die digitale souveränität bewahren

PERSONALADMINISTRATION
CLOUD UND DATENSCHUTZ
„DIE DIGITALE SOUVERÄNITÄT
BEWAHREN“
Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Safe-Harbor-Abkommen im Oktober 2015 müssen
auch Personalverantwortliche genauer prüfen, wem sie ihre Daten in der Cloud anvertrauen. Wir haben das
Thema mit Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung Vertrauen & Sicherheit im Bitkom e.V. und Dr. Thilo Weichert,
dem ehemaligen Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, diskutiert.
Susanne Dehmel
Das Interview führte Ulli Pesch.
Personalwirtschaft: Nehmen wir an,
Sie wären Personalchef beziehungsweise Personalchefin eines Unternehmens oder einer Behörde: Würden Sie
mitarbeiterbezogene Daten über eine
Cloud verarbeiten und speichern?
Susanne Dehmel: Ich hätte keine Bedenken, weil ich mir den richtigen Anbieter
dafür ausgesucht hätte. Dieser Anbieter
würde die höchsten Standards in Sachen
Datenschutz und Datensicherheit erfüllen. In vielen Fällen bieten Cloud-Dienstleister aufgrund ihres Know-hows ein
höheres Schutzniveau als die IT-Abteilungen der Unternehmen selbst gewährleisten könnten. Das gilt vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen.
Thilo Weichert: Nicht unbedingt. Wenn
qualifizierte und bezahlbare Software und
Hardware zur Verfügung stehen, ist eine
selbst administrierte Personalverwaltung
immer besser, da ich dann als Chef die
digitale Souveränität über meine Daten
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habe. Das ist bei einer Cloud-Lösung
nicht voll sichergestellt. Aber auch CloudAnwendungen können vertrauenswürdig und zuverlässig sein. Bei europäischen Anbietern gäbe es jedenfalls keine
grundsätzlichen rechtlichen Hindernisse. Die Regeln zur Auftragsdatenverarbeitung müssen aber in jedem Fall eingehalten werden.
Das Thema Cloud Computing wird seit
seinem Aufkommen vor einigen Jahren von vielen deutschen Unternehmen eher mit Argwohn und Skepsis
betrachtet. Es kommt scheinbar nicht
so richtig in Gang. Sehen Sie das ähnlich?
Susanne Dehmel: Ganz und gar nicht.
Cloud Computing ist inzwischen fester
Bestandteil der IT-Systeme von Unternehmen. 44 Prozent der Unternehmen
in Deutschland setzen Cloud Computing bereits ein, weitere 24 Prozent pla-
nen oder diskutieren den Einsatz. Die
Vorteile der Cloud-Technologie in Sachen
Verfügbarkeit, Flexibilität und Preis sind
enorm. Man muss aber unterscheiden
zwischen unternehmensinternen Private Clouds und Public Clouds, bei denen
der Zugriff über das öffentliche Internet
erfolgt. Die meisten Cloud-Installationen sind Private Clouds.
Thilo Weichert: Nein. Das EuGH-Urteil
zu Safe Harbor sagt nichts zur CloudDatenverarbeitung generell, verwirft aber
faktisch fast vollständig Angebote aus
den USA. Argwohn ist aber auch hierzulande berechtigt, da die Seriosität von
Anbietern bisher schwer zu bewerten ist.
”
Gute Zertifizierungsverfahren können
hier Abhilfe schaffen. Im Bundeswirtschaftsministerium wird hieran gearbeitet. Ein Zertifizierungsschema wurde dort
schon erfolgreich entwickelt und von
den interessierten Stakeholdern, also Zertifizierungsanbietern, Datenschutzbehörden und IT-Unternehmen, akzeptiert.
Nach diesen Kriterien bieten übrigens
schon Datenschutzschutzbehörden, zum
Beispiel das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein,
Gütesiegel an.
Welche Konsequenzen, Frau Dehmel,
hat das aktuelle EuGH-Urteil für deut-
Wenn qualifizierte und bezahlbare Software und
Hardware zur Verfügung stehen, ist eine selbst
administrierte Personalverwaltung immer besser.
