Feature Von Damaskus bis Wikipedia Unterwegs

DEUTSCHLANDFUNK
Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel
Redaktion: Tina Klopp
Feature
Von Damaskus bis Wikipedia
Unterwegs mit dem syrischen Exilschriftsteller Aboud Saeed
Von Thomas Böhm
Produktion: DLF 2016
Sprecher: Denis Moschitto
Sprecher: Thomas Böhm
Regie: Claudia Kattanek
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- unkorrigiertes Exemplar -
Sendung: Freitag, 15. Januar 2016, 20.10 - 21.00 Uhr
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1. Atmosphäre: Kneipe
2. O-Ton Christian
(Atmosphäre: Kneipe)
Warm geworden? Wann bin ich denn mit dem warm geworden? Ah ja, es war von
Anfang an für mich klar... er hat mir halt erzählt, was er ist. Und irgendwie hab ich
gedacht: Syrien, ich mein, da klickert es ja bei mir... Er war aber schon ein bisschen
länger da... Und er hat sich geweigert, anzuerkennen, dass er ein Flüchtling ist. Und
das fand ich ne supergute Startlüge. Ich liebe diese Lüge....
4. O-Ton Christian
(Atmosphäre: Kneipe)
Ich liebe diese Lüge - weil ich werd in so eine Rolle reingepresst. Wenn er ein
Flüchtling ist, was soll ich denn dann sagen? „Oh, das tut mir leid“? Oder was? „Das
Land meiner Oma war auch kaputt“? Also das bringt mich in so eine blöde Situation
rein. Und er hat gesagt: „Nene, ich bin als Stipendiat hier...“ So auf dem Level.
3. Ansager
Von Syrien bis Wikipedia. Unterwegs mit dem syrischen Schriftsteller Aboud Saeed.
Ein Feature von Thomas Böhm
5. Atmosphäre Kneipe
6. Sprecher Thomas Böhm
(Studio, über Atmosphäre Kneipe)
Eine Kneipe in Friedrichshain. Als ich Aboud Saeed gefragt habe, mit wem ich mich
über sein Leben hier in Berlin unterhalten kann, hat er mir gleich seinen Nachbarn
Christian genannt.
7. O-Ton Christian
Ich war halt einfach mit dem Stipendiat, der mein Nachbar ist, saß ich dann im
Garten. Das war ein angenehmes... angenehmeres Gefühl als sozusagen „Oh wir
haben hier einen Flüchtling“. Ja ich würde sagen, es ist gut, mit so einer Lüge zu
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starten, wenn es eine freundliche Lüge ist, oder was heißt Lüge? Ne weiße Lüge
nenne ich das gerne...“
8. Thomas Böhm
(Atmosphäre: Studio)
„Der klügste Mensch im Facebook“ heißt Aboud Saeeds erstes Buch – eine
Sammlung von Facebook-Statusmeldungen, erschienen 2013 im Berliner Verlag
„Mikrotext“. Aboud begann auf Facebook zu posten, als in Syrien der Bürgerkrieg
ausbrach.
9. Sprecher:
(Studio)
Ich werde alles schreiben, was ich gerade denke / über die Leere / die aus mir einen
Pseudo-Dichter
gemacht hat.
30. Dezember 2011 um 00:07
34 Likes
5. Januar 2012 um 1:58
Träume verbrennen Fett. Deswegen bin ich so schlank.
52 Likes
1. Februar 2012 um 12:08
Bei der Fernsehübertragung einer UN-Vollversammlung: Meine Mutter sagt: „Diese
ganzen weißen Blätter, die da vor denen auf dem Tisch liegen, sollen für Syrien
sein?“
Natürlich meint meine Mutter damit, dass die Sache doch eigentlich völlig klar ist und
nicht so viel Papier benötigt.
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3. Januar 2013 um 11:39
Ein Freund fragte mich letztens:
- „Wie kannst du nur ‚Ficken’ auf deine Pinnwand schreiben?“
3
- „Mein Freund, wenn man nicht mal ‚Ficken’ auf seine Pinnwand schreiben darf,
warum sollte man dann überhaupt das Regime stürzen wollen?“
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29. Januar 2013 um 2:20
An diejenigen, die sich noch immer fragen, wer Aboud Saeed ist:
Ich bin Aboud Saeed, wohnhaft in Manbidsch, wo Mädchen nicht in Cafés gehen und
wo kein Gebäude höher als vier Stockwerke ist.
Jedes Mal, wenn ich meinen kleinen Neffen auffordere, Allahu Akbar zu sagen, sagt
er: Schäm dich!
Ich arbeite als Schmied, das heißt Hammer, Bolzen und Dreizehner
Vierzehnerschlüssel.
Ich schlafe mit sieben Geschwistern im selben Zimmer und besitze keinen Schrank,
weswegen ich meine persönlichen Briefe im Hühnerstall verstecke. Manchmal
passiert es, dass eine Henne auf den Satz „Ich liebe dich“ ein Ei legt. Es ist auch
schon vorgekommen, dass mir eine Henne auf das P.S. gekackt hat.
Meine Mutter weiß nicht, wie man Lasagne kocht, und bis voriges Jahr dachte sie
noch, dass ein Croissant ein teures Gericht sei, das man mit Messer und Gabel isst.
Jede Nacht träume ich, ich sei Hannibal Lecter und vor mir auf dem Tisch läge das
Gehirn des Mädchens, das ich liebe.
Im Bus setze ich mich immer meiner Nachbarin gegenüber, um sie zu beobachten,
und ich habe in meinem Leben noch kein Flugzeug gesehen mit Ausnahme von
Kriegsflugzeugen.
Meinen Strom zapfe ich vom nächstgelegenen Strommast ab und meine
Internetrechnungen zahlt ein Mädchen aus der Oberschicht.
Die Kinder in meinem Viertel machen sich lustig über das große Muttermal auf
meiner Stirn, und mein großer Bruder glaubt mir nicht, dass ich ein Dichter bin.
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8. Atmosphäre Wohnzimmer
9. O-Ton Nhour
(Atmosphäre: Wohnzimmer Aboud Saeed)
Wenn erstes Mal habe ich seinen Status gelesen, habe ich gedacht, dass dieses
Mann wusste nicht, dass er schreibt das für alle die Leute zu lesen. Ich habe
gedacht, er wusste nicht, dass Facebook zeigt seine Schreibung. Weil das war sehr
direkt und sehr neu. Und dann, wenn ich mit ihm gesprochen im Chat hat er für mich
gesagt, dass er ist Beduin und er wohnt in einem Zelt. Und er hat nur ein Buch, es ist
Tao. Und er liest dieses Buch, wenn er Zeit hast. Und dann im Morgen arbeitet er
als... wie heißt das, diese wenn man?... Schäfer, ja Schäfer. Und ich habe gesagt für
ihn: „Woher bekommst Du Internet?“ Und er hat gesagt: „Ich habe eine Cable, ich
habe eine Cable gebracht von der nächster Dorf. Und ich schlafe jeden Tag an diese
Buch“. Er hat gesagt, dass „Ja, ich bin allein, Ich wohne allein und ich schreibe, was
ich denke.“
Und was er sagt, das interessiere mich. Und ich habe für meine Freunde erzählt:
„Dass ich habe einen Freund im Facebook kennengelernt und er ist allein und ja er
schreibt und er wusste nicht, dass die Leute wissen, was er schreibt.“ Und sie haben
gesagt für mich: „Er macht einen Witz für Dich. Und es ist nicht logisch.“ Und ich
habe gesagt: „Ja, okay, obwohl es ist nicht logisch, es ist sehr interessant, ich
möchte noch mehr mit ihm sprechen.“
Und dann habe ich eine Foto von ihm gesehen und das war in eine normale Salon.
