r a h n " lag ihm vollständig ferne.
Ich habe die Erinnerung und den Dank f ü r alles, was ich durch
ihn erworben habe, zum Ausdruck zu bringen versucht durch die
Widmung meiner Orgelstücke (Kanons) op. 77.
Rsrl Maria pembaur
Rheinberger hatte damals (1896) sein feststehendes Lehrschema.
E s gab keine Seitenwege, nur ein einheitliches Vorgehen. Begründet war dies i n seiner Einstellung dem „Fortschritt" der Musik
gegenüber, seiner Überzeugung, dasz man erst gehen lernen müsse,
ehe man S p r ü n g e machen könne, dasz sich Freiheiten erst i n der
Reife entwickeln dürfen, vielleicht auch begründet i m jahrelangen
Unterricht.
E r war i n erster Linie Lehrer s e i n e r Grundsätze, hielt deswegen auch mehr von Privatarbeiten, die mit dem Gelehrten i m
Zusammenhange waren. Brachte einer eine „sinfonische Dichtung"
(über deren künstlerische Berechtigung er als klassizistisch gebildeter
Komponist sowieso nicht gut zu sprechen war), sagte er: „Schreiben
S i e lieber einen vierstimmigen Chor!" Wer nach s e i n e m S i n n
etwas konnte und sich einordnete, hat bleibende Werte nicht nur
kontrapunktisch, sondern auch an Charakterklarheit geerntet. E r war
vornehm i n Wort und Haltung, freundlich, kurz i n seiner Rede,
liebenswürdiger zu den Begabten und Fleißigen, die denn auch
öfter an die Aufgabentafel kamen wie die andern, die schließlich nur
nachschrieben.
ü b e r Zeitgenossen sprach er sich nie aus. Seine Orgelwerke
waren damals weitverbreitet und werden ihre Geltung behalten.
Hatte er ein neues Werk ediert, brachte er es mit i n die Orgelstunde.
M i r ist das B i l d Rheinbergers noch gegenwärtig. E i n in sich
geschlossener Charakter, voll Ehrfurcht vor Gott und der Kunst, ein
vornehmer Verteidiger seiner Anschauungen, ein großer Könner
und Lehrmeister, ein Erzieher f ü r s Leben, freilich nur f ü r diejenigen
„bonae voluntstis".
— 199 —
Heinrich Kaspar Schmid
W a r es nur ein glatter Irrtum, der die Schriftleitung dieser
Eedenkschrift verleitet hat, in mir einen Rheinberger-Schüler zu
vermuten? Dasz sie dann — von mir aufgeklärt — die Einladung
zur Mitarbeit wiederholt hat, gereicht mir zur Ehre.
M e i n Kompositionslehrer Ludwig Thuille war ja unmittelbarer Schüler Rheinbergers, und wenn er im Verlaufe seines so
schmerzlich verfrüht vom Tod abgeschnittenen Schaffens der damaligen Münchner Moderne im Sinne Alexander Ritters, Liszts,
Bruckners, vor allem Wagners mit richtungweisend war, so blieb
er gerade als Lehrer, ebenso wie Rheinberger, der zielklare Mentor
echter Musikalität. Denn jede A r t von „Moderne" löst ja immer
auch eine gesunde Besinnung — also R e v i s i o n aus; diese erwuchs
aber den echten Musikern aus dem Erbe Rheinbergers.
W a s alles hatten wir doch diesem klärenden Vermächtnis zu
danken! M i t solchem Rüstzeug konnte man getrost auch verwirrenden Lockungen sowohl als Angriffen standhalten, gerade dann, wenn
der Angreifer — wie immer und überall — zunächst unwichtige
M i t l ä u f e r als desto beißendere Spötter auf seiner Seite hatte. Also
wird man es nicht unedel nennen, wenn man heute Umschau Halt,
wer von jenen scharfen Verneinern bis heute durchzuhalten vermochte. — Das Mahnwort Sachsens i n den Meistersingern: „Sucht
davon erst die Regel auf!" läszt sich nämlich dann auch von den
Verteidigern verwenden, wenn sie nicht nur Beckmesser sind. Za —
es tut wohl, immer wieder zu erkennen, dasz ein Wechsel i n den
Neigungen nicht unbedingt Wertvolleres bringt, und es tut not, zu
betonen, daß es i n unserer Kunst nur scheinbar unerklärbare Geheimnisse gibt, ohne daß sie unergründlich bleiben müßten. Denn
der Schlüssel dazu heißt i n jedem Falle M u s i k a l i t ä t .
Irgendwie war ich also auch ein Schüler Rheinbergers; außer
dem Klavier und der Komposition erzogen mich von Kindheit an
Orgel und Chorgesang. Und als ich an der Münchner Akademie die
Aufnahme auch i m Orgelspiel zu machen hatte, saß der ernste M e i ster neben der Orgelbank. Während nun alle Prüflinge ihre wohlvorbereiteten Stücke darboten, war ich als Autodidakt, vom Kirchenchore meines Vaters kommend, ohne Wissen darüber, daß es eine
mächtige Orgelkonzertliteratur gab. A l s ich dann verlegen diesen
— 200 —
Mangel erklärte, ließ mich Rheinberger frei spielen und unterbrach
mich mit den gütigen Worten: „ N u n — das geht ja sehr gut".
S o war es mir vergönnt, neben dem großzügigen Klavierstudium unter Bertholt» Kellermann die 4 Jahre meines Studiums
bei Josef Vecht, Rheinbergers Nachfolger als Hofkapellmeister an
der Allerheiligen-Hofkirche, so gut wie alle damals bekannten Werke
f ü r Orgel, vor allem neben Bach die Schöpfungen unseres Meisters
nicht nur kennenzulernen, sondern bis zur Konzertreife zu studieren,
zu spielen. Dem geflügelten Worte folgend „ W a s du ererbt...,
erwirb es. um es zu besitzen", besitze ich heute noch alle Studienwerke,
die sämtlichen 20 Sonaten und die beiden Konzerte mit Orchester;
besitze aber auch eine große Z a h l seiner Klavierwerke, Kammermusik
und den „Christophorus", der, wie aus einer Vorahnung heraus,
im letzten Jahre seines hohen Lehramtes an der Akademie unter
der Leitung Hans Vußmeyers von der Chor- und Orchesterklasse begeistert aufgeführt wurde. M i r wurde dabei die Aufgabe zuteil, die
Solopartien mit den Solisten, vor allem dem stimm- und gesangbegabten Leipziger Kammersänger Alfred Kase einzustudieren und
dem Meister vorzuführen.
W a s der Meister — als echter Christophorus — der Kirchenmusik an großen und kleineren Werken geschenkt hat, wird seine
besondere Würdigung i n diesen B l ä t t e r n erfahren wie auch die
reiche Ausbeute an weltlicher Chormusik.
Schon viele J ä h r e der praktischen A u s ü b u n g des Orgelspieles
entrückt, konnte ich dennoch 1922 als Konservatoriumsdirektor i n
Karlsruhe den Wunsch des um das Kunst- und Musikleben der
Stadt hochverdienten Oberbürgermeisters l)r. K a r l Finter erfüllen
und zur Einweihung der mit hohen Aufwendungen aus dem Konzerthaus i n die große Festhalle versetzten mächtigen Orgel einige
Werke spielen. Neben der L-ä-O-tt-Phantasie Liszts spielte ich Rheinbergers Konzert f - D u r mit Orchester, dieses unter Leitung des
Rheinberger-Schülers, des damaligen Hofkapellmeisters Lorenz.
Gibt es aber eine lebendigere Satz- und Kompositionslehre f ü r
den Musiker als das Orgelstudium? W ä r e — ein Beispiel— der
eminente S i n n f ü r alles Sinfonisch-Orchestrale Anton Vruckners
denkbar ohne seine Orgel? <,Die Orgel als Erzieherin" — sie, die
i n ihrer königlichen Natur kein Gefasel — Eehäcksel — keine Ban a l i t ä t duldet und sofort aufdeckt. W a s alles an echter, unbedingter
— 201
—
Musik gerade die Orgelwerke Rheinbergers ausströmen, zeigt sich
auch dann, wenn sie aus dem Original, aber „drei- bzw. vierhändig"
auf dem Klavier gespielt werden. Freilich, jener von der Dynamik
Richard Wagners aufgewühlten musikalischen Jugend konnte solch
unaffektierte Musik nicht imponieren. — Heute jedoch, da die weitgehende Erschließung alter Musik wieder die stille Einkehr gelehrt
hat, wo man nach Jahren der Schlagworte wieder Musik ohne A n führungszeichen zu lieben vermag, könnte, müßte es auch zu einer
Erneuerung i n der Pflege Rheinbergers kommen.
A l s mich i m Vorjahre ein bekannter Rundfunkkapellmeister
um Nennung von Werken f ü r Orchester bat, die weder zu anspruchsvoll noch flach wären, schlug ich ihm als erstes Werk d a f ü r
die Ouvertüre zu „Die sieben Raben" unseres Meisters vor. E r
führte sie alsbald auf und das fesselnde, so eingängliche Werk, meisterhaft gerade auch i n seiner Orchestersprache, wirkte quellfrisch.
Sollte es wirklich weniger zu unserem deutschen Volk zu sprechen
vermögen als zum Beispiel die Ouvertüre zur „Diebischen Elster"?
J a — man versteht solche Querstände nicht i n unserem K u l t u r treiben.
Während meiner Lernjahre i n München führte mich der tägliche Weg zum Odeon und zurück immer durch die Fürstenstraße,
vorüber an dem neugotischen Eckhaus der heutigen Rheinbergerstraße; und ebenso regelmäßig begegnete ich dem Hochgeehrten,
beglückt, ihm meinen bescheidenen Gruß darzubringen. A l s ich am
25. November 1901 denselben Weg kam, traf mich mein guter J u gendfreund Georg H i l d
dem Meister wie ein K i n d zugetan —
um mir nassen Auges seinen Tod zu verkünden. Zögernd schlichen
w i r ins Haus — die dunkle Treppe hinauf — standen befangen an
der T ü r — sodann vor dem so gut wie unverändert gebliebenen, i n
seinen Kleidern entschlafenen Meister.
S e i n reiches Lebenswerk abermals zu würdigen, stehen besondere Namen zu Diensten. Meine persönlichen Ausführungen wollen
es nicht i n solcher A r t , sondern als dankerfülltes Bekenntnis eines
Abkömmlings der M ü n c h n e r S c h u l e aufgenommen sein, die
ja ohne Joseph Rheinberger nicht denkbar ist.
— 202 —
Richard TrunK
Zm Sommer 1899, also vor genau 49 Iahren, habe ich die
Reifeprüfung an der Münchener Akademie der Tonkunst abgelegt,
nach 3jährigem Studium hauptsächlich bei Joseph Rheinberger, dem
damals bedeutendsten und angesehensten Kontrapunkt- und Kompositionslehrer Deutschlands. S e i n B i l d hängt heute, da ich die
Ehre habe, Präsident dieser Akademie zu sein, im Direktionszimmer
über meinem Schreibtisch, und oft genug begegnet mein Blick den
ernsten, fast strengen und doch so grundgütigen Zügen dieses M a n nes. Über 4V Jahre sind nun vergangen, seitdem wir jungen Musikstudenten von damals i n einem kahlen und nüchternen Unterrichtszimmer, um einen langen Tisch herum sitzend, eifrig niederschrieben,
was uns der Meister aus dem reichen Schatz seines Wissens und
Könnens mitteilte. E r sprach nicht sehr viel, doch das; es immer
wichtig und bedeutungsvoll war, was er sagte, das spürten w i r
schon damals, und heute noch steht mir so manches gute und klare
Wort i n frischer Erinnerung.
Rheinberger war als Lehrer ebenso verehrt und geliebt wie
gefürchtet, und man muhte schon einiges können, wenn man von
ihm überhaupt ernst genommen werden wollte. Die Begabten und
Fleihigen waren seine erkorenen Lieblinge, die anderen lieh er einfach links liegen, nachdem er ihnen wiederholt „auf den Zahn gef ü h l t " und sie als untauglich erkannt hatte. S i e waren dann f ü r
ihn nur noch Zuhörer und wurden zum „aktiven Dienst" an der
großen Notenschreibtafel ü b e r h a u p t nicht mehr herangezogen, es sei
denn zum „Tafelauswischen". U m so mehr konzentrierte sich der M e i ster auf diejenigen, bei denen er eine wirkliche Empfangs- und
Aufnahmebereitschaft f ü r seine Lehren voraussetzen durfte.
W i r hatten — jede der 3 Kontrapunktklaffen — wöchentlich
4 Stunden Unterricht, verteilt auf 2 Tage. Morgens um 8 Uhr auf
die Minute wurde begonnen und wehe dem Schüler, der sich unterfing, später zu kommen als der Meister selbst: ein strafender Blick
aus den scharfen, funkelnden Brillengläsern — das war alles, aber
es verfehlte seine Wirkung nicht. Die paar Unterrichtsstunden vergingen dann jedesmal wie i m Fluge, und man mußte es erlebt
haben, wie dieser sonst so stille und ruhige M a n n bei unserer gemeinsamen Arbeit, etwa bei der Ausarbeitung einer Doppelfuge,
— 203 —
plötzlich i n eine geradezu jugendliche Begeisterung geriet, wenn die
E n g f ü h r u n g gut und sauber geglückt war. Und wenn oft keiner von
uns weiter wußte, wenn der Karren sozusagen verfahren schien,
dann ging der Meister selbst an die Tafel, besann sich ein paar
Augenblicke — und mit wenigen Takten hatte er die Sache wieder
ins Geleise gebracht. Oder wenn er unsere eigenen kompositorischen
Arbeiten korrigierte: ein freundliches, ermunterndes oder auch
tadelndes Wort, ein kurzer Hinweis, es doch besser so oder so zu
machen, oder diese Arbeit liegen zu lassen, da sie schon i n der A n lage verfehlt sei, und dafür lieber eine andere anzufangen, ein paar
Bleistiftstriche mit seiner immer schon etwas zittrigen Hand — und
wir hatten verstanden, was der Meister meinte, und wußten; wie
wir dran waren. Und gerade hierbei, besonders wenn er mit einer
Leistung zufrieden war. konnte man Rheinberger oft als einen
wahrhaft väterlichen Freund kennen und lieben lernen. Auch dann
sprach er nicht viel, aber der weich und leicht umflorte Klang seiner
Stimme verriet uns doch seine innere Freude und Teilnähme an
unserem künstlerischen Streben. Dann offenbarte sich das reine und
edle Menschentum dieses seltenen Mannes i n tiefbeglückender Weise;
und das waren die schönsten Stunden jener fernen Zeit, wenn w i r
das stolze Gefühl haben durften, dem verehrten Meister auch menschlich näher gekommen zu sein.
S o steht Rheinbergers B i l d i n meinem Herzen, und so wird
es i n meiner Erinnerung weiterleben.
Julius Weismann
E s war i m Jahre 1891 (ich war damals 1 1 ^ Jahre alt), da
mein Vater, der bekannte Naturforscher, einen halbjährigen Urlaub
in München verbrachte und bei dieser Gelegenheit meine musikalische
Begabung durch ein ernsthaftes Studium an der dortigen Akademie
der Tonkunst zu fördern suchte. Besonders lebhaft steht i n meiner
Erinnerung der sonnige Oktobertag, an dem ich zum erstenmal die
Akademie zwecks meiner A u f n a h m e p r ü f u n g betrat. Bedrückten Gemütes kam ich i n ein Unterrichtszimmer, i n dem eine Anzahl wie
mir schien uralter Herren versammelt war, davon als Senior Rhein-
^
204 —
berger, der damals Anfang 50 war; dann Professor Buhmeyer,
Josef Eiehrl und noch mehrere andere. Ich spielte mir nicht mehr
erinnerliche Stücke, wahrscheinlich Bach, und erbot mich, über irgend
ein Thema oder ein selbst erfundenes Thema zu improvisieren.
Davon wollte aber Bufzmeyer nichts wissen! „Improvisieren verdirbt den musikalischen Charakter, das ist Dilettantismus", sagte er.
Da fiel ihm Rheinberger sehr energisch ins Wort und sprach mit
seiner behaglichen, leicht vorarlbergischen Stimme; „Ha, lasset doch
das Büeble spielen, was es will". Diese heimatlichen Töne gaben
mir Mut und ich improvisierte fröhlich drauflos. Da mir damals
schon das Improvisieren eine ebenso leichte wie angenehme Beschäftigung war, war es nicht schwierig, auch die Skeptiker unter den
gestrengen Herren von meiner Würdigung zu überzeugen, daß ich
als Elfjähriger in diese geheiligten Hallen einziehen durfte.
Ich kam als Klavierspieler zu Vuhmeyer, mit dem aber nie
ein besonders inniges Verhältnis erblühte. Rheinberger selbst nahm
mich auf Grund meiner vorgelegten Kompositionen in seine Kontrapunktklasse auf, wo ich allerdings in den ersten Wochen einen schweren Stand hatte, da mir das Lesen der alten Schlüssel unbekannt
war. Rheinberger setzte mich nebensich,dicht bei der Tafel am Ende
eines langen Tisches, und nun wurden Woche für Woche zweimal
je 2 Stunden lang Ontus-kirmu8-llbungen getrieben, die bis zum
Frühjahr einen dicken Band füllten, den ich noch heute ab und zu
mit respektvoller Erinnerung ansehe.
Ein ebenso schöner Tag wie bei meinem Eintritt in die Akademie war der letzte Tag vor der Abreise aus München. Ich war
um 5 Uhr zu Rheinberger in seine Wohnung bestellt — ich stieg
die steile Treppe seiner Wohnung in der Fürstenstrasze in die Höhe,
läutete, und Rheinberger kam und lieh mich ein. E r war nicht
allein, trotzdem sagte er aber, ich solle ihm nur vorspielen, was ich
ihm zum Abschied mitgebracht hätte. Es war ein kleines Klavierstück
von wenigen Seiten, das mich heute noch an diese Stunden erinnert.
Ich werde nie vergessen, in welch herzlicher und bei allem Abstand
fast kollegialer Weise er den inzwischen zwölfjährigen Jungen behandelte. M i t noch schwererem Herzen trennte ich mich von dem
Meister als ich ihn ein halbes Jahr vorher aufgesucht hatte.
6 Jahre später besuchte ich ihn wieder, um ihm eine Sonate für
Klavier vorzuspielen. Das Komponieren von Klaviersonaten gras-
— 205 —
sierte damals bei mir fast epidemisch. Ich erinnere mich, wie er
den 3. Satz lobte, aber zugleich mein S p i e l wegen mangelhafter
Rhythmik tadelte. E r sang mir mein Thema vor, wie es wirklich
von mir geschrieben war und ich sah mit Schrecken, was mein S p i e l
für eine Mißgestalt daraus gemacht hatte.
E i n J a h r später (1899) kam ich nach einem Studienjahr i n
B e r l i n , angeödet von der dortigen verknöcherten epigonalen M a nier, nach München zu Ludwig Thuille. Wieder besuchte ich Rheinberger, der damals kränklich war und sehr gealtert erschien. E r nahm
mich mit aller Herzlichkeit auf, trotzdem er keinen Hehl daraus
machte, das; er mit der damals neuen, heute ach so alten Münchner
Schule nicht einigging. W i e mir schien, war es besonders der enge
Anschluß an Wagner, der ihm bei Thuille mißfiel, von dem er sonst
mit Hochachtung sprach. Ich glaube, daß ich damals Rheinberger
zum letztenmal gesehen habe. E i n - oder zweimal versuchte ich noch,
ihn zu treffen, aber Krankheit verhinderte ihn, mich zu sehen.
4. Anerkennungen
^
209
^
Rheinberger hat als Komponist sowie als Lehrer Großes geleistet. Auf dem Gebiet der Polyphonie war er unvergleichlich, als
Lehrer hatte er internationalen R u f und war bei seinen Schülern
ungemein hochgeschätzt.
William Berwald.
Ich war einer der wenigen Privatschüler von Rheinberger i n
dessen letzten Lebensjahren. Ihm war die N a t ü r l i c h k e i t beim
Musizieren oberstes Gesetz: Natürlichkeit der S t i m m f ü h r u n g , der
Formgebung, des Ausdrucks. Heute nennt man das wohl auch
„konventionell" — nicht immer mit Recht.
Ich habe dem strengen, stets anspruchsvollen Meister viel zu
danken und denke an seinen Unterricht sehr gern zurück.
Wilhelm
Furtwängler.
Rheinberger war beinahe ein Gott i n den Augen seiner Schüler. Ich bin sicher, daß kein M a n n je geboren wurde mit einem
besseren Herzen und einer empfindsameren Natur.
S i d n e y Homer.
S o kann ich nur sagen, daß ich des Meisters noch heute i n Dankbarkeit und Verehrung gedenke, und daß er mich nicht nur i n meiner
Schülerzeit, sondern auch im ferneren Verlauf meiner Entwicklung
durch Interesse und Anerkennung f ü r meine Arbeiten gefördert und
erfreut hat.
Robert Kahn.
Ich habe nicht viele Menschen getroffen, die mir so verehrungswllrdig erschienen wären wie Joseph Rheinberger.
Wilhelm
Sieben.
