Das 240 Milliarden Dollar Projekt

04 / 2015
Zollkodex
Societas Europaea
Die EU will das Zollrecht ins digitale Zeitalter überführen.
Für Unternehmen bleibt wenig Zeit zur Anpassung.
Die SE ist nicht nur für Konzerne eine attraktive Gesellschaftsform. Auch Mittelständler können davon profitieren,
etwa in puncto Mitbestimmung oder Frauenquote.
!
BEPS
Das 240
Milliarden
Dollar Projekt
In Antalya haben die OECD und G20 den Steueroasen und –gestaltern den Kampf angesagt.
Was sich durch BEPS künftig ändert – siehe
Seiten 12 bis 25
360°
Business Casual
EY Mexiko-Stadt
UNAM
Avenida de los Insurgentes
Frida Kahlo Museum
Casa del Risco
San Ángel
Coyoacán
EY in Mexiko-Stadt
• Auf Seite 62 finden Sie einen Rundgang mit Jorge García Gonzalez.
„El de efe“* EY
Mitarbeiter
in Mexiko-Stadt
Mehr als die Hälfte der Industrieproduktion des Landes entsteht in Mexiko-Stadt und Umgebung.
2.037
TAX
793
Advisory
308
Assurance
847
Transaction
89
Die Metropolregion Mexiko-Stadt ist mit 21 Millionen Einwohnern die zweitgrößte urbane
Agglomeration nach Tokio (35 Millionen Menschen).
Das Colegio Aleman Alexander von Humboldt ist die größte deutsche Auslandsschule der Welt
mit fast 800 Schülern und 75 Lehrkräften.
Die Stadt ist von den Azteken auf einem ausgetrockneten See auf schlammigem Grund errichtet worden. Im Stadtzentrum kann man Kirchen und andere Gebäude sehen, die bis zu
8,50 Meter tief im Boden versunken sind.
Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Mexikos in der EU. Es werden vor allem
Kfz-Teile und Elektronik nach Deutschland importiert.
EY ist seit 80 Jahren in Mexiko vertreten. * So nennen die Einwohner ihre Stadt (El Distrito Federal).
2
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
die OECD und G20 führen das internationale Steuerrecht in eine
neue Epoche. Am 5. Oktober 2015 wurden die finalen Berichte des
BEPS-Projekts veröffentlicht. Auf dem G20 Gipfel am 16. November 2015 in Antalya wurden die OECD Pläne unterzeichnet. Für die deutschen
Unter­nehmen enthalten die Abschlussberichte Chancen, aber auch Risiken.
Die nationale Umsetzung von Maßnahmen ist international längst in vollem
Gange. Einige Länder sind sehr schnell mit der Einführung von Gesetzesände­
rungen unterwegs. Für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes
Deutschland hoffen wir auf eine Umsetzung in nationales Recht mit Augenmaß.
Letztlich wird ein „Flickenteppich“ von nationalen Regelungen resultieren,
die nicht aufeinander abgestimmt wirken könnten. Das erhöht die Gefahr einer
Doppelbesteuerung. Für die Unternehmen wird es immer wichtiger, diese
nationalen Umsetzungen zu überwachen. BEPS wird in den Unternehmens­eta­
gen und in den Aufsichtsgremien diskutiert: Wie stellt man sich im Unter­neh­men auf, um den zukünftigen Anforderungen zeitnah gerecht zu werden?
Technologieeinsatz wird erforderlich sein, um so die sogenannten Transparenz­
erfordernisse“ nach BEPS weltweit erfüllen zu können.
Von der Büchse der Pandora spricht der renommierte Steuerprofessor Wolfgang Schön im lesenswerten Interview auf den Seiten 24/25. Zuvor analysiert
ein EY-Team die 15 BEPS-Handlungsfelder auf ihre möglichen Konsequenzen
für die Wirtschaft. Klar ist: Für unsere Unternehmen beginnt eine neue Zeitrechnung, die viel Aufmerksamkeit und Aufwand abverlangt.
Kein Kopfzerbrechen, sondern kapitale Chancen bereitet dagegen die Societas
Europaea. Mit dieser attraktiven Gesellschaftsform setzt sich mein Kollege
Cornelius Grossmann in seinem Beitrag ab Seite 48 auseinander und empfiehlt
sie nicht nur großen Konzernen, sondern insbesondere auch mittelständischen
Familienunternehmen.
© Titel: iStock / Ugurhan Betin
Vor allem möchte ich Ihnen an dieser Stelle ein gesegnetes Weihnachtsfest und
einen schwungvollen Start ins neue Jahr wünschen. Bleiben Sie gesund und
uns gewogen,
Ihre Ute Benzel
Managing Partner Tax / Germany Switzerland Austria
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
3
© Anadolu Agency / Getty Images
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© Martyn Goddard / Corbis
© XXX
Die Regierungschefs der führenden
Industrie- und Schwellenländer
haben sich auf 15 Action Points
geeinigt, um gegen unfairen
Steuer­wettbewerb vorzugehen.
48
An der Europäischen
Aktiengesellschaft SE
finden auch Mittelständler
zunehmend Gefallen.
Spots
2 EY in Mexiko-Stadt
6 Global Tax: Mehrwertsteuer im internationalen Vergleich
3 Editorial Ute Benzel
8 Steuererklärung per SMS / Erbschaftsteuer
4Inhaltsverzeichnis
9Steuervergünstigungen
10 F&E-Förderung / WTO / Gabriels Expertenrunde
11 Länderwahlen / Personalien / Steuerleitfaden
Top
12
BEPS Auf international aktive Unternehmen
kommen gravierende steuerliche Änderung zu
24Professor Wolfgang Schön über die Folgen von BEPS
4
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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© iStock / Tomas Sereda
Come as you are:
Wie kleidet man sich
im Arbeitsleben –
ein unterhaltsamer
Versuch, Aufklärung
zu bringen.
26
Der Unionszollkodex soll am
1. Mai 2016 in Kraft treten.
Unternehmen müssen zügig
relevante Rechtsänderungen
identifizieren.
Tax
Law
26 Zollkodex Anpassungen vornehmen und Chancen nutzen
48SE Vorteile der Europäischen Aktiengesellschaft
29Rückstellungen Neue Urteile
51Streiks Wer zahlt bei Verspätungen und finanziellen Schäden?
30 GST Indien Hoffen auf die neue Steuer
52Datenschutz Folgen des Safe-Harbor-Urteils
32 EY Beirat Steuer 50i EStG
54 Corporate Governance Wichtige Änderungen im Kodex
33Sanierungsklausel Erleichterungen für Konzerne
56Ticker
34Förderberatung Infrastruktur beihilfefrei finanzieren
36Kindergeld Gefahren für entsandte Mitarbeiter
38Controversy Forderungsverzicht
39Controversy Betriebsprüfung
40 Tipps für Sie Richtig spenden
42 Ticker / Termine
360°
58Dresscode Kleidungsfragen für das Büro
62 Mein Mexiko-Stadt Eine Tour mit Jorge García Gonzalez
63 Veranstaltungen / Impressum
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
5
Spots
Ein Flickenteppich
Die Mehrwertsteuer zählt zu den wichtigsten Steuern, insbesondere in entwickelten Volkswirtschaften. In Deutschland beläuft sie
sich in diesem Jahr auf schätzungsweise 209 Milliarden Euro und
macht damit 31 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus.
Kein Wunder, dass klamme Regierungen gern an der Mehrwertsteuerschraube drehen. Hierzulande geschah dies zuletzt 2006,
als die damalige große Koalition den regulären Satz von 16 auf 19
Prozent erhöhte. Begründet wurde dies mit der Finanzierung eines
Investitionsprogramms und Entlastungen bei den Sozialabgaben.
Unsere Weltkarte zeigt, dass auch viele andere Staaten die Mehrwertsteuer erhöht haben. Weltweit gibt es überhaupt nur noch vier
Staaten, die auf diese Einnahmequelle verzichten.
In der EU ist die Mehrwertsteuer völlig zersplittert mit unterschiedlichen Steuersätzen und Ausnahmeregeln. Die EU-Kommission
sieht dies mit Sorge. „Wenn Steuerregelungen die Entscheidung
beeinflussen, in welchen Ländern Waren und Dienstleistungen
erworben oder verkauft werden sollen, ist die wirtschaftliche Neutralität der Mehrwertsteuer nicht mehr gewährleistet, und das
EU-28 Mehrwertsteuersätze
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Regelsatz 7
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Zwischensatz 7
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Ermäßigte Sätze 8
5
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Zusätzlich können die EU-Länder einen oder zwei ermäßigte Steuersätze einführen, die nicht niedriger als fünf Prozent sein dürfen. Die ermäßigten Steuersätze gelten nur für
Waren und Dienstleistungen bestimmter Kategorien. Allerdings
können die EU-Länder unter bestimmten Bedingungen auf Lieferungen von Erdgas, Elektrizität und Fernwärme einen ermäßigten Steuersatz erheben. Durch Ausnahmegenehmigung wurden
einige EU-Länder ermächtigt, in bestimmten Bereichen ermäßigte oder besonders ermäßigte Steuersätze beizubehalten oder die
Steuersätze auf Null zu senken. Folglich bleibt die EU mehrwertsteuermäßig ein Flickenteppich.
Stark ermäßigter Satz 3
0
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Nullsatz Funktionieren des Binnenmarktes wird stark
beeinträchtigt“, so die Kommission. Deshalb
verabschiedete Brüssel 2006 die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie. Demnach ist der normale Mehrwertsteuersatz auf einen Prozentanteil
der Steuerbemessungsgrundlage festgelegt, der
bis 31. Dezember 2015 nicht niedriger als 15 Prozent sein darf.
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Global Tax
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-4 bis -2
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Veränderungen der
Mehrwertsteuersätze
von 2005 bis 2015
in Prozentpunkten
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2 bis 4
4 bis 6
keine VAT
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keine Angabe
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Mehrwertsteuersatz auf Übernachtungen
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Quellen: IBFD, Europäische Kommission, EY 2015 Worldwide VAT, GST and Sales Tax Guide
Mehrwertsteuersatz auf Restaurantdienstleistungen
7
Spots
Steuererklärung per SMS
Für viele Bundesbürger ist das Erstellen ihrer Steuererklärung eine Strafarbeit. Selbst ehemalige Finanzminister gestehen, sich wegen des komplizierten Steuerrechts schwer zu tun. Gut für die Steuerberater, sie
erstellen in Deutschland fast die Hälfte aller Einkommensteuererklärungen. In anderen Ländern ist der
Anteil noch größer, so eine OECD-Studie, in einigen
aber auch deutlich geringer.
Bis dato wussten sich die Italiener beim komplexen Steuerrecht
nicht anders zu helfen und griffen zu 99 Prozent auf einen Commercialistas, einer Kombination aus Steuerberater und Jurist, zurück.
Seit diesem Jahr können sie von einer vorausgefüllten Steuererklärung online Gebrauch machen.
Wer macht die Steuererklärung?
Anteil Steuerberater Die Österreicher unterscheiden zwischen der Arbeitnehmerveranlagung und der Einkommensteuererklärung. Erstere können Arbeitnehmer leicht ausfüllen. Doch wer will sich eine der rund 560 Sonderbestimmungen des Einkommensteuergesetzes durch die Lappen
gehen lassen, die der Rechnungshof 2013 auflistete? Das hievt
die Österreicher auf Platz 2 der Länder, in denen die meisten Steuererklärungen durch Steuerberater gemacht werden.
In Schweden erheben die Gemeinden und Provinzverwaltungen
die Einkommensteuer. Erhält der Schwede sein Formular für die
Steuererklärung, sind nicht nur die Einnahmenfelder, sondern auch
mögliche Steuerabzüge bereits durch das Skatteverket vorausgefüllt. Hat man sich etwa ein Haus auf Kredit gekauft, dann steht in
dem Steuerformular bereits der absetzbare Zinsaufwand. Ist alles
korrekt ausgefüllt, kann der Steuerzahler der Behörde einfach per
SMS mitteilen, dass er einverstanden ist. 2014 deklarierten so rund
Anteil Steuerpflichtige
1 %
20 %
33 %
37 %
50 %
Italien
Irland
Neuseeland
Vereinigte Staaten
Südkorea
19 %
26 %
34 %
49 %
57 %
Österreich
Australien
Vereinigtes Königreich
Kanada
Deutschland
Übertragenes Vermögen
Angaben in Milliarden Euro
Was Du heute kannst übertragen, …
Viele Unternehmerfamilien haben die drohende Verschärfung
im Rahmen der Erbschaftsteuerreform offenbar genutzt,
um Betriebsvermögen vorzeitig zu übertragen. 2014 erhöhte
sich das vererbte und geschenkte Vermögen insgesamt um
55 Prozent auf 109 Milliarden Euro. Das geerbte Vermögen belief
sich auf 38,3 Milliarden Euro (+ 26 Prozent) und aus Schenkungen
auf 70,5 Milliarden Euro (+77 Prozent), jeweils vor Abzug von
Steuerbefreiungen. Auf Betriebsvermögen entfielen bei den Übertragungen fast 45 Prozent.
38
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2009
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geerbt 8
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
geschenkt Quelle: Statistisches Bundesamt
Spots
750.000 Schweden ihre Steuererklärung. Es gibt kein Steuergeheimnis. Jährlich erscheint der Taxeringskalender, in dem jeder Bürger nach Postleitzahlen sortiert nachschlagen kann, welches Einkommen und Vermögen sein Nachbar oder Chef, ein prominenter
Politiker oder Manager versteuert.
Doch warum haben es etwa die Dänen leichter? Jeder Däne hat bei
der Steuerbehörde SKAT einen elektronischen Zugang zu seiner
Steuermappe und kann sie selbstständig ändern oder die Steuererklärung online erstellen. Zum ersten Quartalsende liegt ein vorläufiger Steuerbescheid online vor, den jeder Däne binnen vier Wochen
abändern kann. Danach verschickt die SKAT die Bescheide per Post.
Was wären die Portugiesen ohne ihre Steuernummer? Diese ist
bei jedem Miet-, Telefon- oder Wasserwerkvertrag anzugeben. Das
Finanzamt sendet zu Jahresbeginn jedem Steuerpflichtigen die
Basisformulare zur Abgabe der Steuerklärung zu. Die Steuererklärung kann dann postalisch oder online abgegeben werden.
In der Türkei kassiert das Finanzamt die Einkommensteuer als Quellensteuer (Stopaj) ohne die jährliche Steuererklärung abzuwarten.
Bei Mietverhältnissen ist der Mieter, bei Freiberuflern der Klient, bei
Zinserträgen die Bank und bei Dividenden die ausschüttende Gesellschaft verpflichtet, die Quellensteuer abzuziehen und dem Finanzamt abzuführen. Und Angestellten ziehen die Unternehmen – wie
in Deutschland – die Einkommensteuer automatisch vom monatlichen Gehalt ab. Auf dem Papier klingt das zuverlässig. Doch viele
lassen sich ihr Gehalt in bar auszahlen und der türkische Fiskus geht
leer aus, nach dessen Schätzung passiert das bei rund jedem dritten Bürger.
60 %
75 %
83 %
95 %
99 %
Luxemburg
Niederlande
Belgien
Dänemark
Türkei
60 %
76 %
90 %
98 %
Slowakei
Island
Schweden
Portugal
Quellen: OECD, eigene Recherche
© iStock / Thomas Saupe
Die 20 größten
Steuervergünstigungen
Mit rund 7,7 Milliarden Euro wird Energie & Strom am m
­ eisten
­steuerlich von der Bundesregierung begünstigt. Dies ist dem
­Entwurf des Haushaltsgesetzes 2016 bei genauerer Betrachtung
der 20 größten Steuervergünstigungen zu entnehmen, die sich
allein auf rund 14 Milliarden Euro summieren.
So verteilen sich die 20 größten Steuervergünstigungen
Angaben in Milliarden Euro, in Gruppen zusammengefasst
3,27
Ermäßigter Umsatzsteuersatz
(z. B. kulturelle Leistungen,
­Personenbeförderung, Beherbergung)
7,72
Strom und Energie
1,19
Steuerbefreiung für
gesetzliche oder
tarifliche Zuschläge
Steuerermäßigung für
spezielle Branchen (z. B.
Handwerk, Land- und Forstwirtschaft, Zahntechnik)
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
0,91
0,46
Förderung
Altersvorsorge
9
Spots
Steuerliche F&E-Förderung
Über die Steigerung der volkswirtschaftlichen Innovationskraft
durch eine intensivierte Förderung von F&E herrscht ein politischer
Konsens zwischen staatlichen Akteuren, Wirtschaft und Wissenschaft. Uneinigkeit herrscht jedoch über die Instrumentenwahl. Viele Staaten verfolgen einen Mix aus direkter und indirekter (steuerlicher) Förderung von F&E.
Zuletzt wurden in Deutschland konkrete steuerliche Maßnahmen im
Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP avisiert (26.10.2009). Auf
dem Feld der steuerlichen Förderung von F&E ist dennoch bis dato
in Deutschland nichts geschehen.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will mehr Forschung und Entwicklung in Deutschland. Der F&E-Anteil am BIP
solle von knapp drei auf vier Prozent steigen (für Unternehmen
und andere Einrichtungen). Um dieses Ziel zu erreichen, plädiert
Gabriel für eine steuerliche F&E-Förderung. Allerdings fürchtet
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutliche Steuerausfälle. Damit dürften Unternehmen hierzulande vorerst im
Nachteil gegenüber der Konkurrenz in anderen Ländern bleiben,
wo F&E steuerlich gefördert wird.
Top 10 + Deutschland der staatlichen Förderung von F&E in Unternehmen
2013, in Prozent des BIP
1.
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0,15
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0,07
0,07
0,16
0,03
0,18
Direkte Projektförderung in Unternehmen Steuerliche Förderung in Unternehmen
…
25.
0,08
deu
Quelle: OECD Science, Technology and Industry Scoreboard 2015
…
EY in Gabriels Expertenrunde
Die Welthandelsorganisation (WTO) kämpft für einen Abbau von
Zöllen und sonstigen Handelshemmnissen. Doch die Verhandlungen
gestalten sich zäh und zäher. Die führenden Handelsblöcke suchen
nun vermehrt nach bilateralen Abkommen. So die EU und USA mit
TTIP. Gerade erst einigten sich ein Dutzend Pazifik-Anrainer auf eine
Transpazifische Partnerschaft (TPP). In der WTO sind die Stimmen
nicht zu überhören, dass der Entscheidungs- und Abstimmungsprozess reformiert werden muss. Zu den WTO-Grundprinzipien zählen
Meistbegünstigung, Inländerprinzip, Transparenz, Liberalisierung
und Gegenseitigkeit, zu der sich mittlerweile 161 Mitglieder bei der
Ausgestaltung ihrer Handelspolitiken verpflichten.
Zum Round Table „Mehr
Börsengänge von jungen
Wachstumsunternehmen
in Deutschland“ hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ausgewählte
Spezialisten der IPO-Szene in Deutschland eingeladen, darunter auch von
EY. Ziel der Initiative ist
es zu prüfen, wie Börsengänge für innovative und
wachstumsstarke Unternehmen wieder attraktiver
werden können. Derzeit
hat Deutschland etwa im
Vergleich zu den USA beträchtlichen Nachholbedarf. Zu den Empfehlungen des Runden Tisches zählt u. a., bei der Besteuerung von
Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz auf Mehrbelastungen für
Wagniskapitalinvestitionen zu verzichten, den Fortbestand von Verlustvorträgen bei Start-ups auch bei Einstieg von neuen Investoren
zu gewährleisten und die Corporate Governance für kleinere und
mittlere Unternehmen zu erleichtern.
Anzahl der WTO-Mitglieder im Zeitverlauf
Industrieländer Entwicklungsländer
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45
20
127
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88
54
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66
22
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22
22
98
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140
117
149
153
126
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137
138
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76
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23
23
1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2014 2015
Quellen: WTO; Institut der deutschen Wirtschaft Köln
10
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
© Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
20 Jahre WTO
Spots
Bundesrat: 21 aus 69
Personalia Intern
Die Landtagswahlen im Jahr 2016 können die K
­ räfte­verhältnisse im Bundesrat nach langer Pattsituation
zwischen Regierung, Opposition und neutralem Lager
verändern. Den Anfang machen am 13. März 2016
Baden-Württemberg (6 Stimmen im Bundesrat), Rheinland-Pfalz (4 Stimmen) und Sachsen-Anhalt (4 Stimmen).
Im Herbst wählen die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern (3 Stimmen) und Berlin (4 Stimmen). In BadenWürttemberg deutet alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen
zwischen Rot/Grün und Schwarz/Gelb hin. In RheinlandPfalz könnte das Schicksal von Ministerpräsidentin
Malu Dreyer (SPD) auch vom Abschneiden der zuletzt
nicht vertretenen FDP abhängen.
13
Rheinland-Pfalz
13
13
18
4
SACHSEN-ANHALT
MÄRZ
MÄRZ
Baden-Württemberg
MÄRZ
Berlin
Mecklenburg
Vorpommern
SEPTEMBER
SEPTEMBER
Leitfaden für die
Übertragung von Vermögen
Unser aktualisierter EY Worldwide Estate and
Inheritance Tax Guide 2015 liefert einen detaillierten steuerrechtlichen Überblick für die Übertragung von Vermögen auf
378 ­Seiten für 39 Staaten.
Nutzen Sie den QR-Code für
einen direkten Download.
Die bisherigen Bereiche People & Organizational Change
(P&OC) und Human Capital (HC) bilden seit Oktober
2015 die People Advisory Services (PAS). Leiterin in
Deutschland, Österreich und der Schweiz (GSA) ist Ulrike
Hasbargen, die über zehn Jahre lang GSA HC leitete
und über umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen
Tax Compliance und Optimierung der Personenbesteuerung und Prozessverbesserung verfügt.
GSA Talent Leiter in PAS ist Peter Härzke, der über 18
Jahre Erfahrung im Bereich des HR Consultings verfügt.
Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören vor allem
die Weiterentwicklung von Personalstrategien und das
Talent Management.
Als GSA Systems Leiter in PAS hilft Erhard Pfeiffer unseren Mandanten bei der Entwicklung und Umsetzung
von technischen HR-Strategien sowie insbesondere bei
Transformationsvorhaben im Bereich Payroll (offshoring,
outsourcing etc.). Pfeiffer hat über 23 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Human Resources, Gehaltsabrechnung und Change Management Consulting.
Nelson Taapken leitet in PAS GSA den Bereich Performance. In seine neue Rolle bringt er herausragende
Expertise in dem Bereich HR Transformation oder z. B.
der Geschäftsprozessanalyse des Personalmanagements
ein. Hierbei wird er unsere Kapazitäten bei der Beratung
von Personal-Betriebsmodellen, der Prozesseffizienz von
Personalabteilungen oder des Personaltransfers und
dem Change Management für veränderte Organisationsstrukturen weiter spezialisieren und ausbauen.
Neuer PAS GSA Mobility Leader ist Ingo Todesco. Als
Partner berät er zahlreiche Unternehmen im Rahmen von
grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen. Zu seinen
Beratungsschwerpunkten zählen alle Aspekte von großen
Entsendeprogrammen einschließlich der körperschaftsteuerlichen Aspekte, Compliance bei Business Travellern,
Mehrfachfunktionen und Prozessverbesserungen.
Karl Wirth ist GSA Reward Leiter in PAS. Seit 2008 ist er
Partner bei EY, seine Spezialgebiete liegen im Transaction
Support, der HR-/Pensions-Due Diligence, Beratung von
Pensions- und Vergütungsstrukturen sowie der betrieblichen Altersvorsorge großer Unternehmen und HR Risikoanalysen.
Neuer Leiter der EY Private Client Services ist Sven
Oberle, der auf Astrid Wimmer folgt. Private Client Services bietet einen ganzheitlichen Beratungsansatz für vermögende Privatpersonen und Family Offices. Oberle verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung und
Begleitung von Familienunternehmen, vermögenden Privatpersonen und Family Offices in unterschiedlichen steuerlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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BEPS
Das 240
Milliarden
Dollar Projekt
Die OECD Staaten haben sich gemeinsam mit den G20 Staaten
auf einen Rahmen für die Fortentwicklung des Internationalen
Steuerrechts zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung sowie
schädlichem Steuerwettbewerb verständigt. Für Unternehmen
beginnt eine neue Zeitrechnung.
M
ehr Transparenz, weniger Abzugsmöglichkeiten
von Zinsaufwendungen, eine Neuzuordnung der
Gewinne entlang der Wertschöpfungskette –
die Liste der angestrebten, weitreichenden Veränderungen im Steuerrecht ist lang und soll weltweit das Steueraufkommen um rund vier bis zehn Prozent der körperschaftssteuerlichen Bemessungsgrundlage erhöhen, also
um bis zu 240 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Für die Steuerwelt markiert der 16. November 2015 den Beginn einer
neuen Epoche. An diesem Tag unterzeichneten die Staatsund Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und
Schwellenländer (G20) in Antalya den BEPS-Aktionsplan
der OECD. BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting
und wendet sich gegen Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen multinational tätiger Unternehmen. Auf
diese kommen gravierende Änderungen zu. Alle grenzüberschreitend agierenden Unternehmen müssen jetzt
ihre Steuerposition in den verschiedenen Ländern überprüfen, absichern und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen
einleiten. Die Umsetzung des BEPS-Projekts in nationales
Recht steht unmittelbar bevor.
Das BEPS-Projekt, an dem mehr als 60 Staaten beteiligt sind, wird als die erste substanzielle Überarbeitung
der internationalen Steuerstandards in fast einem Jahr-
12
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
hundert bezeichnet. Nun stehen die Staatengemeinschaft
und die Unternehmen vor der Herausforderung, die vorgeschlagenen Maßnahmen auf internationaler und nationaler Ebene umzusetzen bzw. auf diese Maßnahmen zu
reagieren. Das BEPS-Zauberwort lautet dabei Transparenz. Transparent sollen die steuerlichen Vorschriften der
einzelnen Staaten sein, und auch die Unternehmen sollen steuerlich durchschaubarer werden. Alles dreht sich
um eine „faire“ Besteuerung der Wertschöpfung, den Verzicht auf „unfaire“ Steueranreize einzelner Staaten und
die Verhinderung von „aggressiver“ Steuergestaltung
durch multinationale Unternehmen. Besonders im Visier
sind Finanztransaktionen und die Nutzung immaterieller
Güter wie z. B. von Markenrechten.
Professor Wolfgang Schön vom Max-Planck-Institut für
Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München weist
im EY-Interview darauf hin: „Die bestehende internationale Besteuerungsordnung ist nicht daran ausgerichtet,
wo Wertschöpfung stattfindet.“ Schön zeigt sich erstaunt
darüber, „dass die pauschale Erklärung „Besteuerung
dort, wo Wertschöpfung stattfindet“ so wenig Widerspruch gefunden hat.“ (Interview siehe Seite 24.)
© Anadolu Agency / Getty Images
TOP
Vertrag zulasten Dritter
Am Ende der BEPS-Gespräche liegen viele harte und eindeutige Empfehlungen auf dem Tisch, wie Steuergestaltungen der Unternehmen bekämpft werden sollen. Die
Eindämmung des Steuerwettbewerbs durch die Staaten
ist dagegen weit zurückgeblieben. So fehlt allem voraus
die Verpflichtung der Staaten, die vermehrt zu befürchtenden Fälle einer Doppelbesteuerung mittels eines verbindlichen Schiedsgerichtsverfahrens zu beseitigen. So
gelten zwar im Rahmen hybrider Gestaltungen die sogenannten linking rules – also Abzug in einem Staat nur,
wenn auch Besteuerung im anderen Staat. Entsprechendes gilt aber nicht beim Zinsabzug. Entfällt der Zinsabzug
in einem Staat, werden die Zinseinnahmen im anderen
Staat dennoch besteuert. Mit anderen Worten: Das BEPS
Projekt wirkt in wesentlichen Teilen wie der Abschluss
eines Vertrags zulasten Dritter. Weil sich die Staaten
untereinander in vielen Bereichen nicht auf Mindeststandards der Besteuerung einigen konnten, werden die weiter bestehenden Verwerfungen auf die Unternehmen
als Steuerzahler überwälzt. Sie müssen mit erheblichem
Mehraufwand in der Steuerfunktion rechnen. Das betrifft
sowohl die Erfüllung der Reporting-Verpflichtungen als
auch den Nachweisaufwand im Rahmen der Erstellung
der Steuererklärung, die erhöhte Anzahl von Einspruchs-,
Gerichts- und Verständigungsverfahren und Vorabverständigungen zu Steuerfragen. Die Staaten rüsten auf,
die Unternehmen müssen nachziehen.
Erhebliche Risiken
Für die deutschen Unternehmen enthalten die BEPSAbschlussberichte zwar auch Chancen, aber vor allem
erhebliche Risiken. Das deutsche Unternehmensteuerrecht erfüllt schon heute die meisten Anforderungen, die
die OECD nun stellt. Eine einseitige weitere Verschärfung
ginge zu Lasten der hiesigen Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Deutschland – am Ende auch zu Lasten des Staatshaushalts. Umgekehrt wäre es ein Beitrag
zur steuerlichen Waffengleichheit, wenn andere Staaten
ihre Standards in Richtung des deutschen Niveaus anheben würden.
Standard setzen
Letztlich ist das BEPS-Projekt für die OECD auch ein Vehikel, sich als Standardsetzer im Bereich des internationalen Steuerrechts gegenüber den Vereinten Nationen zu
behaupten. Gerade mit Blick auf die Einbindung der G20,
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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© Anadolu Agency / Getty Images
„It will allow countries to draw up the
co-ordinated, comprehensive and transparent
standards they need to prevent BEPS.
International tax rules, many of them dating
from the 1920s, ensure that businesses
don’t pay taxes in two countries – double
taxation. This is laudable, but unfortunately
these rules are now being abused to
permit double non-taxation. The Action Plan
aims to remedy this, so multinationals also
pay their fair share of taxes.“
OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung des Aktionsplans
in denen wichtige Schwellenländer vertreten sind, sowie
die Beteiligung von Entwicklungsländern am Verlauf des
BEPS-Projekts wird deutlich, unter welchem Druck die
OECD als Zusammenschluss der Industrieländer steht. Es
geht darum, die Schwellen- und Entwicklungsländer auf
gemeinsame Steuerstandards zu verpflichten. Gelingt
dies nicht, drohen die Industriestaaten die Deutungshoheit im internationalen Steuerrecht zu verlieren.
Das BEPS-Projekt von OECD/G20 ist zudem im Kontext mit
anderen Entwicklungen zu sehen. Für Deutschland sind vor
allem die Initiativen von EU-Kommission und EU-Parlament
wichtig. Gemeinsam ist ihnen das Streben nach erhöhter
Transparenz im Bereich der Unternehmensbesteuerung.