Und ich habe gesagt: „Das ist Deine Haus?“ Und er hat gesagt. „Ja.“ Und das war
überrascht für mich, dass er ist eine normale Person, ich habe auch immer gedacht,
er hat nur ein Auge. Oder so. Also sehr, sehr komische... Mann.“
10. Thomas Böhm
(Atmosphäre: Studio)
Dass er sich als Schäfer ausgab, ist typisch für Aboud Saeed. Er spielt die Rolle des
Unwissenden, um dann übergangslos den wortreichen, romantischen Verliebten zu
geben, dann wieder krude vergrübelt zu wirken, den Machotypen voller
Anzüglichkeiten herauszukehren oder den Checker, der die Psychologie von
Facebook durchschaut hat.
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11. Musik
Anfang von Modern Talking: „You’re my heart, your my soul“.
12. Sprecher
(Atmosphäre: Studio)
Aus der „Philosophie des Liken auf Facebook“
Von Aboud Saeed
1. Ein Like des Freundes oder der Freundin zählt nicht. Sie meinen das Gegenteil.
2. Ein Like des Ehegatten oder der Ehegattin zählt in den ersten zwei Jahren Ehe
oder bis zur Geburt des zweiten Kindes natürlich nicht.
3. Ein Like eines lauernden, lüsternen, geilen Verehrers zählt nicht.
4. Ein Like vom Großvater für seine Enkelkinder zählt nicht.
5. Ein Like eines unter 45 Jahre alten Vaters für seinen Sohn zählt nicht.
6. Ein Like einer Mutter an ihr Kind zählt überhaupt nicht und unter keinen
Umständen.
13. Thomas Böhm
(Atmosphäre: Studio, geht über in Atmosphäre Wohnzimmer Aboud)
Seine Facebooks-Posts haben Aboud Saaed in der arabischen Welt bekannt
gemacht – und sie haben ihm die Ausreise aus Syrien ermöglicht. 2013 erhielt er
eine Einladung des Kunstvereins München zu einer Lesung. Und damit ein Visum. Er
blieb in Deutschland, zog nach Berlin.
14. Atmosphäre: Wohnzimmer
15. Thomas Böhm
(Studio)
Wir sitzen in Abouds Wohnzimmer. Während seine Lebensgefährtin Nhour vom
ihrem Kennenlernen erzählte, hat er auf Facebook gechattet.
Jetzt wendet er sich zu mir, will selbst erzählen – von einem syrischen
Filmregisseur, der ihn um seine vielen Frauenbekanntschaften und seinen freien
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Umgang mit Facebook beneidete. Weil sein Deutsch noch nicht für Geschichten
reicht, spricht Aboud Englisch.
16. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
He always see my page how many womens make comment on my posts. And so
much people follow me and I am always answer in stupid way no serious answers in
the comment. And I for example write for some girl on the comment „I love you“ and
after five minutes I wrote an other comment... „I don’t care“ ... I use it like as my funny
space.
17. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Eines Tages erwähnte dieser Regisseur in einer Nachricht, dass er einen Traum
habe: Einmal das Passwort für Abouds Facebook-Konto zu besitzen.
18. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
To know how you talk with all these people and how you manage. And he didn’t
finish this sentences... he was write to me, chatting... I wrote my password to him....
really.
He getting crazy in this moment, how I give him the password. And he just make sure
it is right password and back to talk to me and say to me: „Wow, it is right. Are you
crazy?“ And I said: „Yes I’m crazy.... Take it!“
19. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Kaum hatte der Regisseur das ausgesprochen, schickte Aboud ihm das Passwort.
Worauf der Regisseur fragte, ob Aboud verrückt sei. Aboud antwortete: „Ja, ich bin
verrückt“.
20. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
He say to me: „Okay, thank you. I just make joke, I will not use it.“
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I said: „I don’t care, you can use it any time.“
What happened: He doesn’t know that when he go log in in my account, I know. And
when I see him go in my account I start to talk with womens.
21. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Fortan beobachtete Aboud seinen Facebook-Account. Wann immer der Regisseur
den Account benutzte, fing Aboud an, sich mit Frauen zu unterhalten.
22. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
And when I start to talk with woman I go to deep conversation. Sometimes sexconversation, I start to enjoy how he is suffering and I just imagine him how he is
waiting for what the woman will answer me and what I said ... I take him to this
situation and in the moment he want more to know, more to follow this conversation, I
cut it like I said: „Okay, talk to you later, I should go!“
23. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Er spielte mit dem Regisseur. Begann Konversationen über Sex, stellte sich vor, wie
der Regisseur darauf wartete, was die Frauen antworten würden. Und wenn es
richtig spannend wurde, schrieb Aboud einfach: „Okay, wir sprechen ein andermal
weiter. Ich muss weg.“
24. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
For three months I played with this director very funny game. And I just start to know
how the people thirsty to know. How the people want to know if you are free, what
you are thinking. If nobody see you, what you are thinking.
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25. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Drei Monate lang spielte er dieses Spiel mit dem Regisseur und begann zu
verstehen, wie sehr die Menschen danach dürsten, zu wissen, was andere denken.
Was in ihren Köpfen vorgeht, wenn niemand sie sieht.
26. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
And in the end this three month he come to me, really, this guy, and said: „Please
Aboud, change your password. I don’t go to work. I don’t eat. I lived in your page. I
know now all your conversation with all people. I cannot forget. I want to follow it all
the conversation: what will happen what will do.“
27. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Nach drei Monaten schrieb der Regisseur: „Bitte Aboud! Ich geh nicht mehr zur
Arbeit. Ich esse nicht mehr. Ich lebe auf Deiner Facebook-Seite. Bitte ändere Dein
Passwort!“
28. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
This one small story and small point. I use Facebook like this way. I didn’t use
Facebook in standard way. And here people just ask me standard question. Like:
„From where, form anytime you use Facebook? And how many Likes? And don’t
care about this.
29. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Einen Teil seines Lebensunterhalts verdient Aboud mit Lesungen. Dort erzählt er
gerne die Story des Regisseurs, wenn ihm irgendwelche Standardfragen zu seinem
Gebrauch von Facebook gestellt werden: Wann er auf Facebook angefangen hat?
Wie viele Likes er bekommt. „Das interessiert mich doch alles nicht“, sagt er.
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30. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
Ask me about Syrian refugee. How they are? The age? What they are working? I
said: “Sorry: I will not answer you. OK?”
31. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Man soll es ihm nicht übel nehmen, aber Fragen nach syrischen Flüchtlingen – wer
sie sind, wie alt sie sind, was sie gearbeitet haben – solche Fragen beantwortet er
nicht.
32. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
I know I’m from fucking country. I know now I am in freedom country, rich country,
good country. I know that. Don’t remember me every time that I’m refugee and you
are Germany.
33. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Denn in den Fragen nach den syrischen Flüchtlingen steckt der beständige Hinweis
darauf, dass er Flüchtling ist und wir Deutsche.
34. O-Ton Aboud Saeed
(Atmosphäre Wohnzimmer)
Thinking about if you go to Bangladesh. And for one year everybody come to you ask
you about Mercedes. You will get boring. You are a human...and... forget it.