— 210 —
Ich verdanke Professor Rheinberger als Kontrapunktlehrer sehr
viel: Ich hatte nie einen andern, weder vorher noch nachher. Dasz
alle Stimmen singen sollen, lernte man bei ihm ganz besonders.
Ermanno
Wolf-Ferrari.
5. Nheinbergers Werke
— 213
Joseph Rheinberger als DrgelKomponist
Von Musikdirektor Jakob Egli
Unter der neueren Orgelmusit nehmen wohl die Orgelwerke
von Joseph Rheinberger eine erste Stelle ein. M i r war es vergönnt, neben einigen andern Schweizer Kollegen, wie C a r l Vogler,
Fr. Niggli, Robert Eayros, Oskar Engelhard und anderen gleichzeitig den Unterricht des hochverehrten Münchener Hofkapellmeisters
in Kontrapunkt und Komposition zu genießen. B e i der sehr angestrengten und ausgedehnten pädagogischen Tätigkeit Rheinbergers
an der Königlichen Akademie der Tonkunst in München ist es
daher doppelt erstaunenswert, mit welch unermüdlichem Fleisz der
Meister auch kompositorisch tätig war. Neben seinen trefflichen Werken auf allen Gebieten der Musikformen half er namentlich durch
die genialen Werke f ü r die Orgel seinen unsterblichen Ruhm mitbegründen! Seine gehaltvollen Orgelkompositionen sind bei aller
Einheitlichkeit der Form und der Modulation stets mit blühender
Phantasie und reicher Harmonik durchwirkt. Rheinberger beherrscht
den S t i l f ü r sein königliches Instrument in einer seltenen Weise
und Vollkommenheit. Die Form der Orgelsonate stellt in der Beherrschung des Kontrapunktes und des polyphonen Stiles die denkbar schwierigste Aufgabe.
Während Rheinberger in seinen ersten Orgelsonaten die Form
noch in bescheidenem Rahmen hält, wachsen die späteren Sonaten,
namentlich die letzten, beinahe zur Breite der viersätzigen Sinfonieform aus. In der 1. Sonate (L-Moll, op. 27) herrscht ein ungezwungenes kontrapunktisches S p i e l voller Gefühlsinnigkeit bei bescheidener
Harmoniefolge (1. Satz). Jm'Mittelsatze wird ein einfaches Thema
geschickt und in verschiedenen Oktaven verwendet. Den Schlußsatz
bildet eine Fuge. Auch die Fugen aus Rheinbergers Orgelsonaten
werden von unsern Konzertorganisten mit Vorliebe gespielt. S i e
gemahnen uns an den Urvater aller Fugenkomponisten, an Johann
Sebastian Bach.
Neben den 2V Orgelsonaten hat Rheinberger auch noch eine
größere Anzahl Orgelkompositionen allgemeinen Charakters ge1Z
— 214
—
schrieben. So in op. 49 19 Trios und i n op. 123 12 Fughetten
strengen S t i l s . Diese Stücke dienen in erster Linie pädagogischen
Zwecken, können aber auch beim Gottesdienste sehr gut verwendet
werden.
I n der Phantasiesonate op. 65 (^s-Dur) wird als M o t i v die
Melodie der ersten Verszeile „Jesus meine Zuversicht" durch den
ganzen 1. Satz hindurch verwendet. I m 2. Satz spielt eine lieblichzarte, aufschwebende Melodie, welche gegen den Schluß hin i n tiefer
Lage nochmals i n hervortretender Weise erklingt.
Die Pastoralsonate op. 88 (Li-Dur) ist ein prächtiges B i l d
ländlichen Frohsinnes. Angestimmt und zuweilen untermischt mit
einer Choralmelodie (8. Psalmton) durch den Pedalbaß im 1. Satze,
spielen die Manuale in kontrapunktierender Weise i n Triolenbewegung voll fröhlich pulsierenden Lebens. Die Fuge als Schlußsatz ist ein Meisterstück in der Polyphonie und wirkt zudem durch
Glanz, Pracht und Herrlichkeit. Dieser Satz wird i n der Mitte untermischt durch jenen Lsntus limius aus dem Pastorale und ist nunmehr auf den vierstimmigen Manualsatz übertragen. Gegen den
Schluß hin (Doppelfuge) kontrapunktieren lebhafte Manualpassagen
besagte Choralmelodie.
I m 1. Satz der ^-Moll-Sonate (op. 98) herrscht eine ernste,
herbe Erundstimmung vor. Inmitten des Satzes erscheint wiederum
ein Lantus iirmus (9. Psalmton), im 2. Satz (Intermezzo) mutet
uns eine liebliche Melodie in zarter Begleitung an, welche durch
ein lebhafteres Sätzchen abgelöst wird. (Dieser Satz wurde nachträglich vom Komponisten auch als wirksames Solo f ü r Oboe mit Orgel
übertragen.) Den Schlußsatz bildet eine interessante Fuge über ein
chromatisches Thema.
Der Sonate op. 111 (k"is-Dur) geht eine kürzere Introduktion
in ? i s - M o l l voraus, welcher dann eine Fuge i n ?is-Dur folgt. Der
kurze Mittelsatz könnte mit etwas hervorgehobener Melodie registriert werden. E s folgt eine A r t Sclier^o. Den Hauptwurf aber hat
Rheinberger im Finale getan, einem ungemein melodiösen Tonstück
voll prächtiger Modulationen und Klangwirkungen.
Die nächstfolgende Orgelsonate ist die i n Hs-Moll (op. 119).
Ich erinnere mich noch wohl, wie der hochverehrte Meister einst i n
einer seiner so sehr geschätzten und anregenden Kontrapunkt-Unterrichtsstunden i n scherzhafter Laune den Ausspruch tat: „Die Tonart
— 215 —
Hs-Moll sei eigentlich eine unheimliche Tonart". Doch trifft dies
hier bei der Sonate nicht ganz zu; denn schon der 1. Satz, wohl teilweise düster-ernst, ist durchtränkt von einem erquickenden Wohllaut
in den vortrefflich gearbeiteten Fugatos und Motivimitationen. Der
„Religiöse Marsch" (auch für Blasorchester instrumentiert) ist ein
schön abgeschlossenes, trauermarschähnliches Stück.
Die ^-Moll-Sonate (op. 127) gemahnt uns i m 1. Satz i n seinen
majestätischen Akkorden an den mächtigen, gewaltigen B a u eines
gotischen Domes. Im 2. wird ein sanftes Thema kunstreich variiert.
Während der Mittelsatz der H-Moll-Sonate (op. 132) ein für
den gottesdienstlichen Gebrauch treffliches Tonstück bildet, haben wir
im Hauptsatz, der ?g88geaglia, ein Kunstwerk, wie sich solche i n der
gesamten Orgelliteratur nur wenige finden werden. Im Pedal pp
beginnend, erklingt ein achttaktiges Thema seine zwanzigmal und
wird, ohne langweilig zu wirken, stets in neuer, abwechslungsreicher
Weise von kontrapunktierenden Stimmen umspielt.
Die il-Moll-Sonate (op. 146) besitzt i m 1. Satz ein zu kirchlichen Zwecken gut verwendbares Präludium. Den Mittelsatz bildet
ein „Thema mit Veränderungen", das i n mannigfacher A r t verwendet wird. Den Glanzpunkt vertritt aber der schwungvolle
Schlußsatz i n tt-Dur.
Der 1. Satz der V-Moll-Sonate (op. 148) ist ein Gebilde voll
verzehrender Leidenschaftlichkeit (^Zitato), während i m Mittelsatz
eine hübsche Lantilsiie bei einer A r t „?i^ieato"-Pedalbegleitung
sich ausschwingt.
E i n freundliches, glanzvoll wirkendes B i l d bietet die Phantasie
der Oes-Dur-Sonate (op. 154). Hieran schließt sich i m „^Ilegro
a^itato" ein bewegtes, ungemein animierendes Leben mit nachherigem Rückgang zur 1. Satzgruppe. Der 2. Satz wird bei gewählter Registrierung einen unvergleichlichen Klangreiz auf Herz und
Gemüt des Hörers auszuüben imstande sein. Eine klangschöne Introduktion und Fuge beschließt dieses Werk.
Die Charakterstücke (op. 156) sind eine Sammlung geistreicher
musikalischer Detailmalerei. Sehr brauchbarer kirchlicher Stoff findet sich i n den 12 Monologen (op. 162). Die Meditationen (op. 167)
sind ebenfalls sehr wertvolle, gediegene Eelegenheitsstücke.
Die Sonate op. 165 (L-Dur) hat als Schlußsatz i n der Toccata
einen gewaltigen, mächtigen, monumentalen Satzbau. Im 2. Satz
—
316 —
besitzt sie in der Idylle ein eigenartiges Eefüge, wobei abwechslungsreich mit Kornett und Principal einerseits und mit den zartesten Stimmen andrerseits konzertiert wird. (Leider finden sich i m
1. Satz ziemlich häufig Druckfehler vor, welche aber bei etwelcher
genauer Durchsicht des Tonsatzes leicht selbst zu finden und zu
korrigieren sind.)
In den „tVUscellsneen" (op. 174) hat uns Rheinberger 12 Orgelvorträge hinterlassen, welche sich seinen früheren „Charakterstücken" i n würdiger Weise anschlichen.
In der Phantasiesonate (H-Dur, op. 181) ist namentlich der
1. weitausgesponnene Satz voll kontrastierender Gebilde stiller
Beschaulichkeit und anmutender, harfenartiger Beweglichkeit. Der
2. Satz ist ein Intermezzo mit nachfolgender Variationenform.
Die Orgelsonate i n Q - M o l l (op. 190) steht unter der Macht
einer ernsten Erundstimmung (1. Satz) mit feierlichen Harmonien
und ergreifenden Akkordwendungen. Im Zwischensatze wird eine
sizilianische Melodie glücklich verwendet. Und während die Introduktion noch i n bangen, düstern Farben gemalt ist, schließt sich der
Schlußsatz (O-Dur) i n Rondoform an, welche Kunstform die M e i sterhand verrät!
Den Schwanengesang hat unser Meister i n seiner 20. Orgelsonate „Zur Friedensfeier" ( f - D u r , op. 196) geschrieben. Während
im Prälumdium eine sehnsuchtsvolle, üppige Phantasie vorherrscht,
ist i m Intermezzo stille Ergebenheit und Gottseligkeit ausgedrückt.
Im Pastorale klingt uns eine fast lustige, tändelnde Weise entgegen: Hat wohl die Seele des lieben, gottergebenen Mannes nochmals i n stiller Erinnerung zur „trauten Heimat seiner Lieben"
zurückgeschaut, in wehmütigem Heimblicke des sonnigen, wonnigen
Ländchens seiner Jugend tränend gedacht? — Das Finale mit
seinen fanfarenartigen Klängen setzt dem Werk die Krone auf, und
dem Meister drückt diese wundervolle Tondichtung den Lorbeerkranz
auf das gesegnete, müde Haupt!
Viele Werke Rheinbergers werden unvergeßlich bleiben, das
größte und schönste Denkmal hat sich aber der Komponist i n seinen
hervorragenden Orgelkompositionen ^ f ü r alle Zeiten gesetzt!
^
1. Z u nennen wären noch die beiden gediegenen Orgelkonzerte (op. 137
und 177) sowie 3 Suiten für Orge! und Streichinstrumente (op. 149, 150
und 166).
— 217 —
Rheinbergers RirchenmusiK
Von Josef Renner jun.
(Teilnachdruck des Artikels „Kirchenmusikalische Charakterköpfe" aus der Zeit-
schrift .^usics v!vins", Heft 3/1923, mit freundlicher Erlaubnis der UniversalEdition. Wien.)
Joseph Rheinberger entfaltete neben den verschiedenen B e rufstätigkeiten noch eine staunenswerte Produktivität auf allen Gebieten des musikalischen Schaffens. Hatte er auch i m Bereich der
Oper, der Sinfonie, der Kammermusik, des Sololiedes schon schöne
Erfolge zu verzeichnen, finden wir auch unter seinen vielgesungenen
M ä n n e r - und gemischten Chören manch duftige B l ü t e echtester Lyrik,
so sollte ihm nachhaltiger R u h m doch vor allem erst auf 2 f ü r sein
Lebenswerk besonders charakteristischen Gebieten erstehen, den Gebieten der O r g e l k o m p o s i t i o n und der k a t h o l i s c h e n K i r chenmusik.
Das Feld, auf dem Rheinberger zuerst unbestrittene Erfolge
erblühten, war die Orgelkomposition. Seine beiden Orgelkonzerte,
seine 20 Sonaten und seine vielen übrigen lyrischen Stücke bilden
einen Markstein i n der Entwicklung der Orgelliteratur und wirkten
befruchtend auf die jüngere Generation der Orgelkomponisten. M i t
jedem dieser Werke i n fortschreitender Entwicklung immer eigenartiger i n der Melodik, kühner i n der Harmonik, stellt Rheinberger
besonders i n den Ecktürmen seiner Konzerte und Sonaten Prunkstücke kontrapunktischer Meisterschaft hin, die — trotz allem, was
nachgekommen ist — f ü r immer zum Besten zählen werden, was
auf diesem Gebiet geschaffen wurde. Mögen spätere Meister noch
kühner, noch schroffer und komplizierter i n harmonischer und rhythmischer Beziehung geworden sein, die Schubertsche Innigkeit seiner
Melodik, die Bachsche Großartigkeit seiner gewaltigen Fugen —
das Ergebnis staunenerregender kontrapunktischer Gewandtheit und
frischquellender Erfindung — vermissen w i r bei den meisten J ü n gern. D a ß ein Meister von so inniger, glaubensstarker Frömmigkeit
— 218 —
wie Rheinberger von Jugend auf mit besonderer Vorliebe seine
Kunst i n den Dienst des Allerhöchsten stellte, ist eigentlich selbstverständlich, und wie sein erster Jugendversuch der Verherrlichung
des Gottesdienstes galt, so arbeitete er noch wenige Wochen vor
seinem Tode an einer Messe, bis seiner müden Hand mitten im
Credo die Feder f ü r immer entsank.
A l s noch der Cäcilianismus in seiner widerlichsten Form grassierte, als noch jede, auch noch so geistlose Nachahmung des Palestrinastils als „echt kirchliches" Meisterwerk verhimmelt wurde, während
man jedes melodisch und harmonisch selbständig und modern empfundene Werk „weltschmerzlich, sentimental" und daher als unkirchlich brandmarkte, fanden selbstverständlich auch Rheinbergers
kirchliche Schöpfungen keine Gnade vor den Augen dieser llbereiferer.
sondern wurden oft von Leuten, welche nicht würdig waren, Rheinberger die Schuhriemen aufzulösen, als „unkirchlich" angegriffen,
weil er nicht den S t i l der alten Meister kopierte, sondern — wie
jedes schöpferische Talent — seine eigene Sprache redete. N u n , dieser
puritanische Cäcilianismus ist heute tot, der Fortschritt hat gesiegt
und wir wissen, daß, wie in der kirchlichen Architektur, so auch i n
der kirchlichen Musik jeder S t i l seine Berechtigung hat, wenn er
nicht bloß die künstlerischen, sondern auch die liturgischen Gesetze
achtet und befolgt. Unkirchlich ist nur mehr das künstlerisch Ungenügende und das liturgisch Fehlerhafte. W a s aber an Rheinbergers
Kirchenkompositionen mit Recht bemäkelt werden konnte, manche
Textauslassungen und einige hin und wieder vorkommende unrichtige Textdeklamationen, ist nun i n den Neuausgaben der betreffenden Werke i n stilgerechter Weise beseitigt, und so erfreuen sich
daher diese auch von feiten jener Chöre zahlreicher Aufführungen,
welche bisher solche liturgische llngenauigkeiten davon abhielten,
Rheinbergers musikalisch so hochstehende Werke ihrem Repertoire
einzuverleiben. Übrigens sind unter den hier an erster Stelle zu
nennenden 13 Messen des fruchtbaren Meisters schon i n der Originalausgabe die prächtigen opera 187, 159 und 169 liturgisch vollkommen korrekt, von den andern aber liegen nunmehr bereits 7 ebenfalls sehr bedeutende Messen i n liturgisch ergänzten Neuausgaben
vor, nämlich op. 62 d, 83, 117,126 b. 126 c, 151 und 172 b ^. Für die
1. Weitere Neuausgaben siehe Werkverzeichnis. Der Herausgeber.
— 219 —
übrigen, bis jetzt noch nicht in Neuausgaben erschienenen Messen
sind die notwendigen Korrekturen im Kirchenmusikalischen Jahrbuch
für 1909 (Regensburg, Pustet) genau angegeben, wo auch eine eingehende Analyse sämtlicher Messen zu finden ist. Die M s s a pro
clekunctis hat Rheinberger dreimal vertont. In op. 60 besitzen wir
ein großangelegtes, tiefernstes Requiem f ü r Chor, S o l i und Orchester, in op. 84 ein einfaches, f ü r unbegleiteten gemischten Chor
geschriebenes und i n op. 194 ein solches f ü r gemischten Chor mit
Orgelbegleitung, zugleich sein letztes vollständiges Werk auf kirchlichem Gebiete und eine überaus stimmungsvolle, von leiser Wehmut überschattete Komposition.
W a r schon auf dem Gebiete der Meßkomposition die Tätigkeit
Rheinbergers eine überaus rege, so hat er aber auch die Gattung
der Motette stets mit Sorgfalt und Liebe gepflegt und die einschlägige Literatur um manche wertvolle Gabe bereichert. E s seien
hier von den s capella geschriebenen Werken nur genannt das ausdrucktiefe Salve KeZina aus op. 197 und die Adventmotetten op. 176
für vierstimmigen, die 5 gediegenen Motetten op. 163 f ü r fünfstimmigen sowie die 4 prachtvollen Motetten op. 133 f ü r sechsstimmigen
und die grandiose Osterhymne op. 134 f ü r achtstimmigen Chor,
Werke, welche zum Bedeutendsten zählen, was die kirchliche a-capeUsLiteratur des 19. Jahrhunderts aufzuweisen hat. V o n orgelbegleiteten Werken dieser A r t möchten wir außerdem hervorheben die
„Sechs religiösen Gesänge f ü r eine tiefe Stimme", op. 157, die
6 zweistimmigen Hymnen, op. 118, die 3 prächtigen Hymnen f ü r
dreistimmigen Frauenchor, op. 96, mit dem kunstvollen Kanon
„ ^ ä o r s m u s te" und die sehr fein gearbeiteten, wirkungsvollen „Fünf
Hymnen f ü r gemischten Chor, op. 140. Schließlich seien noch die
beiden hervorragend schönen und (besonders op. 138) viel gesungenen „ L w b a t mater", op. 16 und 138, genannt, welche beide mit
Begleitung eines kleinen Orchesters geschrieben sind und den ergreifenden Text i n tief innerlicher, ausdruckvollster Weise vertonen.
B e i Rheinbergers schwächlicher Gesundheit konnte eine solch
umfassende Schaffenstätigkeit nur von ungünstigem Einfluß auf sein
körperliches Wohlbefinden sein. Und wirklich klagte er als Zwanzigjähriger bereits im Jahre 1859 über Reizbarkeit und litt unter
Kopfschmerzen und nervösen Störungen. Besonders machte ihm aber
eine Knochenfontanelle zwischen M i t t e l - und Zeigefinger der rechten
— 220
—
Hand zu schaffen, die ihn volle 17 Zahre belästigte, ihm künstlerisches
Klavierspiel unmöglich machte und erst einige Jahre vor seinem
Tode geheilt werden konnte. S e i n Allgemeinbefinden aber lies; i n
seinen letzten Lebensjahren immer mehr zu wünschen übrig, so daß
er sich endlich gezwungen sah, seine Stellung an der Akademie i m
Herbst 1901 niederzulegen und nur kurze Zeit nach seinem Rücktritt,
am 25. November, ging er ein i n das Reich der ewigen Harmonien.