Dazu zählt ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission,
über den die europäischen Finanzminister am 6. Oktober
2015 eine politische Einigung erzielt haben. Dieser soll die
Mitgliedstaaten zum automatischen Austausch von Informationen über grenzübergreifende Steuervorbescheide
sowie über Vorabverständigungsvereinbarungen verpflichten. Mitgliedstaaten, denen die Informationen übermittelt werden, können gegebenenfalls weitere Informationen
anfordern. Die Kommission kann ein sicheres Zentralverzeichnis einrichten, in dem die ausgetauschten Informationen gespeichert werden. Die entsprechenden Regelungen
sollen zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.
EU-Initiativen über BEPS hinaus
Im Rahmen des Aktionsplans der EU-Kommission für eine
faire und effiziente Unternehmensbesteuerung führte die
Kommission eine öffentliche Konsultation zur Ausweitung
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
des Country-by-Country Reportings (CbCR) durch. Dabei
ging es auch um die Frage, inwieweit die Daten nicht nur
gegenüber den Steuerbehörden, sondern auch gegenüber
der Öffentlichkeit offengelegt werden sollen. Die Ergebnisse der Konsultation werden im Rahmen des Impact
Assessments, das die Kommission derzeit erstellt, berücksichtigt. Die Ambitionen der EU-Kommission, noch über
das im Rahmen von BEPS vorgesehene CbCR hinauszugehen, sind dabei unübersehbar.
Die EU-Kommission plant darüber hinaus, sich über Steuervorbescheide (dazu zählen in Deutschland etwa verbindliche Auskünfte) der Mitgliedstaaten mit den Mitteln
des europäischen Beihilfenrechts zu informieren. Bereits
Ende 2014 forderte die Kommission von zahlreichen Mitgliedstaaten zunächst Informationen über die rechtlichen
Grundlagen für die Erteilung von Steuervorbescheiden,
die Aufschlüsselung nach Art der den Auskünften jeweils
zugrundeliegenden Transaktionen sowie der Kategorien
der erteilten Auskünfte an. Darauf aufbauend ersuchte
die EU-Kommission im Sommer 2015 die einzelnen Länder, um stichprobenhaft Steuervorbescheide von ausgewählten Unternehmen zu bekommen.
Die Waffe des Beihilferechts
Die Kommission macht sich dabei das Beihilfenrecht
zunutze, um zum einen das in vielen Mitgliedstaaten
bestehende Steuergeheimnis auszuhebeln und gleichzeitig das Einstimmigkeitserfordernis für Maßnahmen im
Bereich des direkten Steuerrechts zu umgehen. Dabei
sind zahlreiche Fragen, insbesondere über das Verhältnis
© AFP / Getty Images
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Zusammentreffen der Regierungsspitzen in Antalya. Neben Fragen der Flüchtungspolitik wurde auch
über das Steuerrecht verhandelt.
von europäischem Beihilferecht zum nationalen Verfahrensrecht (Steuergeheimnis, Datenschutz) der Mitgliedstaaten, noch ungeklärt.
Auch das Europäische Parlament (EP) tritt für weitrei­
chende Steuertransparenz ein. Das geschieht nicht
zuletzt unter dem Eindruck von „Luxembourg Leaks“,
also der Affäre um veröffentlichte Details von steuerlichen Begünstigungen einzelner Unternehmen durch die
Luxemburger Finanzverwaltung. Das EP plädiert für ein
äußerst weitgehendes CbCR für große Unternehmen,
das die Offenlegung von steuerrelevanten, länderbezo­
genen Unternehmensdaten sowie von Informationen
über Steuervorbescheide im Geschäftsbericht vorsieht.
Auch diese Forderung geht deutlich über die im Rahmen
des BEPS-Projekts vereinbarten Vorgaben hinaus.
Die unterschiedlichen Initiativen sorgen bei den Unternehmen für Rechts- und Planungsunsicherheit. Aus deren
Sicht ist eine Koordinierung der einzelnen Steuerinitiativen wichtig. Vor allem besteht die Gefahr, dass hohe Steueranforderungen der EU-Institutionen zu einem einseitigen Wettbewerbsnachteil für europäische Unternehmen
führen. Und innerhalb der 28-EU-Staaten besteht zudem
die Gefahr, dass die nationalen Gesetzgeber die Brüsseler
Vorgaben unterschiedlich aufgreifen und umsetzen. Für
hiesige Unternehmen dürfte es dabei wenig tröstlich
sein, dass Deutschland gern eine Vorreiterrolle einnimmt.
Der allen Initiativen gemeine Ruf nach mehr Transparenz ist von besonderer Brisanz, da sich aus den dadurch
gewonnenen Erkenntnissen neue politische Forderungen
ergeben können – insbesondere, wenn sich die öffentliche
Meinung auf vermeintliche Ungerechtigkeiten einschießt.
Probleme sind etwa programmiert, wenn es im Licht
von CbCR zwischen den Staaten zum Streit kommt, wo
welche Wertschöpfung wie besteuert werden darf. Es
geht dabei letztlich um eine Neuverteilung des globalen
Steuersubstrats.
Widerstand aus den USA
Die Industrieländer, insbesondere Deutschland, drohen
bei diesem steuerpolitischen Tauziehen gegenüber den
Schwellenländern zum fiskalpolitischen Verlierer zu werden. Inzwischen gibt es auch von Berliner Regierungsseite durchaus kritische Stimmen, die nicht nur vermeintliche steuerpolitische Chancen, sondern auch eben diese
drohenden fiskalischen Risiken benennen. Und in den
USA betonen Kongress-Abgeordnete wie Orrin Hatch,
Vorsitzender des mächtigen Finanzausschusses im Senat,
sie würden auf keinen Fall zulassen, dass amerikanische
Unternehmen wegen BEPS mehr Steuern in anderen
Staaten zahlen sollen.
Die finalen BEPS-Berichte umfassen 15 sogenannte
Action Points (Handlungsfelder), in denen die OECD Problemfelder beschreibt und Lösungen empfiehlt. Im Folgenden konzentriert sich das Tax & Law Magazine auf vier
Handlungsfelder, die für Unternehmen besonders relevant sind.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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2
ACTION POINT
Hybrid Mismatch
Hybride Gestaltungen in Form von Finanzinstrumenten und Gesellschaften können nach
dem Bericht der OECD genutzt werden, um
eine (doppelte) Nichtbesteuerung, doppelten Betriebsausgabenabzug, einen langfristigen Steueraufschub oder andere Effekte zu
erreichen. Punkt 2 des BEPS-Aktionsplans
fordert daher Regeln im OECD-Musterabkommen und Empfehlungen für die Formulierung
nationaler Regeln, um derartige Effekte zu
neutralisieren. Die Vorhaben der OECD sind
bei hybriden Gestaltungen im Grundsatz verständlich. Es liegt nicht im Interesse der Staaten, dass Einnahmen nicht (voll) versteuert
werden, aber andererseits die Betriebsausgaben ein- oder mehrfach geltend gemacht
werden bzw. Steueranrechnungsbeträge in ungerechtfertigter Weise mehrfach zu
Anrechnung gelangen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Staaten droht jedoch nicht
nur ein Einebnen von möglichen Steuerplanungsmodellen, sondern darüber hinaus eine
steigende Zahl von Doppelbesteuerungstatbeständen. Hinzu kommt ein höherer Prüfungs- und Dokumentationssaufwand in
den Steuerabteilungen, denn der Betriebsausgabenabzug wird in Zukunft vermehrt
davon abhängen, dass eine korrespondierende Besteuerung beim Empfänger nachgewiesen wird. Darauf sind die Steuerabteilungen heute nicht vorbereitet. Es ist auch nicht
klar, welcher Grad an Nachweis dafür im Einzelfall erforderlich sein wird. Da auch Mehrländerfälle sowie Dreieckskonstellationen etc.
ausführlich in den Beispielen des Berichtes
zu dem Handlungsfeld 2 dargelegt sind, ist
es wahrscheinlich, dass auch Strukturen, die
mehrere Länder betreffen, einheitlich in allen
Staaten erhöhten Nachweispflichten für den
Betriebsausgabenabzug unterfallen werden.
Es erscheint daher auch nicht unerwartet,
dass womöglich zunächst mehrere Staaten
den Betriebsausgabenabzug versagen, bis
jeweils von allen anderen Staaten hinreichende Nachweise über die volle Versteuerung
der Bezüge vorliegen. Hierbei ist beachtlich,
dass es in diesem Zusammenhang nicht nur
um die Grundsatzfrage geht, ob bestimmte Betriebsausgaben in einem anderen Staat
überhaupt in die Bemessungsgrundlage Ein-
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
gang finden, sondern darüber hinaus im
Einzelfall auch der Nachweis zu erbringen
wäre, dass diese Betriebseinnahmen einer
vollen, ungeschmälerten Besteuerung unterfallen (z. B. weder ein Präferenzsteuersatz,
noch eine ermäßigte Besteuerung). Nachgewiesen werden muss auch, ob und inwieweit
die Steuer durch Steueranrechnungsbeträge etc. gemindert wurde, was unter Umständen gleichfalls bereits als schädliche Minderbesteuerung einzuordnen wäre. Weiterhin
sind auch Folgeeffekte im Rahmen späterer
Betriebsprüfung gegebenenfalls von Bedeutung, die dann wiederum in anderen Staaten korrespondierende Gegenberichtigungen
auslösen könnten (bzw. müssten, soweit noch
keine Festsetzungsverjährung eingetreten
ist). Versagt z. B. in einer späteren Betriebsprüfung ein Staat bestimmten Betriebsausgaben den Abzug, so kann dies im Empfängerstaat der Leistung dann ggf. nachträglich
wiederum doch zur Freistellung führen, um
eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Beispiel 1
Hybrides Finanzinstrument
B Co erhält eine hybride Finanzierung von
A Co. Das Finanzierungsinstrument wird in
Staat B als Fremdkapital behandelt, während
in Staat A die Zahlung keiner Besteuerung
unterliegt bzw. eine Steuererleichterung
(z. B. Befreiung, Nichtberücksichtigung, indirekte Steueranrechnung) für die im Rahmen
dieses Instruments erhaltenen Zinszahlungen
gewährt wird (z. B. weil Staat A von Eigenkapital ausgeht).
Die betroffenen Staaten sollen laut BEPSHandlungsfeld die Nichtbesteuerung mittels sogenannter Korrespondenzregelungen
(„linking rules“) beseitigen. Ist die Nichtbesteuerung im Staat A auf die Freistellung von
Dividenden zurückzuführen, so ist die Freistellung insoweit zu versagen. Diese Maßnahme entspricht hierzulande im Grundsatz § 8b
Abs. 1 Satz 2 KStG sowie Art. 4 der MutterTochter-Richtlinie. Weiterer Regelungsbedarf
in Deutschland besteht insoweit grundsätzlich nicht. Soweit der Staat A entgegen der
Empfehlung keine volle Einmalbesteuerung
sicherstellt, so empfiehlt der Aktionsplan als
„Response“, den Betriebsausgabenabzug im
Land B zu versagen. Eine solche Regelung
kennt Deutschland bislang nicht. Als Maßnahme der dritten Stufe sieht Handlungsfeld 2
eine „Defensive rule“ vor: Das Land A soll die
Zahlung als ordentliche Einnahme erfassen.
Ob Deutschland mit der Regelung des § 8b
Abs. 1 Satz 2 KStG bereits eine volle Besteuerung der Einnahmen sicherstellt, ist unter
Umständen kritisch zu diskutieren. Zwar
erfolgt grundsätzlich eine volle Erfassung bei
der Körperschaftsteuer. Das gilt aber nicht
für die Gewerbesteuer. Fraglich ist also, ob
eine Nichteinbeziehung bei der Gewerbesteuer dennoch als volle Besteuerung in Deutschland gilt.
Beispiel 2
Hybrider Rechtsträger
A Co hält sämtliche Anteile an einer ausländischen Tochtergesellschaft B Co. Letztere ist ein hybrider Rechtsträger, der für die
Besteuerung in Staat A nicht berücksichtigt
wird. B Co nimmt ein Darlehen bei A Co auf
und zahlt Zinsen auf dieses Darlehen. B Co
wird von Staat A als transparent behandelt,
und weil A Co der einzige Anteilseigner an B
Co ist, existiert B Co aus Sicht des Staates A
somit nicht. Die Nichtberücksichtigung von B
Co bedeutet, dass das Darlehen und folglich
auch die Zinsen auf das Darlehen zwischen
A Co und B Co in Staat A ignoriert werden. B
Co wird für Steuerzwecke mit ihrer operativen Tochtergesellschaft B Sub 1 konsolidiert,
wodurch es ihr möglich ist, den Zinsabzug
gegen das Einkommen von B Sub 1 steuerlich
geltend zu machen.
Als vorrangige Maßnahme soll der Ansässigkeitsstaat des Zahlenden (Staat B) den
Betriebsausgabenabzug versagen. Als
„Abwehrregel“ soll der Staat des Zahlungsempfängers (Staat A) die Zahlung als ordentliche Einnahme erfassen. Wie im Beispiel 1
sollen diese Gegenmaßnahmen nur im Konzern bzw. bei strukturierter Gestaltung gelten. Grundsätzlich kennt Deutschland diesbezüglich bislang keine Regelungen.
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Beispiel 3
Umgekehrt hybride Rechtsträger
A Co hält 100 Prozent an ihrer Tochter B Co.
Diese wird in Staat B als steuerlich transparent behandelt, jedoch in Staat A als Kapitalgesellschaft. C Co, ein in Staat C ansässiges Unternehmen, nimmt ein Darlehen bei
B Co auf und zahlt Zinsen auf dieses Darlehen. Zahlungen an einen umgekehrt hybriden Rechtsträger („Reverse Hybrid“) können
zu D/NI-Ergebnissen führen, wenn die Zahlung zwar an der Quelle (Staat C) abzugsfähig
ist, aber weder in Staat A noch B als Einnahmen berücksichtigt werden.
Handlungsfeld 2 sieht als Gegenmaßnahme
vor, dass Staat C den Betriebsausgabenabzug versagen soll. Auch hier soll der Betriebsausgabenabzug nur in konzerninternen Fällen
bzw. bei strukturierten Gestaltungen versagt
werden. Ergänzend sollen Verschärfungen
der Hinzurechnungsbesteuerung im Land A
bzw. eine Ausweitung der Steuerpflicht im
Land B geprüft werden.
Beispiel 4
Doppelter Betriebsausgabenabzug
bei hybriden oder doppelt ansässigen
Rechtsträgern
A Co hält wiederum 100 Prozent an ihrer
ausländischen Tochtergesellschaft B Co. Diese wird für die Besteuerung in Land A nicht
berücksichtigt (disregarded). B Co nimmt bei
einer Bank ein Darlehen auf und zahlt Zinsen
auf dieses Darlehen. B Co bezieht keine weiteren Einnahmen. Weil B Co in Staat A nicht
berücksichtigt wird, gilt A Co für die Zwecke
der steuerrechtlichen Vorschriften von Staat
A als Darlehensnehmer. Folglich führt diese Gestaltung zu einem Zinsabzug nach den
Rechtsvorschriften von Staat A und Staat B.
B Co wird für Steuerzwecke mit ihrer operativen Tochtergesellschaft B Sub 1 konsolidiert,
wodurch sich der Zinsabzug gegen die Gewinne der B Sub 1 auswirkt. Im Ergebnis werden
die Zinsausgaben zweimal steuerlich geltend
gemacht.
A auf Ebene der Muttergesellschaft den
(doppelten) Betriebsausgabenabzug versagen. Wenn Staat A diese Maßnahme nicht
umsetzt, soll als „Abwehrregel“ Staat B
den Betriebsausgabenabzug auf die Bank­
zinsen versagen. Diese Maßnahme soll nur
im Konzern oder bei strukturierten Gestaltungen gelten. Auch die von einem doppelt
ansässigen Steuerpflichtigen geleisteten
Zahlungen können zu ähnlichen Besteuerungsinkongruenzen führen. Entsprechend
enthält der OECD-Bericht auch hierzu
Empfehlungen.
Beispiel 5
Importierte hybride Gestaltungen
Eine zwischen zwei Staaten bestehende
Besteuerungsinkongruenz kann in einen
anderen dritten Staat verlagert werden. B
Co ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von A Co, die ein Darlehen unter Verwendung eines hybriden Finanzinstruments
an B Co vergibt. Die Einnahmen hierauf sind
im Staat A von der Steuer befreit, obwohl im
Staat B abzugsfähig. Eine weitere Konzerngesellschaft (C Co) nimmt von B Co ein Darlehen auf. Die für dieses Darlehen zu zahlenden Zinsen sind in Staat C abzugsfähig und
werden nach den Rechtsvorschriften von
Land B den Einnahmen von B Co zugerechnet. Diese Struktur führt zu einem indirekten
D/NI-Ergebnis zwischen A und C. Der Staat
B ist dagegen durch die Strukturierung nicht
betroffen, da die Einnahmen und Ausgaben
sich entsprechen.
Als Gegenmaßnahme soll Staat A die Dividendenfreistellung versagen. Erfolgt dies nicht,
soll Staat B ein Betriebsausgabenabzugsverbot vollziehen. Falls die Staaten A und B die
Empfehlungen der OECD nicht umsetzen,
soll Staat C den Betriebsausgabenabzug versagen.
Auf BEPS und seine Folgen
vorbereitet sein!
Analyse und Bewertung aus Sicht
der deutschen Wirtschaft
Der Ratgeber informiert kurz und
kompakt, praxisnah und verständlich
über das laufende OECD-Projekt
„Base Erosion and Profit Shifting“,
kommentiert und erläutert die
Actionpoints und gibt einen Ausblick
auf mögliche Änderungen auf internationaler und nationaler Ebene. Der
Ratgeber ist ein gemeinsames Projekt vom Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Verband der
Automobilindustrie und EY. Die Autoren kommen aus Praxis und Beratung
(u. a. SAP, Daimler, VW, Bayer, Brose
und Berater von EY).
ISBN 978-3-08-364300-5
OECD/G20-Projekt BEPS
Ratgeber, 1. Auflage 2015, kart.,
ca. 200 Seiten
EURO 32,80
Der Bericht sieht folgende Gegenmaßnahmen vor: Als primäre Maßnahme soll Staat
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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5
ACTION POINT
Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs
Insbesondere Patentboxen und die damit
verbundene steuerliche Besserstellung von
Lizenzeinkünften stehen auf dem Prüfstand.
Hervorzuheben ist, dass es bei den Empfehlungen des Handlungsfelds 5 nicht um die
Abschaffung der Output-orientierten IP-Förderung geht. Vielmehr steht eine Harmonisierung des Steuerwettbewerbs im Vordergrund, um ein „level playing field“ zu
schaffen. Dazu entwickelten die Experten
einen modifizierten Nexus-Ansatz mit der
Einbindung von Substanzerfordernissen. Hinzu kommt ein verpflichtender Informationsaustauch zwischen den Staaten.
Der Nexus-Ansatz verlangt, dass die Besteuerung international mobiler Einkünfte an
eine substanzielle Aktivität im LizenzboxLand anknüpfen muss. Dabei gilt folgendes
Berechnungsschema:
Qualifizierende Ausgaben
für die Entwicklung
des geistigen Eigentums
Gesamtausgaben für die
Entwicklung des geistigen
Eigentumswertes
×
Aus dem geistigen
Eigentumswert
resultierende
Gesamteinkünfte
=
Im Ergebnis findet eine Verknüpfung steuerlich begünstigter Einkünfte mit selbst getragenen und im direkten Zusammenhang stehenden Ausgaben statt. Förderfähig sind
jedoch nur Einkünfte aus Patenten bzw. vergleichbar geschützten immateriellen Vermögenswerten und urheberrechtlich geschützter Software.
Ausgeschlossen sind Ausgaben für immaterielle Vermögenswerte, die im Zusammenhang
mit Auftragsforschung zwischen verbundenen Unternehmen oder Unternehmensakquisitionen entstanden sind. Um diesen Nachteil abzumildern, gewährt BEPS den Staaten
einen pauschalen Aufschlag („Up-Lift“) für
die tatsächlich getragenen qualifizierten Ausgaben. Die Höhe dieses Aufschlags, welcher
autonom von den Staaten festgelegt werden
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
kann, ist auf maximal 30 Prozent beschränkt.
Alle 16 bestehenden Lizenzboxen erfüllen
nach Ansicht des Forums Schädliche Steuerpraktiken (FHTP) aktuell nicht die Voraussetzungen des modifizierten Nexus-Ansatzes. Daraus ergibt sich ein grundsätzlicher
Reformbedarf. Der Zugang zu diesen schädlichen Regimen ist spätestens ab dem 30. Juni
2016 zu verwehren. Der damit verbundene
Bestandsschutz einer solchen Regelung gilt
maximal fünf Jahre nach Zugangssperrung.
Der Nexus-Approach wirft zahlreiche Abgrenzungsfragen auf. Eine Beschränkung auf
Einkünfte aus Patenten oder ähnlich rechtlich geschützte Werte lässt andere wichtige Innovationsergebnisse wie ungeschützte
Softwareentwicklungen und geheimes Prozess-Know-how außen vor. Die erforderliche Zuordnung von früheren Ausgaben zu
den später geförderten Einkünften ist in
der Praxis schwierig.
Zudem werfen die von
den Unternehmen zu
Steuerbegünstigte
ermittelnden und zu
Einkünfte
dokumentierenden
Ausgangswerte für
die Anwendung der
Nexus-Formel Abgrenzungsfragen auf.
Unverständlich und europarechtlich fraglich
ist, warum konzerninterne Auftragsforschung
teilweise vom Zugang zur begünstigten
Besteuerung von Patenten ausgeschlossen
werden soll.
Mittlerweile haben zwölf europäische Länder eine Patentbox eingeführt. In Deutschland ist die Steuerlast auf Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung deutlich höher als in
anderen EU-Ländern. Um diese Wettbewerbsnachteile auszugleichen, besteht zunehmender Handlungsdruck, auch in Deutschland
eine Patentbox oder eine steuerliche Forschungsförderung einzuführen. Entscheidend
wäre die konkrete Umsetzung: Neben dem
effektiven Steuersatz für die Lizenzbox gilt
dies insbesondere auch für den Umfang der
qualifizierenden Einnahmen, die Frage der
Anrechnung ausländischer Quellensteuern,
die Frage des Begünstigten (z. B. bei Auftragsforschung), die Behandlung von erworbenen Patenten sowie von vergangenen und
laufenden Ausgaben. Vor allem aber dürften auf der Seite der Betriebsausgaben keine Verschärfungen eingeführt werden. Positive Effekte einer Patentbox sollten daher
nicht durch eine – derzeit parallel diskutierte – Lizenzschranke konterkariert werden,
der zufolge Lizenzzahlungen an ausländische
Lizenzgeber unter bestimmten Umständen
vom Betriebsausgabenabzug ausgenommen
werden sollen.
Das Transparenzerfordernis als zweiter zen­
traler Bestandteil des Handlungsfelds 5 sieht
einen verpflichtenden Informationsaustauch
zwischen bestimmten Staaten für folgende
Fälle vor:
• Präferenzregime im grenzüberschreitenden Sachverhalt.
• Unilaterale Vereinbarungen zu Verrechnungspreisen (u. a. Advance Pricing Arrangements) im grenzüberschreitenden Sachverhalt.
• Regelungen im grenzüberschreitenden Sachverhalt, die im Ergebnis zu einer
Gewinnberichtigung nach unten führen.
• Regelungen zu Betriebsstätten.
• Conduit-Regelungen (z. B. für sogenannte
Durchleitungsgesellschaften).
• Jedes andere Ruling, welche das FHTP
künftig als potenzielle Gefahr für BEPS einstuft.
Eine Mustervorlage zu den auszutauschenden Informationen findet sich im Abschlussbericht. Neue Rulings sind ab dem 1. April
2016 innerhalb von drei Monaten an den
anderen Staat zu übermitteln. Für AltRegime, die nach dem 1.Januar 2010 implementiert und nicht vor dem 1. Januar 2014
wieder abgeschafft wurden, ist ein Informationsaustausch bis Ende 2016 erforderlich.
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ACTION POINT
Umgehung des Status als Betriebsstätte
Vertreter-/Kommissionärs-Modelle
Bislang knüpfte Art. 5 Abs. 5 OECD-MA
an die Vertretungsmacht einer Person an,
im Namen eines Unternehmens Verträge
abschließen zu können. Unabhängige Vertreter wie Kommissionäre begründen keine Betriebsstätte (BS). Die BEPS-Modifikation stellt nunmehr auf die reine Aktivität
(„Substance over form“) ab. Eine BS soll mithin grundsätzlich immer begründet werden,
wenn eine Person im Namen eines Unternehmens Verträge abschließt oder die zentrale Rolle bei den Vertragsverhandlungen
einnimmt, sei es, um Waren oder Dienstleistungen zu transferieren, Rechte einzuräumen
oder Beteiligungen an dem Unternehmen zu
vermitteln. Reine Marketingaktivitäten sollen hingegen ausdrücklich nicht zu einer BS
führen. Die hierzu vorgeschlagenen Musterkommentierungen machen deutlich, dass
für den Abschluss eines Vertrages auch die
reine Zustimmung einer Person im Namen
des Vertragspartners ausreicht. Ebenfalls
soll das Anbieten eines Standardvertrags an
den möglichen Kunden zu einer BS des vertretenen Unternehmens führen. Vertriebsbezogene Aktivitäten sollen weitgehend als
BS-begründend gelten, selbst wenn sie nur
unterstützenden Charakter haben.
Ausnahmetatbestände für
Neben- und Hilfstätigkeiten
Hier wird eine Änderung des Art. 5 Abs. 4
OECD-MA und des dazugehörigen Musterkommentars verfolgt. Der Ausnahmenkatalog
soll nicht pauschal einen BS-Status ausschließen. Der Entwurf des geänderten Musterkommentars macht deutlich, dass alle Aktivitäten für die Begründung einer BS in Betracht
gezogen werden sollen, die das Kerngeschäft
fördern bzw. hierzu gehören und zur Produktivität bzw. Gewinnerzielung des Unternehmens erheblich beitragen. Darunter können
ausdrücklich auch Schulungen der Angestellten, Werbetätigkeiten oder Lagerhäuser von
Online-Warenhändlern fallen. Physische Präsenzen in Gestalt von Personal, Lagerbeständen oder sonstigen Anlagen werden daher
zukünftig zunehmend BS-relevant.
Fragmentierung von Aktivitäten
zwischen verbundenen Unternehmen
Vorgesehen ist eine Anti-FragmentierungsRegel. Diese verhindert die Anwendung der
BS-Ausnahme des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA,
sobald die Gesamtschau der wirtschaftlich
zusammenhängenden Konzernaktivitäten
(im Sinne komplementärer Funk­tionen) innerhalb eines Staates über die Vorgaben dieser Norm hinausgeht.
Dies beinhaltet neben der Auftragsstückelung am selben Ort auch
die Kombination von – für sich
genommen – Neben- und Hilfstätigkeiten an verschiedenen Ausführungsorten.
Vertragsstückelung bei
Montagebetriebsstätten
Der künstlichen Umgehung von
Montagebetriebsstätten mittels
Unterschreitung der Zwölf-Monatsfrist in Art. 5 Abs. 3 OECD-MA
durch die vertragliche Verteilung
auf unterschiedliche rechtlich
getrennte Konzernunternehmen
soll vorgebeugt werden. Es wird
eine Aggregation der Einsatzzeiten
von verbundenen Unternehmen
als Maßgabe für die Schwelle hin
zur Erstarkung zu einer BS präferiert. Dahingehend sieht der finale Bericht eine „Principal Purpose Rule“ vor, die im Rahmen des
Handlungsfelds 6 (Verhinderung von Abkommensmissbrauch) Einzug in das OECD-Musterkommentar finden soll.
Die vorgesehenen bilateralen Regelungen
führen im Ergebnis zwar zur geplanten Ausdehnung des BS-Begriffs. Sie schießen deutlich über das Ziel – eine künstliche Umgehung des BS-Status zu verhindern – hinaus.
Ggf. werden damit die in die Kritik geratenen digitalen Geschäftsmodelle erfasst, welche bisher über keine bedeutenden steuerlichen Anknüpfungspunkte in ihren wichtigsten
Absatzmärkten verfügen. Daneben werden
aber auch Unternehmensstrukturen von den
Neuerungen betroffen sein, die nicht auf rein
steuerlich motivierten Überlegungen, sondern auf notwendigen kundenbezogenen
Geschäfts- und Logistikmodellen basieren.
Das gilt insbesondere hinsichtlich der Aufweichung des Ausnahmenkatalogs für sogenannte „Hilfs- und Nebentätigkeiten“ sowie für
die striktere BS-Erfassung von nahezu allen
vertriebsunterstützenden Tätigkeiten (hier
vor allem auch die Kommissionärs-Modelle).
© Arekhi, Joshua / Action Press
In der digitalisierten Wirtschaft können
multinational operierende Unternehmen
eine wertschöpfungsorientierte Ertragsbesteuerung „vor Ort“ vermeiden, indem
sie keine steuerlich relevanten physischen
Anknüpfungspunkte in den Quellenstaaten begründen. Das auf diese Umgehungsstrategie abzielende Handlungsfeld 7 greift
damit ein Kernproblem der BEPS-Diskussion auf. Eine zu große Diskrepanz zwischen
Wertschöpfung und landesbezogenem Steuersubstrat soll durch eine Änderung der
Betriebsstättendefinition in Art. 5 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) bekämpft werden.
Bis Ende 2016 wird sich die OECD mit der
Gewinnallokation für Betriebsstätten befassen. Dabei geht es um verschiedene Modelle.
Bleiben Teststrecken auch weiterhin eine
Neben- und Hilfstätigkeit und begründen keine
Betriebsstätte?
