04 / 2015 Zollkodex Societas Europaea Die EU will das Zollrecht ins digitale Zeitalter überführen. Für Unternehmen bleibt wenig Zeit zur Anpassung. Die SE ist nicht nur für Konzerne eine attraktive Gesellschaftsform. Auch Mittelständler können davon profitieren, etwa in puncto Mitbestimmung oder Frauenquote. ! BEPS Das 240 Milliarden Dollar Projekt In Antalya haben die OECD und G20 den Steueroasen und –gestaltern den Kampf angesagt. Was sich durch BEPS künftig ändert – siehe Seiten 12 bis 25 360° Business Casual EY Mexiko-Stadt UNAM Avenida de los Insurgentes Frida Kahlo Museum Casa del Risco San Ángel Coyoacán EY in Mexiko-Stadt • Auf Seite 62 finden Sie einen Rundgang mit Jorge García Gonzalez. „El de efe“* EY Mitarbeiter in Mexiko-Stadt Mehr als die Hälfte der Industrieproduktion des Landes entsteht in Mexiko-Stadt und Umgebung. 2.037 TAX 793 Advisory 308 Assurance 847 Transaction 89 Die Metropolregion Mexiko-Stadt ist mit 21 Millionen Einwohnern die zweitgrößte urbane Agglomeration nach Tokio (35 Millionen Menschen). Das Colegio Aleman Alexander von Humboldt ist die größte deutsche Auslandsschule der Welt mit fast 800 Schülern und 75 Lehrkräften. Die Stadt ist von den Azteken auf einem ausgetrockneten See auf schlammigem Grund errichtet worden. Im Stadtzentrum kann man Kirchen und andere Gebäude sehen, die bis zu 8,50 Meter tief im Boden versunken sind. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Mexikos in der EU. Es werden vor allem Kfz-Teile und Elektronik nach Deutschland importiert. EY ist seit 80 Jahren in Mexiko vertreten. * So nennen die Einwohner ihre Stadt (El Distrito Federal). 2 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Liebe Leserinnen, liebe Leser, die OECD und G20 führen das internationale Steuerrecht in eine neue Epoche. Am 5. Oktober 2015 wurden die finalen Berichte des BEPS-Projekts veröffentlicht. Auf dem G20 Gipfel am 16. November 2015 in Antalya wurden die OECD Pläne unterzeichnet. Für die deutschen Unternehmen enthalten die Abschlussberichte Chancen, aber auch Risiken. Die nationale Umsetzung von Maßnahmen ist international längst in vollem Gange. Einige Länder sind sehr schnell mit der Einführung von Gesetzesände rungen unterwegs. Für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland hoffen wir auf eine Umsetzung in nationales Recht mit Augenmaß. Letztlich wird ein „Flickenteppich“ von nationalen Regelungen resultieren, die nicht aufeinander abgestimmt wirken könnten. Das erhöht die Gefahr einer Doppelbesteuerung. Für die Unternehmen wird es immer wichtiger, diese nationalen Umsetzungen zu überwachen. BEPS wird in den Unternehmenseta gen und in den Aufsichtsgremien diskutiert: Wie stellt man sich im Unternehmen auf, um den zukünftigen Anforderungen zeitnah gerecht zu werden? Technologieeinsatz wird erforderlich sein, um so die sogenannten Transparenz erfordernisse“ nach BEPS weltweit erfüllen zu können. Von der Büchse der Pandora spricht der renommierte Steuerprofessor Wolfgang Schön im lesenswerten Interview auf den Seiten 24/25. Zuvor analysiert ein EY-Team die 15 BEPS-Handlungsfelder auf ihre möglichen Konsequenzen für die Wirtschaft. Klar ist: Für unsere Unternehmen beginnt eine neue Zeitrechnung, die viel Aufmerksamkeit und Aufwand abverlangt. Kein Kopfzerbrechen, sondern kapitale Chancen bereitet dagegen die Societas Europaea. Mit dieser attraktiven Gesellschaftsform setzt sich mein Kollege Cornelius Grossmann in seinem Beitrag ab Seite 48 auseinander und empfiehlt sie nicht nur großen Konzernen, sondern insbesondere auch mittelständischen Familienunternehmen. © Titel: iStock / Ugurhan Betin Vor allem möchte ich Ihnen an dieser Stelle ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen schwungvollen Start ins neue Jahr wünschen. Bleiben Sie gesund und uns gewogen, Ihre Ute Benzel Managing Partner Tax / Germany Switzerland Austria EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 3 © Anadolu Agency / Getty Images 12 © Martyn Goddard / Corbis © XXX Die Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer haben sich auf 15 Action Points geeinigt, um gegen unfairen Steuerwettbewerb vorzugehen. 48 An der Europäischen Aktiengesellschaft SE finden auch Mittelständler zunehmend Gefallen. Spots 2 EY in Mexiko-Stadt 6 Global Tax: Mehrwertsteuer im internationalen Vergleich 3 Editorial Ute Benzel 8 Steuererklärung per SMS / Erbschaftsteuer 4Inhaltsverzeichnis 9Steuervergünstigungen 10 F&E-Förderung / WTO / Gabriels Expertenrunde 11 Länderwahlen / Personalien / Steuerleitfaden Top 12 BEPS Auf international aktive Unternehmen kommen gravierende steuerliche Änderung zu 24Professor Wolfgang Schön über die Folgen von BEPS 4 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 58 © iStock / Tomas Sereda Come as you are: Wie kleidet man sich im Arbeitsleben – ein unterhaltsamer Versuch, Aufklärung zu bringen. 26 Der Unionszollkodex soll am 1. Mai 2016 in Kraft treten. Unternehmen müssen zügig relevante Rechtsänderungen identifizieren. Tax Law 26 Zollkodex Anpassungen vornehmen und Chancen nutzen 48SE Vorteile der Europäischen Aktiengesellschaft 29Rückstellungen Neue Urteile 51Streiks Wer zahlt bei Verspätungen und finanziellen Schäden? 30 GST Indien Hoffen auf die neue Steuer 52Datenschutz Folgen des Safe-Harbor-Urteils 32 EY Beirat Steuer 50i EStG 54 Corporate Governance Wichtige Änderungen im Kodex 33Sanierungsklausel Erleichterungen für Konzerne 56Ticker 34Förderberatung Infrastruktur beihilfefrei finanzieren 36Kindergeld Gefahren für entsandte Mitarbeiter 38Controversy Forderungsverzicht 39Controversy Betriebsprüfung 40 Tipps für Sie Richtig spenden 42 Ticker / Termine 360° 58Dresscode Kleidungsfragen für das Büro 62 Mein Mexiko-Stadt Eine Tour mit Jorge García Gonzalez 63 Veranstaltungen / Impressum EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 5 Spots Ein Flickenteppich Die Mehrwertsteuer zählt zu den wichtigsten Steuern, insbesondere in entwickelten Volkswirtschaften. In Deutschland beläuft sie sich in diesem Jahr auf schätzungsweise 209 Milliarden Euro und macht damit 31 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. Kein Wunder, dass klamme Regierungen gern an der Mehrwertsteuerschraube drehen. Hierzulande geschah dies zuletzt 2006, als die damalige große Koalition den regulären Satz von 16 auf 19 Prozent erhöhte. Begründet wurde dies mit der Finanzierung eines Investitionsprogramms und Entlastungen bei den Sozialabgaben. Unsere Weltkarte zeigt, dass auch viele andere Staaten die Mehrwertsteuer erhöht haben. Weltweit gibt es überhaupt nur noch vier Staaten, die auf diese Einnahmequelle verzichten. In der EU ist die Mehrwertsteuer völlig zersplittert mit unterschiedlichen Steuersätzen und Ausnahmeregeln. Die EU-Kommission sieht dies mit Sorge. „Wenn Steuerregelungen die Entscheidung beeinflussen, in welchen Ländern Waren und Dienstleistungen erworben oder verkauft werden sollen, ist die wirtschaftliche Neutralität der Mehrwertsteuer nicht mehr gewährleistet, und das EU-28 Mehrwertsteuersätze lux mlt deu cyp BGR est 0 svk gbr bel LVA ltu nld ita svn irl prt rou fin dnk 0 18 19 5 9 9 0 9 0,9 2,1 5,5 hun 6 19 20 20 10 0 10 0 10 0 20 12 20 20 5 20 6 0 12 21 10 4 5 0 21 9 21 21 4 10 22 9,5 4,8 5 22 9 13,5 6,5 5 23 13 23 8 23 6 0 0 21 6 0 0 21 12 0 0 15 10 0 0 17 14 0 0 Regelsatz 7 0 5 13 23 9 0 24 10 14 24 0 hrv swe Zwischensatz 7 grc pol Ermäßigte Sätze 8 5 cze esp Zusätzlich können die EU-Länder einen oder zwei ermäßigte Steuersätze einführen, die nicht niedriger als fünf Prozent sein dürfen. Die ermäßigten Steuersätze gelten nur für Waren und Dienstleistungen bestimmter Kategorien. Allerdings können die EU-Länder unter bestimmten Bedingungen auf Lieferungen von Erdgas, Elektrizität und Fernwärme einen ermäßigten Steuersatz erheben. Durch Ausnahmegenehmigung wurden einige EU-Länder ermächtigt, in bestimmten Bereichen ermäßigte oder besonders ermäßigte Steuersätze beizubehalten oder die Steuersätze auf Null zu senken. Folglich bleibt die EU mehrwertsteuermäßig ein Flickenteppich. Stark ermäßigter Satz 3 0 fra aut Nullsatz Funktionieren des Binnenmarktes wird stark beeinträchtigt“, so die Kommission. Deshalb verabschiedete Brüssel 2006 die EU-Mehrwertsteuerrichtlinie. Demnach ist der normale Mehrwertsteuersatz auf einen Prozentanteil der Steuerbemessungsgrundlage festgelegt, der bis 31. Dezember 2015 nicht niedriger als 15 Prozent sein darf. 25 5 0 13 6 0 5 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 25 12 25 18 27 Global Tax -6 bis -4 -4 bis -2 -2 bis 0 0 Veränderungen der Mehrwertsteuersätze von 2005 bis 2015 in Prozentpunkten 0 bis 2 2 bis 4 4 bis 6 keine VAT 6 bis 8,1 keine Angabe hun DNK ROU LUx 30 NLd DNK ROU PoL LTU Irl 25 20 PRT ESP 0 LVa CZE SVK Tur HUN BEl gbr SwE SvK HRv Est FIn DEu PRT DEU 15 GBR FRa aut BGr NLD MLT 10 5 LTu BEL 20 10 SVN LUx 30 25 LVA CYp 15 GRC Mehrwertsteuersatz auf Übernachtungen MlT POL 5 0 BGR CZE EST IRL CYP HRV SVN GRC ESP SWE FRA FIN AUT ITA EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Quellen: IBFD, Europäische Kommission, EY 2015 Worldwide VAT, GST and Sales Tax Guide Mehrwertsteuersatz auf Restaurantdienstleistungen 7 Spots Steuererklärung per SMS Für viele Bundesbürger ist das Erstellen ihrer Steuererklärung eine Strafarbeit. Selbst ehemalige Finanzminister gestehen, sich wegen des komplizierten Steuerrechts schwer zu tun. Gut für die Steuerberater, sie erstellen in Deutschland fast die Hälfte aller Einkommensteuererklärungen. In anderen Ländern ist der Anteil noch größer, so eine OECD-Studie, in einigen aber auch deutlich geringer. Bis dato wussten sich die Italiener beim komplexen Steuerrecht nicht anders zu helfen und griffen zu 99 Prozent auf einen Commercialistas, einer Kombination aus Steuerberater und Jurist, zurück. Seit diesem Jahr können sie von einer vorausgefüllten Steuererklärung online Gebrauch machen. Wer macht die Steuererklärung? Anteil Steuerberater Die Österreicher unterscheiden zwischen der Arbeitnehmerveranlagung und der Einkommensteuererklärung. Erstere können Arbeitnehmer leicht ausfüllen. Doch wer will sich eine der rund 560 Sonderbestimmungen des Einkommensteuergesetzes durch die Lappen gehen lassen, die der Rechnungshof 2013 auflistete? Das hievt die Österreicher auf Platz 2 der Länder, in denen die meisten Steuererklärungen durch Steuerberater gemacht werden. In Schweden erheben die Gemeinden und Provinzverwaltungen die Einkommensteuer. Erhält der Schwede sein Formular für die Steuererklärung, sind nicht nur die Einnahmenfelder, sondern auch mögliche Steuerabzüge bereits durch das Skatteverket vorausgefüllt. Hat man sich etwa ein Haus auf Kredit gekauft, dann steht in dem Steuerformular bereits der absetzbare Zinsaufwand. Ist alles korrekt ausgefüllt, kann der Steuerzahler der Behörde einfach per SMS mitteilen, dass er einverstanden ist. 2014 deklarierten so rund Anteil Steuerpflichtige 1 % 20 % 33 % 37 % 50 % Italien Irland Neuseeland Vereinigte Staaten Südkorea 19 % 26 % 34 % 49 % 57 % Österreich Australien Vereinigtes Königreich Kanada Deutschland Übertragenes Vermögen Angaben in Milliarden Euro Was Du heute kannst übertragen, … Viele Unternehmerfamilien haben die drohende Verschärfung im Rahmen der Erbschaftsteuerreform offenbar genutzt, um Betriebsvermögen vorzeitig zu übertragen. 2014 erhöhte sich das vererbte und geschenkte Vermögen insgesamt um 55 Prozent auf 109 Milliarden Euro. Das geerbte Vermögen belief sich auf 38,3 Milliarden Euro (+ 26 Prozent) und aus Schenkungen auf 70,5 Milliarden Euro (+77 Prozent), jeweils vor Abzug von Steuerbefreiungen. Auf Betriebsvermögen entfielen bei den Übertragungen fast 45 Prozent. 38 2014 71 30 2013 40 19 2012 43 30 2011 22 25 2010 13 21 2009 13 geerbt 8 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 geschenkt Quelle: Statistisches Bundesamt Spots 750.000 Schweden ihre Steuererklärung. Es gibt kein Steuergeheimnis. Jährlich erscheint der Taxeringskalender, in dem jeder Bürger nach Postleitzahlen sortiert nachschlagen kann, welches Einkommen und Vermögen sein Nachbar oder Chef, ein prominenter Politiker oder Manager versteuert. Doch warum haben es etwa die Dänen leichter? Jeder Däne hat bei der Steuerbehörde SKAT einen elektronischen Zugang zu seiner Steuermappe und kann sie selbstständig ändern oder die Steuererklärung online erstellen. Zum ersten Quartalsende liegt ein vorläufiger Steuerbescheid online vor, den jeder Däne binnen vier Wochen abändern kann. Danach verschickt die SKAT die Bescheide per Post. Was wären die Portugiesen ohne ihre Steuernummer? Diese ist bei jedem Miet-, Telefon- oder Wasserwerkvertrag anzugeben. Das Finanzamt sendet zu Jahresbeginn jedem Steuerpflichtigen die Basisformulare zur Abgabe der Steuerklärung zu. Die Steuererklärung kann dann postalisch oder online abgegeben werden. In der Türkei kassiert das Finanzamt die Einkommensteuer als Quellensteuer (Stopaj) ohne die jährliche Steuererklärung abzuwarten. Bei Mietverhältnissen ist der Mieter, bei Freiberuflern der Klient, bei Zinserträgen die Bank und bei Dividenden die ausschüttende Gesellschaft verpflichtet, die Quellensteuer abzuziehen und dem Finanzamt abzuführen. Und Angestellten ziehen die Unternehmen – wie in Deutschland – die Einkommensteuer automatisch vom monatlichen Gehalt ab. Auf dem Papier klingt das zuverlässig. Doch viele lassen sich ihr Gehalt in bar auszahlen und der türkische Fiskus geht leer aus, nach dessen Schätzung passiert das bei rund jedem dritten Bürger. 60 % 75 % 83 % 95 % 99 % Luxemburg Niederlande Belgien Dänemark Türkei 60 % 76 % 90 % 98 % Slowakei Island Schweden Portugal Quellen: OECD, eigene Recherche © iStock / Thomas Saupe Die 20 größten Steuervergünstigungen Mit rund 7,7 Milliarden Euro wird Energie & Strom am m eisten steuerlich von der Bundesregierung begünstigt. Dies ist dem Entwurf des Haushaltsgesetzes 2016 bei genauerer Betrachtung der 20 größten Steuervergünstigungen zu entnehmen, die sich allein auf rund 14 Milliarden Euro summieren. So verteilen sich die 20 größten Steuervergünstigungen Angaben in Milliarden Euro, in Gruppen zusammengefasst 3,27 Ermäßigter Umsatzsteuersatz (z. B. kulturelle Leistungen, Personenbeförderung, Beherbergung) 7,72 Strom und Energie 1,19 Steuerbefreiung für gesetzliche oder tarifliche Zuschläge Steuerermäßigung für spezielle Branchen (z. B. Handwerk, Land- und Forstwirtschaft, Zahntechnik) EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 0,91 0,46 Förderung Altersvorsorge 9 Spots Steuerliche F&E-Förderung Über die Steigerung der volkswirtschaftlichen Innovationskraft durch eine intensivierte Förderung von F&E herrscht ein politischer Konsens zwischen staatlichen Akteuren, Wirtschaft und Wissenschaft. Uneinigkeit herrscht jedoch über die Instrumentenwahl. Viele Staaten verfolgen einen Mix aus direkter und indirekter (steuerlicher) Förderung von F&E. Zuletzt wurden in Deutschland konkrete steuerliche Maßnahmen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP avisiert (26.10.2009). Auf dem Feld der steuerlichen Förderung von F&E ist dennoch bis dato in Deutschland nichts geschehen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will mehr Forschung und Entwicklung in Deutschland. Der F&E-Anteil am BIP solle von knapp drei auf vier Prozent steigen (für Unternehmen und andere Einrichtungen). Um dieses Ziel zu erreichen, plädiert Gabriel für eine steuerliche F&E-Förderung. Allerdings fürchtet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutliche Steuerausfälle. Damit dürften Unternehmen hierzulande vorerst im Nachteil gegenüber der Konkurrenz in anderen Ländern bleiben, wo F&E steuerlich gefördert wird. Top 10 + Deutschland der staatlichen Förderung von F&E in Unternehmen 2013, in Prozent des BIP 1. kor 2. rus 3. fra 4. svn 5. hun 6. bel 7. aut 8. usa 9. irl 10. can 0,18 0,24 0,39 0,11 0,02 0,26 0,25 0,09 0,19 0,13 0,10 0,20 0,12 0,15 0,19 0,07 0,07 0,16 0,03 0,18 Direkte Projektförderung in Unternehmen Steuerliche Förderung in Unternehmen … 25. 0,08 deu Quelle: OECD Science, Technology and Industry Scoreboard 2015 … EY in Gabriels Expertenrunde Die Welthandelsorganisation (WTO) kämpft für einen Abbau von Zöllen und sonstigen Handelshemmnissen. Doch die Verhandlungen gestalten sich zäh und zäher. Die führenden Handelsblöcke suchen nun vermehrt nach bilateralen Abkommen. So die EU und USA mit TTIP. Gerade erst einigten sich ein Dutzend Pazifik-Anrainer auf eine Transpazifische Partnerschaft (TPP). In der WTO sind die Stimmen nicht zu überhören, dass der Entscheidungs- und Abstimmungsprozess reformiert werden muss. Zu den WTO-Grundprinzipien zählen Meistbegünstigung, Inländerprinzip, Transparenz, Liberalisierung und Gegenseitigkeit, zu der sich mittlerweile 161 Mitglieder bei der Ausgestaltung ihrer Handelspolitiken verpflichten. Zum Round Table „Mehr Börsengänge von jungen Wachstumsunternehmen in Deutschland“ hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ausgewählte Spezialisten der IPO-Szene in Deutschland eingeladen, darunter auch von EY. Ziel der Initiative ist es zu prüfen, wie Börsengänge für innovative und wachstumsstarke Unternehmen wieder attraktiver werden können. Derzeit hat Deutschland etwa im Vergleich zu den USA beträchtlichen Nachholbedarf. Zu den Empfehlungen des Runden Tisches zählt u. a., bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz auf Mehrbelastungen für Wagniskapitalinvestitionen zu verzichten, den Fortbestand von Verlustvorträgen bei Start-ups auch bei Einstieg von neuen Investoren zu gewährleisten und die Corporate Governance für kleinere und mittlere Unternehmen zu erleichtern. Anzahl der WTO-Mitglieder im Zeitverlauf Industrieländer Entwicklungsländer 65 45 20 127 76 81 83 88 54 59 61 66 22 22 22 22 98 104 140 117 149 153 126 130 23 23 160 161 137 138 23 23 76 22 23 23 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2014 2015 Quellen: WTO; Institut der deutschen Wirtschaft Köln 10 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 © Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 20 Jahre WTO Spots Bundesrat: 21 aus 69 Personalia Intern Die Landtagswahlen im Jahr 2016 können die K räfteverhältnisse im Bundesrat nach langer Pattsituation zwischen Regierung, Opposition und neutralem Lager verändern. Den Anfang machen am 13. März 2016 Baden-Württemberg (6 Stimmen im Bundesrat), Rheinland-Pfalz (4 Stimmen) und Sachsen-Anhalt (4 Stimmen). Im Herbst wählen die Bürger in Mecklenburg-Vorpommern (3 Stimmen) und Berlin (4 Stimmen). In BadenWürttemberg deutet alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rot/Grün und Schwarz/Gelb hin. In RheinlandPfalz könnte das Schicksal von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auch vom Abschneiden der zuletzt nicht vertretenen FDP abhängen. 13 Rheinland-Pfalz 13 13 18 4 SACHSEN-ANHALT MÄRZ MÄRZ Baden-Württemberg MÄRZ Berlin Mecklenburg Vorpommern SEPTEMBER SEPTEMBER Leitfaden für die Übertragung von Vermögen Unser aktualisierter EY Worldwide Estate and Inheritance Tax Guide 2015 liefert einen detaillierten steuerrechtlichen Überblick für die Übertragung von Vermögen auf 378 Seiten für 39 Staaten. Nutzen Sie den QR-Code für einen direkten Download. Die bisherigen Bereiche People & Organizational Change (P&OC) und Human Capital (HC) bilden seit Oktober 2015 die People Advisory Services (PAS). Leiterin in Deutschland, Österreich und der Schweiz (GSA) ist Ulrike Hasbargen, die über zehn Jahre lang GSA HC leitete und über umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen Tax Compliance und Optimierung der Personenbesteuerung und Prozessverbesserung verfügt. GSA Talent Leiter in PAS ist Peter Härzke, der über 18 Jahre Erfahrung im Bereich des HR Consultings verfügt. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören vor allem die Weiterentwicklung von Personalstrategien und das Talent Management. Als GSA Systems Leiter in PAS hilft Erhard Pfeiffer unseren Mandanten bei der Entwicklung und Umsetzung von technischen HR-Strategien sowie insbesondere bei Transformationsvorhaben im Bereich Payroll (offshoring, outsourcing etc.). Pfeiffer hat über 23 Jahre Berufserfahrung in den Bereichen Human Resources, Gehaltsabrechnung und Change Management Consulting. Nelson Taapken leitet in PAS GSA den Bereich Performance. In seine neue Rolle bringt er herausragende Expertise in dem Bereich HR Transformation oder z. B. der Geschäftsprozessanalyse des Personalmanagements ein. Hierbei wird er unsere Kapazitäten bei der Beratung von Personal-Betriebsmodellen, der Prozesseffizienz von Personalabteilungen oder des Personaltransfers und dem Change Management für veränderte Organisationsstrukturen weiter spezialisieren und ausbauen. Neuer PAS GSA Mobility Leader ist Ingo Todesco. Als Partner berät er zahlreiche Unternehmen im Rahmen von grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen. Zu seinen Beratungsschwerpunkten zählen alle Aspekte von großen Entsendeprogrammen einschließlich der körperschaftsteuerlichen Aspekte, Compliance bei Business Travellern, Mehrfachfunktionen und Prozessverbesserungen. Karl Wirth ist GSA Reward Leiter in PAS. Seit 2008 ist er Partner bei EY, seine Spezialgebiete liegen im Transaction Support, der HR-/Pensions-Due Diligence, Beratung von Pensions- und Vergütungsstrukturen sowie der betrieblichen Altersvorsorge großer Unternehmen und HR Risikoanalysen. Neuer Leiter der EY Private Client Services ist Sven Oberle, der auf Astrid Wimmer folgt. Private Client Services bietet einen ganzheitlichen Beratungsansatz für vermögende Privatpersonen und Family Offices. Oberle verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung und Begleitung von Familienunternehmen, vermögenden Privatpersonen und Family Offices in unterschiedlichen steuerlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 11 ! BEPS Das 240 Milliarden Dollar Projekt Die OECD Staaten haben sich gemeinsam mit den G20 Staaten auf einen Rahmen für die Fortentwicklung des Internationalen Steuerrechts zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung sowie schädlichem Steuerwettbewerb verständigt. Für Unternehmen beginnt eine neue Zeitrechnung. M ehr Transparenz, weniger Abzugsmöglichkeiten von Zinsaufwendungen, eine Neuzuordnung der Gewinne entlang der Wertschöpfungskette – die Liste der angestrebten, weitreichenden Veränderungen im Steuerrecht ist lang und soll weltweit das Steueraufkommen um rund vier bis zehn Prozent der körperschaftssteuerlichen Bemessungsgrundlage erhöhen, also um bis zu 240 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Für die Steuerwelt markiert der 16. November 2015 den Beginn einer neuen Epoche. An diesem Tag unterzeichneten die Staatsund Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in Antalya den BEPS-Aktionsplan der OECD. BEPS steht für Base Erosion and Profit Shifting und wendet sich gegen Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen multinational tätiger Unternehmen. Auf diese kommen gravierende Änderungen zu. Alle grenzüberschreitend agierenden Unternehmen müssen jetzt ihre Steuerposition in den verschiedenen Ländern überprüfen, absichern und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen einleiten. Die Umsetzung des BEPS-Projekts in nationales Recht steht unmittelbar bevor. Das BEPS-Projekt, an dem mehr als 60 Staaten beteiligt sind, wird als die erste substanzielle Überarbeitung der internationalen Steuerstandards in fast einem Jahr- 12 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 hundert bezeichnet. Nun stehen die Staatengemeinschaft und die Unternehmen vor der Herausforderung, die vorgeschlagenen Maßnahmen auf internationaler und nationaler Ebene umzusetzen bzw. auf diese Maßnahmen zu reagieren. Das BEPS-Zauberwort lautet dabei Transparenz. Transparent sollen die steuerlichen Vorschriften der einzelnen Staaten sein, und auch die Unternehmen sollen steuerlich durchschaubarer werden. Alles dreht sich um eine „faire“ Besteuerung der Wertschöpfung, den Verzicht auf „unfaire“ Steueranreize einzelner Staaten und die Verhinderung von „aggressiver“ Steuergestaltung durch multinationale Unternehmen. Besonders im Visier sind Finanztransaktionen und die Nutzung immaterieller Güter wie z. B. von Markenrechten. Professor Wolfgang Schön vom Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München weist im EY-Interview darauf hin: „Die bestehende internationale Besteuerungsordnung ist nicht daran ausgerichtet, wo Wertschöpfung stattfindet.“ Schön zeigt sich erstaunt darüber, „dass die pauschale Erklärung „Besteuerung dort, wo Wertschöpfung stattfindet“ so wenig Widerspruch gefunden hat.“ (Interview siehe Seite 24.) © Anadolu Agency / Getty Images TOP Vertrag zulasten Dritter Am Ende der BEPS-Gespräche liegen viele harte und eindeutige Empfehlungen auf dem Tisch, wie Steuergestaltungen der Unternehmen bekämpft werden sollen. Die Eindämmung des Steuerwettbewerbs durch die Staaten ist dagegen weit zurückgeblieben. So fehlt allem voraus die Verpflichtung der Staaten, die vermehrt zu befürchtenden Fälle einer Doppelbesteuerung mittels eines verbindlichen Schiedsgerichtsverfahrens zu beseitigen. So gelten zwar im Rahmen hybrider Gestaltungen die sogenannten linking rules – also Abzug in einem Staat nur, wenn auch Besteuerung im anderen Staat. Entsprechendes gilt aber nicht beim Zinsabzug. Entfällt der Zinsabzug in einem Staat, werden die Zinseinnahmen im anderen Staat dennoch besteuert. Mit anderen Worten: Das BEPS Projekt wirkt in wesentlichen Teilen wie der Abschluss eines Vertrags zulasten Dritter. Weil sich die Staaten untereinander in vielen Bereichen nicht auf Mindeststandards der Besteuerung einigen konnten, werden die weiter bestehenden Verwerfungen auf die Unternehmen als Steuerzahler überwälzt. Sie müssen mit erheblichem Mehraufwand in der Steuerfunktion rechnen. Das betrifft sowohl die Erfüllung der Reporting-Verpflichtungen als auch den Nachweisaufwand im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung, die erhöhte Anzahl von Einspruchs-, Gerichts- und Verständigungsverfahren und Vorabverständigungen zu Steuerfragen. Die Staaten rüsten auf, die Unternehmen müssen nachziehen. Erhebliche Risiken Für die deutschen Unternehmen enthalten die BEPSAbschlussberichte zwar auch Chancen, aber vor allem erhebliche Risiken. Das deutsche Unternehmensteuerrecht erfüllt schon heute die meisten Anforderungen, die die OECD nun stellt. Eine einseitige weitere Verschärfung ginge zu Lasten der hiesigen Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Deutschland – am Ende auch zu Lasten des Staatshaushalts. Umgekehrt wäre es ein Beitrag zur steuerlichen Waffengleichheit, wenn andere Staaten ihre Standards in Richtung des deutschen Niveaus anheben würden. Standard setzen Letztlich ist das BEPS-Projekt für die OECD auch ein Vehikel, sich als Standardsetzer im Bereich des internationalen Steuerrechts gegenüber den Vereinten Nationen zu behaupten. Gerade mit Blick auf die Einbindung der G20, EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 13 TOP © Anadolu Agency / Getty Images „It will allow countries to draw up the co-ordinated, comprehensive and transparent standards they need to prevent BEPS. International tax rules, many of them dating from the 1920s, ensure that businesses don’t pay taxes in two countries – double taxation. This is laudable, but unfortunately these rules are now being abused to permit double non-taxation. The Action Plan aims to remedy this, so multinationals also pay their fair share of taxes.“ OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung des Aktionsplans in denen wichtige Schwellenländer vertreten sind, sowie die Beteiligung von Entwicklungsländern am Verlauf des BEPS-Projekts wird deutlich, unter welchem Druck die OECD als Zusammenschluss der Industrieländer steht. Es geht darum, die Schwellen- und Entwicklungsländer auf gemeinsame Steuerstandards zu verpflichten. Gelingt dies nicht, drohen die Industriestaaten die Deutungshoheit im internationalen Steuerrecht zu verlieren. Das BEPS-Projekt von OECD/G20 ist zudem im Kontext mit anderen Entwicklungen zu sehen. Für Deutschland sind vor allem die Initiativen von EU-Kommission und EU-Parlament wichtig. Gemeinsam ist ihnen das Streben nach erhöhter Transparenz im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Dazu zählt ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission, über den die europäischen Finanzminister am 6. Oktober 2015 eine politische Einigung erzielt haben. Dieser soll die Mitgliedstaaten zum automatischen Austausch von Informationen über grenzübergreifende Steuervorbescheide sowie über Vorabverständigungsvereinbarungen verpflichten. Mitgliedstaaten, denen die Informationen übermittelt werden, können gegebenenfalls weitere Informationen anfordern. Die Kommission kann ein sicheres Zentralverzeichnis einrichten, in dem die ausgetauschten Informationen gespeichert werden. Die entsprechenden Regelungen sollen zum 1. Januar 2017 in Kraft treten. EU-Initiativen über BEPS hinaus Im Rahmen des Aktionsplans der EU-Kommission für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung führte die Kommission eine öffentliche Konsultation zur Ausweitung 14 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 des Country-by-Country Reportings (CbCR) durch. Dabei ging es auch um die Frage, inwieweit die Daten nicht nur gegenüber den Steuerbehörden, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit offengelegt werden sollen. Die Ergebnisse der Konsultation werden im Rahmen des Impact Assessments, das die Kommission derzeit erstellt, berücksichtigt. Die Ambitionen der EU-Kommission, noch über das im Rahmen von BEPS vorgesehene CbCR hinauszugehen, sind dabei unübersehbar. Die EU-Kommission plant darüber hinaus, sich über Steuervorbescheide (dazu zählen in Deutschland etwa verbindliche Auskünfte) der Mitgliedstaaten mit den Mitteln des europäischen Beihilfenrechts zu informieren. Bereits Ende 2014 forderte die Kommission von zahlreichen Mitgliedstaaten zunächst Informationen über die rechtlichen Grundlagen für die Erteilung von Steuervorbescheiden, die Aufschlüsselung nach Art der den Auskünften jeweils zugrundeliegenden Transaktionen sowie der Kategorien der erteilten Auskünfte an. Darauf aufbauend ersuchte die EU-Kommission im Sommer 2015 die einzelnen Länder, um stichprobenhaft Steuervorbescheide von ausgewählten Unternehmen zu bekommen. Die Waffe des Beihilferechts Die Kommission macht sich dabei das Beihilfenrecht zunutze, um zum einen das in vielen Mitgliedstaaten bestehende Steuergeheimnis auszuhebeln und gleichzeitig das Einstimmigkeitserfordernis für Maßnahmen im Bereich des direkten Steuerrechts zu umgehen. Dabei sind zahlreiche Fragen, insbesondere über das Verhältnis © AFP / Getty Images TOP Zusammentreffen der Regierungsspitzen in Antalya. Neben Fragen der Flüchtungspolitik wurde auch über das Steuerrecht verhandelt. von europäischem Beihilferecht zum nationalen Verfahrensrecht (Steuergeheimnis, Datenschutz) der Mitgliedstaaten, noch ungeklärt. Auch das Europäische Parlament (EP) tritt für weitrei chende Steuertransparenz ein. Das geschieht nicht zuletzt unter dem Eindruck von „Luxembourg Leaks“, also der Affäre um veröffentlichte Details von steuerlichen Begünstigungen einzelner Unternehmen durch die Luxemburger Finanzverwaltung. Das EP plädiert für ein äußerst weitgehendes CbCR für große Unternehmen, das die Offenlegung von steuerrelevanten, länderbezo genen Unternehmensdaten sowie von Informationen über Steuervorbescheide im Geschäftsbericht vorsieht. Auch diese Forderung geht deutlich über die im Rahmen des BEPS-Projekts vereinbarten Vorgaben hinaus. Die unterschiedlichen Initiativen sorgen bei den Unternehmen für Rechts- und Planungsunsicherheit. Aus deren Sicht ist eine Koordinierung der einzelnen Steuerinitiativen wichtig. Vor allem besteht die Gefahr, dass hohe Steueranforderungen der EU-Institutionen zu einem einseitigen Wettbewerbsnachteil für europäische Unternehmen führen. Und innerhalb der 28-EU-Staaten besteht zudem die Gefahr, dass die nationalen Gesetzgeber die Brüsseler Vorgaben unterschiedlich aufgreifen und umsetzen. Für hiesige Unternehmen dürfte es dabei wenig tröstlich sein, dass Deutschland gern eine Vorreiterrolle einnimmt. Der allen Initiativen gemeine Ruf nach mehr Transparenz ist von besonderer Brisanz, da sich aus den dadurch gewonnenen Erkenntnissen neue politische Forderungen ergeben können – insbesondere, wenn sich die öffentliche Meinung auf vermeintliche Ungerechtigkeiten einschießt. Probleme sind etwa programmiert, wenn es im Licht von CbCR zwischen den Staaten zum Streit kommt, wo welche Wertschöpfung wie besteuert werden darf. Es geht dabei letztlich um eine Neuverteilung des globalen Steuersubstrats. Widerstand aus den USA Die Industrieländer, insbesondere Deutschland, drohen bei diesem steuerpolitischen Tauziehen gegenüber den Schwellenländern zum fiskalpolitischen Verlierer zu werden. Inzwischen gibt es auch von Berliner Regierungsseite durchaus kritische Stimmen, die nicht nur vermeintliche steuerpolitische Chancen, sondern auch eben diese drohenden fiskalischen Risiken benennen. Und in den USA betonen Kongress-Abgeordnete wie Orrin Hatch, Vorsitzender des mächtigen Finanzausschusses im Senat, sie würden auf keinen Fall zulassen, dass amerikanische Unternehmen wegen BEPS mehr Steuern in anderen Staaten zahlen sollen. Die finalen BEPS-Berichte umfassen 15 sogenannte Action Points (Handlungsfelder), in denen die OECD Problemfelder beschreibt und Lösungen empfiehlt. Im Folgenden konzentriert sich das Tax & Law Magazine auf vier Handlungsfelder, die für Unternehmen besonders relevant sind. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 15 TOP 2 ACTION POINT Hybrid Mismatch Hybride Gestaltungen in Form von Finanzinstrumenten und Gesellschaften können nach dem Bericht der OECD genutzt werden, um eine (doppelte) Nichtbesteuerung, doppelten Betriebsausgabenabzug, einen langfristigen Steueraufschub oder andere Effekte zu erreichen. Punkt 2 des BEPS-Aktionsplans fordert daher Regeln im OECD-Musterabkommen und Empfehlungen für die Formulierung nationaler Regeln, um derartige Effekte zu neutralisieren. Die Vorhaben der OECD sind bei hybriden Gestaltungen im Grundsatz verständlich. Es liegt nicht im Interesse der Staaten, dass Einnahmen nicht (voll) versteuert werden, aber andererseits die Betriebsausgaben ein- oder mehrfach geltend gemacht werden bzw. Steueranrechnungsbeträge in ungerechtfertigter Weise mehrfach zu Anrechnung gelangen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Staaten droht jedoch nicht nur ein Einebnen von möglichen Steuerplanungsmodellen, sondern darüber hinaus eine steigende Zahl von Doppelbesteuerungstatbeständen. Hinzu kommt ein höherer Prüfungs- und Dokumentationssaufwand in den Steuerabteilungen, denn der Betriebsausgabenabzug wird in Zukunft vermehrt davon abhängen, dass eine korrespondierende Besteuerung beim Empfänger nachgewiesen wird. Darauf sind die Steuerabteilungen heute nicht vorbereitet. Es ist auch nicht klar, welcher Grad an Nachweis dafür im Einzelfall erforderlich sein wird. Da auch Mehrländerfälle sowie Dreieckskonstellationen etc. ausführlich in den Beispielen des Berichtes zu dem Handlungsfeld 2 dargelegt sind, ist es wahrscheinlich, dass auch Strukturen, die mehrere Länder betreffen, einheitlich in allen Staaten erhöhten Nachweispflichten für den Betriebsausgabenabzug unterfallen werden. Es erscheint daher auch nicht unerwartet, dass womöglich zunächst mehrere Staaten den Betriebsausgabenabzug versagen, bis jeweils von allen anderen Staaten hinreichende Nachweise über die volle Versteuerung der Bezüge vorliegen. Hierbei ist beachtlich, dass es in diesem Zusammenhang nicht nur um die Grundsatzfrage geht, ob bestimmte Betriebsausgaben in einem anderen Staat überhaupt in die Bemessungsgrundlage Ein- 16 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 gang finden, sondern darüber hinaus im Einzelfall auch der Nachweis zu erbringen wäre, dass diese Betriebseinnahmen einer vollen, ungeschmälerten Besteuerung unterfallen (z. B. weder ein Präferenzsteuersatz, noch eine ermäßigte Besteuerung). Nachgewiesen werden muss auch, ob und inwieweit die Steuer durch Steueranrechnungsbeträge etc. gemindert wurde, was unter Umständen gleichfalls bereits als schädliche Minderbesteuerung einzuordnen wäre. Weiterhin sind auch Folgeeffekte im Rahmen späterer Betriebsprüfung gegebenenfalls von Bedeutung, die dann wiederum in anderen Staaten korrespondierende Gegenberichtigungen auslösen könnten (bzw. müssten, soweit noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist). Versagt z. B. in einer späteren Betriebsprüfung ein Staat bestimmten Betriebsausgaben den Abzug, so kann dies im Empfängerstaat der Leistung dann ggf. nachträglich wiederum doch zur Freistellung führen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Beispiel 1 Hybrides Finanzinstrument B Co erhält eine hybride Finanzierung von A Co. Das Finanzierungsinstrument wird in Staat B als Fremdkapital behandelt, während in Staat A die Zahlung keiner Besteuerung unterliegt bzw. eine Steuererleichterung (z. B. Befreiung, Nichtberücksichtigung, indirekte Steueranrechnung) für die im Rahmen dieses Instruments erhaltenen Zinszahlungen gewährt wird (z. B. weil Staat A von Eigenkapital ausgeht). Die betroffenen Staaten sollen laut BEPSHandlungsfeld die Nichtbesteuerung mittels sogenannter Korrespondenzregelungen („linking rules“) beseitigen. Ist die Nichtbesteuerung im Staat A auf die Freistellung von Dividenden zurückzuführen, so ist die Freistellung insoweit zu versagen. Diese Maßnahme entspricht hierzulande im Grundsatz § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG sowie Art. 4 der MutterTochter-Richtlinie. Weiterer Regelungsbedarf in Deutschland besteht insoweit grundsätzlich nicht. Soweit der Staat A entgegen der Empfehlung keine volle Einmalbesteuerung sicherstellt, so empfiehlt der Aktionsplan als „Response“, den Betriebsausgabenabzug im Land B zu versagen. Eine solche Regelung kennt Deutschland bislang nicht. Als Maßnahme der dritten Stufe sieht Handlungsfeld 2 eine „Defensive rule“ vor: Das Land A soll die Zahlung als ordentliche Einnahme erfassen. Ob Deutschland mit der Regelung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG bereits eine volle Besteuerung der Einnahmen sicherstellt, ist unter Umständen kritisch zu diskutieren. Zwar erfolgt grundsätzlich eine volle Erfassung bei der Körperschaftsteuer. Das gilt aber nicht für die Gewerbesteuer. Fraglich ist also, ob eine Nichteinbeziehung bei der Gewerbesteuer dennoch als volle Besteuerung in Deutschland gilt. Beispiel 2 Hybrider Rechtsträger A Co hält sämtliche Anteile an einer ausländischen Tochtergesellschaft B Co. Letztere ist ein hybrider Rechtsträger, der für die Besteuerung in Staat A nicht berücksichtigt wird. B Co nimmt ein Darlehen bei A Co auf und zahlt Zinsen auf dieses Darlehen. B Co wird von Staat A als transparent behandelt, und weil A Co der einzige Anteilseigner an B Co ist, existiert B Co aus Sicht des Staates A somit nicht. Die Nichtberücksichtigung von B Co bedeutet, dass das Darlehen und folglich auch die Zinsen auf das Darlehen zwischen A Co und B Co in Staat A ignoriert werden. B Co wird für Steuerzwecke mit ihrer operativen Tochtergesellschaft B Sub 1 konsolidiert, wodurch es ihr möglich ist, den Zinsabzug gegen das Einkommen von B Sub 1 steuerlich geltend zu machen. Als vorrangige Maßnahme soll der Ansässigkeitsstaat des Zahlenden (Staat B) den Betriebsausgabenabzug versagen. Als „Abwehrregel“ soll der Staat des Zahlungsempfängers (Staat A) die Zahlung als ordentliche Einnahme erfassen. Wie im Beispiel 1 sollen diese Gegenmaßnahmen nur im Konzern bzw. bei strukturierter Gestaltung gelten. Grundsätzlich kennt Deutschland diesbezüglich bislang keine Regelungen. TOP Beispiel 3 Umgekehrt hybride Rechtsträger A Co hält 100 Prozent an ihrer Tochter B Co. Diese wird in Staat B als steuerlich transparent behandelt, jedoch in Staat A als Kapitalgesellschaft. C Co, ein in Staat C ansässiges Unternehmen, nimmt ein Darlehen bei B Co auf und zahlt Zinsen auf dieses Darlehen. Zahlungen an einen umgekehrt hybriden Rechtsträger („Reverse Hybrid“) können zu D/NI-Ergebnissen führen, wenn die Zahlung zwar an der Quelle (Staat C) abzugsfähig ist, aber weder in Staat A noch B als Einnahmen berücksichtigt werden. Handlungsfeld 2 sieht als Gegenmaßnahme vor, dass Staat C den Betriebsausgabenabzug versagen soll. Auch hier soll der Betriebsausgabenabzug nur in konzerninternen Fällen bzw. bei strukturierten Gestaltungen versagt werden. Ergänzend sollen Verschärfungen der Hinzurechnungsbesteuerung im Land A bzw. eine Ausweitung der Steuerpflicht im Land B geprüft werden. Beispiel 4 Doppelter Betriebsausgabenabzug bei hybriden oder doppelt ansässigen Rechtsträgern A Co hält wiederum 100 Prozent an ihrer ausländischen Tochtergesellschaft B Co. Diese wird für die Besteuerung in Land A nicht berücksichtigt (disregarded). B Co nimmt bei einer Bank ein Darlehen auf und zahlt Zinsen auf dieses Darlehen. B Co bezieht keine weiteren Einnahmen. Weil B Co in Staat A nicht berücksichtigt wird, gilt A Co für die Zwecke der steuerrechtlichen Vorschriften von Staat A als Darlehensnehmer. Folglich führt diese Gestaltung zu einem Zinsabzug nach den Rechtsvorschriften von Staat A und Staat B. B Co wird für Steuerzwecke mit ihrer operativen Tochtergesellschaft B Sub 1 konsolidiert, wodurch sich der Zinsabzug gegen die Gewinne der B Sub 1 auswirkt. Im Ergebnis werden die Zinsausgaben zweimal steuerlich geltend gemacht. A auf Ebene der Muttergesellschaft den (doppelten) Betriebsausgabenabzug versagen. Wenn Staat A diese Maßnahme nicht umsetzt, soll als „Abwehrregel“ Staat B den Betriebsausgabenabzug auf die Bank zinsen versagen. Diese Maßnahme soll nur im Konzern oder bei strukturierten Gestaltungen gelten. Auch die von einem doppelt ansässigen Steuerpflichtigen geleisteten Zahlungen können zu ähnlichen Besteuerungsinkongruenzen führen. Entsprechend enthält der OECD-Bericht auch hierzu Empfehlungen. Beispiel 5 Importierte hybride Gestaltungen Eine zwischen zwei Staaten bestehende Besteuerungsinkongruenz kann in einen anderen dritten Staat verlagert werden. B Co ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von A Co, die ein Darlehen unter Verwendung eines hybriden Finanzinstruments an B Co vergibt. Die Einnahmen hierauf sind im Staat A von der Steuer befreit, obwohl im Staat B abzugsfähig. Eine weitere Konzerngesellschaft (C Co) nimmt von B Co ein Darlehen auf. Die für dieses Darlehen zu zahlenden Zinsen sind in Staat C abzugsfähig und werden nach den Rechtsvorschriften von Land B den Einnahmen von B Co zugerechnet. Diese Struktur führt zu einem indirekten D/NI-Ergebnis zwischen A und C. Der Staat B ist dagegen durch die Strukturierung nicht betroffen, da die Einnahmen und Ausgaben sich entsprechen. Als Gegenmaßnahme soll Staat A die Dividendenfreistellung versagen. Erfolgt dies nicht, soll Staat B ein Betriebsausgabenabzugsverbot vollziehen. Falls die Staaten A und B die Empfehlungen der OECD nicht umsetzen, soll Staat C den Betriebsausgabenabzug versagen. Auf BEPS und seine Folgen vorbereitet sein! Analyse und Bewertung aus Sicht der deutschen Wirtschaft Der Ratgeber informiert kurz und kompakt, praxisnah und verständlich über das laufende OECD-Projekt „Base Erosion and Profit Shifting“, kommentiert und erläutert die Actionpoints und gibt einen Ausblick auf mögliche Änderungen auf internationaler und nationaler Ebene. Der Ratgeber ist ein gemeinsames Projekt vom Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Verband der Automobilindustrie und EY. Die Autoren kommen aus Praxis und Beratung (u. a. SAP, Daimler, VW, Bayer, Brose und Berater von EY). ISBN 978-3-08-364300-5 OECD/G20-Projekt BEPS Ratgeber, 1. Auflage 2015, kart., ca. 200 Seiten EURO 32,80 Der Bericht sieht folgende Gegenmaßnahmen vor: Als primäre Maßnahme soll Staat EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 17 TOP 5 ACTION POINT Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs Insbesondere Patentboxen und die damit verbundene steuerliche Besserstellung von Lizenzeinkünften stehen auf dem Prüfstand. Hervorzuheben ist, dass es bei den Empfehlungen des Handlungsfelds 5 nicht um die Abschaffung der Output-orientierten IP-Förderung geht. Vielmehr steht eine Harmonisierung des Steuerwettbewerbs im Vordergrund, um ein „level playing field“ zu schaffen. Dazu entwickelten die Experten einen modifizierten Nexus-Ansatz mit der Einbindung von Substanzerfordernissen. Hinzu kommt ein verpflichtender Informationsaustauch zwischen den Staaten. Der Nexus-Ansatz verlangt, dass die Besteuerung international mobiler Einkünfte an eine substanzielle Aktivität im LizenzboxLand anknüpfen muss. Dabei gilt folgendes Berechnungsschema: Qualifizierende Ausgaben für die Entwicklung des geistigen Eigentums Gesamtausgaben für die Entwicklung des geistigen Eigentumswertes × Aus dem geistigen Eigentumswert resultierende Gesamteinkünfte = Im Ergebnis findet eine Verknüpfung steuerlich begünstigter Einkünfte mit selbst getragenen und im direkten Zusammenhang stehenden Ausgaben statt. Förderfähig sind jedoch nur Einkünfte aus Patenten bzw. vergleichbar geschützten immateriellen Vermögenswerten und urheberrechtlich geschützter Software. Ausgeschlossen sind Ausgaben für immaterielle Vermögenswerte, die im Zusammenhang mit Auftragsforschung zwischen verbundenen Unternehmen oder Unternehmensakquisitionen entstanden sind. Um diesen Nachteil abzumildern, gewährt BEPS den Staaten einen pauschalen Aufschlag („Up-Lift“) für die tatsächlich getragenen qualifizierten Ausgaben. Die Höhe dieses Aufschlags, welcher autonom von den Staaten festgelegt werden 18 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 kann, ist auf maximal 30 Prozent beschränkt. Alle 16 bestehenden Lizenzboxen erfüllen nach Ansicht des Forums Schädliche Steuerpraktiken (FHTP) aktuell nicht die Voraussetzungen des modifizierten Nexus-Ansatzes. Daraus ergibt sich ein grundsätzlicher Reformbedarf. Der Zugang zu diesen schädlichen Regimen ist spätestens ab dem 30. Juni 2016 zu verwehren. Der damit verbundene Bestandsschutz einer solchen Regelung gilt maximal fünf Jahre nach Zugangssperrung. Der Nexus-Approach wirft zahlreiche Abgrenzungsfragen auf. Eine Beschränkung auf Einkünfte aus Patenten oder ähnlich rechtlich geschützte Werte lässt andere wichtige Innovationsergebnisse wie ungeschützte Softwareentwicklungen und geheimes Prozess-Know-how außen vor. Die erforderliche Zuordnung von früheren Ausgaben zu den später geförderten Einkünften ist in der Praxis schwierig. Zudem werfen die von den Unternehmen zu Steuerbegünstigte ermittelnden und zu Einkünfte dokumentierenden Ausgangswerte für die Anwendung der Nexus-Formel Abgrenzungsfragen auf. Unverständlich und europarechtlich fraglich ist, warum konzerninterne Auftragsforschung teilweise vom Zugang zur begünstigten Besteuerung von Patenten ausgeschlossen werden soll. Mittlerweile haben zwölf europäische Länder eine Patentbox eingeführt. In Deutschland ist die Steuerlast auf Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung deutlich höher als in anderen EU-Ländern. Um diese Wettbewerbsnachteile auszugleichen, besteht zunehmender Handlungsdruck, auch in Deutschland eine Patentbox oder eine steuerliche Forschungsförderung einzuführen. Entscheidend wäre die konkrete Umsetzung: Neben dem effektiven Steuersatz für die Lizenzbox gilt dies insbesondere auch für den Umfang der qualifizierenden Einnahmen, die Frage der Anrechnung ausländischer Quellensteuern, die Frage des Begünstigten (z. B. bei Auftragsforschung), die Behandlung von erworbenen Patenten sowie von vergangenen und laufenden Ausgaben. Vor allem aber dürften auf der Seite der Betriebsausgaben keine Verschärfungen eingeführt werden. Positive Effekte einer Patentbox sollten daher nicht durch eine – derzeit parallel diskutierte – Lizenzschranke konterkariert werden, der zufolge Lizenzzahlungen an ausländische Lizenzgeber unter bestimmten Umständen vom Betriebsausgabenabzug ausgenommen werden sollen. Das Transparenzerfordernis als zweiter zen traler Bestandteil des Handlungsfelds 5 sieht einen verpflichtenden Informationsaustauch zwischen bestimmten Staaten für folgende Fälle vor: • Präferenzregime im grenzüberschreitenden Sachverhalt. • Unilaterale Vereinbarungen zu Verrechnungspreisen (u. a. Advance Pricing Arrangements) im grenzüberschreitenden Sachverhalt. • Regelungen im grenzüberschreitenden Sachverhalt, die im Ergebnis zu einer Gewinnberichtigung nach unten führen. • Regelungen zu Betriebsstätten. • Conduit-Regelungen (z. B. für sogenannte Durchleitungsgesellschaften). • Jedes andere Ruling, welche das FHTP künftig als potenzielle Gefahr für BEPS einstuft. Eine Mustervorlage zu den auszutauschenden Informationen findet sich im Abschlussbericht. Neue Rulings sind ab dem 1. April 2016 innerhalb von drei Monaten an den anderen Staat zu übermitteln. Für AltRegime, die nach dem 1.Januar 2010 implementiert und nicht vor dem 1. Januar 2014 wieder abgeschafft wurden, ist ein Informationsaustausch bis Ende 2016 erforderlich. TOP 7 ACTION POINT Umgehung des Status als Betriebsstätte Vertreter-/Kommissionärs-Modelle Bislang knüpfte Art. 5 Abs. 5 OECD-MA an die Vertretungsmacht einer Person an, im Namen eines Unternehmens Verträge abschließen zu können. Unabhängige Vertreter wie Kommissionäre begründen keine Betriebsstätte (BS). Die BEPS-Modifikation stellt nunmehr auf die reine Aktivität („Substance over form“) ab. Eine BS soll mithin grundsätzlich immer begründet werden, wenn eine Person im Namen eines Unternehmens Verträge abschließt oder die zentrale Rolle bei den Vertragsverhandlungen einnimmt, sei es, um Waren oder Dienstleistungen zu transferieren, Rechte einzuräumen oder Beteiligungen an dem Unternehmen zu vermitteln. Reine Marketingaktivitäten sollen hingegen ausdrücklich nicht zu einer BS führen. Die hierzu vorgeschlagenen Musterkommentierungen machen deutlich, dass für den Abschluss eines Vertrages auch die reine Zustimmung einer Person im Namen des Vertragspartners ausreicht. Ebenfalls soll das Anbieten eines Standardvertrags an den möglichen Kunden zu einer BS des vertretenen Unternehmens führen. Vertriebsbezogene Aktivitäten sollen weitgehend als BS-begründend gelten, selbst wenn sie nur unterstützenden Charakter haben. Ausnahmetatbestände für Neben- und Hilfstätigkeiten Hier wird eine Änderung des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA und des dazugehörigen Musterkommentars verfolgt. Der Ausnahmenkatalog soll nicht pauschal einen BS-Status ausschließen. Der Entwurf des geänderten Musterkommentars macht deutlich, dass alle Aktivitäten für die Begründung einer BS in Betracht gezogen werden sollen, die das Kerngeschäft fördern bzw. hierzu gehören und zur Produktivität bzw. Gewinnerzielung des Unternehmens erheblich beitragen. Darunter können ausdrücklich auch Schulungen der Angestellten, Werbetätigkeiten oder Lagerhäuser von Online-Warenhändlern fallen. Physische Präsenzen in Gestalt von Personal, Lagerbeständen oder sonstigen Anlagen werden daher zukünftig zunehmend BS-relevant. Fragmentierung von Aktivitäten zwischen verbundenen Unternehmen Vorgesehen ist eine Anti-FragmentierungsRegel. Diese verhindert die Anwendung der BS-Ausnahme des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA, sobald die Gesamtschau der wirtschaftlich zusammenhängenden Konzernaktivitäten (im Sinne komplementärer Funktionen) innerhalb eines Staates über die Vorgaben dieser Norm hinausgeht. Dies beinhaltet neben der Auftragsstückelung am selben Ort auch die Kombination von – für sich genommen – Neben- und Hilfstätigkeiten an verschiedenen Ausführungsorten. Vertragsstückelung bei Montagebetriebsstätten Der künstlichen Umgehung von Montagebetriebsstätten mittels Unterschreitung der Zwölf-Monatsfrist in Art. 5 Abs. 3 OECD-MA durch die vertragliche Verteilung auf unterschiedliche rechtlich getrennte Konzernunternehmen soll vorgebeugt werden. Es wird eine Aggregation der Einsatzzeiten von verbundenen Unternehmen als Maßgabe für die Schwelle hin zur Erstarkung zu einer BS präferiert. Dahingehend sieht der finale Bericht eine „Principal Purpose Rule“ vor, die im Rahmen des Handlungsfelds 6 (Verhinderung von Abkommensmissbrauch) Einzug in das OECD-Musterkommentar finden soll. Die vorgesehenen bilateralen Regelungen führen im Ergebnis zwar zur geplanten Ausdehnung des BS-Begriffs. Sie schießen deutlich über das Ziel – eine künstliche Umgehung des BS-Status zu verhindern – hinaus. Ggf. werden damit die in die Kritik geratenen digitalen Geschäftsmodelle erfasst, welche bisher über keine bedeutenden steuerlichen Anknüpfungspunkte in ihren wichtigsten Absatzmärkten verfügen. Daneben werden aber auch Unternehmensstrukturen von den Neuerungen betroffen sein, die nicht auf rein steuerlich motivierten Überlegungen, sondern auf notwendigen kundenbezogenen Geschäfts- und Logistikmodellen basieren. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Aufweichung des Ausnahmenkatalogs für sogenannte „Hilfs- und Nebentätigkeiten“ sowie für die striktere BS-Erfassung von nahezu allen vertriebsunterstützenden Tätigkeiten (hier vor allem auch die Kommissionärs-Modelle). © Arekhi, Joshua / Action Press In der digitalisierten Wirtschaft können multinational operierende Unternehmen eine wertschöpfungsorientierte Ertragsbesteuerung „vor Ort“ vermeiden, indem sie keine steuerlich relevanten physischen Anknüpfungspunkte in den Quellenstaaten begründen. Das auf diese Umgehungsstrategie abzielende Handlungsfeld 7 greift damit ein Kernproblem der BEPS-Diskussion auf. Eine zu große Diskrepanz zwischen Wertschöpfung und landesbezogenem Steuersubstrat soll durch eine Änderung der Betriebsstättendefinition in Art. 5 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) bekämpft werden. Bis Ende 2016 wird sich die OECD mit der Gewinnallokation für Betriebsstätten befassen. Dabei geht es um verschiedene Modelle. Bleiben Teststrecken auch weiterhin eine Neben- und Hilfstätigkeit und begründen keine Betriebsstätte? EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 19 TOP Implementierung des CbCR nach OECD-Standard Bereits implementiert Voraussichtliche Implementierung Schwer zu prognostizieren Belgien Luxemburg Argentinien Honduras Nigeria Chile Mexiko Armenien Indonesien Panama China Neuseeland Aserbaidschan Irak Paraguay Dänemark Niederlande Bolivien Island Peru Deutschland Norwegen Brasilien Kasachstan Philippinen Frankreich Österreich Brunei Kenia Russland Australien Ghana Portugal Bulgarien Kroatien Saudi-Arabien Polen Griechenland Schweden Costa Rica Laos Serbien Vereinigtes Königreich Indien Schweiz Darussalam Lettland Slowenien Irland Singapur Litauen Sri Lanka Israel Slowakei Dominikanische Republik Tansania Italien Südafrika Ecuador Malaysia Malediven Thailand Japan Tschechische Republik Malta Uruguay Kanada Türkei Mazedonien Vietnam Katar Uganda Montenegro Weißrussland Kolumbien Ungarn Namibia Zimbabwe Korea USA Nicaragua Zypern Spanien Implementierung gestartet Quelle: EY „Country implementation of BEPS Actions 8–10 and 13. A survey on the implementation of the BEPS Actions on transfer pricing and transfer pricing documentation“, August 2015 20 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 El Salvador Estland Finnland Georgien Guatemala Voraussichtlich keine Implementierung von CbCR in naher/ mittlerer Zukunft Ägypten Albanien Angola Hong Kong Kambodscha Kosovo Kuwait Libanon Marokko Mongolei Vereinigte Arabische Emirate Der EY Global Tax Desk in New York hat seit Beginn der BEPS-Initiative die Entwicklungen in über 100 Staaten beobachtet und darüber in Alerts informiert. Mit Hilfe lokaler Transfer-Pricings-Experten von EY konnten Einschätzungen zum Stand der Implementierung des CbCR nach OECD-Standard getroffen werden. TOP 13 ACTION POINT Verrechnungspreis-Dokumentation / Country-by-Country Reporting Multinational tätige Unternehmen sollen alle relevanten Steuerbehörden über ihre weltweite Einkommensallokation, ihre wirtschaftliche Tätigkeit und – anhand eines einheitlichen Vordrucks, des sogenannten Country-by-Country Templates – über die in den einzelnen Ländern gezahlten Steuern informieren. Dahinter steht der Gedanke, den Finanzbehörden einen Anhaltspunkt darüber zu verschaffen, ob die internationale Aufteilung der Konzernsteuerlast letztlich ein Abbild der Verteilung von Wertschöpfungsbeiträgen und -funktionen darstellt oder ob ggf. Verrechnungspreisgestaltungen dazu genutzt werden, Steuersubstrat in funktionsschwache Konzerngesellschaften in Niedrigsteuerstaaten zu verlagern. Der Bericht umfasst einen dreistufigen standardisierten Ansatz für die Verrechnungspreisdokumentation: • Erstens die Einführung eines sog. Master Files (Stammdokumentation), das einen Überblick über die weltweiten Aktivitäten des Unternehmens, seiner Geschäftstätigkeit und Verrechnungspreispolitik geben soll („the big picture“). • Zweitens ein Local File (landesspezifische Dokumentation), das Informationen über die Konzerntransaktionen in einem bestimmten Land (insbesondere alle wesentlichen Geschäftsvorfälle mit nahe stehenden Personen, die entsprechenden Beträge sowie die Analysen der Verrechnungspreisbestimmungen des Unternehmens) enthalten soll. • Drittens ein länderbezogener Bericht (Country-by-Country Report) mit, bezogen auf die jeweiligen nationalen Vorgaben, aggregierten Zahlen zur globalen Einkommensverteilung, den Vorsteuergewinnen, zu gezahlten und noch zu zahlenden Ertragsteuern und weiteren Kennzahlen wie Anzahl der Beschäftigten sowie materielle Vermögenswerte. Das Country-by-Country Reporting (CbCR) stellt die wesentliche Neuerung zur zukünftigen Dokumentation von Verrechnungspreisen dar. Dabei gliedert sich das CbCR maßgeblich in zwei Informationsbereiche: Zum einen sind nach Steuerhoheitsgebiet aufgeschlüsselte aggregierte Angaben zum gesamten Konzern zu machen, zum anderen sind Informationen zu den einzelnen Unternehmensteilen der Gruppe anzugeben. Das Muster, das die OECD für das CbCR vorsieht, umfasst drei Tabellen: Eine Übersicht über die Aufteilung der Erträge, Steuern und Geschäftstätigkeiten nach Steuerjurisdiktionen, eine Auflistung aller Geschäftseinheiten des multinationalen Konzerns, die in verschiedenen Gesamtangaben erfasst sind (ebenfalls nach Steuerhoheitsgebieten) sowie eine Tabelle mit zusätzlichen Informationen. Eine Pflicht zur Abgabe entsprechender jährlicher länderspezifischer Berichte soll es für die Wirtschaftsjahre geben, die am oder nach dem 1. Januar 2016 beginnen. Nach Ablauf des Wirtschaftsjahres wird den Unternehmen ein Jahr zur Abgabe der entsprechenden Berichte eingeräumt, so dass die ersten CbC-Berichte zum 31. Dezember 2017 abge- Master File Auf Konzernebene Local File A Local File B Local File C Local File D Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden Berücksichtigung länderspezifischer VP-Vorschriften u.a. zu Vergleichsbarkeitsanalysen und VP-Methoden Country-by-Country Reporting Musterformular Dokumentation geben werden müssen. Die Berichte sind Teil der Verrechnungspreisdokumentation und nicht in den Jahresabschluss oder Geschäftsbericht aufzunehmen. Grundsätzlich sind alle multinationalen Konzerne von der Berichtspflicht betroffen. Ausgenommen sind lediglich Unternehmen mit einem gruppenweit konsolidierten Vorjahresumsatz bis 750 Millionen Euro. Nach Einschätzung der OECD werden durch diese Umsatzschwelle etwa 85 bis 90 Prozent aller grenzüberschreitend tätigen Unternehmen von der CbC-Berichtspflicht ausgenommen. Allerdings sollen die zur Abgabe verpflichteten Unternehmen etwa 90 Prozent der globalen Umsätze bestreiten. Insbesondere mehrere Schwellenstaaten haben bereits erklärt, dass ihnen die im Rahmen des CbCR von den Unternehmen zu erklärenden Kennzahlen nicht weit genug gehen. Bei der OECD wurde daher ein Monitoring des CbCR vereinbart – samt einer Überprüfung bis Ende 2020. Dann soll über eine Modifizierung der erforderlichen Kennzahlen entschieden werden. Mit den vorgesehenen Verschärfungen der Dokumentation von Verrechnungspreisen gehen zahlreiche Risiken einher. So werden Daten abgefragt, die Aufschluss über sensible Unternehmensbereiche geben können. Elementar ist daher die Gewährleistung der Vertraulichkeit der Daten. Nicht alle Staaten haben entsprechend eine Geheimhaltung sensibler Daten gesichert. Für die betroffenen Unternehmen nehmen die Berichtspflichten deutlich zu. Um die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der genauen Ausgestaltung zu verringern, muss die Umsetzung der OECD/G20-Vorgaben in deutsches Recht zeitnah erfolgen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine rückwirkende Anwendung der neuen gesetzlichen Vorschriften zum 1. Januar 2016 anzuwenden ist. Diese Verzögerung geht zulasten der Rechtssicherheit für die Unternehmen. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 21 TOP Bei alledem ist die Aussagekraft der Kennzahlen mit Blick auf die mögliche Verschiebung von Steuersubstrat begrenzt. Der Zusammenhang zwischen den länderspezifisch gezahlten Steuern und dem Länderergebnis in einem Geschäftsjahr ist häufig temporär oder permanent durchbrochen, so dass es kaum möglich ist, die Größen sinnvoll zueinander in Beziehung zu setzen. Zudem wer- den vage Definitionen sowie von der OECD bewusst offengelassene Aspekte (wie etwa die Wahl der Quellen, aus der die Daten entnommen werden) zu Inkonsistenzen bei der jeweiligen nationalen Umsetzung der Vorgaben führen. Nicht zuletzt hierdurch steigt das Risiko für Doppelbesteuerungsfälle durch eine unein- heitliche Wertung der Informationen durch die Finanzverwaltungen. Das betrifft gerade exportstarke deutsche Unternehmen, die zwar ihren Umsatz überwiegend im Ausland erzielen, den größten Teil des Konzerngewinns aber zugleich im Inland versteuern. Sie könnten sich wachsenden Begehrlichkeiten einiger (Schwellen-)Länder gegenüber sehen. Ausblick: Mögliche deutsche Reaktionen Handlungsbedarf Das Bundesfinanzministerium hat sich während der BEPS-Verhandlungen bedeckt gehalten, welche nationalen, bilateralen oder multinationalen Maßnahmen sie anschließend zu ergreifen gedenkt. Auch im Bundestag halten sich die Abgeordneten der Regierungskoalition bedeckt. Das betrifft etwa die mögliche Einführung einer Lizenzbox, über die es in der Hauptstadt immer wieder Spekulationen gibt. Angesichts der Flüchtlingskrise und den damit verbundenen Lasten für den Staatshaushalt schwinden jedoch die Chancen für eine steuerliche Privilegierung von F&E-basierten Wertschöpfungen. 3 Hinzurechnungsbesteuerung Die öffentliche Wahrnehmung des BEPS-Projekts der OECD wird durch die Berichterstattung über aggressive Steuerplanungsmodelle geprägt. Viele Unternehmen sehen sich daher von den diskutierten Maßnahmen nicht betroffen, da sie sich mit Attributen wie „künstlicher Einkommensverschiebung“ oder „aggressivem Steuerplanungsmodell“ (zu Recht) nicht identifizieren. 4 Zinsschranke Die vorgesehenen Änderungen im internationalen Steuerrecht infolge des BEPS-Projekts werden aber für alle insbesondere zu schwerwiegenden Änderungen bei konzerninterner Finanzierung durch die Einführung international kohärenter Regelungen, zu einer Ausweitung des Betriebsstättentatbestandes und zu geänderten Grundsätzen der Zurechnung von Risiken, Funktionen und immateriellen Wirtschaftsgütern führen. Diese Änderungen werden durch die Einführung von neuen Dokumentationsvorschriften flankiert, die zu einer nie dagewesenen Transparenz führen werden. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf bestehende Konzernstrukturen sowie Verrechnungspreismodelle haben und die globale Gewinnzuordnung innerhalb des Konzerns wesentlich verändern. Wo es kein Zuckerbrot gibt, droht die Peitsche. Die Bundesregierung könnte sich auf Maß nahmen konzentrieren, die das Einbehalten von Steuersubstrat beinhalten – also keine Steuereinnahmen kosten. Anbei stellen wir eine – nicht auf Vollständigkeit bedachte – Liste mit denkbaren BEPS-Reaktionen Deutschlands auf: 2 Hybrid Mismatch Arrangements Einführung genereller Anti-Hybrid-Regel (vgl. Entwurf des § 4 (5a) EStG durch den Finanzausschuss des Bundesrates 2014), Auswirkungen insbesondere auf typische Inbound D/ NI-, DD-Strukturen, aber auch auf OutboundStrukturen (z. B. US-Planung mit reverse hybrid LLC), Anrechnungs-BS, REPO-Strukturen; Mögliche Anpassungen bei Korrespondenzprinzip des § 8b Abs. 1 Satz 2 EStG (z. B. um auch Malta-Steuererstattungen zu erfassen); Ausdehnung des Korrespondenzprinzips § 8b Abs. 1 Satz 2 EStG auf Gewerbesteuer. Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze auf 15 statt 25 Prozent, im Gegenzug Festschreibung der Gewerbesteuer auf HZB; Überarbeitung des Aktivitätenkatalogs, stärkere Betonung von funktionaler Substanz und angemessenen Verrechnungspreisen; Wegfall des Dividenden-„Privilegs“ (§ 8 (1) Nr. 8 AStG) bei Hybridstrukturen. Senkung des Prozentsatzes der Zinsschranke auf 20 Prozent; Group Ratio-Regel anstatt EK-Quoten-Vergleich; Erweiterung des Zinsbegriffs. 5 Harmful Tax Practices Deutsche IP-/Patentbox, aber nicht unter Einbeziehung der Gewerbesteuer; Lizenzschranke nach österreichischem Vorbild; Druck auf EU zur Sicherstellung einer Quellenbesteuerung auf EU-Outbound-Lizenzzahlungen. 6 Abkommensmissbrauch § 50 d (3) EStG – Ausdehnung auf Veräußerungsgewinne; Mindesthaltedauer für Quellensteuerreduktion auf Dividenden; gesetzgeberische Maßnahmen gegen „Cum/cum“-/ Dividendenstrippingfälle. Ausdehnung 7 Betriebsstättenbegriff Anpassung an OECD-Standard. Es besteht deshalb akuter Handlungsbedarf, bestehende Strukturen und Verrechnungspreismodelle zu überprüfen und zu überdenken. BEPS ist somit für alle multinationalen Unternehmen von erheblicher Relevanz. Ihre Autoren 22 Oliver Wehnert Partner / Steuerberater Prof. Dr. Stefan Köhler Partner / Steuerberater Christian Ehlermann Partner / Steuerberater [email protected] [email protected] christian.ehlermann @de.ey.com EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 TOP Die Actionpoints 1–15 auf 1.931 Seiten 1 Besteuerung der digitalen Wirtschaft 290 S. Die Digitalisierung hat die gesamte Wirtschaft erfasst. Bestimmte Aspekte der bestehenden Besteuerungsprinzipien – wie der Betriebsstättenbegriff – sollen angepasst werden, um den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. 2 Hybride Gestaltungen 458 S. Hybride Gestaltungen können dazu führen, dass Geschäftsvorgänge in keinem der beteiligten Staaten besteuert werden und sogenannte weiße Einkünfte entstehen. Verknüpfungsregeln sollen die steuerliche Behandlung in den betroffenen Staaten aufeinander abstimmen, um eine zielgenaue Einmalbesteuerung zu erreichen. 3 Erarbeitung von Standards für die Hinzurechnungsbesteuerung 75 S. Die Hinzurechnungsbesteuerung soll der Verlagerung von Einkunftsquellen auf niedrig besteuerte ausländische Gesellschaften entgegenwirken. Und zwar indem die Einkünfte der ausländischen Gesellschaften den Gesellschaftern zugerechnet werden, wenn die Gesellschaften keiner tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen. 4 Verhinderung von Steuerverkürzungen durch Regelungen zur Versagung des Zinsabzugs 120 S. Unternehmen, die einen Kredit aufnehmen, dürfen die darauf entfallenden Zinszahlungen steuerlich abziehen. Dies kann einen Anreiz für die überhöhte Fremdfinanzierung von Unternehmen darstellen und die steuerliche Bemessungsgrundlage in einem bestimmten Staat reduzieren. Dagegen können Staaten z. B. die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen einschränken, so wie Deutschland mit der Zinsschranke. 5 Arbeiten gegen schädlichen Steuerwettbewerb 85 S. Im Fokus stehen Regelungen, mit denen Lizenzeinkünfte steuerlich privilegiert werden („Patentboxen“). Diese Privilegierung darf künftig nur noch für Einkünfte gelten, denen eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im betreffenden Land zugrunde liegt („Nexus“). Die Staaten sollen sich über steuerliche Zusagen, die sie Steuerpflichtigen im Vorfeld grenzüberschreitender Transaktionen erteilen („Tax Rulings“), gegenseitig informieren. 6 Verhinderung von Abkommensmissbrauch 106 S. 13 Verrechnungspreisdokumentation Die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen darf nicht zur einer vollständigen Nichtbesteuerung von Einkünften führen. Deutschland achtet schon jetzt darauf. 7 Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs 51 S. Einige Steuergestaltungen zielen darauf ab, das Vorliegen einer Betriebsstätte und damit das Besteuerungsrecht in dem betreffenden Staat zu umgehen. Es gibt Empfehlungen, den Betriebsstättenbegriff im OECD-Musterabkommen zu ändern. 8 Aktualisierung der 9 Verrechnungspreisleitlinien 10 190 S. Die Empfehlungen zum Fremdvergleichsgrundsatz werden gestärkt. Ein Schwerpunkt ist die Konkretisierung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien zu Geschäftsvorfällen mit immateriellen Werten, bei denen die Festlegung des fremdüblichen Verrechnungspreises häufig besonders schwierig ist. Die OECD-Verrechnungspreisleitlinien zur Zuordnung von Risiken und Kapital im Konzern und zur Bestimmung von Verrechnungspreisen für Geschäftsvorfälle, die nicht oder nur selten zwischen voneinander unabhängigen Dritten stattfinden, werden präzisiert. 74 S. 14 Verbesserung der Verwaltungs zusammenarbeit in Verständigungsund Schiedsverfahren 11 Entwicklung von Methoden und Regelungen, um Daten über Gewinnkürzungen und Gewinn verlagerungen zu erlangen 272 S. Die BEPS-indizierten Steuermindereinnahmen können weltweit vier bis zehn Prozent des Unternehmensteueraufkommens betragen. Hinzu kommen Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Effizienz. Die Analysen sind eine wichtige Grundlage für das weitere Vorgehen. 50 S. regelungen für aggressive Steuer planungen 102 S. Abkommenskonflikte sollen zeitgerecht erledigt oder schon vorab vermieden werden. Steuerpflichtigen soll der tatsächliche Zugang zu Verständigungsverfahren erleichtert werden. Eine Reihe von Staaten, darunter Deutschland, ist bereit, untereinander verbindliche Schiedsverfahren zu vereinbaren, so dass unabhängige Schiedsgerichte über Einzelfälle entscheiden, bei denen sich die beteiligten Staaten nicht auf eine Lösung des Doppelbesteuerungskonflikts einigen konnten. 15 Multilaterales Instrument 12 Entwicklung von Offenlegungs Eine wachsende Zahl von Staaten verpflichtet Steuerpflichtige bzw. deren Berater, aggressive Steuerplanungen gegenüber der Finanzverwaltung offenzulegen. und Country-by-Country Reporting Die Finanzverwaltungen sollen die notwendigen Informationen erhalten und die multinationalen Unternehmen ihren Dokumentationspflichten nach einem einheitlichen Standard nachkommen. Dafür gibt es einen dreistufigen Ansatz, bestehend aus einem Überblick über die Geschäftstätigkeit des multinationalen Unternehmens und seiner Verrechnungspreispolitik (Master File), einer landesspezifischen Dokumentation der spezifischen Geschäftsvorfälle des Steuerpflichtigen mit verbundenen Unternehmen (Local File) und dem sogenannten Countryby-Country Report (CbCR). Mit dem CbCR sollen alle betroffenen Steuerverwaltungen einen Überblick über die globale Aufteilung der Erträge und Steuern sowie über bestimmte Indikatoren für die geografische Verteilung der Wirtschaftstätigkeit auf die verschiedenen Staaten erhalten. 58 S. Damit die vereinbarten BEPS-Maßnahmen zur Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Praxis wirksam werden können, müssen die bestehenden Abkommen entsprechend geändert werden (insbesondere Actionpoints 6 und 7). Um diesen Prozess zu beschleunigen, soll ein multilateraler Vertrag erarbeitet werden, der die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen „überschreibt“ oder ergänzt und die BEPS-Empfehlungen flächendeckend in diese Abkommen implementiert. 1.931 Seiten 85 85 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 23 TOP ! BEPS „Ein großer blinder Fleck“ Der Max-Planck-Direktor Wolfgang Schön über die Folgen von BEPS. Herr Professor Schön, gemäß der BEPS-Initiative soll die Besteuerung dort ansetzen, wo die wirtschaftliche Aktivität ausgeübt wird und somit auch die Wertschöpfung erfolgt. Halten Sie das für das richtige Prinzip? Schön: Die bestehende internationale Besteuerungsordnung ist bisher nicht daran ausgerichtet, wo Wertschöpfung stattfindet. Sondern sie ist zum Teil nach dem Sitz des Steuerpflichtigen ausgerichtet, wo dieser sein Einkommen bezieht, und zu einem begrenzten Teil wiederum nach den Quellenstaaten. Einkünfte, die am Sitz des Steuerpflichtigen versteuert werden, sind z. B. Zins- und Lizenzgebühreneinkünfte oder Dividendeneinkünfte. Insofern war ich immer erstaunt, dass die pauschale Erklärung „Besteuerung dort, wo Wertschöpfung stattfindet“ so wenig Widerspruch gefunden hat. Aber für die Zukunft soll die Besteuerung im Land der Wertschöpfung erfolgen? Schön: Das ist höchst problematisch. Zum einen brauche ich eine verlässliche Aussage darüber, wo Wertschöpfung stattfindet. Das ist schon im Verhältnis der Produktionsstaaten zu den Konsumentenstaaten sehr kritisch. Wenn etwa deutsche Unternehmen ihre Güter in China oder Indien verkaufen, wo findet dann die Wertschöpfung statt? Ohne Produkt kein Markt, ohne Kunde auch kein Markt. Im Westen scheint die Vorstellung vorzuherrschen, Wertschöpfung findet im Produktionsstaat statt und im Vertriebsstaat gibt es dann nur noch wenig zusätzliche Leistungen, etwa in der Vertriebskette oder im Marketing oder im Service. Das können aber starke Marktstaaten ganz anders sehen. Welches Problem sehen Sie darüber hinaus? Schön: Bei integrierten Konzernen, die ihre Produktionskette über mehrere Staaten verteilen, lässt sich auch nicht immer sagen, wo denn nun die Wertschöpfung stattfindet. Etwa wenn Forschung und Entwicklung in Staat A, Produktion in Staat B und Vertriebs- 24 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 management in Staat C stattfindet. Sollte es aber gelingen, die Steuern dort zu allozieren, wo die Wertschöpfung im Sinne von Produktion, Forschung und Entwicklung oder zentralen Konzernfunktionen stattfindet, dann wird der Steuerwettbewerb genau auf diese Funktionen gehen. Sie meinen, das würde den Steuerwettbewerb zwischen den Staaten erst recht anheizen? Schön: Genau. Mit der Folge, dass Unternehmen bestimmte Funktionen stärker als bisher aus Deutschland heraus verlagern. Mit BEPS gehen Deutschland oder überhaupt die westlichen Industriestaaten eine Wette ein: Sind wir so attraktiv mit unserer Infrastruktur, mit unserer Ausbildung, mit Frieden, Sicherheit, Rechtsstaat, also mit all dem, was wir als Entgelt für die Steuern bieten, dass wir keine substanziellen Abflüsse von wirtschaftlichen Funktionen in andere Länder zu befürchten haben? Bei BEPS spielt Wertschöpfung eine entscheidende Rolle? Woran soll sie festgemacht werden? Schön: Am deutlichsten finden Sie die Diskussion dazu in den BEPS-Papieren zu den Verrechnungspreisen. Da geht es darum, wo die Assets und die handelnden Personen sind, wo Risiken übernommen werden – meines Erachtens eine zweifelhafte Formulierung. Hier hat die OECD die Büchse der Pandora geöffnet. Es war schon bisher schwierig, zwischenstaatliche Einigkeit über die Aufteilung der Besteuerungsrechte zu erzielen. Wenn man nun neue Grundsätze und Prinzipien formuliert, weckt das natürlich Begehrlichkeiten. Folglich werden die zwischenstaatlichen Konflikte um den Zugriff auf das Besteuerungsgut zunehmen. Das treibt auch viele Unternehmen um, wie wir aus unseren Gesprächen erfahren. Schön: Es gibt tausende und abertausende nicht abgeschlossene Verständigungsverfah- TOP ren in der Welt. Diese Zahl wird sich erhöhen. An dieser Stelle hat das BEPS Projekt einen großen blinden Fleck. Die Beteiligten sind ausgegangen von der Vorstellung, dass viele große Unternehmen bestimmte Teile ihres Gewinns überhaupt nicht versteuern und dafür gesorgt werden müsse, ihn einmal zu besteuern. Man sieht hier viel zu wenig das Risiko der Doppelbesteuerung, das gewissermaßen als ein altes Problem, als ein gelöstes Problem dargestellt wird. Tatsächlich handelt es sich um ein sehr virulentes Problem, das sich jetzt eher verschärfen wird. Was erwarten Sie, was wird der Gesetzgeber tun? Schön: Deutschland muss sich zunächst die Frage stellen, in welchem Umfang es seine Doppelbesteuerungsabkommen anpasst. Da geht es etwa um die Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs. Deutschland wird sich überlegen müssen, ob es zum Beispiel eine weitergehende Politik bei LOB-Klauseln fährt als bisher. Es wird seine Hinzurechnungsbesteuerung wohl ändern müssen, aber eigentlich nicht wegen BEPS, sondern vor dem Hintergrund europäischer Vorgaben. Das Problem für die Unternehmen ist dabei, dass nach BEPS nicht eine übernationale Einheitlichkeit zu erwarten ist. Es gilt bei BEPS eher so eine Art Menükartenprinzip. Jeder der beteiligten Staaten kann sich auswählen, welche der vielen künftigen Änderungen er für sich akzeptiert. Das kann für international aktive Unternehmen sehr unangenehm werden. dass er zu viel Steuern bekommt und gern mal was abgibt. Am Ende befürchte ich, dass nur Begehrlichkeiten geweckt werden und die Steuerlast nach oben getrieben wird. Mit der weiteren Folge für Unternehmen, dass die Doppelbesteuerungen ansteigen. verfahren im TTIP-Bereich haben. Die Abgabe von Souveränität an Schiedsgerichte ist auch innerhalb Europas keine Selbstverständlichkeit, obwohl es sich um zivilisierte Staaten und Unternehmen handelt, die jahrzehntelang Erfahrung mit Schiedsverfahren haben. Dann wird es auch mehr Streitschlichtungsverfahren geben … Führt BEPS am Ende zu weniger schädlichem Steuerwettbewerb, wie es das erklärte Ziel ist? Schön: ... wobei sich viele Staaten komplizierte Streitbeilegungsverfahren gar nicht zutrauen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer hätten die Sorge, bei diesen Schiedsgerichtsverfahren über den Tisch gezogen zu werden, und würden lieber unilateral handeln. Da gibt es Staaten wie Indien, die behaupten, aus Verfassungsgründen judikative Gewalt nicht an schiedsgerichtliche Einrichtungen abgeben zu dürfen. Schauen Sie doch, was wir hierzulande derzeit für eine Diskussion um die Einführung von Schieds- Schön: Das glaube ich nicht. In den USA dürfte sich ohnehin nicht viel ändern, eine materielle Steuergesetzgebung ist im Kongress zurzeit nicht möglich. In England haben wir einen starken Zug zu einer kompetitiven Besteuerung. Wir wissen nicht, ob sich China oder Indien an die jetzt besprochene Steueraufteilung halten oder ob sie einen größeren Teil am Kuchen beanspruchen. Dann wird manches noch einmal aufgeschnürt, was das BEPSProjekt noch in der Kiste gehalten hat. Also schauen wir mal, das Leben bleibt spannend. Kommen wir zum Country-by-Country Reporting. Was steht hier für die deutschen Unternehmen auf dem Spiel? Schön: Da steckt richtig viel drin. Die Mitgliedstaaten bekommen hier die Masterfiles, die Grundarchitektur des Konzerns, aber auch die Localfiles, die sehr viel über den konkreten Standort aussagen. Das sind hochsensible Informationen. Das Country-byCountry Reporting wird sehr viele Begehrlichkeiten wecken. Weil jeder Staat daraus interpretiert, dass ihm ein größerer Anteil vom Steuerkuchen zusteht? Schön: Die Kennzahlen sorgen für Interpretationsspielräume und kein Staat wird sagen, Zur Person Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schön, hier im Gespräch mit Martina Ortmann-Babel und Hermann Gauß (beide EY), ist Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen in München. Zusätzlich ist er Honorarprofessor für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Steuerrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten von Professor Schön zählen u. a. die Schranken staatlicher Steuersouveränität und die Wettbewerbsfaktoren Steuerrecht und Unternehmensrecht. Im Vordergrund stehen neben klassischen Grundthemen rechtsstaatlicher Steuergesetzgebung die Fragenkreise des vergleichenden, europäischen und internationalen Unternehmensteuerrechts, die rechtlichen und rechtspolitischen Probleme des grenzüberschreitenden Steuerwettbewerbs sowie die Wechselwirkung zwischen privatrechtlicher und steuerrechtlicher Normensetzung. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 25 Neue Regeln für den EU-Außenhandel Der Unionszollkodex soll am 1. Mai 2016 in Kraft treten. Die Modernisierung sorgt für hohen Anpassungs aufwand bei den Unternehmen. N ach 24 Jahren geht am 1. Mai 2016 eine Ära zu Ende. Der Zollkodex der Europäischen Gemeinschaft wird dann endgültig abgelöst vom Nachfolger, dem Unionszollkodex und seinen Begleitrechtsakten. Denkwürdige 22 Jahre Vorbereitung hat es dafür gebraucht, um das EU-Zollrecht gegenüber Dritt ländern zukunftsfähig zu machen. Allerdings soll die dabei vorgesehene IT-gestützte Zollabwicklung erst später phasenweise eingeführt werden, wenn die nationalen ITSysteme in den 28 EU-Mitgliedstaaten funktionieren und untereinander kommunikationsfähig sind. Das soll bis 2020 der Fall sein, was in Fachkreisen jedoch auch schon bezweifelt wird. Mit dem neuen Kodex will die Europäische Union das Zollrecht ins digitale Zeitalter überführen. Konkret werden die folgenden Ziele verfolgt: • Elektronisierung des kompletten Informationsaus- tauschs zwischen Zollbeteiligten und –behörden. • Vereinfachung der zollrechtlichen Bestimmungen. • Zusätzliche Vorteile für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte („AEO“). • Verbesserte Risikoanalyse in Verbindung mit steigenden Anforderungen an die Datenübermittlung. • Einführung von neuen Korrekturmöglichkeiten bei Unregelmäßigkeiten, die kein Abgabenrisiko darstellen; dadurch Abkehr vom Sanktionszollrecht hin zum Wirtschaftszollgedanken. • Harmonisierung der zollrechtlichen Verfahren in der EU. Auf die Wirtschaftsteilnehmer kommen ebenso wie auf die Zollverwaltungen beträchtliche Änderungen zu. Dabei bietet der Unionszollkodex den Unternehmen mittelfristig Chancen für eine vereinfachte Zollabwicklung, für Kosteneinsparungen und für Fehlerkorrekturen. Andererseits führen diverse Regelungen auch zu erhöhten Belastungen Ein Vierteljahrhundert geht zu Ende 26 November 2015 März 2016 Veröffentlichung letzter Stand von IA und DA im Amtsblatt Veröffentlichung letzter Stand des TDA im Amtsblatt EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 1. Mai 2016 Anwendbarkeit des UZK 2016–2020 + X Stufenweise Umsetzung von IT-Verfahren und sequentielles Inkrafttreten weiterer Bestimmungen © iStock / Tomas Sereda durch Zollabgaben, Zusatzkosten, mehr administrativem Aufwand oder ein erhöhtes Risiko als Abgabenschuldner. Zeitdruck Ein großes Problem besteht für Unternehmen und Zollverwaltung darin, dass kaum Zeit verbleibt, um sich auf die neue Rechtslage vorzubereiten. Für Unternehmen ist es überdies schwer, überhaupt die für sie relevanten Rechtsänderungen zu identifizieren. Dazu trägt die schiere Menge an neuen Bestimmungen mit ihrer inhaltlichen Komplexität und wenig nutzerfreundlichen Strukturierung in den Verordnungen sowie bestehenden Interpretationsspielräumen bei. Die Unternehmen sollten folglich so schnell wie möglich mit ihren eigenen Zollspezialisten oder externen Beratern eine Projektplattform schaffen, um relevante Rechtsänderungen zu erkennen und Lösungsansätze aus- und abzuarbeiten. Andernfalls besteht das Risiko, dass nach neuer Rechtslage Unregelmäßigkeiten mit Sanktionsrisiko eintreten, mittelfristig erforderliche Bewilligungen nicht zur Verfügung stehen, Zusatzkosten eintreten, usw. Vor allem Unternehmen, die unverzollte Waren abwickeln, zollrechtliche Vereinfachungen, Bewilligungen, Auskünfte und komplexe Zollverfahren nutzen bzw. sich in komplexeren Transaktions- und Lieferketten befinden, müssen sich sputen. Altbekanntes Dagegen dürfte es für Unternehmen mit geringem Warenaustausch mit EU-Drittländern kaum Änderungen geben. Das gilt auch bei einfachen Zollprozessen, die über Zollund Logistikdienstleister abgewickelt werden und bei denen die betreffenden Unternehmen selbst keine zollrechtlichen Vereinfachungen und Bewilligungen halten. Denn auch mit Gültigkeit des Unionszollkodex werden Zollanmeldungen weiter an die bekannten Zoll-IT-Systemen übermittelt (ATLAS, NCTS, usw.), viele Verfahrensregeln bleiben erhalten, die Zollnomenklaturen gelten unverändert, beim Zollwertrecht gibt es nur wenige Änderungen und auch die aktuell erteilten zollrechtlichen Bewilligungen und Vereinfachungen gelten vorerst über den 1. Mai 2016 hinaus. Beibehalt von Vereinfachungen Auch in Zukunft soll es beispielsweise möglich sein, für bestimmte Sendungen bis zu einem Wert von 1.000 Euro beim Export sogenannte mündliche Zollanmeldungen abzugeben. Die Zollanmeldung erfolgt dann üblicherweise auf Basis der warenbegleitenden Rechnung und es ist kein formelles elektronisches Ausfuhrverfahren notwendig. Außerdem teilte das Bundesfinanzministerium mit, dass in Deutschland Bewilligungen als „Zugelassener Ausführer“ auch in Zukunft fortgelten sollen. Diese Auffassung teilen jedoch nicht alle EU-Mitgliedstaaten, so dass in dieser Frage noch keine endgültige Rechtssicherheit besteht. Nachfolgend weisen wir beispielhaft auf fünf wichtige Rechtsänderungen und möglichen Handlungsbedarf hin: • Zollrechtlicher Ausführer Im gewerblichen Warenverkehr sollen außerhalb der EU ansässige Unternehmen nicht mehr als „zollrechtlicher Ausführer“ („Exporteur“), auftreten können. Alle außerhalb der EU ansässigen Unternehmen, die aus der EU Waren exportieren bzw. in der EU ansässige Unterneh- EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 27 TAX men, die ihrerseits mit nicht-EU-Exporteuren zusammenarbeiten, müssen den Rechtsentwicklungen in dieser Frage mit hoher Aufmerksamkeit folgen. Möglicherweise sind tiefgreifende Änderungen der Transaktionsstruktur bzw. Funktionsallokation auf einzelne Einheiten erforderlich. • AEO-C Unternehmen, die eine Bewilligung für das Anschreibeverfahren mit Gestellungsbefreiung nutzen, brauchen künftig als Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter das AEO-Zertifikat „Zollrechtliche Vereinfachungen“ („AEO-C“). Hiervon ausgenommen sein soll das Anschreibeverfahren zur Warenausfuhr („Zugelassener Ausführer“). Grundsätzlich müssen sich Unternehmen darauf vorbereiten, dass die Anforderungen an AEO’s steigen. Bereits erteilte AEOBewilligungen werden von den Zollbehörden von Amts wegen zu gegebener Zeit überprüft, so dass die Einhaltung der neuen Standards bis dahin realisiert sein muss. • Regeltreue AEO kann in Zukunft nur noch sein, wer sich regeltreu bei der Zollabwicklung, der Steuerabwicklung und auch der übrigen wirtschaftlichen Tätigkeit verhält. Im Umkehrschluss können AEO-Bewilligungen (und in der Folge auch hiermit verknüpfte Bewilligungen für zollrechtliche Vereinfachungen bzw. besondere Zollverfahren) ausgesetzt bzw. entzogen werden, wenn Straftaten in Steuerangelegenheiten oder sonstigen Wirtschaftssachverhalten vorliegen. Compliance wird zur Grundvoraussetzung für die Nutzung von Zollvereinfachungen, die bei vielen Unternehmen existenzielle Bedeutung haben. • Verbindliche Zolltarifauskünfte Wenn Unternehmen verbindliche Auskünfte von den Zollbehörden erhalten, müssen sie diese auch zwingend befolgen. Bislang waren nur die Behörden an die erteilten Auskünfte gebunden. Zudem wird die Gültigkeitsdauer von verbindlichen Auskünften auf drei Jahre reduziert, so dass Unternehmen viel öfter Anschluss-Auskünfte beantragen müssen und hierfür ein komplexeres Management-System erforderlich werden kann. Verbindliche Zolltarifauskünfte müssen zukünftig aktiv bei der Zollanmeldung deklariert werden. • Verzugszinsen Auf nachzuzahlende Einfuhrabgaben wird ein Verzugszins erhoben. Die Zollbehörden dürften auch auf verkürzte Einfuhrumsatzsteuerbeträge einen Verzugszins erheben. Die Korrektur unrichtiger Zoll(wert)anmeldungen wird dann (aufgrund der Einfuhrumsatzsteuer auch für zollfreie Waren) eine neue Qualität erlangen. Unternehmen sollten darauf mit der Einführung bzw. Verbesserung bestehender Compliance-Management-Systeme reagieren, um Korrekturbedarfe schnellstmöglich festzustellen und umzusetzen, damit der Zinslauf möglichst kurz gehalten wird. • Zollwertrechtliche Änderungen Mehrere Änderungen haben Einfluss auf die Bemessungsgrundlage eingeführter Waren – mit der Folge einer höheren Abgabenbelastung. So wird zukünftig die Pflicht zur Hinzurechnung von Lizenzkosten zum Zollwert bei Einfuhrgütern deutlich ausgeweitet. Außerdem fällt das sogenannte Vorerwerbergeschäft („First-Sale-Rule“) weg. Diese Regel erlaubt es bislang, unter bestimmten Voraussetzungen auch Kaufgeschäfte als Bemessungsgrundlage bei der Einfuhr anzumelden, die auf vorangehenden Transaktionsstufen noch im Drittland stattfanden. Außerdem ändert sich die Regelung zur Feststellung des relevanten Kaufgeschäfts bei der Einfuhr von Waren in die EU mit dem Ziel, den „last sale“ zu erfassen, wodurch die Abgabenlast steigen wird. Es sollte geprüft werden, inwieweit Änderungen in der Unternehmensstruktur bzw. vertragliche Regelungen geändert werden können, um drohende Abgabenmehrbelastungen abzufedern. In jedem Fall sollten mögliche Mehrbelastungen identifiziert, berechnet und bei der Kostenkalkulation berücksichtigt werden. Ausblick Viele Veränderungen durch den Unionszollkodex werden erst eintreten, wenn europaweit die IT-Systeme der Zollbehörden zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere für prozessuale Vereinfachungen, die Unternehmen große Chancen zur Abgaben- und auch Risikoreduzierung bieten – z. B. Eigenkontrolle / Selbstberechnung von Eingangsabgaben; an einem Standort zentralisierte Zollabwicklung für sämtlichen EU-Zollverkehr; „One-Stop-Shop“ als einziger Kontaktpunkt zur Interaktion mit allen an der Zollabfertigung beteiligten Zollbehörden. Bereits zum 1. Mai 2016 werden aber eine Vielzahl Rechtsänderungen eintreten, die im Einzelfall rasches Handeln erfordern. Die Veränderungen werden Unternehmen absehbar über die kommenden Jahre hinweg beschäftigen. Ihre Autoren 28 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Robert Böhm Partner Richard J. Albert Senior Manager [email protected] [email protected] TAX Dauerbrenner Rückstellungen Der Bundesfinanzhof hat neue Urteile erlassen, die für die Steuerbilanz relevant sind. W enn es um Rückstellungen geht, wird der Fiskus kritisch. Denn Rückstellungen sind Verpflichtungen des Unternehmens, die dem Grunde, der Höhe oder dem Zeitpunkt nach noch nicht sicher feststehen. Damit ist Ungewissheit ein Wesensmerkmal von Rückstellungen. Konflikte zwischen Steuerpflichtigen und Finanzämtern sind damit vorprogrammiert. Zu den umstrittenen Fallgruppen vor dem obersten Finanzgericht gehörten im Jahr 2015 u. a. Rückstellungen für ungewisse Schadenersatz- und Instandhaltungsverpflichtungen. Darüber hinaus kam der Bundesfinanzhof zu einem interessanten Ergebnis bezüglich der Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt. Passivprozesse Wird ein Unternehmen verklagt, darf es keine Rückstellung für eine eventuelle Schadensersatzverpflichtung bilden, wenn ein unabhängiges Rechtsgutachten ein Unterliegen im Prozess als nicht überwiegend wahrscheinlich beurteilt. Zu diesem Ergebnis kam der BFH in seinem Urteil vom 16. Dezember 2014 (VIII R 45/12). Für die Bildung einer Rückstellung ist zum einen zu prüfen, ob die Verpflichtung „wahrscheinlich“ besteht, zum anderen aber auch, ob die drohende Inanspruchnahme „wahrscheinlich“ ist. So mag zwar eine drohende Inanspruchnahme des verklagten Unternehmens solange wahrscheinlich sein, bis der gegen ihn gerichtete Anspruch nicht rechtskräftig abgewiesen wurde. Verneint allerdings ein unabhängiges Gutachten eines fachkundigen Dritten nach ausführlicher Auseinander setzung mit allen Argumenten des Klägers die Wahrscheinlichkeit eines Unterliegens vor Gericht, ist gleichwohl keine Rückstellung zu bilden. Keinen Eingang in die Prognose finden wertbegründende Ereignisse, wie prozessbeendende Maßnahmen nach dem Bilanzstichtag (z. B. ein Vergleich). Anspruchs auch dann aus, wenn Pächter und Verpächter nahe stehende Unternehmen sind. So darf ein Verpächter, der Mitunternehmer des Pächters (im Entscheidungsfall einer KG) ist, in seiner Sonderbilanz mangels Anschaffungskosten keine korrespondierende Forderung aktivieren. Nach den Grundsätzen der korrespondierenden Bilanzierung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG kann allenfalls dann ein Aktivposten für Ansprüche in der Sonderbilanz des Verpächters gebildet werden, wenn diese zu einer Sondervergütung i. S. d. Vorschrift führen würden (BFH-Urteil vom 12. Februar 2015, IV R 29/12). Dies ist im Hinblick auf einen Instandhaltungsanspruch nicht der Fall, da dem Mitunternehmer keine Vergütung zufließt. Rangrücktritt Die Anwendung des Passivierungsverbots nach § 5 Abs. 2a EStG bejahte der BFH am 15. April 2015 (I R 44/14), wenn die mit einem Rangrücktritt belegten Verbindlichkeiten lediglich aus einem künftigen Bilanzgewinn oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen sind. Ein steuerbilanzieller Wegfallgewinn nach § 5 Abs. 2a EStG aus einem gesellschaftsrechtlich veranlassten Rangrücktritt ist bei der Einkommensermittlung künftig grundsätzlich als Einlage zu korrigieren. Bei betrieblicher Veranlassung oder mangels Werthaltigkeit führt die Ausbuchung der Verbindlichkeit im Zusammenhang mit dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG hingegen zu einem Ertrag. Um eine Ausbuchung in der Steuerbilanz zu vermeiden, sollte bei entsprechender Interessenlage in die Formulierung der Rangrücktrittsvereinbarung die Erfüllung der Verbindlichkeiten auch aus „sonstigem freien Vermögen“ aufgenommen werden. EY Steuerbilanz- Checkliste 2015 Unsere SteuerbilanzCheckliste 2015 stellt ausgewählte Abweichungen der Steuerbilanz gegenüber der Handels bilanz dar. Die Checkliste ist eine praktische Hilfe bei der Erstellung der Steuerbilanz. Sie ist auf unserer Homepage verfügbar. Pachterneuerungsansprüche Übernimmt ein Grundstückspächter die Pflicht zur Instandhaltung des Pachtgegenstands, hat dieser eine Rückstellung für einen Erfüllungsrückstand zu passivieren. Für den Verpächter scheidet jedoch eine Aktivierung des EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 29 TAX Ersehnte Steuer Indien plant die Einführung einer „Goods and Services Tax“ – eine Chance, den undurchschaubaren Dschungel an indirekten Steuern zu lichten. S elten wird die Einführung einer neuen Steuer von Wirtschaftsvertretern begrüßt. Genau dies lässt sich jedoch gerade in Indien beobachten, wo die Regierung 2016 eine „Goods and Services Tax“ (GST) einführen will. Mit ihr soll das derzeitige Umsatzsteuersystem abgelöst werden, das als undurchdringlich und veraltet gilt. Die Regierung plant einen Start im April, vermutlich wird es aber eher auf einen Termin später im Jahr hinauslaufen, weil sich der politische Prozess immer wieder verzögert. Unternehmen mit Aktivitäten in Indien müssen sich daher jetzt mit der geplanten GST auseinandersetzen. Sie sollten prüfen, welche Gesellschaften aus ihrem Unternehmensverbund konkret betroffen sind und welche Konsequenzen sich für den Unternehmensverbund insgesamt ergeben. Ein besonderes Augenmerk sollten sie folgenden Bereichen widmen: Kostenrechnung, Planung und Budgetierung für Umstellungsaufwand; Strategie – Auswirkung auf die Preisgestaltung; Anpassung ERP und IT-Systeme; Vertragswesen – insbesondere Steuerklauseln; Compliance und Steuererklärungsprozesse. Die Regierung hat bereits zahlreiche Publikationen über die Details der geplanten Regeln veröffentlicht. Unternehmen können also Szenarioberechnungen zu den Auswirkungen der Reform anstellen. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung wird allerdings erst im späteren Verlauf des Verfahrens vorgelegt werden. Bürokratischer Aufwand Heute existieren in Indien viele verschiedene indirekte Steuerarten nebeneinander. Einige erheben die einzelnen Bundesstaaten, andere die Zentralregierung selbst. Die jeweils gültigen Steuersätze können je nach Warenherkunft aus dem Ausland oder nach Bundesstaat variieren. Auch fehlt eine allgemein anwendbare Regelung zum umfassenden Vorsteuerabzug. So können in einem mehrstufigen Produktionsprozess auf jeder Stufe verschiedene Steuern in unterschiedlicher Höhe anfallen. Dieser Kaskadeneffekt sorgt dafür, dass Unternehmen ihre Strukturen hin zu einer geringen Belastung mit indirekten Steuern optimieren, statt die wirtschaftlich bestmögliche Lösung zu wählen. Hinzu kommt ein hoher Verwaltungsaufwand, da für jede Steuer eigene Regeln zu beachten sind, etwa zur Bemessungsgrundlage, zum Steuersatz und zum Veranlagungsverfahren. Ebenso sind für Einsprüche und Gerichtsverfahren verschiedene Stellen zuständig, und Zahlungen müssen die betroffenen Unternehmen zu unterschiedlichen Zahlungsterminen an verschiedene Stellen leisten. Inklusive Vorsteuerabzug Die GST soll dagegen einheitlich für Herstellung, Verkauf und Konsum von Waren sowie für in Indien erbrachte Volkwirtschaftliche Daten Indien Reales BIP in 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2,067 Billionen US$ Bevölkerungszahl in 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1,295 Milliarden Prognose reales BIP Wachstum für 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7,5 % Kinder unter 15 Jahre in % zur Gesamtbevölkerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28,7 % Lebenserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Handelsvolumen mit Deutschland (2014/2015, wichtigster EU-Partner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15,97 Milliarden Euro Quellen: Weltbank, OECD, IBEF, Auswärtiges Amt 30 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 © iStock / powerofforever TAX Dienstleistungen gelten. Eines der wichtigsten Elemente ist dabei der Vorsteuerabzug. Ähnlich dem europäischen Mehrwertsteuersystem soll zunächst die GST auf allen Wertschöpfungsebenen erhoben werden und der weiterveräußernde Unternehmer die gezahlte GST auf den zugehörigen Wareneinkauf als Vorsteuer abziehen können. Im Ergebnis wird deshalb nur der durch den jeweiligen Unternehmer selbstgeschaffene Mehrwert mit der GST belastet. Weiterhin folgt die GST-Besteuerung dem Bestimmungslandprinzip, weshalb Importe steuerpflichtig und Exporte von der GST befreit werden. Die Steuerbeträge werden verwaltungsintern auf die verschiedenen Empfänger – vor allem Zentralregierung und Bundesstaaten – aufgeteilt, der Steuerpflichtige zahlt aber nur einen Gesamtbetrag. Die anzuwendenden Steuersätze stehen noch nicht fest. Volkswirtschaftlicher Effekt indische Volkswirtschaft um zusätzlich ein bis zwei Prozentpunkte wachsen lässt. Vor allem hoffen die Befürworter, dass Indien durch ein modernes und effizientes GSTSystem mit verlässlichen Belastungswirkungen attraktiver für Investitionen multinationaler Konzerne wird und sich als weltweit konkurrenzfähiger Produktionsstandort etablieren kann. Technische Umsetzung Aus diesem Grund treibt die Regierung das Projekt organisatorisch und administrativ mit Macht voran. Kürzlich stellte sie einen Entwurf für detaillierte Ausführungsbestimmungen zur Diskussion. Das IT-System soll bis März 2016 fertiggestellt sein und den Steuerpflichtigen zukünftig als „One-Stop-Shop“ ermöglichen, sich online zu registrieren, Steuererklärungen abzugeben und Zahlungen abzuwickeln. Ebenso groß wie die Dimensionen des Reformprojektes werden die volkswirtschaftlichen Effekte eingeschätzt. Die indische Regierung erwartet, dass die GST-Einführung die Ihre Autoren Dirk Nolte Senior Manager / Steuerberater German Tax Desk, London Siddharth Kaul Senior Manager India Tax Desk, Frankfurt René Gütschow Partner / Steuerberater Indirect Tax, Frankfurt [email protected] [email protected] [email protected] EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 31 TAX § 50i EStG: Kein Verlass auf den Erlass Der Wissenschaftliche Beirat Steuern von EY spricht sich für eine Regelung per Gesetz aus. E rst Jahre, nachdem der BFH bereits die klare Tendenz hatte erkennen lassen, dass Personengesellschaften mit lediglich gewerblicher Prägung bzw. Infizierung in Übereinstimmung mit der internationalen Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen keine Betriebsstättenqualität besitzen, und dass folglich eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte i. S. d. Art. 7 OECD Musterabkommen insoweit nicht möglich ist, reagierte die Finanzverwaltung. Sie führte dem Gesetzgeber die Hand in Form der Verabschiedung einer Erstfassung des § 50i EStG, der eine als falsch erkannte Rechtslage (dennoch) konservieren und für Altjahre manifestieren sollte. Es galt zu verhindern, dass als Folge des drohenden Verlusts des Status als Betriebsstätte in den Gesellschaften vorhandene stille Reserven der deutschen Besteuerung entzogen würden. Ausgelöst durch einen auch in der Presse bekannt gewordenen Einzelfall im Frühjahr des Jahres 2014 erfolgte dann im Juli 2014 völlig überraschend und weitgehend unbemerkt sowie ohne (hinreichende) öffentliche Diskussion des Gesetzentwurfs die Verabschiedung einer verschärften Fassung des § 50i EStG, die nicht nur ein Fortbestehen des deutschen Besteuerungsrechts sichern soll, sondern die darüber hinaus Übertragungen und Umwandlungen einschließlich solcher per Schenkung oder Erbschaft sowie den Übergang zu einer originär gewerblichen Tätigkeit (Strukturwandel) von der Buchwertfortführung generell ausschließt. Ein zweiter Schnellschuss, der noch unüberlegter und unausgereifter „aus der Hüfte abgefeuert“ wurde als die Erstfassung. Aufruf des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY Der Wissenschaftliche Beirat hat daher in einem Fachbeitrag und in schriftlicher Stellungnahme gegenüber den Abgeordneten des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages und den Finanzministern von Bund und Länder auf die Überreaktion hingewiesen und eine gesetzliche Korrektur angemahnt. Seit der Einführung der Norm ebbt die Kritik an der Regelung nicht ab. Viele Unternehmer und Unternehmen sind bei wichtigen Projekten, namentlich Umwandlungen, Veränderungen in der Gesellschafterstruktur bzw. Gesellschaftsstruktur usw. blockiert. Eine von der Steuerverwaltung ist Aussicht gestellte Korrektur im Rahmen eines Erlasses ist nicht ausreichend. Ein Erlass ist lediglich eine verwaltungsinterne Arbeitsanweisung der Finanzverwaltung. Er bewirkt keinen sicheren Schutz für den Steuerpflichtigen. Auf den Erlass ist demnach kein Verlass! Stattdessen muss § 50i EStG gesetzlich novelliert werden. Ein Beitrag des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY Die Expertise des Wissenschaftlichen Beirats Steuern von EY liegt in der Zusammensetzung von hochkarätigen Wissenschaftlern, ehemaligen BFH-Richtern und ehe maligen Vertretern der Finanzverwaltung begründet. Der Wissenschaftliche Beirat entwickelt und vertieft steuerliche Themen, die von übergeordneter und grundsätz licher Bedeutung sind. Der Wissenschaftliche Beirat ist der steuersystematischen Folgerichtigkeit und einem Prinzipien-getragenen Steuerrecht verpflichtet. 32 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Tax & Law berichtete bereits vor gut einem Jahr Mit dem § 50i EStG bringt die Bundesregierung international aktive Mittelständler in Bedrängnis. Jeder Gesellschafter läuft nach §50i EStG Gefahr, wenn er reist, sich in einem anderen Land aufhält oder dort hinzieht, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) unterhält und in dem der Gesellschafter als ansässig anzusehen ist, auf stille Reserven in seinen Unternehmensbeteiligungen Steuern zahlen zu müssen. Auch jeder Gesellschafter ist betroffen, der Deutschland verlässt und hierzulande an einer Kapitalgesellschaft mit mindestens einem Prozent beteiligt ist, wenn er diese Beteiligung vor dem 29. Juni 2013 in eine vermögensverwaltende, aber als gewerblich geltende Personengesellschaft eingebracht hat. Streit um „gewerbliche Prägung“ Noch 2013 bestand für wegziehende Gesellschafter die Möglichkeit, ihre Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zuvor steuerneutral in eine Personengesellschaft einzubringen. Auch nach Wegzug des Gesellschafters war diese Kapitalgesellschaftsbeteiligung als Betriebsvermögen einzustufen und damit in Deutschland steuerverstrickt – auch nach Wegzug des Gesellschafters. Dem widersprach der Bundesfinanzhof (Urteile vom 28. April 2010, I R 81/09, und vom 25. Mai 2011, I R 95/10). Nach dieser Rechtsauffassung verliert Deutschland das Besteuerungsrecht an einem späteren Veräußerungsgewinn (sowie ggf. teilweise an den laufenden Dividendeneinnahmen) aus der Beteiligung, die vor dem Wegzug in die gewerblich geprägte Personengesellschaft eingebracht wurde. Reaktion des Gesetzgebers Die Reaktion des Gesetzgebers folgte mit der Vorschrift des § 50i EStG im Jahr 2013. Danach besteuert Deutschland in Wegzugsfällen, bei denen eine Besteuerung der stillen Reserven in Kapitalgesellschaftsbeteiligungen – quasi im Vertrauen auf die damalige Verwaltungsauffassung – unterblieb, einen späteren Veräußerungsgewinn und die laufenden Einkünfte aus der Kapitalgesellschaftsbeteiligung auch entgegen der Bestimmungen eines DBA. Ausweitung durch das „Kroatiengesetz“ Im Jahr 2014 hat der Gesetzgeber den § 50i EStG ausgeweitet. Auch die Gewährung neuer Kapitalgesellschaftsanteile an eine (bisher originär gewerblich tätige) Personengesellschaft im Gegenzug zur Einbringung ihres Betriebs (oder Teilbetriebs) nach § 20 UmwStG gilt danach als Übertragung oder Überführung von Kapitalgesellschaftsanteilen i. S. d. § 17 EStG in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft. Darunter könnte z. B. auch eine Personengesellschaft fallen, die ihren Betrieb nach § 20 UmwStG vor dem 29. Juni 2013 gegen neue Anteile in eine Kapitalgesellschaft eingebracht hat und seither nur noch auf Grund gewerblicher Prägung als gewerblich tätig gilt. Betroffen sind vor allem Unternehmen mit Gesellschaftern im DBA-Ausland sowie Fälle, in denen ein Wegzug eines Gesellschafters in einen anderen DBA-Staat ansteht. Es besteht die Gefahr einer steuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven bei bestimmten Umstrukturierungen oder Umwandlungen sowie im Falle des Strukturwandels, den die geänderte Vorschrift des § 50i EStG begrifflich regelt. TAX Korrekturen beim § 8c KStG Für Konzerne und Personengesellschaften gibt es Verbesserungen beim Verlustvortrag. D as im November in Kraft getretene Steueränderungsgesetz 2015 sieht Verbesserungen bei der Konzernklausel des § 8c KStG vor. Dabei geht es um eine Ausweitung auf Fälle, in denen die Konzernmuttergesellschaft selbst der Erwerber oder Veräußerer einer nachgeordneten Gesellschaft ist, zu der eine Beteiligung von 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar besteht. Damit sind künftig auch zweistufige Konzernstrukturen begünstigt. Zudem ist es für die Anwendung der Konzernklausel künftig unschädlich, wenn eine Personenhandelsgesellschaft an der Konzernspitze steht. Voraussetzung ist hierbei, dass sich die Anteile am übertragenden und übernehmenden Rechtsträger oder die Anteile am Veräußerer oder Erwerber jeweils zu 100 Prozent im Gesamthandsvermögen der Personenhandelsgesellschaft befinden. Die Neuregelung des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG ist erstmalig auf Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2009 anwendbar. Somit erfahren alle noch offene Fälle seit der Einführung der ursprünglichen Konzernklausel Ende 2009 eine rückwirkende Begünstigung. Unzulässige Benachteiligung In der Praxis führte die strenge Auslegung der Konzernklausel durch die Finanzverwaltung dazu, dass zahlreiche betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns verhindert wurden. So verneinte die Finanzverwaltung zuletzt in ihrem derzeit als Entwurf vorliegenden neuen Anwendungsschreiben zu § 8c KStG vom 15. April 2014 eine Anwendung der Klausel, wenn eine Personenhandelsgesellschaft an der Konzernspitze stand oder die Konzernspitze selbst als Erwerber oder Veräußerer von Anteilen agierte. Diese Auslegung benachteiligte Personenunternehmen gegenüber Kapitalgesellschaften sowie Konzerne mit flachen Strukturen (2-stufiger Konzernaufbau), insgesamt also vor allem mittelständische Unternehmen wie Familienunternehmen. Dieser (unzulässigen) Benachteiligung will der Gesetzgeber nun mit der Neufassung der Konzernklausel entgegenwirken. Erhebliches Potenzial Die Korrektur des § 8c KStG hat ein erhebliches Steuerminderungspotenzial. Bei Umstrukturierungen drohen nicht genutzte Verluste teilweise bzw. vollständig unterzugehen. Dazu kommt es regelmäßig dann, wenn ein Beteiligungserwerb als „schädlich“ i. S. d. § 8c KStG zu qualifizieren ist. Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt vor, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 Prozent der Anteile (quotaler Untergang) bzw. mehr als 50 Prozent der Anteile (vollständiger Untergang) an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden. Um konzerninterne Umstrukturierungen nicht unnötig zu erschweren, führte die damals schwarz-gelbe Koalition mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Ende 2009 in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG die sogenannte Konzernklausel ein. Danach geht der Verlustvortrag bei Beteiligungserwerben nicht verloren, wenn an der Spitze des Konzerns eine einzelne natürliche oder juristische Person steht und diese Person zu 100 Prozent sowohl an dem übertragenden als auch an dem übernehmenden Unternehmen unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Erweiterung der Konzernklausel nach dem Steueränderungsgesetz 2015 Personenhandelsgesellschaft als Konzernspitze GmbH KG Konzernspitze 100% T1 GmbH (übertragender Rechtsträger) 100% 100% T2 GmbH D (übernehmender Rechtsträger) Es fallen grundsätzlich auch Konstellationen unter die neue Konzernklausel, welche die Voraussetzungen der bisher geltenden Regelung nur deshalb nicht erfüllen, weil eine Personengesellschaft nach Verwaltungsauffassung nicht „dieselbe Person“ im Sinne der geltenden Konzernklausel sein konnte. Bei Übertragung der Anteile an der Verlustgesellschaft von T1 auf T2 ist daher nach der Neuregelung die Konzernklausel anwendbar. Verlustgesellschaft EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 33 TAX Richtig fördern lassen Die Infrastrukturfinanzierung gerät in den Fokus der EU-Beihilfenkontrolle D ie öffentliche Infrastrukturfinanzierung steht zunehmend im Blickfeld der EU-Wettbewerbsaufsicht. Dabei muss sich die Finanzierung der Infrastruktur durch die öffentliche Hand auf allen Ebenen – von der Errichtung bis zur Nutzung – an den Vorgaben des europäischen Beihilfenrechts messen lassen. Der Fokus richtet sich insbesondere auf die Finanzierung von See- und Binnenhäfen, Flughäfen, Sport-/Multifunktionsinfrastruktur, Forschungsinfrastruktur, Breitbandinfrastruktur, Erschließung von Gewerbegebieten sowie Grundstückserschließungsmaßnahmen nach Maß. Aufgrund verschiedener Urteile des Europäischen Gerichtshofes entstand zuletzt eine gewisse Rechtsunsicherheit darüber, wie EU-Beihilfevorschriften auf die öffentliche Infrastrukturfinanzierung anzuwenden sind. Zudem stellte die EU-Kommission entsprechende Überlegungen im Rahmen der Modernisierung der EU-Beihilfenkontrolle (State Aid Modernisation) an. Welche konkreten Auswirkungen sich daraus auf längere Sicht ergeben, diskutierten Vertreter der Länder und Kommunen im Rahmen einer EY-Fachkonferenz in Kooperation mit EY Law und der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft und Recht im September 2015 in Berlin. Neue Regeln aus Brüssel Mit der neuen Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) hat die EU-Kommission einerseits den Spielraum der Mitgliedstaaten erheblich ausgeweitet, indem sie einige Freistellungstatbestände neu aufnimmt – u. a. für Sport- und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen. Andererseits hat sie niedrige Freistellungsschwellenwerte festgelegt und beihilferechtliche Rahmenbedingungen für wichtige Infrastrukturbereiche enger geschnürt. Mit teilweise überarbeiteten oder neu aufgesetzten sektorspezifischen Regelwerken, so z. B. Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehr oder Breitbandausbau, sorgt Brüssel für Auslegungsunsicherheiten und praktische Anwendungsfragen. Im Falle von Verstößen gegen das europäische Beihilfenrecht droht Unternehmen die Rückforderung der Beihilfen. Das Risiko einer nicht beihilfekonformen Inanspruchnahme von staatlichen Finanzierungshilfen liegt somit bei dem Beihilfeempfänger. Grundsätzlich sorgt eine rechtzei- 34 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 tige Einzelanmeldung bei der EU-Kommission für Rechtssicherheit. Jedoch kann die Dauer des Genehmigungsverfahrens die geplanten Investitionen hinauszögern. Gestalten und dokumentieren Der beihilfenrechtliche Rahmen lässt Raum auch für beihilfenfreie Lösungen. EY wendet die durch die EU-Kommission anerkannten Grundsätze zur beihilfefreien Konzipierung der geplanten öffentlichen Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen an, die nicht in Brüssel angemeldet werden müssen. Das trägt zu einer zeit- und kostensparenden Gestaltung der Projektfinanzierung im Einklang mit EU-Beihilfevorschriften bei. Sollte die EUKommission in Verdachtsfällen die bereits durchgeführten Fördermaßnahmen auf ihre Beihilfekonformität überprüfen, kann EY eine Analyse erstellen, um das Fehlen eines Beihilfeelements im Rahmen der Finanzierung zu belegen und somit einen Beweis zur Einhaltung der Beihilfevorschriften vorzulegen. Bei wirtschaftlich tragfähigen Projekten kann dies ein Vergleich mit marktwirtschaftlich handelndem Dritten (sogenannter Privat Investor Test) sein. Bei nicht wirtschaftlich tragfähigen Projekten bzw. defizitären Maßnahmen, die dem Allgemeinwohl dienen und ohne staatliche Eingriffe am Markt überhaupt nicht oder in Bezug auf Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung oder universalen Zugang nur zu anderen Standards durchgeführt werden würden, erfolgt die Betrauung mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI). Private Investor Test Wichtig ist dabei zu wissen, welche ökonomischen Methoden die EU-Kommission verwendet. Der Private Investor Test ist ein in der Beihilfenkontrolle in großem Umfang eingesetztes ökonomisches Modell, welches den Art. 107 Abs. 1 AEUV und das im Fokus stehende Kriterium der Begünstigung durch die öffentliche Beteiligung widerspiegelt. Danach ist eine direkte oder indirekte Kapitalzuführung keine Beihilfe, wenn sie zu marktüblichen Bedingungen vorgenommen wurde. Es ist daher im Rahmen einer ökonomischen Vergleichsanalyse zu prüfen, ob ein unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen handelnder privater Kapitalgeber von vergleichbarer Größe wie © iStock / saiko3p TAX Mit 17,185 km ist die Vasco-da-Gama-Brücke bei Lissabon eine der längsten Brücken der Welt und die längste in Europa. Sie überspannt den Fluss Tejo und wurde nach dem portugiesischen Seefahrer Vasco da Gama benannt. die staatliche Einrichtung in vergleichbarer Konstellation durch die fragliche Investition eine marktübliche Mindestrendite hätte erzielen können. Aufgrund der neuesten Rechtsprechung ist die Analyse auf allen drei Infrastrukturebenen – Errichtung, Betrieb und Nutzung – notwendig, um das Vorliegen einer Beihilfe vollständig auszuschließen. Betrauung mit DAWI Die Unternehmen, die DAWI erbringen wollen, können im Rahmen einer Rechtshandlung betraut werden (Betrauungsakt). Der Betrauungsakt besteht in einer Bestimmung und Erläuterung der dem Unternehmen auferlegten Gemeinwohlverpflichtung sowie Regelungen zur Gewährung von Ausgleichsleistungen durch die betrauende Gebietskörperschaft. Eine Betrauung des Beihilfeempfängers mit DAWI kann auf verschiedene Grundlagen gestützt werden. Das können die vom EuGH entwickelten vier Kriterien im Zuge des Altmark-Trans-Verfahrens sein. Diese beinhalten: • Betrauung: Das Unternehmen muss mit der Erbringung klar definierter, gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden. • Transparente Parameter: In dem Betrauungsakt müssen die Parameter, anhand derer die Ausgleichsleistung an das Unternehmen bemessen wird, im Voraus objektiv und transparent festgelegt werden. • Keine Überkompensation: Die Ausgleichshöhe beschränkt sich auf das für die Kostendeckung Erforder liche und den angemessenen Gewinn. • Ausgleichsleistung: Die Höhe des Ausgleichs wird auf Grundlage einer Analyse der Kosten eines durchschnittlichen, gut geführten Unternehmens oder Vergabeverfahrens bestimmt. In der Praxis kann eine Altmark-Trans-Betrauung gewisse Schwierigkeiten aufwerfen, da insbesondere die für die Gemeinwohlverpflichtung zu erbringende Ausgleichszahlung angemessen sein muss. Diese muss wiederum meist durch eine Vergleichsrechnung mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen ermittelt werden. Ein solcher Benchmark-Vergleich, der eine beihilfefreie Finanzierung ermöglicht, ist nicht für jedes Unternehmen durchführbar. Alternativ kann eine Betrauung auf Grundlage des sogenannten Freistellungsbeschlusses (EU-Verordnung 360/2012 vom 25. April 2012) erfolgen, wenn dafür die Voraussetzungen erfüllt sind. Bei einer Betrauung auf Grundlage des Freistellungsbeschlusses kann auf die Einhaltung des vierten Altmark-Trans-Kriteriums (Ausgleichsleistung) verzichtet werden. Maßgeblich ist dann das Vorliegen von DAWI, die nach europäischem Verständnis den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge bei vorhandenem Marktversagen widerspiegeln. Werden die Vorgaben des Freistellungsbeschlusses beachtet, liegt eine gerechtfertigte Beihilfe vor. Ihr Autor Steffen Sühnel Senior Manager / MBA [email protected] EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 35 TAX Wegen Kindergeld zum Kadi Nach Deutschland entsandte Mitarbeiter können Kindergeld beziehen. Doch Vorsicht: Wer sich später nicht abmeldet, riskiert ein strafrechtliches Nachspiel. E in nach Deutschland entsandter Mitarbeiter, der von seiner Familie begleitet wird, kann für die Zeit seines Aufenthalts unter bestimmten Voraussetzungen Kindergeld beziehen. Das Procedere ist nicht sonderlich kompliziert. Das Kindergeld wird auf entsprechenden Antrag des Mitarbeiters von der Familienkasse ausgezahlt. Eine gewisse Schwäche im System besteht darin, dass einmal beantragtes Kindergeld bei minderjährigen Kindern grundsätzlich bis auf Weiteres fortgezahlt wird, selbst dann, wenn die Entsendung zwischenzeitlich bereits vorbei, der Mitarbeiter samt Familie in sein Heimatland zurückgekehrt ist – und damit die Voraussetzung für den Bezug von deutschem Kindergeld entfällt. Denn erst mit Abmeldung bei der Familienkasse endet der Kindergeldbezug in Deutschland. Wer dies nicht tut, der kann bei seinem nächsten Deutschland-Besuch sein blaues Wunder erleben. rechtigte Bezug von Kindergeld möglicherweise längere Zeit unentdeckt. Welche einschneidenden Konsequenzen dies haben kann, erfährt der Betroffene häufig erst an der Passkontrolle des Flughafens bei der Wiedereinreise nach Deutschland oder in die EU. Dort wird dem sichtlich überraschten Einreisenden eröffnet, dass gegen ihn wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung aufgrund des ungerechtfertigten Bezugs von Kindergeld ermittelt wird. Um den weiteren Ablauf des Verfahrens aus Sicht der Behörden zu vereinfachen, wird ihm regelmäßig nahegelegt, einen von den Beamten vorgeschlagenen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen. Dieser soll ihn über den weiteren Fortgang des Verfahrens informiert halten. Leider zeigt die Praxis, dass der Betroffene durch seinen Empfangsbevollmächtigten – oftmals bei einer Behörde oder einem Verein angesiedelt – nur unzureichend oder mit erheblichem Zeitverzug unterrichtet wird. Ärger beim nächsten Deutschland-Besuch Strafbefehl am Flughafen Behält der Mitarbeiter nach Wegzug aus Deutschland sein deutsches Bankkonto zunächst aufrecht, bleibt der unbe- Die bittere Konsequenz lautet dann: Bei einer der nächsten Dienstreisen nach Deutschland wird der Manager von © iStock / Susan Chiang Kindergeld gehört sicherlich nicht zu den Themen, die auf der Agenda der Steuer- oder Personalabteilung internationaler Konzerne weit oben stehen. Im Bereich der grenzüberschreitenden Mitarbeiterentsendung nach Deutschland ist die Beantragung des Kindergelds häufig nicht durch einen Prozessablauf einheitlich geregelt. Hier sind es der Mitarbeiter selbst, der Arbeitgeber oder in dessen Auftrag ein sogenannter Relocation Provider, die den Antrag bei der zuständigen Familienkasse stellen. Da dürfte es in Anbetracht der geringen Komplexität der Beantragung und der verhältnismäßig überschaubaren monatlichen Beträge im Ergebnis schon überraschen, dass ComplianceDefizite in diesem Bereich steuerstrafrechtliche Ermittlungen und finanzielle Sanktionen im hohen vierstelligen Bereich nach sich ziehen können. 36 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 © Keystone Schweiz / laif TAX einem mittlerweile rechtskräftigen Strafbefehl erwartet, der von den Zollbeamten an Ort und Stelle vollstreckt wird. Rechtliche Anfechtungsmöglichkeiten bestehen dann kaum noch. Die zweiwöchige Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl wird in der Regel schon abgelaufen sein. Ein möglicher Antrag auf Wiedereinsetzung scheitert im späteren gerichtlichen Verfahren häufig daran, dass ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt wurde. Dass der ganzen Angelegenheit offensichtlich nur ein Versehen zugrunde liegt, lassen die Behörden regelmäßig nicht gelten und argumentieren in subjektiver Hinsicht mit dem Vorliegen eines zumindest bedingten Vorsatzes. Direkt bei der Familienkasse abmelden Wichtig ist daher für Mitarbeiter, die nach einem Deutschland-Aufenthalt mit ihrer Familie wieder ins Ausland gehen: Eine Kindergeld-Abmeldung muss direkt an die zuständige Familienkasse adressiert sein. Eine automatische Information von Amts wegen bei postalischer Abmeldung erfolgt nicht. Die formlose Information an die Familienkasse über den Wegfall des Anspruchs auf Kindergeld aufgrund des Wegzugs kann durch den Mitarbeiter selbst, den Arbeitgeber oder einen Berater in dessen Auftrag erfolgen. Die Formalitäten der Abmeldung können von Relocation Providern oder auch vom aufnehmenden Unternehmen übernommen werden. Hat der Mitarbeiter den Kindergeldantrag jedoch auf eigene Faust gestellt, was in der Praxis häufig geschieht, geht die verpflichtende Abmeldung im Trubel des Familienrückzugs am Ende der Entsendung nicht selten unter. Fall für die Personalabteilung Die Untiefen des Steuerstrafrechts können in Fällen des unberechtigten Bezugs von Kindergeld am wirksamsten dadurch vermieden werden, dass die vermeintliche Nebensache Kindergeld in die Entsendeprozesse aufgenommen und klare Zuständigkeiten definiert werden. Insbesondere ist es wichtig, dass diese Aufgabe eindeutig der Personal(HR-) oder der Steuerfunktion zugeordnet wird. Eine organisierte Unzuständigkeit aufgrund unklar abgegrenzter oder sich überschneidender Kompetenzen verschiedener Funktionen und Abteilungen ist unbedingt zu vermeiden. Strafbefreiende Selbstanzeige Wird der unberechtigte Bezug von Kindergeld noch rechtzeitig vor einem behördlichen Aufgriff bemerkt, hat der Betroffene die Möglichkeit, die strafrechtlichen Risiken durch unverzügliche Anzeige bei der Familienkasse und einer sofortigen Rückzahlung des Kindergelds zu vermeiden. Sollte die Behörde daraufhin einen steuerstrafrechtlichen Vorwurf erheben, ist eine solche Richtigstellung als strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu werten. Da mit der Bekanntgabe der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ein Sperrtatbestand für die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige verwirklicht wird, darf die Anzeige an die Familienkasse nicht auf die lange Bank geschoben werden. Selbst nach einer Anfrage der Familienkasse ist noch Zeit zum Handeln. Nach der maßgeblichen Dienstanweisung können Äußerungen im Rahmen einer behördlichen Anhörung noch als Selbstanzeige gewertet werden, wenn zur Sachverhaltsaufklärung noch Ermittlungen beim Betroffenen erforderlich sind. Ihr Autor Dr. Marcus Geuenich Executive Director / Rechtsanwalt / Steuerberater marcus.geuenich @de.ey.com EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 37 TAX Controversy Wirrwarr um die Werthaltigkeit Betriebsprüfer interpretieren den Forderungsverzicht im Konzern gern in ihrem Sinne. D ie innerkonzernliche Darlehensvergabe zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften ist schon immer eine weit verbreitete Finanzierungsmethode. Einer der Vorteile besteht darin, bei Liquiditätsschwierigkeiten unkompliziert und flexibel eine Einlage durch Verzicht auf Darlehensrückzahlung vorzunehmen. Seit der Bundesfinanzhof jedoch die vollständige Werthaltigkeit der Konzerndarlehen aufgrund des sogenannten Rückhalts im Konzern ad acta gelegt hat, lebt bei Betriebsprüfungen die Diskussion über Forderungsverzichte wieder auf. Laut BFH lässt der Konzernrückhalt keine Rückschlüsse mehr auf die Wahrscheinlichkeit der Darlehensrückzahlung durch eine Tochtergesellschaft zu (BFH- Urteil vom 24. Juni 2015). Die Betriebsprüfung nimmt das aktuelle Urteil zum Anlass, den Darlehensverzicht im Konzern wieder nach alter Schule auf seine Werthaltigkeit zu überprüfen. Im Ergebnis identifizieren die Betriebsprüfer einen werthaltigen und einen nicht werthaltigen Teil der Forderung. Langfristige Forderungen in deutschen Unternehmen 80 60 40 s) 20 13 20 12 20 11 20 10 20 09 20 08 20 07 20 06 20 05 20 04 20 03 20 02 20 01 20 20 00 Interesse an fehlender Werthaltigkeit Aus der Aufteilung wird deutlich, dass Betriebsprüfer ein verständliches Interesse daran haben, möglichst große Teile des Forderungsverzichts als nicht werthaltig zu qualifizieren. Als entscheidendes Kriterium für die Aufteilung in diesem Sinne ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs weder der Nennbetrag noch der als Verbindlichkeit passivierte Betrag, sondern vielmehr der tatsächliche Wert der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts anzusehen. Welche Belege? 100 langfristige Forderungen darunter: gegen verbundene Unternehmen die Finanzverwaltung somit in zwei Teilbeträge: • Der werthaltige Teil der Forderung wird steuerlich als Einlage behandelt, die das Einkommen der SchuldnerKapitalgesellschaft nicht erhöht. • Der nicht mehr werthaltige Teil der Forderung wird steuerlich als Ertrag behandelt, der das Einkommen der Schuldner-Kapitalgesellschaft erhöht. Die Definition für eine werthaltige Darlehensforderung ist dabei unstrittig: Die Tochtergesellschaft muss in der Lage sein, das Darlehen zum Fälligkeitszeitpunkt zurückzuzahlen. Die Werthaltigkeit zu belegen, ist hingegen die schwierigere Aufgabe, insbesondere wenn die Gesellschaft nicht über ausreichend Liquidität verfügt. Entgegen der oft vorgebrachten Argumentation von Betriebsprüfern ist es aber bei bilanzieller Überschuldung nicht zwingend, dass der nicht werthaltige Teil der Forderung aus dem negativen Eigenkapital besteht. Quelle: Bundesbank, Angaben in Milliarden Euro Stille Reserven Zwei Komponenten Für den Fall des Forderungsverzichts eines Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft wird zwischen dem werthaltigen und dem nicht werthaltigen Teil der Forderung unterschieden. Hiernach führt ein Verzicht eines Gesellschafters auf seine nicht mehr voll werthaltige Forderung gegenüber seiner Kapitalgesellschaft dazu, dass diese eine Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung erhält. Der Gesamtbetrag des Forderungsverzichts zerlegt 38 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Vielmehr ist die Frage nach der Überschuldung nicht anhand der Handels- oder Steuerbilanz, sondern anhand des Überschuldungsstatus zu beurteilen. Dabei sind für die Bestimmung der Werthaltigkeit die tatsächlichen Verkehrswerte des Betriebsvermögens anzusetzen. Folglich sind sämtliche im Betriebsvermögen der Schuldner-Kapitalgesellschaft verstrickten stillen Reserven zu berücksichtigen. Auf diesem Wege lässt sich in der Regel auch eine höhere Werthaltigkeit der Forderung belegen. Controversy TAX Wie auf dem Basar Die Schlussbesprechung in der Betriebsprüfung erfordert viel Verhandlungsgeschick. R und 18 Milliarden Euro Mehreinnahmen an Steuern und Zinsen haben die Betriebsprüfungen 2014 in die Finanzkassen gespült. In dieser Zahl sind dabei nicht einmal die Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfungen, der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und der Steuerfahndung enthalten. Die Mehreinnahmen stammen aus der Prüfung von 192.741 Unternehmen. Und bezogen auf die 13.533 Betriebsprüfer erzielte jeder von ihnen durchschnittliche Mehreinnahmen in Höhe von 1,3 Millionen Euro – ein einträgliches Geschäft für den Fiskus. Theoretisch ist es zwar Aufgabe der Betriebsprüfung, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen, d. h. die dem Gesetz nach richtige Steuer zu ermitteln – sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten der Steuerpflichtigen. In der Praxis führen jedoch annähernd alle Betriebsprüfungen zu steuerlichen Mehreinnahmen. Warum? Es ist keineswegs so, dass sich in den Steuererklärungen aller geprüften Unternehmen zweifelsfreie Fehler finden lassen. Wenngleich es offiziell keine Arbeitsanweisungen hierzu gibt, so scheint jedoch zwischen den Betriebsprüfern ein zunehmender Leistungs- und Konkurrenzdruck zu bestehen, Mehrergebnisse zu erzielen. Dabei kommt ihnen zupass, dass selbst das ausge feilte deutsche Steuerrecht die Interpretationen von einzelnen Rechtfragen zulässt. Ein Beispiel Während der Steuerpflichtige seine High-Tech-Wirtschaftsgüter über die tatsächliche Nutzungsdauer von drei Jahren abgeschrieben hat, sehen die amtlichen Abschreibungstabellen eine Mindestabschreibungsdauer von fünf Jahren vor. Da der Betriebsprüfer jegliche Dokumentation über die kürzere Nutzungsdauer hartnäckig anzweifelt, dürften sich beide in der Schlussbesprechung auf eine Nutzungsdauer von vier Jahren einigen. Dann fühlt man sich wie auf einem orientalischen Basar. Die Betriebsprüfer sind dabei strategisch im Vorteil: Für sie ist es verhältnismäßig einfach, ihre Rechtsansicht bis zuletzt aufrechtzuerhalten. Für den Steuerpflichtigen ist die Schlussbesprechung allerdings häufig die letzte Gelegenheit, sich ein kostspieliges Rechtsbehelfsverfahren zu ersparen. Steuereinnahmen aus Betriebsprüfungen 5 4,6 Körperschaftsteuer 3,0 Einkommensteuer 2,6 Zinsen nach § 2a AO 2,0 Umsatzsteuer 1,8 Sonstige Steuern (einschl. Vermögen- steuer, Mehrsteuern und Zinsen) 3,9 4 3 2 1 2010 14,9 2011 15,6 2012 17,8 2013 17,2 2014 17,9 Gewerbesteuer Gesamteinnahmen pro Jahr Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Angaben in Milliarden Euro Zur Wahrung des Rechtsfriedens ist aber auch dem Prüfer meist an einer gütlichen Einigung gelegen. Der Steuerpflichtige muss daher die Feststellungen des Prüfers nicht immer sofort akzeptieren und kann versuchen, im Rahmen einer Gesamteinigung ein für ihn möglichst günstiges Ergebnis zu erreichen. In der Praxis hat sich ein gewisser Pragmatismus durchgesetzt, die strittigen Punkte einer Paketlösung zuzuführen. Unterlagen vom Prüfer anfordern Der Prüfer kündigt die Schlussbesprechung in der Regel mindestens eine Woche vorher an. Diese Zeit sollte jeder Steuerpflichtige dazu nutzen, sich intensiv vorzubereiten und eine Besprechungsstrategie zu entwickeln. So sollte sich der Steuerpflichtige sämtliche Feststellungen schriftlich aushändigen lassen, und zwar mit detaillierter Begründung unter Angabe der Rechtsgrundlagen und Berechnung des steuerlichen Mehrergebnisses. Und je abwegiger sich dabei der Betriebsprüfer positioniert hat, desto dringender sollte man darum bitten, dass zumindest der Sachgebietsleiter vom Finanzamt an der Schlussbesprechung teilnimmt. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 39 von Martina Ortmann-Babel Leiterin National Office Tax Spenden und Steuern sparen Grundsätzlich können natürliche Personen und Körperschaften ihre Spenden steuerlich geltend machen und den Fiskus daran beteiligen. Zur Natur einer Spende gehört, dass sie freiwillig geleistet wird. Mitgliedsbeiträge oder andere Zahlungen (etwa an Sportvereine), für die es eine Gegenleistung gibt, sind damit steuerlich keine Spenden. Nicht alle freiwilligen Gaben berechtigen zum steuerlichen Abzug, sondern nur solche an begünstigte Spendenempfänger. Dazu zählen juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Dienststellen (z. B. Universität, Forschungsinstitut) oder als gemeinnützig anerkannte Organisationen nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. Das müssen nicht nur inländische Körperschaften sein. Begünstigt sind grundsätzlich auch Spenden an Organisationen im EU/EWR-Ausland. Allerdings müssen sie die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie die inländischen. Das stellt Spender in der Praxis nicht selten vor hohe formale Hürden. Außerdem müssen mit den betreffenden ausländischen Staaten entsprechende Abkommen über Amtshilfe und eine Unterstützung bei der Beitreibung bestehen. Nicht steuerlich berücksichtigt werden grundsätzlich Spenden an gemeinnützige Organisationen außerhalb des EU/EWR-Raumes. Das musste ein Wohltäter erfahren, der dem Papst anlässlich einer Generalaudienz in Rom eine Spende überreichte. Die durfte der Spender aber nicht steuerlich geltend machen, urteilte später das Finanzgericht Köln. Begründung: Empfänger sei der Vatikanstaat gewesen, der weder Teil der EU noch des EWR ist. Nicht gelten ließ das FG Köln das Argument, es habe sich um eine Zuwendung für die Katholische Weltkirche gehandelt, die in Deutschland durch verschiedene Körperschaften des öffentlichen Rechts repräsentiert werde (Urteil des FG Köln vom 15. Januar 2013, 13 K 3735/10). 40 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Der steuerliche Abzug von Spenden ist auf maximal 20 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte (bei Körperschaften 20 Prozent des Einkommens) oder 4 Promille der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter begrenzt. Allerdings können nicht genutzte Spendenbeträge in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden (Spendenvortrag). Bescheinigungen erforderlich Damit man seine Spende auch steuerlich absetzen kann, ist eine Zuwendungsbestätigung erforderlich. Diese muss nach einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck ausgestellt werden. Bis zu einem Spendenbetrag von 200 Euro greift der vereinfachte Spendennachweis, es genügt der Bareinzahlungsbeleg, Kontoauszug oder PC-Ausdruck bei Online-Banking. Der vereinfachte Spendennachweis greift auch über 200 Euro hinaus, und zwar in besonderen Katastrophenfällen mit Sonderkonten oder wie derzeit im Rahmen der Flüchtlingskrise (BMF-Schreiben vom 22.September 2015). Auch in der Flüchtlingskrise sind nicht alle Hilfen absetzbar, so zum Beispiel direkte Zuwendungen an einzelne Personen, wie die Kostenübernahme für einen Sprachkurs für einen bestimmten aus Syrien stammenden Flüchtling. Als abzugsfähige Spende erkennt der Fiskus aber Geldzuwendungen an steuerbegünstigte Volkshochschulen oder deren gemeinnützige Fördervereine an. Damit kann man indirekt das Erlernen der deutschen Sprache unterstützen. Ebenfalls vereinfacht hat die Finanzverwaltung laut ihrem aktuellen Anwendungsschreiben vom 22. September 2015 die sogenannte Arbeitslohnspende für Zwecke der Unterstützung von Flüchtlingen. Verzichtet ein Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen seines Lohnes, damit der Arbeitgeber diese auf das Konto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung zugunsten der Flüchtlingshilfe einzahlt, bleiben sie grundsätzlich lohnsteuerfrei. Die gespendeten Lohnbestandteile kann der Arbeitnehmer dann aber in seiner Einkommensteuererklärung nicht mehr als Spende steuermindernd absetzen. Bewertung von Sachspenden Neben Geld können Spenden auch Sachzuwendungen umfassen. Problematisch ist jedoch oft die monetäre Umrechnung für die Steuer. Bei Unternehmen bedeutet die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen grundsätzlich, dass sie die darin enthaltenen stillen Reserven realisieren müssen. Wird das Wirtschaftsgut allerdings unmittelbar nach seiner Entnahme einer steuerbegünstigten Körperschaft zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke unentgeltlich überlassen, kann die Entnahme mit dem Buchwert angesetzt werden (Buchwertprivileg). Möglich ist auch der Ansatz zum Teilwert (z. B. wenn bestehende Verluste genutzt werden sollen), für den Spendenabzug ist dann ebenfalls der Teilwert maßgeblich. Der Sonderausgabenabzug ist auf 1.650 Euro pro Kalenderjahr (bei zusammenveranlagten Ehegatten 3.300 Euro) begrenzt. Abgrenzung zum Sponsoring In der Praxis ist die Abgrenzung der Spenden von Sponsoring häufig schwierig. Sponsoring ist als Betriebsausgabe abzuziehen, wenn es betrieblich veranlasst ist. Vorteil: Für den Betriebsausgabenabzug gibt es anders als beim Spendenabzug keine betragsmäßigen Begrenzungen und auch keine so hohen formellen Hürden. Betriebliche Zwecke sind insbesondere in der Werbung und öffentlichkeitswirksamen Außendarstellung des Sponsors zu sehen (z. B. beim Trikotsponsoring). Der Betriebsausgabenabzug kann allerdings bei privater Motivation verwehrt werden. Das gilt auch, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen den Leistungen und dem erstrebten wirtschaftlichen Vorteil besteht. Damit Sponsorengelder von der steuerbegünstigten Empfängerkörperschaft steuerfrei vereinnahmt werden können, darf es sich nicht um Einnahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nach § 14 AO handeln. Sonderfall Parteien Besondere Regeln gelten für einkommensteuerpflichtige Personen bei Zuwendungen an politische Parteien (Mitgliedsbeiträge und Spenden). Als Besonderheit können 50 Prozent der Zuwendungen, höchstens jedoch 825 Euro (1.650 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten), direkt von der tariflichen Einkommensteuer abgezogen werden. Neben diesem vorrangigen Steuerabzug greift der „normale“ Sonderausgabenabzug für Zuwendungen an politische Parteien nur insoweit, als die politischen Spenden 1.650 Euro (bei zusammenveranlagten Ehegatten 3.300 Euro) übersteigen. Ansprechpartnerin [email protected] EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 41 TAX +++ Ticker +++ Bilanzsteuer 1 Dauernde Wertminderung auch bei Konzernrückhalt Der BFH präzisiert seine Aussagen zur (steuerwirksamen) Teilwertabschreibung auf konzerninterne grenzüberschreitende Darlehensforderungen. Laut BFH kann ein Konzernrückhalt auch bei fehlenden (anderen) Sicherheiten für die Fremdüblichkeit des Darlehens sprechen. Daraus sind aber keine zwingenden Rückschlüsse auf die Werthaltigkeit zu ziehen. Gerade, wenn die Tochtergesellschaft auf die Inanspruchnahme des Konzernrückhalts angewiesen ist, um außenstehende Gläubiger zu befriedigen, ist davon auszugehen, dass die Darlehensverbindlichkeit gegenüber der Mutter gesellschaft nicht bedient wird (BFH-Urteil vom 24.06.2015, I R 29/14). Der BFH widerspricht damit der Finanzverwaltung, die bei einem bestehenden Konzernrückhalt bereits eine dauernde Wertminderung verneint (BMF-Schreiben vom 29.03.2011). Hinweis: Der BFH bestätigt die Abschirmwirkung des DBA-Fremdvergleichsgrundsatzes gegenüber nationalen Einkünftekorrekturvorschriften. Danach sind nur Korrekturen möglich, wenn der Zinssatz nicht fremdüblich ist (so bereits BFH-Urteil vom 17.12.2014, I R 23/13). Der BFH ließ erneut offen, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG a. F. vorliegen. Ertragsteuer 2 Keine Organschaft bei atypisch stiller Beteiligung Die Finanzverwaltung will eine atypisch stille Gesellschaft, die am Handelsgewerbe einer Kapitalgesellschaft eine stille Beteiligung nach § 230 HGB hält und als Mitunternehmerschaft qualifiziert, weder als Organgesellschaft nach den §§ 14, 17 KStG noch als Organträgerin nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG anerkennen. Ebenso kann eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, weder Organgesellschaft noch Organträgerin sein (BMF-Schreiben vom 20.08.2015). Vergleichbare Auffassungen vertraten zuvor bereits die OFD Frankfurt (Verfügung vom 30.01.2013) 42 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 und das FinMin Schleswig-Holstein (Erlass vom 04.03.2013). Hinweis: Für am 20.08.2015 bereits bestehende, steuerlich anerkannte Organschaften mit Organträgern, an deren Handelsgewerbe atypisch stille Beteiligungen bestehen, sieht das BMF-Schreiben eine Billigkeitsregelung mit Einzelfallprüfung vor. 3 Keine quellenbezogene Betrachtung bei Anrechnung der Gewerbesteuer Der BFH widerspricht der quellenbezogenen Betrachtung der Finanzverwaltung bei der Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG. Während die Finanzverwaltung für die Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrags jede Einkunftsquelle separat betrachtet und auch eine Saldierung von positiven und negativen Einkünften innerhalb der gleichen Einkunftsart nicht zulässt (BMF-Schreiben vom 24.02.2009, Rz. 16), saldiert der BFH positive und negative Ergebnisse aus verschiedenen Quellen innerhalb einer Einkunftsart (BFH-Urteil vom 23.06.2015, III R 7/14). Hinweis: Bei zusammenveranlagten Ehegatten sind laut BFH positive Einkünfte des einen Ehegatten allerdings nicht mit negativen Einkünften des anderen aus der gleichen Einkunftsart zu verrechnen. 