35. Thomas Böhm
(Studio, unterlegt mit Atmosphäre Wohnzimmer)
Man müsse sich ja nur vorstellen, wie es wäre als Deutscher nach Bangladesh zu
gehen und ein Jahr lang ständig nach Mercedes gefragt zu werden. Wie einen das
anöden würde, darauf reduziert zu werden. Schließlich sei man mehr als ein
Deutscher: ein Mensch.
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36. Musik: Anfang von Louis Armstrong: „What a wonderful world“
37. Sprecher
(Studio)
Aus der „Philosophie des Liken auf Facebook“
Von Aboud Saeed
7. Das Like eines Schriftstellers zählt nicht.
8. Ein Like, das man einer schönen Frau gibt, ist extrem fragwürdig.
9. Ein Like von in der Diaspora lebenden Freunden für Freunde aus demselben Dorf
oder derselben Ortschaft zählt nicht.
10. Das Like eines Alawiten für einen Alawiten zählt nicht.
11. Das Like eines Drusen für eine Drusin zählt nicht.
12. Das Like eines Sunniten für einen Sunniten ist ein langwieriges Thema und muss
glaubwürdig gerechtfertigt werden.
13. Das Like eines Christen an einen Christen zählt bestimmt nicht.
14. Ein Like eines Palästinensers für jemanden aus den restlichen arabischen
Ländern ist hinfällig.
15. Ein Like eines Arabers an einen Palästinenser zählt überhaupt nicht.
16. Ein Like für eine Blondine ist so etwas wie „Gott wird das Gute siegen lassen“
17. Ein Like von einer Blondine für einen wie mich zählt doppelt.
38. Musik
Ende „What a wonderful world.“
39. Thomas Böhm
(Studio)
Als ich einige Tage nach Beginn unserer Aufnahmen zu ihm komme, sagt Aboud, er
möchte, dass ich nicht nur über ihn erzähle. Sondern auch mit ihm. Er hat kleine
Stücke geschrieben, auf Arabisch und – mithilfe seiner Freundin Nhour – auf
Deutsch. Sie handeln davon, wie man sich verstehen kann, auch wenn der eine kein
Arabisch, der andere kein Deutsch spricht.
Wir überarbeiten sie zusammen, dann nehmen wir sie auf. Er nennt sie:
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40. Fertig produziertes Kurz-Hörspiel: „Aboud & Thomas: Modern Talking“
Aboud: Aboud
Thomas: und Thomas
Thomas: Aboud, wenn Du Deutsch verstehen würdest, könnte ich jetzt zu Dir sagen:
Ich muss mal ein ernstes Wörtchen mit Dir reden...
Aboud: ‫عن شو؟‬
Thomas: Weil als ich letztes Mal bei Dir rein kam, hast Du Modern Talking gehört.
Sollte das ein Witz sein?
Aboud:‫ال أنا بعرف الموديرن توكينغ من لما كنت بضيعتي بسوريا‬
Thomas: In deinem syrischen Dorf hast Du ''Modern Talking'' gehört?
Aboud: ‫مو بس أنا كل ضيعتي بتعرف‬
'You're my heart, you're my soul''
Thomas: Yo, Das will ich sehen: Ein ganzes syrisches Dorf singt Modern Talking.
Aboud: ‫ايه أهل ضيعتي بيعرفو كتير أشياء عن ألمانيا‬
Thomas: Nein, Aboud. Man weiß absolut nichts über Deutschland, wenn man
Modern Talking kennt.
Aboud: ‫بس أكيد في ناس كتير هون بتسمع موديرن توكينغ قديش ممكن يكونو؟‬
Thomas: Keine Ahnung, wie viele Leute hier Modern Talking gehört haben.
Wahrscheinlich: paar Millionen.
Aboud: ‫بسوريا كمان كم مليون‬
Thomas: Nein, das ist der totale Trash.
Aboud: ‫معناها ما بتحب أغانيون؟‬
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Thomas: Ganz am Anfang fand ich das mal gut. Aber als ich dann zum ersten Mal
Dieter Bohlen gesehen hab, den Sänger. Ne....
Aboud: ‫هو اللي كتب كل األغاني؟‬
Thomas: Ne, die Songs hat Dieter Bohlen geschrieben, der andere.
Aboud: ‫هادا تبع السلسلة؟‬
Thomas: Nicht der mit der Kette. Und auf der Kette... das war der Name seiner
Freundin. Die wollte, dass alle Fans sehen, dass der schon vergeben war. An eine
Nora.
Aboud: ‫ما بعرف هالشي عنو بس الغنية حلوة‬
Thomas: Hör auf mit Dieter Bohlen. Das ist so ein Sack...
Aboud: ‫ التنين كتير مختلفين وبيستفزوك‬،‫بس هي كمان حلوة‬
Thomas: Die provozieren mich nicht. Die sind einfach nur doof.
Aboud: ‫بتعرفون؟‬
Thomas: Nein, ich kenn sie nicht. Mir reicht, was die in Interviews sagen.
Aboud: ‫ما شفتون؟ ما حضرتلون وال حفلة؟‬
Thomas: Man muss nicht alles von Nahem sehen, um zu wissen, was man davon
hält.
Aboud: ‫هيك بيفكروا األلمان؟‬
Thomas: Nicht nur Deutsche denken so, das tun doch alle.
Aboud: ‫وانت قررت انو الموديرن توكينغ سيئين مع انو ماليين بيسمعون‬
Thomas: Ja, Millionen können sich auch irren. Wie die Leser der Bild-Zeitung.
Aboud: ‫ما بعرفها شو هي؟‬
Thomas: Das ist auch deutsche Kultur, wenn Du so willst: Die Bild-Zeitung. Millionen
Leser, wahrscheinlich die meisten Modern Talking-Hörer.
Aboud: ‫احكيلي اكتر عنها‬
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Thomas: Aboud, ich kann Dir nicht die Bild-Zeitung erklären. Lass uns doch bitte
über was anderes reden. Über richtige Kultur!
Aboud: ‫بس الموديرن توكينغ هي ثقافة حقيقة ألنو موديرن توكينغ ربطتنا نحنا السوريين بألمانيا‬
Thomas: Doch! Es wird viel wichtigere syrisch-deutsche Verbindungen geben.
Aboud:‫قلي عتلت شغالت مثالا‬
Thomas: Stimmt.... Die beste sind wir beiden!
Aboud: ‫ أنا وانت كمان موديرن توكينغ‬،‫تماما‬
Thomas. Ja, wir sind Modern Talking. You’re my heart.
Aboud: You’re my soul.
41. Musik: „You’re my heart, your my soul“
Refrain:
Your my heart, you're my soul
Yeah, I'm feeling that our love will grow
You're my heart, you're my soul
That's the only thing I really know
42. Atmosphäre Wohnzimmer
43. O-Ton Aboud
All the journalists they care about me that because: Syrian writer. And this make me
very sad, really. Not because I don’t like my country or I have anything against
journalist. But it is silly (...) when you tell me you are Syrian and you are and you are
refugee and what are you’re experiences here in Berlin? Very interesting. For me it is
like something – (fragt Nhour etwas auf Arabisch...) – disappointed. I want to make
myself. I don’t want to use my country or big idea to tell: Wow, I’m very open-minded
and liberally and life like this. Sometimes I’m afraid if I stay to say „Not, not, not“ they
will think about me that I’m crazy or someone selfish.