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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Implementierung des CbCR nach OECD-Standard
Bereits
implementiert
Voraussichtliche Implementierung
Schwer zu prognostizieren
Belgien
Luxemburg
Argentinien
Honduras
Nigeria
Chile
Mexiko
Armenien
Indonesien
Panama
China
Neuseeland
Aserbaidschan
Irak
Paraguay
Dänemark
Niederlande
Bolivien
Island
Peru
Deutschland
Norwegen
Brasilien
Kasachstan
Philippinen
Frankreich
Österreich
Brunei
Kenia
Russland
Australien
Ghana
Portugal
Bulgarien
Kroatien
Saudi-Arabien
Polen
Griechenland
Schweden
Costa Rica
Laos
Serbien
Vereinigtes Königreich
Indien
Schweiz
Darussalam
Lettland
Slowenien
Irland
Singapur
Litauen
Sri Lanka
Israel
Slowakei
Dominikanische
Republik
Tansania
Italien
Südafrika
Ecuador
Malaysia
Malediven
Thailand
Japan
Tschechische Republik
Malta
Uruguay
Kanada
Türkei
Mazedonien
Vietnam
Katar
Uganda
Montenegro
Weißrussland
Kolumbien
Ungarn
Namibia
Zimbabwe
Korea
USA
Nicaragua
Zypern
Spanien
Implementierung
gestartet
Quelle: EY „Country implementation of BEPS Actions 8–10 and 13. A survey on
the implementation of the BEPS Actions on transfer pricing and transfer pricing
documentation“, August 2015
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
El Salvador
Estland
Finnland
Georgien
Guatemala
Voraussichtlich
keine Implementierung
von CbCR in naher/
mittlerer Zukunft
Ägypten
Albanien
Angola
Hong Kong
Kambodscha
Kosovo
Kuwait
Libanon
Marokko
Mongolei
Vereinigte Arabische
Emirate
Der EY Global Tax Desk in New York hat seit Beginn der BEPS-Initiative die Entwicklungen in über 100 Staaten
beobachtet und darüber in Alerts informiert. Mit Hilfe lokaler Transfer-Pricings-Experten von EY konnten Einschätzungen zum Stand der Implementierung des CbCR nach OECD-Standard getroffen werden.
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ACTION POINT
Verrechnungspreis-Dokumentation / Country-by-Country Reporting
Multinational tätige Unternehmen sollen
alle relevanten Steuerbehörden über ihre
weltweite Einkommensallokation, ihre wirtschaftliche Tätigkeit und – anhand eines einheitlichen Vordrucks, des sogenannten Country-by-Country Templates – über die in den
einzelnen Ländern gezahlten Steuern informieren. Dahinter steht der Gedanke, den
Finanzbehörden einen Anhaltspunkt darüber zu verschaffen, ob die internationale Aufteilung der Konzernsteuerlast letztlich ein
Abbild der Verteilung von Wertschöpfungsbeiträgen und -funktionen darstellt oder ob
ggf. Verrechnungspreisgestaltungen dazu
genutzt werden, Steuersubstrat in funktionsschwache Konzerngesellschaften in Niedrigsteuerstaaten zu verlagern.
Der Bericht umfasst einen dreistufigen standardisierten Ansatz für die Verrechnungspreisdokumentation:
• Erstens die Einführung eines sog. Master
Files (Stammdokumentation), das einen
Überblick über die weltweiten Aktivitäten des
Unternehmens, seiner Geschäftstätigkeit und
Verrechnungspreispolitik geben soll („the big
picture“).
• Zweitens ein Local File (landesspezifische
Dokumentation), das Informationen über die
Konzerntransaktionen in einem bestimmten Land (insbesondere alle wesentlichen
Geschäftsvorfälle mit nahe stehenden Personen, die entsprechenden Beträge sowie die
Analysen der Verrechnungspreisbestimmungen des Unternehmens) enthalten soll.
• Drittens ein länderbezogener Bericht
(Country-by-Country Report) mit, bezogen auf
die jeweiligen nationalen Vorgaben, aggregierten Zahlen zur globalen Einkommensverteilung, den Vorsteuergewinnen, zu gezahlten und noch zu zahlenden Ertragsteuern und
weiteren Kennzahlen wie Anzahl der Beschäftigten sowie materielle Vermögenswerte.
Das Country-by-Country Reporting (CbCR)
stellt die wesentliche Neuerung zur zukünftigen Dokumentation von Verrechnungspreisen dar. Dabei gliedert sich das CbCR maßgeblich in zwei Informationsbereiche: Zum
einen sind nach Steuerhoheitsgebiet aufgeschlüsselte aggregierte Angaben zum gesamten Konzern zu machen, zum anderen sind
Informationen zu den einzelnen Unternehmensteilen der Gruppe anzugeben. Das Muster, das die OECD für das CbCR vorsieht,
umfasst drei Tabellen: Eine Übersicht über
die Aufteilung der Erträge, Steuern und
Geschäftstätigkeiten nach Steuerjurisdiktionen, eine Auflistung aller Geschäftseinheiten des multinationalen Konzerns, die in verschiedenen Gesamtangaben erfasst sind
(ebenfalls nach Steuerhoheitsgebieten) sowie
eine Tabelle mit zusätzlichen Informationen.
Eine Pflicht zur Abgabe entsprechender jährlicher länderspezifischer Berichte soll es für
die Wirtschaftsjahre geben, die am oder nach
dem 1. Januar 2016 beginnen. Nach Ablauf
des Wirtschaftsjahres wird den Unternehmen ein Jahr zur Abgabe der entsprechenden Berichte eingeräumt, so dass die ersten
CbC-Berichte zum 31. Dezember 2017 abge-
Master File
Auf Konzernebene
Local File A
Local File B
Local File C
Local File D
Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften
u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden
Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften
u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden
Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften
u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden
Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften
u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden
Country-by-Country Reporting
Musterformular
Dokumentation
geben werden müssen. Die Berichte sind Teil
der Verrechnungspreisdokumentation und
nicht in den Jahresabschluss oder Geschäftsbericht aufzunehmen.
Grundsätzlich sind alle multinationalen Konzerne von der Berichtspflicht betroffen. Ausgenommen sind lediglich Unternehmen mit
einem gruppenweit konsolidierten Vorjahresumsatz bis 750 Millionen Euro. Nach Einschätzung der OECD werden durch diese
Umsatzschwelle etwa 85 bis 90 Prozent aller
grenzüberschreitend tätigen Unternehmen
von der CbC-Berichtspflicht ausgenommen.
Allerdings sollen die zur Abgabe verpflichteten Unternehmen etwa 90 Prozent der globalen Umsätze bestreiten.
Insbesondere mehrere Schwellenstaaten
haben bereits erklärt, dass ihnen die im Rahmen des CbCR von den Unternehmen zu
erklärenden Kennzahlen nicht weit genug
gehen. Bei der OECD wurde daher ein Monitoring des CbCR vereinbart – samt einer
Überprüfung bis Ende 2020. Dann soll über
eine Modifizierung der erforderlichen Kennzahlen entschieden werden.
Mit den vorgesehenen Verschärfungen der
Dokumentation von Verrechnungspreisen
gehen zahlreiche Risiken einher. So werden
Daten abgefragt, die Aufschluss über sensible Unternehmensbereiche geben können.
Elementar ist daher die Gewährleistung der
Vertraulichkeit der Daten. Nicht alle Staaten haben entsprechend eine Geheimhaltung
sensibler Daten gesichert.
Für die betroffenen Unternehmen nehmen
die Berichtspflichten deutlich zu. Um die
Rechtsunsicherheit hinsichtlich der genauen Ausgestaltung zu verringern, muss die
Umsetzung der OECD/G20-Vorgaben in
deutsches Recht zeitnah erfolgen. Es ist
nicht auszuschließen, dass eine rückwirkende Anwendung der neuen gesetzlichen Vorschriften zum 1. Januar 2016 anzuwenden ist. Diese Verzögerung geht zulasten der
Rechtssicherheit für die Unternehmen.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
21
TOP
Bei alledem ist die Aussagekraft der Kennzahlen mit Blick auf die mögliche Verschiebung von Steuersubstrat begrenzt. Der
Zusammenhang zwischen den länderspezifisch gezahlten Steuern und dem Länderergebnis in einem Geschäftsjahr ist häufig temporär oder permanent durchbrochen, so dass
es kaum möglich ist, die Größen sinnvoll zueinander in Beziehung zu setzen. Zudem wer-
den vage Definitionen sowie von der OECD
bewusst offengelassene Aspekte (wie etwa
die Wahl der Quellen, aus der die Daten entnommen werden) zu Inkonsistenzen bei der
jeweiligen nationalen Umsetzung der Vorgaben führen.
Nicht zuletzt hierdurch steigt das Risiko für
Doppelbesteuerungsfälle durch eine unein-
heitliche Wertung der Informationen durch
die Finanzverwaltungen. Das betrifft gerade
exportstarke deutsche Unternehmen, die
zwar ihren Umsatz überwiegend im Ausland
erzielen, den größten Teil des Konzerngewinns aber zugleich im Inland versteuern. Sie
könnten sich wachsenden Begehrlichkeiten
einiger (Schwellen-)Länder gegenüber sehen.
Ausblick: Mögliche deutsche Reaktionen
Handlungsbedarf
Das Bundesfinanzministerium hat sich während der BEPS-Verhandlungen bedeckt gehalten, welche nationalen, bilateralen oder multinationalen Maßnahmen sie anschließend zu
ergreifen gedenkt. Auch im Bundestag halten
sich die Abgeordneten der Regierungskoalition bedeckt. Das betrifft etwa die mögliche Einführung einer Lizenzbox, über die es in der
Hauptstadt immer wieder Spekulationen gibt.
Angesichts der Flüchtlingskrise und den damit
verbundenen Lasten für den Staatshaushalt
schwinden jedoch die Chancen für eine steuerliche Privilegierung von F&E-basierten Wertschöpfungen.
3 Hinzurechnungsbesteuerung
Die öffentliche Wahrnehmung des BEPS-Projekts
der OECD wird durch die Berichterstattung über
aggressive Steuerplanungsmodelle geprägt. Viele
Unternehmen sehen sich daher von den diskutierten Maßnahmen nicht betroffen, da sie sich mit
Attributen wie „künstlicher Einkommensverschiebung“ oder „aggressivem Steuerplanungsmodell“
(zu Recht) nicht identifizieren.
4 Zinsschranke
Die vorgesehenen Änderungen im internationalen
Steuerrecht infolge des BEPS-Projekts werden aber
für alle insbesondere zu schwerwiegenden Änderungen bei konzerninterner Finanzierung durch die
Einführung international kohärenter Regelungen,
zu einer Ausweitung des Betriebsstättentatbestandes und zu geänderten Grundsätzen der Zurechnung von Risiken, Funktionen und immateriellen
Wirtschaftsgütern führen. Diese Änderungen werden durch die Einführung von neuen Dokumentationsvorschriften flankiert, die zu einer nie dagewesenen Transparenz führen werden. Dies wird
erhebliche Auswirkungen auf bestehende Konzernstrukturen sowie Verrechnungspreismodelle haben
und die globale Gewinnzuordnung innerhalb des
Konzerns wesentlich verändern.
Wo es kein Zuckerbrot gibt, droht die Peitsche.
Die Bundesregierung könnte sich auf Maß­
nahmen konzentrieren, die das Einbehalten
von Steuersubstrat beinhalten – also keine
Steuereinnahmen kosten. Anbei stellen wir
eine – nicht auf Vollständigkeit bedachte – Liste mit denkbaren BEPS-Reaktionen Deutschlands auf:
2 Hybrid Mismatch Arrangements
Einführung genereller Anti-Hybrid-Regel (vgl.
Entwurf des § 4 (5a) EStG durch den Finanzausschuss des Bundesrates 2014), Auswirkungen insbesondere auf typische Inbound D/
NI-, DD-Strukturen, aber auch auf OutboundStrukturen (z. B. US-Planung mit reverse hybrid LLC), Anrechnungs-BS, REPO-Strukturen;
Mögliche Anpassungen bei Korrespondenzprinzip des § 8b Abs. 1 Satz 2 EStG (z. B. um
auch Malta-Steuererstattungen zu erfassen);
Ausdehnung des Korrespondenzprinzips § 8b
Abs. 1 Satz 2 EStG auf Gewerbesteuer.
Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze auf 15 statt 25 Prozent, im Gegenzug Festschreibung der Gewerbesteuer auf HZB; Überarbeitung des Aktivitätenkatalogs, stärkere
Betonung von funktionaler Substanz und
angemessenen Verrechnungspreisen; Wegfall
des Dividenden-„Privilegs“ (§ 8 (1) Nr. 8 AStG)
bei Hybridstrukturen.
Senkung des Prozentsatzes der Zinsschranke auf 20 Prozent; Group Ratio-Regel anstatt
EK-Quoten-Vergleich; Erweiterung des Zinsbegriffs.
5 Harmful Tax Practices
Deutsche IP-/Patentbox, aber nicht unter Einbeziehung der Gewerbesteuer; Lizenzschranke
nach österreichischem Vorbild; Druck auf EU
zur Sicherstellung einer Quellenbesteuerung
auf EU-Outbound-Lizenzzahlungen.
6 Abkommensmissbrauch
§ 50 d (3) EStG – Ausdehnung auf Veräußerungsgewinne; Mindesthaltedauer für Quellensteuerreduktion auf Dividenden; gesetzgeberische Maßnahmen gegen „Cum/cum“-/
Dividendenstrippingfälle.
Ausdehnung
7 Betriebsstättenbegriff
Anpassung an OECD-Standard.
Es besteht deshalb akuter Handlungsbedarf, bestehende Strukturen und Verrechnungspreismodelle
zu überprüfen und zu überdenken. BEPS ist somit
für alle multinationalen Unternehmen von erheblicher Relevanz.
Ihre Autoren
22
Oliver Wehnert
Partner / Steuerberater
Prof. Dr. Stefan Köhler
Partner / Steuerberater
Christian Ehlermann
Partner / Steuerberater
[email protected]
[email protected]
christian.ehlermann
@de.ey.com
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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Die Actionpoints 1–15 auf 1.931 Seiten
1 Besteuerung der digitalen Wirtschaft
290
S.
Die Digitalisierung hat die gesamte Wirtschaft
erfasst. Bestimmte Aspekte der bestehenden
Besteuerungsprinzipien – wie der Betriebsstättenbegriff – sollen angepasst werden, um den
geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen.
2 Hybride Gestaltungen
458
S.
Hybride Gestaltungen können dazu führen, dass
Geschäftsvorgänge in keinem der beteiligten
Staaten besteuert werden und sogenannte weiße Einkünfte entstehen. Verknüpfungsregeln
sollen die steuerliche Behandlung in den betroffenen Staaten aufeinander abstimmen, um eine
zielgenaue Einmalbesteuerung zu erreichen.
3 Erarbeitung von Standards für die
Hinzurechnungsbesteuerung
75
S.
Die Hinzurechnungsbesteuerung soll der Verlagerung von Einkunftsquellen auf niedrig
besteuerte ausländische Gesellschaften entgegenwirken. Und zwar indem die Einkünfte der
ausländischen Gesellschaften den Gesellschaftern zugerechnet werden, wenn die Gesellschaften keiner tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen.
4 Verhinderung von Steuerverkürzungen
durch Regelungen zur ­Versagung
des ­Zinsabzugs
120
S.
Unternehmen, die einen Kredit aufnehmen, dürfen die darauf entfallenden Zinszahlungen steuerlich abziehen. Dies kann einen Anreiz für die
überhöhte Fremdfinanzierung von Unternehmen
darstellen und die steuerliche Bemessungsgrundlage in einem bestimmten Staat reduzieren.
Dagegen können Staaten z. B. die steuerliche
Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen einschränken, so wie Deutschland mit der Zinsschranke.
5 Arbeiten gegen schädlichen
Steuerwett­bewerb
85
S.
Im Fokus stehen Regelungen, mit denen
Lizenzeinkünfte steuerlich privilegiert werden
(„Patentboxen“). Diese Privilegierung darf künftig nur noch für Einkünfte gelten, denen eine
Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im betreffenden Land zugrunde liegt („Nexus“). Die Staaten sollen sich über steuerliche Zusagen, die sie
Steuerpflichtigen im Vorfeld grenzüberschreitender Transaktionen erteilen („Tax Rulings“),
gegenseitig informieren.
6 Verhinderung von
Abkommens­missbrauch
106
S.
13 Verrechnungspreisdokumentation
Die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen darf nicht zur einer vollständigen Nichtbesteuerung von Einkünften führen. Deutschland
achtet schon jetzt darauf.
7 Aktualisierung des
Betriebsstätten­begriffs
51
S.
Einige Steuergestaltungen zielen darauf ab, das
Vorliegen einer Betriebsstätte und damit das
Besteuerungsrecht in dem betreffenden Staat zu
umgehen. Es gibt Empfehlungen, den Betriebsstättenbegriff im OECD-Musterabkommen zu
ändern.
8 Aktualisierung der
9 Verrechnungspreis­leitlinien
10
190
S.
Die Empfehlungen zum Fremdvergleichsgrundsatz werden gestärkt. Ein Schwerpunkt ist die
Konkretisierung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu Geschäftsvorfällen mit immateriellen
Werten, bei denen die Festlegung des fremdüblichen Verrechnungspreises häufig besonders
schwierig ist. Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien zur Zuordnung von Risiken und Kapital
im Konzern und zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für Geschäftsvorfälle, die nicht
oder nur selten zwischen voneinander unabhängigen Dritten stattfinden, werden präzisiert.
74
S.
14 Verbesserung der Verwaltungs­
zusammen­arbeit in Verständigungsund Schieds­verfahren ­
11 Entwicklung von Methoden
und Rege­lungen, um Daten über
­Gewinnkürzungen und Gewinn­
verlagerungen zu erlangen
272
S.
Die BEPS-indizierten Steuermindereinnahmen
können weltweit vier bis zehn Prozent des Unternehmensteueraufkommens betragen. Hinzu
kommen Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Effizienz. Die Analysen sind eine wichtige Grundlage für das weitere Vorgehen.
50
S.
regelungen für aggressive Steuer­
planungen
102
S.
Abkommenskonflikte sollen zeitgerecht erledigt
oder schon vorab vermieden werden. Steuerpflichtigen soll der tatsächliche Zugang zu Verständigungsverfahren erleichtert werden. Eine
Reihe von Staaten, darunter Deutschland, ist
bereit, untereinander verbindliche Schiedsverfahren zu vereinbaren, so dass unabhängige
Schiedsgerichte über Einzelfälle entscheiden, bei
denen sich die beteiligten Staaten nicht auf eine
Lösung des Doppelbesteuerungskonflikts einigen konnten.
15 Multilaterales Instrument
12 Entwicklung von Offenlegungs­
Eine wachsende Zahl von Staaten verpflichtet
Steuerpflichtige bzw. deren Berater, aggressive
Steuerplanungen gegenüber der Finanzverwaltung offenzulegen.
und Country-by-Country Reporting ­
Die Finanzverwaltungen sollen die notwendigen Informationen erhalten und die multinationalen Unternehmen ihren Dokumentationspflichten nach einem einheitlichen Standard
nachkommen. Dafür gibt es einen dreistufigen
Ansatz, bestehend aus einem Überblick über die
Geschäftstätigkeit des multinationalen Unternehmens und seiner Verrechnungspreispolitik
(Master File), einer landesspezifischen Dokumentation der spezifischen Geschäftsvorfälle des
Steuerpflichtigen mit verbundenen Unternehmen (Local File) und dem sogenannten Countryby-Country Report (CbCR). Mit dem CbCR sollen
alle betroffenen Steuerverwaltungen einen Überblick über die globale Aufteilung der Erträge und
Steuern sowie über bestimmte Indikatoren für
die geografische Verteilung der Wirtschaftstätigkeit auf die verschiedenen Staaten erhalten.
58
S.
Damit die vereinbarten BEPS-Maßnahmen zur
Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen in
der Praxis wirksam werden können, müssen die
bestehenden Abkommen entsprechend geändert werden (insbesondere Actionpoints 6 und
7). Um diesen Prozess zu beschleunigen, soll ein
multilateraler Vertrag erarbeitet werden, der die
bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen
„überschreibt“ oder ergänzt und die BEPS-Empfehlungen flächendeckend in diese Abkommen
implementiert.
1.931
Seiten
85
85
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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TOP
!
BEPS
„Ein großer blinder Fleck“
Der Max-Planck-Direktor Wolfgang Schön über die Folgen von BEPS.
Herr Professor Schön, gemäß der BEPS-Initiative soll die Besteuerung dort ansetzen, wo
die wirtschaftliche Aktivität ausgeübt wird
und somit auch die Wertschöpfung erfolgt.
Halten Sie das für das richtige Prinzip?
Schön: Die bestehende internationale
Besteuerungsordnung ist bisher nicht daran
ausgerichtet, wo Wertschöpfung stattfindet.
Sondern sie ist zum Teil nach dem Sitz des
Steuerpflichtigen ausgerichtet, wo dieser sein Einkommen bezieht, und zu einem
begrenzten Teil wiederum nach den Quellenstaaten. Einkünfte, die am Sitz des Steuerpflichtigen versteuert werden, sind z. B.
Zins- und Lizenzgebühreneinkünfte oder
Dividendeneinkünfte. Insofern war ich immer
erstaunt, dass die pauschale Erklärung
„Besteuerung dort, wo Wertschöpfung stattfindet“ so wenig Widerspruch gefunden hat.
Aber für die Zukunft soll die Besteuerung im
Land der Wertschöpfung erfolgen?
Schön: Das ist höchst problematisch. Zum
einen brauche ich eine verlässliche Aus­sage darüber, wo Wertschöpfung stattfindet.
Das ist schon im Verhältnis der Produktionsstaaten zu den Konsumentenstaaten sehr
kritisch. Wenn etwa deutsche Unternehmen
ihre Güter in China oder Indien verkaufen,
wo findet dann die Wertschöpfung statt?
Ohne Produkt kein Markt, ohne Kunde
auch kein Markt. Im Westen scheint die Vorstellung vorzuherrschen, Wertschöpfung
findet im Produktionsstaat statt und im Vertriebsstaat gibt es dann nur noch wenig
zusätzliche Leistungen, etwa in der Vertriebskette oder im Marketing oder im Service. Das können aber starke Marktstaaten
ganz anders sehen.
Welches Problem sehen Sie darüber hinaus?
Schön: Bei integrierten Konzernen, die ihre
Produktionskette über mehrere Staaten verteilen, lässt sich auch nicht immer sagen,
wo denn nun die Wertschöpfung stattfindet.
Etwa wenn Forschung und Entwicklung in
Staat A, Produktion in Staat B und Vertriebs-
24
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
management in Staat C stattfindet. Sollte es
aber gelingen, die Steuern dort zu allozieren,
wo die Wertschöpfung im Sinne von Produktion, Forschung und Entwicklung oder zentralen Konzernfunktionen stattfindet, dann wird
der Steuerwettbewerb genau auf diese Funktionen gehen.
Sie meinen, das würde den Steuerwettbewerb
zwischen den Staaten erst recht anheizen?
Schön: Genau. Mit der Folge, dass Unternehmen bestimmte Funktionen stärker als bisher
aus Deutschland heraus verlagern. Mit BEPS
gehen Deutschland oder überhaupt die westlichen Industriestaaten eine Wette ein: Sind
wir so attraktiv mit unserer Infrastruktur,
mit unserer Ausbildung, mit Frieden, Sicherheit, Rechtsstaat, also mit all dem, was
wir als Entgelt für die Steuern bieten, dass
wir keine substanziellen Abflüsse von wirtschaftlichen Funktionen in andere Länder zu
befürchten haben?
Bei BEPS spielt Wertschöpfung eine entscheidende Rolle? Woran soll sie festgemacht werden?
Schön: Am deutlichsten finden Sie die Diskussion dazu in den BEPS-Papieren zu den
Verrechnungspreisen. Da geht es darum,
wo die Assets und die handelnden Personen
sind, wo Risiken übernommen werden – meines Erachtens eine zweifelhafte Formulierung. Hier hat die OECD die Büchse der Pandora geöffnet. Es war schon bisher schwierig,
zwischenstaatliche Einigkeit über die Aufteilung der Besteuerungsrechte zu erzielen.
Wenn man nun neue Grundsätze und Prinzipien formuliert, weckt das natürlich Begehrlichkeiten. Folglich werden die zwischenstaatlichen Konflikte um den Zugriff auf das
Besteuerungsgut zunehmen.
Das treibt auch viele Unternehmen um, wie
wir aus unseren Gesprächen erfahren.
Schön: Es gibt tausende und abertausende
nicht abgeschlossene Verständigungsverfah-
TOP
ren in der Welt. Diese Zahl wird sich erhöhen.
An dieser Stelle hat das BEPS Projekt einen
großen blinden Fleck. Die Beteiligten sind
ausgegangen von der Vorstellung, dass viele große Unternehmen bestimmte Teile ihres
Gewinns überhaupt nicht versteuern und
dafür gesorgt werden müsse, ihn einmal zu
besteuern. Man sieht hier viel zu wenig das
Risiko der Doppelbesteuerung, das gewissermaßen als ein altes Problem, als ein gelöstes
Problem dargestellt wird. Tatsächlich handelt
es sich um ein sehr virulentes Problem, das
sich jetzt eher verschärfen wird.
Was erwarten Sie, was wird der Gesetzgeber tun?
Schön: Deutschland muss sich zunächst die
Frage stellen, in welchem Umfang es seine
Doppelbesteuerungsabkommen anpasst. Da
geht es etwa um die Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs. Deutschland wird sich überlegen müssen, ob es zum Beispiel eine weitergehende Politik bei LOB-Klauseln fährt als
bisher. Es wird seine Hinzurechnungsbesteuerung wohl ändern müssen, aber eigentlich
nicht wegen BEPS, sondern vor dem Hintergrund europäischer Vorgaben. Das Problem für die Unternehmen ist dabei, dass nach
BEPS nicht eine übernationale Einheitlichkeit
zu erwarten ist. Es gilt bei BEPS eher so eine
Art Menükartenprinzip. Jeder der beteiligten
Staaten kann sich auswählen, welche der vielen künftigen Änderungen er für sich akzeptiert. Das kann für international aktive Unternehmen sehr unangenehm werden.
dass er zu viel Steuern bekommt und gern
mal was abgibt. Am Ende befürchte ich, dass
nur Begehrlichkeiten geweckt werden und die
Steuerlast nach oben getrieben wird. Mit der
weiteren Folge für Unternehmen, dass die
Doppelbesteuerungen ansteigen.
verfahren im TTIP-Bereich haben. Die Abgabe von Souveränität an Schiedsgerichte ist
auch innerhalb Europas keine Selbstverständlichkeit, obwohl es sich um zivilisierte Staaten
und Unternehmen handelt, die jahrzehntelang Erfahrung mit Schiedsverfahren haben.
Dann wird es auch mehr Streitschlichtungsverfahren geben …
Führt BEPS am Ende zu weniger schädlichem
Steuerwettbewerb, wie es das erklärte Ziel ist?
Schön: ... wobei sich viele Staaten komplizierte Streitbeilegungsverfahren gar nicht
zutrauen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer hätten die Sorge, bei diesen Schiedsgerichtsverfahren über den Tisch gezogen zu werden, und würden lieber unilateral
handeln. Da gibt es Staaten wie Indien, die
behaupten, aus Verfassungsgründen judikative Gewalt nicht an schiedsgerichtliche Einrichtungen abgeben zu dürfen. Schauen Sie
doch, was wir hierzulande derzeit für eine
Diskussion um die Einführung von Schieds-
Schön: Das glaube ich nicht. In den USA dürfte sich ohnehin nicht viel ändern, eine materielle Steuergesetzgebung ist im Kongress zurzeit nicht möglich. In England haben wir einen
starken Zug zu einer kompetitiven Besteuerung. Wir wissen nicht, ob sich China oder
Indien an die jetzt besprochene Steueraufteilung halten oder ob sie einen größeren Teil am
Kuchen beanspruchen. Dann wird manches
noch einmal aufgeschnürt, was das BEPSProjekt noch in der Kiste gehalten hat. Also
schauen wir mal, das Leben bleibt spannend.
Kommen wir zum Country-by-Country
Reporting. Was steht hier für die deutschen
Unternehmen auf dem Spiel?
Schön: Da steckt richtig viel drin. Die Mitgliedstaaten bekommen hier die Masterfiles, die Grundarchitektur des Konzerns,
aber auch die Localfiles, die sehr viel über
den konkreten Standort aussagen. Das sind
hochsensible Informationen. Das Country-byCountry Reporting wird sehr viele Begehrlichkeiten wecken.
Weil jeder Staat daraus interpretiert, dass
ihm ein größerer Anteil vom Steuerkuchen
zusteht?
Schön: Die Kennzahlen sorgen für Interpretationsspielräume und kein Staat wird sagen,
Zur Person
Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schön, hier im Gespräch mit Martina Ortmann-Babel und
Hermann Gauß (beide EY), ist Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und
Öffentliche Finanzen in München. Zusätzlich ist er Honorarprofessor für Bürgerliches
Recht, Handels-, Wirtschafts- und Steuerrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten von Professor Schön zählen
u. a. die Schranken staatlicher Steuersouveränität und die Wettbewerbsfaktoren Steuerrecht und Unternehmensrecht. Im Vordergrund stehen neben klassischen Grundthemen rechtsstaatlicher Steuergesetzgebung die Fragenkreise des vergleichenden,
europäischen und internationalen Unternehmensteuerrechts, die rechtlichen und
rechtspolitischen Probleme des grenzüberschreitenden Steuerwettbewerbs sowie die
Wechselwirkung zwischen privatrechtlicher und steuerrechtlicher Normensetzung.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
25
Neue Regeln für
den EU-Außenhandel
Der Unionszollkodex soll am 1. Mai 2016 in Kraft treten.
Die Modernisierung sorgt für hohen Anpassungs­
aufwand bei den Unternehmen.
N
ach 24 Jahren geht am 1. Mai 2016 eine Ära
zu Ende. Der Zollkodex der Europäischen
Gemeinschaft wird dann endgültig abgelöst vom
Nachfolger, dem Unionszollkodex und seinen Begleitrechtsakten. Denkwürdige 22 Jahre Vorbereitung hat es
dafür gebraucht, um das EU-Zollrecht gegenüber Dritt­
ländern zukunftsfähig zu machen. Allerdings soll die dabei
vorgesehene IT-gestützte Zollabwicklung erst später
phasenweise eingeführt werden, wenn die nationalen ITSysteme in den 28 EU-Mitgliedstaaten funktionieren
und untereinander kommunikationsfähig sind. Das soll
bis 2020 der Fall sein, was in Fachkreisen jedoch auch
schon bezweifelt wird.
Mit dem neuen Kodex will die Europäische Union das Zollrecht ins digitale Zeitalter überführen. Konkret werden
die folgenden Ziele verfolgt:
• Elektronisierung des kompletten Informationsaus-
tauschs zwischen Zollbeteiligten und –behörden.
• Vereinfachung der zollrechtlichen Bestimmungen.
• Zusätzliche Vorteile für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte („AEO“).
• Verbesserte Risikoanalyse in Verbindung mit steigenden Anforderungen an die Datenübermittlung.
• Einführung von neuen Korrekturmöglichkeiten bei
Unregelmäßigkeiten, die kein Abgabenrisiko darstellen;
dadurch Abkehr vom Sanktionszollrecht hin zum Wirtschaftszollgedanken.
• Harmonisierung der zollrechtlichen Verfahren in der EU.