4 Abzugsverbot der Gewerbesteuer verfassungsgemäß Der BFH hat auch bei Personenunternehmen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots der Gewerbesteuer (BFH-Urteil vom 10.09.2015, IV R 8/13). Der BFH überträgt damit die bereits Anfang 2014 vom I. Senat hinsichtlich des Abzugsverbots bei Kapitalgesellschaften geäußerte Auffassung auf die Einkommensteuer. Hinweis: Gegen die Entscheidung des I. Senats (Abzugsverbot bei Kapitalgesellschaften, Urteil vom 16.01.2014, I R 21/12) ist derzeit eine Verfassungsbeschwerde anhängig (2 BvR 1559/14). Lohnsteuer 5 Behandlung von Betriebsveranstaltungen In seinem Anwendungsschreiben vom 14.10.2015 äußert sich das BMF zu den seit 01.01.2015 geltenden neuen Regelungen zur Behandlung von Betriebsveranstaltungen (u. a. Umwandlung der bis 2014 geltenden 110 EuroFreigrenze in einen lohnsteuerlichen Freibetrag). Aus Vereinfachungsgründen bezieht die Finanzverwaltung Arbeitnehmer anderer konzernangehöriger Unternehmen sowie Leiharbeitnehmer mit ein. Bei der Berechnung des Freibetrags will die Finanzverwaltung die Aufwendungen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufteilen. Bei den einzubeziehenden Aufwendungen für den äußeren Rahmen zählt die Finanzverwaltung u. a. auch Kosten, die nur zu einer abstrakten Bereicherung des Arbeitnehmers führen (z. B. Kosten für die Erfüllung behördlicher Aufgaben oder Stornokosten). Anders als bei dem lohnsteuerlichen Freibetrag wirkt die Beschränkung auf 110 Euro umsatzsteuerlich (weiterhin) als Grenze, über der der Vorsteuerabzug bzw. die Zuordnung zu dem Unternehmen insgesamt – und nicht nur darüber hinaus – verloren geht. Für Klarheit sorgt die Übernahme der ebenfalls zum 01.01.2015 erfolgten Erhöhung der Aufmerksamkeitsgrenze für Geschenke von 40 Euro auf 60 Euro in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (Abschn. 1.8 und 15.15 UStAE). Hinweis: Die Regelungen des Anwendungsschreibens gelten grundsätzlich für nach dem 31.12.2014 ausgeführte Sachzuwendungen und Betriebsveranstaltungen. Die Finanzverwaltung beanstandet es allerdings nicht, wenn die umsatzsteuerlichen Grundsätze des Schreibens erst auf nach dessen Veröffentlichung im Bundessteuerblatt ausgeführte Sachzuwendungen und Betriebsveranstaltungen angewendet werden. Umsatzsteuer 6 Verschärfungen der Anforderungen an Rechnungen Der BFH verschärft die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung, die zum Vorsteu- TAX erabzug berechtigt. Nach Auffassung des BFH reicht für die nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderliche Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers (und des Leistungsempfängers) nicht aus, dass die leistende Gesellschaft in der Rechnung die Anschrift eines Buchhaltungsbüros angegeben hat, das für sie die Post entgegengenommen und Buchhaltungstätigkeiten erledigt hat (BFH-Urteil vom 22.07.2015, V R 23/14). Hinweis: Der BFH versteht das Merkmal der „vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers“ damit als eine Anschrift, unter der dieser auch seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Einen Gutglaubensschutz im Festsetzungsverfahren sieht der BFH nicht. Sowohl leistende Unternehmer als auch die Leistungsempfänger sollten daher ein besonderes Augenmerk auf die Anschrift des leistenden Unternehmers legen. 7 Eingreifen der Versandhandelsregelung Wird bei Lieferungen an private Endabnehmer durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten der Gegenstand von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet, liegt der Ort der Lieferung grundsätzlich dort, wo die Beförderung oder Versendung endet (sogenannte Versandhandelsregelung, § 3c Abs. 1 UStG). Der BFH stellt klar, dass es für die Frage, wer die Beförderung oder Versendung durchgeführt hat, in erster Linie darauf ankommt, wem der jeweilige Transport im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls nach objektiven Kriterien zuzurechnen ist. Eine rein rechtliche oder „formularmäßige“ Beauftragung der Beförderung genügt danach nicht. Hierbei kann sehr wohl der andere Vertragspartner immer noch der Beförderer oder Versender sein, wenn er z. B. den Kurierdienst auswählt, die Preise verbindlich vorgibt oder Ort und Zeit der Auslieferung bestimmt (BFH-Urteil vom 20.05.2015, XI R 2/13). Hinweis: Dabei grenzt der BFH seine Rechtsprechung zum Versandhandel von seiner Rechtsprechung zu den Reihengeschäften ab. In einem jüngeren Urteil (BFH vom 25.02.2015, XI R 15/14) hatte der BFH entschieden, dass es bei Reihengeschäften maßgeblich auf das Verschaffen der Verfügungsmacht und dessen Umstände ankomme. 8 Nacherhebung der Umsatzsteuer bei Bauleistungen Anders als das FG Berlin-Brandenburg und das FG Münster haben das FG Düsseldorf und das FG Köln Anträge von Bauunternehmern auf Aussetzung der Vollziehung der vom Finanzamt nacherhobenen Umsatzsteuer aus ihren an Bauträger erbrachten Leistungen abgelehnt (FG Düsseldorf vom 31.08.2015, 1 V 1486/15 und FG Köln vom 01.09.2015, 9 V 1376/15). Hintergrund sind die in 2014 erfolgten Änderungen bei der Abgrenzung zwischen regulärer und umgekehrter Steuerschuldnerschaft im Bereich der Bauleistung (§ 13b Abs. 5 UStG). Nachdem die Finanzverwaltung ihre Auffassung infolge eines BFH-Urteils änderte, änderte der Gesetzgeber den § 13b UStG und schrieb die ursprüngliche Rechtsauffassung der Finanzverwaltung weitestgehend gesetzlich (wieder) fest. Um dem Finanzamt die Nachforderung der Umsatzsteuer vom Leistenden zu ermöglichen, wurde dessen Vertrauensschutz (§ 176 Abs. 2 AO) durch eine Änderung des § 27 Abs. 19 UStG eingeschränkt. Hinweis: Die Frage der (vorläufigen) Nacherhebung der Umsatzsteuer wird damit von den Finanzgerichten unterschiedlich beantwortet (vgl. zugunsten des Erbringers der Bauleistungen die Beschlüsse des FG Münster vom 12.08.2015, 15 V 2153/15 und des FG BerlinBrandenburg vom 03.06.2015, 5 V 5026/15). Neben den jeweiligen Hauptsacheverfahren bleibt auch eine klärende Entscheidung des BFH abzuwarten. 9 Änderung der Bemessungsgrundlage Laut BFH mindert sich die Bemessungsgrundlage des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG nur insoweit, als das Entgelt tatsächlich zurückgezahlt wird. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum der Rückgewähr vorzunehmen (BFHUrteil vom 18.09.2008, V R 56/06). Diese Grundsätze übernimmt die Finanzverwaltung nun auch im Zusammenhang mit der Berichtigung von unrichtig ausgewiesener Umsatzsteuer i. S. v. § 14c Abs. 1 UStG. In Fällen des unberechtigten Steuerausweises i. S. v. § 14c Abs. 2 UStG erfolgt die Berichtigung des geschuldeten Betrags wie bisher nach § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG. Hier kommt es damit anstelle einer Rückzahlung eines zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrags auf die Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens an (BMF-Schreiben vom 07.10.2015, (Abschn. 14c. 1, 14c.2 und 17.1 UStAE n. F.). Hinweis: Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung hat die Urteile durch die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt auch bisher schon angewendet. Mit der Aufnahme in den UStAE ist die Verwaltungsauffassung damit „noch amtlicher“ gemacht. Versicherungsteuer 10 Unbefristete Freistellung von Erlöspools von der Versicherungsteuer Der Bundestag hat am 01.10.2015 das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie (Transparenzanforderungen für Wertpapieremittenten) um eine Neuregelung im Versicherungsteuergesetz ergänzt. Mit dem Ziel der Unterstützung der krisengeplagten Seeverkehrsbranche wird die im Jahre 2013 befristet bis Ende 2015 in § 4 Nr. 11 des Versicherungsteuergesetzes eingefügte Steuerbefreiungsregelung für Schiffserlöspools entfristet. Hinweis: Aus EU-rechtlichen Gründen wird die Regelung darüber hinaus auf sämtliche Formen von Erlöspools ausgeweitet. Das Gesetz wurde am 25.11.2015 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Verfahrensrecht 11 Grenzen der Speicherung digitalisierter Steuerdaten Nach Auffassung des BFH sind datenschutzrechtliche Belange sowie die gesetzlich vorgesehene räumliche Beschränkung des Datenzugriffs bei der Anordnung einer Außenprüfung zu berücksichtigen. Im konkreten Fall ordnete das Finanzamt eine Außenprüfung bei einem Steuerberater an und verlangte unter Hinweis auf die Grundsätze der GDPdU die Herausgabe der digitalen Daten auf einem lesbaren Datenträger zur Verwendung auf dem Notebook des Prüfers. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 43 TAX +++ Ticker +++ Diesem Begehren setzte der BFH Grenzen (BFHUrteil vom 16.12.2014, VIII R 52/12). Hinweis: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es, die Befugnisse nur in dem durch die Zwecke der Außenprüfung gebotenen zeitlichen und sachlichen Umfang unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Steuerpflichtigen am Schutz seiner persönlichen Daten auszuüben. Die Herausgabe der Daten darf nur zur Speicherung und Auswertung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder in den Diensträumen der Finanzverwaltung erfolgen. 12 Grenzen des Informationsaustausches Das FG Köln hat dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einstweilen untersagt, nicht anonymisierte und unabhängig von einer konkreten Besteuerung erhobene Informationen zu Strukturen und Geschäftsmodellen eines Unternehmens der digitalen Wirtschaft mit den sogenannten E6-Staaten auszutauschen. Zu den E6-Staaten gehören außer Deutschland noch Australien, Großbritannien, Japan, Frankreich und Kanada. Diese Staaten hatten im Zusammenhang mit dem BEPS-Aktionsplan der OECD einen weitreichenden Informationsaustausch vereinbart. Diesem Ansinnen der E6-Staaten hat das FG Köln (vorläufig) eine Absage erteilt (Beschluss vom 07.09.2015, 2 V 1375/15). Hinweis: Der geplante Informationsaustausch verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen das deutsche Steuergeheimnis (§ 30 AO). Einen Bezug zu einem konkreten Besteuerungsrecht könne das Gericht nicht erkennen, so dass es für diesen Informationsaustausch auch an einer Rechtsgrundlage fehle. Das zwischenstaatliche Auskunftsverfahren war daher unzulässig. 13 Anwendungsschreiben zum FATCA-Abkommen Am 03.11.2015 hat das BMF das endgültige Schreiben zu Anwendungsfragen im Zusammenhang mit dem FATCA-Abkommen vom 31.05.2013 und der FATCA-USA-Umsetzungsverordnung vom 23.07.2014 veröffentlicht. Das FATCA-Abkommen sowie die zugehörige Verordnung verpflichten deutsche Finanzinstitute, bestimmte Kontodaten von spezifizierten Personen der USA über das Bundeszentralamt 44 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 für Steuern an die amerikanischen Steuerbehörden zu melden. Hinweis: Im Vergleich zur Entwurfsfassung vom 26.06.2015 haben sich in dem aus 288 Textziffern und 71 Seiten bestehenden Schreiben noch verschiedene Änderungen ergeben, die auch Unternehmen außerhalb der Finanzbranche betreffen. Blick über die Grenze 14 Französische Schachtelstrafe bei Bezug von Dividenden aus dem EU-Ausland Nach Auffassung des EuGH verstößt die französische Beschränkung der Dividendenfreistellung auf 95 % der vereinnahmten Dividende (sogenannte „Schachtelstrafe“) gegen die Niederlassungsfreiheit, wenn im vergleichbaren Inlandsfall die Gesellschaften eine Option zur Gruppenbesteuerung („intégration fiscale“) hätten ausüben können und dadurch keine der Schachtelstrafe entsprechende Belastung eingetreten wäre (Urteil vom 02.09.2015, Rechtssache Groupe Steria SCA, Rs. C-386/14). Hinweis: Im Urteil ging es um die Besteuerung von Dividenden, die von im EU-Ausland ansässigen Tochtergesellschaften bezogen und auf Ebene der französischen Muttergesellschaft nur zu effektiv 95 % steuerfrei gestellt wurden. 5 % der Ausschüttung galten als mit der Beteiligung in Zusammenhang stehende nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (ähnlich § 8b Abs. 5 KStG). Dagegen findet innerhalb einer französischen steuerlichen Gruppe, welche nur mit in Frankreich ansässigen Tochtergesellschaften ab einer Mindestbeteiligungshöhe von 95 % begründet werden kann, keine entsprechende Berücksichtigung fiktiver nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben statt. Erbschaftsteuer 15 Abziehbarkeit von Nachlassverbindlichkeiten bei begünstigten Erwerben Stehen Nachlassverbindlichkeiten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit nach § 13a ErbStG teilweise steuerbefreiten Erwerben, ist ein Abzug vom Wert des Vermögensanfalls nur eingeschränkt möglich. Nach § 10 Abs. 6 ErbStG wird grundsätzlich nur ein anteiliger Abzug der Nachlassverbindlichkeiten (Verhältnis zwischen steuerpflichtigem und steuerbefreitem Anteil am begünstigten Vermögen) gewährt. Laut BFH ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang nur zu bejahen, wenn die Schuld ursächlich und unmittelbar aus Vorgängen entsteht, die das Betriebsvermögen betreffen. Somit ist eine Schuld aus einem Untervermächtnis in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeit vom Vermächtniswert abzuziehen, auch wenn sich das Vermächtnis auf den nach § 13a ErbStG begünstigten Erwerb eines Anteils an einer Personengesellschaft richtet (BFH-Urteil vom 22.07.2015, II R 21/13). Hinweis: Außerdem bestätigt der BFH die volle Abzugsfähigkeit einer Verbindlichkeit aus einem Pflichtteilsanspruch für den Fall, dass zum betreffenden Nachlass ein nach § 13a ErbStG (a. F.) begünstigter Kapitalgesellschaftsanteil gehört (BFH-Urteil vom 22.07.2015, II R 12/14). Mit der Einstufung des Pflichtteilanspruchs als „allgemeine Nachlassverbindlichkeit“ widerspricht der BFH der Finanzverwaltung. Sonstiges 16 Wahlrecht auf Nichtanwendung der Abgeltungsteuer Ausschüttungen aus im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen können anstelle der Abgeltungsteuer u. a. dann der Regelbesteuerung (Teileinkünfteverfahren) unterworfen werden, wenn der Anteilseigner zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und für diese beruflich tätig ist. Nach Auffassung des BFH ist dieses Wahlrecht nicht davon abhängig, ob der Anteilseigner aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausüben kann (BFH-Urteil vom 25.08.2015, VIII R 3/14). Hinweis: Ohne es abschließend entscheiden zu müssen, äußerte der BFH auch Zweifel an der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach eine berufliche Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung nicht für das Wahlrecht ausreicht (vgl. BMF-Schreiben vom 22.12.2009 und vom 09.10.2012). EY Tax & Law DE News Ap Lesen Sie p das Tax & Law Mag unsere w azine od öchentlic er hen New unterweg s bequem s und ble iben Sie Entwicklu über aktu ngen des elle Steuerre chts info rmiert. TAX Verfügba r für iOS und A ndroid 17 Antragsfrist für Regelbesteuerung Die Anwendung der Regelbesteuerung (statt der Abgeltungsteuer) für sogenannte unternehmerähnliche Beteiligungen im Privatvermögen wird nur auf Antrag gewährt. Nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 EStG ist dieser Antrag spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung zu stellen. Durch das Wort „spätestens“ hat der Gesetzgeber laut BFH eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Ausübung des Wahlrechts zeitlich durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung befristet ist (BFH-Urteil vom 28.07.2015, VIII R 50/14). Hinweis: An der Frist hat der BFH auch keine verfassungsrechtlichen Zweifel. Die Regelbesteuerung hat u.a. die Nichtgeltung des Werbungskostenabzugsverbots des § 20 Abs. 9 EStG zur Folge. 18 Keine Zweifel an der Höhe der Aussetzungszinsen bis 2011 Der BFH hat für den Zeitraum bis Dezember 2011 keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Höhe der in § 238 AO gesetzlich festgelegten Zinshöhe von 6 % pro Jahr (BFH-Urteil vom 14.04.2015, IX R 5/14). Laut BFH haben sich für den streitigen Zeitraum vom 03.06.2008 bis zum 05.12.2011 die das Zinsniveau bestimmenden Verhältnisse nicht in einer Weise geändert, um von seiner bisherigen Sichtweise abzuweichen. Hinweis: Mangels verfassungsrechtlicher Zweifel konnte der BFH die Frage auch nicht dem BVerfG vorlegen. Ob diese Beurteilung ebenfalls für die Jahre nach 2011 gilt, ließ der BFH unbeantwortet und bleibt daher abzuwarten. 19 Aussetzung der Vollziehung des Solidaritätszuschlags 2012 Das Niedersächsische FG hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Vollziehung eines Bescheides über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags 2012 wegen verfassungsrechtlicher Zweifel aufgehoben (Beschluss vom 22.09.2015, 7 V 89/14). Das FG hatte bereits 2013 den Solidaritätszuschlag auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand des BVerfG gestellt (anhängig unter 2 BvL 6/14). Hinweis: Das FG hat die Beschwerde zum BFH zugelassen. Damit hat letztlich der BFH zu klären, ob ein Aussetzungsinteresse in solchen Fällen gegeben ist. 20 Schornsteinfegerrechnungen als haushaltsnahe Handwerkerleistung Die Finanzverwaltung sah bisher bei Schornsteinfegerleistungen die Mess- und Überprüfarbeiten sowie die Feuerstättenschau nicht als begünstigte Handwerkerleistung i. S. d. § 35a Abs. 3 EStG an. Ab dem Veranlagungszeitraum 2014 mussten daher Schornsteinfegerrechnungen in begünstigte und nicht begünstigte Tätigkeiten aufgeteilt werden (BMF-Schreiben vom 10.01.2014, Tz. 22 und 58). Der BFH dagegen ließ Aufwendungen für die Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage als steuerbegünstigte Handwerkerleistung zum Abzug zu (BFH-Urteil vom 06.11.2014, VI R 1/13). Dem folgend hat die Finanzverwaltung nun ihre Auffassung geändert. In allen noch offenen Steuerfällen gewährt sie die Steuerermäßigung bei Schornsteinfegerleistungen jetzt auch für Aufwendungen für Mess- oder Überprüfarbeiten einschließlich der Feuerstättenschau (BMF-Schreiben vom 10.11.2015). Jetzt auch als ebook verfügbar: Steuer Check-Up 2016 EY bietet Ihnen in Zusammenarbeit mit dem Haufe-Verlag einen kompakten Ratgeber über die steuerlichen Neuerungen für das Jahr 2016 und die Veranlagung 2015 an. Sie können unseren Steuer Check-up kostenlos als Druckversion oder als PDF anfordern. Neu ist in diesem Jahr: Der Steuer Check-up 2016 ist auch als ebook verfügbar und ein Quiz fordert die Steuerexperten unter Ihnen heraus. Zu unserem Bestellformular gelangen Sie über den nebenstehenden QR-Code. Im ebook-Format steht Ihnen der Steuer Check-Up 2016 unter dem u. s. Link zur Verfügung. Alternativ senden Sie uns gerne eine E-Mail an [email protected]. http://shop.haufe.de/steuer-check-up EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 45 TAX Wichtige Steuertermine 28.12.2015 Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat November 2015 31.12.2015 Körperschaftsteuer Gesonderte Feststellung der Beträge der Einlagenrückgewähr bei in anderen EU-Staaten unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften für das Jahr 2014 (§ 27 Abs. 8 Satz 4 KStG) Abgabe von Steuererklärungen Ende der allgemeinen Fristverlängerung Spar- und Wohnungsbauprämie Antrag auf Spar- und Wohnungsbauprämien für das Jahr 2013 11.01.2016 Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung der im Monat Dezember 2015 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Dezember 2015 und Entrichtung der Umsatzsteuer Steuerabzugsbeträge bei beschränkt Steuerpflichtigen Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung der im vierten Kalendervierteljahr 2015 einbehaltenen Aufsichtsratsteuer und der sonstigen Steuerabzugsbeträge bei beschränkt Steuerpflichtigen 20.01.2016 Mini-One-Stop-Shop Elektronische Übermittlung der Steuererklärung für das vierte Kalendervierteljahr 2015 25.01.2016 Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat Dezember 2015 10.02.2016 Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung der im Monat Januar 2016 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Januar 2016 und Entrichtung der Umsatzsteuer 15.02.2016 Gewerbesteuer Vierteljahresrate Grundsteuer Vierteljahresrate 25.02.2016 Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat Januar 2016 28.02.2016 Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung 2015 10.03.2016 Einkommen-, Kirchen- und Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag Vierteljährliche Vorauszahlung Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung der im Monat Februar 2016 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat Februar 2016 und Entrichtung der Umsatzsteuer 28.03.2016 Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat Februar 2016 31.03.2016 Grundsteuer Antrag auf (teilweisen) Erlass der Grundsteuer 2015 wegen wesentlicher Ertragsminderung 11.04.2016 Lohnsteuer Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung der im Monat März 2016 einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat März 2016 und Entrichtung der Umsatzsteuer Steuerabzugsbeträge bei beschränkt Steuerpflichtigen Elektronische Übermittlung der Anmeldung und Abführung der im ersten Kalendervierteljahr 2016 einbehaltenen Aufsichtsratsteuer und der sonstigen Steuerabzugsbeträge bei beschränkt Steuerpflichtigen 20.04.2016 Mini-One-Stop-Shop Elektronische Übermittlung der Steuererklärung für das erste Kalendervierteljahr 2016 25.04.2016 Umsatzsteuer Elektronische Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung (ZM) für den Monat März 2016 Publikationen Bolik, Andreas / Kindler, Cornelia / Das Steueränderungsgesetz 2015 – Unternehmen aufgepasst! / StuB 2015, S. 811 Dworaczek, Michael / Kremer, Melanie / Schätzung aufgrund unverwertbarer Verrechnungspreisdokumentation – Schutz durch aussagekräftige Unterlagen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit / IWB 2015, S. 738 Endert, Volker / Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung? – Einige Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 10.03.2015 – VI R 61/11 / DStR 2015, S. 2472 Faller, Patrick / Schröder, David / EuGH: Auf zehn Jahre gestaffelte Erhebung der Steuer auf Entstrickungsgewinne unionsrechtskonform – Anmerkungen zum Urteil des EuGH vom 21.05.2015 – C-657/13, Verder LabTec GmbH & Co. KG gegen Finanzamt Hilden / DStZ 2015, S. 890 46 Faller, Patrick / Schröder, David / Antrag auf Regelbesteuerung für Ausschüttungen aus Beteiligungen an KapGes. Erfordert keinen maßgeblichen Einfluss auf die KapGes. – Anm. zum BFH-Urteil vom 25.08.2015, VIII R 3/14 / DB 2015, S. 2544 Franke, Verona / Der unionsrechtswidrige Inlandsbezug der § 6b-Rücklage – Anmerkungen zum EuGH-Urteil vom 16.04.2015 und der Reaktion des Gesetzgebers / StB 2015, Heft 9, I Goebel, Sören / Ungemach, Markus / Gehrmann, Sebastian / Wesentliches zur Abzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 1 EStG – Überblick über die relevanten materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fragestellungen / IWB 2015, S. 793 Kestler, Achim / Zur Anwendung der steuerlichen Grundsätze zum Drittaufwand bei Kapitalgesellschaften: Ausgewählte Praxisfälle im M&A-Kontext / DStR 2015, S. 2465 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Königer, Stefan / Entwurf des ErbStAnpG: Die geplanten Begünstigungen für Unternehmensvermögen aus steuerplanerischer Sicht / ErbStB 2015, S. 256 Königer, Stefan / Mack, Martin / Erbschaftsteuer 3.0 – Eine Analyse der Steuerwirkungen des derzeitigen und geplanten Rechts auf Grundlage eines Entscheidungsmodells / BB 2015, S. 2647 Reiss, Stephan / Han, Jung-Ah / Anforderungen an die Sicherheit von Zahlungen im Internet – Neue Mindestanforderungen der BaFin veröffentlicht / NWB 2015, S. 3263 Reiter, Christian / Erbschaftsteuerplanung: Die österreichische Privatstiftung – Das unbekannte Wesen in der internationalen Erbschaftsteuerplanung / ISR 2015, S. 225 Riegel, Martin / Walke, Michael / Wann verletzt der zwischenstaatliche Informationsaustausch das Steuergeheimnis – Anmerkungen zum Beschluss des FG Köln vom 07.09.2015 / BB 2015, S. 2719 Ortmann-Babel, Martina / Gauß, Hermann Ottmar / Steueränderungsgesetz 2015 verabschiedet / DB 2015, S. 2470 Prätzler, Robert / Stuber, Jürgen / Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Immobilien / StB 2015, S. 264 Pyszka, Tillmann / Die US-amerikanische LLC mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland – Handelsund gesellschaftsrechtliche Aspekte in den USA und Deutschland / GmbHR 2015, S. 1077 Ungemach, Markus / Kraft, Gerhard / Abkommensrechtliche Zuordnung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zu einer geschäftsleitenden HoldingBetriebsstätte / DStZ 2015, S. 716 Wissenschaftlicher Beirat Steuern EY / § 50i EStG: Kein Verlass auf den Erlass / DER BETRIEB Nr. 46 / M5 eNewsletter Tax 2015 Bleiben Sie mit uns am Puls der Steuergesetzgebung. eNL 23-07-2015 eNL 19-03-2015 InvStRefG: Steuerpflicht von Streu besitzveräußerungen ab 2018 geplant eNL 09-07-2015 Deutschland bereitet Mit dem gestern durch das BMF veröffentlichten DiskussionsentRatifizierung des interwurf, will das BMF die bereits ange eNL 08-01-2015 nationalen Amtshilfe- kündigte Einbeziehung der VeräuÜbereinkommens vor ßerungsgewinne aus Streubesitz in Bundesregierung die Steuerpflicht umsetzen … Deutschland beabsichtigt das interbringt Bilanzrichtlinienationale Übereinkommen über die Umsetzungsgesetz gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen aus dem Jahr 1988 sowie (BilRUG) auf den Weg Einladung zum Webcast Quarterly „Wie BilRUG das HGB ändert; außerdem Tax Radar – welche Änderungen Sie beachten müssen“ Umfangreiche EU-Vorgaben wurden im Zuge des BilRUGs in das HGB aufgenommen. Das Bilanzdas dazugehörige Änderungs richtlinie-Umsetzungsgesetz (BilEin wesentlicher Aspekt der geän eNL 30-04-2015 protokoll aus 2010 zu ratifizieren … RUG) wurde vom Bundestag am derten bilanzrechtlichen Vorschrif eNL 13-05-2015 18.06.2015 beschlossen. Verten des HGB ist die Anhebung der EY die veröffentlicht tagt wurde dagegen Idee, den finanziellen Schwellenwerte der Zeitraum für dieS Berechnung desErbschafttudie zur BMF: Vorrats §§ 267, 293 HGB sowie die Defini für die tion der Umsatzerlöse in § 277 nach der Durchschnittszinssatzes steuer bewertung eNL 21-05-2015 Abzinsung langfristiger RückstelAbs. 