Z n Rheinbergers kirchenmusikalischem S t i l ist das Individuelle
nicht zu verkennen; er ist selbstverständlich modern, aber modern nur
im Sinne der Klassiker und Romantiker, während er sich mit der
durch Wagner und Liszt geschaffenen, die traditionellen Formen verlassenden Ausdrucksweise nie befreunden konnte. E r ging vielmehr
seinen eigenen Weg. und die Ursprünglichkeit seiner Erfindung tritt
uns nicht nur i n seiner Harmonik i n so mancher eigenartigen, zarten
und nur ihm eigentümlichen Nuance entgegen, sondern auch i n seiner warmen, einem unerschöpflich scheinenden Borne entströmenden
Melodik, die stets natürlich fließend, ausdrucksvoll und oft von hinreißendem Schwünge ist. V o n den häßlichen Errungenschaften der
musikalischen Sezessionisten, die, um jeden P r e i s neu sein wollend,
auch vor den greulichsten Kakaphonien nicht zurückschrecken, hat sich
Rheinberger stets mit Entschiedenheit abgewendet, und gilt daher
auch dieser neuesten „Schule" als „nicht mehr auf der Höhe der Zeit
stehend". Aber, wie Otto Schmid richtig bemerkt, „ein T e i l des
Rheinbergerschen Schaffens wird eine Lebensfähigkeit erweisen, die
manche der anspruchsvoll auftretenden sezessionistischen Gebilde weit
hinter sich zurückläßt". Und wenn eine Autorität wie Dr. Hugo R i e mann schreibt: „Die Werke Rheinbergers haben ein durchaus eigenartiges Gepräge, eine gewisse Strenge und Herbheit gibt ihnen
einen Anhauch von Klassizität", so wird diesem Urteil jeder Kenner
Rheinbergers ebenso zustimmen müssen wie der Charakterisierung
unseres Meisters durch ?. Raphael M o l i t o r : „Rheinberger gehört
mit unter die hervorragendsten Erscheinungen der jüngsten Musikgeschichte und hat fast auf allen Gebieten der musikalischen Komposition Großes geleistet und Bleibendes geschaffen. W a s er bietet,
ist inhaltlich und formell gediegen." Auch der berühmte Komponist
des „Evangelimann", D r . W . Kienzl, schrieb über Rheinberger schon
1886 i n seinen „Miszellen": „ E s gibt kaum einen lebenden Künstler
(auch Brahms und K i e l mitgerechnet), welcher ein größeres musi-
— 221
—
kalisch-technisches Können aufweist als dieser M a n n . Alle Künste
des Kontrapunktes beherrscht Rheinberger mit einer wahrhaft spielenden Leichtigkeit. E s geht von ihm die fast unheimlich klingende
Sage, er habe seit seiner Jugend durch viele Jahre täglich 1 bis 2
Fugen oder Doppelfugen geschrieben und sich auf diese Weise seine
phänomenale Kompositionstechnik angeeignet."
Wie i n seinen anderen Werken, so zeigt sich Rheinberger auch
in seinen kirchlichen Kompositionen als der maßvolle, feinsinnige,
jeder Übertreibung abholde Harmoniker und als der Meister einer
edlen, bei aller Sangbarkeit nie trivialen Melodik. Und was ? . R a phael M o l i t o r von seinen Orgelkompositionen sagt, gilt auch hier:
„Die M i t t e l , mit denen Rheinberger arbeitet, sind einfach, fast möchte
man sagen unscheinbar. E r gebraucht das Chroma — das versteht
sich von selbst —, aber er gebraucht es durchaus mit Masz... Chromatische Lavaströme und ähnliche Krafteffekte bedenklicher A r t gibt
es hier schlechterdings nicht. Wo immer es auftritt, ist das Chroma
durchgeistigt, abgewogen bis auf die letzte Note, daher empfindet
denn auch der Zuhörer nie ein Gefühl der Übersättigung." D a ß dabei
auch seine Orgelbegleitung stets eine mustergültige ist, braucht eigentlich bei dem Großmeister der Orgelkomposition nicht eigens erwähnt
zu- werden. Gleich weit entfernt von bloßer geistloser Kopie der alten
Meister wie von öder Wagnernachahmerei ohne Wagners Geist,
schlug Rheinberger einen goldenen Mittelweg ein, der f ü r die moderne Kirchenmusik wohl der beste sein dürfte. Die bei vorherrschender Diatonik überaus mäßige Chromatik Rheinbergers widerspricht
überdies i n keiner Weise den milden und klugen Vorschriften der
Kirche über Kirchenmusik, da diese nicht bloß die ausschließlich diatonische Schreibweise des Palestrinastils als kirchlich zulässig erklären, sondern den Errungenschaften der letzten Jahrhunderte entsprechend, auch ausdrücklich die Anwendung der Chromatik gestatten,
wie dies aus dem E r l a ß der Ritenkongregation vom Jahre 1894
deutlich hervorgeht. Und auch das viel zitierte Hlotu proprio vom
Jahre 1903 sagt sehr treffend: „Die Kirche hat immer den Fortschritt
der Künste anerkannt und begünstigt, indem sie zum Gottesdienste
all das, was das Genie i m Laufe der Jahrhunderte Gutes und
Schönes zu erfinden wußte, zuließ, immer jedoch unter Wahrung
der liturgischen Gesetze. Daher ist auch die neuere Musik i n den
Kirchen zugelassen, wenn sie ebenfalls Kompositionen von solcher
— 222 —
Güte, Ernsthaftigkeit und Würde darbietet, dasz dieselben i n keiner
Weise der liturgischen Verrichtung unwürdig sind."
Selbstverständlich stehen auch bei Rheinberger, wie bei jedem
Meister — selbst Beethoven nicht ausgenommen — nicht alle Werke
auf gleicher Höhe der künstlerischen Inspiration und Vollendung.
Aber jede objektive Kritik musz bei eingehendem Studium der Rheinbergerschen Kirchenkompositionen zu dem Resultat gelangen, dasz
gerade diesem Zweige des Rheinbergerschen Schaffens fast durchwegs
Reichtum der Erfindung und Schönheit der Form i n einem Grade
zu eigen ist, der den diesbezüglichen Werken f ü r immer eine ehrenvolle Stellung i n der kirchenmusikalischen Literatur sichert. Und
Dr. A . Sandberger dürfte wohl das Richtige getroffen haben, wenn
er i n seinem Nekrolog bemerkt: „Rheinberger hat aus innerer Nötigung eine große Anzahl kirchenmusikalischer Werke aller A r t geschrieben, Messen, Hymnen, Motetten und so fort, welche auf alle
Fälle als Schöpfungen eines meisterlichen Musikers den Vorzug
gegenüber dem jammervollen Zeug verdienen, mit dem gerade auf
diesem Gebiet der Dilettantismus sich breitmacht."
Rheinberger war eine viel zu vornehme Persönlichkeit, um auf
die mancherlei giftigen Angriffe von seiten ciicilianischer Ubereiferer, die seine künstlerische Überlegenheit mit Neid erfüllte, auch
nur einmal zu erwidern. N u r aus gelegentlichen Äußerungen i n
Briefen an seine Freunde und Schüler geht deutlich hervor, daß
ihn diese ganze extreme und unkünstlerische Richtung anwiderte. S o
schrieb er unterm 13. M ä r z 1894 an den Verfasser dieser Zeilen:
„ M i t größtem Vergnügen habe ich Ihr op. 33 (16 Tonstücke f ü r
Orgel, Pustet) durchgelesen und mich über die Gediegenheit dieses
Ihres neuen Werkes gefreut. B e i aller Kunst des Satzes sind S i e
nie i n jene Trockenheit und Eeistlosigkeit (in Imitation der alten
Tonarten) verfallen, die leider heutzutage bei so vielen als .echte
Kirchlichkeit' gilt!" Auch ein anderer genialer Musiker der jüngsten
Vergangenheit, M a x Reger, hatte — nebenbei bemerkt
nur ein
verächtliches Lächeln f ü r diese „echte Kirchlichkeit", und wenn er i n
einem Briefe an mich einmal bemerkt: „ W i r modernen Musiker verlangen mehr als diatonisches Dreiklangsgemüse", so ist sein Standpunkt dieser gottlob überwundenen Richtung gegenüber gewiß deutlich gekennzeichnet. Zu bedauern bleibt nur, daß M a x Reger, der
Größten einer, durch gehässige Anrempelung gleich seiner ersten
— 223 —
kirchenmusikalischen Werke angeekelt, seine hohe Kunst später ausschließlich aus anderen Gebieten mit größtem Erfolge betätigte —
ein unwiederbringlicher Verlust f ü r die an schöpferischen Geistern
wahrlich nicht überreiche katholische Kirchenmusik!
Freuen wir uns deshalb um so mehr, das; wir i n Joseph Rheinberger einen Meister besitzen, der, unbeirrt durch Angriffe und Verdächtigungen, seine blühende Phantasie und seine tiefe Religiosität
mit so vielen bedeutsamen Werken i n den Dienst der Kirche gestellt
hat. Unsere geheiligte Pflicht sei es aber, diesen kostbaren Schatz zu
hegen und durch zahlreiche und sorgfältige Aufführungen das A n denken eines Meisters zu ehren, der von den Jahren seiner Kindheit
an fast bis zum letzten Atemzuge sein seltenes Können der ^Vlusica
sacra geweiht hat-.
2. Quellen- v?. Theodor Kroyer i Joseph Rheinberger, Regensburg, P u stet; Josef Renner jun.: Joseph Rheinbergers Messen, Kirchenmusikalisches
Jahrbuch, 1SV9, Regensburg, Pustet; Briefe und anderes.
Joseph Rheinberger
SeKrolog, 2 8 . Llobember
1901
Von Adolf Sandberger
(Nachdruck aus „Ausgewählte Aufsätze zur Musikgeschichte", München, DreiMasken-Verlag, I N I , Seite 320 bis 330, mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers und Verlegers. I m vorliegenden Abdruck ist einiges nachgetragen bzw.
schärfer präzisiert.)
. Wenn Rheinberger in seinen letzten Jahren immer wieder gelegentlich den Gedanken äußerte, er wolle in absehbarer Zeit sein Amt
als Lehrer des Kontrapunktes an der Münchner Akademie der Tonkunst niederlegen, stieß er auch bei den ihm Näherstehenden auf
Bedenken und Zweifel, ob er sich wirklich zu diesem Schritt entschließen könnte. Denn wir alle wußten ja, wie sehr einerseits seine
Schule ihm ans Herz gewachsen, wie es ihm ein Lebensbedürfnis
geworden war, zu lehren; andrerseits schien es unmöglich, sich das
Münchner Konservatorium ohne Rheinberger vorzustellen, das Institut vorzeitig jenes Mannes beraubt zu denken, der über 39 Jahre
lang das meiste zu seiner Blüte beigetragen hatte. Jetzt ist offenbar
geworden, daß der Meister mit der Pflichttreue und dem sittlichen
Ernst, die sein ganzes Leben und T u n kennzeichnen, auf seinem
Posten ausgehalten hat, solange es ging. V i e l stärker, als man
wähnen mochte, hatte seit langem ein tückisches Leiden den Organismus des Künstlers erschüttert. Den neuen Anstürmen der letzten
Wochen vermochten die geschwächten Kräfte nur mehr den Widerstand der Verzögerung entgegenzusetzen.
Über Rheinbergers äußeren Lebensgang ist i n dieser Zeitung
schon berichtet worden'. S o kann ich mich auf eine Überschau seines
künstlerischen Werdens und Wirkens beschränken, soweit bei der
ungemeinen Fruchtbarkeit des Meisters eine solche zu geben der
Raum dieser B l ä t t e r und meine Kenntnis gestatten.
1. „Allgemeine Zeitung" vom 2V. November
Morgenblatt.
— 226 —
Der Ausgangspunkt für Rheinbergers Schaffen liegt vorzüglich
in den Werken, die Beethoven ungefähr in den Jahren 1866 bis
1817 schrieb, im Beethoven der 2. Periode, und in Schubert. Vermutlich war hier i n jungen Jahren die künstlerische Persönlichkeit
Franz Lachners f ü r Rheinberger vorbildlich, deren beste Emanationen gleichfalls in der genannten S p h ä r e wurzeln. Während aber
bei Lachner (geboren 1863) sehr verständlich erscheint, nicht, das; er
sich den Einflüssen des letzten Beethoven, aber dah er sich jenen
Schumanns gänzlich entzog, wird letzteres bei Rheinberger bereits
charakteristisch, und das um so mehr, als der Künstler i n jungen
Jahren jenes Feld mannigfach bebaute, auf dem Schumann sich am
genialsten betätigt hatte, das Charakterstück für Pianoforte. Von
den musikalischen Äußerungen romantischen und neuromantischen
Geistes, die Wind und Sturm aus Nord-, Mitteldeutschland und
dem Schweizer E x i l in zunehmender Stärke auf die bayrische Hochebene geweht hatten und wehten, ist nur Mendelssohns A r t f ü r
Rheinberger gelegentlich maßgebend gewesen. Ganz anders als die
neuromantische Kunst wirkten die neuausgegrabenen Werke Bachs
auf ihn. Der Einfluß Bachs auf die gesamte Komponistenwelt des
19. Jahrhunderts ist ein herrliches Zeugnis dafür, daß es möglich ist,
das Erbe der Väter für spätere Generationen fruchtbar zu machen,
zugleich der größte Erfolg, den die Musikwissenschaft in ihrer Rückwirkung auf die Praxis bis jetzt zu verzeichnen hat.
Bachs Werke wurden f ü r Rheinberger der dritte jener Bronnen,
zu denen er immer wieder zurückkehrte, um Stärkung und neuen
M u t zu trinken. Freilich nahm unser Künstler auch Bach auf seine
Weise in sich auf. V o r allem vertiefte er an Bach die angeborenen
Fähigkeiten für kontrapunktische Kunst in grandioser Weise. V o n
dem universal-deutschen Erundzug der Bachschen Musik hingegen
erscheint Rheinberger fast gänzlich unberührt. E r blieb ein ausgesprochen süddeutscher Komponist, süddeutsch i m Sinne einer gewissen
Einseitigkeit der Gefühlswelt, wie sie vor 1876 i n weiten Kreisen
der Bevölkerung heimisch gewesen und heute noch i n den gebildeten
Kreisen i n Österreich und Bayern erkennbar ist.
A u s der Welt Bachs und Beethovens, Schuberts und Mendelssohns also stammen die Anregungen, die Rheinbergers zweifelsohne
starke Individualität befruchteten. Damit wurde er kein Ekletiker;
Rheinberger ist gelegentlich langweilig, inspirationslos, niemand
— 227 —
aber wird ein Stück von ihm aufweisen können, das musikalisch
stillos genannt werden könnte. Und das meiste, was ihm von außen
zukam, hat in seiner Persönlichkeit die individuellste Umprägung
empfangen und ist als ein selbständig Neues aus ihm wieder hervorgegangen.
Vergleichende Urteile setzen mit Recht zunächst bei thematischen
und motivischen Reminiszenzen ein. A n ihnen ist bei Rheinberger
so wenig Mangel, wie bei anderen namhaften Meistern, vom
17. Jahrhundert und früher angefangen bis auf den heutigen Tag.
Direkte Anklänge solcher A r t finden sich besonders an Beethoven
in den beiden Sinfonien (op. 10 und 87), an Schubert.an außerordentlich vielen Stellen, an Mendelssohn mehrfach, so im 1. Satz
seines Streichquintetts, op. 82. Daran ist künstlerisch natürlich nicht
viel gelegen. Verwerflich ist nur die Reminiszenz der Stimmung.
Wer keine selbständige Stimmung musikalisch hervorzurufen die
Kraft hat, der hat den Namen eines originellen Künstlers verwirkt.
Selbständige Stimmungen herrschen aber in den meisten Jnstrumentalwerken des Meisters. S i e sind nicht sehr vielseitig untereinander, auch an Reiz qualitativ verschieden; aber sie geben unsrer
Seele neuen Stoff, schenken in ihrer stärksten Ausprägung Anregungen beruhigender und beglückender A r t . Ich glaube das Richtige
zu treffen, wenn ich als den wichtigsten dieser spezifisch Rheinbergerschen Stimmungskomplexe hervorhebe: Beschaulichkeit, milde
W ä r m e , schlichte, männlich-innige Empfindungen. Diese Weisen
decken sich, wie es ja nicht anders sein kann, auch am meisten mit
seinem persönlichen Wesen. Wo sich Rheinberger dieser A r t besonders hingibt, zum Beispiel im ^claZio seines Quartetts op. 89,
dem seiner 2. Sinfonie (op. 87) und-in der Welt so vieler seiner
zweiten Themen i n den Sonatensätzen aller A r t , erscheinen mir
immer wieder die freundlichen weiten Täler seiner Heimat vor
Augen, von warmer Frühsommersonne bestrahlt.
Das Erschaute festzuhalten und es der M i t w e l t zu überliefern,
hiefür stand Rheinberger jegliches Rüstzeug der Kunst willig zur
Verfügung. Daß es ihm an sich möglich gewesen wäre, sich auch der
erweiterten M i t t e l des modernen Orchesters zu bedienen, kann kein
Zweifel sein. Allein er hatte keine starke koloristische Ader und wollte
diese prachvolle Palette nur wenig nützen, wie ihm auch die Würze
unsrer modernen Harmonik allzu scharf und übertrieben erschien, so
prächtige, sein harmonische Wirkungen er gelegentlich erzielt. Das
war sein gutes Recht als älterer Meister; denn auch das Gefühl von
Harmonie und Farbe ist i m Wandel der Generationen in stetiger
Umbildung begriffen; bei den Pionieren aber finden wir Rheinberger nur i n vereinzelten Fällen. Gewisse Stücke sind dennoch
vortrefflich instrumentiert, so beispielsweise die ü b e r t r a g e n e ? s s s a caAliz (op. 132d), und ebenso finden sich also gelegentlich reizvollste
harmonische Pointen, wie zum Beispiel das wechselvoll beleuchtete
der Bratsche zum Schluß des letzten ( O D u r ) Satzes i n seinem
ersten Streichquartett (op. 89). Rheinberger konzentrierte seine
ganze Kunst auf die Komposition an sich, auf den Aufbau und die
scharfe Zeichnung der Kontur. Unklarheiten und Unlogik gibt es
nirgends i n seinen Werken. M i t ihm ist ein Meister der Architektonik, ein Künstler des Planes ins Grab gesunken, wie wir ihrer
bei jung und alt nunmehr ganz wenige besitzen. Auf diesem Feld
übertrifft er da und dort mühelos seine Vorbilder Schubert und
Mendelssohn, den ersten, ihm i n der Erfindung so sehr überlegenen
durch die Straffheit und Konzision der Entwicklung, den andern
durch die Beseelung der formalen Mittelglieder, die Beethoven
längst besaß und Mendelssohn vielfach wieder aufgab. Hier sehen
wir bei Rheinberger auch gelegentlich spätbeethovensche Einflüsse
am Werk. M i t dieser Kraft, wachsen und werden lassen, vor uns
aufzubauen, erweckt der Meister i n seinen besten Stunden die Empfindungen wahrhafter Größe. Insonderheit sind es viele seiner
Durchführungen, die überzeugend wirken, und noch mehr seine
Schlüsse, welche die Stimmung völlig zum Ausklingen bringen und
dabei den Ausdruck bis zum letzten Atemzug i n Energie erhalten.
So entläßt er uns oft als ein Reicher, da er i n Armut begonnen.
Denn manches erste Thema seiner Hauptsätze, wie andere Anfangsthemen, präsentieren sich zunächst reizlos und anscheinend wenig
entwicklungsfähig.
Rheinberger hat sich seine hohe Kunst des Aufbaues nicht mühelos angeeignet. M a n braucht, um dies zu erkennen, nur das Vorspiel
der Wallensteinsinfonie, op. 10, i n bezug auf Stoff und Verarbeitung, oder wenn man hier der i n diesem Opus herrschenden ästhetischen Konfusion die Schuld geben w i l l , den überlangen 1. Satz des
Trios, op. 37, gegen S p ä t e r e s zu halten, zum Beispiel den 1. Satz
der sinfonischen Sonate, op. 47. Fraglos hat unser Künstler auf
— 229 —
diesem Gebiet viele Versuche gemacht, an denen er schließlich groß
wurde, die er aber in richtiger Selbstzucht der Öffentlichkeit nicht
übergab. Daß Rheinberger durch seine Kunst des Kontrapunktes
und des Plans nicht dahin geführt worden ist, sich häufiger auf dem
Gebiet der S i n f o n i e zu versuchen, beruhte wohl auf selbstkritischer Würdigung der anderen Faktoren, die hiefür noch i n Frage
kommen. Merkwürdig aber ist, daß er erst spät und nur 2 S t r e i c h q u a r t e t t e geschrieben hat (Nr. 2 ist op. 147). E i n weiteres Werk
für 4 Streichinstrumente (op. 93) enthält Variationen; eigentlich
ist es eine psssscsAlia. W i e i n seinen reizvollen Klaviertoccaten
(op. 12, 104, 115) greift Rheinberger i n dieser und anderen ?gssgcaAliss mit Glück auf die alten Formen zurück und hat dabei, wie
überall, wo er dem Prinzip der Variation begegnete, f ü r das er
traft seiner Technik besonders gerüstet war, Wertvolles zutage gefördert.
Der Schwerpunkt von Rheinbergers Orchestermusik liegt in
seinen Ouvertüren, der seiner Kammermusik i n den Werken für und
mit Pianoforte. Unter den ersteren nimmt jene zu Schillers Demetrius (op. 110) wohl den vornehmsten Platz ein. I n ihr knüpft
Rheinberger an ein altrussisches Volkslied an „Der falsche Demetrius" (17. Jahrhundert), wie er überhaupt die Vorliebe der
Romantiker f ü r alte und fremde Volkslieder und -tänze als stoffspendendes Element gelegentlich teilt. Auch i n die köstliche Kapuzinerpredigt der Wallensteinsinfonie ist ein bekanntes Lied der Reformationszeit „Wilhelm von Nassau" verwoben. während manche
letzte Sätze seiner Werke sich als Tarantella usw. präsentieren.
I n Rheinbergers K a m m e r m u s i k verdient das Ls-DurQuartett, op. 38, den ersten Platz. E s ist von seltener Frische und
besonders in den beiden 1. Sätzen männlich und reich. Aber auch in
dem erst in den 9ver Iahren erschienenen Trio ( f - D u r , op. 191) hat
der Meister wieder jugendliche Töne angeschlagen, wie er überhaupt
immer wieder über jene Trockenheit hinweggekommen ist, die vielen
seiner Schöpfungen, zum Teil mit Recht, zum Vorwurf gemacht
wird. Durch irgendeinen Zug auch der Erfindung spricht übrigens
fast jedes seiner Kammermusikwerke an; wie fein ist zum Beispiel
das M o m e l l im Trio des Scner?o von op. 121 (Klaviertrio N r . 3),
der Anfang der zweiten Violinsonate (op. 105) und so fort.