Auf die Wirtschaftsteilnehmer kommen ebenso wie auf
die Zollverwaltungen beträchtliche Änderungen zu. Dabei
bietet der Unionszollkodex den Unternehmen mittelfristig Chancen für eine vereinfachte Zollabwicklung, für Kosteneinsparungen und für Fehlerkorrekturen. Andererseits
führen diverse Regelungen auch zu erhöhten Belastungen
Ein Vierteljahrhundert geht zu Ende
26
November 2015
März 2016
Veröffentlichung letzter
Stand von IA und DA
im Amtsblatt
Veröffentlichung
letzter Stand des TDA
im Amtsblatt
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
1. Mai 2016
Anwendbarkeit des UZK
2016–2020 + X
Stufenweise Umsetzung von IT-Verfahren und
sequentielles Inkrafttreten weiterer Bestimmungen
© iStock / Tomas Sereda
durch Zollabgaben, Zusatzkosten, mehr administrativem
Aufwand oder ein erhöhtes Risiko als Abgabenschuldner.
Zeitdruck
Ein großes Problem besteht für Unternehmen und Zollverwaltung darin, dass kaum Zeit verbleibt, um sich auf
die neue Rechtslage vorzubereiten. Für Unternehmen
ist es überdies schwer, überhaupt die für sie relevanten Rechtsänderungen zu identifizieren. Dazu trägt die
schiere Menge an neuen Bestimmungen mit ihrer inhaltlichen Komplexität und wenig nutzerfreundlichen Strukturierung in den Verordnungen sowie bestehenden Interpretationsspielräumen bei. Die Unternehmen sollten
folglich so schnell wie möglich mit ihren eigenen Zollspezialisten oder externen Beratern eine Projektplattform
schaffen, um relevante Rechtsänderungen zu erkennen
und Lösungsansätze aus- und abzuarbeiten. Andernfalls
besteht das Risiko, dass nach neuer Rechtslage Unregelmäßigkeiten mit Sanktionsrisiko eintreten, mittelfristig
erforderliche Bewilligungen nicht zur Verfügung stehen,
Zusatzkosten eintreten, usw. Vor allem Unternehmen, die
unverzollte Waren abwickeln, zollrechtliche Vereinfachungen, Bewilligungen, Auskünfte und komplexe Zollverfahren nutzen bzw. sich in komplexeren Transaktions- und
Lieferketten befinden, müssen sich sputen.
Altbekanntes
Dagegen dürfte es für Unternehmen mit geringem Warenaustausch mit EU-Drittländern kaum Änderungen geben.
Das gilt auch bei einfachen Zollprozessen, die über Zollund Logistikdienstleister abgewickelt werden und bei
denen die betreffenden Unternehmen selbst keine zollrechtlichen Vereinfachungen und Bewilligungen halten.
Denn auch mit Gültigkeit des Unionszollkodex werden
Zollanmeldungen weiter an die bekannten Zoll-IT-Systemen übermittelt (ATLAS, NCTS, usw.), viele Verfahrensregeln bleiben erhalten, die Zollnomenklaturen gelten unverändert, beim Zollwertrecht gibt es nur wenige
Änderungen und auch die aktuell erteilten zollrechtlichen
Bewilligungen und Vereinfachungen gelten vorerst über
den 1. Mai 2016 hinaus.
Beibehalt von Vereinfachungen
Auch in Zukunft soll es beispielsweise möglich sein, für
bestimmte Sendungen bis zu einem Wert von 1.000 Euro
beim Export sogenannte mündliche Zollanmeldungen
abzugeben. Die Zollanmeldung erfolgt dann üblicherweise
auf Basis der warenbegleitenden Rechnung und es ist kein
formelles elektronisches Ausfuhrverfahren notwendig.
Außerdem teilte das Bundesfinanzministerium mit, dass in
Deutschland Bewilligungen als „Zugelassener Ausführer“
auch in Zukunft fortgelten sollen. Diese Auffassung teilen
jedoch nicht alle EU-Mitgliedstaaten, so dass in dieser Frage noch keine endgültige Rechtssicherheit besteht. Nachfolgend weisen wir beispielhaft auf fünf wichtige Rechtsänderungen und möglichen Handlungsbedarf hin:
• Zollrechtlicher Ausführer
Im gewerblichen Warenverkehr sollen außerhalb der EU
ansässige Unternehmen nicht mehr als „zollrechtlicher
Ausführer“ („Exporteur“), auftreten können. Alle außerhalb der EU ansässigen Unternehmen, die aus der EU
Waren exportieren bzw. in der EU ansässige Unterneh-
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
27
TAX
men, die ihrerseits mit nicht-EU-Exporteuren zusammenarbeiten, müssen den Rechtsentwicklungen in dieser Frage mit hoher Aufmerksamkeit folgen. Möglicherweise sind
tiefgreifende Änderungen der Transaktionsstruktur bzw.
Funktionsallokation auf einzelne Einheiten erforderlich.
• AEO-C
Unternehmen, die eine Bewilligung für das Anschreibeverfahren mit Gestellungsbefreiung nutzen, brauchen künftig
als Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter das AEO-Zertifikat „Zollrechtliche Vereinfachungen“ („AEO-C“). Hiervon ausgenommen sein soll das Anschreibeverfahren zur
Warenausfuhr („Zugelassener Ausführer“). Grundsätzlich müssen sich Unternehmen darauf vorbereiten, dass
die Anforderungen an AEO’s steigen. Bereits erteilte AEOBewilligungen werden von den Zollbehörden von Amts
wegen zu gegebener Zeit überprüft, so dass die Einhaltung der neuen Standards bis dahin realisiert sein muss.
• Regeltreue
AEO kann in Zukunft nur noch sein, wer sich regeltreu bei
der Zollabwicklung, der Steuerabwicklung und auch der
übrigen wirtschaftlichen Tätigkeit verhält. Im Umkehrschluss können AEO-Bewilligungen (und in der Folge auch
hiermit verknüpfte Bewilligungen für zollrechtliche Vereinfachungen bzw. besondere Zollverfahren) ausgesetzt
bzw. entzogen werden, wenn Straftaten in Steuerangelegenheiten oder sonstigen Wirtschaftssachverhalten vorliegen. Compliance wird zur Grundvoraussetzung für die
Nutzung von Zollvereinfachungen, die bei vielen Unternehmen existenzielle Bedeutung haben.
• Verbindliche Zolltarifauskünfte
Wenn Unternehmen verbindliche Auskünfte von den Zollbehörden erhalten, müssen sie diese auch zwingend
befolgen. Bislang waren nur die Behörden an die erteilten Auskünfte gebunden. Zudem wird die Gültigkeitsdauer von verbindlichen Auskünften auf drei Jahre reduziert,
so dass Unternehmen viel öfter Anschluss-Auskünfte
beantragen müssen und hierfür ein komplexeres Management-System erforderlich werden kann. Verbindliche Zolltarifauskünfte müssen zukünftig aktiv bei der Zollanmeldung deklariert werden.
• Verzugszinsen
Auf nachzuzahlende Einfuhrabgaben wird ein Verzugszins erhoben. Die Zollbehörden dürften auch auf verkürzte
Einfuhrumsatzsteuerbeträge einen Verzugszins erheben.
Die Korrektur unrichtiger Zoll(wert)anmeldungen wird
dann (aufgrund der Einfuhrumsatzsteuer auch für zollfreie
Waren) eine neue Qualität erlangen. Unternehmen sollten
darauf mit der Einführung bzw. Verbesserung bestehender
Compliance-Management-Systeme reagieren, um Korrekturbedarfe schnellstmöglich festzustellen und umzusetzen, damit der Zinslauf möglichst kurz gehalten wird.
• Zollwertrechtliche Änderungen
Mehrere Änderungen haben Einfluss auf die Bemessungsgrundlage eingeführter Waren – mit der Folge einer höheren Abgabenbelastung. So wird zukünftig die Pflicht zur
Hinzurechnung von Lizenzkosten zum Zollwert bei Einfuhrgütern deutlich ausgeweitet. Außerdem fällt das sogenannte Vorerwerbergeschäft („First-Sale-Rule“) weg.
Diese Regel erlaubt es bislang, unter bestimmten Voraussetzungen auch Kaufgeschäfte als Bemessungsgrundlage bei der Einfuhr anzumelden, die auf vorangehenden
Transaktionsstufen noch im Drittland stattfanden. Außerdem ändert sich die Regelung zur Feststellung des relevanten Kaufgeschäfts bei der Einfuhr von Waren in die EU mit
dem Ziel, den „last sale“ zu erfassen, wodurch die Abgabenlast steigen wird. Es sollte geprüft werden, inwieweit
Änderungen in der Unternehmensstruktur bzw. vertragliche Regelungen geändert werden können, um drohende
Abgabenmehrbelastungen abzufedern. In jedem Fall sollten mögliche Mehrbelastungen identifiziert, berechnet
und bei der Kostenkalkulation berücksichtigt werden.
Ausblick
Viele Veränderungen durch den Unionszollkodex werden
erst eintreten, wenn europaweit die IT-Systeme der
Zollbehörden zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für prozessuale Vereinfachungen, die Unternehmen
große Chancen zur Abgaben- und auch Risikoreduzierung
bieten – z. B. Eigenkontrolle / Selbstberechnung von Eingangsabgaben; an einem Standort zentralisierte Zollabwicklung für sämtlichen EU-Zollverkehr; „One-Stop-Shop“
als einziger Kontaktpunkt zur Interaktion mit allen an der
Zollabfertigung beteiligten Zollbehörden. Bereits zum
1. Mai 2016 werden aber eine Vielzahl Rechtsänderungen
eintreten, die im Einzelfall rasches Handeln erfordern. Die
Veränderungen werden Unternehmen absehbar über die
kommenden Jahre hinweg beschäftigen.
Ihre Autoren
28
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Robert Böhm
Partner
Richard J. Albert
Senior Manager
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[email protected]
TAX
Dauerbrenner Rückstellungen
Der Bundesfinanzhof hat neue Urteile erlassen,
die für die Steuerbilanz relevant sind.
W
enn es um Rückstellungen geht, wird der Fiskus kritisch. Denn Rückstellungen sind Verpflichtungen des Unternehmens, die dem Grunde, der Höhe oder dem Zeitpunkt nach noch nicht sicher
feststehen. Damit ist Ungewissheit ein Wesensmerkmal
von Rückstellungen. Konflikte zwischen Steuerpflichtigen
und Finanzämtern sind damit vorprogrammiert. Zu den
umstrittenen Fallgruppen vor dem obersten Finanzgericht
gehörten im Jahr 2015 u. a. Rückstellungen für ungewisse Schadenersatz- und Instandhaltungsverpflichtungen.
Darüber hinaus kam der Bundesfinanzhof zu einem interessanten Ergebnis bezüglich der Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt.
Passivprozesse
Wird ein Unternehmen verklagt, darf es keine Rückstellung für eine eventuelle Schadensersatzverpflichtung bilden, wenn ein unabhängiges Rechtsgutachten
ein Unterliegen im Prozess als nicht überwiegend wahrscheinlich beurteilt. Zu diesem Ergebnis kam der BFH in
seinem Urteil vom 16. Dezember 2014 (VIII R 45/12).
Für die Bildung einer Rückstellung ist zum einen zu prüfen, ob die Verpflichtung „wahrscheinlich“ besteht, zum
anderen aber auch, ob die drohende Inanspruchnahme „wahrscheinlich“ ist. So mag zwar eine drohende
Inanspruchnahme des verklagten Unternehmens solange wahrscheinlich sein, bis der gegen ihn gerichtete
Anspruch nicht rechtskräftig abgewiesen wurde.
Verneint allerdings ein unabhängiges Gutachten eines
fachkundigen Dritten nach ausführlicher Auseinander­
setzung mit allen Argumenten des Klägers die Wahrscheinlichkeit eines Unter­liegens vor Gericht, ist gleichwohl keine Rückstellung zu bilden. Keinen Eingang in die
Prognose finden wertbegrün­dende Ereignisse, wie prozessbeendende Maßnahmen nach dem Bilanzstichtag
(z. B. ein Vergleich).
Anspruchs auch dann aus, wenn Pächter und Verpächter nahe stehende Unternehmen sind. So darf ein Verpächter, der Mitunternehmer des Pächters (im Entscheidungsfall einer KG) ist, in seiner Sonderbilanz mangels
Anschaffungskosten keine korrespondierende Forderung
aktivieren. Nach den Grundsätzen der korrespondierenden Bilanzierung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz
2 EStG kann allenfalls dann ein Aktivposten für Ansprüche in der Sonderbilanz des Verpächters gebildet werden,
wenn diese zu einer Sondervergütung i. S. d. Vorschrift
führen würden (BFH-Urteil vom 12. Februar 2015,
IV R 29/12). Dies ist im Hinblick auf einen Instandhaltungsanspruch nicht der Fall, da dem Mitunternehmer
keine Vergütung zufließt.
Rangrücktritt
Die Anwendung des Passivierungsverbots nach § 5 Abs.
2a EStG bejahte der BFH am 15. April 2015 (I R 44/14),
wenn die mit einem Rangrücktritt belegten Verbindlichkeiten lediglich aus einem künftigen Bilanzgewinn oder
einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen sind.
Ein steuerbilanzieller Wegfallgewinn nach § 5 Abs. 2a
EStG aus einem gesellschaftsrechtlich veranlassten Rangrücktritt ist bei der Einkommensermittlung künftig
grundsätzlich als Einlage zu korrigieren. Bei betrieblicher
Veranlassung oder mangels Werthaltigkeit führt die Ausbuchung der Verbindlichkeit im Zusammenhang mit dem
Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG hingegen zu
einem Ertrag.
Um eine Ausbuchung in der Steuerbilanz zu vermeiden,
sollte bei entsprechender Interessenlage in die Formulierung der Rangrücktritts­vereinbarung die Erfüllung der
Verbindlichkeiten auch aus „sonstigem freien Vermögen“
aufgenommen werden.
EY Steuerbilanz-­
Checkliste 2015
Unsere Steuer­bilanzCheckliste 2015
stellt ausgewählte
Abweichungen der
Steuerbilanz gegenüber der Handels­
bilanz dar. Die Checkliste ist eine praktische Hilfe bei der
Erstellung der Steuerbilanz. Sie ist auf
unserer Homepage
verfügbar.
Pachterneuerungsansprüche
Übernimmt ein Grundstückspächter die Pflicht zur
Instandhaltung des Pachtgegenstands, hat dieser eine
Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand zu passivieren.
Für den Verpächter scheidet jedoch eine Aktivierung des
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
29
TAX
Ersehnte Steuer
Indien plant die Einführung einer „Goods and Services
Tax“ – eine Chance, den undurchschaubaren Dschungel
an indirekten Steuern zu lichten.
S
elten wird die Einführung einer neuen Steuer von
Wirtschaftsvertretern begrüßt. Genau dies lässt
sich jedoch gerade in Indien beobachten, wo die
Regierung 2016 eine „Goods and Services Tax“ (GST)
einführen will. Mit ihr soll das derzeitige Umsatzsteuersystem abgelöst werden, das als undurchdringlich und
veraltet gilt. Die Regierung plant einen Start im April, vermutlich wird es aber eher auf einen Termin später im
Jahr hinauslaufen, weil sich der politische Prozess immer
wieder verzögert. Unternehmen mit Aktivitäten in Indien müssen sich daher jetzt mit der geplanten GST auseinandersetzen. Sie sollten prüfen, welche Gesellschaften
aus ihrem Unternehmensverbund konkret betroffen sind
und welche Konsequenzen sich für den Unternehmensverbund insgesamt ergeben. Ein besonderes Augenmerk
sollten sie folgenden Bereichen widmen: Kostenrechnung,
Planung und Budgetierung für Umstellungsaufwand; Strategie – Auswirkung auf die Preisgestaltung; Anpassung
ERP und IT-Systeme; Vertragswesen – insbesondere Steuerklauseln; Compliance und Steuererklärungsprozesse.
Die Regierung hat bereits zahlreiche Publikationen über
die Details der geplanten Regeln veröffentlicht. Unternehmen können also Szenarioberechnungen zu den Auswirkungen der Reform anstellen. Der Gesetzentwurf zur
Umsetzung wird allerdings erst im späteren Verlauf des
Verfahrens vorgelegt werden.
Bürokratischer Aufwand
Heute existieren in Indien viele verschiedene indirekte
Steuerarten nebeneinander. Einige erheben die einzelnen
Bundesstaaten, andere die Zentralregierung selbst. Die
jeweils gültigen Steuersätze können je nach Warenherkunft aus dem Ausland oder nach Bundesstaat variieren.
Auch fehlt eine allgemein anwendbare Regelung zum
umfassenden Vorsteuerabzug. So können in einem mehrstufigen Produktionsprozess auf jeder Stufe verschiedene
Steuern in unterschiedlicher Höhe anfallen. Dieser Kaskadeneffekt sorgt dafür, dass Unternehmen ihre Strukturen
hin zu einer geringen Belastung mit indirekten Steuern
optimieren, statt die wirtschaftlich bestmögliche Lösung
zu wählen.
Hinzu kommt ein hoher Verwaltungsaufwand, da für jede
Steuer eigene Regeln zu beachten sind, etwa zur Bemessungsgrundlage, zum Steuersatz und zum Veranlagungsverfahren. Ebenso sind für Einsprüche und Gerichtsverfahren verschiedene Stellen zuständig, und Zahlungen
müssen die betroffenen Unternehmen zu unterschiedlichen Zahlungsterminen an verschiedene Stellen leisten.
Inklusive Vorsteuerabzug
Die GST soll dagegen einheitlich für Herstellung, Verkauf und Konsum von Waren sowie für in Indien erbrachte
Volkwirtschaftliche Daten Indien
Reales BIP in 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2,067 Billionen US$
Bevölkerungszahl in 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,295 Milliarden
Prognose reales BIP Wachstum für 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7,5 %
Kinder unter 15 Jahre in % zur Gesamtbevölkerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28,7 %
Lebenserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Handelsvolumen mit Deutschland
(2014/2015, wichtigster EU-Partner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15,97 Milliarden Euro
Quellen: Weltbank, OECD, IBEF, Auswärtiges Amt
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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TAX
Dienstleistungen gelten. Eines der wichtigsten Elemente
ist dabei der Vorsteuerabzug. Ähnlich dem europäischen
Mehrwertsteuersystem soll zunächst die GST auf allen
Wertschöpfungsebenen erhoben werden und der weiterveräußernde Unternehmer die gezahlte GST auf den zugehörigen Wareneinkauf als Vorsteuer abziehen können. Im
Ergebnis wird deshalb nur der durch den jeweiligen Unternehmer selbstgeschaffene Mehrwert mit der GST belastet.
Weiterhin folgt die GST-Besteuerung dem Bestimmungslandprinzip, weshalb Importe steuerpflichtig und Exporte von der GST befreit werden. Die Steuerbeträge werden
verwaltungsintern auf die verschiedenen Empfänger – vor
allem Zentralregierung und Bundesstaaten – aufgeteilt,
der Steuerpflichtige zahlt aber nur einen Gesamtbetrag.
Die anzuwendenden Steuersätze stehen noch nicht fest.
Volkswirtschaftlicher Effekt
indische Volkswirtschaft um zusätzlich ein bis zwei Prozentpunkte wachsen lässt. Vor allem hoffen die Befürworter, dass Indien durch ein modernes und effizientes GSTSystem mit verlässlichen Belastungswirkungen attraktiver
für Investitionen multinationaler Konzerne wird und sich
als weltweit konkurrenzfähiger Produktionsstandort etablieren kann.
Technische Umsetzung
Aus diesem Grund treibt die Regierung das Projekt organisatorisch und administrativ mit Macht voran. Kürzlich
stellte sie einen Entwurf für detaillierte Ausführungsbestimmungen zur Diskussion. Das IT-System soll bis März
2016 fertiggestellt sein und den Steuerpflichtigen zukünftig als „One-Stop-Shop“ ermöglichen, sich online zu registrieren, Steuererklärungen abzugeben und Zahlungen
abzuwickeln.
Ebenso groß wie die Dimensionen des Reformprojektes
werden die volkswirtschaftlichen Effekte eingeschätzt. Die
indische Regierung erwartet, dass die GST-Einführung die
Ihre Autoren
Dirk Nolte
Senior Manager /
Steuerberater
German Tax Desk,
London
Siddharth Kaul
Senior Manager
India Tax Desk, Frankfurt
René Gütschow
Partner / Steuerberater
Indirect Tax, Frankfurt
[email protected]
[email protected]
[email protected]
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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TAX
§ 50i EStG:
Kein Verlass auf den Erlass
Der Wissenschaftliche Beirat Steuern von EY
spricht sich für eine Regelung per Gesetz aus.
E
rst Jahre, nachdem der BFH bereits die klare Tendenz hatte erkennen
lassen, dass Personengesellschaften mit lediglich gewerblicher Prägung bzw. Infizierung in Übereinstimmung mit der internationalen Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen keine Betriebsstättenqualität besitzen,
und dass folglich eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte i. S. d. Art. 7 OECD Musterabkommen insoweit nicht möglich ist, reagierte
die Finanzverwaltung. Sie führte dem Gesetzgeber die Hand in Form der Verabschiedung einer Erstfassung des § 50i EStG, der eine als falsch erkannte
Rechtslage (dennoch) konservieren und für Altjahre manifestieren sollte. Es galt
zu verhindern, dass als Folge des drohenden Verlusts des Status als Betriebsstätte in den Gesellschaften vorhandene stille Reserven der deutschen Besteuerung entzogen würden.
Ausgelöst durch einen auch in der Presse bekannt gewordenen Einzelfall im
Frühjahr des Jahres 2014 erfolgte dann im Juli 2014 völlig überraschend und
weitgehend unbemerkt sowie ohne (hinreichende) öffentliche Diskussion des
Gesetzentwurfs die Verabschiedung einer verschärften Fassung des § 50i EStG,
die nicht nur ein Fortbestehen des deutschen Besteuerungsrechts sichern soll,
sondern die darüber hinaus Übertragungen und Umwandlungen einschließlich
solcher per Schenkung oder Erbschaft sowie den Übergang zu einer originär
gewerblichen Tätigkeit (Strukturwandel) von der Buchwertfortführung generell
ausschließt. Ein zweiter Schnellschuss, der noch unüberlegter und unausgereifter „aus der Hüfte abgefeuert“ wurde als die Erstfassung.
Aufruf des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY
Der Wissenschaftliche Beirat hat daher in einem Fachbeitrag und in schriftlicher
Stellungnahme gegenüber den Abgeordneten des Finanzausschusses des
Deutschen Bundestages und den Finanzministern von Bund und Länder auf die
Überreaktion hingewiesen und eine gesetzliche Korrektur angemahnt.
Seit der Einführung der Norm ebbt die Kritik an der Regelung nicht ab. Viele
Unternehmer und Unternehmen sind bei wichtigen Projekten, namentlich
Umwandlungen, Veränderungen in der Gesellschafterstruktur bzw. Gesellschaftsstruktur usw. blockiert.
Eine von der Steuerverwaltung ist Aussicht gestellte Korrektur im Rahmen
eines Erlasses ist nicht ausreichend. Ein Erlass ist lediglich eine verwaltungsinterne Arbeitsanweisung der Finanzverwaltung. Er bewirkt keinen sicheren
Schutz für den Steuerpflichtigen.
Auf den Erlass ist demnach kein Verlass! Stattdessen muss § 50i EStG gesetzlich novelliert werden.
Ein Beitrag des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY
Die Expertise des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY liegt in der Zusammensetzung von hochkarätigen Wissenschaftlern, ehemaligen BFH-Richtern und ehe­
maligen Vertretern der Finanzverwaltung begründet. Der Wissenschaftliche Beirat
ent­wickelt und vertieft steuerliche Themen, die von übergeordneter und grundsätz­
licher Bedeutung sind. Der Wissenschaftliche Beirat ist der steuersystematischen
Folgerichtigkeit und einem Prinzipien-getragenen Steuerrecht verpflichtet.
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Tax & Law berichtete bereits vor gut einem Jahr
Mit dem § 50i EStG
bringt die Bundesregierung international
aktive Mittelständler in
Bedrängnis.
Jeder Gesellschafter läuft nach §50i EStG Gefahr, wenn
er reist, sich in einem anderen Land aufhält oder dort
hinzieht, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) unterhält und in dem der Gesellschafter als ansässig anzusehen ist, auf stille Reserven in seinen Unternehmensbeteiligungen Steuern zahlen zu
müssen. Auch jeder Gesellschafter ist betroffen, der
Deutschland verlässt und hierzulande an einer Kapitalgesellschaft mit mindestens einem Prozent beteiligt ist,
wenn er diese Beteiligung vor dem 29. Juni 2013 in eine
vermögensverwaltende, aber als gewerblich geltende
Personengesellschaft eingebracht hat.
Streit um „gewerbliche Prägung“
Noch 2013 bestand für wegziehende Gesellschafter
die Möglichkeit, ihre Kapitalgesellschaftsbeteiligungen
zuvor steuerneutral in eine Personengesellschaft einzubringen. Auch nach Wegzug des Gesellschafters war diese Kapitalgesellschaftsbeteiligung als Betriebsvermögen
einzustufen und damit in Deutschland steuerverstrickt –
auch nach Wegzug des Gesellschafters.
Dem widersprach der Bundesfinanzhof (Urteile vom
28. April 2010, I R 81/09, und vom 25. Mai 2011, I R
95/10). Nach dieser Rechtsauffassung verliert Deutschland das Besteuerungsrecht an einem späteren Veräußerungsgewinn (sowie ggf. teilweise an den laufenden
Dividendeneinnahmen) aus der Beteiligung, die vor dem
Wegzug in die gewerblich geprägte Personengesellschaft
eingebracht wurde.
Reaktion des Gesetzgebers
Die Reaktion des Gesetzgebers folgte mit der Vorschrift des § 50i EStG im Jahr 2013. Danach besteuert
Deutschland in Wegzugsfällen, bei denen eine Besteuerung der stillen Reserven in Kapitalgesellschaftsbeteiligungen – quasi im Vertrauen auf die damalige Verwaltungsauffassung – unterblieb, einen späteren
Veräußerungsgewinn und die laufenden Einkünfte aus
der Kapitalgesellschaftsbeteiligung auch entgegen der
Bestimmungen eines DBA.
Ausweitung durch das „Kroatiengesetz“
Im Jahr 2014 hat der Gesetzgeber den § 50i EStG ausgeweitet. Auch die Gewährung neuer Kapitalgesellschaftsanteile an eine (bisher originär gewerblich tätige) Personengesellschaft im Gegenzug zur Einbringung
ihres Betriebs (oder Teilbetriebs) nach § 20 UmwStG gilt
danach als Übertragung oder Überführung von Kapitalgesellschaftsanteilen i. S. d. § 17 EStG in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft.
Darunter könnte z. B. auch eine Personengesellschaft
fallen, die ihren Betrieb nach § 20 UmwStG vor dem 29.
Juni 2013 gegen neue Anteile in eine Kapitalgesellschaft
eingebracht hat und seither nur noch auf Grund gewerblicher Prägung als gewerblich tätig gilt. Betroffen sind
vor allem Unternehmen mit Gesellschaftern im DBA-Ausland sowie Fälle, in denen ein Wegzug eines Gesellschafters in einen anderen DBA-Staat ansteht. Es besteht die
Gefahr einer steuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven bei bestimmten Umstrukturierungen oder Umwandlungen sowie im Falle des Strukturwandels, den die geänderte Vorschrift des § 50i EStG begrifflich regelt.
TAX
Korrekturen beim § 8c KStG
Für Konzerne und Personengesellschaften gibt es
Verbesserungen beim Verlustvortrag.
D
as im November in Kraft getretene Steueränderungsgesetz 2015 sieht Verbesserungen bei der
Konzernklausel des § 8c KStG vor. Dabei geht
es um eine Ausweitung auf Fälle, in denen die Konzernmuttergesellschaft selbst der Erwerber oder Veräußerer
einer nachgeordneten Gesellschaft ist, zu der eine Beteiligung von 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar besteht.
Damit sind künftig auch zweistufige Konzernstrukturen
begünstigt. Zudem ist es für die Anwendung der Konzernklausel künftig unschädlich, wenn eine Personenhandelsgesellschaft an der Konzernspitze steht. Voraussetzung
ist hierbei, dass sich die Anteile am übertragenden und
übernehmenden Rechtsträger oder die Anteile am Veräußerer oder Erwerber jeweils zu 100 Prozent im Gesamthandsvermögen der Personenhandelsgesellschaft befinden. Die Neuregelung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG ist
erstmalig auf Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 anwendbar. Somit erfahren alle noch offene Fälle seit der Einführung der ursprünglichen Konzernklausel
Ende 2009 eine rückwirkende Begünstigung.
Unzulässige Benachteiligung
In der Praxis führte die strenge Auslegung der Konzernklausel durch die Finanzverwaltung dazu, dass zahlreiche betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen
innerhalb eines Konzerns verhindert wurden. So verneinte die Finanzverwaltung zuletzt in ihrem derzeit als Entwurf vorliegenden neuen Anwendungsschreiben zu § 8c
KStG vom 15. April 2014 eine Anwendung der Klausel,
wenn eine Personenhandelsgesellschaft an der Konzernspitze stand oder die Konzernspitze selbst als Erwerber
oder Veräußerer von Anteilen agierte. Diese Auslegung
benachteiligte Personenunternehmen gegenüber Kapitalgesellschaften sowie Konzerne mit flachen Strukturen
(2-stufiger Konzernaufbau), insgesamt also vor allem mittelständische Unternehmen wie Familienunternehmen.
Dieser (unzulässigen) Benachteiligung will der Gesetzgeber nun mit der Neufassung der Konzernklausel entgegenwirken.
Erhebliches Potenzial
Die Korrektur des § 8c KStG hat ein erhebliches Steuerminderungspotenzial. Bei Umstrukturierungen drohen
nicht genutzte Verluste teilweise bzw. vollständig unterzugehen. Dazu kommt es regelmäßig dann, wenn ein Beteiligungserwerb als „schädlich“ i. S. d. § 8c KStG zu qualifizieren ist. Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt vor,
wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 Prozent der Anteile (quotaler Untergang)
bzw. mehr als 50 Prozent der Anteile (vollständiger Untergang) an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden.
Um konzerninterne Umstrukturierungen nicht unnötig zu
erschweren, führte die damals schwarz-gelbe Koalition
mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Ende 2009 in
§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG die sogenannte Konzernklausel
ein. Danach geht der Verlustvortrag bei Beteiligungserwerben nicht verloren, wenn an der Spitze des Konzerns
eine einzelne natürliche oder juristische Person steht und
diese Person zu 100 Prozent sowohl an dem übertragenden als auch an dem übernehmenden Unternehmen
unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.