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44. Atmosphäre Wohnzimmer
45. Thomas Böhm
Das Magazin „Vice“ hat Aboud kontaktiert, ihm eine wöchentliche Kolumne
angeboten. Er darf schreiben, was er will. Sein erster Text handelt davon, dass er
nur das Wort „Magazin“ verstanden hat und dachte, er schreibe jetzt für den
„Spiegel“. In der zweiten Kolumne für Vice protokolliert Aboud die Gespräche mit
seiner Freundin Nhour über ihren Plan, einen Berliner Fetishklub zu besuchen. Er hat
keine Lust mehr, den Vorzeige-Flüchtling zu spielen, den Welterklärer.
46. O-Ton Aboud
I have for now five people to tell me to work with them. And I ask them: What shall I
work. And the answer will be: „We have project.“ And I go with them and ask them:
„What can I do? How can I help?“ But all the people only have money. And want to
do something. And they want to focus about what it is now more... hot situation.
Syria? Ok! Refugee? Ok! Children? Ok! People not Germany live in Germany? How
will they spent the Christmas? Really? This idea needs so much money and so much
people? For me, I’m not like that. I don’t believe in this art. Or new art. Or project
about refugees. Artist people, they don’t know anything about the live. They don’t
have the right to talk about „the life“. About „the human“. About „the people“. They
are most silly people in the life. The artist.... I start from myself. I can say: I’m very
silly, and I’m bad, and I’m writer... And if I had good life, I’m fucking the writing.
47. Thomas Böhm
(Studio, geht über in Atmosphäre Strasse)
Aboud greift seine Zigaretten, seine Jacke, will mir sein Viertel zeigen. Früher hat er
im Berliner Wedding gewohnt. Da ist er immer um 22.00 Uhr ins Bett, weil nichts los
war. Hier in Friedrichshain ist er jede Nacht unterwegs. Sein Englisch hat sich
verbessert, sagt er, durch die Gespräche mit den Nachtmenschen.
48. Atmosphäre Straße
49. O-Ton Aboud Saeed
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(In Straßenatmo)
It is not for culture-people, Kultur-people, it is not for only tourist, it is not for rich
people... and… this what will make it sexy... no style, and simple and very free...
50. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Friedrichshain - für reiche Leute nicht schick, für Kulturschaffende nicht kultiviert
genug und für Touristen nur eine Station auf ihren Berlintrips. Aboud weiß das auch
deshalb, weil er bei seinen nächtlichen Abstechern in die Revaler Straße kaum je die
gleichen Menschen trifft.
51. O-Ton Aboud Saeed
(In Straßenatmo)
Here in Revaler Strasse you find only the people like have the same style. Like free
people. Here you can talk about everything with the people. You will see the smile,
the free situation, after five minutes you start to talk with them.
52. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Er schwärmt davon, wie leicht er mit den Menschen in den nächtlichen Bars ins
Gespräch kommt, über alles sprechen kann, weil für diese Menschen Moden,
Kleidung, Äußerlichkeiten keine Rolle spielen.
53. O-Ton Aboud Saeed
(In Straßenatmo)
Like simple, easy, free. What you will think about people drinking in the three
midnight? For sure this people don’t care about the work tomorrow. (Langes,
gemeinsames Lachen von Böhm & Saeed) And for sure they will not talk to you
about the hair. They will talk to you about the Marihuana, the drink, the dance,
music.... (Lachen)
54. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Drei Wörter, die Aboud gerne gebraucht: „Simple, easy, free“: Einfach, unverstellt,
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frei. Wie die Menschen, die hier bis drei Uhr morgens trinken und sich nicht um den
nächsten Tag kümmern.
Ich frage ihn, ob es ihn nicht stört, dass Friedrichshain als Beispiel für einen Stadtteil
gilt, in dem Hostels, Burgerrestaurants und andere Einrichtungen für Touristen die
ehemaligen Strukturen zerstört haben.
55. O-Ton Aboud Saeed
(In Straßenatmo)
But I like that, this situation. When people just coming here like visitors, not to make
relation here, in this… Always new. And this area will not take the same, the one
situation. It will not be for like Arab people or for Germany people, or for European
people. Always new. And every year new kind of people. Every year: new kind, new
kind. I like this things when it is no one style. No style. For all. You understand me,
yes?
56. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Dieser Stadtteil ist für Gäste, für Menschen, die nicht kommen, um feste
Beziehungen einzugehen. Transitorisch. Und deshalb wird er nie nur für Deutsche,
Araber, Europäer sein. Sondern immer neu. „Für Menschen unterschiedlichen Stils“,
wie Aboud sagt. Das ist sein Wort für „Multikulturell“.
57. Sprecher:
Ich bin Aboud Saeed
Als ich geboren wurde, verließ Scharon gerade widerwillig Beirut, dachte Reagan
daran, das Star-Wars-Programm aufzugeben, schaffte es Adonis zum zehnten Mal
nicht, den Nobelpreis zu bekommen, feierten Castro und die Linken die Revolution,
bekam mein Vater die Niere eines indischen Mannes, während meine Schwester
sich zum ersten Mal in ihrem Leben eine Hose kaufte. Deswegen sagt meine Mutter
immer: „Du bist im Jahr der Hose geboren.“
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Ich bin im Oktober geboren. Wobei ich mir nicht ganz sicher bin. Meine Mutter sagt,
dass sie den Ölofen ungefähr einen Monat nach meiner Geburt montiert haben.
Normalerweise montieren wir ihn immer im Oktober.
Meine Nachbarin und ich sind uns über mein Sternzeichen uneinig. Sie sagt, ich
könne eigentlich nur ein Wasserzeichen sein und höchstwahrscheinlich sei ich eine
Waage. Ich behaupte aber, dass ich ein Feuerzeichen bin, dass ich zum Beispiel im
Zeichen der Angst oder im Zeichen des Busens geboren bin.
Auf der Website „Dein Glück für heute“ suche ich mir immer das Sternzeichen aus,
bei dem es heißt: „Sie werden in Kürze eine Liebesaffäre mit einem Mädchen
beginnen.“
Einmal kam ein Wanderzirkus nach Manbidsch. Als mein großer Bruder mit mir
hinging, achtete ich gar nicht auf die ganzen Tiere, die man extra aus Afrika gebracht
hatte. Alles, woran ich denken konnte, war, wie ich es wohl schaffen würde, den
Zauberstab und den Zylinder des Zauberers zu stehlen, um meine Freunde, den
Schuldirektor, die Lehrerin, die Schüler und meinen Bruder, der mich begleitet hatte,
wie weiße Hasen in den Hut hinein und wieder heraus zu zaubern.
Ich bin ein berühmter Schriftsteller, ein richtiger Kerl. Sehr beliebt bei schönen
Frauen, Roula al-Hussein ist mit mir befreundet und Rami al-Amin gibt mir immer
Likes.
Meinen Namen kennt jeder Intellektuelle und jede Striptease-Tänzerin.
Das deutsche Fernsehen kommt zu mir, um einen Beitrag über mich zu machen,
Zeitungen schreiben über mich ... ziemlich berühmt also.
Ich habe 14 Liebhaberinnen, die ich übers Internet kennengelernt habe, und meine
Freunde ziehen mich auf wegen der riesigen Löffel, die es bei uns zu Hause gibt.