Die Zahl der K l a v i e r w e r k e Rheinbergers ist groß. Ich
1 i
— 230 —
bevorzuge unter ihnen die kontrapunktischen, vor allem aber die oft
sehr geistreichen Variationen und die Lsprieei (z. B . op. 43, Oaprieeio ßioeoso). V o n den Phantasiestücken ist op. 23 ein echter
Rheinberger. Dank der K r a f t seiner kombinatorischen und konstruktiven Kunst werden die freien Stücke meist je länger je besser. I n
seiner selbständigen Weise hat Rheinberger auch nicht die allgemeine
Scheu seiner Zeitgenossen vor der Klaviersonate geteilt, sondern
deren 4 geschrieben, von denen jedenfalls die 1. und 3. (op. 99) als
wirkliche Bereicherungen der Literatur gelten müssen. Bemerkenswert ist auch der K l a v i e r s a t z aller dieser Werke. Auch hier geht
Rheinberger seinen eigenen Weg, und i n den Problemen seiner
ausgesprochen männlichen Schreibart werden geübte Spieler und
Spielerinnen vielerlei technische Anregungen finden. Auch das ist
dem Meister anzurechnen, dasz er in seiner Kammermusik nicht zur
Erweiterung jener K l u f t beigetragen hat, die heute vermöge der
übergroßen technischen Schwierigkeiten in gerade den wertvollsten
einschlägigen Werken sich zwischen Kunst und Volk, d. h. den Pflegern der Hausmusik, aufgetan hat. Auch Problematik, Raffinessen
und H a u t ß o ü t wird man bei ihm vergeblich suchen.
Auf e i n e m Gebiete der Instrumentalmusik war Rheinberger
berufen, als Neuerer eine entwicklungsgeschichtlich bedeutende Stellung einzunehmen. Das ist die O r g e l k o m p o s i t i o n . Rheinbergerist der Vater d e r O r g e l s o n a t e , d i e er geläutert hat von den
süßlichen, schwächlichen, orgelwidrigen Zügen, die seine Vorgänger
noch an diesen Gebilden geduldet hatten. Gerade hier trugen die
Bach-Studien des Meisters reiche Früchte. Daß er mit seiner Reform
oder vielmehr Neuschöpfung von Bachschen Eindrücken ausging, zeigt
ein Blick i n op. 27, die älteste unter 19 Gefährtinnen. B e i Bach und
dem eigentlich strengen S t i l ist aber Rheinberger hier i n der Folge
keineswegs stehen geblieben. Gleich den technischen Anforderungen
ist die Erfindung i n diesen Stücken zunehmend eigenartig geworden,
und eine Fülle seltsamer Gedanken und Gestalten blüht uns aus den
gestrengen drei Systemen dieser Werke entgegen. Dem Künstler, der
selbst ein vortrefflicher Orgelvirtuose war (ein Schüler des greisen
D r . Herzog), galt die Orgel keineswegs als ausschließlich kirchliches
Instrument, wie auch daraus hervorgeht, daß er weltliche Einzelstücke f ü r sie komponierte; im höchsten M a ß aber galt sie ihm als
ein Instrument, das seine eigenste Setzart hat, so gut oder mehr
— 231 —
als jedes andere. Im übrigen finden sich naturgemäß mit die schönsten Fugen des großen Fugenmeisters in diesen Orgelsonaten, so i n
Nr. 1', 4 (chromatische), 11 und so fort. Die Orgelsonaten führten
Rheinberger von selbst zur Wiedererweckung des O r g e l k o n z e r t e s . V o r allem das erste der beiden i n Frage kommenden Werke
(op. 137, I^-Dur), ein Stück, an dem Rheinberger in besonderer
Schaffensfreude gearbeitet zu haben scheint, fesselt durch Frische,
Kernigkeit, S t i l und — instrumentales Kolorit. Das begleitende
Orchester besteht aus Streichern und 3 Hörnern und ergänzt mit
ihnen i n feiner Beobachtung jene Farben, welche die Orgel i n der
Regel nicht gibt.
Rheinbergers Größe ruht i n seinem absoluten Musikertum. B e i
Gebrauch des Kennworts „absolute Musik" wird freilich vergessen,
daß zahlreiche Wurzeln der so bezeichneten Kunst vom Absoluten
hinwegleiten zu Poesie und Tanz als ihren Anfängen i ebenso
häufig aber, daß es selbständige Anfänge und eine selbständige
Entwicklung der Musik gegeben hat, deren Erreger der Jnstrumentalspieltrieb und die Bevorzugung des Allgemeinen, des S t i m mungsausdrucks, vor dem Besonderen gewesen sind. I n der großen
Bewegung des 19. Jahrhunderts, i n welcher die beiden Poesiearten,
wie Cornelius einmal von Dichtung und Musik sagt, einander so
energisch wieder zustrebten, stand Rheinberger beiseite. Die Gründe
hiefür lagen i n der spezifischen A r t seiner musikalischen Begabung
und Erziehung, sodann i m M a ß seiner ästhetischen und allgemeinen
Bildung. Auch der Umstand, daß Rheinbergers ihn hochverehrende
und treu geleitende Gattin ohne außergewöhnliche Begabung dichtete und er zahlreiche dieser Dichtungen komponierte, fällt ins
Gewicht. Der „absolute" Musiker läßt sich bei Rheinberger zu wenig
vom Dichter einreden. Seine Gefühlswelt war nicht vielseitig und
reizbar genug, um den stets neuen Anforderungen der Poesie stets
neuartig und tiefgehend zu folgen. S o ist Rheinberger als Vokalkomponist vielfach bei Andeutung der allgemeinen Stimmung der
ergriffenen Dichtungen verblieben, vielfach hat aber auch kurzweg
der Musiker nach der ersten Anregung alles weitere abgelehnt. Der
Meister beginnt über den Worten zu musizieren und schließlich dahin
zu treiben, wohin ihn eben das M o t i v und dessen Entwicklung
— 232
—
führte, nicht der Dichter und seine Vorstellungswelt. Freilich gibt
es Dichtungen, die auch das, ihrer aber weit mehr, die das nicht
vertragen. Und so ergibt sich das Resultat, daß hier Rheinbergers
Produktion ihrem Gesamtwerte nach hinter seinem instrumentalen
Schaffen zurllckblieb, obwohl er gerade f ü r Chorwerke das unschätzbare Rüstzeug seiner polyphonen Kunst mitbrachte. In zweiter
Linie finden sich indes auch hier Ausnahmen genug, wo der Musiker
sich vom Dichter in neue Regionen mitfortreißen ließ oder aber
dieser ihn dahin geleitete, wo er selbst schon lange zu Hause war.
Der Zwiespalt zwischen musikalischen und poetischen Impulsen
zeigt sich schon bei jener eigenartigen Verbindung, welche Poesie und
Musik in der Programmusik eingehen. Rheinberger hat ihr
besonders als jüngerer Künstler nicht selten gehuldigt, in Klavierstücken mit vorgedruckten Programmen, vor allem aber in seinem
Wallenstein. Auf dem Titelblatt dieses Werkes stand zuerst „ S i n fonie", später schrieb der Komponist „sinfonisches Tongemälde". Der
Titel wechselte, aber der Zwiespalt im Innern blieb bestehen. Das
Werk pendelt zwischen allgemeinem Stimmungsausdruck, realistischem Detailausdruck (Käpuzinerpredigt, S e n i , Katastrophe) und
freiem Musizieren sci libitum hin und her und schädigt mit diesem
unvermittelten Wechsel des ästhetischen Prinzips unter den verschiedenen Sätzen, wie innerhalb eines einzelnen Satzes, das Ganze,
in dem in sich viel schöne undcharakteristischeGedanken aufgehäuft
sind. Solche Unklarheit ist Rheinberger nicht zum zweitenmal begegnet. Er zog sich später mit seinen poetisierenden Orchesterkompositionen auf die Einsätzigkeit zurück und hat da etwa in der A r t
Mendelssohns in seinen Vorspielen und Ouvertüren zwischen den
fraglichen Faktoren vermittelt. Übrigens ist das Scber-o im Wallenstein mit seiner tonmälerischen Prägnanz ein sehr merkwürdiges
Stück innerhalb des ganzen Rheinbergerschen Schaffens.
Noch evidenter wird der Zwiespalt natürlich in der Vokalmusik.
Rheinberger hat an 70 L i e d e r f ü r eine Singstimme und Begleitung geschrieben. Unter ihnen nehmen eine Ausnahmestellung die
Kinderlieder (op. 152) ein, die dem Meister besonders lagen, obwohl seine Ehe kinderlos geblieben war, wie er auch in seinen
Singspielen für die Kleinen (so im Zauberwort, op. 153) den Ton
auszeichnet traf. Auch unter den übrigen Liedern ist wertvolles
G u . (zum Beispiel op. 41 Nr. 7, op. 136 Nr. 10), vor allem haben
— 233 —
sämtliche den Vorzug, wirkliche Lieder zu sein. Viele aber sind matt
im Ausdruck, ohne den Reiz der intimen Ausdeutung des Dichterwortes neben dem Treffen der allgemeinen Stimmung des Gedichts,
und zuweilen besteht auch mit dieser nur geringer Kontakt.
Eigenartig gestaltete sich auch das V e r h ä l t n i s von Ton und
Wort i n Rheinbergers K i r ch e n m u s i k. Der Meister war eine
tiefreligiöse und kirchlich strenggläubige Persönlichkeit. E r hat aus
innerer Nötigung eine große Anzahl kirchenmusikalischer Werke aller
A r t geschrieben, Messen (darunter eine imposante Papstmesse s cs-,
pells), Hymnen, Motetten und so fort, welche auf alle Fälle als
Schöpfungen eines meisterlichen Musikers den Vorzug gegenüber
dem schwächlichen Zeug verdienen, mit dem gerade auf diesem Gebiet der Dilettantismus sich breit macht. Aber auch hier kam Rheinberger gelegentlich zwischen zwei S t ü h l e zu sitzen. Bekanntlich hat
die moderne katholische Kirchenmusik das Prinzip des strengkirchlichen Ausdruckes, der exakten Rücksicht auf die liturgischen Texte
und andere Leitsätze auf ihre Fahne geschrieben. Nach gewissen
Erfahrungen teilweise mit Recht. S o sehr sich Rheinberger hier nun
beflisz, diesen Forderungen nachzukommen, war er doch viel zu sehr
Musiker und polyphoner Gestalter nach seiner A r t , als daß er sich
stets hätte von ihnen bestimmen lassen. Hier sah er sjch aus absolut
musikalischen Rücksichten genötigt, Textworte zu wiederholen oder
ganz auszulassen, dort zu verbinden, was dem S i n n nach getrennt
ist, den Wortakzent dem rhythmischen zu opfern und so fort. Dementsprechend ist Rheinberger auch der Vorwurf subjektiver Religiosität und mangelnder Kirchlichkeit nicht erspart worden. Zum Glück
für den Meister dachten und denken nicht alle Chorregenten und
Domkapellmeister streng. W ä r e es der Fall, so müßten diese Werke
wohl i n den Konzertsaal flüchten. Die Bedachtnahme auf Kirchlichkeit hat Rheinberger gelegentlich aber auch zum Entdecker gemacht.
I n Anlehnung an die Kirchenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts
schrieb er sein Requiem op. 84, vielleicht das erste solchen Tones,
das seit Kerlls Tagen (1669) i n München von einem bedeutenden
Meister komponiert worden ist. Ich vermute, daß Rheinberger die
Anregung hiezu durch seinen Lehrer J u l i u s Joseph M a i e r gekommen war. Mehr Beachtung, als sie bislang fanden, verdienen übrigens die Motetten, so op. 133 (4 sechsstimmige), besonders N r . 4.
Sicherheit des Aufbaues, Kunst der S t i m m f ü h r u n g , Fluß und
15»
— 234 —
Wohlklang zeichnen wie die geistlichen, s o d i e w e l t l i c h e n C h o r w e r k e d e s Meisters aus. Kommt zu diesen Eigenschaften noch, daß
es dem Dichter gelang, den Künstler mit seiner Poesie zu erfüllen,
dann gab es „einen guten K l a n g " . Dies ist vielleicht am meisten
der F a l l i n der Ballade f ü r Männerchor „ D a s T a l des Esvingo"
(op. 50), Dichtung von P a u l Heyse, i n deren Orchesterbegleitung
nur das Blech etwas dick aufgetragen ist. V o n den vielen anderen
größeren und kleineren Chorwerken gebe ich, soweit ich sie kenne,
der Ballade „Klärchen auf Eberstein" (op. 97) und dem 1. T e i l des
„Christophorus", Legende f ü r S o l i , Chor und Orchester, op. 120
(Text von Rheinbergers Gattin), mit seinen Chören und dem
schönen Terzett den Vorzug. Auch manches frische Lied f ü r M ä n n e r c h o r hat Rheinberger gesetzt und sich gerade hiedurch i n den
weitesten Kreisen bekannt gemacht.
I n einer so universellen Tätigkeit, wie der unseres Meisters,
durften natürlich dramatische Werke nicht fehlen; außer S c h a u s p i e l m u s i k e n (zu Calderons „Wundertätigem M a g u s " und
Raimunds „Unheilbringender Krone") schrieb Rheinberger eine
romantische und eine komische Oper: „Die sieben Raben" (op. 20)
und „Des T ü r m e r s Töchterlein" (op. 70). Unter allen Gebieten
seines Schaffens lagen wohl hier am wenigsten die Wurzeln seiner
Kraft.
Das letzte Stück, an dem Rheinberger arbeitete, soll ein Credo
gewesen sein; das letzte Werk, das er veröffentlichte (op. 195), ist
schon vor fast 2 Jahren komponiert. E s ist eine Fuge zu 6 Themen
für Orchester unter dem Titel „Akademische Ouvertüre", des Künstlers Dank an die philosophische Fakultät der Münchner Universität
für die Verleihung der Ehrendoktorwürde, mit der der Meister auf
Vorschlag des Schreibers ausgezeichnet wurde. Seinen künstlerischen
Nachlaß hat der Treffliche der Münchner Hof- und Staatsbibliotehk
vermacht.
I n Rheinberger verliert nicht nur die gegenwärtige Musikwelt
den hervorragendsten aller K o n t r a p u n k t l e h r e r , die gesamte
Musikgeschichte kennt nur wenige K r ä f t e von ähnlicher Bedeutung.
W a s der Meister auf diesem Felde der Kunst f ü r Dienste leistete,
wird erst die Nachwelt voll erkennen. Das zunächst Auffälligste an
Rheinbergers Lehrtätigkeit ist, daß er auf die Richtung seiner begabteren Schüler gar keinen E i n f l u ß geübt hat. E r gab keinem mit.
—
235 —
was ihn gehindert hätte, später seinen eigenen Pfad zu wandeln.
Alle aber, die bei ihm lernen wollten, machten hier eine Schule des
Handwerks durch, wie sie gründlicher nicht gedacht werden kann.
Humperdinck, Thuille und wie sie alle heißen, deren Namen K l a n g
und Ansehen besitzen, sie können bezeugen, was sie Rheinberger verdanken. Die Methode dieses großen Pädagogen war die einfachste
von der Welt, ihr Geheimnis das der mittelalterlichen B a u h ü t t e n ,
der großen Schulen der Renaissance: strenge Arbeit unter des M e i sters Augen. Welch eminenter Musiker dieser M a n n war, das können
in ganzer Fülle doch nur jene ermessen, die unter ihm an der berühmten und gefürchteten Tafel gearbeitet hatten. Die Rheinbergerliteratur ging auf diese hochwertige Betätigung des großen Mannes
bisher kaum ein.
Die absolute Lauterkeit und ehrfurchtgebietende Reinheit von
Rheinbergers Charakter hat sich auch beim Unterricht bewährt. Nie
habe ich in unseren Stunden nur ein einziges Wort aus seinem
Munde gegen jene sieghafte Kunst gehört, die ihm so herzlich unsympathisch war. Und das in den achtziger Jahren, da man noch um
Wagner kämpfte. S p ä t e r sagte mir Rheinberger gelegentlich einmal:
„Ich hätte manchen gerne gewarnt, aber ich hielt es f ü r meine
Pflicht, Euch gehen zu lassen." N u r einer köstlichen Inkonsequenz
erinnere ich mich. In einem Durchgangszimmer neben dem Unterrichtslokal (im Münchner Odeon) lagen 2 von den Schülern mitgebrachte Partituren auf einem Tisch. Oben der Lohengrin, unten
der Freischütz. Rheinberger warf im Weggehen einen Blick auf die
Bücher und zog dann mit bedeutungsvoller Geste, wie wenn er
sagen wollte: „ S o gehört sich's", den Freischütz hervor und legte
ihn oben auf.
Nun ist er von uns gegangen, der treue, hochverehrte, geliebte
Meister. München. Deutschland, die ganze musikalische Welt trauern
um einen großen Toten. In der Musikgeschichte aber wird sein Name
in Ehren weiterleben als der eines hochbegabten Komponisten,
eines genialen Lehrers, eines vornehmen, edlen Menschen.
— 237 —
Joseph Rheinbergers polyphone Klaviermusik
Von Professor August Schmid-Lindner
W a s nützen alle gutgemeinten Worte, wenn sie doch nicht gelesen werden? Denn wer wird eine Eedenkschrift f ü r den „altmodischen Formalisten" Rheinberger zur Hand nehmen? Außer den
wenigen Getreuen, welche sich persönlich verbunden fühlen, höchstens
das kleine Häuflein derer, welche, dem allgemeinen Vorurteil zum
Trotz, sich selbst ihr Urteil gebildet haben. Ihnen kann ich nichts
Neues sagen — sollte man meinen — indes vermute ich, es dennoch zu können. Denn wenn Rheinbergers Werk vergessen ist, so
ist es der T e i l seines Schaffens, den ich behandeln w i l l , ganz
besonders: er hat überhaupt niemals ein Leben geführt. Eher bekannt ist von des Meisters Klaviermusik dies und jenes, womit er
sich der Zeitmode anzupassen oder einen äußerlichen Virtuosenstil
zu entwickeln suchte; i n beidem taten es ihm sonst weit mindere
Geister zuvor. Sowie er aber, losgelöst von derartigen Beeinflussungen, f ü r sich allein seinen Weg sucht, so sind es wohl zumeist die
altehrwürdigen Formen der Polyphonie, welche ihn anziehen. Unter
ihren strengen Fesseln, welche anderen die Bewegungsfreiheit rauben würden, wandelt er frei und sicher, sein Ausdrucksvermögen
wächst und die herrlichsten Stimmungen blühen auf; ungerufen
erscheinen sie, vielleicht ihrem Schöpfer selbst unbewußt.
Um Rheinbergers inniges V e r h ä l t n i s zur polyphonen Kunst
zu verstehen, genügt ein Blick auf seinen Entwicklungsgang. V o n
der Orgel, die er schon mit 7 . Jahren spielt, kommt er her und
von der Kirchenmusik; und mag die seines Heimatstädtchens auch
auf bescheidener Stufe sich bewegt haben, immerhin sind es die
Formen der Polyphonie. welche dem Knaben von Jugend auf vertraut werden. Das Hausersche Konservatorium i n München, das ihn
alsbald aufnahm, stand damals, wie man kurzweg sagen kann, unter
dem Zeichen I. S . Bachs und die vortreffliche Schulung, welche dort
einem Kunstjünger zuteil wurde, könnte auch f ü r unsere heutigen
— 238 —
Unterrichtsanstalten vorbildlich sein. Kein Wunder, das; eine ungewöhnliche Begabung sich bei solcher Befruchtung alsbald zu einer
Beherrschung kontrapunktischer Formen ausreifen mußte, welche an
die Ausdrucksgewandtheit eines I. S. Bach hinanreicht. Diese Fertigkeit wurde ja unserm Meister wohl von keiner Seite abgestritten, nur daß sich mit der Formerfüllung auch hohe Ausdruckswerte
verbinden, traut man ihm nicht zu, denn er ist nun einmal als
trockener Akademiker „gestempelt". Soweit es nun im Rahmen
meines kleinen Artikels möglich ist, w i l l ich gerade auf diese verkannte Fähigkeit Rheinbergers, Stimmungen aufleben zu lassen,
hinweisen und sie durch Beispiele aus seiner polyphonen Klaviermusik, welche ohne Zweifel einen Höhepunkt seines Eesamtschaffens
bedeutet, belegen.
Im Alter von 23 Jahren schrieb er die erste Folge seiner K l a oierfugen „Sechs Tonstücke i n fugierter Form, op. 39", mit welcher
er, wie man wohl sagen kann, das erfüllte, was Robert Schumann
vorschwebte, da er an ähnliche Aufgaben herantrat. Denn auch er
hätte ein Thema, wie das. der 3. Fuge
aufstellen können und hätte die Stimmung, welche i n dieser eindringlichen Frage liegt und welche ihren Höhepunkt i m „unerbittlichen" Ausdruck des Orgelpunktes erreicht,
sicher ebenso meisterlich ausgemalt, aber die vollendete kontrapunktische Einkleidung als letzte Unterstützung des Gedankens konnte
— insbesondere i n den nächsten zu besprechenden Werken — nur
Rheinberger geben.