Erweiterung der Konzernklausel nach dem Steueränderungsgesetz 2015
Personenhandelsgesellschaft als Konzernspitze
GmbH
KG
Konzern­spitze
100%
T1 GmbH
(übertragender
Rechtsträger)
100%
100%
T2 GmbH D
(übernehmender
Rechtsträger)
Es fallen grundsätzlich auch
Konstellationen unter die neue
Konzernklausel, welche die Voraussetzungen der bisher geltenden
Regelung nur deshalb nicht erfüllen,
weil eine Personengesellschaft
nach Verwaltungsauffassung nicht
„dieselbe Person“ im Sinne der geltenden Konzernklausel sein konnte.
Bei Übertragung der Anteile an der
Verlustgesellschaft von T1 auf T2
ist daher nach der Neuregelung die
Konzernklausel anwendbar.
Verlustgesellschaft
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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TAX
Richtig fördern lassen
Die Infrastrukturfinanzierung gerät in den Fokus
der EU-Beihilfenkontrolle
D
ie öffentliche Infrastrukturfinanzierung steht
zunehmend im Blickfeld der EU-Wettbewerbsaufsicht. Dabei muss sich die Finanzierung der Infrastruktur durch die öffentliche Hand auf allen Ebenen
– von der Errichtung bis zur Nutzung – an den Vorgaben
des europäischen Beihilfenrechts messen lassen. Der
Fokus richtet sich insbesondere auf die Finanzierung von
See- und Binnenhäfen, Flughäfen, Sport-/Multifunktionsinfrastruktur, Forschungsinfrastruktur, Breitbandinfrastruktur, Erschließung von Gewerbegebieten sowie Grundstückserschließungsmaßnahmen nach Maß. Aufgrund
verschiedener Urteile des Europäischen Gerichtshofes
entstand zuletzt eine gewisse Rechtsunsicherheit darüber, wie EU-Beihilfevorschriften auf die öffentliche Infrastrukturfinanzierung anzuwenden sind. Zudem stellte die
EU-Kommission entsprechende Überlegungen im Rahmen
der Modernisierung der EU-Beihilfenkontrolle (State Aid
Modernisation) an. Welche konkreten Auswirkungen sich
daraus auf längere Sicht ergeben, diskutierten Vertreter
der Länder und Kommunen im Rahmen einer EY-Fachkonferenz in Kooperation mit EY Law und der Europäischen
Akademie für Steuern, Wirtschaft und Recht im September 2015 in Berlin.
Neue Regeln aus Brüssel
Mit der neuen Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) hat die EU-Kommission einerseits den Spielraum der Mitgliedstaaten erheblich ausgeweitet, indem
sie einige Freistellungstatbestände neu aufnimmt – u. a.
für Sport- und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen.
Andererseits hat sie niedrige Freistellungsschwellenwerte festgelegt und beihilferechtliche Rahmenbedingungen für wichtige Infrastrukturbereiche enger geschnürt.
Mit teilweise überarbeiteten oder neu aufgesetzten sektorspezifischen Regelwerken, so z. B. Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehr oder Breitbandausbau, sorgt Brüssel für Auslegungsunsicherheiten
und praktische Anwendungsfragen.
Im Falle von Verstößen gegen das europäische Beihilfenrecht droht Unternehmen die Rückforderung der Beihilfen. Das Risiko einer nicht beihilfekonformen Inanspruchnahme von staatlichen Finanzierungshilfen liegt somit bei
dem Beihilfeempfänger. Grundsätzlich sorgt eine rechtzei-
34
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
tige Einzelanmeldung bei der EU-Kommission für Rechtssicherheit. Jedoch kann die Dauer des Genehmigungsverfahrens die geplanten Investitionen hinauszögern.
Gestalten und dokumentieren
Der beihilfenrechtliche Rahmen lässt Raum auch für beihilfenfreie Lösungen. EY wendet die durch die EU-Kommission anerkannten Grundsätze zur beihilfefreien Konzipierung der geplanten öffentlichen Finanzierung von
Infrastrukturmaßnahmen an, die nicht in Brüssel angemeldet werden müssen. Das trägt zu einer zeit- und kostensparenden Gestaltung der Projektfinanzierung im
Einklang mit EU-Beihilfevorschriften bei. Sollte die EUKommission in Verdachtsfällen die bereits durchgeführten Fördermaßnahmen auf ihre Beihilfekonformität überprüfen, kann EY eine Analyse erstellen, um das Fehlen
eines Beihilfeelements im Rahmen der Finanzierung zu
belegen und somit einen Beweis zur Einhaltung der Beihilfevorschriften vorzulegen. Bei wirtschaftlich tragfähigen
Projekten kann dies ein Vergleich mit marktwirtschaftlich
handelndem Dritten (sogenannter Privat Investor Test)
sein. Bei nicht wirtschaftlich tragfähigen Projekten bzw.
defizitären Maßnahmen, die dem Allgemeinwohl dienen
und ohne staatliche Eingriffe am Markt überhaupt nicht
oder in Bezug auf Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit,
Gleichbehandlung oder universalen Zugang nur zu anderen Standards durchgeführt werden würden, erfolgt die
Betrauung mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI).
Private Investor Test
Wichtig ist dabei zu wissen, welche ökonomischen Methoden die EU-Kommission verwendet. Der Private Investor Test ist ein in der Beihilfenkontrolle in großem Umfang
eingesetztes ökonomisches Modell, welches den Art. 107
Abs. 1 AEUV und das im Fokus stehende Kriterium der
Begünstigung durch die öffentliche Beteiligung widerspiegelt. Danach ist eine direkte oder indirekte Kapitalzuführung keine Beihilfe, wenn sie zu marktüblichen Bedingungen vorgenommen wurde. Es ist daher im Rahmen einer
ökonomischen Vergleichsanalyse zu prüfen, ob ein unter
normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen handelnder privater Kapitalgeber von vergleichbarer Größe wie
© iStock / saiko3p
TAX
Mit 17,185 km ist die Vasco-da-Gama-Brücke bei Lissabon eine der längsten Brücken der Welt und die längste in
Europa. Sie überspannt den Fluss Tejo und wurde nach dem portugiesischen Seefahrer Vasco da Gama benannt.
die staatliche Einrichtung in vergleichbarer Konstellation durch die fragliche Investition eine marktübliche Mindestrendite hätte erzielen können. Aufgrund der neuesten
Rechtsprechung ist die Analyse auf allen drei Infrastrukturebenen – Errichtung, Betrieb und Nutzung – notwendig,
um das Vorliegen einer Beihilfe vollständig auszuschließen.
Betrauung mit DAWI
Die Unternehmen, die DAWI erbringen wollen, können im
Rahmen einer Rechtshandlung betraut werden (Betrauungsakt). Der Betrauungsakt besteht in einer Bestimmung und Erläuterung der dem Unternehmen auferlegten Gemeinwohlverpflichtung sowie Regelungen zur
Gewährung von Ausgleichsleistungen durch die betrauende Gebietskörperschaft.
Eine Betrauung des Beihilfeempfängers mit DAWI kann
auf verschiedene Grundlagen gestützt werden. Das können die vom EuGH entwickelten vier Kriterien im Zuge des
Altmark-Trans-Verfahrens sein. Diese beinhalten:
• Betrauung: Das Unternehmen muss mit der Erbringung
klar definierter, gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen
betraut werden.
• Transparente Parameter: In dem Betrauungsakt müssen die Parameter, anhand derer die Ausgleichsleistung
an das Unternehmen bemessen wird, im Voraus objektiv
und transparent festgelegt werden.
• Keine Überkompensation: Die Ausgleichshöhe
beschränkt sich auf das für die Kostendeckung Erforder­
liche und den angemessenen Gewinn.
• Ausgleichsleistung: Die Höhe des Ausgleichs wird auf
Grundlage einer Analyse der Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens oder Vergabeverfahrens bestimmt.
In der Praxis kann eine Altmark-Trans-Betrauung gewisse Schwierigkeiten aufwerfen, da insbesondere die für die
Gemeinwohlverpflichtung zu erbringende Ausgleichszahlung angemessen sein muss. Diese muss wiederum meist
durch eine Vergleichsrechnung mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen ermittelt werden.
Ein solcher Benchmark-Vergleich, der eine beihilfefreie
Finanzierung ermöglicht, ist nicht für jedes Unternehmen
durchführbar.
Alternativ kann eine Betrauung auf Grundlage des sogenannten Freistellungsbeschlusses (EU-Verordnung
360/2012 vom 25. April 2012) erfolgen, wenn dafür die
Voraussetzungen erfüllt sind. Bei einer Betrauung auf
Grundlage des Freistellungsbeschlusses kann auf die Einhaltung des vierten Altmark-Trans-Kriteriums (Ausgleichsleistung) verzichtet werden. Maßgeblich ist dann das Vorliegen von DAWI, die nach europäischem Verständnis den
Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge bei vorhandenem Marktversagen widerspiegeln. Werden die Vorgaben
des Freistellungsbeschlusses beachtet, liegt eine gerechtfertigte Beihilfe vor.
Ihr Autor
Steffen Sühnel
Senior Manager / MBA
[email protected]
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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TAX
Wegen Kindergeld zum Kadi
Nach Deutschland entsandte Mitarbeiter können
Kindergeld beziehen. Doch Vorsicht: Wer sich später
nicht abmeldet, riskiert ein strafrechtliches Nachspiel.
E
in nach Deutschland entsandter Mitarbeiter, der
von seiner Familie begleitet wird, kann für die Zeit
seines Aufenthalts unter bestimmten Voraussetzungen Kindergeld beziehen. Das Procedere ist nicht sonderlich kompliziert. Das Kindergeld wird auf entsprechenden Antrag des Mitarbeiters von der Familienkasse
ausgezahlt. Eine gewisse Schwäche im System besteht
darin, dass einmal beantragtes Kindergeld bei minderjährigen Kindern grundsätzlich bis auf Weiteres fortgezahlt wird, selbst dann, wenn die Entsendung zwischenzeitlich bereits vorbei, der Mitarbeiter samt Familie in sein
Heimatland zurückgekehrt ist – und damit die Voraussetzung für den Bezug von deutschem Kindergeld entfällt.
Denn erst mit Abmeldung bei der Familienkasse endet der
Kindergeldbezug in Deutschland. Wer dies nicht tut, der
kann bei seinem nächsten Deutschland-Besuch sein blaues Wunder erleben.
rechtigte Bezug von Kindergeld möglicherweise längere
Zeit unentdeckt. Welche einschneidenden Konsequenzen
dies haben kann, erfährt der Betroffene häufig erst an der
Passkontrolle des Flughafens bei der Wiedereinreise nach
Deutschland oder in die EU. Dort wird dem sichtlich überraschten Einreisenden eröffnet, dass gegen ihn wegen
vorsätzlicher Steuerhinterziehung aufgrund des ungerechtfertigten Bezugs von Kindergeld ermittelt wird. Um
den weiteren Ablauf des Verfahrens aus Sicht der Behörden zu vereinfachen, wird ihm regelmäßig nahegelegt,
einen von den Beamten vorgeschlagenen inländischen
Empfangsbevollmächtigten zu benennen. Dieser soll ihn
über den weiteren Fortgang des Verfahrens informiert
halten. Leider zeigt die Praxis, dass der Betroffene durch
seinen Empfangsbevollmächtigten – oftmals bei einer
Behörde oder einem Verein angesiedelt – nur unzureichend oder mit erheblichem Zeitverzug unterrichtet wird.
Ärger beim nächsten Deutschland-Besuch
Strafbefehl am Flughafen
Behält der Mitarbeiter nach Wegzug aus Deutschland sein
deutsches Bankkonto zunächst aufrecht, bleibt der unbe-
Die bittere Konsequenz lautet dann: Bei einer der nächsten Dienstreisen nach Deutschland wird der Manager von
© iStock / Susan Chiang
Kindergeld gehört sicherlich nicht zu den Themen,
die auf der Agenda der Steuer- oder Personalabteilung internationaler Konzerne weit oben stehen. Im
Bereich der grenzüberschreitenden Mitarbeiterentsendung nach Deutschland ist die Beantragung des Kindergelds häufig nicht durch einen Prozessablauf einheitlich geregelt. Hier sind es der Mitarbeiter selbst,
der Arbeitgeber oder in dessen Auftrag ein sogenannter Relocation Provider, die den Antrag bei der zuständigen Familienkasse stellen. Da dürfte es in Anbetracht
der geringen Komplexität der Beantragung und der
verhältnismäßig überschaubaren monatlichen Beträge
im Ergebnis schon überraschen, dass ComplianceDefizite in diesem Bereich steuerstrafrechtliche Ermittlungen und finanzielle Sanktionen im hohen vierstelligen Bereich nach sich ziehen können.
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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TAX
einem mittlerweile rechtskräftigen Strafbefehl erwartet, der von den Zollbeamten an Ort und Stelle vollstreckt
wird. Rechtliche Anfechtungsmöglichkeiten bestehen
dann kaum noch. Die zweiwöchige Einspruchsfrist gegen
den Strafbefehl wird in der Regel schon abgelaufen sein.
Ein möglicher Antrag auf Wiedereinsetzung scheitert im
späteren gerichtlichen Verfahren häufig daran, dass ein
inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt wurde.
Dass der ganzen Angelegenheit offensichtlich nur ein Versehen zugrunde liegt, lassen die Behörden regelmäßig
nicht gelten und argumentieren in subjektiver Hinsicht mit
dem Vorliegen eines zumindest bedingten Vorsatzes.
Direkt bei der Familienkasse abmelden
Wichtig ist daher für Mitarbeiter, die nach einem Deutschland-Aufenthalt mit ihrer Familie wieder ins Ausland
gehen: Eine Kindergeld-Abmeldung muss direkt an die
zuständige Familienkasse adressiert sein. Eine automatische Information von Amts wegen bei postalischer
Abmeldung erfolgt nicht. Die formlose Information an die
Familienkasse über den Wegfall des Anspruchs auf Kindergeld aufgrund des Wegzugs kann durch den Mitarbeiter selbst, den Arbeitgeber oder einen Berater in dessen
Auftrag erfolgen. Die Formalitäten der Abmeldung können von Relocation Providern oder auch vom aufnehmenden Unternehmen übernommen werden. Hat der Mitarbeiter den Kindergeldantrag jedoch auf eigene Faust
gestellt, was in der Praxis häufig geschieht, geht die verpflichtende Abmeldung im Trubel des Familienrückzugs
am Ende der Entsendung nicht selten unter.
Fall für die Personalabteilung
Die Untiefen des Steuerstrafrechts können in Fällen des
unberechtigten Bezugs von Kindergeld am wirksamsten
dadurch vermieden werden, dass die vermeintliche Nebensache Kindergeld in die Entsendeprozesse aufgenommen
und klare Zuständigkeiten definiert werden. Insbesondere
ist es wichtig, dass diese Aufgabe eindeutig der Personal(HR-) oder der Steuerfunktion zugeordnet wird. Eine organisierte Unzuständigkeit aufgrund unklar abgegrenzter
oder sich überschneidender Kompetenzen verschiedener
Funktionen und Abteilungen ist unbedingt zu vermeiden.
Strafbefreiende Selbstanzeige
Wird der unberechtigte Bezug von Kindergeld noch rechtzeitig vor einem behördlichen Aufgriff bemerkt, hat der
Betroffene die Möglichkeit, die strafrechtlichen Risiken
durch unverzügliche Anzeige bei der Familienkasse und
einer sofortigen Rückzahlung des Kindergelds zu vermeiden. Sollte die Behörde daraufhin einen steuerstrafrechtlichen Vorwurf erheben, ist eine solche Richtigstellung als
strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu werten. Da mit der Bekanntgabe der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ein Sperrtatbestand
für die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige verwirklicht wird, darf die Anzeige an die Familienkasse nicht
auf die lange Bank geschoben werden. Selbst nach einer
Anfrage der Familienkasse ist noch Zeit zum Handeln.
Nach der maßgeblichen Dienstanweisung können Äußerungen im Rahmen einer behördlichen Anhörung noch als
Selbstanzeige gewertet werden, wenn zur Sachverhaltsaufklärung noch Ermittlungen beim Betroffenen erforderlich sind.
Ihr Autor
Dr. Marcus Geuenich
Executive Director /
Rechtsanwalt /
Steuerberater
marcus.geuenich
@de.ey.com
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
37
TAX
Controversy
Wirrwarr um die Werthaltigkeit
Betriebsprüfer interpretieren den Forderungsverzicht
im Konzern gern in ihrem Sinne.
D
ie innerkonzernliche Darlehensvergabe zwischen
Mutter- und Tochtergesellschaften ist schon immer
eine weit verbreitete Finanzierungsmethode. Einer
der Vorteile besteht darin, bei Liquiditätsschwierigkeiten
unkompliziert und flexibel eine Einlage durch Verzicht auf
Darlehensrückzahlung vorzunehmen. Seit der Bundesfinanzhof jedoch die vollständige Werthaltigkeit der Konzerndarlehen aufgrund des sogenannten Rückhalts im
Konzern ad acta gelegt hat, lebt bei Betriebsprüfungen
die Diskussion über Forderungsverzichte wieder auf. Laut
BFH lässt der Konzernrückhalt keine Rückschlüsse mehr
auf die Wahrscheinlichkeit der Darlehensrückzahlung
durch eine Tochtergesellschaft zu (BFH- Urteil vom 24.
Juni 2015). Die Betriebsprüfung nimmt das aktuelle Urteil
zum Anlass, den Darlehensverzicht im Konzern wieder
nach alter Schule auf seine Werthaltigkeit zu überprüfen.
Im Ergebnis identifizieren die Betriebsprüfer einen werthaltigen und einen nicht werthaltigen Teil der Forderung.
Langfristige Forderungen in deutschen Unternehmen
80
60
40
s)
20
13
20
12
20
11
20
10
20
09
20
08
20
07
20
06
20
05
20
04
20
03
20
02
20
01
20
20
00
Interesse an fehlender Werthaltigkeit
Aus der Aufteilung wird deutlich, dass Betriebsprüfer ein
verständliches Interesse daran haben, möglichst große
Teile des Forderungsverzichts als nicht werthaltig zu qualifizieren. Als entscheidendes Kriterium für die Aufteilung
in diesem Sinne ist jedoch nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs weder der Nennbetrag noch der
als Verbindlichkeit passivierte Betrag, sondern vielmehr
der tatsächliche Wert der Forderung im Zeitpunkt des
Verzichts anzusehen.
Welche Belege?
100
langfristige Forderungen
darunter: gegen verbundene Unternehmen
die Finanzverwaltung somit in zwei Teilbeträge:
• Der werthaltige Teil der Forderung wird steuerlich als
Einlage behandelt, die das Einkommen der SchuldnerKapitalgesellschaft nicht erhöht.
• Der nicht mehr werthaltige Teil der Forderung wird
steuerlich als Ertrag behandelt, der das Einkommen der
Schuldner-Kapitalgesellschaft erhöht.
Die Definition für eine werthaltige Darlehensforderung
ist dabei unstrittig: Die Tochtergesellschaft muss in der
Lage sein, das Darlehen zum Fälligkeitszeitpunkt zurückzuzahlen. Die Werthaltigkeit zu belegen, ist hingegen die
schwierigere Aufgabe, insbesondere wenn die Gesellschaft nicht über ausreichend Liquidität verfügt. Entgegen der oft vorgebrachten Argumentation von Betriebsprüfern ist es aber bei bilanzieller Überschuldung nicht
zwingend, dass der nicht werthaltige Teil der Forderung
aus dem negativen Eigenkapital besteht.
Quelle: Bundesbank, Angaben in Milliarden Euro
Stille Reserven
Zwei Komponenten
Für den Fall des Forderungsverzichts eines Gesellschafters
gegenüber seiner Kapitalgesellschaft wird zwischen dem
werthaltigen und dem nicht werthaltigen Teil der Forderung unterschieden. Hiernach führt ein Verzicht eines
Gesellschafters auf seine nicht mehr voll werthaltige Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft dazu, dass
diese eine Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung
erhält. Der Gesamtbetrag des Forderungsverzichts zerlegt
38
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Vielmehr ist die Frage nach der Überschuldung nicht
anhand der Handels- oder Steuerbilanz, sondern anhand
des Überschuldungsstatus zu beurteilen. Dabei sind für
die Bestimmung der Werthaltigkeit die tatsächlichen Verkehrswerte des Betriebsvermögens anzusetzen. Folglich
sind sämtliche im Betriebsvermögen der Schuldner-Kapitalgesellschaft verstrickten stillen Reserven zu berücksichtigen. Auf diesem Wege lässt sich in der Regel auch
eine höhere Werthaltigkeit der Forderung belegen.
Controversy
TAX
Wie auf dem Basar
Die Schlussbesprechung in der Betriebsprüfung
erfordert viel Verhandlungsgeschick.
R
und 18 Milliarden Euro Mehreinnahmen an Steuern und Zinsen haben die Betriebsprüfungen
2014 in die Finanzkassen gespült. In dieser Zahl
sind dabei nicht einmal die Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfungen, der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und
der Steuerfahndung enthalten. Die Mehreinnahmen stammen aus der Prüfung von 192.741 Unternehmen. Und
bezogen auf die 13.533 Betriebsprüfer erzielte jeder von
ihnen durchschnittliche Mehreinnahmen in Höhe von 1,3
Millionen Euro – ein einträgliches Geschäft für den Fiskus.
Theoretisch ist es zwar Aufgabe der Betriebsprüfung, die
Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen, d. h. die
dem Gesetz nach richtige Steuer zu ermitteln – sowohl zu
Gunsten als auch zu Ungunsten der Steuerpflichtigen. In
der Praxis führen jedoch annähernd alle Betriebsprüfungen zu steuerlichen Mehreinnahmen.
Warum? Es ist keineswegs so, dass sich in den Steuererklärungen aller geprüften Unternehmen zweifelsfreie
Fehler finden lassen. Wenngleich es offiziell keine Arbeitsanweisungen hierzu gibt, so scheint jedoch zwischen
den Betriebsprüfern ein zunehmender Leistungs- und
Konkurrenzdruck zu bestehen, Mehrergebnisse zu erzielen. Dabei kommt ihnen zupass, dass selbst das ausge­
feilte deutsche Steuerrecht die Interpretationen von einzelnen Rechtfragen zulässt.
Ein Beispiel
Während der Steuerpflichtige seine High-Tech-Wirtschaftsgüter über die tatsächliche Nutzungsdauer von
drei Jahren abgeschrieben hat, sehen die amtlichen
Abschreibungstabellen eine Mindestabschreibungsdauer
von fünf Jahren vor. Da der Betriebsprüfer jegliche
Dokumentation über die kürzere Nutzungsdauer hartnäckig anzweifelt, dürften sich beide in der Schlussbesprechung auf eine Nutzungsdauer von vier Jahren einigen.
Dann fühlt man sich wie auf einem orientalischen Basar.
Die Betriebsprüfer sind dabei strategisch im Vorteil:
Für sie ist es verhältnismäßig einfach, ihre Rechtsansicht
bis zuletzt aufrechtzuerhalten. Für den Steuerpflichtigen
ist die Schlussbesprechung allerdings häufig die letzte
Gelegenheit, sich ein kostspieliges Rechtsbehelfsverfahren zu ersparen.
Steuereinnahmen aus Betriebsprüfungen
5
4,6
Körperschaftsteuer
3,0
Einkommensteuer
2,6
Zinsen nach § 2a AO
2,0
Umsatzsteuer
1,8
Sonstige Steuern
(einschl. Vermögen-­
steuer, ­Mehrsteuern
und Zinsen)
3,9
4
3
2
1
2010
14,9
2011
15,6
2012
17,8
2013
17,2
2014
17,9
Gewerbesteuer
Gesamteinnahmen pro Jahr
Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Angaben in Milliarden Euro
Zur Wahrung des Rechtsfriedens ist aber auch dem Prüfer meist an einer gütlichen Einigung gelegen. Der Steuerpflichtige muss daher die Feststellungen des Prüfers
nicht immer sofort akzeptieren und kann versuchen, im
Rahmen einer Gesamteinigung ein für ihn möglichst günstiges Ergebnis zu erreichen. In der Praxis hat sich ein
gewisser Pragmatismus durchgesetzt, die strittigen Punkte einer Paketlösung zuzuführen.
Unterlagen vom Prüfer anfordern
Der Prüfer kündigt die Schlussbesprechung in der Regel
mindestens eine Woche vorher an. Diese Zeit sollte jeder
Steuerpflichtige dazu nutzen, sich intensiv vorzubereiten und eine Besprechungsstrategie zu entwickeln. So
sollte sich der Steuerpflichtige sämtliche Feststellungen
schriftlich aushändigen lassen, und zwar mit detaillierter Begründung unter Angabe der Rechtsgrundlagen und
Berechnung des steuerlichen Mehrergebnisses. Und je
abwegiger sich dabei der Betriebsprüfer positioniert hat,
desto dringender sollte man darum bitten, dass zumindest der Sachgebietsleiter vom Finanzamt an der Schlussbesprechung teilnimmt.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
39
von Martina Ortmann-Babel
Leiterin National Office Tax
Spenden und Steuern sparen
Grundsätzlich können natürliche Personen und Körperschaften ihre Spenden steuerlich geltend machen und
den Fiskus daran beteiligen. Zur Natur einer Spende
gehört, dass sie freiwillig geleistet wird. Mitgliedsbeiträge oder andere Zahlungen (etwa an Sportvereine), für
die es eine Gegenleistung gibt, sind damit steuerlich keine Spenden.
Nicht alle freiwilligen Gaben berechtigen zum steuerlichen Abzug, sondern nur solche an begünstigte Spendenempfänger. Dazu zählen juristische Personen des
öffentlichen Rechts oder öffentliche Dienststellen (z. B.
Universität, Forschungsinstitut) oder als gemeinnützig
anerkannte Organisationen nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG.
Das müssen nicht nur inländische Körperschaften sein.
Begünstigt sind grundsätzlich auch Spenden an Organisationen im EU/EWR-Ausland. Allerdings müssen sie die
gleichen Voraussetzungen erfüllen wie die inländischen.
Das stellt Spender in der Praxis nicht selten vor hohe formale Hürden. Außerdem müssen mit den betreffenden
ausländischen Staaten entsprechende Abkommen über
Amtshilfe und eine Unterstützung bei der Beitreibung
bestehen.
Nicht steuerlich berücksichtigt werden grundsätzlich
Spenden an gemeinnützige Organisationen außerhalb des
EU/EWR-Raumes. Das musste ein Wohltäter erfahren, der
dem Papst anlässlich einer Generalaudienz in Rom eine
Spende überreichte. Die durfte der Spender aber nicht
steuerlich geltend machen, urteilte später das Finanzgericht Köln. Begründung: Empfänger sei der Vatikanstaat
gewesen, der weder Teil der EU noch des EWR ist. Nicht
gelten ließ das FG Köln das Argument, es habe sich um
eine Zuwendung für die Katholische Weltkirche gehandelt,
die in Deutschland durch verschiedene Körperschaften
des öffentlichen Rechts repräsentiert werde (Urteil des
FG Köln vom 15. Januar 2013, 13 K 3735/10).
40
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Der steuerliche Abzug von Spenden ist auf maximal 20
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte (bei Körperschaften 20 Prozent des Einkommens) oder 4 Promille
der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter begrenzt. Allerdings können nicht genutzte Spendenbeträge in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden
(Spendenvortrag).
Bescheinigungen erforderlich
Damit man seine Spende auch steuerlich absetzen kann,
ist eine Zuwendungsbestätigung erforderlich. Diese muss
nach einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck ausgestellt werden. Bis zu einem Spendenbetrag von 200 Euro
greift der vereinfachte Spendennachweis, es genügt der
Bareinzahlungsbeleg, Kontoauszug oder PC-Ausdruck
bei Online-Banking. Der vereinfachte Spendennachweis
greift auch über 200 Euro hinaus, und zwar in besonderen Katastrophenfällen mit Sonderkonten oder wie derzeit im Rahmen der Flüchtlingskrise (BMF-Schreiben vom
22.September 2015).
Auch in der Flüchtlingskrise sind nicht alle Hilfen absetzbar, so zum Beispiel direkte Zuwendungen an einzelne
Personen, wie die Kostenübernahme für einen Sprachkurs
für einen bestimmten aus Syrien stammenden Flüchtling.
Als abzugsfähige Spende erkennt der Fiskus aber Geldzuwendungen an steuerbegünstigte Volkshochschulen oder
deren gemeinnützige Fördervereine an. Damit kann man
indirekt das Erlernen der deutschen Sprache unterstützen.
Ebenfalls vereinfacht hat die Finanzverwaltung laut ihrem
aktuellen Anwendungsschreiben vom 22. September
2015 die sogenannte Arbeitslohnspende für Zwecke der
Unterstützung von Flüchtlingen. Verzichtet ein Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen seines Lohnes, damit
der Arbeitgeber diese auf das Konto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung zugunsten der Flüchtlingshilfe einzahlt, bleiben sie grundsätzlich lohnsteuerfrei.
Die gespendeten Lohnbestandteile kann der Arbeitnehmer dann aber in seiner Einkommensteuererklärung nicht
mehr als Spende steuermindernd absetzen.
Bewertung von Sachspenden
Neben Geld können Spenden auch Sachzuwendungen
umfassen. Problematisch ist jedoch oft die monetäre
Umrechnung für die Steuer. Bei Unternehmen bedeutet
die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen grundsätzlich, dass sie die darin enthaltenen stillen Reserven realisieren müssen. Wird das Wirtschaftsgut
allerdings unmittelbar nach seiner Entnahme einer steuerbegünstigten Körperschaft zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke unentgeltlich überlassen, kann die
Entnahme mit dem Buchwert angesetzt werden (Buchwertprivileg). Möglich ist auch der Ansatz zum Teilwert
(z. B. wenn bestehende Verluste genutzt werden sollen),
für den Spendenabzug ist dann ebenfalls der Teilwert
maßgeblich.
Der Sonderausgabenabzug ist auf 1.650 Euro pro Kalenderjahr (bei zusammenveranlagten Ehegatten 3.300
Euro) begrenzt.
Abgrenzung zum Sponsoring
In der Praxis ist die Abgrenzung der Spenden von Sponsoring häufig schwierig. Sponsoring ist als Betriebsausgabe abzuziehen, wenn es betrieblich veranlasst ist. Vorteil:
Für den Betriebsausgabenabzug gibt es anders als beim
Spendenabzug keine betragsmäßigen Begrenzungen und
auch keine so hohen formellen Hürden. Betriebliche Zwecke sind insbesondere in der Werbung und öffentlichkeitswirksamen Außendarstellung des Sponsors zu sehen (z. B.
beim Trikotsponsoring). Der Betriebsausgabenabzug kann
allerdings bei privater Motivation verwehrt werden. Das
gilt auch, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen den
Leistungen und dem erstrebten wirtschaftlichen Vorteil
besteht. Damit Sponsorengelder von der steuerbegünstigten Empfängerkörperschaft steuerfrei vereinnahmt
werden können, darf es sich nicht um Einnahmen eines
steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nach
§ 14 AO handeln.