Ein Schriftsteller. Ich verkaufe meine Bücher auf den Straßen Deutschlands, und
wenn ich am Ende des Tages müde werde und noch ein paar der Bücher, die ich am
Geh- weg vor mir ausgebreitet habe, übrig sind, lege ich sie alle in einen Karton und
schreie: „Alles zusammen für 10!“
Am Abend sitze ich vor dem Bildschirm meines Laptops und suche mit der Hilfe von
Internetsuchmaschinen nach mir selbst. Und Schwester Google findet mich immer,
oh Wunder!
Ich lebe in Berlin. Vor zwei Monaten habe ich diesen heißen Wein namens
„Glühwein“ getrunken und ich bin allen Hundesorten begegnet, die ich bisher nur aus
Zeichentrickfilmen kannte.
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All das, und mein Name ist noch immer nicht auf Wikipedia. Ich bin Aboud Saeed.
Fügt meinen Namen Wikipedia hinzu.
58. O-Ton
(In Straßenatmo)
Thomas Böhm: A bookshop.
Aboud: Ja...
Thomas: Do you know any of these authors here in the window?
Aboud: No, I didn’t read books so much and I don’t care to read books...
59. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Wir sind vor dem Schaufenster einer Buchhandlung stehengeblieben. Aboud sagt,
dass er nie viel gelesen hat. Ich weiß, er untertreibt, wir haben schon öfter über
Bücher gesprochen. Ich zeige auf die im Schaufenster. Die Nominierten zum
Deutschen Buchpreis 2015. Frank Witzel. Ich erkläre ihm den Titel. Er fragt, mich,
wer den Preis bekommen könnte. Auch übersetzte Bücher?
60. O-Ton (in Straßenatmo)
Thomas Böhm: The book is called „The invention of the Rote Armee Fraction“ – that
was the terrorist group in Germany – and than it goes, it is very funny-: „By a manic
depressive teenager in the summer of 1969“
Aboud: It is a price every year?
Thomas: Yes, it’s the German Booker Prize.
Aboud: German Booker Prize. Good. For only German book? Not translated?
Thomas: No.
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61. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Unter den Büchern ist auch das von Jenny Erpenbeck „Gehen, ging, gegangen“. Als
ich Aboud den Klappentexte vorlese, in dem es heißt, das Buch handle „von jungen
Flüchtlingen, die in Berlin gestrandet und seit Jahren zum Warten verurteilt sind“,
schüttelt er den Kopf.
62. O-Ton Aboud Saeed
(Straßenatmo)
I don’t know what in the book, but I talk in general about how people talk about
refugee.
There is something real. The „refugees“ is not „refugees“. They are human. They are
bad, they are good. There are so many kind of refugees. I don’t like this: the name
„refugees“. I don’t want to care to say it so much. If you want to help refugee, don’t
say „ help refugee“.
63. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Während er mir erklärt, dass er das Wort „Flüchtling“ nicht mag, weil es Menschen
ihre Individualität raubt und man den Flüchtlingen am besten helfen könne, indem
man sie nicht „Flüchtling“ nennt, ist sein Blick auf den neuen Krimi von Sebastian
Fitzek gefallen.
Ich erkläre ihm die Vorliebe der Deutschen für Krimis, die beständig die
Bestsellerlisten anführen und das Fernsehprogramm dominieren.
64. O-Ton Aboud Saeed
(Straßenatmo)
I can imagine, because I think here, European people, specially German people,
looking for action in their life. So the crime it will be more action than for example
love. Love is boring, you know. Boring, and they have it. (Gelächter) Easy.
65. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
20
Alles scheint leicht, erklärbar. Die Deutschen suchen Action. Weil sie alles andere
haben. Liebe zum Beispiel. Aber auch die ist langweilig, wenn man zuviel davon hat.
66. Musik: What a wonderful world.
67. Fertig produziertes Kurz-Hörpspiel: „Aboud & Thomas: Freiheit“
Aboud: Aboud
Thomas: und Thomas
Aboud: ‫بتحب الجاز؟‬
Thomas: Jazz? Mag ich.
Aboud: ‫أنا كل تالتا بروح عنادي الجاز بالغولتزر بارك‬
Thomas: „Edelweiss“? Da war, ich noch nie. Ist das da am
Görlitzer Park?
Aboud: ‫ايه تعرفت فيه على عازف ساكسافون امريكي ودعيتو على بيرا‬
Thomas: Wohin hast du den Saxophonspieler eingeladen? In eine Bar oder zu Dir
nach Hause?
Aboud: ‫ال بالبار وقلتلو انا بحب عزفك‬
Thomas: Spielt der so gut?
Aboud: ‫ايه هو بيعزف بشكل حر وعفوي‬
Thomas: Free Jazz, ja verstehe...
Aboud: ‫ انا حر انا عايش بنيو ارولينز وانا مجرد مراة بتشوف حالك فيها وقعد‬،‫ولسا ما جبتلو سيرة الحرية اال بلش يقلي‬
‫يحكيلي عن الحياة الحرة في امريكا‬
Thomas: New Orleans, Künstler, Freies Leben in Amerika... Ja, könnte mir ja auch
gefallen...
Aboud:‫ وحدة من معجباتي‬،‫كان معي صبية‬
Thomas: Wieso nimmst Du denn auch eine Frau mit, wenn Du Dich eigentlich mit
einem anderen Künstler unterhalten willst? Die kam sich doch bestimmt überflüssig
vor.
Aboud: ‫ النو الصبية شافت بنت وشب عم يبوسو بعضون وراحت لعندون وصارت‬،‫ما كتير طولت حالة اإلعجاب‬
‫تبوسون‬
Thomas: Das kannst Du mir nicht erzählen. Keine Frau geht einfach zu einem
anderen Paar. Und knutscht mit denen.
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Aboud: ‫ايه بس وهللا هيك صار‬
Thomas: Wirklich jetzt? Dann habt ihr beiden Künstler sicher dumm aus der Wäsche
geguckt.
Aboud:‫ بعرفها للبنت بس الموسيقي صار بدو يتحركشها بس رجعت‬،‫ما قدر يتحمل حريتها انا ضحكت‬
Thomas: Tja... siehst Du: das dann man auch als freier Mensch schwer aushalten,
wenn jemand noch freier ist als man selbst.
68. O-Ton
(Straßenatmo)
Thomas Böhm: Do you learn German?
Aboud Saeed: I only learn from the street.
69. Thomas Böhm
(Studio, über Straßenatmo)
Wir schlendern weiter durch Friedrichshain. Was schreibt Aboud seiner Mutter, die
vor dem Krieg in die Türkei geflohen ist, über Berlin? Ganz einfach, sagt er: Sie soll
hierher kommen. Weil sich in Berlin niemand um den anderen kümmert. Das ist eine
Form von Freiheit, die man in Syrien nicht kennt. Dort ist man ständig in Gruppen,
deren Zwängen ausgesetzt, würde andauernd über andere reden. Hier in Berlin ist
man ganz bei sich.
Straßenatmo kurz aufblenden... Man hört Aboud sprechen...
weiter:
Thomas Böhm
Ob er Deutsch lernt? Nur auf der Straße. Da hat er schon vieles aufgeschnappt,
kann sich verständlich machen. Dann erzählt er mir die Geschichte seiner ersten
Deutschstunde. Die Lehrerin – er sagt mehrfach - „eine sehr nette Frau“ hat den
Verband an seinem Arm gesehen. Den musste Aboud tragen, seit er in der Türkei
von nationalistischen Türken niedergestochen wurde, die Jagd auf syrische
Flüchtlinge machten. Die Deutschlehrerin fragte Aboud, ob er sich seine Verletzung
auf See geholt hätte. Auf einem der Flüchtlingsschiffe. Und ob er Christ sei. Anders
konnte sie sich sein Hiersein, seine Verletzung nicht erklären.