— 239
—
W a n n ward der Ausdruck des Schwebenden, des von aller E r denschwere Entrückten ein zweitesmal so überzeugend dargestellt als
im Thema der 4. Fuge,
wo die thematischen Noten das ganze Stück hindurch von den vorausgehenden guten Taktteilen sanft gestützt und leicht getragen
werden?
Und nun dasselbe S p i e l im folgenden Stück, wo jedoch der
S i n n ein anderer ist, denn hier drängen sich die synkopierten Noten
v o r die guten Taktteile (etwa wie i n Beethovens Sonate op. 31,1)
und erregen dadurch den Ausdruck gröszter Eigenwilligkeit; die guten
Taktteile, deren Fehlen beim ersten Auftreten des Themas
die rhythmische Bedeutung noch unverständlich läszt (eine auf Schumann hinweisende Erscheinung), haben M ü h e , die Ordnung herzustellen, dies besonders, wenn die Laune des Themas auch auf den
Orgelpunkt übergreift:
-
S o bleibt der Hörer das ganze Stück hindurch i m B a n n dieser
kapriziösen Erscheinung, welche sich i n den letzten Takten mit entzückender Anmut verabschiedet:
V e r b e s s e r u n g e n zu den N o t e n b e i s p i e l e n :
Beispiel 2: in den Takten 13 und 14 tiefste Note jedesmal s.
Beispiel 8: Takt 2. obere Stimme: Note c Viertel (statt Achtel); - ' .
Takt 5. dritte Stimme: letzte Note cl (statt K).
Beispiel 10: Takt 3, obere Stimme : erste und dritte Note nicht punktiert.
Beispiel 16: Takt 4, letzte Bafznote gii (statt K).
Beispiel 17: Takt 3, erste Note der oberen Stimme ss.
Nicht, als ob die übrigen 3 Stücke von op. 39 minderwertig
wären, sondern weil ich mir. nur gestatten kann, das Bemerkenswerteste herauszuheben, gehe ich auf die 2. Folge (6 Tonstücke i n
fugierter Form, op. 68) über, welche etwa 16 Jahre später erschien.
Eine sakrale Stimmung setzt schon mit dem Thema des
1. Stückes ein:
S i e steigert sich unter der meisterlichen Einfachheit des vierstimmigen Satzes und wird auch durch kontrapunktische Komplikationen
nicht gestört, welche ohne jede Aufdringlichkeit angewandt sind. Nach
dem feierlich ausströmenden Dominantorgelpunkt erscheint als
höchste Steigerung die gröszte Einfachheit,
und die letzten Takte verdämmern wie i n ausklingendem Orgelspiel.
Das Thema des 3. Stückes (l^-Moll),
vorerst nach 3 Tonarten zu deuten, löst die hiedurch verschleierte
Stimmung mit dem Bekenntnis zu seiner Haupttonart, i n welcher
es den Ausdruck schwermütiger Klage immer mehr steigert. Dem
versöhnlichen Übergang nach ^ s - D u r folgt ein 2. Thema i n dieser
Tonart.
Der Hörer wird hier getäuscht: Nicht die beredte Oberstimme,
sondern die kontrapunltierte, eher als Begleitung sich darstellende
Sechzehntelfigur ist das legitime Thema, das dem ersten bei dessen
Rückkehr zur Seite treten wird. Aber das Eröffnungsmotiv des
vermeintlichen Themas
gelangt weiterhin zur führenden Bedeutung; in stetem, sekundenweisem Abwärtsschreiten bildet es einen neuen Kontrapunkt zum
1. Thema, macht dessen tragischen Ausdruck noch sprechender und
scheint mit ihm allmählich in der Tiefe zu versinten.
Das Thema der 4. Fuge
und seine weitere Behandlung berührt wie frische Morgenstimmung, deren friedvolle Heiterkeit durch keinen Hauch getrübt wird.
Alle kontrapunktischen Ereignisse (Umtehrung, Vergrößerung) sind
so natürlich ins Ganze verwoben, daß sie f ü r sich keine Rolle spielen
und das Erundbild nicht einen Augenblick verändern.
Das Thema des 5. Stückes,
in der harmonisch-modulatorischen Bedeutung seiner ersten beiden
Takte wie ein „Verwandlungsmotiv" anmutend,
ist eher ernst gestimmt, das 2. Thema mit seinem weichen Tanzrhythmus leichtlebig und fröhlich;
in seiner Vereinigung mit dem ersten büßt es diesen Charakter ein.
Nur erwähnt sei noch das folgende ..Iagdstück" mit seinem
glänzenden „Orchesterstil", zu dessen restloser Bewältigung freilich
die virtuose Hand und der richtige Kops gehört.
— 242 —
E i n besonderes Kennzeichen dieser Fugen ist die Vielfältigkeit
der Erscheinungen i n Form und Ausdruck. Vergeblich würde man
nach einer Schablone suchen, stets ist man durch die Neuheit überrascht. Dies gilt freilich auch f ü r die übrigen Fugen und überhaupt
die kontrapunktischen Klavierwerke Rheinbergers. Ohne auf alles
einzugehen, w i l l ich nur die wichtigsten Erscheinungen daraus erwähnen. Eines der wenigen Werke, die öffentlich gespielt wurden
(von H. von Bülow — ihm gewidmet) ist die glänzend gearbeitete
Toccata op. 12. Nach einer Einleitung i n O-Dur scheint das den
Hauptsatz i n O - M o l l eröffnende Thema sich zur Fuge anzulassen.
Indes handelt es sich nur um Nachahmungen; sie durchziehen das
ganze Stück, welches eine A r t von Sonatenform darstellt.
E i n monumental angelegtes Fugenwerk (Präludium und Fuge
zum Konzertvortrag, op. 33) mutet an wie eine Huldigung vor dem
Genius Beethovens. Schon die einleitenden Klänge atmen dessen
Geist und der grandiose Aufbau der Fuge erinnert an das Finale
von Beethovens op. 106. E i n 2. und ein 3. Thema schaffen reiche
Gegensätzlichkeit und zum Schluß überrascht die seltene Erscheinung
einer Kadenz, bei deren technischen Schwierigkeiten — was kaum
gesagt zu werden braucht — jede Note organisch begründet ist.
Ebenfalls von virtuoser Neigung beherrscht, welche diesmal
vom einleitenden Satz ausgeht, ist die Fuge op. 42. Freilich sagt
schon deren Titel „Etüde und Fugato", worum es sich handelt. D a s
Passagenwerk der Etüde durchzieht das ganze Werk, es erscheint i n
der Fuge zwischensatzartig.
V o n besonderer Bedeutung ist die loccats op. 115, deren
Grundgedanke der des „Perpetuum mobile" ist. V o m Thema ausgehend arbeiten die Sechzehntel das ganze Stück hindurch, bald
unheimlich wie loderndes Feuer, bald eindringlich wie pochendes
Hämmern, bald i m Untergrund versunken wie leises Rauschen, um
neuen Gebilden den Vorrang zu lassen, welche i n stetem Wechsel
überraschen und gefangenhalten. D a s Ganze ist im Gewände des
echten Klavierstückes, dessen glänzende Wirkungen streng i m Organischen wurzeln. M i t welcher Begeisterung würden sich unsere Pianisten auf diese Werke stürzen — insbesondere die 3 letztgenannten
— wollten sie sich nur die M ü h e machen, sie anzusehen! A n durchschlagender Wirkungskraft wird Weniges i n der gesamten polyphonen Literatur ihnen gleichzustellen sein.
— 243 —
Über die Meisterschaft ihrer Faktur wäre freilich noch manches
zu sagen, aber es erübrigt sich, weil es bei Rheinberger selbstverständlich ist. Lieber w i l l ich von dem sprechen, was man von ihm
nicht erwartet, und so komme ich zum Schluß meiner Betrachtungen
noch auf 2 Köstlichkeiten, welche „zufällig" wiederum zur Fuge
geworden.
Das 1. Stück (3 Vortragsstücke, op. 66; daraus N r . 3 Fugato)
sein Thema mit akkordlicher Begleitung einführend,
mutet freilich nicht wie eine Fuge an, eher wie eine schwermütige
Volksweise. Dieser Charakter vermag sich auch durch allen Kontrapunkt nicht zu ändern, der weiterhin — freilich fast unspürbar —
einsetzt. Auch ein 2. Thema erscheint.
Mit seinem tröstlichen Ausdruck schafft es eine neue Stimmung,
welche sich dann auch dem Hauptthema mitteilt.
Dies jedoch nur vorübergehend. Getrennt von seinen Gefährten
bleibt das Hauptthema allein auf dem Plan und das B i l d verdämmert in schwermutsvoller Klage.
M i t der Fuge in 5 i s - M o l l (3 Klavierstücke, op. 78, daraus
Nr. 2 Fuge) entrollt sich das B i l d innerer Zufriedenheit und leicht
scherzhafter Behaglichkeit. Alles dies äußert sich schon in dem vielsagenden Thema
und wird durch die Gegensätze i n der Verarbeitung noch gesteigert
zum Ausdruck gebracht. E i n zweites Thema, welches mit seiner
schleichenden Chromatik einen gegensätzlichen Ton anschlägt,
führt ein Leben für sich. M i t dem Hauptthema tritt' e s ' e i n
einziges M a l zusammen; nicht als ob an seiner kontrapunktischen
Eignung — vom rein musikalischen Standpunkt gesehen — etwas
mangeln würde, sondern es soll offenbar der Grundgedanke des
behaglichen Humors durch die Schwüle der Chromatik weiterhin
nicht gestört werden. Also keineswegs um Ausnützung kontrapunktischer Möglichkeiten, sondern um Erfassung der Stimmung handelt
es sich f ü r ihn, den „Formalisten" Rheinberger.
Seine Musik kann man lurzweg mit zwei Attributen belegen:
„vorzüglich" und „unbekannt"; das erste ist ihre Tugend, das
zweite ihr Los. S o erkannte es schon vor Jahren jener Abenteurer,
der die närrische Idee hatte, Rheinbergersche Kompositionen Rots
für Note abzuschreiben und seinen Namen als den des Autors hinzusetzen. Wie wären die Triumphe, welche der junge M a n n ohnedies schon viele Monate hindurch — und zwar in einer Musikstadt
von Bedeutung! — feiern durfte, angewachsen, hätte er auch Rheinliergers polyphone Klaviermusik gekannt und benützt! Letzteres
wäre zweifellos geschehen, aber er kannte sie ja nicht, so wenig wie
jemand anderer in der Welt, und daran ist nur Rheinberger selbst
schuld, der als schlechter Sachwalter seines Werkes beinahe beispiellos in der Musikgeschichte dasteht. Nie sprach er über diese polyphonen Werke, auch nicht den leisesten Versuch, auf sie aufmerksam
zu machen, unternahm er. W a r es sein Heiligstes, was er f ü r sich
wahren wollte oder hielt er seine Zeit nicht f ü r fähig zur Aufnahme? Vielleicht wäre diese Befürchtung nicht unbegründet gewesen; aber die Zeiten haben sich gewandelt und die musikalische
Welt, welche inzwischen durch schlimme S ü m p f e zu waten hatte,
blickt heute sehnsüchtig nach den Quellen I . S. Bachs. S o mag auch
eine Kunst, welche in ihren innigen Beziehungen zu diesen Quellen
sich die Zeitlosigkeit sicherte, endlich zu ihrem Recht gelangen.
Vor kurzem führte ich auf Einladung der Münchner Universität
die oben besprochenen Werke und noch viele andere dem polyphonen
Schaffen Rheinbergers zugehörige (darunter auch die meisterlichen
Kanons op. 180 und 183) an 3 Abenden vor. Die Beteiligung war
bescheiden — wohl etwas beschämend f ü r die Rheinbergerstadt, f ü r
di, Musikstadt München. Aber der Kontakt mit dein kleinen Häuf-
— 245 —
lein, der Erschienenen war so innig, die Stimmung so gehoben, dah
man niemand vermihte und als höchste Befriedigung klang mir oft
die Versicherung ans Ohr, man hätte gerade dies von Rheinberger
nicht erwartet.
Ebenso fühle ich mich jetzt mit der kleinen Schar derer vereint,
welche sich vermutlich meine bescheidenen Zeilen vor Augen führen.
Sollten sie sich auch i n die beigefügten Notenzeichen vertieft haben,
dann sind sie sich wohl mit mir darüber einig geworden, dah „der
Kontrapunktmeister Rheinberger" stets an erster Stelle zu nennen
ist, kommt das Kapitel „die Polyphoniker der Romantik" zur
Sprache.
6. Verschiedenes
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Anekdoten
Rheinberger, die Arbeit eines Schülers prüfend, bemerkte:
„Diese Stelle des Hornsatzes klingt abscheulich!" Der Schüler, ganz
verwirrt, sagte schüchtern: „Aber, Herr Professor, sie soll auch nur
pianissimo geblasen werden." — „ D a s ist grad so", war die Antwort des Meisters, und ein feines Lächeln umspielte seinen M u n d ,
„wie wenn jemand beichten ginge und sagen würde: Hochwllrden,
ich habe gelogen, aber nur ganz — leise."
(Nach Professor Josef Renner jun.)
Rheinberger wollte sich über die künstlerische Befähigung seines
Neffen Egon, der einer Bildhauerklasse der Münchner Akademie
angehörte, informieren. A l s nach einer befriedigenden Auskunft der
betreffende Lehrer sich auch über das sonstige Verhalten seines
Schülers verbreiten wollte, verabschiedete sich Rheinberger mit verbindlichem Lächeln: Danke! Ich wollte n u r wissen, ob er Talent
hat.
(Nach Bildhauer Professor Heinrich Jobst.)
, 5 ck
— 250
—
Rheinbergers Wohltätigkeit
Bon Otto Feller
Über Rheinbergers grohe wohltätige Stiftungen wurde zu
Lebzeiten des Meisters und erst recht nach seinem Tode herzlich
wenig geredet und geschrieben. E s machte den Eindruck, als würden
sie mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hingenommen. Ich
glaube aber, dah diese Zurückhaltung von dem den mahgebenden
Persönlichkeiten gegenüber geäuherten Wunsche des Stifters bedingt
war.
Wie Rheinberger den stillen Garten der Wohltat i n seiner
Weise und im Sinne der Worte, deine Rechte soll nicht wissen was
deine Linke tut, pflegte, möchte ich durch folgende kleine Begebenheit zeigen.
Ich besuchte bereits ein paar Jahre die Königliche Musikschule
(jetzige Akademie der Tonkunst) i n München, an welcher Rheinberger als Lehrer f ü r Komposition wirkte. A m Anfang der 2. Hälfte
eines neuen Schuljahres erhielt ich vom Sekretariat der Anstalt die
Mitteilung, dah das Honorar f ü r mich bereits hinterlegt sei. Auch
im nachfolgenden Jahre wiederholte sich die Sache. Auf meine
Anfragen beim Sekretär wurde mir gesagt, dah der Name des
Spenders nicht genannt werden dürfe. Den Gönner i n meinem
Bekanntenkreis zu denken, war ausgeschlossen. N u n , ein junger
Mensch grübelt über solche Dinge, besonders wenn sie angenehm
sind, nicht lange. M a n freut sich höchstens, wenn es gut geht, darüber und geht zur Tagesordnung über.
Erst nach Jahren, als ich durch einen Zufall erfuhr, dah mein
Fall nicht vereinzelt dastand, wurde meine immer wieder und
stärker auftretende Vermutung mir zur Gewißheit, dah kein anderer
mein edler Wohltäter war, als der grohe und gütige Mensch J o seph R h e i n b e r g e r .
— 251 —
Rheinberger und Reger
Von Hans Walter Kaufmann
Joseph Rheinberger unterhielt viele Beziehungen zu berühmten Zeitgenossen. S o verband ihn herzliche Freundschaft mit J o hannes Brahms, Hans von Bülow, Franz von Holstein, August
Wilhelm Ambros, Robert Franz, C a r l Reinecke, Paul Heyse und
anderen. M i t vielen Musikern des In- und Auslandes stand er i n
regem Briefwechsel, unter andern mit Joachim Raff, Ferdinand
Hiller, K a r l Goldmark. Anton Rubinstein, Niels Eade, Theodor
Eouvy, Alexander Euilmant, Jgnaz Moscheles, J . E . Pasdelouv,
Ch. M . Widor. Durch seinen Unterricht kam er i n Verbindung mit
der jüngeren Generation.
Auch M a x R e g e r trat mit Rheinberger i n nähere Beziehung.
W e i l darüber mitunter unwahre Behauptungen aufgetaucht sind,
so ist es der M ü h e wert, diese an Hand sicherer Quellen und Tatsachen' zu widerlegen bzw. richtigzustellen.
Im Jahre 1889 stand M a x Reger vor der Entscheidung, ob er
zu seiner musikalischen Ausbildung das Konservatorium i n Sondershausen oder die Königliche Musikschule i n München wählen
solle. I n Sondershausen wirkte Dr. Hugo Riemann, dem er schon
zweimal Proben seines künstlerischen Schaffens zur Begutachtung
zugeschickt hatte und dessen Urteil günstig lautete und der sich
auch anerbot, Reger gern seine ganze Förderung angedeihen zu
lassen. D a aber zur Anstellung als Musiklehrer an einer höheren Schule i n Bayern ein i m eigenen Land erworbenes Zeugnis
nötig war. so trugen sich die Eltern Negers mit der Absicht, ihren
Sohn i n München ausbilden zu lassen. Reger bat Rheinberger
brieflich um die Bekanntgabe der Aufnahmebedingungen und sandte
1. Vier Briefe Negers an Rheinberger (Bayrische Staatsbibliothek,
München), Adelbert Lindner: M a x Reger (Engelhorns Nachfolger, Stuttgart), persönliche Mitteilungen von Herrn Adelbert Lindner, Weiden und
Herrn Professor Dr. K a r l Sträube, Leipzig.
—
252 —
gleichzeitig 2 eigene Werke ein: ein dreisätziges Streichquartett i n
O - M o l l (Uraufführung 10. Februar 1940) und ein großes I^rKv
für Violine und Klavier. Rheinberger antwortete: „Ihre Kompositionen, die hiermit zurückfolgen, habe ich durchgesehen und glaube
ich i n denselben trotz der Unreife genügendes Talent gefunden zu
haben, um sich der musikalischen Laufbahn zu widmen, obschon ich
keinesfalls eine Verantwortung hierfür übernehmen kann, was ich
für alle Fälle ausdrücklich bemerke. Wenn S i e gesonnen sind, Ihre
Studien (wenigstens 2 Jahre) an der Münchner Musikschule zu
machen, so melden Sie sich dort persönlich zur Prüfung am 16. September." Wer weih, wie Rheinberger mit jedem Lob sehr zurückhaltend war, besonders dann, wenn es um die Frage der Berufswahl ging, und nur selten zum Musikstudium riet, und daß damals
Reger selbst seine Unreife zugab, der kann nimmer behaupten,
Rheinberger habe Reger als unbegabt abgewiesen. D a aber R i e manns Urteil herzlicher, wohlwollender schien, entschied sich Reger
für diesen.
Reger schätzte Rheinberger stets hoch ein, wie aus seinen gelegentlichen Äußerungen und den nachfolgenden, bis heute unveröffentlichten Briefen hervorgeht, und Rheinberger suchte die Musik
Negers ehrlich und aufrichtig zu würdigen, wenn auch f ü r sein
Schaffen und sein Urteil eine andere A r t bestimmend war. Doch
war das Wesen beider Meister z u verschieden und ihre Lebenswege
getrennt, als daß sich ein tieferes V e r h ä l t n i s zueinander hätte
bilden können.
Reger trug sich mit dem Gedanken, Rheinberger als Zeichen
seiner Hochschätzung ein Orgelwerk zu widmen. Nach Adelbert Lindner soll zwar die Widmung auf besonderen Wunsch der Mutter
erfolgt sein und i n der Absicht, Rheinberger f ü r ihren Sohn, der
sich um eine Stelle an der Münchner Akademie bewerben wollte,
geneigter zu machen. In der Folge fand zwischen den Meistern ein
Briefwechsel statt. Rheinbergers Antwortschreiben sind leider nicht
mehr erhalten, ihr Inhalt kann teilweise aus den diesbezüglichen
Äußerungen Negers entnommen werden. Die Briefe Negers, welche
sich im Rheinbergerschen Nachlaß der Bayrischen Staatsbibliothek
befinden, lautend
2. Reger pflegte viel zu unterstreichen, was hier nicht wiedergegeben ist.
—
253 —
Weiden, 7, l . Z M "
Hochgeehrter Herr Eeheimrath!
Gestatte mir ergebenst, Ihnen mit diesem Briefe meine soeben
erschienene 1. Orgelsonate (l^is-Moll, op. 33) zu senden und Sie um
gütige Durchsicht dieses meines neuesten Verbrechens gegen Harmonie und Kontrapunkt etc. etc. zu bitten.