Sonderfall Parteien
Besondere Regeln gelten für einkommensteuerpflichtige Personen bei Zuwendungen an politische Parteien
(Mitgliedsbeiträge und Spenden). Als Besonderheit können 50 Prozent der Zuwendungen, höchstens jedoch 825
Euro (1.650 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten),
direkt von der tariflichen Einkommensteuer abgezogen
werden. Neben diesem vorrangigen Steuerabzug greift
der „normale“ Sonderausgabenabzug für Zuwendungen an politische Parteien nur insoweit, als die politischen
Spenden 1.650 Euro (bei zusammenveranlagten Ehegatten 3.300 Euro) übersteigen.
Ansprechpartnerin [email protected]
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
41
TAX
+++ Ticker +++
Bilanzsteuer
1 Dauernde Wertminderung auch bei Konzernrückhalt
Der BFH präzisiert seine Aussagen zur (steuerwirksamen) Teilwertabschreibung auf konzerninterne grenzüberschreitende Darlehensforderungen. Laut BFH kann ein Konzernrückhalt
auch bei fehlenden (anderen) Sicherheiten
für die Fremdüblichkeit des Darlehens sprechen. Daraus sind aber keine zwingenden
Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit zu ziehen.
Gerade, wenn die Tochtergesellschaft auf die
Inanspruchnahme des Konzernrückhalts angewiesen ist, um außenstehende Gläubiger zu
befriedigen, ist davon auszugehen, dass die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Mutter­
gesellschaft nicht bedient wird (BFH-Urteil vom
24.06.2015, I R 29/14). Der BFH widerspricht
damit der Finanzverwaltung, die bei einem
bestehenden Konzernrückhalt bereits eine dauernde Wertminderung verneint (BMF-Schreiben
vom 29.03.2011).
Hinweis: Der BFH bestätigt die Abschirmwirkung des DBA-Fremdvergleichsgrundsatzes
gegenüber nationalen Einkünftekorrekturvorschriften. Danach sind nur Korrekturen möglich, wenn der Zinssatz nicht fremdüblich ist (so
bereits BFH-Urteil vom 17.12.2014, I R 23/13).
Der BFH ließ erneut offen, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Korrektur
nach § 1 Abs. 1 AStG a. F. vorliegen.
Ertragsteuer
2 Keine Organschaft bei atypisch stiller
Beteiligung
Die Finanzverwaltung will eine atypisch stille Gesellschaft, die am Handelsgewerbe einer
Kapitalgesellschaft eine stille Beteiligung nach
§ 230 HGB hält und als Mitunternehmerschaft
qualifiziert, weder als Organgesellschaft nach
den §§ 14, 17 KStG noch als Organträgerin
nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG anerkennen.
Ebenso kann eine Kapitalgesellschaft, an der
eine atypisch stille Beteiligung besteht, weder
Organgesellschaft noch Organträgerin sein
(BMF-Schreiben vom 20.08.2015). Vergleichbare Auffassungen vertraten zuvor bereits die
OFD Frankfurt (Verfügung vom 30.01.2013)
42
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
und das FinMin Schleswig-Holstein (Erlass vom
04.03.2013).
Hinweis: Für am 20.08.2015 bereits bestehende, steuerlich anerkannte Organschaften mit
Organträgern, an deren Handelsgewerbe atypisch stille Beteiligungen bestehen, sieht das
BMF-Schreiben eine Billigkeitsregelung mit Einzelfallprüfung vor.
3 Keine quellenbezogene Betrachtung bei
Anrechnung der Gewerbesteuer
Der BFH widerspricht der quellenbezogenen
Betrachtung der Finanzverwaltung bei der An­rechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG. Während die Finanzverwaltung für die Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags jede Einkunftsquelle separat
betrachtet und auch eine Saldierung von positiven und negativen Einkünften innerhalb der gleichen Einkunftsart nicht zulässt (BMF-Schreiben
vom 24.02.2009, Rz. 16), saldiert der BFH positive und negative Ergebnisse aus verschiedenen
Quellen innerhalb einer Einkunftsart (BFH-Urteil
vom 23.06.2015, III R 7/14).
Hinweis: Bei zusammenveranlagten Ehegatten
sind laut BFH positive Einkünfte des einen Ehegatten allerdings nicht mit negativen Einkünften des anderen aus der gleichen Einkunftsart
zu verrechnen.
4 Abzugsverbot der Gewerbesteuer
verfassungsgemäß
Der BFH hat auch bei Personenunternehmen
keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des
Abzugsverbots der Gewerbesteuer (BFH-Urteil
vom 10.09.2015, IV R 8/13). Der BFH überträgt
damit die bereits Anfang 2014 vom I. Senat hinsichtlich des Abzugsverbots bei Kapitalgesellschaften geäußerte Auffassung auf die Einkommensteuer.
Hinweis: Gegen die Entscheidung des I. Senats
(Abzugsverbot bei Kapitalgesellschaften, Urteil
vom 16.01.2014, I R 21/12) ist derzeit eine
Verfassungsbeschwerde anhängig (2 BvR
1559/14).
Lohnsteuer
5 Behandlung von
Betriebsveranstaltungen
In seinem Anwendungsschreiben vom
14.10.2015 äußert sich das BMF zu den seit
01.01.2015 geltenden neuen Regelungen zur
Behandlung von Betriebsveranstaltungen (u. a.
Umwandlung der bis 2014 geltenden 110 EuroFreigrenze in einen lohnsteuerlichen Freibetrag).
Aus Vereinfachungsgründen bezieht die Finanzverwaltung Arbeitnehmer anderer konzernangehöriger Unternehmen sowie Leiharbeitnehmer mit ein. Bei der Berechnung des Freibetrags
will die Finanzverwaltung die Aufwendungen auf
die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden
Teilnehmer aufteilen. Bei den einzubeziehenden
Aufwendungen für den äußeren Rahmen zählt
die Finanzverwaltung u. a. auch Kosten, die nur
zu einer abstrakten Bereicherung des Arbeitnehmers führen (z. B. Kosten für die Erfüllung
behördlicher Aufgaben oder Stornokosten).
Anders als bei dem lohnsteuerlichen Freibetrag
wirkt die Beschränkung auf 110 Euro umsatzsteuerlich (weiterhin) als Grenze, über der der
Vorsteuerabzug bzw. die Zuordnung zu dem
Unternehmen insgesamt – und nicht nur darüber hinaus – verloren geht. Für Klarheit sorgt
die Übernahme der ebenfalls zum 01.01.2015
erfolgten Erhöhung der Aufmerksamkeitsgrenze für Geschenke von 40 Euro auf 60 Euro in den
Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschn. 1.8
und 15.15 UStAE).
Hinweis: Die Regelungen des Anwendungsschreibens gelten grundsätzlich für nach
dem 31.12.2014 ausgeführte Sachzuwendungen und Betriebsveranstaltungen. Die
Finanzverwaltung beanstandet es allerdings
nicht, wenn die umsatzsteuerlichen Grundsätze des Schreibens erst auf nach dessen
Veröffentlichung im Bundessteuerblatt ausgeführte Sachzuwendungen und Betriebsveranstaltungen angewendet werden.
Umsatzsteuer
6 Verschärfungen der Anforderungen an
Rechnungen
Der BFH verschärft die Anforderungen an eine
ordnungsgemäße Rechnung, die zum Vorsteu-
TAX
erabzug berechtigt. Nach Auffassung des BFH
reicht für die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG
erforderliche Angabe des vollständigen Namens
und der vollständigen Anschrift des leistenden
Unternehmers (und des Leistungsempfängers)
nicht aus, dass die leistende Gesellschaft in der
Rechnung die Anschrift eines Buchhaltungsbüros angegeben hat, das für sie die Post entgegengenommen und Buchhaltungstätigkeiten
erledigt hat (BFH-Urteil vom 22.07.2015, V R
23/14).
Hinweis: Der BFH versteht das Merkmal der
„vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers“ damit als eine Anschrift, unter der
dieser auch seine wirtschaftlichen Aktivitäten
entfaltet. Einen Gutglaubensschutz im Festsetzungsverfahren sieht der BFH nicht. Sowohl leistende Unternehmer als auch die Leistungsempfänger sollten daher ein besonderes Augenmerk
auf die Anschrift des leistenden Unternehmers
legen.
7 Eingreifen der Versandhandelsregelung
Wird bei Lieferungen an private Endabnehmer
durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten der Gegenstand von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet, liegt der Ort der Lieferung
grundsätzlich dort, wo die Beförderung oder
Versendung endet (sogenannte Versandhandelsregelung, § 3c Abs. 1 UStG). Der BFH stellt
klar, dass es für die Frage, wer die Beförderung
oder Versendung durchgeführt hat, in erster
Linie darauf ankommt, wem der jeweilige Transport im Rahmen der Gesamtwürdigung aller
Umstände des Einzelfalls nach objektiven Kriterien zuzurechnen ist. Eine rein rechtliche oder
„formularmäßige“ Beauftragung der Beförderung genügt danach nicht. Hierbei kann sehr
wohl der andere Vertragspartner immer noch
der Beförderer oder Versender sein, wenn er
z. B. den Kurierdienst auswählt, die Preise verbindlich vorgibt oder Ort und Zeit der Auslieferung bestimmt (BFH-Urteil vom 20.05.2015,
XI R 2/13).
Hinweis: Dabei grenzt der BFH seine Rechtsprechung zum Versandhandel von seiner Rechtsprechung zu den Reihengeschäften ab. In
einem jüngeren Urteil (BFH vom 25.02.2015,
XI R 15/14) hatte der BFH entschieden, dass es
bei Reihengeschäften maßgeblich auf das Verschaffen der Verfügungsmacht und dessen
Umstände ankomme.
8 Nacherhebung der Umsatzsteuer bei
Bauleistungen
Anders als das FG Berlin-Brandenburg und das
FG Münster haben das FG Düsseldorf und das FG
Köln Anträge von Bauunternehmern auf Aussetzung der Vollziehung der vom Finanzamt nacherhobenen Umsatzsteuer aus ihren an Bauträger erbrachten Leistungen abgelehnt (FG
Düsseldorf vom 31.08.2015, 1 V 1486/15 und
FG Köln vom 01.09.2015, 9 V 1376/15).
Hintergrund sind die in 2014 erfolgten Änderungen bei der Abgrenzung zwischen regulärer und
umgekehrter Steuerschuldnerschaft im Bereich
der Bauleistung (§ 13b Abs. 5 UStG). Nachdem
die Finanzverwaltung ihre Auffassung infolge
eines BFH-Urteils änderte, änderte der Gesetzgeber den § 13b UStG und schrieb die ursprüngliche Rechtsauffassung der Finanzverwaltung
weitestgehend gesetzlich (wieder) fest. Um dem
Finanzamt die Nachforderung der Umsatzsteuer
vom Leistenden zu ermöglichen, wurde dessen
Vertrauensschutz (§ 176 Abs. 2 AO) durch eine
Änderung des § 27 Abs. 19 UStG eingeschränkt.
Hinweis: Die Frage der (vorläufigen) Nacherhebung der Umsatzsteuer wird damit von den
Finanzgerichten unterschiedlich beantwortet (vgl. zugunsten des Erbringers der Bauleistungen die Beschlüsse des FG Münster vom
12.08.2015, 15 V 2153/15 und des FG BerlinBrandenburg vom 03.06.2015, 5 V 5026/15).
Neben den jeweiligen Hauptsacheverfahren
bleibt auch eine klärende Entscheidung des BFH
abzuwarten.
9 Änderung der Bemessungsgrundlage
Laut BFH mindert sich die Bemessungsgrundlage des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nur insoweit, als das Entgelt tatsächlich zurückgezahlt
wird. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum der Rückgewähr vorzunehmen (BFHUrteil vom 18.09.2008, V R 56/06). Diese
Grundsätze übernimmt die Finanzverwaltung
nun auch im Zusammenhang mit der Berichtigung von unrichtig ausgewiesener Umsatzsteuer i. S. v. § 14c Abs. 1 UStG. In Fällen des unberechtigten Steuerausweises i. S. v. § 14c Abs. 2
UStG erfolgt die Berichtigung des geschuldeten Betrags wie bisher nach § 14c Abs. 2 Satz 3
bis 5 UStG. Hier kommt es damit anstelle einer
Rückzahlung eines zu hoch ausgewiesenen
Steuerbetrags auf die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens an (BMF-Schreiben vom 07.10.2015, (Abschn. 14c. 1, 14c.2
und 17.1 UStAE n. F.).
Hinweis: Die Grundsätze sind in allen offenen
Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung hat
die Urteile durch die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt auch bisher schon angewendet. Mit der Aufnahme in den UStAE ist die Verwaltungsauffassung damit „noch amtlicher“
gemacht.
Versicherungsteuer
10 Unbefristete Freistellung von Erlöspools
von der Versicherungsteuer
Der Bundestag hat am 01.10.2015 das Gesetz
zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (Transparenzanforderungen für
Wertpapieremittenten) um eine Neuregelung im
Versicherungsteuergesetz ergänzt. Mit dem Ziel
der Unterstützung der krisengeplagten Seeverkehrsbranche wird die im Jahre 2013 befristet
bis Ende 2015 in § 4 Nr. 11 des Versicherungsteuergesetzes eingefügte Steuerbefreiungsregelung für Schiffserlöspools entfristet.
Hinweis: Aus EU-rechtlichen Gründen wird
die Regelung darüber hinaus auf sämtliche Formen von Erlöspools ausgeweitet. Das Gesetz
wurde am 25.11.2015 im Bundesgesetzblatt
veröffentlicht.
Verfahrensrecht
11 Grenzen der Speicherung digitalisierter
Steuerdaten
Nach Auffassung des BFH sind datenschutzrechtliche Belange sowie die gesetzlich vorgesehene räumliche Beschränkung des Datenzugriffs bei der Anordnung einer Außenprüfung zu
berücksichtigen. Im konkreten Fall ordnete das
Finanzamt eine Außenprüfung bei einem Steuerberater an und verlangte unter Hinweis auf
die Grundsätze der GDPdU die Herausgabe der
digitalen Daten auf einem lesbaren Datenträger
zur Verwendung auf dem Notebook des Prüfers.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
43
TAX
+++ Ticker +++
Diesem Begehren setzte der BFH Grenzen (BFHUrteil vom 16.12.2014, VIII R 52/12).
Hinweis: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gebietet es, die Befugnisse nur in dem durch die
Zwecke der Außenprüfung gebotenen zeitlichen
und sachlichen Umfang unter Berücksichtigung
der berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen am Schutz seiner persönlichen Daten auszuüben. Die Herausgabe der Daten darf nur zur
Speicherung und Auswertung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder in den
Diensträumen der Finanzverwaltung erfolgen.
12 Grenzen des Informationsaustausches
Das FG Köln hat dem Bundeszentralamt für
Steuern (BZSt) in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einstweilen untersagt, nicht
anonymisierte und unabhängig von einer konkreten Besteuerung erhobene Informationen zu
Strukturen und Geschäftsmodellen eines Unternehmens der digitalen Wirtschaft mit den sogenannten E6-Staaten auszutauschen. Zu den
E6-Staaten gehören außer Deutschland noch
Australien, Großbritannien, Japan, Frankreich
und Kanada. Diese Staaten hatten im Zusammenhang mit dem BEPS-Aktionsplan der OECD
einen weitreichenden Informationsaustausch
vereinbart. Diesem Ansinnen der E6-Staaten
hat das FG Köln (vorläufig) eine Absage erteilt
(Beschluss vom 07.09.2015, 2 V 1375/15).
Hinweis: Der geplante Informationsaustausch
verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen das
deutsche Steuergeheimnis (§ 30 AO). Einen
Bezug zu einem konkreten Besteuerungsrecht
könne das Gericht nicht erkennen, so dass es
für diesen Informationsaustausch auch an einer
Rechtsgrundlage fehle. Das zwischenstaatliche
Auskunftsverfahren war daher unzulässig.
13 Anwendungsschreiben zum
FATCA-Abkommen
Am 03.11.2015 hat das BMF das endgültige
Schreiben zu Anwendungsfragen im Zusammenhang mit dem FATCA-Abkommen vom
31.05.2013 und der FATCA-USA-Umsetzungsverordnung vom 23.07.2014 veröffentlicht.
Das FATCA-Abkommen sowie die zugehörige
Verordnung verpflichten deutsche Finanzinstitute, bestimmte Kontodaten von spezifizierten
Personen der USA über das Bundeszentralamt
44
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
für Steuern an die amerikanischen Steuerbehörden zu melden.
Hinweis: Im Vergleich zur Entwurfsfassung vom
26.06.2015 haben sich in dem aus 288 Textziffern und 71 Seiten bestehenden Schreiben
noch verschiedene Änderungen ergeben, die
auch Unternehmen außerhalb der Finanzbranche betreffen.
Blick über die Grenze
14 Französische Schachtelstrafe bei Bezug
von Dividenden aus dem EU-Ausland
Nach Auffassung des EuGH verstößt die französische Beschränkung der Dividendenfreistellung auf 95 % der vereinnahmten Dividende (sogenannte „Schachtelstrafe“) gegen die
Niederlassungsfreiheit, wenn im vergleichbaren Inlandsfall die Gesellschaften eine Option
zur Gruppenbesteuerung („intégration fiscale“)
hätten ausüben können und dadurch keine der
Schachtelstrafe entsprechende Belastung eingetreten wäre (Urteil vom 02.09.2015, Rechtssache Groupe Steria SCA, Rs. C-386/14).
Hinweis: Im Urteil ging es um die Besteuerung
von Dividenden, die von im EU-Ausland ansässigen Tochtergesellschaften bezogen und auf
Ebene der französischen Muttergesellschaft nur
zu effektiv 95 % steuerfrei gestellt wurden. 5 %
der Ausschüttung galten als mit der Beteiligung
in Zusammenhang stehende nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (ähnlich § 8b Abs. 5 KStG).
Dagegen findet innerhalb einer französischen
steuerlichen Gruppe, welche nur mit in Frankreich ansässigen Tochtergesellschaften ab einer
Mindestbeteiligungshöhe von 95 % begründet
werden kann, keine entsprechende Berücksichtigung fiktiver nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben statt.
Erbschaftsteuer
15 Abziehbarkeit von Nachlassverbindlichkeiten bei begünstigten Erwerben
Stehen Nachlassverbindlichkeiten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit nach § 13a ErbStG
teilweise steuerbefreiten Erwerben, ist ein
Abzug vom Wert des Vermögensanfalls nur eingeschränkt möglich. Nach § 10 Abs. 6 ErbStG
wird grundsätzlich nur ein anteiliger Abzug der
Nachlassverbindlichkeiten (Verhältnis zwischen
steuerpflichtigem und steuerbefreitem Anteil
am begünstigten Vermögen) gewährt. Laut BFH
ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang nur zu
bejahen, wenn die Schuld ursächlich und unmittelbar aus Vorgängen entsteht, die das Betriebsvermögen betreffen. Somit ist eine Schuld
aus einem Untervermächtnis in voller Höhe
als Nachlassverbindlichkeit vom Vermächtniswert abzuziehen, auch wenn sich das Vermächtnis auf den nach § 13a ErbStG begünstigten
Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft richtet (BFH-Urteil vom 22.07.2015,
II R 21/13).
Hinweis: Außerdem bestätigt der BFH die volle
Abzugsfähigkeit einer Verbindlichkeit aus
einem Pflichtteilsanspruch für den Fall, dass
zum betreffenden Nachlass ein nach § 13a
ErbStG (a. F.) begünstigter Kapitalgesellschaftsanteil gehört (BFH-Urteil vom 22.07.2015,
II R 12/14). Mit der Einstufung des Pflichtteilanspruchs als „allgemeine Nachlassverbindlichkeit“
widerspricht der BFH der Finanzverwaltung.
Sonstiges
16 Wahlrecht auf Nichtanwendung der
Abgeltungsteuer
Ausschüttungen aus im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen können anstelle der Abgeltungsteuer u. a. dann der Regelbesteuerung
(Teileinkünfteverfahren) unterworfen werden,
wenn der Anteilseigner zu mindestens 1 % an der
Kapitalgesellschaft beteiligt und für diese beruflich tätig ist. Nach Auffassung des BFH ist dieses
Wahlrecht nicht davon abhängig, ob der Anteilseigner aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit
einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausüben kann
(BFH-Urteil vom 25.08.2015, VIII R 3/14).
Hinweis: Ohne es abschließend entscheiden
zu müssen, äußerte der BFH auch Zweifel an
der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach
eine berufliche Tätigkeit von untergeordneter
Bedeutung nicht für das Wahlrecht ausreicht
(vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2009 und vom
09.10.2012).
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17 Antragsfrist für Regelbesteuerung
Die Anwendung der Regelbesteuerung (statt der
Abgeltungsteuer) für sogenannte unternehmerähnliche Beteiligungen im Privatvermögen wird
nur auf Antrag gewährt. Nach dem Wortlaut des
§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 EStG ist dieser
Antrag spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung zu stellen. Durch das Wort
„spätestens“ hat der Gesetzgeber laut BFH eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Ausübung des Wahlrechts zeitlich durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung befristet ist
(BFH-Urteil vom 28.07.2015, VIII R 50/14).
Hinweis: An der Frist hat der BFH auch keine
verfassungsrechtlichen Zweifel. Die Regelbesteuerung hat u.a. die Nichtgeltung des Werbungskostenabzugsverbots des § 20 Abs. 9
EStG zur Folge.
18 Keine Zweifel an der Höhe der
Aussetzungszinsen bis 2011
Der BFH hat für den Zeitraum bis Dezember
2011 keine verfassungsrechtlichen Zweifel an
der Höhe der in § 238 AO gesetzlich festgelegten Zinshöhe von 6 % pro Jahr (BFH-Urteil vom
14.04.2015, IX R 5/14). Laut BFH haben sich
für den streitigen Zeitraum vom 03.06.2008
bis zum 05.12.2011 die das Zinsniveau bestimmenden Verhältnisse nicht in einer Weise geändert, um von seiner bisherigen Sichtweise abzuweichen.
Hinweis: Mangels verfassungsrechtlicher Zweifel konnte der BFH die Frage auch nicht dem
BVerfG vorlegen. Ob diese Beurteilung ebenfalls
für die Jahre nach 2011 gilt, ließ der BFH unbeantwortet und bleibt daher abzuwarten.
19 Aussetzung der Vollziehung des Solidaritätszuschlags 2012
Das Niedersächsische FG hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Vollziehung eines Bescheides über die Festsetzung des
Solidaritätszuschlags 2012 wegen verfassungsrechtlicher Zweifel aufgehoben (Beschluss vom
22.09.2015, 7 V 89/14). Das FG hatte bereits
2013 den Solidaritätszuschlag auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand des BVerfG gestellt
(anhängig unter 2 BvL 6/14).
Hinweis: Das FG hat die Beschwerde zum BFH
zugelassen. Damit hat letztlich der BFH zu klären, ob ein Aussetzungsinteresse in solchen Fällen gegeben ist.
20 Schornsteinfegerrechnungen als haushaltsnahe Handwerkerleistung
Die Finanzverwaltung sah bisher bei Schornsteinfegerleistungen die Mess- und Überprüfarbeiten sowie die Feuerstättenschau nicht als
begünstigte Handwerkerleistung i. S. d. § 35a
Abs. 3 EStG an. Ab dem Veranlagungszeitraum
2014 mussten daher Schornsteinfegerrechnungen in begünstigte und nicht begünstigte Tätigkeiten aufgeteilt werden (BMF-Schreiben vom
10.01.2014, Tz. 22 und 58).
Der BFH dagegen ließ Aufwendungen für die
Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage als steuerbegünstigte Handwerkerleistung
zum Abzug zu (BFH-Urteil vom 06.11.2014, VI
R 1/13). Dem folgend hat die Finanzverwaltung
nun ihre Auffassung geändert. In allen noch
offenen Steuerfällen gewährt sie die Steuerermäßigung bei Schornsteinfegerleistungen jetzt
auch für Aufwendungen für Mess- oder Überprüfarbeiten einschließlich der Feuerstättenschau (BMF-Schreiben vom 10.11.2015).
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
45
TAX
Wichtige Steuertermine
28.12.2015
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden
Meldung (ZM) für den Monat November 2015
31.12.2015
Körperschaftsteuer Gesonderte
Feststellung der Beträge der Einlagenrückgewähr bei in anderen EU-Staaten unbeschränkt steuerpflichtigen
Körperschaften für das Jahr 2014
(§ 27 Abs. 8 Satz 4 KStG)
Abgabe von Steuererklärungen
Ende der allgemeinen Fristverlängerung
Spar- und Wohnungsbauprämie
Antrag auf Spar- und Wohnungsbauprämien für das Jahr 2013
11.01.2016
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat Dezember 2015 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Dezember 2015
und Entrichtung der Umsatzsteuer
Steuerabzugsbeträge bei
beschränkt Steuerpflichtigen
Elektronische Übermittlung der
Anmeldung und Abführung der im
vierten Kalendervierteljahr 2015 einbehaltenen Aufsichtsratsteuer und
der sonstigen Steuerabzugsbeträge
bei beschränkt Steuerpflichtigen
20.01.2016
Mini-One-Stop-Shop Elektronische
Übermittlung der Steuererklärung für
das vierte Kalendervierteljahr 2015
25.01.2016
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden
Meldung (ZM) für den Monat Dezember 2015
10.02.2016
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat Januar 2016 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2016 und
Entrichtung der Umsatzsteuer
15.02.2016
Gewerbesteuer Vierteljahresrate
Grundsteuer Vierteljahresrate
25.02.2016
Umsatzsteuer Elektronische
Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat
Januar 2016
28.02.2016
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung
2015
10.03.2016
Einkommen-, Kirchen- und Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag Vierteljährliche Vorauszahlung
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat Februar 2016 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Februar 2016
und Entrichtung der Umsatzsteuer
28.03.2016
Umsatzsteuer Elektronische
Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat
Februar 2016
31.03.2016
Grundsteuer Antrag auf (teilweisen)
Erlass der Grundsteuer 2015 wegen
wesentlicher Ertragsminderung
11.04.2016
Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung
der im Monat März 2016 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat März 2016 und
Entrichtung der Umsatzsteuer
Steuerabzugsbeträge bei
beschränkt Steuerpflichtigen
Elektronische Übermittlung der
Anmeldung und Abführung der im
ersten Kalendervierteljahr 2016 einbehaltenen Aufsichtsratsteuer und
der sonstigen Steuerabzugsbeträge
bei beschränkt Steuerpflichtigen
20.04.2016
Mini-One-Stop-Shop Elektronische
Übermittlung der Steuererklärung für
das erste Kalendervierteljahr 2016
25.04.2016
Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden
Meldung (ZM) für den Monat März
2016
Publikationen
Bolik, Andreas / Kindler, Cornelia
/ Das Steueränderungsgesetz 2015
– Unternehmen aufgepasst! / StuB
2015, S. 811
Dworaczek, Michael / Kremer, Melanie / Schätzung aufgrund unverwertbarer Verrechnungspreisdokumentation – Schutz durch aussagekräftige
Unterlagen und den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit / IWB 2015,
S. 738
Endert, Volker / Adoptionskosten
als außergewöhnliche Belastung? –
Einige Anmerkungen zum BFH-Urteil
vom 10.03.2015 – VI R 61/11 /
DStR 2015, S. 2472
Faller, Patrick / Schröder, David /
EuGH: Auf zehn Jahre gestaffelte
Erhebung der Steuer auf Entstrickungsgewinne unionsrechtskonform
– Anmerkungen zum Urteil des EuGH
vom 21.05.2015 – C-657/13, Verder
LabTec GmbH & Co. KG gegen Finanzamt Hilden / DStZ 2015, S. 890
46
Faller, Patrick / Schröder, David /
Antrag auf Regelbesteuerung für Ausschüttungen aus Beteiligungen an
KapGes. Erfordert keinen maßgeblichen Einfluss auf die KapGes. – Anm.
zum BFH-Urteil vom 25.08.2015,
VIII R 3/14 / DB 2015, S. 2544
Franke, Verona / Der unionsrechtswidrige Inlandsbezug der § 6b-Rücklage – Anmerkungen zum EuGH-Urteil
vom 16.04.2015 und der Reaktion
des Gesetzgebers / StB 2015, Heft 9, I
Goebel, Sören / Ungemach, Markus
/ Gehrmann, Sebastian / Wesentliches zur Abzugsverpflichtung nach
§ 50a Abs. 1 EStG – Überblick über
die relevanten materiell-rechtlichen
und verfahrensrechtlichen Fragestellungen / IWB 2015, S. 793
Kestler, Achim / Zur Anwendung der
steuerlichen Grundsätze zum Drittaufwand bei Kapitalgesellschaften: Ausgewählte Praxisfälle im M&A-Kontext /
DStR 2015, S. 2465
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Königer, Stefan / Entwurf des
ErbStAnpG: Die geplanten Begünstigungen für Unternehmensvermögen
aus steuerplanerischer Sicht /
ErbStB 2015, S. 256
Königer, Stefan / Mack, Martin /
Erbschaftsteuer 3.0 – Eine Analyse
der Steuerwirkungen des derzeitigen
und geplanten Rechts auf Grundlage
eines Entscheidungsmodells /
BB 2015, S. 2647
Reiss, Stephan / Han, Jung-Ah /
Anforderungen an die Sicherheit
von Zahlungen im Internet – Neue
Mindest­anforderungen der BaFin
veröffentlicht / NWB 2015, S. 3263
Reiter, Christian / Erbschaftsteuerplanung: Die österreichische Privatstiftung – Das unbekannte Wesen in
der internationalen Erbschaftsteuerplanung / ISR 2015, S. 225
Riegel, Martin / Walke, Michael /
Wann verletzt der zwischenstaatliche Informationsaustausch das
Steuergeheimnis – Anmerkungen
zum Beschluss des FG Köln vom
07.09.2015 / BB 2015, S. 2719
Ortmann-Babel, Martina / Gauß,
Hermann Ottmar / Steueränderungsgesetz 2015 verabschiedet /
DB 2015, S. 2470
Prätzler, Robert / Stuber, Jürgen /
Geschäftsveräußerung im Ganzen bei
Immobilien / StB 2015, S. 264
Pyszka, Tillmann / Die US-amerikanische LLC mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland – Handelsund gesellschaftsrechtliche Aspekte
in den USA und Deutschland /
GmbHR 2015, S. 1077
Ungemach, Markus / Kraft, Gerhard
/ Abkommensrechtliche Zuordnung
von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen
zu einer geschäftsleitenden HoldingBetriebsstätte / DStZ 2015, S. 716
Wissenschaftlicher Beirat Steuern
EY / § 50i EStG: Kein Verlass auf den
Erlass / DER BETRIEB Nr. 46 / M5
eNewsletter Tax 2015
Bleiben Sie mit uns am Puls der Steuergesetzgebung.
eNL 23-07-2015
eNL 19-03-2015
InvStRefG: Steuerpflicht von Streu­
besitzveräußerungen
ab 2018 geplant
eNL 09-07-2015
Deutschland bereitet Mit dem gestern durch das BMF
veröffentlichten DiskussionsentRatifizierung des interwurf, will das BMF die bereits ange eNL 08-01-2015
nationalen Amtshilfe- kündigte Einbeziehung
der VeräuÜbereinkommens vor ßerungsgewinne aus Streubesitz in
Bundesregierung
die Steuerpflicht umsetzen
…­
Deutschland beabsichtigt das interbringt Bilanzrichtlinienationale Übereinkommen über die
Umsetzungsgesetz
gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen aus dem Jahr 1988 sowie
(BilRUG) auf den Weg
Einladung zum Webcast Quarterly „Wie
BilRUG das HGB
ändert; außerdem Tax
Radar – welche Änderungen Sie beachten
müssen“
Umfangreiche EU-Vorgaben wurden im Zuge des BilRUGs in das
HGB aufgenommen. Das Bilanzdas dazugehörige Änderungs­
richtlinie-Umsetzungsgesetz (BilEin wesentlicher Aspekt der geän eNL 30-04-2015
protokoll aus 2010 zu ratifizieren …
RUG) wurde vom Bundestag am
derten bilanzrechtlichen Vorschrif eNL 13-05-2015
18.06.2015
beschlossen.