22
Aboud ging nicht lange zum Deutschunterricht. Er sei kein guter Schüler, wolle aber
auch nicht derjenige sein, der an der Seite steht und nichts versteht.
Passage endet mit Aufblenden des unterlegten O-Tons, man hört Aboud sagen:
„Because I feel I need to be more inside this life. I will not be like on the corner just
looking an don’t understand…. I will learn, I am sure.”
70. Fertig produziertes Kurz-Hörspiel: „Aboud & Thomas: Schwarzfahren“
‫ يو و ارجعلك اياها آخر الشهر‬60 ‫توماسي يني‬
Aboud:
Thomas: Warum 60 Euro? Ich kann Dir auch 100 leihen.
Aboud:
‫راكب مخالف‬
Thomas:
Schon wieder schwarzgefahren, Aboud?
‫مو أنا توماس هي صديقتي؟ انا ما عاد دفعت مخالفات‬
‫ميترو ابدا‬
Aboud:
Thomas:
Für eine Freundin?
Aboud:
‫ايه انا مية مرة فهمتها انها تنتبه وهي بس يجي الكونترول بتركض‬
‫لعندون‬
Thomas:
Aboud:
Oh... die muss ja schön blöd sein. Warum rennt die zu den
Kontrolleuren, wenn sie keine Fahrkarte hat. Aber Du kaufst Dir doch
jetzt immer eine, oder?
‫انااكيد انا ما بشتري بطاقة‬
Thomas: Du musst Dir aber eine kaufen! Du kriegst nur Ärger.
-Aboud:
‫الني صرت اعرف اكشف كل الكونترول وفي منون صارو صحابي‬
Thomas:
Klar, du kannst jeden Kontrolleur erkennen. Und ich sprech Arabisch.
23
‫ من اسبوع كنت واقف بمحطة‬،‫ايه‬
،‫ شفت شب وبنت فاتو عالمترو‬،‫عرفتون الفارشاوير‬
Aboud:
Thomas:
sind.
Ein Mann und eine Frau... und du weißt gleich, dass das Kontrolleure
Aboud:
Natürlich!!
Thomas:
Wieso?
Aboud
‫ توماس انت شو بيفهمك‬،‫عرفت‬
Thomas:
Aboud:
Boah komm.... Ich fahr jetzt Jahren S-Bahn und wundere mich immer
noch wie die Kontrolleure aussehen. Und du erkennst sie sofort?
‫رحت لعند البنت قلتلها انتي كونترول؟‬
Thomas:
Du kannst doch nicht den Leuten nachlaufen und sie fragen, ob sie
Kontrolleure sind.
Aboud:
‫ قالتلي ناااااااين‬،‫ايه‬
Thomas:
Natürlich sagt sie nein. Sie kann doch nicht zu Dir sagen: „Ja, ich bin
Kontrolleurin. Merken Sie mal sich mein Gesicht.“
Aboud:
‫ايه بس انا احرجتها‬
Thomas:
Wie hast du sie „verwirrt“?
‫لتلها انا متاكد انك مانك كونترول النو اظافرك الطوال الخضر‬
‫ وقلتلها هادا الشب يل‬،‫والتاتو يلي على رقبتك ما يشبه جماعة الكونترول‬
‫معك اكبر من انو يكون زميلك بالكونترول‬
Aboud:
Thomas:
Aboud:
Thomas:
Das mein ich doch! Man kann die Kontrolleure nicht erkennen. Lange
grüne Fingernägel, Hals-Tattoo, alter Mann als Begleiter. War doch
klar, dass das keine Kontrolleurin ist. Wie hat die denn reagiert?
‫ضحكت وارجتني على بطاقتها‬
Was? Doch? Eine Kontrolleurin? Mein Opa hätte gesagt: Du bist ein
Experte!
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Aboud:
‫ ورحت سلمت عليه‬...‫كمان مرة شفت كونترول شب بمحطة‬
‫وقلتلو يو ار كونترول اند اي نو‬
Thomas:
Männer erkennt man auch leichter. Und was hat er gemacht?
Aboud:
‫ قلي اطلع بالقاطرة التانية هههههههههههههه‬-
Thomas:
Der mochte dich. Der wollte grade kontrollieren und hat deshalb
gesagt, dass Du sollst die nächste Bahn nehmen.
Aboud:
Ja.
Thomas:
Okay, bring’s mir bei! Wie kann ich Kontrolleure erkennen, Aboud?
Aboud:
In deinen Träumen, Thomas. In deinen Träumen.
71. Thomas Böhm
(Studio)
Wir kommen zum Görlitzer Park. Er zeigt mir die Ecke, an der sich der Überfall
zutrug, den er zu einer Story in seinem zweiten Buch „Lebensgroßer Newsticker“
verarbeitet hat.
72. Sprecher
(Studio)
Eine echte Pistole und ein Kartuschenleben
Wenn du in Syrien nicht gerade von einer Bombe getötet wirst ... oder von einer tollkühnen Patrone
... und wenn dich nicht gerade einer von diesen Typen entführt, denen plötzlich als Resultat einer
zellulären Anomalie ein Vollbart im Gesicht gewachsen ist ... wenn du nicht gerade in einem
albernen Witz stirbst ... dann stirbst du vielleicht in Deutschland: an Unterkühlung wegen einer auf
dem Balkon gerauchten Zigarette. Oder du stirbst auf dem Klo des Flüchtlingsheims. Oder du stirbst
jedes Mal vor Schreck, wenn dein Telefon klingelt und du einen Anruf aus Syrien bekommst, noch
bevor du überhaupt erfahren kannst, wer dich anruft. Oder du stirbst vor Traurigkeit. Oder aber du
stirbst durch die Pistole eines Mädchens, das ein bisschen zuviel Heroin genommen hat. Neulich, als
ich gerade mit meiner Freundin in Berlin am Flussufer spätabends nach Hause ging, hielt uns
plötzlich ein blondes Mädchen, begleitet von einer älteren Frau und einem Hund, eine Pistole ins
Gesicht. Sie drohte uns: „Gebt uns alles, was ihr an Geld dabei habt!“ Für einen Moment dachte ich,
ich sei im syrischen Programm „Versteckte Kamera“ mit Ziad Sahtut gelandet. Vielleicht ist der Trick
am Tag inzwischen zu offensichtlich, so dass sie jetzt in der Nacht drehen, für den
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Überraschungseffekt. Ich sah meine Freundin lächelnd an und wartete auf den Moment, in dem
dieses Mädchen loslachen und „Versteckte Kamera!“ rufen würde. Das war ganz bestimmt die
versteckte Kamera. Ich befand mich ja schließlich in Deutschland ... dem Land der Sicherheit ... Der
Hund fing an zu bellen, als wolle auch er Geld haben. Die Pistole machte mir nicht halb so viel Angst
wie der Hund. Die Situation zog sich in die Länge und von Ziad Sahtut immer noch weit und breit
keine Spur. Meine Augen suchten verzweifelt in der Dunkelheit nach dem Lichtreflex einer Kamera.