Gleichzeitig erlaube ich mir auch, Ihnen, hochverehrter Herr
Eeheimrath, meine aufrichtigste Bewunderung f ü r Ihre so grandiosen Orgelsonaten und anderen Orgelwerke zum Ausdruck zu
bringen mit der Versicherung, daß sich diese meine Bewunderung
selbstverständlich auch auf Ihre anderen Werte bezieht, mit welchen
Werken S i e die musikalische Welt in so selten reichem Maße beschenkt haben.
Um nun dieser Bewunderung auch einen sichtbaren Ausdruck
zu verleihen, möchte ich Ihnen, hochgeehrter Herr Eeheimrath,
gern eines meiner neuen Orgelwerke dedicieren. und gestatte mir
hiermit die ergebenste Anfrage, ob S i e die große Güte hätten, die
Dedikation eines neuen Orgelwerkes von mir entgegenzunehmen.
Das Werk würde ungefähr die Opuszahl 48 oder 49 bekommen;
zwei andere Orgelwerke, op. 49s und b, sind soeben in Stich erschienen bei Ios. A i b l Verlag in München.
M i t der ergebensten Bitte, die Orgelsonate op. 33 gütigst entgegennehmen und durchsehen zu wollen und um gütige Nachricht,
ob S i e gesonnen sind, die Dedikation eines neuen Orgelwerkes
entgegenzunehmen mit ganz vorzüglichster Hochachtung und Verehrung ergebenst
M . Reger.
Weiden, 12. J a n . 1900
Hochgeehrter Herr Eeheimrath!
Verbindlichsten Dank f ü r Ihren freundlichen B r i e f ; es freut
mich sehr, daß S i e die Dedikation eines größeren Orgelwerkes von
mir annehmen. Unterdessen habe ich Herrn Rob. Forberg gebeten,
Ihnen meine opers 27 und 29 zuzusenden und werden S i e selbe
schon erhalten haben; in diesen 2 Orgelwerken wie bei der bei A i b l
erschienenen Orgelphantasie über „Freu dich sehr, o meine Seele"
werden S i e finden, daß auch ich auf dem Standpunkt der wirklichen vier- oder fünfstimmigen Polyphonie (Bach!) stehe, und sind
—
254 —
meine demnächst ebenfalls bei A i b l erscheinenden 2 Orgelwerke
op. 40s und d (Phantasien über „Wie schön leuchtet uns der M o r genstern" und „ S t r a f mich nicht i n Deinem Zorn") wieder im S t y l
meiner opers 27, 29 etc.
Die Sonate op. 33 ist mehr ein romantischer Ausflug meinerseits und stehe ich vollkommen, was Orgelsachen anbelangt, auf den
Prinzipien, welche einem das Studium Bachs lehrt. Ich gestatte
mir, Ihnen mit diesem Briefe eine vierhändige Übertragung der
Bachschen Ii-Moll-Fuge und Präludium zu senden; aus dem inneren
Titel werden S i e ersehen, dasz schon eine ganze Reihe derartiger
vierhändiger Arrangements von mir erschienen sind; ebenfalls bei
Augener gab ich heraus Bachsche Orgelwerke für 2 Hände (Klavier)
übertragen (sehr schwer!). Augener hat noch einige vierhändige
Arrangements (Bach) im Manuskript von mir.
Das; meine Orgelsachen nicht leicht sind, das ist mir selbst schon
zur Überzeugung geworden; allein, ich denke, bei gründlichem S t u dium wird man die Schwierigkeiten schon überwinden können; ich
habe seit 6 Iahren keine Orgel mehr geübt und war letzten Herbst
doch imstande, meine Orgelphantasie op. 30 ohne Stockung zu spielen; da dürfte sich ein Berufsorganist doch dann noch leichter thun
als ich.
Außer verschiedenem anderen habe ich nun als op. 42 vier
Sonaten f ü r die Violine allein (ohne jede Begleitung) geschrieben
und werden die Sonaten ebenfalls bei A i b l erscheinen. Wenn S i e
es interessiert und S i e mir Ihre gütige Erlaubnis geben, werde ich
es mir zur Ehre rechnen, Ihnen nach Erscheinen der Sonaten ein
Exemplar zuzusenden.
Hoffentlich finden die von Herrn Forberg Ihnen gesandten Orgelwerke op. 27 und 29 Ihren B e i f a l l und würde es mich sehr
freuen, wenn S i e die große Güte hätten, mich mit einigen Zeilen
über meine opera 27 und 29 zu erfreuen. M i t der Bitte um gütige
Antwort und der Versicherung ganz vorzüglichster Hochachtung und
bestem Gruße ergebenster
MaxReger.
Aber, wie sollte ich denn Ihre Aussetzungen an meinem op. 33
übelnehmen! Das Werk ist sehr schwer richtig „genießbar" zu machen
und gehört sich schon ein sehr geistreicher Organist dazu. Darf ich
—
255 —
nochmals um gütige Antwort bitten! Verbindlichsten Dank i m voraus!
-X-
.Weiden, den 30. Sept. 1900
Hochgeehrter Herr Eeheimrath!
Anbei finden S i e die soeben erschienene und Ihnen dedicierte
Phantasie und Fuge über ö - ^ - O l l op. 46 f ü r Orgel. Nehmen S i e
bitte dies Exemplar freundlich entgegen.
Über das Werk selbst enthalte ich mich jeder Bemerkung; nur
betreff der Schwierigkeit gestatte ich mir zu bemerken, dah schon
vor einem Vierteljahr das Werk von einer schlecht geschriebenen
Abschrift mein Freund Herr K . S t r ä u b e i n Wesel i n einem seiner
Orgelconcerte spielte.
Eine Reihe von guten Organisten haben sich nun mit grohem
Eiser i n meine Orgelsachen „gestürzt" und die meisten derselben
auch schon öffentlich gespielt, dazu sogar noch auf Orgeln, die nicht
einmal „modern" (mit allen Hilfsmitteln ausgestattet) waren.
I m Falle ich . diesen Winter nach München kommen sollte,
werde ich mir erlauben, Ihnen meinen Besuch zu machen, doch
werde ich mir gestatten, S i e s. Z . noch genauer zu benachrichtigen,
damit ich S i e nicht zu recht ungünstiger Zeit gerade belästige.
M i t der Bitte, die Dedikation so aufzunehmen, wie sie gemeint
ist, als ein kleines Zeichen meiner aufrichtigsten und besonderen
Verehrung und die Bitte, mich zu benachrichtigen, ob alles richtig
i n I h r e n Besitz kam, I h r mit vorzüglichster Hochachtung und Verehrung und besten Erühen ergebenster
Max Reger.
Weiden. 23. II. 1901
Hochgeehrter Herr Eeheimrath!
A m Dienstag. 5. M ä r z , wird der ausgezeichnete Orgelvirtuose
K a r l S t r ä u b e i m grohen Kaimsaal ein Orgelkonzert veranstalten,
i n dem er nur Werke aus meiner Feder zum Vortrag bringen w i r d ;
das Programm wird meine opers 33, 40II, 27, 46 und 401 umfassen; ich lege diesem Brief ein Verzeichnis bei, aus dem S i e das
Nähere über diese opers (rot unterstrichen) ersehen! D a Herr
S t r ä u b e als vierte Nummer des Programms die Ihnen dedicierte
Phantasie und Fuge über L - ^ - O H (op. 46) spielen wird, so dürfte
-
256 —
das Konzert für S i e doch nicht so ganz uninteressant sein, und gestatte ich mir jetzt schon, S i e ebenso freundlich als höflich zu diesem
Orgelconcerte einzuladen und S i e zu bitten, dem ganzen Programm
beizuwohnen, was mich sehr freuen würde! E s ist verständlich, daß
ich Sorge dafür tragen werde, dah Ihnen ein Billet zugesandt wird.
M i t der nochmaligen Bitte, dem Konzert freundlichst beiwohnen zu wollen
I h r mit vorzüglichster Hochachtung ergebenster
M a x Reger.
Reger suchte Rheinberger auch zweimal persönlich auf. Beim
-.weiten Besuch im Herbst 1901 soll Rheinberger über das ihm zugeeignete Werk bitter geurteilt haben. Wenn man bedenkt, daß
damals der Meister schon schwer erkrankt und seinem Ende nahe
war, so verliert die Äußerung an Bitterkeit und Schärfe. Vielmehr
sei auf den Brief verwiesen, den der alternde Meister nach der
ergangenen Widmung im Jahre 1900 an Reger schrieb-, der „einen
freundlichen Dank sür die Widmung, eine sehr anerkennende, lobende (Vergleich mit Robert Schumanns .Sechs Fugen über
ö - ^ - L - t ^ ) Zustimmung zur Fuge des 46. Werkes und eine zurückhaltende, vorsichtig formulierte Bemerkung, zur Phantasie enthielt.
Beides sprach f ü r die Aufrichtigkeit im Urteil des verehrungswürdigen Briefschreibers."
3. Nach Professor K . Sträube.
— 257 —
D i r ^Rheinberger Chorvereinigung"
in München
Von ihrem derzeitigen Chormeistcr L-?. Hanns Ritt
In München, der ailen vielgerühmten Stadt der Kunst, hat
Joseph Rheinberger schon als Knabe die S t ä t t e des Lernens gefunden, die für ihn aber bald durch sein eminentes Können zur
S t ä t t e des Lehrens wurde. Dasz München zu Ende des vorigen
Jahrhunderts von kunstbegeisterten und kunstbegierigen Menschen
aus aller Welt besucht und zur S t ä t t e des Weiterbiloens wurde,
verdankte sie den groszen Meistern, die damals in ihren M a u e r n
wirkten.
Unzweifelhaft war auf dem Gebiete der Musik Joseph Rheinberger einer der größten, wenn nicht überhaupt der größte Lehrmeister an der Akademie. In aller Welt verstreut sind heute, sofern
sie noch am Leben sind, seine Schüler.
Daß man heute i n der musikalischen Welt die Werke Rheinbergers, von denen er der Nachwelt einen so übergroßen Reichtum
zurückgelassen hat, so selten mehr auf den Konzertprogrammen
findet — abgesehen von seinen kirchenmusikalischen Werken, die man
ja allsonntäglich i n irgend einer Kirche hören kann —, dürfte seinen
Grund — wenn man dafür überhaupt einen stichhaltigen Grund
finden kann! — nur darin haben, daß der heutigen modernen musikalischen Richtung die strenge Wesensart der Kompositionen Rheinbergers leider allzu fremd geworden ist.
A u s musikalischen, kunstbegeisterten Leuten hat sich i n M ü n chen kurz nach dem Weltkriege die „Rheinberger-Chorvereinigung"
gegründet, die es sich zur besonderen Aufgabe stellte, die Werke des
Meisters der Vergangenheit zu entreißen und sie im Konzertsaal
der Nachwelt vorzuführen, um so das Andenken Rheinbergers i n
der Stadt seines Schaffens, seines Lebens und Sterbens stets hochzuhalten. Die „Rheinberger-Chorvereinigung" unter Leitung ihres
derzeitigen Chormeisters Dr. Hanns R i t t veranstaltet alljährlich
— 258 —
in einem der Konzertsäle Münchens ein Chorkonzert und bringt
dabei fast ausschließlich die weltliche Chorliteratur Rheinbergers
zu Gehör. Die Q u a l i t ä t und Stärke des Vereines, sowie seine
Musikalität, bürgen f ü r einwandfreie Aufführungen, die denn auch
jederzeit die Anerkennung der Presse gefunden haben. Zu des M e i sters 199. Geburtstag gab die „Rheinberger-Chorvereinigung" am
19. M ä r z i m Odeon ein Konzert unter Mitwirkung des Orchesters
der Bayrischen Staatstheater und führte hiebet das neben „Wallenstein" wohl als das größte zu bezeichnende Chorwerk „Christophorus" auf, das die ganze Kunst des Komponisten Rheinberger
in herrlichster Pracht zur Entfaltung kommen ließ, die S ä n g e r i n n e n
und S ä n g e r aber zusammen mit dem Orchester zu größter Entfaltung mitriß. W i e mag wohl dem Meister selbst zu Mute gewesen
sein, als er unter eigener Leitung das Werk an der S t ä t t e seines
Wirkens aus der Taufe hob, zu dem doch seine Gattin, wie zu
vielen anderen Werken, den Text selbst gedichtet hatte?
So hat die „Rheinberger-Chorvereinigung" i n München den
ldv. Geburtstag ihres Meisters gefeiert, so wird sie aber auch in
den kommenden Iahren ihre höchste Aufgabe i n der restlosen Ausschöpfung seiner Werke erblicken.
— 259 —
Joseph
Rheinberger
und das Bonner Beethoven-Haus
Von Unioersitätsprofessor Dr. Ludwig Schiedermair
E s ist in musikalischen Kreisen heute allgemein bekannt, dah im
Jahre 1889 einige von starkem Kulturbewuhtsein erfüllte M ä n n e r
.Beethovens Geburtshaus durch opferbereite Privatinitiative vor
dem drohenden Untergang retteten und gleichzeitig zur G r ü n d u n g
des Vereins Beethoven-Haus Bonn schritten. W a s seitdem während
eines halben Jahrhunderts durch die ursprüngliche Gestaltung von
Beethovens Geburtshaus und unter Heranziehung der anliegenden
Eebäulichkeiten durch die Errichtung des einzigartigen BeethovenMuseums sowie des wissenschaftlichen Forschungsinstituts Beethoven-Archiv, ferner nicht zuletzt auch durch die alle 2 Jahre veranstalteten bisher 21 Kammermusikfeste geleistet worden ist, hat die
dankbare Anerkennung der ganzen Kulturwelt gefunden. A u s kleinen Anfängen heraus erwachsen, hat dieses Unternehmen eine
fruchtbare kulturelle Mission tatkräftig erfüllt, ist zum Vorbild und
Anreger ähnlicher Erinnerungsorte und Institute geworden und hat
schließlich auch der Beethoven-Forschung eine zentrale Heimstätte
bereitet.
Im Zusammenhang mit den Bonner Kammermusikfesten, die
schon bald die Aufmerksamkeit des In- und Auslandes auf sich
lenkten, stieg bei den leitenden Persönlichkeiten des BeethovenHauses der Gedanke auf, auch der lebenden Generation schöpferischer
Musiker zur Aufführung neuer Kammermusikwerke zu verhelfen.
M a n wurde sich der Verpflichtung bewuht, nicht nur das reiche Erbe
Veethovenscher Kunst zu pflegen, sondern auch f ü r den musikalischen
Nachwuchs zu sorgen und i m Sinne des großen Meisters jüngeren
produktiven Künstlern wenigstens die äußeren Hemmnisse aus dem
Wege zu räumen. S o kam es zu dem Beschluß, ein Preisausschreiben f ü r „ein Werk ausschließlich f ü r Streichinstrumente", ferner f ü r
— 260 —
„ein Werk für Streichinstrumente und K l a v i e r " sowie „ein W e r !
für Vlasinstrumente allein oder für Blasinstrumente im Verein
mit Klavier und Streichinstrumenten" i n die Wege zu leiten. I m merhin recht ansehnliche Honorare waren hierfür bereitgestellt, die
aus Überschüssen der Bonner Kammermusikfeste zur Verfügung
standen. I m J u l i 1897 wurde die „Preisausschreibung" veröffentlicht und im November des folgenden Jahres eine solche f ü r „ein
Werk f ü r Blasinstrumente" wiederholt, da von den bisher eingereichten Werken dieser Gattung keinem ein P r e i s zuerkannt werden
konnte. Angesichts der zweifelhaften Erfolge damals üblicher Preisausschreiben, die wohl durch den glücklichen Ausgang der M a i l ä n d e r
8on?vKN0-Opernkonkurrenz von 1890 angeregt waren, mochte ein
weiteres Preisausschreiben mancherlei Bedenken hervorrufen, allein
bei der Beschränkung auf reine Kammermusik durfte die Beteiligung ernster Musiker schon erwartet werden.
Bevor das Preisausschreiben des Beethoven-Hauses zur Veröffentlichung gelangte, bereitete zunächst die W a h l der Preisrichter
einige Schwierigkeiten. Schließlich einigte sich die Leitung des Beethoven-Hauses auf folgende Persönlichkeiten: Josef Joachim, Heinrich von Herzogenberg, J o s e p h v o n R h e i n b e r g e r , C a r l
Reinecke, Eusebius Mandyczewskr) und Leonhard Wolfs.
I m Preisrichterkollegium treffen wir demnach hier Rheinberger,
der damals am Ende eines an künstlerischen Erfolgen und äußeren
Ehren reichen Lebens stand. Seine zahlreichen Werke waren auch
jetzt i n einer Zeit, in der sich neue musikalische S t r ö m u n g e n durchzusetzen begannen, nicht vergessen, der Bayrische Staat verlieh ihm
die höchsten Auszeichnungen, die er zu vergeben hatte. Nach wie
vor besaß er die Sympathie zahlreicher Schüler, die aus allen Ländern zu ihm nach München strömten und, mochten sie teilweise auch
neuen Zielen folgen, i n ihm den Meister kontrapunktischer Kunst
verehrten. Gemeinsam vor allem mit Herzogenberg, Reinecke und
Mandyczewski war ihm nun das Richteramt f ü r neue Kammermusik anvertraut, und damit die P r ü f u n g der eingereichten Arneien Künstlern zugewiesen, die sich bereitwillig zur Verfügung stelle n und ihren gerade im Hinblick auf die Kammermusik nicht
leichten Aufgaben gewachsen waren. Es. ist immerhin von Interesse,
ms den bisher unbekannten Akten des Beethoven-Hauses gerade
Äb>nnverger als Preisrichter zu verfolgen und damit einen PUck
—
261
—
in eine Tätigkeit des Meisters zu tun, die sich abseits der breiten
Öffentlichkeit vollzog.
A m 26. J u n i 1897 trifft aus München Rheinbergers Zusage
ein, als Preisrichter mitzuwirken:
„Ihrer freundlichen Einladung folgend, bin ich gerne bereit, an
dem Preisrichteramte theilzunehmen, insoferne dasselbe nur schriftliche
Mitwirkung (keine Reise) bedingt."
Nun wurden ihm die umfangreichen Pakete und Kisten der
eingesandten Kompositionen zugeschickt, und nach einer geschäftlichen
Korrespondenz ist er bereits am 26. Februar 1898 i n seiner eine
Unsumme von selbstloser Arbeit erfordernden Durchsicht soweit fortgeschritten, dasz er kurz melden kann:
„In die engere Wahl könnten kommen: Nr. 8 (Motto: „Unverdrossen") Nonett. / Nr. 15 (Motto: „Nimm ernst die K u n s t " ) Quintett,
ein in allen 4 Sätzen preiswürdiges Werk. / Nr. 20 ,Su5tsls sl vio°ols")
Streichsextett. (Alles andere minderwerthig, z.T. schlecht.) Nach meiner
Ansicht kommt Nr. 15 in die engste Wahl."
Auch als das Preisausschreiben ein J a h r später fortgesetzt
wird, ist Rheinberger nach wie vor mit lebhaftem Interesse bei der
Durchsicht. S o wenn er am 14. September 1899 aus München berichtet:
„Nach meiner Ansicht verdient von den fünf vorliegenden Arbeiten
nur das mit dem Motto: „Wer wagt, gewinnt" versehene Sextett insofern Berücksichtigung, als es zum zweiten Preis (1000 M.) vorgeschlagen
werden könnte. Dasselbe ist im ersten Satz sehr gut — im zweiten und
dritten etwas schwächer an Erfindung, während der letzte Satzsichwieder
hebt. Für Gewährung des ersten Preises ist es nicht bedeutend genug.
— Die Clarinett-Sonate und das Trio für engl. Horn, Clar. und Fagott
sind gar zu harmlos und wenigsagend. — Die beiden Quintette i n v sind
zerfahren, styllos, zum Theil unklar und höchst unschön — nicht entfernt
den Ansprüchen genügend, die man a n gute Kammermusik zu machen berechtigt ist. — Dies mein Urteil nach bestem Wissen und Gewissen."
Schon aus diesen wenigen knappen Briefäußerungen ist ersichtlich, wie ernst Rheinberger sein Preisrichteramt nahm, und dasz er
keine M ü h e scheute, i n kurzer Zeit bei dem ersten Ausschreiben nicht
weniger als 111 und bei dem zweiten 24 eingesandte Manuskripte
sorgfältig zu studieren. M i t seiner vorsichtigen Beurteilung drang
er freilich nicht völlig durch. Gewiß erhielt schließlich das Streichquintett mit dem Motto: „Nimm ernst die Kunst", als dessen Komponist sich Wilhelm Berger ergab, den 1. Preis, allein das Nonett
mit dem Motto: „Unverdrossen" und das Sextett „Wer wagt, gewinnt", deren Komponist Bernhard Scholz war, sowie das Streich1 5
— 262 —
sextett mit dem Motto: „Qu8tsw et videts" von Eduard Lerch
gingen leer aus. Dagegen wurde ein Klavierquartett mit dem
Motto: „ X — ? " von Bernhard Scholz mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Und beim 2. Preisausschreiben wurde überhaupt keinem
Einsender ein Preis zuerkannt.