Verten des HGB ist die Anhebung der
EY die
veröffentlicht
tagt wurde dagegen
Idee, den
finanziellen Schwellenwerte der
Zeitraum für die­S
Berechnung
desErbschafttudie zur
BMF:
Vorrats­
§§ 267, 293 HGB
sowie die
Defini­
für die
tion der Umsatzerlöse
in § 277 nach der Durchschnittszinssatzes
steuer
bewertung
eNL 21-05-2015
Abzinsung langfristiger RückstelAbs. 1 HGB …
LIFO Methode
In die aktuelle
Debatlungen handelsrechtlich
auf 10politische
bis
te zu den
anstehenden erbschaftIm
Steuerrecht
darf
nach
§ 6
15
Jahre
auszudehnen
…
­
BMF: Entwurf der
bzw. schenkungsteuerlichen NeuAbs. 1 Nr. 2a EStG für die Bewer­neuen Körperschaftregelungen hat sich EY mit einem
tung des Vorratsvermögen untereigenen Kompromissvorschlag einsteuerrichtlinien
stellt
werden,
dass
die
jüngst
eNL 21-05-2015
gebracht …
angeschafften
oder
hergestellten
Von den Anpassungen der neu
Wirtschaftsgüter zuerst verbraucht
gefassten KörperschaftsteuerTax news for Germanoder veräußert worden sind (Last
Richtlinien sind u.a. auch die Regelungen aufgrund der sog. kleinen outbound investors: In First Out; LIFO). Die Vorschrift
eNL 02-07-2015
enthält dabei eine Ausnahme vom
Organschaftsreform durch das UK führt diverted
Einzelbewertungsgrundsatz und
Unternehmensteuerreformgesetz­profits tax ein
eNL 03-09-2015
soll eine Bewertungsvereinfachung
(UntStRefG) …
BMF: ­Aktualisierte
In einem Versuch, noch vor erreichen und die Besteuerung von
Taxonomien für
Abschluss des OECD BEPS-Projekts
Scheingewinnen vermeiden
Neues… ­Doppelbesteue­
E-Bilanz veröffentlicht
Maßnahmen gegen internationarungsabkommen mit
le Gewinnverlagerung zu ergreiDie überarbeitete Version der
China nicht vor 2017 E-Bilanz-Taxonomie 5.4 ist grundfen, hat das Vereinigte Königreich
eNL 05-10-2015
zum 01.04.2015 eine neue Steuer
anwendbar
sätzlich für die Übermittlung von
von 25 % auf „umgeleitete GewinDer Abschluss des für die Ratifi- Wirtschaftsjahren anzuwenden, die
OECD veröffentlicht
ne“ eingeführt …
kation und damit das Inkrafttre- nach dem 31.12.2015 beginnen …
finale BEPS-Berichte
Soeben hat Pascal Saint-Amans,
Direktor des OECD Centre for Tax
Policy and Administration (CTPA),
auf einer Pressekonferenz in Paris
die finalen Berichte zum OECD/
G20-Projekt Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) präsentiert …
ten des DBA notwendigen Gesetzgebungsverfahrens ist allerdings
erst für Dezember 2015 vorgese eNL 26-03-2015
hen. Gestern hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf für
das Umsetzungsgesetz zum neuUpdate Gesetzgebung
en Doppelbesteuerungsabkommen
Seit Jahresbeginn hat die Bundes(DBA)
regierung bereits eine ganze
Reihemit China beschlossen …
steuerpolitisch relevanter Gesetzgebungsverfahren angestoßen und
weitere befinden sich bereits in
Sichtweite …
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Ihnen diese Meldungen bekannt vorkommen. D
­ iejenigen von
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
47
Eine europäische Option –
nicht nur für Große
An der SE finden auch Mittelständler zunehmend Gefallen.
Unternehmen an der Schwelle von 500 oder 2.000
Beschäftig­ten profitieren in puncto Mitbestimmung.
Und selbst bei der Frauenquote gibt es eine Besonderheit.
B
ASF begründete seine Umwandlung von der AG zur
SE damit, „die Beteiligung unserer europäischen Ar­beitnehmer zu stärken. Gleichzeitig schaffen wir mit
der Verkleinerung des Aufsichtsrats auf zwölf Mitglieder
die strukturelle Voraussetzung für eine weiter verbesserte
Corporate Governance“. Der Springer-Verlag, der sich vor
zwei Jahren in eine Europa AG umwandelte, wollte damit
„die europäische und internationale Marktausrichtung des
Unternehmens unterstreichen und erleichtern“. Es gibt
eine Reihe guter Argumente, die für die Rechtsform einer
Europäischen Aktiengesellschaft sprechen – kurz SE nach
ihrem lateinischen Namen Societas Europaea. Dabei sticht
die SE nicht nur bei Konzernen, sondern gewinnt gerade
auch bei mittelständischen Unternehmen Anhänger.
Nationale Wurzeln
Die SE basiert auf einer föderalen EU-(Kompromiss-)
Lösung. Das bedeutet in der Praxis, dass sie in jedem EUMitgliedsland etwas anders ausgestaltet sein kann. Grundlage dafür ist die Verordnung (EG) 2157/2001
des Europäischen Rates, die unter anderem die Gründungs­voraussetzung enthält, dass nämlich eine SE stets
ein „europäisches Element“ enthalten muss. Das heißt,
dass die gründenden Unternehmen – oder ihre Tochtergesellschaften beziehungsweise Niederlassungen – dem
Recht verschiedener EU- oder EWR-Länder unterliegen
müssen.
Beliebt in Deutschland
Die Einzelheiten werden national geregelt, in Deutschland
beispielsweise durch das SE-Ausführungsgesetz (SEAG)
und das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG). Europäisch aufgestellte Unternehmen, die zwischen mehreren Firmensitzen wählen können, sollten daher genau prüfen, nach
welchem SE-Recht sie firmieren wollen. Deutschland ist
dabei offenbar nicht die schlechteste Wahl. Fast die Hälfte
der operativ tätigen SEs hat ihren Sitz in Deutschland. Zu
den bekannteren Unternehmen, die in Kürze ihre Rechtsform europäisieren wollen, zählt die Deutsche Börse AG,
die den Schritt für 2016 angekündigt hat.
Entwicklung der eingetragenen SEs in Europa
5
132
454
2005
2007
2009
1.018
2011
2.052
2013
2.445
2015
Quelle: etui ; Stand 16.10.2015
48
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
1.723
© Martyn Goddard / Corbis
SE-Land Tschechien
In Tschechien gibt es die
meisten eingetragenen
SE-Gesellschaften.
Darunter befindet sich
eine große Anzahl an
Vorratsgesellschaften,
die über Finanzierungs­
modelle hohe Flexibilität
in der Praxis bieten.
Die Porsche Automobil Holding firmiert seit 2007 als Europäische Aktiengesellschaft (SE).
353
Freie Sitzwahl
schaftsrechts zu befreien. Dazu zählen etwa eine straffere Zusammenarbeit im Aufsichtsrat oder, falls man sich
für die sogenannte monistische Gesellschaftsstruktur entscheidet, ein geringerer Verwaltungs- und Kostenaufwand
in der Führung. Bei einer SE stehen nämlich zwei Führungsstrukturen zur Auswahl. Das dualistische System
knüpft an die in Deutschland bekannte Kombination von
Vorstand und Aufsichtsrat an. Das monistische System
folgt derweil dem angelsächsischen Board, das ein einheitliches Führungsorgan mit dem Verwaltungsrat (Directors)
und geschäftsführenden Direktoren (Officers) bildet (siehe
Kasten). Dieses dem deutschen Gesellschaftsrecht bislang
fremde System können Unternehmer nun mittels einer
SE-Konstruktion einführen. Vor allem für Familienunternehmen handelt es sich um eine interessante A
­ lternative.
Gerade die Internationalisierung, die die Deutsche B
­ örse
AG als Hauptargument für die Umwandlung nennt, ist ein
bedenkenswerter Aspekt für grenzüberschreitend ­tätige
Unternehmen. Wer erst einmal die durchaus komplexe und
komplizierte Gründung einer SE bewältigt hat, wird in der
anschließenden Alltagsarbeit durch mancherlei Vorzüge in
der Unternehmensführung belohnt: Im Gegensatz zu den
nationalen Gesellschaftsformen, wie GmbH und AG, kann
die SE ihren Verwaltungs- und Satzungssitz von einem
EU-/EWR-Mitgliedstaat in einen anderen verlegen und
damit nationale Vorteile einer anderen R
­ echtsordnung
nützen. Insbesondere können Unternehmen mit all ihren
Zweigniederlassungen im Europäischen Wirtschaftsraum
einheitlich unter der Rechtsform einer SE auftreten.
Mitbestimmung einfrieren
Dual oder monistisch
Die Möglichkeit, die Arbeitnehmerbeteiligung flexibler zu
gestalten, ist ein weiterer Vorzug der SE. Zwar gibt es
eine Vorher-Nachher-Regel, die besagt, dass die Mitbe-
Zudem bietet die Europa-AG die Chance, sich aus dem
teilweise doch sehr engen Korsett des deutschen Gesell-
111
Eingetragene SEs gesamt
53
34
35
FRA
NLD
26
1
1
1
2
2
3
3
4
4
4
5
PRT
BGR
FIN
ITA
LTU
DEN
POL
LVA
ESP
NOR
HUN
5
6
7
8
9
10
SWE
EST
MLT
BEL
LIE
IRL
17
18
CYP
AUT
LUX
GBR
SVK
DEU
CZE
Quelle: etui ; Stand 16.10.2015
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
49
LAW
SE-Option: Das angelsächsische Führungssystem
Das britische und amerikanische „Board of Directors“ entspricht dem
monistischen Verwaltungsrat, der in einer SE anstelle des in einer
­Aktiengesellschaft üblichen dualistischen Systems von ausführendem
Vorstand und kontrollierendem Aufsichtsrat möglich ist. Der Verwaltungsrat leitet die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Er trägt die Letztverantwortung
für die Unternehmenspolitik und die Unternehmensleitung, ohne selbst
im Tagesgeschäft aktiv sein zu müssen. Das Tagesgeschäft leiten die
geschäftsführenden Direktoren.
Ein Mitglied des Verwaltungsrats kann auch zu einem geschäftsführenden Direktor bestellt werden. Diese im angelsächsischen Raum verbreitete Doppelfunktion – eine Person nimmt neben ihrer Rolle als President of
the Board of Directors auch die Aufgabe des Chief Executive Officer wahr
– erlaubt das deutsche Recht sonst nicht.
Das kommt auch internationalen Konzernen entgegen, die in Deutschland ein kapitalmarktfähiges Unternehmen führen möchten. Während
der Vorstand einer AG weder von den Eigentümern noch von seinem Aufsichtsrat angewiesen werden kann, erlaubt die Rechtsform einer SE mit
dem Verwaltungsrat einen direkten Durchgriff vom Eigentümer auf das
geschäftsführende Organ. Die Konzernmutter kann damit ihre Geschäftspolitik auf direktem Wege sehr viel müheloser durchsetzen, als dies in der
Regel bei einer AG der Fall ist.
Die monistische Option erlaubt zudem relativ schlanke und kostensparende Führungsstrukturen. Überschreitet das Grundkapital einer SE nicht die
Summe von drei Millionen Euro, darf der Verwaltungsrat aus nur einem Mitglied bestehen. Dieses braucht wiederum nur einen geschäftsführenden
Direktor (in diesem Fall nicht personenidentisch) bestellen. Hierin besteht
auch ein Anreiz für mittelständische Unternehmen. Bei Familienbetrieben
erlaubt das Board-System einen gleitenden Wechsel des Seniorchefs vom
operativen Geschäft in eine strategische Position im Hintergrund.
Monistisches System
Dualistisches System
Hauptversammlung
Hauptversammlung
wählt
wählt
Verwaltungsrat
Verwaltungsrat
Unternehmensleitung
und Weisungsbefugnis
Aufsicht ohne
Weisungsbefugnis
Personelle
Überschneidung
möglich
Keine
Personenidentität
möglich
geschäftsführende
Direktion
Ausführungsorgan /
Vertretung
geschäftsführende
Direktion
Unternehmensleitung /
Vertretung
stimmungsrechte, die zum Zeitpunkt der Bildung einer
Europa-AG existieren, in den jeweiligen Gesellschaften
beziehungsweise Gesellschaftsteilen nicht eingeschränkt
werden dürfen. Doch vom Bestandsschutz abgesehen,
finden nationale Regelungen zur Mitbestimmung – in
Deutschland das Drittelmitbestimmungsgesetz ab 500
Beschäftigten bzw. ab 2.000 Beschäftigten das Mitbestimmungsgesetz – auf die SE keine Anwendung. Das bei
Gründung bestehende Mitbestimmungsniveau wird ein­
gefroren. Überschreitet eine SE später die Grenze von
500 oder 2.000 Arbeitnehmern, so ändert sich bei der
Mitbestimmung nichts.
Keine gesetzliche Quote für Frauen
Dies betrifft auch die Frauenquote, die in Deutschland für
börsennotierte, mitbestimmte Unternehmen zwingend
gilt. Wächst die Zahl der Arbeitnehmer bei einem mitbestimmungsfreien Start-up, das in eine SE umgewandelt wurde, über die Schwellenwerte, so findet die Frauenquote auch bei späterem Börsengang keine Anwendung.
Auch liegt es im Ermessen der Eigentümer der SE, den
Aufsichtsrat zu verkleinern. So reduzierte die BASF ihren
20-köpfigen AG-Aufsichtsrat auf einen zwölfköpfigen SEAufsichtsrat. Auch dies kann nach Einführung der Frauenquote hilfreich sein. Wenn das Unternehmen es nicht
rechtzeitig schaffen sollte, genügend Kandidatinnen in
den Aufsichtsrat zu berufen, bleibt die Verkleinerung des
Aufsichtsrats einer SE eine gangbare Alternative. Für die
einvernehmliche Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitnehmerbeteiligung müssen jedoch zwingende Verfahrensregeln nach dem SE-Beteiligungsgesetz
beachtet werden.
Vorerst außer Konkurrenz
Bis auf weiteres wird die SE die einzige europäische Kapitalgesellschaft bleiben, die diese Vorteile bieten kann. Die
Pläne für eine Europa-GmbH (Societas Privata Europaea,
SPE) sind vorerst gescheitert, weil die Mitgliedstaaten keinen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Stattdessen
gibt es Pläne für eine europäische Einmann-GmbH, die
Societas Unius Personae (SUP), die ähnlich wie die Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) nur über
ein sehr geringes Stammkapital verfügen soll. Wann und
in welcher Form dieser Gesellschaftstyp umgesetzt wird,
ist aber völlig ungewiss.
Ihr Autor
Dr. Cornelius Grossmann
Partner / Rechtsanwalt
Managing Partner Law Germany
Switzerland Austria und Global Law
Leader
[email protected]
50
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
LAW
Höhere Gewalt
Bei Streiks drohen nicht nur Verspätungen, sondern
auch finanzielle Schäden. Ein Blick auf die Rechtslage.
O
b in der Luft, bei Post oder Bahn – an verschiedenen Fronten finden Arbeitskämpfe mit spontanen,
kurzen oder langen Streiks statt. Zu den Leidtragenden zählen auch Beschäftigte und Unternehmen.
Immer wieder stellt sich die Frage nach der Haftung für
entstandene Schäden durch streikbedingte Verspätungen.
Die Antwort ist für die Betroffenen meist negativ. In aller
Regel bleibt man auf den Folgen der streikbedingten Verspätungen sitzen. Empfehlenswert ist es daher, zumindest
bei angekündigten Streiks auf Alternativen zu setzen.
Bahnstreik
Grundsätzlich bekommt ein Bahnreisender den F
­ ahrpreis
erstattet, wenn sein Zug sich verspätet oder ausfällt.
Dies gilt auch im Fall von Streiks. Von der Entschädigung
­ausgenommen sind jedoch Folgeschäden. Wenn man mit
dem Zug zum Flug möchte, sollte man an Streiktagen auf
alternative Fortbewegungsmittel setzen, denn für versäumte Flüge haftet die Bahn nicht. Auch auf eine freiwillige Entschädigung seitens der Bahn wartet man in aller
Regel vergebens.
Im Berufsleben gilt: Grundsätzlich ist jeder Arbeitneh­mer selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen; er trägt das sogenannte Wegerisiko.
Auch ist jeder selbst dafür verantwortlich, wie er zur
Arbeit gelangt. Wer streikbedingt zu spät oder gar nicht
bei der Arbeit erscheint, hat keinen Anspruch auf Lohn.
Schlimmstenfalls können eine Abmahnung oder bei Wiederholungen sogar eine Kündigung die Konsequenz sein.
Gleiches gilt, wenn man wegen des Bahnstreiks wichtige
Geschäftstermine nicht rechtzeitig oder gar nicht erreicht
und dadurch einen wirtschaftlichen Schaden davonträgt.
Ein Schadensersatzanspruch gegen die Bahn besteht in
all diesen Fällen grundsätzlich nicht.
Daher gilt: An Streiktagen sollten Arbeitnehmer entweder
ausreichend Anfahrtszeit einplanen oder ganz auf alternative Fortbewegungsmittel setzen. Man kann mit dem
Arbeitgeber an Streiktagen aber auch flexible Arbeitszeiten vereinbaren oder ganz im Home Office arbeiten.
•
Anzahl der verlorenen Arbeitstage der Streikenden in Deutschland
592.995
600.000
428.739
500.000
310.149
400.000
247.460
149.584
200.000
78.785
1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 (1. HJ)
Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Streikstatistik 2014, eigene Recherche
© v. l. n. r.: picture alliance / ZB; picture alliance / dpa; Getty Images News; Getty Images News
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
51
LAW
Poststreik
Der Anteil bei der Deutschen Post AG, der auf Geschäftspost entfällt, beträgt rund 85 Prozent des gesamten Briefverkehrs. Viele Sendungen sind zeitsensibel. Entsprechend
hoch kann der Schaden durch eventuelle Verspätungen
sein. Grundsätzlich kann die Post für verspätete Zustellungen nicht haftbar gemacht werden, da sie in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen das Haftungsrisiko im Streikfall
ausgeschlossen hat. Das gilt auch bei Einschreiben.
Das Risiko, dass ein Brief oder ein Paket rechtzeitig beim
Empfänger ankommt, trägt grundsätzlich der ­Absender.
Sollte trotz rechtzeitigen Absendens beispielsweise eine
Kündigung erst nach Ablauf der Frist beim A
­ rbeitnehmer
eintreffen, verlängert sich der Arbeitsvertrag bis zum
nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt. Bei langen Kündi­
gungsfristen im Arbeitsvertrag oder Kündigungen zu
bestimmten Stichtagen kann dies durchaus m
­ ehrere Monate ausmachen. Bei einem angekündigten Streik empfiehlt
es sich daher, die Kündigung auf andere W
­ eise zuzustellen,
z. B. durch persönliche Aushändigung oder per Boten.
Flugstreik
Auch Flugstreiks können gravierende Folgen für
(Geschäfts-)Reisende mit sich bringen. Ansprüche, die Passagiere geltend machen können, stehen in der Fluggastrechteverordnung (EG Nr. 261/2004). Bei streikbedingten
Flugausfällen oder Verspätungen gibt es keinen Anspruch
auf Entschädigungsleistungen, wie es in aller Regel bei
technischen Störungen oder in manchen Fällen bei wetterbedingten Flugplanabweichungen der Fall sein kann. In
gleich zwei Urteilen entschied der Bundesgerichtshof, dass
Streiks „außergewöhnliche Umstände“ seien, die von Fluggesellschaften nicht beherrscht werden könnten (BGH vom
21. August 2012, X ZR 138/11; X ZR 146/11).
Auch wenn Fluggesellschaften bei Streik keinen Schadensersatz an ihre Fluggäste zahlen müssen, sind sie nach
Art. 8 und 9 der Fluggastrechteverordnung jedoch verpflichtet, Versorgungsleistungen zu erbringen. Dazu zählen je nach Dauer der Verspätung und Flugstrecke Mahlzeiten und Getränke, kostenlose Telefonate oder andere
Mittel der Kommunikation (z. B. Versenden von E-Mails)
und sogar Hotelunterbringungen (einschließlich Hin- und
Rücktransfer).
Ferner haben die betroffenen Passagiere wahlweise einen
Anspruch auf:
• Erstattung des Ticketpreises,
• Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen
Zeitpunkt,
• Ersatzweise Beförderung zum Endziel unter
­vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen
Zeitpunkt,
• Ersatzweise Beförderung zum Endziel unter
­vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren
(beliebigen) Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes.
52
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Unsicherheit über
den Datentransfer
in die USA
Welche Konsequenzen Unter­
nehmen aus der Safe-HarborEntscheidung des EuGH ziehen
müssen.
S
elbst Bundeskanzlerin Angela Merkel tut sich mit
dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofes
schwer. „Das Safe-Harbor-Urteil hat mehr Fragen
aufgeworfen als Sicherheit geschaffen“, sagt die Regierungschefin beim Tag der deutschen Industrie Anfang
November in Berlin. Weiter erklärte die Kanzlerin, Freiheit
und Sicherheit seien zentrale Fragen im digitalen Zeitalter. Auch die Wirtschaft ist verunsichert, seit sie sich nach
dem EuGH-Urteil vom 6. Oktober 2015 bei der Übermittlung personenbezogener Daten in die USA nicht länger
auf die sogenannte Safe-Harbor-Entscheidung der EUKommission (Entscheidung 2000/52/EU) stützen kann.
Nun müssen Unternehmen, die Daten über den Atlantik
übermitteln, diese rechtlich neu untermauern.
Safe Harbor
Die Übermittlung personenbezogener Daten in ein Land
außerhalb der Europäischen Union ist gemäß Art. 25 der
Richtlinie 95/46/EG nur dann zulässig, wenn das Drittland ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleisten
kann. Obwohl die USA aus europäischer Sicht keine entsprechenden Regelungen zum Schutz personenbezogener
Daten vorweisen können, schuf die EU-Kommission mit
der sogenannten Safe-Harbor-Entscheidung eine rechtliche Grundlage für den Datentransfer in die USA. Danach
waren solche Unternehmen als sicherer Hafen mit angemessenem Datenschutzniveau anzusehen, die sich nach
den sogenannten Safe-Harbor-Richtlinien bei der Federal
Trade Commission (FTC) zertifiziert hatten.
Schrems . /. Facebook
Der Österreicher Maximilian Schrems war seit 2008 Mitglied bei Facebook. Im Zuge der Enthüllungen von Edward
Snowden über Ausspähungen der US-Geheimdienste legte Schrems bei der irischen Datenschutzbehörde eine
Beschwerde über die Facebook Ireland Ltd. ein und verlangte, dieser die Datenübermittlung in die USA zu untersagen. Die Beschwerde wurde unter Verweis auf das
LAW
Von New York bis Rom:
Mit einer Gesamtlänge
von 4.704 Seemeilen
wurde die erste Direkt­
verbindung zwischen den
Vereinigten Staaten und
Südeuropa im Januar
1925 am Rockoway Beach
an Land gezogen.
bestehende Safe-Harbor-Abkommen abgewiesen. Doch
Schrems ließ nicht locker, der Fall landete beim EuGH und
dieser erklärte die Safe-Harbor-Entscheidung für ungültig. In ihrer Begründung hoben die Luxemburger Richter hervor, dass in den USA der generelle Zugriff auf elektronische Kommunikation durch dortige Behörden den
Wesensgehalt des europäischen Grundrechts auf Achtung
des Privatlebens verletze. Gleichzeitig gäbe es für EU-Bürger keine Möglichkeit, per Rechtsbehelf die Löschung ihrer
Daten zu verlangen. Damit könne das Safe-Harbor-Abkommen seiner ursprünglich angedachten Funktion des Schutzes der Grundrechte europäischer Bürger nicht genügen.
Konsequenzen für den Unternehmensalltag
Die Entscheidung des EuGH betrifft alle Unternehmen, die
auf Basis des Safe-Harbor-Abkommens personenbezogene Daten aus der EU in die USA übermitteln. Das gilt auch
für Unternehmen, die zur Verarbeitung personenbezogener Daten etwa Cloud- oder E-Mail-Dienste von Anbietern
in den USA in Anspruch nehmen. Jetzt müssen betroffene Unternehmen ihre Datenströme in die USA inventarisieren und prüfen, wie sie sich in Sachen Datenschutz
rechtlich absichern. Unternehmen sollten auf keinen Fall
mehr den Datentransfer ausschließlich auf die nun ungültige Safe-Harbor-Entscheidung stützen. Die Aufsichtsbehörden haben angekündigt, dies mit Bußgeld zu ahnden –
und zwar ohne Übergangsfrist.
Alternativen
Mittlerweile haben sich sowohl die europäische Artikel
29 Gruppe (die Vertreter der obersten Datenschutzauf-
sichtsbehörden aller 28 EU-Mitgliedstaaten) vereint, als
auch der Zusammenschluss der deutschen Datenschutzbehörden von Bund und Ländern positioniert und gangbare Wege aufgezeigt. Aus beiden Stellungnahmen ist zu
entnehmen, dass EU-Standardvertragsklauseln und BCR
(Binding Corporate Rules, die ein Genehmigungsverfahren vor den nationalen Datenschutzbehörden durchlaufen haben) grundsätzlich ein probates Mittel sind, um das
angemessene Datenschutzniveau beim Empfänger – auch
in den USA – sicherzustellen. Allerdings haben die deutschen Datenschutzbehörden angekündigt, dass sie aktuell
keine BCR, die auch die Übermittlung in die USA legitimieren sollen, mehr genehmigen würden. Für Unternehmen,
die noch nicht über genehmigte BCR verfügen, scheidet
diese Lösung zumindest in Deutschland also aus.
Auch eine weitere Möglichkeit, die sowohl die Datenschutzrichtlinie als auch das deutsche BDSG vorsehen
– nämlich die Einwilligung der Betroffenen – dürfte sich
in der Praxis nicht als tauglich erweisen. Die deutschen
Datenschutzbehörden haben hierzu klargestellt, dass die
Einwilligung der Betroffenen nur in Ausnahmefällen einen
Datentransfer rechtfertigen könne. Für die massenhafte Übermittlung von personenbezogenen Daten sei dieser
Weg grundsätzlich ungeeignet. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt die EU-Kommission. Auch wenn die EUKommission derzeit in Verhandlungen mit den USA über
neue Safe-Harbor-Regelungen steht, dürfen Unternehmen nicht auf ein rasches neues Abkommen hoffen. Vielmehr sollten Unternehmen nun ihren transatlantischen
Datentransfer überprüfen und im Zweifel die EU-Standardvertragsklausen einsetzen, die die gesamten inventarisierten Datenströme abdecken.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
53
LAW
Intensiver und kürzer kontrollieren
Für Aufsichtsräte gibt es im Deutschen Corporate
Governance Kodex wichtige Änderungen.
D
ie Überwachung von Unternehmen durch ihre Aufsichtsräte wird immer wichtiger. Das hat Folgen für
die Aufsichtsratsmitglieder selbst, die sich intensiver um die ihnen anvertrauten Gesellschaften kümmern
müssen. Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex zieht daraus laufend Konsequenzen und hat ihren Kodex in diesem Jahr erneut angepasst. Diesmal versucht die Kommission der gestiegenen
zeitlichen Belastung der Aufsichtsräte durch eine höhere Anzahl an Ausschüssen und dadurch vermehrte Sitzungen, mehr Fortbildungen und ein größeres Zeitbudget für
die Vor- und Nachbearbeitung von Aufsichtsratssitzungen
gerecht zu werden.
Gemäß der jüngsten Änderung des Deutschen Corporate
Governance Kodexes (DCGK) soll sich der Aufsichtsrat
vor der Aufnahme eines neuen Mitglieds vergewissern,
dass der Vorgeschlagene dem anfallenden Zeitaufwand
für die Tätigkeit als Aufsichtsrat gerecht werden kann.
Dies soll dem Aspiranten auch vor Augen führen, was
das Amt als Aufsichtsrat mit sich bringt. Hinzu kommt
eine verschärfte Präsenzpflicht. Bislang empfahl der
DCGK, einen Vermerk im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung aufzunehmen, falls
ein Aufsichtsratsmitglied in einem Geschäftsjahr an
weniger als der Hälfte der Aufsichtsratssitzungen teil­
genommen hat. Nun lautet der maßgebliche Schwellenwert auf die Teilnahme an der „Hälfte der Sitzungen ...
oder weniger“.
Erhöhte Präsenzpflicht
Ob sich die „Hälfte“ jeweils auf die Aufsichtsrats- oder
Ausschusssitzungen oder insgesamt auf alle Sitzungen
bezieht, ist nicht ausdrücklich geregelt. Der Wortlaut lässt
eher darauf schließen, dass alle Arten von Sitzungen
gemeint sind. Demnach könnte das Fehlen in Aufsichtsratssitzungen durch eine vermehrte Teilnahme an Ausschusssitzungen kompensiert werden – und umgekehrt.