Doch das Mädchen schien zu insistieren und schrie, während sie die Pistole an meine Brust hielt:
„Give me money!“ Vielleicht war das Ganze doch kein Scherz. Kein alberner Gag. Und ich erkannte
langsam, aber deutlich, dass das Mädchen Drogen genommen hatte. Ich versuchte, sie durch Reden
abzulenken, um die Pistole unbemerkt anzufassen. Ich wollte mich vergewissern, ob sie aus Metall
war oder vielleicht nur aus Plastik. Sie war echt!!!! Und die versteckte Kamera eine Illusion!! Ich zog
meine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche. Steckte dem Mädchen eine Zigarette in den Mund.
Ich gab ihr Feuer, dann zündete ich mir selber auch eine an und sagte zu ihr: „Jetzt hör mal gut zu.
Ich bin aus einem Land geflohen, wo alles was man tut, Selbstmord ist. Jedes geparkte Auto ist eine
Autobombe, jeder Fußgänger hat einen Sprengstoffgürtel um, in jeden Park hat man Zeitbomben
gepflanzt, jeder Vogel am Himmel ist ein MiG-Jet. Er sieht nur aufgrund der Entfernung so klein aus
und kann jeden Moment die in Schulen, auf Märkten, öffentlichen Plätzen, bei Hochzeiten, in
Häusern oder auf Beerdigungen versammelte Menschen bombardieren. Diese sind lediglich
Komparsen für das nächste Massaker. Du brauchst Geld? Mein ganzes Leben lang träume ich
schon von einem iPhone mit mp3-Songs von Naseer Shamma und Ghalia Benali. ... Möchtest du
vielleicht meine Hose haben? Ich hab sie seit sieben Jahren nicht ausgetauscht, so dass sie jetzt
völlig zerfleddert ist. Schau dir mal meine Schuhe an. Die hab ich gefunden, sie lagen weggeworfen
an einer Stra- ßenecke. Meinen Freunden habe ich erzählt, ich hätte sie für achtzig Euro gekauft. Ich
bin nach Deutschland gekommen, mit 75 Zigarettenschachteln und 1000 Sünden auf dem Gewissen.
Weißt du was? Ich glaube, wir gehen am besten zusammen in den Park. Meine Freundin, den Hund
und diese Dame lassen wir einfach hier und dann haben wir Sex im Dunkeln. Und dann klaue ich dir
alles, was du an Geld hast
aus deiner Tasche und schicke es meiner Mutter, damit sie den Ölofen anmachen oder meiner
Schwester Lippenstifte kaufen kann. Wir sind nämlich Stadtbeduinen, wir tragen auch bei
Beerdigungen viel Make-up und ziehen unsere schönsten Kleider an und die Frauen tragen alles,
was sie an Schmuck besitzen, auf einmal. Wir singen und trauern im Sufi-Stil, wir trällern und heulen
so laut, dass unsere Stimmen noch vor den Seelen der Toten zum Himmel steigen.“ Die Zigarette
steckte ihr immer noch zwischen den Lippen, doch inzwischen hatte sie ihre Hand sinken gelassen
und die Pistole war nicht mehr auf meine Brust gerichtet.
„Du willst Geld? Ich habe meine Liebste für eine Gasflasche verkauft. Ich habe mir den Schnurrbart
rasiert ... Meine Würde habe ich bei meiner Mutter gelassen, dann kam ich hierher. Meine Mutter
warf sie dann in den Müllkorb. Mein großer Bruder brachte den Müll raus. Dann kamen Katzen und
Hunde und haben meine Würde zerfleischt. Was von ihr übrigblieb, vertrocknete, verschrumpelte,
von Fliegen umschwirrt. Doch immer noch könnte ich schwören, dass es ihr gut geht. “
Das Mädchen fing so dermaßen an zu lachen, als hätte ich ihr einen Witz erzählt. Da musste ich an
die zwei Typen denken, die sich so über die dritte und die vierte Ehefrau kaputtgelacht hatten.
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Das Mädchen lachte und steckte sich die Pistole an die Hüfte. Ich war verblüfft.
Aber das wirklich Witzige an der Sache ist, dass mein Leben ein bescheuerter Witz ist, bei dem
man sich über Gott und sich selbst kaputtlachen kann.
73. Atmosphäre. Wohnung Aboud Saeed.
74. Thomas Böhm
(Studio)
Am nächsten Morgen besuche ich Aboud in seiner Wohnung. Er sitzt am Rechner,
schreibt Nachrichten auf Facebook. Ich frage ihn, wer sein bester Freund auf
Facebook ist.
75. O-Ton
Aboud: Best friend? Luckman. You know?
Thomas: Luckmann. Yes, but he is here.
Aboud: I show you…. He has 17.000 followers.
76. Thomas Böhm
(Studio, über Atmosphäre Wohnzimmer)
Er antwortet: Luckman Derky – ein erfolgreicher syrischer Autor, Schauspieler,
enfant terrible. Er war der einzige, der Aboud nicht belehren wollte. Ihm nicht dazu
riet, seinen Schreibstil zu ändern, und zu überlegen, was in der arabischen Welt, was
in Deutschland gefallen oder für wichtig gehalten würde.
77. Sprecher
(Studio)
„Aus der Philosophie des Liken auf Facebook“
von Aboud Saeed
18. Ein Like eines Betrunkenen ist sehr wichtig.
19. Ein Like für einen Märtyrer zählt zu den sieben Todsünden.
20. Wer einem Gefangenen ein Like gibt, ist ein Kerkermeister.
21. Jeder, der einem obdachlosen Kind ein Like gibt, ist der Milchbruder von Ban Ki
Moon.
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22. Jeder, der ein Bild von einer entstellten oder verbrannten Leiche liked, ist ein
Mörder.
23. Jeder, der einen Status liked, der so ähnlich lautet wie: „Mein Onkel ist
gestorben, mein Bruder ist gestorben, mein Vater ist gestorben, meine Frau ist
gestorben, unser Haus ist von einer Bombe getroffen worden, ich bin gefeuert
worden, sie haben uns den Strom abgeschaltet“ ... ist ein Mörder.
24. Das Like eines Regimetreuen für jegliche Statusmeldung, die die Freie Syrische
Armee kritisiert, zählt nicht.
79. O-Ton
(Atmosphäre: Wohnung Aboud mit arabischer Musik im Hintergrund)
Aboud: This song about a city in the north, the name is Arrifa (?) ... so she was like
this... and now like this...
80. Thomas Böhm
(Studio, über Atmo Wohnzimmer)
Ich entdecke auf Abouds Facebookseite einen Videoclip. Er startet ihn. Was beginnt
wie ein Musikvideo mit Bildern , entpuppt sich als Klagelied auf eine zerstörte Stadt
im Nordsyrien. Fotos von Kriegsszenen, zerstörten Häuser. Jeden Tag würden
solche Videos erscheinen, würde neue Klagelieder auf Städte geschrieben, sagt
Aboud. Und, dass er sie nicht mag.
81. O-Ton
Thomas Böhm: And who is doing these kind..?
Aboud: Syrian artists.
Thomas: Jaja.
Aboud: So much Syrian Artists. Not very famous, but from there. Social.
Thomas: And this is a new song. Written now?
Aboud: Ja.