Wenn wir heute die bisher unbekannten Namen all der damaligen Einsender von Manuskripten an uns vorüberziehen lassen, so
müssen wir sagen, daß sie meist längst der Vergessenheit anheimgefallen sind, daß unter ihnen sich nicht wenige befanden, denen
das Gebiet der Kammermusik fern lag oder die nicht die nötige
handwerkliche Schulung besaßen. W i r stoßen jedoch auch auf junge
Komponisten wie Waldemar von Baußnern, Georg Schumann,
Felix Woyrsch, deren Namen bereits etwas galten und die vielleicht
deshalb damals noch nicht recht gewürdigt wurden, weil sie der
Richtung der Preisrichter ferner standen. Nebenbei darf i n diesem
Zusammenhang erwähnt werden, daß sich damals auch Franz Lehär
um die Bedingungen des Preisausschreibens genau erkundigte.
E s mochte für Rheinberger, der selbst als hervorragender Komponist von Kammermusik hervorgetreten war, gewiß betrüblich sein,
daß das Bonner Preisausschreiben keinen stärkeren Erfolg zeitigte
und sich nicht Werke von überragender Bedeutung zum Leistungswettstreit gestellt hatten. Aber trotz der i n vielen Fällen vergeblichen Mühen empfand er auch als Preisrichter keinen Augenblick
Unbehagen, daß er sich i n den Dienst der produktiven Jugend gestellt hatte, f ü r die stets sein Herz schlug, mochte, sie auch teilweise
noch nicht jene handwerkliche und künstlerische Reife erlangt haben,
durch die nach seiner Anschauung ein lebendiges Kunstwerk nur
entstehen konnte.
— 263 —
Lebensdaten der Mitarbeiter
Verwald, William, geboren 26, Dezember, 1864 in Schwerin, studierte Komposition bei Rheinberger 1883/87 und bei Faist 1887/88. 1890 Direktor
der Philharmonischen Eesellschast in Libau, Rußland, seit 1892 Leiter
der Thcorieklassen der Universität Syracuse, New-?>ork. Preisträger
für ein Klavierquintett und Inhaber der Clemon-Medal im AnthemWeilbewerb. Werke! Kantaten: „Die letzten Worte Christi", „Kreuzigung und Auferstehung": Dramatische Ouvertüre, Waltari-Ouoertüre:
Sonate sür Violine und Klavier, Lieder, Klavierstücke.
Blum, Georg, geboren 26. Februar 1855 in Doos-Nürnberg, Schüler der Akademie der Tonkunst in München (Rheinberger, Thuille), wirkte als
Musikpädagoge, Solist und Liedbegleiter in Nürnberg, Gründer eines
Klavierquartetts, Komponist von Singspielen (vielfach nach eigenen
Dichtungen), Chören, Liedern, Orchester-, Kammermusik, Klavierstücken;
starb am 26. August 1939 in Nürnberg.
Döbereiner, Christian, geboren 2. April 1871 in Wunsiedel (bayrisches Fichtelgebirge), 1889—1895 Schüler der Akademie der Tonkunst in München
(Rheinberger, Thuille), 1897/98 Lehrer am Konservatorium in Athen,
1899 Mitglied des Königlichen Hoforchesters zu München, Eambasolist,
Dirigent, Führer eines Trios, Konzertreisen. E r machte sich verdient
durch die Wiederbelebung alter Musik: Verfasser einer gerühmten Schule
für Viois cls Qsmos, Bearbeiter und Herausgeber alter Gamben- sowie
Kammermusik,
Egli, Zakob, geboren 31, März 1876 in Fischenthal (Kanton Zürich), Ausbildung am Konservatorium Zürich (Fr. Hegar, Lothar Kempter, Joh,
Luz) und an der Akademie der Tonkunst in München (Rheinberger), seit
1897 Organist in Wald bei Zürich, Konzertorganist, Musikdirektor, M u sikschriftsteller. Chöre. Lieder, Werke für Blasmusik.
Feller, Otto, geboren 18. November 1876 in München, Schüler Rheinbergers
(Komposition), Josef Werners (Violoncello) und Ludwig Abels (Direktion), Cellist im Königlichen Hoforchester in München, Chordirektor.
Orchesterwerke, Liederzyklen, Chorkompositionen.
Fischer, Franz, geboren 28. November 1900 in Prag als Sohn Schweizer Eltern,
besuchte die Kunstgewerbeschule in Zürich, die Königliche Kunstakademie
in Rom (Meistertlasse), längerer Aufenthalt in Paris, verschiedene Auslandsreisen, erhielt dreimal das Eidgenössische Vundesstipendium für
Plastik, Schöpfer des Rheinberger-Ehrenmals.
Furtwiingler, Wilhelm, geboren 25. Januar 1886 in Berlin, wuchs in München
aus, wo er bei A . Beer-Walbrunn, Rheinberger und Schillings studierte,
Chorrepetitor unter M o t t l , Dirigent in Zürich, Straßburg, Lübeck, Mannheim, Wien, Berlin, dirigiert seit. 1922 die Berliner Philharmonischen
Konzerte und war bis 1928 Direktor des Leipziger Gewandhauses. Aus-
—
264 —
lcmdsreisen, 1327
pbi>. K. c. Heidelberg, seit 192g in Berlin ansässig,
1931 musikalischer Oberleiter in Bayreuth, hervorragendster deutscher
Dirigent.
Hild, Georg, geboren 9. Februar 1878 in Lichtenfels am M a i n , 1899—1901
Schüler Rheinbergers, Theatertapellmeister in Landshut, Passau, Liegnitz und Lübeck, 1903 musikalischer Leiter einer Operntournee in Schweden
und Norwegen, 1905 stellvertretender Lehrer f ü r Musiktheorie an der
Akademie der Tonkunst in München, sodann städtischer Musiklehrer und
Chordirigent in Pfaffenhofen am J l m , 1906—1931 Chordirektor in M ü n chen, Dirigent, Musiklehrer (Studienrat). Werke: Lieder, Chorwerke,
Messen, sinfonische Ouvertüren, Orchestermusiken zu zahlreichen Kulturfilmen.
Homer, Sidney, geboren 1864 in der Nähe von Boston, UniversitLtsstudien in
London, Musikstudien in Leipzig und München (Rheinberger), Vermählung mit der Sängerin Luise Beaty, lebt in .^omilsno" bei Boston, veröffentlichte 1939
Wils sncl I'.
Kahn, Robert, geboren 21. J u l i 1865 zu Mannheim, dort Schüler von Vinzenz
Lachner, K i e l in Berlin, Rheinberger in München, lebte im Umgang mit
Vrahms in Wien, dann mit Joachim in Berlin, wurde 1897 Kompositionslehrer cm der Berliner Hochschule (1903 Professor), 1917 Mitglied
der Akademie der. Künste, seit 1931 im Ruhestand in Feldberg (Mecklenburg). Werke: Kammermusik, Klavierstücke, Chorwerke, Lieder.
Kaufmann, Hans Walter, geboren 27. Dezember 1910 in Vaduz (Liechtenstein),
absolvierte das Lehrerseminar in Feldkirch (Vorarlberg), Musikstudien
an der Staatsatademie f ü r Musik und darstellende Kunst (Abteilung
Kirchenmusik) in Wien, im Lehramte tätig (Schellenberg, Liechtenstein),
Musikschriftsteller.
Kircher, Felix, geboren 18. A p r i l 1874 in L a u i n g M an der Donau, absolvierte
das Lehrerseminar Lauingen, Schulgehilfe, nebenbei Musikstudien an
der Musikschule Augsburg, dann an der Akademie der Tonkunst in M ü n chen, Lehrer am Konservatorium Königsberg, 1902—1909 am Konservatorium Steinamänger, dann in Dornbirn und Feldkirch (Vorarlberg),
1922 Studienassessor in Schweinfurt am M a i n , ab 1923 Studienrat in
Amberg.
Meister, Cafimir, geboren 1869 in Solothurn, Eymnasialstudien in Einsiedeln,
dann Musikstudien in Lausanne, München bei Rheinberger und P a r i s
bei Theodor Dubois. A l s städtischer Musikdirektor 2 Jahre in Bulle,
4 Jahre in Elarus, seit 1898 in Solothurn (Dirigent, Gesanglehrer), seit
1922 Domchordirektor, eidgenössischer Kampfrichter, Komponist zahlreicher
Chorlieder, katholischer Kirchenmusik und weltlicher Chorgesänge.
Neal, Heinrich, geboren 8. September 1870 zu München, studierte dort bei
Rheinberger und in Dresden bei Draeseke, seit 1894 als Kompositionslehrer in Heidelberg: starb daselbst am 9. J u n i 1940. Werke: Klavierund Orgelstücke, Kammermusik, Lieder und Chorwerke.
Pembaur, K a r l M a r i a , geboren 24. August 1876 zu Innsbruck, dort und in
München (Rheinberger) ausgebildet, lebte seit 1901 in Dresden (Hoforganist und Solorepetitor, 1908 königlicher Musikdirektor, 1913 Dirigent
der Hofmusik und des Staatsopernchors, leitete auch zeitweise die Lieder-
— 263 —
tafel und die Schumannsche Singakademie, Gründer des Dresdner S i n fonieorchesters), wo er am 6. März 1933 starb. E r schrieb mehrere Messen,
Männerchöre, Schauspielmusiken, Kammermusik, 1 Singspiel, 10ratorium
«In vitsm ssternsm» und Lieder.
Petzet, Walter, geboren 19. Oktober 1866 in Breslau, Schüler Rheinbergers,
L. Abels, Eiehrls und Blllows, Klavieroirtuose, lehrte 1887—1836 an
amerikanischen Konservatorien, dann in Helsingfors, Karlsruhe (1363
Professor), Weimar, Berlin (daneben Stettin und Beuthen), seit 1916
in Dresden, begründete da das Seminar für Musiklehrer. Auch Musitschriststeller. Werke: Oper, sinfonische Dichtungen, 2 Klavierkonzerte,
Ouvertüren, Kammermusik, Klavierstücke, Chöre, Lieder.
Renner, Josef, junior, geboren 17. Februar 1863 zu Regensburg, Schüler
Rheinbergers, Chorregent i n Bludenz, seit 1893 Domorganist, seit 1896
Orgellehrer an der Kirchenmusikschule zu Regensburg, 1912 Professor;
starb daselbst am 17. J u l i 1934. E r schrieb Messen. Requiems, Chöre,
Orgelwerke, Herausgeber von 5 Messen und 1 Requiem von Rheinberger, über die er auch im Kirchenmusik-Jahrbuch 1369 berichtete.
Rheinberger, Rudolf, geboren 10. A p r i l 1917, Großneffe Joseph Rheinbergers,
besuchte als Studierender der Medizin die Universitäten zu Tübingen,
Königsberg und München.
Ritt, Hans, 0r. ju?., seit 20 Jahren als Chorleiter und Orchesterdirigent in
München tätig, seit 8 Jahren Dirigent der „Rheinberger Chorvereinigung München", pflegt besonders die Chorliteratur Rheinbergers.
Rupp, Emile, geboren 24. J u l i 1872 in,Ottoschwanden im Schwarzwald als
Sohn elsiissischer Eltern, besuchte nach Beendigung der humanistischen
Studien die Konservatorien in Straßburg und München (Rheinberger),
bildete sich weiter bei Charles Marie Widor in Paris, seit 1897 Organist
in Straßburg, Konzertreisen, verschiedene Auszeichnungen. Gemeinsammit Albert Schweitzer gründete er die „elsiissische Schule" der Orgelbaukunst. Mehrere musikwissenschaftliche Veröffentlichungen, darunter besonders „Die Entwicklungsgeschichte der Orgelbaukunst" (1929, BenzigerEinsiedeln).
Sandberger, Adolf, geboren 19. Dezember 1864 zu Wllrzburg, studierte Komposition 1881—1887 an den königlichen Musikschulen dort und in M ü n chen, seit 1883 in München und Berlin Musikwissenschaft, 1889 Vorstand
der Musikabteilung der Staatsbibliothek München, wurde Professor und
Eeheimrat. E r schrieb Opern, Lieder, Klavierstücke, Chorwerke, Kammermusik, Orchesterwerke, veröffentlichte eine große Anzahl musikwissenschaftlicher Abhandlungen.
Schiedermair, Ludwig, geboren 7. Dezember 1876 in Regensburg, Schüler von
Sandberger und A . Beer-Walbrunn in München, 1991 l>. pl>i>., studierte
nochmals bei Riemann und Kretzschmar, 1906 Privatdozent der Musikwissenschaft in Marburg, seit 1912 an der Universität Bonn (Professor,
Seminardirektor, Leiter des Beethooenhauses). E r komponierte eine
Oper und Lieder, veröffentlichte musikwissenschaftliche Werke.
Schmid, Heinrich Kaspar, geboren 11. September 1874 zu Landau an der Isar,
sang 1884—1889 als Rege^sburger Domspatz unter I . Mitterer, war
1899—1903 Schüler von Thuille und anderen (Münchener Akademie),
1 5 5
— 266 —
dann Lehrer am Odeon zu Athen, seit 1965 wieder in München (Lehrer
an der Akademie, l9Ig Professor), wurde 1921 Direktor des Karlsruher
Konservatoriums, 1924—1932 des Augsburger Konservatoriums, seit
1933 erster Vorsitzender des Münchner Tonkunstlervereins, seit 1934
Reichsleiter der Fachgruppe Musik-Erzieher im N S , Lehrerbund. Werke!
Lieder, Chöre, Kammermusik, Klavierstücke, Messen.
Schmid, Zoses, geboren 3». August 1868 in München, Schüler Rheinbergers.
reiche Konzerttätigkeil, seit 1961 Domorganist in München, 1911 gründete
er die Madrigal-Vereinigung, 1918 königlicher Musikdirektor, Dirigent
verschiedener Chöre. Werke! Lieder, Chöre, 2 Opern, 1 Mysterienspiel,
Werke für Klavier, Orgel, Harfe, Kammermusik, 2 Orchestermessen, 3 Is
vsum, 5>obs> /^sls? sür S o l i , großes Orchester und Orgel, 6 Improvisationen zu Dantes Lomsciis, für S o l i , großen Chor, Orchester und Orgel.
Schmid-Lindner, August, geboren 15. J u l i 1886 zu Augsburg, studierte 1886
bis 1896 bei Buszmeyer und Rheinberger und bei Sophie Menter, 1893
bis 1936 Klaviermeister (1963 Professor) an der Münchner Akademie der
Tonkunst, Konzertreisen nach Frankreich, England, der Schweiz, Italien,
Norwegen, tresflichcr Kammcrmusikspieler, Forscher nach alter, unbekannter Musik, Herausgeber der Klavierwerke Bachs und Liszts, setzte
sich besonders für das Schaffen M a x Negers ein.
Sieben, Wilhelm, geboren 29. A p r i l 1881 zu Landau (Pfalz), studierte bei
Rheinberger und Thuille Theorie, bei Seocik und Berber Violine und
wurde hierfür 1995 Lehrer^ 1916 Professor an der Akademie der Tonkunst in München; 1918 ging er als Dirigent der Sinfoniekonzerte und
Singakademie nach Königsberg, ist seil 1926 in Dortmund städtischer
Musikdirektor, seit 1927 auch Obcrleiter der Oper, nachdem er 1925/26 in
Stockholm Sinfoniekonzertc dirigiert hatte.
Trunk, Richard, geboren 16. Februar 1879 in Tauberbischofsheim, studierte bei
I . Knorr, 1896—1899 bei Rheinberger. Musikkritiker, dirigierte die
Münchner BürgersLngerzunft und den Volkschor Union, leitete 1912 bis
1914 den New?>orker Gesangverein Arion, war seit 1925 Mitdirigent
der Rheinischen Musikschule in Köln, Leiter des Hochschulchors und des
Kölner Männergesangvereins (1927 Professor) und wurde 1934 P r ä s i dent der Akademie der Tonkunst in München. Werke i Chorwerke, Lieder,
Kammermusik, 1 Operette.
Vogler, Carl, geboren 26. Februar 1874 in Oberrohrdorf (Aargau), 1891 bis
1893 Musikstudien bei F . I . Breitcnbach. Luzern. 1893—1895 an der
Zürcher Musikschule (Hegar, Kempter, Luz, Steinmetz), 1895—1897 an
der Akademie der Tonkunst in München (Rheinberger, Buszmeyer und
andere), Gesanglehrer, Organist, Dirigent (Baden-Aargau), seit 1915
Lehrer am Konservatorium Zürich, seit 1919 Direktor. Werke! Chöre,
Klavier- und Orgelstücke, Märchen- und Singspiele. 1925 Festschrift des
Schweizerischen Tonkllnstlervereins.
Weismann, J u l i u s , geboren 26. Dezember 1879 in. Freiburg im Breisgau,
studierte seit 1888 bei Seyffart, seit 1891 bei Rheinberger und Buszmeyer,
besonders aber bei dem Freiburger Lisztschlller H. Dimmler, 1898 bei
Herzogenberg und 1899—1902 bei Thuille, lebt in seiner Vaterstadt,
Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. E r schrieb Opern, Orchesterwerke, Kammermusik, Lieder, Chorwerke, Klavierstücke.
— 267 —
Wolf-Ferrari, Ermanno, geboren 12/ Januar 1876 zu Venedig als Sohn eines
deutschen Malers und einer Italienerin, studierte 1893—1835 bei Rheinberger, war 1362—1967 Direktor des Uc, muz, in Venedig, lebt meist in
Oberbayern! er ist der geistvolle Erneuerer des Busfostils in den Opern
„Die neugierigen Frauen", „Die vier Grobiane", „Susannens Geheimnis" und anderer. Ferner schrieb er Chorwerke, Klavierstücke, Kammermusik, Orchesterwerke,
Quellen: Moser, H, I , , Musiklexikon (mit freundlicher Erlaubnis des MaxHesse-Verlages, Berlin-Schöneberg), — Persönliche Angaben der M i t arbeiter,
— 269 —
Veneichnts
der im Druck er8ciiienenen Werke Kbeinbergers
l>u8kütirliclies Ver^eiclinis aller Kompositionen in 6er KlieinberxerlZioxrspiiie von Dr. I'n. Krover spustet, l^egensdurx)).
Abkürzungen. OLK.
Lemiscnter Lbor, IXLb. ^ ^lannercbor.
Die 1aKres2aKIen geben die Lnt8tebung82eit cler Werke sn.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
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op.
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op. 22.
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op.
op.
25.
26.
27.
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29.
Z0.
op. Z / .
Vier K1svier8tücKe, I85Z/58 (Meters).
?ünk einstimmige lUeder, 1858/61 i^rit^scn).
Lieben l.ieder mit Klavierbegleitung, 1859/62 (Scliott).
I?uni l.ieder mit Klavierbegleitung. 1859/62 (Scliott).
Drei Kleine Konzertstücke tür Klavier, 1862/64 (IZreitKopk c< ttärtel).
Drei Studien iür Klavier. 1866 (frit28cb).
Drei LliaraKterstücKe tür Klavier, 1866 (?nt28cb).
„Waldmärcben", tür Klavier. 1866 (krit?scl>).
kuni Vortragsstudien lür Klavier, 1856/64 (?ritxscb).
„Wsllen8tein". Line Sinkonie für grolZes OrcKester, 1865/66 (?rit2sct>).
k^llni lonbilder tür Klavier, 1864/66 (Kistner).
loccata tür Klavier. 1865 (kalter
8.).
T'srantella 2u 4 l i ä n d e n kür Klavier, 1866 (I^rit2scli).
Vierund?>vsn2ig Präludien in Ltüdenkorm kür Klavier. 2 lleite,
1864/67 (5rit25cki).
Ouo kür Z.Klaviere, 1868 (5rit2sct>).
„Ztabat mater" iür Soli, Lnor und OrcKester. 1864 (^rit2scb).
^wei vierstimmige IZalladen mit Klavier, IXLK., 1866 (LimrocK).
Ouvertüre iür g r o ö e s Orcliester 2ur „ ? ä b m u n g der Widerspenstigen", 1866 (?rit2scli).
I'occatg tür Klavier, 1867 (krit2scl>).
„Die sieben kisben". kiomsntiscbe Oper in 3 >Kten, 1860, 1868
(?rjt2scti>.
„Wasserkee" 2u 4 Lingstimmen mit Klavierbegleitung, 1868
(l^rit^scli).
Vier Oessnge mit Klavier. 1858/6Z (?rit2scli).
PKantssiestücK ( r l - m o » ) Iür Klavier. 1866 (?rit2xcb).
Vier „wieder des Oedsclitnisses" 2u 4 Stimmen, LOK., 1864/69
<?Nt2ScIl).
.Lockung" 2U 4 Stimmen mit Klavier. O L b . . 1858. 1869 (knt28cti>.
Sieden l-iede^ mit Klavierbegleitung, I858/6Z tl^rit2scb).
Lrste Sonate in
moll Iür Orgel, 1868 (?rit2scb).
Vier ttumoresken kür Klavier, I86I/69 (Kob. l^orberg).
„>Vu8 Italien". Z Klavierstücke, 1866/67 (Kob. Norbert).
Sieben Stücke aus dem „Wundertätigen Kisgus" kür Klavier 2U
4 ttändsn, 1864 <?rit2scb).
?üni vierstimmige Lieder. OOK., 1857/69 <?rit2scd).
— 270 —
op. 32.
op. 33.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
«p.
op.
<-p.
op.