Offen bleibt zudem die Frage, ob das Aufsichtsratsmitglied jeweils während der gesamten Dauer einer Sitzung
anwesend sein muss. Der Kodex stellt darüber hinaus
klar (entsprechend der bisher herrschenden Meinung zu
§ 108 AktG), dass eine physische Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder an den Sitzungen nicht erforderlich
54
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
ist. Eine Teilnahme per Telefon- oder Videokonferenz
soll nun ausdrücklich zulässig sein.
Ständiger Wechsel
Der DCGK plädiert ferner für eine höhere Fluktuation
in den Aufsichtsräten. Um einen häufigeren Personalwechsel zu gewährleisten, sollen die Aufsichtsräte ihre
zu benennenden Ziele für die eigene Zusammensetzung
dahingehend ergänzen, dass auch eine „Regelgrenze für
die Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat“ festgelegt
wird. Nach Überschreiten dieser zeitlichen Obergrenze soll der Aufsichtsrat die betroffenen Mitglieder im
Regelfall nicht mehr zur Wiederwahl vorschlagen. Konkrete Hinweise über die Ausgestaltung der Regelgrenze –
etwa nach Amtszeiten oder Jahren der Amtszugehörigkeit – macht der DGCK nicht. Die Europäische Kommission
hatte beispielsweise bereits 2005 empfohlen, die Wiederwahlmöglichkeit für maximal drei Amtsperioden zuzulassen, was einer Zugehörigkeitsdauer von höchstens 15
Jahren entsprochen hätte. Die DCGK Kommission überlässt die Bestimmung allein dem Aufsichtsrat, der hierüber durch Beschluss entscheidet.
Mischung wichtig
Die feste Höchstdauer der Amtszugehörigkeit ist auch
einer der Hauptkritikpunkte an den aktuellen Änderungen
des DCGK. Weder Gegner noch Befürworter einer Höchstzugehörigkeitsdauer halten die Regelung für gelungen.
Sie erkennen zwar grundsätzlich das mit der Empfehlung
verfolgte Ziel, der „Betriebsblindheit“ eines Aufsichtsratsmitglieds vorzubeugen, an. Die Befürworter befürchten
jedoch, dass mangels Vorgaben der Kommission entweder gar keine oder eine sehr lange Zugehörigkeitsdauer festgelegt wird. Die Gegner argumentieren, dass es in
der Praxis ohnehin schon schwierig ist, überhaupt geeignete Kandidaten in ausreichendem Maße zu finden. Hinzu
kommt: Erreichen alle Mitglieder gleichzeitig die gesetzte Höchstdauer, ist der Aufsichtsrat vollständig neu zu
besetzen. Das aber würde dem Ziel widersprechen, eine
ausgeglichene Mischung aus erfahrenen und neuen Aufsichtsratsmitgliedern zusammenzustellen.
© LOOK / Getty Images
Die 14. Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex stand unter dem Motto „Selbstregulierung oder staatliche Vorgaben –
Chancen für mehr Freiheit?“. Der abendliche Empfang fand am Pariser Platz in Berlin statt.
Über den Kodex
Der Deutsche Corporate Governance
Kodex (DCGK) enthält Regelungen zur
Leitung und Überwachung deutscher
börsennotierter Gesellschaften, die im
Wesentlichen im Aktiengesetz geregelt
sind. Hinzu kommen international und
national anerkannte Standards zur Unternehmensführung in Form von Empfehlungen und Anregungen. Wichtige Ziele
des DCGK sind mehr Transparenz innerhalb der Unternehmen und eine Stärkung
des Vertrauens der Anleger. Die Regierungskommission DCGK prüft jährlich, ob
der Kodex der aktuellen Best Practice der
Unternehmensführung weiter entspricht
und beschließt gegebenenfalls Änderungen und Anpassungen. Nach einer kurzen
Verschnaufpause der Regierungskommission im Jahr 2014 beschloss die Kommission im Mai 2015 wieder Änderungen.
Comply or Explain
Die Wirkung des DCGK geht über die einer
Richtschnur hinaus. Vielmehr ist der
Kodex über die Entsprechenserklärung in
§ 161 AktG gesetzlich verankert. Empfehlungen im DCGK sind mit „soll“ und Anregungen mit „sollte“ deutlich gemacht.
Beide haben zwar keine verbindliche
Gesetzeskraft und die Unternehmen können hiervon innerhalb des Aktienrechts
abweichen. Allerdings müssen Vorstände
und Aufsichtsräte von kapitalmarktorientierten Gesellschaften in der jährlich abzugebenden und zu veröffentlichenden Entsprechenserklärung erläutern, inwieweit
sie dem DCGK folgen und welche Empfehlungen (nicht hingegen Anregungen)
sie warum nicht oder nur teilweise umsetzen. Dies entspricht dem Comply-or-Explain-Prinzip.
Ins Leben gerufen wurde die Kommission unter der damaligen Bundesregierung
von Gerhard Schröder, die damit auch auf
aufsehenerregende Unternehmensschieflagen wie beim Baukonzern Philipp Holzmann oder dem Werftenverbund Bremer
Vulkan reagierte. Auch bei anderen Unternehmenskrisen und Skandalen stand
immer wieder der Aufsichtsrat in der Kritik, seiner zentralen Aufgabe, der Überwachung der Geschäftsführung, aufgrund
unzureichender Strukturen, Zusammensetzungen und Kompetenz nicht gerecht
geworden zu sein.
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
55
LAW
+++ Ticker +++
1 Gesetz zur Tarifeinheit kommt vorerst
Mit Beschluss vom 06.10.2015 hat das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge dreier
Spartengewerkschaften zurückgewiesen, die
das Tarifeinheitsgesetz vom 10.07.2015 vorläufig außer Kraft setzen wollten. Das Tarif­
einheitsgesetz soll Kollisionen verschiedener
Tarifverträge innerhalb eines Betriebes (nicht
innerhalb eines Unternehmens) vermeiden,
indem bei Überschneidungen verschiedener
Tarifverträge derjenige gelten soll, dem bei dessen Abschluss die meisten Arbeitnehmer des
Betriebes unterfallen. Die Ärztegewerkschaft
Marburger Bund, die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit und der Deutsche Journalisten-Verband haben Verfassungsbeschwerde
gegen das Gesetz erhoben, weil sie das grundgesetzlich garantierte Streikrecht gemäß Art. 9
Abs. 3 GG für verletzt halten. Die gleichzeitig
erhobenen Eilanträge hat das Gericht nun
insbesondere mit der Begründung zurückgewiesen, dass es den Antragstellern zuzumuten
sei, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Diese ist für Ende 2016 vorgesehen.
Insbesondere sei derzeit nicht feststellbar, dass
es durch die Fortgeltung des Gesetzes bis zur
Entscheidung in der Hauptsache zu irreversiblen oder nur schwer revidierbaren Nachteilen
für die Beschwerdeführer komme. Damit bleibt
das Gesetz vorerst in Kraft und abzuwarten,
ob es die in der Praxis erhoffte Befriedungswirkung hat.
2 Räum- und Streupflicht
Im Winter freuen sich die einen auf Schlittenfahren und weiße Weihnacht, die anderen verbinden mit Schneefall lästige Kälte und anstrengende Räum- und Streupflichten. Tatsächlich
sind diese von Stadt zu Stadt und Gemeinde
zu Gemeinde unterschiedlich. Von Ausnahmen
abgesehen obliegt die Räum- und Streupflicht
der Gehwege den Anliegern. Diese müssen
dafür sorgen, dass auch bei Schnee- und Eisglätte ein begehbarer Streifen von mindestens 1,20 m tagsüber frei bleibt. Was tagsüber
heißt, wird je nach Gemeindesatzung unterschiedlich beurteilt und variiert zwischen 7.00
bis 8.30 Uhr morgens und 20.00 bis 22.00 Uhr
abends. Zusätzlich gibt es teilweise Besonderheiten an Wochenenden und Feiertagen. Selbst
56
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
wenn sich außerhalb dieser Zeiten ein Unfall
ereignet, besteht jedoch Haftungspotenzial. Mit
Beschluss vom 29.04.2015 (5 U 1479/14) hat
das OLG Koblenz entschieden, dass ein Arbeitgeber bereits vor 7.00 Uhr zum Schneeräumen
rund um das Firmengelände verpflichtet sein
kann, wenn wegen des festgelegten früheren
Arbeitsbeginns schon vorher nennenswerter
Fußgängerverkehr durch die Betriebsangehörigen zu erwarten ist. Häufig wird die Räum- und
Streupflicht auf Dritte wie Mieter oder Dienstleister übertragen. Das ist rechtlich ohne Weiteres möglich, den Eigentümern obliegt jedoch
weiterhin die Überwachungspflicht. Diese kann
sich beispielsweise erheblich konkretisieren,
wenn ein 82-jähriger mit dem Winterdienst
beauftragt ist (OLG Oldenburg, Urteil vom
13.02.2014 – 1 U 77/13). Es empfiehlt sich
also zu Winterbeginn noch einmal die gemeindlichen Vorgaben für den Winterdienst zu prüfen
und gegebenenfalls mit beauftragten Dritten
die übernommenen Pflichten durchzugehen.
3 Mitgefangen – nicht mitgehangen
Hat ein Gesamtschuldner arglistig gehandelt,
muss sich dies der redliche andere Gesamtschuldner nicht zurechnen lassen, so dass ein
vereinbarter Haftungsausschluss ihm gegenüber wirksam ist. Das entschied das OLG Saarbrücken mit Urteil vom 17.07.2015 (2 U
84/13). In dem Fall hatte ein Ehepaar in Scheidung ein Hausgrundstück verkauft und einen
Gewährleistungsausschluss vereinbart. Überdies versicherten die Verkäufer, dass ihnen verdeckte Sachmängel nicht bekannt seien. Dies
stellte sich im Hinblick auf den Verkäufer zu 1
als falsch heraus, weil er in Eigenleistung eine
Stützmauer errichtet und für diese wissentlich
erheblich kleinere Bauelemente verwendet hatte, als aufgrund der Statik erforderlich waren.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der
Verkäufer zu 1 den Mangel arglistig verschwiegen hatte. Der Verkäuferin zu 2 war die fehlerhafte Bauausführung unstreitig nicht bekannt.
Während zur alten Rechtslage vor 2002 zwei
BGH-Entscheidungen existieren, die die Arglist
eines Verkäufers für die Haftung aller Mitverkäufer als ausreichend erachten, argumentiert
das Gericht, dass dies für die neue Rechtslage
nicht mehr gelten könne. Nach altem Recht
führte die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses dazu, dass der Käufer von allen Verkäufern Wandelung oder Minderung verlangen
konnte. Schadensersatz konnte er jedoch nur
von dem arglistig handelnden Verkäufer verlangen, weil für diesen Anspruch weitere Voraussetzungen erfüllt sein mussten. Diese weiteren
Voraussetzungen sind nach neuem Schuldrecht
entfallen, so dass eine Gesamtwirkung dazu
führen würde, dass auch der vertragstreue Verkäufer auf Schadensersatz haften würde. Das
ist nach Ansicht des OLG nicht hinnehmbar,
obwohl dies dazu führt, dass der Käufer nun
nur noch den Anspruch auf Schadensersatz
gegen den arglistigen Gesamtschuldner hat
und die weiteren Rechte wie Wandelung oder
Minderung entfallen. Diese könnten nämlich nur
gegenüber allen Verkäufern gemeinsam geltend gemacht werden.
4 Überlange Zahlungsfristen gemäß
§ 308 Nr. 1a BGB
Am 29.07.2014 ist das Gesetz zur Umsetzung
der Verbraucherrechte-Richtlinie in Kraft getreten und damit auch die Regelungen zur Verkürzung von Zahlungsfristen gemäß §§ 308 Nr. 1a
und 271a BGB. Mit Urteil vom 22.07.2015
(10 C 169/15) hat das Amtsgericht Mannheim
das neue Recht angewendet und die folgende
Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Zwischenspediteurs für unwirksam
gehalten: „Forderungen des Auftragsnehmers sind am letzten Tag des zweiten Folgemonats nach Rechnungseingang fällig.“ Der ausführende Spediteur hatte seine Leistung am
12.08.2014 erbracht und danach eine Rechnung mit Zahlungsziel 19.09.2014 gestellt. Die
Auftraggeberin zahlte auch nach mehrfacher
Mahnung nicht und begründete ihr Verhalten
damit, dass die Zahlung erst am 31.10.2014
fällig werde. Das Gericht verurteilte die Auftraggeberin zur Zahlung, weil die Regelung in
ihren AGB gegen § 308 Nr. 1a BGB verstößt,
wonach die Zahlung im unternehmerischen
Verkehr spätestens 30 Tage nach Empfang der
Gegenleistung bzw. der Rechnung zu erfolgen
hat. Das Gericht führt überdies aus, dass selbst
die individualvertragliche Vereinbarung eines
Zahlungsziels von bis zu 90 Tagen wohl gemäß
§ 271a BGB unangemessen wäre. Insbesonde-
LAW
re gäbe es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt dafür, dass die lange Zahlungsfrist ausnahmsweise gerechtfertigt wäre.
5 BGH: Verletzung von Wortmarken durch
dreidimensionale Produktgestaltungen?
Haribo und Lindt stritten über die Zulässigkeit
des Vertriebs des sogenannten Lindt-Teddy,
einer in Goldfolie verpackten Schokoladenfigur
in Bärenform. Haribo sah dadurch u. a. seine
Rechte aus der Wortmarke „Goldbär“ als verletzt an und nahm Lindt auf Unterlassung,
Auskunft und Schadensersatzfeststellung in
Anspruch (wir berichteten im Tax & Law Magazine 2/2014). Mit Urteil vom 23.09.2015 (I ZR
105/14) hat der BGH das Urteil des OLG Köln
bestätigt und entschieden, dass der Vertrieb
des Lindt-Teddy keine Markenrechte verletzt
und auch wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die fehlende Verwechslungsgefahr
zwischen der Bezeichnung „Goldbär“ und der
dreidimensionalen Gestaltung des Lindt-Teddy
begründet der BGH damit, dass eine solche nur
aus dem konkreten Bedeutungsgehalt, nicht
aber aus einer Ähnlichkeit des Klangs oder der
Zeichen resultieren könne. Einen ähnlichen
Bedeutungsgehalt lehnt der BGH ab: Für den
Lindt-Teddy komme nicht nur die Bezeichnung
„Goldbär“, in Betracht, sondern auch andere
Begriffe wie „Teddy“, „Schokoladen-Bär“ oder
„Schokoladen-Teddy“. Sei die betroffene Wortmarke nur eine von mehreren naheliegenden
Bezeichnungen für die fragliche Gestaltungsform, begründe dies keine Verwechslungsgefahr. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche
der Klägerin bestehen nach Auffassung des
BGH nicht. Der Lindt-Teddy stelle mangels Ähnlichkeit keine Nachahmung des Produkts „Gummibärchen“ dar.
Mit seiner Entscheidung hat sich der BGH erstmals zu der Frage geäußert, inwieweit Wortmarken durch dreidimensionale Gestaltungen
verletzt werden können. An eine Verletzung
stellt der BGH dabei hohe Anforderungen
und setzt einer möglichen Monopolisierung
bestimmter Produktgestaltungen durch Wortmarken damit enge Grenzen.
6 BGH: Absage einer Hauptversammlung,
nachdem die Aktionäre zum anberaumten
Termin erschienen sind (BGH, Urteil vom
14.10.2015 – II ZR 142/14)
Der Vorstand (Komplementär-GmbH) einer
KGaA hatte auf Verlangen eines Minderheitsaktionärs eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. Die von dem Aktionär vorgegebene Tagesordnung umfasste insbesondere ein
Misstrauensvotum gegen den Vorstand sowie
den Antrag, sämtliche Geschäftsführer des Vorstands abzuberufen. Nachdem sich die Aktionäre zum anberaumten Termin eingefunden hatten, betrat ein Geschäftsführer des Vorstands
das Podium und sagte die Hauptversammlung
mit kurzer Begründung ab. Dem widersprach
ein Aktionär und ließ einen Versammlungsleiter
wählen. In der darauffolgenden Unterbrechung
verließ fast die Hälfte der erschienenen Aktionäre die Versammlung. Dennoch wurde die Versammlung nach der Unterbrechung fortgesetzt
und Beschlüsse über die einzelnen Anträge in
der Tagesordnung gefasst. Der Vorstand klagte gegen die Beschlussfassung. Entgegen dem
Berufungsgericht stellt der BGH klar, dass die
Hauptversammlung nicht (mehr) wirksam vom
Vorstand abgesagt werden konnte und somit
grundsätzlich stattgefunden hat. Zwar habe der
Vorstand grundsätzlich die Einberufungs- und
Absagekompetenz für eine Hauptversammlung;
diese sei auch unabhängig davon, ob die Durchführung der Versammlung vom Vorstand selbst
oder von einem Minderheitsaktionär gewünscht
werde. Jedenfalls zum vorliegenden Zeitpunkt,
nachdem die Aktionäre bereits zum anberaumten Termin erschienen waren, sei diese Kompetenz aber vom Vorstand auf die Hauptversammlung übergegangen. Daher sind die gefassten
Beschlüsse nicht nichtig. Allerdings haben aufgrund der (unwirksamen) Absage viele Aktionäre die Hauptversammlung verlassen. Dadurch
wurde mit der Beschlussfassung ihr gesetzliches Teilnahmerecht verletzt und die Beschlüsse sind anfechtbar. Aufgrund seiner gesetzlich
vorgesehenen Kontrollfunktion darf der Vorstand diesen Anfechtungsgrund auch geltend
machen, obwohl er ihn selbst verursacht hat
und selbst wenn er dadurch die ihm missliebigen Beschlüsse beseitigen kann.
7 Einladung zur Mitgliederversammlung
eines Vereins per E-Mail
Selbst wenn die Satzung eines eingetragenen
Vereins für die Einladung zur Mitgliederversammlung die Schriftform vorsieht, reicht eine
Einladung per E-Mail aus. Das entschied das
OLG Hamm am 24.09.2015 (27 W 104/15)
und folgt damit der Linie der obergerichtlichen
Rechtsprechung. Das Schriftformerfordernis
in der Satzung soll die Kenntnis der Mitglieder
von der anberaumten Versammlung und ihrer
Tagesordnung gewährleisten. Dieses Ziel wird
auch in elektronischer Form und ohne Unterschrift erreicht. Insoweit liegt hier ein bedeutender Unterschied von der im allgemeinen
Wirtschaftsleben vereinbarten Schriftform, wo
man wegen der Bedeutung bestimmter Erklärungen, zum Beispiel der Kündigung eines Vertragsverhältnisses, durch das Schriftformerfordernis eine größere Rechtssicherheit anstrebt
und die Schriftform auch Abschluss-, Identifikations-, Echtheits- und Warnfunktion hat. Bei der
Einladung zu einer Vereinsmitgliederversammlung seien diese Funktionen demgegenüber von
gänzlich untergeordneter Bedeutung.
8 Anspruch auf Ausweisung des Lohnanteils in einer Rechnung
Die Auftraggeberin eines Umzugsunternehmens klagte, weil das Unternehmen sich weigerte, auf der Rechnung den Anteil der Lohnkosten gesondert auszuweisen, so dass die
Klägerin den Betrag nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich absetzen konnte. Mit Urteil vom 30.07.2015 (12 C 1124/14)
verpflichtete das Arbeitsgericht Mühlheim an
der Ruhr den Beklagten zu entsprechender
Rechnungstellung. Nach Ansicht des Gerichts
wäre die Klägerin sogar berechtigt gewesen,
die Bezahlung solange zu verweigern bis sie die
benötigte Rechnung erhält. Den Einwand des
Beklagten, dass die Klägerin bar bezahlt habe
und den Betrag daher ohnehin nicht steuerlich
absetzen könne, beachtete das Arbeitsgericht
hingegen nicht.
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Come
as you are
Sie sind auf eine Abendveranstaltung eingeladen
und in der Einladung wird der Dresscode „Business
­casual“ vermerkt, was Ihnen allgemein vermitteln soll,
dass die Veranstaltung in einem lockeren Rahmen
stattfinden soll. Am Abend dann stellen Sie fest, dass
Sie mit Ihrer zuletzt beim Unternehmensausflug
getragenen dunklen Jeans und einem feineren PoloShirt ­völlig aus dem unteren Rahmen fallen. Zu guter
Letzt werden Sie von einem heranbrausenden Gast
gebeten, den Wagen zu parken und den Regenmantel
aufzuhängen. Sie verlassen die Veranstaltung und
fühlen sich deplatziert und schwören sich, das
nächste Mal sich genauer über die Kleiderordnung
zu erkundigen. Tax & Law gibt Ihnen einen legeren
Überblick für Mann und Frau.
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
360°
Business casual
Business Casual
Hier gilt der Merksatz: Wo Business
drinsteht, steckt auch Business drin. Mit
Business Casual rücken viele Unternehmen
von der strengen Kleiderordnung besonders
am Freitag ab. In kreativen Branchen wird
dieser Look auch an anderen Wochentagen
bevorzugt. Männer und Frauen können Farbe bekennen, sollten jedoch nicht über das
Ziel hinaus schießen. Neben Chinos, Baumwoll-, Cordhose oder dunklen Jeans, sind
elegante Polos, lockere Blusen (z. B. Tunika
oder Schluppenbluse) ebenso üblich wie
pastellfarbene oder gemusterte Hemden.
Das Schuhwerk passt sich dem Outfit an.
Frauen können Sandaletten oder Ballerinas
mit Zehenblick und Männer Loafer oder
Slipper in Wildleder tragen. Im Winter sind
Pullover aus feinem Strick oder Cashmere
oder einfarbige Rollkragen-Pullover das die
Kleidung abrundende Element an kalten
Tagen. Das Freizeitsakko findet zusätzlich
bei Männern als Stilmittel Verwendung und
auf die Krawatte kann verzichtet werden.
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360°
Business semi-formal
Business semi-formal
Jeder Mensch entwickelt seinen eigenen
Kleidungsstil. Business semi-formal
beschreibt hierfür ein Gerüst für den BüroAlltag, welches Sie bei Wahl ihres täglichen
Outfits beachten sollten. Es ist der schmale
Grat zwischen einem sich anbahnenden Geschäftstermin mit einem Geschäftspartner
und der Alltagstauglichkeit im Büro mit den
Kollegen. Beim Mann: Beim zweiteiligen
Anzug, der in den üblichen Business-Farben
Dunkelblau, Anthrazit oder Dunkelbraun
gehalten ist, ist das Sakko stets griffbereit.
Sollte man sich als Mann für den Einsatz
eines Musters entscheiden, darf dies entweder nur die Krawatte oder nur das Hemd
dezent schmücken. Hemden sind in Weiß
oder Hellblau zu wählen. Aus glattem und
dunklem Leder sind Schuhe und Gürtel. Die
Schnalle ist klassisch. Frauen liegen
mit einem Hosenanzug, einem Twinset,
einem Etuikleid oder einer dunklen Baumwollhose mit passendem Blazer oder Jacke
goldrichtig. Eine pastellfarbene, weiße
oder hellblaue Hemd- oder Seidenbluse ist
hierbei die richtige Wahl. Elegante Pumps
oder modische Stiefeletten mit glattem
Leder und mittlerem bis kurzem Absatz
runden das Outfit ab.
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
Business attire (formal / offiziell)
360°
Business attire (formal/offiziell)
Bei sehr förmlichen Anlässen gilt „no brown
in town“ oder „no brown after six“. Die Briten der Upperclass legten einst zum Dinner
den Abendanzug an und dies kann getrost
auch als Richtschnur für die Kleidung bei
formellen Geschäftsanlässen gesehen werden. Abendlich kommt die Weste ins Spiel,
bei der der untere Knopf offen gelassen
wird. Während weiße Hemden im Alltag
eine normale Knopfmanschette besitzen
und sich hier auch der dunkelblaue Anzug
etabliert hat, sind Doppelmanschetten bei
besonderen Anlässen beim schwarzen oder
dunkelgrauen Dreiteiler ein Muss. Hier sind
schwarze Schuhe am förmlichsten mit wenig
Lochmusterverzierung und geschlossener
Schnürung. Damen fügen sich in das zuvor
beschriebene Farbbild mit zart schimmernder Materialoberfläche ein. Bei der Wahl
für ein Kostüm sind die Knie zu umspielen.
Kombinationen werden mit hellen, meist
weißen Hemd- oder Damenblusen im
taillierten Schnitt mit Teilungsnähten aus
hochwertigen Stoffen getragen. Dreiviertel
lang sollte der Ärmel mindestens sein.
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360°
Mexico-City oder
„Im Zentrum des Mondsees?“
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Jorge García Gonzalez
Partner | International
Tax Services | Tax Quality
[email protected]
• Jorge García Gonzalez
ist Partner in MexikoStadt im Bereich der
International Tax Services
und Tax & Law Quality
Beratung und seit 28
Jahren bei EY.
Bewunderer nennen sie auch Ciudad de los Palacios –
Stadt der Paläste – wegen der Gebäudearchitektur aus
dem Zeitalter des Vizekönigreiches Neuspanien. Für andere ist sie ein Moloch mit mehr als 21 Millionen Einwohnern in der Metropolregion. Auf jeden Fall berührt MexikoCity in der Hochebene auf 2.200 Metern, umrahmt von
Wäldern und Bergen und hier insbesondere durch die Vulkane Popocatépetl und Iztaccihutal.
Beginnen wir unseren Rundgang auf der 1 Avenida de
los Insurgentes („Prachtstraße der Aufständischen“).
Ihren Namen bekam sie Anfang des 20. Jahrhunderts,
um die Helden des nationalen Unabhängigkeitskampfes
zu ehren. Mit einer Länge von mehr als 28 Kilometern
erstreckt sie sich vom Nordteil der Stadt bis in den Süden.
„Für mein Volk wird der Geist sprechen“ – dieser Wahlspruch ziert die 2 Real y Pontificia Universidad de
Mexico („Königliche und Päpstliche Universität zu Mexiko“) aus dem Jahr 1551. Sie befindet sich im Stadtteil Pedregal de San Ángel und wurde am 22. September 1910 in Unabhängige Nationale Universität Mexikos
(UNAM) umbenannt. Mit ihrer großartigen, ja prachtvollen Architektur wurde sie als erster Universitätscampus
zum Weltkulturerbe deklariert. Heute zählt sie zu den 100
besten Universitäten der Welt.
Das Viertel 3 San Ángel besticht durch seine Bauten,
religiöse Architektur, seine Museen und Plätze. Den
Ursprung dieses Stadtviertels bildet das vom KarmeliterOrden gegründete Colegio San Ángel Mártir. Ein Muss für
jeden Besucher ist die 4 Casa del Risco („Das Haus des
steilen Felsen“). Es ist ein Ort voller Geheimnisse, an dem
große Persönlichkeiten, Autoren, Akademiker und Diplomaten gelebt haben. Die Wurzeln dieses wunderschönen Gebäudes reichen bis ins Jahr 1657 zurück, und es
beherbergte lange Jahre Karmeliter- und Dominikaner-
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EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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Mönche. Im Laufe der Zeit wurde dieses Haus umgestaltet
und präsentiert sich heute im neoklassizistischen Gewand.
Zu den Highlights zählt ein Brunnen an einem Felsen, der
im 18. Jahrhundert erbaut wurde und sich im zentralen
Innenhof des Hauses befindet.
Mexiko-City bietet viele wunderschöne Orte, die vielleicht
nicht so bekannt sind wie der Palacio de Bellas Artes oder
das historische Stadtzentrum oder die Plaza de la Constitución. Das ehemalige 5 Colegio del Carmen zählt dazu,
ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Errichtet durch
Karmeliter-Mönche im Süden der Stadt sticht es durch
seine verschiedenen Handwerksarbeiten hervor, die noch
bewahrt werden konnten. Am meisten beeindruckt im
Inneren eine Krypta, die in einer wunderschönen Art und
Weise dekoriert ist und die Überreste von Mumien von
zahlreichen Persönlichkeiten der Vergangenheit beherbergt. Überdies schmücken dieses ehemalige Kolleg ein
barocker Altar und eine Kirche mit Keramikarbeiten.
Wer bei all den vielen guten Museen in Mexiko-Stadt etwas
Besonderes sucht, muss das 6 Frida Kahlo Museum
gesehen haben. Das wunderschöne blaue Haus mit dem
großartigen Garten besitzt eine außergewöhnliche Atmosphäre und lässt den kunst- und geschichtsbegeisterten Besucher in das Leben des Künstler-Ehepaares Rivera eintauchen.
Von dort aus ist es nicht weit bis ins kulinarische Zentrum
des Künstlerviertels 7 Coyoacán. Hier lässt sich prima
das abendliche Treiben in Restaurants, Cafes und Bars
beobachten. In den Markthallen sollte man unbedingt die
Tostados, Tacos oder Quesadillas probieren. An zahlreichen Ständen werden die verschiedenen Varianten der
Mais-Tortilla frisch zubereitet und in unzähligen Variationen angeboten.
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Impressum
Herausgeber Ernst & Young GmbH
Wirtschaftsprüfungs­gesellschaft
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gesellschaft Steuerberatungs­gesellschaft
Mittlerer Pfad 15 / 70499 Stuttgart
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[email protected]
Redaktion Ute Benzel, Martina Ortmann-Babel,
Hermann Ottmar Gauß
Gestaltung Fuenfwerken Design AG,
Wiesbaden / Berlin
Mitwirkende dieser Ausgabe Jörg Leißner,
Nico Schönberg
Druck Druck- und Verlagshaus Zarbock
GmbH & Co. KG, Frankfurt (Main)
Robert Böhm, Christian Ehlermann, Jorge
Garcia Gonzalez, Dr. Cornelius Grossmann,
Prof. Dr. Stefan Köhler, Ingo Todesco, Oliver
Wehnert, Falk Bachhuber, Dr. Marcus Geuenich,
Dr. Oliver Wittig, Richard J. Albert, Dr. Andreas
Bolik, Verona Franke, Daniel Kaiser, Monika
Menz, Steffen Sühnel, Alexander Vetten,
Ekaterina Weinstein, Natalia Budzynska,
Dr. Cornelia Kindler, Anja Lohmeier, Julia Meyer,
Roland Nonnenmacher, Tanja Reinhoffer,
Dr. Yavuz Topoglu, Carolin Selig, Lisa Stenkamp
Das nächste Tax & Law Magazine erscheint im März 2016
EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015
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“EY” and “we” refer to all German member firms of Ernst & Young Global Limited, a UK company limited by guarantee. ED None.
How do you
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opportunity?