82. Thomas Böhm
(Studio, über Atmo Wohnzimmer)
28
Wir schauen weiter. Einen Nachrichtenkanal aus den Arabischen Emiraten, der
pausenlos über den syrischen Bürgerkrieg berichtet. Viele Sequenzen laufen ohne
jeden Kommentar. Die Nachrichtenmacher wissen: die Zuschauer kennen die
Gegenden und sie verstehen die Sprache des Krieges.
83. O-Ton
Thomas: An what is this? Tanks?
Aboud: This... for regime... and free army... bomb it the tower.
You want to see the video?
84. Thomas Böhm
(Studio, über Atmo Wohnzimmer)
Man sieht einen schießenden Panzer. Sonst nichts.
85. O-Ton
Aboud: It is a city, the name is Murik. Regime just leave it and escape. And they just
control now the city. This is the news.
86. Thomas Böhm
(Studio, über Atmo Wohnzimmer)
Das ist die ganze Nachricht. Eine Stadt ist wieder unter Kontrolle der freien syrischen
Armee.
87. O-Ton
Thomas: You say, you look at it every hour?
Aboud: Ja, Every hour. Some times, when i go out I forget....
Thomas: But it is always details...
Aboud: What?
Thomas: It is always details. It always this happens, and that happens. Not the big
picture.
Aboud: Nonono. Just like: what happened.
88. Thomas Böhm
(Studio, über Atmo Wohnzimmer)
29
In den Geschichten seines Buches „Lebensgroßer Newsticker“ spricht Aboud selten
über den Krieg. Der dadurch umso präsenter wird.
89. Sprecher
(Studio)
Der Prinz der Zerstörung
Ich war noch nie im Vergnügungspark. Ich bin noch nie Zug gefahren. Ich habe auch
noch nie einen Drachen steigen lassen. Und ich hatte immer offene Schnürsenkel.
Ich besaß eine Zwille, mit der ich einmal einen einzigen Vogel getroffen habe, der zu
schwach zum Fliegen war. Ich war der Grund für das Ende dieses Vogels. Ich war
es, der die Weinrebe zerstört und das dann seinem Bruder in die Schuhe geschoben
hat. Ich war es, der das Fenster mit dem Fußball kaputt geschossen hat. Ich war es,
der Petroleum in den Ameisenhaufen gekippt hat, der Autobremskabel durchgeschnitten hat. Ich war es, der den Unfall von Prinzessin Diana verursacht hat. Ich war
es auch, der Godot getötet hat; wartet also nicht länger auf ihn. Ich bin der, der die
Titanic versenkt hat. Ich war es, der Bagdad für einen Hamburger ausgeliefert hat.
Ich war es, der mit einer Äffin geschlafen und euch den Aidsvirus gebracht hat. Ich
war es, der Adam breitgeschlagen hat, den Apfel zu essen. Ich war der Auslöser für
all das.
Ich bin der Herr des Universums.
Der Prinz der Zerstörung.
Thomas Böhm (Studio)
Als ich Aboud frage, welche Musik er gerne in unserem Feature hören möchte,
schreibt er mir umgehend: „What a wonderful world“ von Louis Armstrong“...
Musik steht kurz frei
91. Fertig produziertes Kurz-Hörspiel: „Aboud & Thomas – Danke schön“
Aboud: Aboud
Thomas: ... und Thomas
30
Aboud : Danke schön
Thomas
: Wofür?
Aboud : Danke schön – ‫ألنك توماس‬
Thomas
: Weil ich Thomas bin?
Aboud : Danke schön ‫النو اليوم االثنين‬
Thomas
: Weil Dezember ist?
Aboud : Danke schön ... ‫ألنو صيف‬
Thomas
: Weil Herbst ist?
Aboud : Danke schön ‫ألنو نحنا باالستديو‬
Thomas
: Dass wir im Studio sind?
Aboud : Danke schön ‫للحرب والسالم‬
Thomas
: ... für den Krieg und den Frieden?
Dafür kann man sich nicht bedanken, Aboud. Und für die anderen Sachen, die Du
gesagt hast, erst recht nicht.
Aboud : ‫ تشتري دخان يقول لك البائع دانكي شون‬،‫ انت في المانيا‬،‫دانكي شون لكل شيء‬
Thomas
: Man muss nicht für alles danken in Deutschland. Der Verkäufer sagt
bloß „danke“, weil Du Zigaretten gekauft hast. Weil das höflich ist. Was soll er sonst
sagen?
Aboud : ‫تشهر بطاقتك بوجه الكونترول بيقلك دانكي شون‬
Thomas
: Der Kontrolleur dankt Dir, weil Du Dein Ticket griffbereit hast. Das
macht ihm die Arbeit leichter.
Aboud : ‫ اذا صادفت جاري عالدرج بيقلي دانكي شون‬Thomas
: Wirklich? Dein Nachbar sagt ''Danke schön!''? Einfach so?
Aboud : ‫ والخارج عن القانون يقول دانكي شون‬Thomas
: Naja... Der Obdachlose sagt danke schön...
Aboud :‫ البوليس في الشارع يصرخ دانكي شون‬Thomas
: Die Polizei schreit ''Danke schön!'' (lacht)
Aboud : ‫ اذا ضربك احدهم على خدك االيمن ادر له االيسر وقول له دانكي شون‬Thomas
: Ach ja...
Aboud : ‫الكل يصرخ دانكي شون‬Thomas
: Alle schreien ''Danke Schön!'' (lacht)
Aboud : ‫حتى السماء تمطر دانكي شون‬Thomas
: Jaaa, der Himmel regnet ''Danke schön!''.
31
Aboud : .‫ أول امرأة شقراء قالت لي دانكي شون اعتقدت انها تحبني‬Thomas
: Weil die erste blonde Frau, die du hier kennengelernt hast, „Danke
schön“ sagte, hast du gedacht, dass Sie Dich liebt? Aboud... Du kennst Dich in der
Welt aus.
Aboud : Danke schön.
92. Musik: What a wonderful world.
93. Atmosphäre Wohnzimmer
94. Thomas Böhm
(Studio, über Atmo Wohnzimmer)
Ich besuche Aboud ein letztes Mal. Er ist sehr beschäftigt, ist an der Bühnenadaption von „Der
schlaueste Mensch im Facebook“ beteiligt. Als Autor und als Schauspieler. Ich sage, wir können es
kurz machen, eigentlich möchte mit ihm nur noch über ein Detail sprechen. Die letzte Geschichte
seines Buches „Überlebensgroßer Newsticker“ endet mit einer Klage darüber, dass er all das erlebt
habe und noch keinen Eintrag in der Wikipedia habe. Ich frage ihn, ob er das ernst meint. Und wenn
ja, warum er den Eintrag noch nicht selbst gemacht habe.
95. O-Ton
Aboud: I’m bigger than Wikipedia...
96. Thomas Böhm
Seine Antwort besteht aus einem einzigen Satz: „Ich bin größer als Wikipedia.“
97. Absage
Von Damaskus bis Wikipedia
Unterwegs mit dem syrischen Exilschriftsteller Aboud Saeed
von Thomas Böhm
Es sprachen:
Denis Moschitto
Und Thomas Böhm
Ton und Technik: Ernst Hartmann und Roman Weingardt
Regie: Claudia Kattanek
Redaktion: Tina Klopp
32
Eine Produktion des Deutschlandfunks 2016
98. Sprecher
Aus der „Philosophie des Liken auf Facebook“
von Aboud Saeed
Zuletzt: Das wahre Like ist das Like, das wir noch nicht bekommen haben