1 HGB … LIFO Methode In die aktuelle Debatlungen handelsrechtlich auf 10politische bis te zu den anstehenden erbschaftIm Steuerrecht darf nach § 6 15 Jahre auszudehnen … BMF: Entwurf der bzw. schenkungsteuerlichen NeuAbs. 1 Nr. 2a EStG für die Bewerneuen Körperschaftregelungen hat sich EY mit einem tung des Vorratsvermögen untereigenen Kompromissvorschlag einsteuerrichtlinien stellt werden, dass die jüngst eNL 21-05-2015 gebracht … angeschafften oder hergestellten Von den Anpassungen der neu Wirtschaftsgüter zuerst verbraucht gefassten KörperschaftsteuerTax news for Germanoder veräußert worden sind (Last Richtlinien sind u.a. auch die Regelungen aufgrund der sog. kleinen outbound investors: In First Out; LIFO). Die Vorschrift eNL 02-07-2015 enthält dabei eine Ausnahme vom Organschaftsreform durch das UK führt diverted Einzelbewertungsgrundsatz und Unternehmensteuerreformgesetzprofits tax ein eNL 03-09-2015 soll eine Bewertungsvereinfachung (UntStRefG) … BMF: Aktualisierte In einem Versuch, noch vor erreichen und die Besteuerung von Taxonomien für Abschluss des OECD BEPS-Projekts Scheingewinnen vermeiden Neues… Doppelbesteue E-Bilanz veröffentlicht Maßnahmen gegen internationarungsabkommen mit le Gewinnverlagerung zu ergreiDie überarbeitete Version der China nicht vor 2017 E-Bilanz-Taxonomie 5.4 ist grundfen, hat das Vereinigte Königreich eNL 05-10-2015 zum 01.04.2015 eine neue Steuer anwendbar sätzlich für die Übermittlung von von 25 % auf „umgeleitete GewinDer Abschluss des für die Ratifi- Wirtschaftsjahren anzuwenden, die OECD veröffentlicht ne“ eingeführt … kation und damit das Inkrafttre- nach dem 31.12.2015 beginnen … finale BEPS-Berichte Soeben hat Pascal Saint-Amans, Direktor des OECD Centre for Tax Policy and Administration (CTPA), auf einer Pressekonferenz in Paris die finalen Berichte zum OECD/ G20-Projekt Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) präsentiert … ten des DBA notwendigen Gesetzgebungsverfahrens ist allerdings erst für Dezember 2015 vorgese eNL 26-03-2015 hen. Gestern hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf für das Umsetzungsgesetz zum neuUpdate Gesetzgebung en Doppelbesteuerungsabkommen Seit Jahresbeginn hat die Bundes(DBA) regierung bereits eine ganze Reihemit China beschlossen … steuerpolitisch relevanter Gesetzgebungsverfahren angestoßen und weitere befinden sich bereits in Sichtweite … Wenn Sie unseren eNewsletter Tax schon bekommen, dürften Ihnen diese Meldungen bekannt vorkommen. D iejenigen von Ihnen, die ihn noch nicht erhalten, können sich mittels E-Mail an [email protected] gerne für den eNewsletter registrieren. Wir bereiten für Sie die wichtigsten Entwicklungen des Steuerrechts, relevante Urteile und Informationen der Finanzverwaltung in prägnanter und zusammengefasster Form auf. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 47 Eine europäische Option – nicht nur für Große An der SE finden auch Mittelständler zunehmend Gefallen. Unternehmen an der Schwelle von 500 oder 2.000 Beschäftigten profitieren in puncto Mitbestimmung. Und selbst bei der Frauenquote gibt es eine Besonderheit. B ASF begründete seine Umwandlung von der AG zur SE damit, „die Beteiligung unserer europäischen Arbeitnehmer zu stärken. Gleichzeitig schaffen wir mit der Verkleinerung des Aufsichtsrats auf zwölf Mitglieder die strukturelle Voraussetzung für eine weiter verbesserte Corporate Governance“. Der Springer-Verlag, der sich vor zwei Jahren in eine Europa AG umwandelte, wollte damit „die europäische und internationale Marktausrichtung des Unternehmens unterstreichen und erleichtern“. Es gibt eine Reihe guter Argumente, die für die Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft sprechen – kurz SE nach ihrem lateinischen Namen Societas Europaea. Dabei sticht die SE nicht nur bei Konzernen, sondern gewinnt gerade auch bei mittelständischen Unternehmen Anhänger. Nationale Wurzeln Die SE basiert auf einer föderalen EU-(Kompromiss-) Lösung. Das bedeutet in der Praxis, dass sie in jedem EUMitgliedsland etwas anders ausgestaltet sein kann. Grundlage dafür ist die Verordnung (EG) 2157/2001 des Europäischen Rates, die unter anderem die Gründungsvoraussetzung enthält, dass nämlich eine SE stets ein „europäisches Element“ enthalten muss. Das heißt, dass die gründenden Unternehmen – oder ihre Tochtergesellschaften beziehungsweise Niederlassungen – dem Recht verschiedener EU- oder EWR-Länder unterliegen müssen. Beliebt in Deutschland Die Einzelheiten werden national geregelt, in Deutschland beispielsweise durch das SE-Ausführungsgesetz (SEAG) und das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG). Europäisch aufgestellte Unternehmen, die zwischen mehreren Firmensitzen wählen können, sollten daher genau prüfen, nach welchem SE-Recht sie firmieren wollen. Deutschland ist dabei offenbar nicht die schlechteste Wahl. Fast die Hälfte der operativ tätigen SEs hat ihren Sitz in Deutschland. Zu den bekannteren Unternehmen, die in Kürze ihre Rechtsform europäisieren wollen, zählt die Deutsche Börse AG, die den Schritt für 2016 angekündigt hat. Entwicklung der eingetragenen SEs in Europa 5 132 454 2005 2007 2009 1.018 2011 2.052 2013 2.445 2015 Quelle: etui ; Stand 16.10.2015 48 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 1.723 © Martyn Goddard / Corbis SE-Land Tschechien In Tschechien gibt es die meisten eingetragenen SE-Gesellschaften. Darunter befindet sich eine große Anzahl an Vorratsgesellschaften, die über Finanzierungs modelle hohe Flexibilität in der Praxis bieten. Die Porsche Automobil Holding firmiert seit 2007 als Europäische Aktiengesellschaft (SE). 353 Freie Sitzwahl schaftsrechts zu befreien. Dazu zählen etwa eine straffere Zusammenarbeit im Aufsichtsrat oder, falls man sich für die sogenannte monistische Gesellschaftsstruktur entscheidet, ein geringerer Verwaltungs- und Kostenaufwand in der Führung. Bei einer SE stehen nämlich zwei Führungsstrukturen zur Auswahl. Das dualistische System knüpft an die in Deutschland bekannte Kombination von Vorstand und Aufsichtsrat an. Das monistische System folgt derweil dem angelsächsischen Board, das ein einheitliches Führungsorgan mit dem Verwaltungsrat (Directors) und geschäftsführenden Direktoren (Officers) bildet (siehe Kasten). Dieses dem deutschen Gesellschaftsrecht bislang fremde System können Unternehmer nun mittels einer SE-Konstruktion einführen. Vor allem für Familienunternehmen handelt es sich um eine interessante A lternative. Gerade die Internationalisierung, die die Deutsche B örse AG als Hauptargument für die Umwandlung nennt, ist ein bedenkenswerter Aspekt für grenzüberschreitend tätige Unternehmen. Wer erst einmal die durchaus komplexe und komplizierte Gründung einer SE bewältigt hat, wird in der anschließenden Alltagsarbeit durch mancherlei Vorzüge in der Unternehmensführung belohnt: Im Gegensatz zu den nationalen Gesellschaftsformen, wie GmbH und AG, kann die SE ihren Verwaltungs- und Satzungssitz von einem EU-/EWR-Mitgliedstaat in einen anderen verlegen und damit nationale Vorteile einer anderen R echtsordnung nützen. Insbesondere können Unternehmen mit all ihren Zweigniederlassungen im Europäischen Wirtschaftsraum einheitlich unter der Rechtsform einer SE auftreten. Mitbestimmung einfrieren Dual oder monistisch Die Möglichkeit, die Arbeitnehmerbeteiligung flexibler zu gestalten, ist ein weiterer Vorzug der SE. Zwar gibt es eine Vorher-Nachher-Regel, die besagt, dass die Mitbe- Zudem bietet die Europa-AG die Chance, sich aus dem teilweise doch sehr engen Korsett des deutschen Gesell- 111 Eingetragene SEs gesamt 53 34 35 FRA NLD 26 1 1 1 2 2 3 3 4 4 4 5 PRT BGR FIN ITA LTU DEN POL LVA ESP NOR HUN 5 6 7 8 9 10 SWE EST MLT BEL LIE IRL 17 18 CYP AUT LUX GBR SVK DEU CZE Quelle: etui ; Stand 16.10.2015 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 49 LAW SE-Option: Das angelsächsische Führungssystem Das britische und amerikanische „Board of Directors“ entspricht dem monistischen Verwaltungsrat, der in einer SE anstelle des in einer Aktiengesellschaft üblichen dualistischen Systems von ausführendem Vorstand und kontrollierendem Aufsichtsrat möglich ist. Der Verwaltungsrat leitet die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Er trägt die Letztverantwortung für die Unternehmenspolitik und die Unternehmensleitung, ohne selbst im Tagesgeschäft aktiv sein zu müssen. Das Tagesgeschäft leiten die geschäftsführenden Direktoren. Ein Mitglied des Verwaltungsrats kann auch zu einem geschäftsführenden Direktor bestellt werden. Diese im angelsächsischen Raum verbreitete Doppelfunktion – eine Person nimmt neben ihrer Rolle als President of the Board of Directors auch die Aufgabe des Chief Executive Officer wahr – erlaubt das deutsche Recht sonst nicht. Das kommt auch internationalen Konzernen entgegen, die in Deutschland ein kapitalmarktfähiges Unternehmen führen möchten. Während der Vorstand einer AG weder von den Eigentümern noch von seinem Aufsichtsrat angewiesen werden kann, erlaubt die Rechtsform einer SE mit dem Verwaltungsrat einen direkten Durchgriff vom Eigentümer auf das geschäftsführende Organ. Die Konzernmutter kann damit ihre Geschäftspolitik auf direktem Wege sehr viel müheloser durchsetzen, als dies in der Regel bei einer AG der Fall ist. Die monistische Option erlaubt zudem relativ schlanke und kostensparende Führungsstrukturen. Überschreitet das Grundkapital einer SE nicht die Summe von drei Millionen Euro, darf der Verwaltungsrat aus nur einem Mitglied bestehen. Dieses braucht wiederum nur einen geschäftsführenden Direktor (in diesem Fall nicht personenidentisch) bestellen. Hierin besteht auch ein Anreiz für mittelständische Unternehmen. Bei Familienbetrieben erlaubt das Board-System einen gleitenden Wechsel des Seniorchefs vom operativen Geschäft in eine strategische Position im Hintergrund. Monistisches System Dualistisches System Hauptversammlung Hauptversammlung wählt wählt Verwaltungsrat Verwaltungsrat Unternehmensleitung und Weisungsbefugnis Aufsicht ohne Weisungsbefugnis Personelle Überschneidung möglich Keine Personenidentität möglich geschäftsführende Direktion Ausführungsorgan / Vertretung geschäftsführende Direktion Unternehmensleitung / Vertretung stimmungsrechte, die zum Zeitpunkt der Bildung einer Europa-AG existieren, in den jeweiligen Gesellschaften beziehungsweise Gesellschaftsteilen nicht eingeschränkt werden dürfen. Doch vom Bestandsschutz abgesehen, finden nationale Regelungen zur Mitbestimmung – in Deutschland das Drittelmitbestimmungsgesetz ab 500 Beschäftigten bzw. ab 2.000 Beschäftigten das Mitbestimmungsgesetz – auf die SE keine Anwendung. Das bei Gründung bestehende Mitbestimmungsniveau wird ein gefroren. Überschreitet eine SE später die Grenze von 500 oder 2.000 Arbeitnehmern, so ändert sich bei der Mitbestimmung nichts. Keine gesetzliche Quote für Frauen Dies betrifft auch die Frauenquote, die in Deutschland für börsennotierte, mitbestimmte Unternehmen zwingend gilt. Wächst die Zahl der Arbeitnehmer bei einem mitbestimmungsfreien Start-up, das in eine SE umgewandelt wurde, über die Schwellenwerte, so findet die Frauenquote auch bei späterem Börsengang keine Anwendung. Auch liegt es im Ermessen der Eigentümer der SE, den Aufsichtsrat zu verkleinern. So reduzierte die BASF ihren 20-köpfigen AG-Aufsichtsrat auf einen zwölfköpfigen SEAufsichtsrat. Auch dies kann nach Einführung der Frauenquote hilfreich sein. Wenn das Unternehmen es nicht rechtzeitig schaffen sollte, genügend Kandidatinnen in den Aufsichtsrat zu berufen, bleibt die Verkleinerung des Aufsichtsrats einer SE eine gangbare Alternative. Für die einvernehmliche Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitnehmerbeteiligung müssen jedoch zwingende Verfahrensregeln nach dem SE-Beteiligungsgesetz beachtet werden. Vorerst außer Konkurrenz Bis auf weiteres wird die SE die einzige europäische Kapitalgesellschaft bleiben, die diese Vorteile bieten kann. Die Pläne für eine Europa-GmbH (Societas Privata Europaea, SPE) sind vorerst gescheitert, weil die Mitgliedstaaten keinen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Stattdessen gibt es Pläne für eine europäische Einmann-GmbH, die Societas Unius Personae (SUP), die ähnlich wie die Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) nur über ein sehr geringes Stammkapital verfügen soll. Wann und in welcher Form dieser Gesellschaftstyp umgesetzt wird, ist aber völlig ungewiss. Ihr Autor Dr. Cornelius Grossmann Partner / Rechtsanwalt Managing Partner Law Germany Switzerland Austria und Global Law Leader [email protected] 50 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 LAW Höhere Gewalt Bei Streiks drohen nicht nur Verspätungen, sondern auch finanzielle Schäden. Ein Blick auf die Rechtslage. O b in der Luft, bei Post oder Bahn – an verschiedenen Fronten finden Arbeitskämpfe mit spontanen, kurzen oder langen Streiks statt. Zu den Leidtragenden zählen auch Beschäftigte und Unternehmen. Immer wieder stellt sich die Frage nach der Haftung für entstandene Schäden durch streikbedingte Verspätungen. Die Antwort ist für die Betroffenen meist negativ. In aller Regel bleibt man auf den Folgen der streikbedingten Verspätungen sitzen. Empfehlenswert ist es daher, zumindest bei angekündigten Streiks auf Alternativen zu setzen. Bahnstreik Grundsätzlich bekommt ein Bahnreisender den F ahrpreis erstattet, wenn sein Zug sich verspätet oder ausfällt. Dies gilt auch im Fall von Streiks. Von der Entschädigung ausgenommen sind jedoch Folgeschäden. Wenn man mit dem Zug zum Flug möchte, sollte man an Streiktagen auf alternative Fortbewegungsmittel setzen, denn für versäumte Flüge haftet die Bahn nicht. Auch auf eine freiwillige Entschädigung seitens der Bahn wartet man in aller Regel vergebens. Im Berufsleben gilt: Grundsätzlich ist jeder Arbeitnehmer selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen; er trägt das sogenannte Wegerisiko. Auch ist jeder selbst dafür verantwortlich, wie er zur Arbeit gelangt. Wer streikbedingt zu spät oder gar nicht bei der Arbeit erscheint, hat keinen Anspruch auf Lohn. Schlimmstenfalls können eine Abmahnung oder bei Wiederholungen sogar eine Kündigung die Konsequenz sein. Gleiches gilt, wenn man wegen des Bahnstreiks wichtige Geschäftstermine nicht rechtzeitig oder gar nicht erreicht und dadurch einen wirtschaftlichen Schaden davonträgt. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Bahn besteht in all diesen Fällen grundsätzlich nicht. Daher gilt: An Streiktagen sollten Arbeitnehmer entweder ausreichend Anfahrtszeit einplanen oder ganz auf alternative Fortbewegungsmittel setzen. Man kann mit dem Arbeitgeber an Streiktagen aber auch flexible Arbeitszeiten vereinbaren oder ganz im Home Office arbeiten. • Anzahl der verlorenen Arbeitstage der Streikenden in Deutschland 592.995 600.000 428.739 500.000 310.149 400.000 247.460 149.584 200.000 78.785 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 (1. HJ) Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Streikstatistik 2014, eigene Recherche © v. l. n. r.: picture alliance / ZB; picture alliance / dpa; Getty Images News; Getty Images News EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 51 LAW Poststreik Der Anteil bei der Deutschen Post AG, der auf Geschäftspost entfällt, beträgt rund 85 Prozent des gesamten Briefverkehrs. Viele Sendungen sind zeitsensibel. Entsprechend hoch kann der Schaden durch eventuelle Verspätungen sein. Grundsätzlich kann die Post für verspätete Zustellungen nicht haftbar gemacht werden, da sie in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen das Haftungsrisiko im Streikfall ausgeschlossen hat. Das gilt auch bei Einschreiben. Das Risiko, dass ein Brief oder ein Paket rechtzeitig beim Empfänger ankommt, trägt grundsätzlich der Absender. Sollte trotz rechtzeitigen Absendens beispielsweise eine Kündigung erst nach Ablauf der Frist beim A rbeitnehmer eintreffen, verlängert sich der Arbeitsvertrag bis zum nächstmöglichen Kündigungszeitpunkt. Bei langen Kündi gungsfristen im Arbeitsvertrag oder Kündigungen zu bestimmten Stichtagen kann dies durchaus m ehrere Monate ausmachen. Bei einem angekündigten Streik empfiehlt es sich daher, die Kündigung auf andere W eise zuzustellen, z. B. durch persönliche Aushändigung oder per Boten. Flugstreik Auch Flugstreiks können gravierende Folgen für (Geschäfts-)Reisende mit sich bringen. Ansprüche, die Passagiere geltend machen können, stehen in der Fluggastrechteverordnung (EG Nr. 261/2004). Bei streikbedingten Flugausfällen oder Verspätungen gibt es keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen, wie es in aller Regel bei technischen Störungen oder in manchen Fällen bei wetterbedingten Flugplanabweichungen der Fall sein kann. In gleich zwei Urteilen entschied der Bundesgerichtshof, dass Streiks „außergewöhnliche Umstände“ seien, die von Fluggesellschaften nicht beherrscht werden könnten (BGH vom 21. August 2012, X ZR 138/11; X ZR 146/11). Auch wenn Fluggesellschaften bei Streik keinen Schadensersatz an ihre Fluggäste zahlen müssen, sind sie nach Art. 8 und 9 der Fluggastrechteverordnung jedoch verpflichtet, Versorgungsleistungen zu erbringen. Dazu zählen je nach Dauer der Verspätung und Flugstrecke Mahlzeiten und Getränke, kostenlose Telefonate oder andere Mittel der Kommunikation (z. B. Versenden von E-Mails) und sogar Hotelunterbringungen (einschließlich Hin- und Rücktransfer). Ferner haben die betroffenen Passagiere wahlweise einen Anspruch auf: • Erstattung des Ticketpreises, • Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt, • Ersatzweise Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, • Ersatzweise Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren (beliebigen) Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes. 52 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Unsicherheit über den Datentransfer in die USA Welche Konsequenzen Unter nehmen aus der Safe-HarborEntscheidung des EuGH ziehen müssen. S elbst Bundeskanzlerin Angela Merkel tut sich mit dem Beschluss des Europäischen Gerichtshofes schwer. „Das Safe-Harbor-Urteil hat mehr Fragen aufgeworfen als Sicherheit geschaffen“, sagt die Regierungschefin beim Tag der deutschen Industrie Anfang November in Berlin. Weiter erklärte die Kanzlerin, Freiheit und Sicherheit seien zentrale Fragen im digitalen Zeitalter. Auch die Wirtschaft ist verunsichert, seit sie sich nach dem EuGH-Urteil vom 6. Oktober 2015 bei der Übermittlung personenbezogener Daten in die USA nicht länger auf die sogenannte Safe-Harbor-Entscheidung der EUKommission (Entscheidung 2000/52/EU) stützen kann. Nun müssen Unternehmen, die Daten über den Atlantik übermitteln, diese rechtlich neu untermauern. Safe Harbor Die Übermittlung personenbezogener Daten in ein Land außerhalb der Europäischen Union ist gemäß Art. 25 der Richtlinie 95/46/EG nur dann zulässig, wenn das Drittland ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleisten kann. Obwohl die USA aus europäischer Sicht keine entsprechenden Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten vorweisen können, schuf die EU-Kommission mit der sogenannten Safe-Harbor-Entscheidung eine rechtliche Grundlage für den Datentransfer in die USA. Danach waren solche Unternehmen als sicherer Hafen mit angemessenem Datenschutzniveau anzusehen, die sich nach den sogenannten Safe-Harbor-Richtlinien bei der Federal Trade Commission (FTC) zertifiziert hatten. Schrems . /. Facebook Der Österreicher Maximilian Schrems war seit 2008 Mitglied bei Facebook. Im Zuge der Enthüllungen von Edward Snowden über Ausspähungen der US-Geheimdienste legte Schrems bei der irischen Datenschutzbehörde eine Beschwerde über die Facebook Ireland Ltd. ein und verlangte, dieser die Datenübermittlung in die USA zu untersagen. Die Beschwerde wurde unter Verweis auf das LAW Von New York bis Rom: Mit einer Gesamtlänge von 4.704 Seemeilen wurde die erste Direkt verbindung zwischen den Vereinigten Staaten und Südeuropa im Januar 1925 am Rockoway Beach an Land gezogen. bestehende Safe-Harbor-Abkommen abgewiesen. Doch Schrems ließ nicht locker, der Fall landete beim EuGH und dieser erklärte die Safe-Harbor-Entscheidung für ungültig. In ihrer Begründung hoben die Luxemburger Richter hervor, dass in den USA der generelle Zugriff auf elektronische Kommunikation durch dortige Behörden den Wesensgehalt des europäischen Grundrechts auf Achtung des Privatlebens verletze. Gleichzeitig gäbe es für EU-Bürger keine Möglichkeit, per Rechtsbehelf die Löschung ihrer Daten zu verlangen. Damit könne das Safe-Harbor-Abkommen seiner ursprünglich angedachten Funktion des Schutzes der Grundrechte europäischer Bürger nicht genügen. Konsequenzen für den Unternehmensalltag Die Entscheidung des EuGH betrifft alle Unternehmen, die auf Basis des Safe-Harbor-Abkommens personenbezogene Daten aus der EU in die USA übermitteln. Das gilt auch für Unternehmen, die zur Verarbeitung personenbezogener Daten etwa Cloud- oder E-Mail-Dienste von Anbietern in den USA in Anspruch nehmen. Jetzt müssen betroffene Unternehmen ihre Datenströme in die USA inventarisieren und prüfen, wie sie sich in Sachen Datenschutz rechtlich absichern. Unternehmen sollten auf keinen Fall mehr den Datentransfer ausschließlich auf die nun ungültige Safe-Harbor-Entscheidung stützen. Die Aufsichtsbehörden haben angekündigt, dies mit Bußgeld zu ahnden – und zwar ohne Übergangsfrist. Alternativen Mittlerweile haben sich sowohl die europäische Artikel 29 Gruppe (die Vertreter der obersten Datenschutzauf- sichtsbehörden aller 28 EU-Mitgliedstaaten) vereint, als auch der Zusammenschluss der deutschen Datenschutzbehörden von Bund und Ländern positioniert und gangbare Wege aufgezeigt. Aus beiden Stellungnahmen ist zu entnehmen, dass EU-Standardvertragsklauseln und BCR (Binding Corporate Rules, die ein Genehmigungsverfahren vor den nationalen Datenschutzbehörden durchlaufen haben) grundsätzlich ein probates Mittel sind, um das angemessene Datenschutzniveau beim Empfänger – auch in den USA – sicherzustellen. Allerdings haben die deutschen Datenschutzbehörden angekündigt, dass sie aktuell keine BCR, die auch die Übermittlung in die USA legitimieren sollen, mehr genehmigen würden. Für Unternehmen, die noch nicht über genehmigte BCR verfügen, scheidet diese Lösung zumindest in Deutschland also aus. Auch eine weitere Möglichkeit, die sowohl die Datenschutzrichtlinie als auch das deutsche BDSG vorsehen – nämlich die Einwilligung der Betroffenen – dürfte sich in der Praxis nicht als tauglich erweisen. Die deutschen Datenschutzbehörden haben hierzu klargestellt, dass die Einwilligung der Betroffenen nur in Ausnahmefällen einen Datentransfer rechtfertigen könne. Für die massenhafte Übermittlung von personenbezogenen Daten sei dieser Weg grundsätzlich ungeeignet. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt die EU-Kommission. Auch wenn die EUKommission derzeit in Verhandlungen mit den USA über neue Safe-Harbor-Regelungen steht, dürfen Unternehmen nicht auf ein rasches neues Abkommen hoffen. Vielmehr sollten Unternehmen nun ihren transatlantischen Datentransfer überprüfen und im Zweifel die EU-Standardvertragsklausen einsetzen, die die gesamten inventarisierten Datenströme abdecken. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 53 LAW Intensiver und kürzer kontrollieren Für Aufsichtsräte gibt es im Deutschen Corporate Governance Kodex wichtige Änderungen. D ie Überwachung von Unternehmen durch ihre Aufsichtsräte wird immer wichtiger. Das hat Folgen für die Aufsichtsratsmitglieder selbst, die sich intensiver um die ihnen anvertrauten Gesellschaften kümmern müssen. Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex zieht daraus laufend Konsequenzen und hat ihren Kodex in diesem Jahr erneut angepasst. Diesmal versucht die Kommission der gestiegenen zeitlichen Belastung der Aufsichtsräte durch eine höhere Anzahl an Ausschüssen und dadurch vermehrte Sitzungen, mehr Fortbildungen und ein größeres Zeitbudget für die Vor- und Nachbearbeitung von Aufsichtsratssitzungen gerecht zu werden. Gemäß der jüngsten Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodexes (DCGK) soll sich der Aufsichtsrat vor der Aufnahme eines neuen Mitglieds vergewissern, dass der Vorgeschlagene dem anfallenden Zeitaufwand für die Tätigkeit als Aufsichtsrat gerecht werden kann. Dies soll dem Aspiranten auch vor Augen führen, was das Amt als Aufsichtsrat mit sich bringt. Hinzu kommt eine verschärfte Präsenzpflicht. Bislang empfahl der DCGK, einen Vermerk im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung aufzunehmen, falls ein Aufsichtsratsmitglied in einem Geschäftsjahr an weniger als der Hälfte der Aufsichtsratssitzungen teil genommen hat. Nun lautet der maßgebliche Schwellenwert auf die Teilnahme an der „Hälfte der Sitzungen ... oder weniger“. Erhöhte Präsenzpflicht Ob sich die „Hälfte“ jeweils auf die Aufsichtsrats- oder Ausschusssitzungen oder insgesamt auf alle Sitzungen bezieht, ist nicht ausdrücklich geregelt. Der Wortlaut lässt eher darauf schließen, dass alle Arten von Sitzungen gemeint sind. Demnach könnte das Fehlen in Aufsichtsratssitzungen durch eine vermehrte Teilnahme an Ausschusssitzungen kompensiert werden – und umgekehrt. Offen bleibt zudem die Frage, ob das Aufsichtsratsmitglied jeweils während der gesamten Dauer einer Sitzung anwesend sein muss. Der Kodex stellt darüber hinaus klar (entsprechend der bisher herrschenden Meinung zu § 108 AktG), dass eine physische Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder an den Sitzungen nicht erforderlich 54 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 ist. Eine Teilnahme per Telefon- oder Videokonferenz soll nun ausdrücklich zulässig sein. Ständiger Wechsel Der DCGK plädiert ferner für eine höhere Fluktuation in den Aufsichtsräten. Um einen häufigeren Personalwechsel zu gewährleisten, sollen die Aufsichtsräte ihre zu benennenden Ziele für die eigene Zusammensetzung dahingehend ergänzen, dass auch eine „Regelgrenze für die Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat“ festgelegt wird. Nach Überschreiten dieser zeitlichen Obergrenze soll der Aufsichtsrat die betroffenen Mitglieder im Regelfall nicht mehr zur Wiederwahl vorschlagen. Konkrete Hinweise über die Ausgestaltung der Regelgrenze – etwa nach Amtszeiten oder Jahren der Amtszugehörigkeit – macht der DGCK nicht. Die Europäische Kommission hatte beispielsweise bereits 2005 empfohlen, die Wiederwahlmöglichkeit für maximal drei Amtsperioden zuzulassen, was einer Zugehörigkeitsdauer von höchstens 15 Jahren entsprochen hätte. Die DCGK Kommission überlässt die Bestimmung allein dem Aufsichtsrat, der hierüber durch Beschluss entscheidet. Mischung wichtig Die feste Höchstdauer der Amtszugehörigkeit ist auch einer der Hauptkritikpunkte an den aktuellen Änderungen des DCGK. Weder Gegner noch Befürworter einer Höchstzugehörigkeitsdauer halten die Regelung für gelungen. Sie erkennen zwar grundsätzlich das mit der Empfehlung verfolgte Ziel, der „Betriebsblindheit“ eines Aufsichtsratsmitglieds vorzubeugen, an. Die Befürworter befürchten jedoch, dass mangels Vorgaben der Kommission entweder gar keine oder eine sehr lange Zugehörigkeitsdauer festgelegt wird. Die Gegner argumentieren, dass es in der Praxis ohnehin schon schwierig ist, überhaupt geeignete Kandidaten in ausreichendem Maße zu finden. Hinzu kommt: Erreichen alle Mitglieder gleichzeitig die gesetzte Höchstdauer, ist der Aufsichtsrat vollständig neu zu besetzen. Das aber würde dem Ziel widersprechen, eine ausgeglichene Mischung aus erfahrenen und neuen Aufsichtsratsmitgliedern zusammenzustellen. © LOOK / Getty Images Die 14. Konferenz Deutscher Corporate Governance Kodex stand unter dem Motto „Selbstregulierung oder staatliche Vorgaben – Chancen für mehr Freiheit?“. Der abendliche Empfang fand am Pariser Platz in Berlin statt. Über den Kodex Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält Regelungen zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften, die im Wesentlichen im Aktiengesetz geregelt sind. Hinzu kommen international und national anerkannte Standards zur Unternehmensführung in Form von Empfehlungen und Anregungen. Wichtige Ziele des DCGK sind mehr Transparenz innerhalb der Unternehmen und eine Stärkung des Vertrauens der Anleger. Die Regierungskommission DCGK prüft jährlich, ob der Kodex der aktuellen Best Practice der Unternehmensführung weiter entspricht und beschließt gegebenenfalls Änderungen und Anpassungen. Nach einer kurzen Verschnaufpause der Regierungskommission im Jahr 2014 beschloss die Kommission im Mai 2015 wieder Änderungen. Comply or Explain Die Wirkung des DCGK geht über die einer Richtschnur hinaus. Vielmehr ist der Kodex über die Entsprechenserklärung in § 161 AktG gesetzlich verankert. Empfehlungen im DCGK sind mit „soll“ und Anregungen mit „sollte“ deutlich gemacht. Beide haben zwar keine verbindliche Gesetzeskraft und die Unternehmen können hiervon innerhalb des Aktienrechts abweichen. Allerdings müssen Vorstände und Aufsichtsräte von kapitalmarktorientierten Gesellschaften in der jährlich abzugebenden und zu veröffentlichenden Entsprechenserklärung erläutern, inwieweit sie dem DCGK folgen und welche Empfehlungen (nicht hingegen Anregungen) sie warum nicht oder nur teilweise umsetzen. Dies entspricht dem Comply-or-Explain-Prinzip. Ins Leben gerufen wurde die Kommission unter der damaligen Bundesregierung von Gerhard Schröder, die damit auch auf aufsehenerregende Unternehmensschieflagen wie beim Baukonzern Philipp Holzmann oder dem Werftenverbund Bremer Vulkan reagierte. Auch bei anderen Unternehmenskrisen und Skandalen stand immer wieder der Aufsichtsrat in der Kritik, seiner zentralen Aufgabe, der Überwachung der Geschäftsführung, aufgrund unzureichender Strukturen, Zusammensetzungen und Kompetenz nicht gerecht geworden zu sein. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 55 LAW +++ Ticker +++ 1 Gesetz zur Tarifeinheit kommt vorerst Mit Beschluss vom 06.10.2015 hat das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge dreier Spartengewerkschaften zurückgewiesen, die das Tarifeinheitsgesetz vom 10.07.2015 vorläufig außer Kraft setzen wollten. Das Tarif einheitsgesetz soll Kollisionen verschiedener Tarifverträge innerhalb eines Betriebes (nicht innerhalb eines Unternehmens) vermeiden, indem bei Überschneidungen verschiedener Tarifverträge derjenige gelten soll, dem bei dessen Abschluss die meisten Arbeitnehmer des Betriebes unterfallen. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit und der Deutsche Journalisten-Verband haben Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz erhoben, weil sie das grundgesetzlich garantierte Streikrecht gemäß Art. 9 Abs. 3 GG für verletzt halten. Die gleichzeitig erhobenen Eilanträge hat das Gericht nun insbesondere mit der Begründung zurückgewiesen, dass es den Antragstellern zuzumuten sei, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Diese ist für Ende 2016 vorgesehen. Insbesondere sei derzeit nicht feststellbar, dass es durch die Fortgeltung des Gesetzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu irreversiblen oder nur schwer revidierbaren Nachteilen für die Beschwerdeführer komme. Damit bleibt das Gesetz vorerst in Kraft und abzuwarten, ob es die in der Praxis erhoffte Befriedungswirkung hat. 2 Räum- und Streupflicht Im Winter freuen sich die einen auf Schlittenfahren und weiße Weihnacht, die anderen verbinden mit Schneefall lästige Kälte und anstrengende Räum- und Streupflichten. Tatsächlich sind diese von Stadt zu Stadt und Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Von Ausnahmen abgesehen obliegt die Räum- und Streupflicht der Gehwege den Anliegern. Diese müssen dafür sorgen, dass auch bei Schnee- und Eisglätte ein begehbarer Streifen von mindestens 1,20 m tagsüber frei bleibt. Was tagsüber heißt, wird je nach Gemeindesatzung unterschiedlich beurteilt und variiert zwischen 7.00 bis 8.30 Uhr morgens und 20.00 bis 22.00 Uhr abends. Zusätzlich gibt es teilweise Besonderheiten an Wochenenden und Feiertagen. Selbst 56 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 wenn sich außerhalb dieser Zeiten ein Unfall ereignet, besteht jedoch Haftungspotenzial. Mit Beschluss vom 29.04.2015 (5 U 1479/14) hat das OLG Koblenz entschieden, dass ein Arbeitgeber bereits vor 7.00 Uhr zum Schneeräumen rund um das Firmengelände verpflichtet sein kann, wenn wegen des festgelegten früheren Arbeitsbeginns schon vorher nennenswerter Fußgängerverkehr durch die Betriebsangehörigen zu erwarten ist. Häufig wird die Räum- und Streupflicht auf Dritte wie Mieter oder Dienstleister übertragen. Das ist rechtlich ohne Weiteres möglich, den Eigentümern obliegt jedoch weiterhin die Überwachungspflicht. Diese kann sich beispielsweise erheblich konkretisieren, wenn ein 82-jähriger mit dem Winterdienst beauftragt ist (OLG Oldenburg, Urteil vom 13.02.2014 – 1 U 77/13). Es empfiehlt sich also zu Winterbeginn noch einmal die gemeindlichen Vorgaben für den Winterdienst zu prüfen und gegebenenfalls mit beauftragten Dritten die übernommenen Pflichten durchzugehen. 3 Mitgefangen – nicht mitgehangen Hat ein Gesamtschuldner arglistig gehandelt, muss sich dies der redliche andere Gesamtschuldner nicht zurechnen lassen, so dass ein vereinbarter Haftungsausschluss ihm gegenüber wirksam ist. Das entschied das OLG Saarbrücken mit Urteil vom 17.07.2015 (2 U 84/13). In dem Fall hatte ein Ehepaar in Scheidung ein Hausgrundstück verkauft und einen Gewährleistungsausschluss vereinbart. Überdies versicherten die Verkäufer, dass ihnen verdeckte Sachmängel nicht bekannt seien. Dies stellte sich im Hinblick auf den Verkäufer zu 1 als falsch heraus, weil er in Eigenleistung eine Stützmauer errichtet und für diese wissentlich erheblich kleinere Bauelemente verwendet hatte, als aufgrund der Statik erforderlich waren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Verkäufer zu 1 den Mangel arglistig verschwiegen hatte. Der Verkäuferin zu 2 war die fehlerhafte Bauausführung unstreitig nicht bekannt. Während zur alten Rechtslage vor 2002 zwei BGH-Entscheidungen existieren, die die Arglist eines Verkäufers für die Haftung aller Mitverkäufer als ausreichend erachten, argumentiert das Gericht, dass dies für die neue Rechtslage nicht mehr gelten könne. Nach altem Recht führte die Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses dazu, dass der Käufer von allen Verkäufern Wandelung oder Minderung verlangen konnte. Schadensersatz konnte er jedoch nur von dem arglistig handelnden Verkäufer verlangen, weil für diesen Anspruch weitere Voraussetzungen erfüllt sein mussten. Diese weiteren Voraussetzungen sind nach neuem Schuldrecht entfallen, so dass eine Gesamtwirkung dazu führen würde, dass auch der vertragstreue Verkäufer auf Schadensersatz haften würde. Das ist nach Ansicht des OLG nicht hinnehmbar, obwohl dies dazu führt, dass der Käufer nun nur noch den Anspruch auf Schadensersatz gegen den arglistigen Gesamtschuldner hat und die weiteren Rechte wie Wandelung oder Minderung entfallen. Diese könnten nämlich nur gegenüber allen Verkäufern gemeinsam geltend gemacht werden. 4 Überlange Zahlungsfristen gemäß § 308 Nr. 1a BGB Am 29.07.2014 ist das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie in Kraft getreten und damit auch die Regelungen zur Verkürzung von Zahlungsfristen gemäß §§ 308 Nr. 1a und 271a BGB. Mit Urteil vom 22.07.2015 (10 C 169/15) hat das Amtsgericht Mannheim das neue Recht angewendet und die folgende Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Zwischenspediteurs für unwirksam gehalten: „Forderungen des Auftragsnehmers sind am letzten Tag des zweiten Folgemonats nach Rechnungseingang fällig.“ Der ausführende Spediteur hatte seine Leistung am 12.08.2014 erbracht und danach eine Rechnung mit Zahlungsziel 19.09.2014 gestellt. Die Auftraggeberin zahlte auch nach mehrfacher Mahnung nicht und begründete ihr Verhalten damit, dass die Zahlung erst am 31.10.2014 fällig werde. Das Gericht verurteilte die Auftraggeberin zur Zahlung, weil die Regelung in ihren AGB gegen § 308 Nr. 1a BGB verstößt, wonach die Zahlung im unternehmerischen Verkehr spätestens 30 Tage nach Empfang der Gegenleistung bzw. der Rechnung zu erfolgen hat. Das Gericht führt überdies aus, dass selbst die individualvertragliche Vereinbarung eines Zahlungsziels von bis zu 90 Tagen wohl gemäß § 271a BGB unangemessen wäre. Insbesonde- LAW re gäbe es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt dafür, dass die lange Zahlungsfrist ausnahmsweise gerechtfertigt wäre. 5 BGH: Verletzung von Wortmarken durch dreidimensionale Produktgestaltungen? Haribo und Lindt stritten über die Zulässigkeit des Vertriebs des sogenannten Lindt-Teddy, einer in Goldfolie verpackten Schokoladenfigur in Bärenform. Haribo sah dadurch u. a. seine Rechte aus der Wortmarke „Goldbär“ als verletzt an und nahm Lindt auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung in Anspruch (wir berichteten im Tax & Law Magazine 2/2014). Mit Urteil vom 23.09.2015 (I ZR 105/14) hat der BGH das Urteil des OLG Köln bestätigt und entschieden, dass der Vertrieb des Lindt-Teddy keine Markenrechte verletzt und auch wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Die fehlende Verwechslungsgefahr zwischen der Bezeichnung „Goldbär“ und der dreidimensionalen Gestaltung des Lindt-Teddy begründet der BGH damit, dass eine solche nur aus dem konkreten Bedeutungsgehalt, nicht aber aus einer Ähnlichkeit des Klangs oder der Zeichen resultieren könne. Einen ähnlichen Bedeutungsgehalt lehnt der BGH ab: Für den Lindt-Teddy komme nicht nur die Bezeichnung „Goldbär“, in Betracht, sondern auch andere Begriffe wie „Teddy“, „Schokoladen-Bär“ oder „Schokoladen-Teddy“. Sei die betroffene Wortmarke nur eine von mehreren naheliegenden Bezeichnungen für die fragliche Gestaltungsform, begründe dies keine Verwechslungsgefahr. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin bestehen nach Auffassung des BGH nicht. Der Lindt-Teddy stelle mangels Ähnlichkeit keine Nachahmung des Produkts „Gummibärchen“ dar. Mit seiner Entscheidung hat sich der BGH erstmals zu der Frage geäußert, inwieweit Wortmarken durch dreidimensionale Gestaltungen verletzt werden können. An eine Verletzung stellt der BGH dabei hohe Anforderungen und setzt einer möglichen Monopolisierung bestimmter Produktgestaltungen durch Wortmarken damit enge Grenzen. 6 BGH: Absage einer Hauptversammlung, nachdem die Aktionäre zum anberaumten Termin erschienen sind (BGH, Urteil vom 14.10.2015 – II ZR 142/14) Der Vorstand (Komplementär-GmbH) einer KGaA hatte auf Verlangen eines Minderheitsaktionärs eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. Die von dem Aktionär vorgegebene Tagesordnung umfasste insbesondere ein Misstrauensvotum gegen den Vorstand sowie den Antrag, sämtliche Geschäftsführer des Vorstands abzuberufen. Nachdem sich die Aktionäre zum anberaumten Termin eingefunden hatten, betrat ein Geschäftsführer des Vorstands das Podium und sagte die Hauptversammlung mit kurzer Begründung ab. Dem widersprach ein Aktionär und ließ einen Versammlungsleiter wählen. In der darauffolgenden Unterbrechung verließ fast die Hälfte der erschienenen Aktionäre die Versammlung. Dennoch wurde die Versammlung nach der Unterbrechung fortgesetzt und Beschlüsse über die einzelnen Anträge in der Tagesordnung gefasst. Der Vorstand klagte gegen die Beschlussfassung. Entgegen dem Berufungsgericht stellt der BGH klar, dass die Hauptversammlung nicht (mehr) wirksam vom Vorstand abgesagt werden konnte und somit grundsätzlich stattgefunden hat. Zwar habe der Vorstand grundsätzlich die Einberufungs- und Absagekompetenz für eine Hauptversammlung; diese sei auch unabhängig davon, ob die Durchführung der Versammlung vom Vorstand selbst oder von einem Minderheitsaktionär gewünscht werde. Jedenfalls zum vorliegenden Zeitpunkt, nachdem die Aktionäre bereits zum anberaumten Termin erschienen waren, sei diese Kompetenz aber vom Vorstand auf die Hauptversammlung übergegangen. Daher sind die gefassten Beschlüsse nicht nichtig. Allerdings haben aufgrund der (unwirksamen) Absage viele Aktionäre die Hauptversammlung verlassen. Dadurch wurde mit der Beschlussfassung ihr gesetzliches Teilnahmerecht verletzt und die Beschlüsse sind anfechtbar. Aufgrund seiner gesetzlich vorgesehenen Kontrollfunktion darf der Vorstand diesen Anfechtungsgrund auch geltend machen, obwohl er ihn selbst verursacht hat und selbst wenn er dadurch die ihm missliebigen Beschlüsse beseitigen kann. 7 Einladung zur Mitgliederversammlung eines Vereins per E-Mail Selbst wenn die Satzung eines eingetragenen Vereins für die Einladung zur Mitgliederversammlung die Schriftform vorsieht, reicht eine Einladung per E-Mail aus. Das entschied das OLG Hamm am 24.09.2015 (27 W 104/15) und folgt damit der Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung. Das Schriftformerfordernis in der Satzung soll die Kenntnis der Mitglieder von der anberaumten Versammlung und ihrer Tagesordnung gewährleisten. Dieses Ziel wird auch in elektronischer Form und ohne Unterschrift erreicht. Insoweit liegt hier ein bedeutender Unterschied von der im allgemeinen Wirtschaftsleben vereinbarten Schriftform, wo man wegen der Bedeutung bestimmter Erklärungen, zum Beispiel der Kündigung eines Vertragsverhältnisses, durch das Schriftformerfordernis eine größere Rechtssicherheit anstrebt und die Schriftform auch Abschluss-, Identifikations-, Echtheits- und Warnfunktion hat. Bei der Einladung zu einer Vereinsmitgliederversammlung seien diese Funktionen demgegenüber von gänzlich untergeordneter Bedeutung. 8 Anspruch auf Ausweisung des Lohnanteils in einer Rechnung Die Auftraggeberin eines Umzugsunternehmens klagte, weil das Unternehmen sich weigerte, auf der Rechnung den Anteil der Lohnkosten gesondert auszuweisen, so dass die Klägerin den Betrag nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich absetzen konnte. Mit Urteil vom 30.07.2015 (12 C 1124/14) verpflichtete das Arbeitsgericht Mühlheim an der Ruhr den Beklagten zu entsprechender Rechnungstellung. Nach Ansicht des Gerichts wäre die Klägerin sogar berechtigt gewesen, die Bezahlung solange zu verweigern bis sie die benötigte Rechnung erhält. Den Einwand des Beklagten, dass die Klägerin bar bezahlt habe und den Betrag daher ohnehin nicht steuerlich absetzen könne, beachtete das Arbeitsgericht hingegen nicht. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 57 Come as you are Sie sind auf eine Abendveranstaltung eingeladen und in der Einladung wird der Dresscode „Business casual“ vermerkt, was Ihnen allgemein vermitteln soll, dass die Veranstaltung in einem lockeren Rahmen stattfinden soll. Am Abend dann stellen Sie fest, dass Sie mit Ihrer zuletzt beim Unternehmensausflug getragenen dunklen Jeans und einem feineren PoloShirt völlig aus dem unteren Rahmen fallen. Zu guter Letzt werden Sie von einem heranbrausenden Gast gebeten, den Wagen zu parken und den Regenmantel aufzuhängen. Sie verlassen die Veranstaltung und fühlen sich deplatziert und schwören sich, das nächste Mal sich genauer über die Kleiderordnung zu erkundigen. Tax & Law gibt Ihnen einen legeren Überblick für Mann und Frau. 58 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 360° Business casual Business Casual Hier gilt der Merksatz: Wo Business drinsteht, steckt auch Business drin. Mit Business Casual rücken viele Unternehmen von der strengen Kleiderordnung besonders am Freitag ab. In kreativen Branchen wird dieser Look auch an anderen Wochentagen bevorzugt. Männer und Frauen können Farbe bekennen, sollten jedoch nicht über das Ziel hinaus schießen. Neben Chinos, Baumwoll-, Cordhose oder dunklen Jeans, sind elegante Polos, lockere Blusen (z. B. Tunika oder Schluppenbluse) ebenso üblich wie pastellfarbene oder gemusterte Hemden. Das Schuhwerk passt sich dem Outfit an. Frauen können Sandaletten oder Ballerinas mit Zehenblick und Männer Loafer oder Slipper in Wildleder tragen. Im Winter sind Pullover aus feinem Strick oder Cashmere oder einfarbige Rollkragen-Pullover das die Kleidung abrundende Element an kalten Tagen. Das Freizeitsakko findet zusätzlich bei Männern als Stilmittel Verwendung und auf die Krawatte kann verzichtet werden. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 59 360° Business semi-formal Business semi-formal Jeder Mensch entwickelt seinen eigenen Kleidungsstil. Business semi-formal beschreibt hierfür ein Gerüst für den BüroAlltag, welches Sie bei Wahl ihres täglichen Outfits beachten sollten. Es ist der schmale Grat zwischen einem sich anbahnenden Geschäftstermin mit einem Geschäftspartner und der Alltagstauglichkeit im Büro mit den Kollegen. Beim Mann: Beim zweiteiligen Anzug, der in den üblichen Business-Farben Dunkelblau, Anthrazit oder Dunkelbraun gehalten ist, ist das Sakko stets griffbereit. Sollte man sich als Mann für den Einsatz eines Musters entscheiden, darf dies entweder nur die Krawatte oder nur das Hemd dezent schmücken. Hemden sind in Weiß oder Hellblau zu wählen. Aus glattem und dunklem Leder sind Schuhe und Gürtel. Die Schnalle ist klassisch. Frauen liegen mit einem Hosenanzug, einem Twinset, einem Etuikleid oder einer dunklen Baumwollhose mit passendem Blazer oder Jacke goldrichtig. Eine pastellfarbene, weiße oder hellblaue Hemd- oder Seidenbluse ist hierbei die richtige Wahl. Elegante Pumps oder modische Stiefeletten mit glattem Leder und mittlerem bis kurzem Absatz runden das Outfit ab. 60 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 Business attire (formal / offiziell) 360° Business attire (formal/offiziell) Bei sehr förmlichen Anlässen gilt „no brown in town“ oder „no brown after six“. Die Briten der Upperclass legten einst zum Dinner den Abendanzug an und dies kann getrost auch als Richtschnur für die Kleidung bei formellen Geschäftsanlässen gesehen werden. Abendlich kommt die Weste ins Spiel, bei der der untere Knopf offen gelassen wird. Während weiße Hemden im Alltag eine normale Knopfmanschette besitzen und sich hier auch der dunkelblaue Anzug etabliert hat, sind Doppelmanschetten bei besonderen Anlässen beim schwarzen oder dunkelgrauen Dreiteiler ein Muss. Hier sind schwarze Schuhe am förmlichsten mit wenig Lochmusterverzierung und geschlossener Schnürung. Damen fügen sich in das zuvor beschriebene Farbbild mit zart schimmernder Materialoberfläche ein. Bei der Wahl für ein Kostüm sind die Knie zu umspielen. Kombinationen werden mit hellen, meist weißen Hemd- oder Damenblusen im taillierten Schnitt mit Teilungsnähten aus hochwertigen Stoffen getragen. Dreiviertel lang sollte der Ärmel mindestens sein. EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 61 360° Mexico-City oder „Im Zentrum des Mondsees?“ 5 3 1 2 7 4 Jorge García Gonzalez Partner | International Tax Services | Tax Quality [email protected] • Jorge García Gonzalez ist Partner in MexikoStadt im Bereich der International Tax Services und Tax & Law Quality Beratung und seit 28 Jahren bei EY. Bewunderer nennen sie auch Ciudad de los Palacios – Stadt der Paläste – wegen der Gebäudearchitektur aus dem Zeitalter des Vizekönigreiches Neuspanien. Für andere ist sie ein Moloch mit mehr als 21 Millionen Einwohnern in der Metropolregion. Auf jeden Fall berührt MexikoCity in der Hochebene auf 2.200 Metern, umrahmt von Wäldern und Bergen und hier insbesondere durch die Vulkane Popocatépetl und Iztaccihutal. Beginnen wir unseren Rundgang auf der 1 Avenida de los Insurgentes („Prachtstraße der Aufständischen“). Ihren Namen bekam sie Anfang des 20. Jahrhunderts, um die Helden des nationalen Unabhängigkeitskampfes zu ehren. Mit einer Länge von mehr als 28 Kilometern erstreckt sie sich vom Nordteil der Stadt bis in den Süden. „Für mein Volk wird der Geist sprechen“ – dieser Wahlspruch ziert die 2 Real y Pontificia Universidad de Mexico („Königliche und Päpstliche Universität zu Mexiko“) aus dem Jahr 1551. Sie befindet sich im Stadtteil Pedregal de San Ángel und wurde am 22. September 1910 in Unabhängige Nationale Universität Mexikos (UNAM) umbenannt. Mit ihrer großartigen, ja prachtvollen Architektur wurde sie als erster Universitätscampus zum Weltkulturerbe deklariert. Heute zählt sie zu den 100 besten Universitäten der Welt. Das Viertel 3 San Ángel besticht durch seine Bauten, religiöse Architektur, seine Museen und Plätze. Den Ursprung dieses Stadtviertels bildet das vom KarmeliterOrden gegründete Colegio San Ángel Mártir. Ein Muss für jeden Besucher ist die 4 Casa del Risco („Das Haus des steilen Felsen“). Es ist ein Ort voller Geheimnisse, an dem große Persönlichkeiten, Autoren, Akademiker und Diplomaten gelebt haben. Die Wurzeln dieses wunderschönen Gebäudes reichen bis ins Jahr 1657 zurück, und es beherbergte lange Jahre Karmeliter- und Dominikaner- 62 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 6 Mönche. Im Laufe der Zeit wurde dieses Haus umgestaltet und präsentiert sich heute im neoklassizistischen Gewand. Zu den Highlights zählt ein Brunnen an einem Felsen, der im 18. Jahrhundert erbaut wurde und sich im zentralen Innenhof des Hauses befindet. Mexiko-City bietet viele wunderschöne Orte, die vielleicht nicht so bekannt sind wie der Palacio de Bellas Artes oder das historische Stadtzentrum oder die Plaza de la Constitución. Das ehemalige 5 Colegio del Carmen zählt dazu, ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Errichtet durch Karmeliter-Mönche im Süden der Stadt sticht es durch seine verschiedenen Handwerksarbeiten hervor, die noch bewahrt werden konnten. Am meisten beeindruckt im Inneren eine Krypta, die in einer wunderschönen Art und Weise dekoriert ist und die Überreste von Mumien von zahlreichen Persönlichkeiten der Vergangenheit beherbergt. Überdies schmücken dieses ehemalige Kolleg ein barocker Altar und eine Kirche mit Keramikarbeiten. Wer bei all den vielen guten Museen in Mexiko-Stadt etwas Besonderes sucht, muss das 6 Frida Kahlo Museum gesehen haben. Das wunderschöne blaue Haus mit dem großartigen Garten besitzt eine außergewöhnliche Atmosphäre und lässt den kunst- und geschichtsbegeisterten Besucher in das Leben des Künstler-Ehepaares Rivera eintauchen. Von dort aus ist es nicht weit bis ins kulinarische Zentrum des Künstlerviertels 7 Coyoacán. Hier lässt sich prima das abendliche Treiben in Restaurants, Cafes und Bars beobachten. In den Markthallen sollte man unbedingt die Tostados, Tacos oder Quesadillas probieren. An zahlreichen Ständen werden die verschiedenen Varianten der Mais-Tortilla frisch zubereitet und in unzähligen Variationen angeboten. Veranstaltungen Workshop People Advisory Services Lohnsteuer Aktuell 2016 25.02.2016 Berlin 03.03.2016 Dortmund 09.03.2016 Dresden 25.02.2016 Düsseldorf 03.03.2016 Frankfurt 01.03.2016 Freiburg 24.02.2016 Hamburg 23.02.2016 Hannover 03.03.2016 Heilbronn 01.03.2016 Köln 08.03.2016 Leipzig 02.03.2016 Mannheim 24.02.2016 München 23.02.2016 Nürnberg 15.03.2016 Stuttgart EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory © 2015 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. FWE 1215 017 ED 14.12.2017 www.de.ey.com EY ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Diese Publikation wurde CO2-neutral und auf FSC®-zertifiziertem Papier gedruckt, das zu 60 % aus Recycling-Fasern besteht. 05.04.2016 München Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität ; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen U mständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/ oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden. Impressum Herausgeber Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young Law GmbH Rechtsanwalts gesellschaft Steuerberatungsgesellschaft Mittlerer Pfad 15 / 70499 Stuttgart T +49 711 9881 15572 [email protected] Redaktion Ute Benzel, Martina Ortmann-Babel, Hermann Ottmar Gauß Gestaltung Fuenfwerken Design AG, Wiesbaden / Berlin Mitwirkende dieser Ausgabe Jörg Leißner, Nico Schönberg Druck Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt (Main) Robert Böhm, Christian Ehlermann, Jorge Garcia Gonzalez, Dr. Cornelius Grossmann, Prof. Dr. Stefan Köhler, Ingo Todesco, Oliver Wehnert, Falk Bachhuber, Dr. Marcus Geuenich, Dr. Oliver Wittig, Richard J. Albert, Dr. Andreas Bolik, Verona Franke, Daniel Kaiser, Monika Menz, Steffen Sühnel, Alexander Vetten, Ekaterina Weinstein, Natalia Budzynska, Dr. Cornelia Kindler, Anja Lohmeier, Julia Meyer, Roland Nonnenmacher, Tanja Reinhoffer, Dr. Yavuz Topoglu, Carolin Selig, Lisa Stenkamp Das nächste Tax & Law Magazine erscheint im März 2016 EY TAX & LAW Magazine 04 / 2015 63 Find out how international tax and operations insights helped a company grow from local to global. www.de.ey.com/tax #BetterQuestions “EY” and “we” refer to all German member firms of Ernst & Young Global Limited, a UK company limited by guarantee. ED None. How do you erase borders and create global opportunity?
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