„I'ockter des ^airus". KinderKantate. 1863 (Lnr. Werner),
Präludium und ?uge iür Klavier ?um Konxertvortrsg. 186?
<?rit?sck>.
34. I'rio iür pianolorte, Violine und Lello in v-moll, 186?. 1867 (Siegel),
35. I-Ixmne tür frsuenckor. Orgel und ttarke, 1865 (Siegel),
36. I>Isun vierkandige Stücke aus der „Unheilbringenden Krone", 1868
(knt?sck).
37. „Der arme rieinrick", KomiscKes Singspiel in Versen iür Kinder.
I86Z (Scnmid).
38. Klavierousrtett in Ls-dur, 1870 (k^rit?sck).
39. Lecks l'onstücke in iugierter k^orm iür pianoiorte. 1862
<k?ob. forberg).
40. kunf Motetten 2 U 4 Stimmen, OOn.. 1864 (Seit^).
4/. „ l e i t e n und Stimmungen". 7 Lieder und L e s ä n g e mit KlavierKegleitung. 1860/66 (Siegel),
42. Ltllde und <7Ugsto iür Klavier. 1862 (Sclimid).
43. Lapriccio giocoso iür Klavier, 1864 (Siegel),
44. Drei vierstimmige I^ännercKüre. 1859/70 (Kod. forberg).
45. /!xvei Klaviervorträge, 1870 (Kod. I^orderg).
46. ,.^ur I^eier der KarvocKe". passionsmusik tür vierstimmigen OLK.
mit Orgelbegleitung, 1867 (f^ob. I^orKerg).
47. SinioniscKe Sonate tür Klavier in O d u r , 1864 (Kob. k^orberg).
48. , Vier deutsclie L e s ä n g e für KlannercKor, 1870 ikob. I^orberg).
49. ?elm Orgeltrios, 1870 <I?oK. k^orberx).
ZV. „Das l'al des k:smngo", Lallade von p. I-Ievse, iür i^ännerclinr und
grolZes Orcliester, 1869 (I^ritxscK).
5/. Improvisation über Ivlotive aus der ..^aubertlöte" iür Klavier! 1863
<Kob. vordere).
52. .,lm neuen I^rüKling", 4 vierstimmige Lieder, OLK., 1871 (Scliott).
53. Orei.Klaviervorträge, 1864 (IZreitKopi 6^ Kartei),
54. Vier I-Ivmnen, für Sopran und Orgel. 1864/72 (SimrocK).
55. „Liedesleben". 8 Lieder mit Klavierbegleitung. 1859/71 (K. k^orberg).
56. „Die knackt", kür 4 Lingstimmen, Streichinstrumente und Klavier.
1871 (QottKardt).
57. ..Waclie 1'räume", 7 Lieder und L e s ä n g e mit Klavierbegleitung.
1859/71 (/Xndre).
58. Lsclis Llvmne«
4 Stimmen. 1864/69 <I-Ioimeizter>.
59. .,/!um /^KscKied", Studie für Klavier. 1871 (IZreitKom 6^ I^ärtel).
60. I^sciuiem lür LKor, Soli und OrcKester, 1869/70 (Scliott).
6/.
I'liema mit Veränderungen, StudienvverK iür Klavier, 1860/63 (Hofmeister).
62. liesse iür sine Singstimme mit Orgel, 1871/73 (Werner),
62o. LiturgiscK e r g ä n z t e Ausgabe von L Pageiis (Ouora).
62c. O salutaris Koslia, einstimmig (Lapra).
63. ' ,,^m WslcKensee. 8 Lieder ?u 4 Stimmen, OLli., 1872 (KreitKopi
ttärtel).
,
,
64. ..iVIgitag". Lin lvrixclies - Interme??o! 5 dreistimmige f r a u s n c l i ö r e
mit Klavierbegleitung. 1872 (Lran?).
65. PKantssie-Sonate iür Orgel, 1871 (1_IniveisaI-Lditjon).
66. Drei Vorl^agsstücKe für Klavier. 1871 <SimrocK>.
— 271 —
v/i,
op,
op,
op,
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
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op.
op.
op.
op.
op.
op.
op,
op.
op.
op.
67,
68,
6?,
70,
7/,
SecKs ckarakteristisclie Präludien iür Klavier, 1870/71 (Osn?).
Seclis l o n s t ü c k e in iugierter Porm. 1873 (Kok. porberg).
Drei geistlicke O e s ä n g e ?u 5—6 Stimmen, <7,Ln„ 1853/72 <SimrocI<>,
. T ü r m e r s I vcktsrlein". KomiscKe Oner in 4^Kten. 1871/72 (Osn?),
„König prick". IZsllade iür 4 Stimmen mit Klavierbegleitung, tVILii,.
1873 (SimrocK).
72. ,.^us den perientsgen". 4 vierkändige Stücke tür Klavier. I87Z
( P r ä g e r ö: iVIever).
73. pünl V4ännercköre, 1871/72 </>.ndre>.
74. „In der ^eckstube". 5 lieitere O e s ä n g e für IVIännerchor, 1873
(Siegel).
75. ?wei vierstimmige L e s ä n g e mit Klavierbegleitung. 1873 (SimrocK).
76. ..I'oggenburg", ein Komsn^en^vKIus für Soli, Llior und Klavier,
1873/74 (prseger ^ Clever),
77. Sonate iür Violine und Klavier, 1874 (Kob. porberg).
78. Drei Klavierstücke, I87Z, (praeger 6i ^ever).
79. Phantasie iür Klavier ?u 4 lländen oder Orchester. 1874 (H,ndr6>.
80. „Liebesgarten". 5 vierstimmige Lieder, LOH.. 1874 (Kob. Porberg),
8/. ..Die tote IZrsut". Iioman?e für iVle??nsopransolo, Lbor und Klavier,
1874 (Siegel).
82. Streichquintett in /X-moll, 1874 (l^ob. Porberg).
8.?. ..IMsss brevis" in D-moll, vierstimmig, LOH., 1873 <Kob. Porberg).
84, pequiem in pz^ vierstimmig, L L H . , 1867 (Siegel).
85. ,.^us dem Lsngerleben". 7 vierstimmige tVIOK., 1874 (Siegel).
86. Vier epische L e s ä n g e tür 4 Männerstimmen, 1874 (pod. porbsrg).
87. Sinfonie in p-dur tür grolZes Orchester, 1875 (^ndrL).
88. Pastoralsonate !llr Orgel. 1875 (Kob. Porberg).
89. Streichquartett in L-moll. 1875 (LeucKart).
90. „Vom Kheine", 6 IVIäimerchvre, 1874/75 (praeger öc iVIever).
9/. ..^oksnnisnackt" iür I^ännercKor mit Klavierbegleitung. 1875
(k?od. Porberg),
92. Sonate iür Lello und Klavier in L , 1875 (^ndre).
93. 1'liema mit Veränderungen für 2 Violinen, Viola und Lello, 1877
lkiob. porberx).
94. Konüert für Klavier mit Orchester in ^s-dur, 1876 (Schott).
95. „Klummelsse und ivlaientsu", vierstimmig mit Klavierbegleitung,
L L K . . 1876 (pob. Porberg),
96. Drei ^Ivmnsn iür dreistimmigen prauenckor mit Orgel. 1874/76,
(Kob. porderg).
97. „Klärchen aus Oberstem", IZallsde für Soli, LKor und OrcKester,
1876/77 (Kistner),
98. Vierte Orgelsonate in ^,-molI, 1876 (kiob. Porberg),
99. Sonate in Des kür Klavier, 1876 (Kob. porbsrg).
700. „pakrende ScKlller", 7 Lieder kür iMnnercnor, 1877 (Kob. Porberg),
70/, Drei Vortragsstudien tür Klavier, 1874/77 <^ibl).
702. „Wittekind". IZallsde iür IvIännercKor mit OrcKester, 1877
(I?. Porberg),
103. Drei Duette iür Sopran und lZalZ mit Klavierbegleitung. 1877
(ScKott).
/V4. Toccata in p-moll Iür Klavier, 1877 (Universal-Ldition).
— 272 —
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
op.
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op.
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op.
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706.
707.
708.
709.
770.
777.
77?.
773.
774.
775.
776.
7/7.
777a.
778.
Sonate kür Violine unä Klavier in p-moll, 1877 (Kistner).
? v e i vierstimmige L e s ä n g e mit OrcKester. 1877 <pob. Porberg).
pünk ttvmnen kür gemischten LKor, 1877 (pob. Porberg).
,,^m Strom". 6 vierstimmige Lieder, L L K . . 1877 <Kistner).
tVIesse kür DopoelcKor in ps (acktstimmig), 1878 (^ibl).
Ouvertüre ?u „Demetrius" kür grolZes OrcKester, 1878 (p. porderg).
p ü n i t e Orgelsonate in pis-dur. 1878 (Kistner).
I'rio tür Klavier. Violine und Lello in
1878 (Kistner)
pianoiortestudien für die linke ttand allein. 1878. 1882 (vniv.-pd.).
Ouintett in L-dur für Klavier und StreicKinstruments, 1878 (Kistner).
loccata in L-moll für Klavier, 1879 (Kok. Porberg).
„Seebilder", 4 KlännercKöre. 1879 (Kob. Porberg).
Blesse 2U 4 Stimmen in p-dur, L L K . , 1880 (Kob. Porberg).
LiturgiscK e r g ä n z t e Ausgabe von los. penner jun. (pob. Porberg).
SecKs Tweistimmige blvmnen mit Orgelbegleitung. 1877/80
(pob. Porberg),
op. 779. Leckste Orgelsonate in p s - m o » . 1880 (Kistner).
op 720. „LnristooKorus", Legende iür Soli, LKor und OrcKester. 1880
(Kistner).
op. 727. prio iür Klavier. Violine und Lello in IZ, 1880 (Kod. Porberg),
op. 722. Sonate in L - m o » ?u 4 l l ä n d e n , 1881 N o b . Porberg),
op. 723. ^veiund?>van2ix pugketten für Orgel, 1883/84 (KaKnt).
op. 724. ä c k t Lieder ?u 4 Stimmen, L L K . , 1881 (Siegel),
op. 725. ,.^us deutscken Lauen", 7 M n n e r c K ö r e , 1881 (Kistner),
op. 726. liesse tür dreistimmigen prauenckor und Orgel in ^-dur, 1881
(Werner).
op. 726a. pllr vierstimmigen xemisckten LKor und Orgel, bearbeitet von
los. Kenner jun. (LeucKart).
op. 726o. LiturgiscK e r g ä n z t e Ausgabe von L Kostagno (Lspra).
op. 726. In der Erfassung (mit Kleinem OrcKester) Kerausgegeden von Dr. ^ .
Singer (IZöKm cc SoKn).
op. 727. Siebente Orgslsonats in p-moll, 1881 (Kistner)
op. 728. Vier elegiscke L e s ä n g e tür eine Singstimme mit Orgelbegleitung.
1882 (Kistner).
op. 729. Drei italieniscke L e s ä n g e kür eine Singstimme mit Klavisrbegleitung, 1882 (Universal-Pdition).
op. 730. ,,^us Westfalen", 6 L e s ä n g e für KlännercKor. 1882 (pob. Porberg),
op. 737. SecKs L e s ä n g e iür 4 prsuenstimmen, 1882 (Kistner),
op. 732. zackte Orgelsonate in p-moll, 1882 (pob. Porberg),
op. 732b. passacsglia für OrcKester, 1888 (Kob. Porberg),
op. 733. Vier secksstimmige Motetten iür KircKe und Koncert, 1881
(Kob. Porberg).
op. 734. OsterKxmnen für 8 Stimmen, DopoelcKor mit unterlegtem KIsvieraus?ug, I88I/83 (Kob. porderg).
Daraus „l'erra tremuit", neu herausgegeben von Dr. ^ . Singer
( ö ö k m öc SoKn).
op. 735. Sonate für pianoforte in pz-dur, 1883 (Kistner),
op. 736. >^us verborgenem l'ale". 14 L e s ä n g e für eine Singstimme mit Klsvier, 1883 (Kob. Porberg),
op. 737. Orgelkonzert mit OrcKester in p, 1884 (Kistner).
— 273 —
op. 738.
„Stabat mater" für gemisckten LKor, StreicKorcKester und Orgel,
1884 (ScKvann).
op. 739. Sonett kür ö l a s - und StreicKinstrumente, 1884 (Kistner).
op. 740. pünf ttvmnen für gemisckten LKor unä Orgel, 1878/84 (Kistner).
op. 74/. ,,^us tränkiscken Landen", 6 Lieder und L e s ä n g e iür ^lännerckor,
1885 (pob. porderg).
op. 74?. Neunte Orgelsonste in IZ-moll. 1885 (pob. Porberg).
op. 743. „ P o s e n von HildesKeirn", Lsllade für I^lännercKor und lZIecKorckester. 1885 (Kistner).
op. 74-7. Drei W e t t g e s ä n g e lllr I^ännercKor, 1885 (pob. Porberg),
op. 745. „Uontkort". pine PKeinsage von p. v. ttotfnasl! für Soli, LKor und
Orcbester, 1885/86 (pob. Porberg),
op. 746. kennte Orgelsonate in H-moll, 1886 (pob. Porberg),
op. 747. Streichquartett in p-dur. 1886 (LeucKart).
op. 74«. pltte Orgelsonste in tt-moll, 1886 (pob. Porberg),
op. 749. Suite kür Orgel, Violine, Lello und Orcbester, 1887 (Kistner).
op. 750. Sechs Stücke iür Violine und Orgel, 1887 (pob. porderg).
op. 757. liesse iür gemischten LKor in L-dur, 1882 (LeucKart); auch in >iturgiscb ergänzter Ausgabe,
op. 757a. PUr vierstimmigen I^snnercKor bearbeitet von KIsx WelcKer
(IZöKm
SoKn).
op. 75?. LiederbucK (30 Lieder) für Kinder, 1887 (LeucKart).
op. 753. „Das ?suber>vort", Singspiel für die jugendliche Welt, 1888
(pob. Porberg).
op. 754. w ö l k t e Orgelsonste in Des, 1888 (Pob. porderg).
op. 755. Uesse lür Z prauenstimmen und Orgel in ps, 1888 (pob. porderg).
LiturgiscK ergänzte Ausgabe von los. penner jun. (IZöKm cc SoKn).
op. 756. ?völs LKaraKterstllcKe iür Orgel. Z ttekte, 1888 (LeucKart).
op. 757. SecKs religiöse L e s ä n g e kür eine Lingstimme mit Orgel, 1888
(pob. porderg).
op. 758. ^ckt Lieder ,.^m Sesgestade" iür Sopran mit Klavier, 1888/89
(ScKubertK).
op. 759. Blesse in p-moll iür 4 Singstimmen mit Orgel, L L l L , 1887/89
(LeucKart).
op. 760. „/^uf der Wanderung", 7 I^ännercKöre, 1889 (pob. Porberg).
op. 767. Sonate (i^r. 13 in Ls> für Orgel. 1889 (Pob. porderg).
op. 76?. „Monologe", I? OrgelstücKe, 1890 (Otto Porberg).
op. 763. pünf fllnistimmige Motetten, Istein. und deutsch, 1885 (O. porderg).
op. 764. „Stern von IZetKIeKem",' WeiKnacKtsKantate kür Soli, LKor, Orckester, 1890 (pob. Porberg),
op. 765. Sonate (ttr. 14 in L> kür Orgel. 1890 (pob. Porberg),
op. 766. Suite iür Violine und Orgel, L - m o » , 1890 (LeucKart).
op. 767. .Meditationen". I? Orgelvorträge, l89I (Pob. Porberg),
op. 767a. LlegiscKer IvIarscK für OrcKester (Pob. Porberg),
op. 768. Sonate tAr. 15 in L» tür Orgel. 1891 (Pob. Porberg),
op. 769. liesse in L für Soli. LKor. OrcKester. 1891 (LeucKart).
op. 770.
vierstimmige Lieder, „in Sturm und prieden", L L K . . 189?
(pakter).
op. 777. Sechs marianiscke l-lvmnen mit Orgel, I88I/9? (LeucKart).
op. 77?. liesse für I^ännercKor und lZIasorcKester in IZ, 189? (LeucKart).
— 274 —
op. 77Za. pur vierstimmigen gemisckten LKor und Orgel, bearbeitet von
los. penner wn. (LeucKart).
op. 7 7 ? ^ . 3 ^ve iVIarig tür IVIännercKor (LeucKart).
op. 773. Vier ^ärinercköre 1891/92 (LeucKart).
op. 774. „ivliszellaneen". IZ OrgelvortrSge, 1893 (LeucKart).
op. 775. Sonate (I^Ir. 16 Lis-moll) iür Orgel, 1893 (pob. porderg).
op. 776. !»eun ^dventinotetten, vierstimmig, L L K . , 1893 (LeucKart).
op. 777. Koncert tür Orgel (i»r. 2 in L-mol!) mit Begleitung des Orchesters.
1894 (pob. porderg).
op. 778. Sonate iür I-lorn und Klavier in Ls. 1894 (Kistner).
op. 779. „I-ivmnus an die Ponkunst" iür l^ännerckor und Orcbester, 1894
(Pob. Porberg).
op. 780. ^xvöli LKaraKterstücKe in Kanonischer Porm iür Klavier. 1894
(Peters).
op. 787. phantssiesonate <i»r. 17 in I-» tür Orgel. 1894 (Pob. Porberg).
op. 782. „Vom goldenen ttorn". türkisches Liederspiel mit Klavier. L L H , .
1895 (LeucKart).
op. 783. Zvvöll Voitrggsstudien tür Klavier, 1895 (Kistner).
op. 784. pomantiscke Sonate, piz-mo!>, iür Klavier, 1896 (Kistner).
op. 785. Lieben Ivlännerchöre, 1896 (pob. Porberg).
op. 786. ^ckt vierstimmige Lieder „ l s k r e z z e i t e n " , L L H . , 1897 (Pshter).
op. 787. Vlesse iür Z prauenstimmen und Orgel. L-moll, 1897 (Pob. Porberg).
op. 788. Lonate iür Orgel (l>Ir. 18 in ^), 1897 (pob. Porberg).
op. 789. ? w ö l i Orgeltrios. 1898 (pob. Porberg).
op. 790. Klesse iür 4 Männerstimmen mit Orgel in P, 1898 (Otto Porberg).
op. 797. I'rio iür Klavier, Violine und Lello in P, 1898 (LeucKart).
op. 79?. IMssa „misericordias Oomini", vierstimmig mit Orgel in L , L L K . ,
1899 (Otto Porberg),
op. 793. Lonate iür Orgel (i>Ir. 19 in L-moll), 1891 (pob. Porberg),
op. 794. Requiem iür 4 Ltimmen mit Orgel in O-moll, 1966 (LeucKart).
l^euausgsbe
von los. penner jun. (pustet),
op. 795. ^KademiscKe Ouvertüre iür OrcKester, 1966 pakter),
op. 796. Lonate ,.?ur priedensieier" iür Orgel <>>Ir. 20 in p). 1901 (p. Porberg),
op. 797. Blesse in ^-moll (nackgeiassenes Werk) iür vierstimmigen gemisckten LKor und Orgel, 1901. p r g ä n z t und Kerausgsgeben von
L.
Loerne (LeucKart).
2 Oiiertorien iür gemisckten LKor (ScKwann).
„ l u s t o r u m animse" iür 2 Ltimmen und Orgel (Lapra).
„ L s r m i n a sacra". zwei- und mehrstimmige L e s ä n g e mit Orgel (ScKwann).
..l)e proiundis" iür 5 gemisckte Stimmen (pob. porderg).
..preis und Anbetung", Motette tür 4 Stimmen (pob. Porberg).
srsuungsgesang iür gemischten LKor, 1896 (pob. Porberg).
/^ve IVIaria iür Mezzosopran (auck dreistimmig) mit Orgel (pob. Porberg).
pestcbor, IvlännercKor mit rZIecKorcKestsr, 1886 (^idl).
..Die 3 Wanderer", KlSnnercKor (LeucKart).
„Vorwärts". I^ännercKor (pob. porderg).
„WaldbScKlein", vierstimmig, L L K . (Kistler).
„Im LcKlolZparK". pomanze iür Sopran mit llarienbegleitung. 1895 <Kistler).^
..Deutsche llvmne". 1895 (LeucKart).
— 275 —
2 Lieder („Die I^oosrose", ..lanua coeli") mit Klavierbegleitung, 1901. /^us
dem I^achlsK herausgegeben von L , >V Loerne (LeucKart).
Lecks ZtücKe iür-Orgel (!>Iovello>.
Drei LtücKe iür Orgel (Otto lunne).
^cbt auserlesene l'onstücke iür Orgel, herausgegeben von Karl lloppe
(Kvlim ö< Lohn).
Melodische LtücKe aus den Orgelwerken, pllr Harmonium oder Klavier mit
Violine bzw. Violine und Violoncello, bearbeitet von ^>b, Kranz. 4 heite
(portius).
A u s g e w ä h l t e LtücKe aus den Orgelwerken, p ü r Harmonium bearbeitet von
^ . Lcbmid-Lindner (pob. Porberg).
Orgel-^ldum. A u s g e w ä h l t e Lätze aus pneinbergers OrgelKomoositionen, herausgegeben von Karl hevnsen. ? IZände (pob. Porberg).