Dr. Thilo Weichert
Dr. Thilo Weichert
sche Unternehmen, die Dienstleistungen und Infrastruktur von US-CloudDienstleistern in Anspruch nehmen?
Susanne Dehmel: Sie sollten die bestehenden Verträge prüfen und sich bei
Bedarf mit ihren Cloud-Dienstleistern in
Verbindung setzen. Handlungsbedarf
besteht zunächst nur, wenn ein Datentransfer in die USA nach dem SafeHarbor-Abkommen vereinbart wurde. Es
gibt andere Möglichkeiten als Safe Harbor, eine Datenübermittlung rechtssicher
zu gewährleisten.
Könnten deutsche und andere europäische Cloud-Dienstleister nicht von
diesem Urteil profitieren?
Susanne Dehmel: Das mag im Einzelfall passieren, aber in die Entscheidung
für einen Cloud-Dienstleister fließen
mehrere Faktoren ein: die Qualität und
Verfügbarkeit des Dienstes, der Preis und
der wichtige Punkt Sicherheit. Ein deut-
scher oder europäischer Anbieter schneidet bei der Abwägung aller Faktoren nicht
automatisch am besten ab.
Thilo Weichert: Unbedingt. Statt zu jammern, dass jetzt der Datentransfer in die
USA erschwert ist, sollten und können
rechtlich zulässige Alternativen gesucht
und gefunden werden. Die gibt es in
Deutschland und Europa. Selbst US-Unternehmen sind jetzt gut beraten, entweder
selbst Rechenkapazität in Europa aufzubauen oder europäische Dienstleister zu
nutzen. Im Ergebnis betreibt der EuGH
lokale Wirtschaftsförderung und tut das,
was etwa die Bundesregierung über Jahre
verpasst hat, selbst nachdem über Edward
Snowden bekannt wurde, dass US-Dienste nicht vertrauenswürdig sind.
Wird man, Ihrer Ansicht nach, aufgrund dieses Urteils nach anderen
Wegen suchen, die Cloud-Technologie
weiter im Markt zu etablieren?
Susanne Dehmel: Der Trend geht seit
dem NSA-Skandal ohnehin dahin, Daten
innerhalb Europas zu verarbeiten. Viele
große IT-Unternehmen aus den USA verfügen längst über eigene Rechenzentren
in der EU oder bauen hier welche auf.
Das kann aber nicht die alleinige Lösung
sein. Viele innovative, junge Unternehmen sitzen in den USA und bieten ihre
Services über die Cloud an. Wollen oder
können sie ihre Dienste wegen des SafeHarbor-Urteils nicht mehr in der EU
anbieten, ist das eindeutig ein Innovationshemmnis.
Thilo Weichert: Gegen Cloud-Angebote
ist grundsätzlich nichts einzuwenden, sie
müssen nur gut sein. Die Anforderungen
sind klar: Vertraulichkeit, Verfügbarkeit,
”
Wir sehen keine wirkliche Alternative zu Cloud-Services.
Dafür bietet die Technologie einfach zu viele Vorteile.
Susanne Dehmel
Integrität, Intervenierbarkeit, Transparenz
und Mandantentrennung. Clouds können funktional und preiswert sein und
eröffnen möglicherweise ein völlig neues globales Kommunikationspotenzial.
Der Maßstab dafür findet sich im § 11 des
Bundesdatenschutzgesetzes, dem aber leider nicht nur US-Anbieter bisher nicht
entsprechen. Die europäische Datenschutz-Grundverordnung setzt auf diesen
Anforderungen auf, sodass sich insofern
auch künftig nicht viel ändern wird.
Frau Dehmel, welche Vor- und gegebenenfalls Nachteile hat die CloudTechnologie für HR in Hinblick auf
Datenschutz und Datensicherheit
gegenüber den konventionelleren OnPremise-/Inhouse-Lösungen?
Susanne Dehmel: Das Vertrauen der
Kunden in die Sicherheit ihrer Daten in
der Cloud ist das höchste Gut eines jeden
Cloud-Dienstleisters. Daher investieren
sie viel in die Sicherheit. Technisch sollten sie auf dem neuesten Stand sein und
laufend die aktuelle Sicherheitslage beobachten. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sind nicht immer
dazu in der Lage, ein vergleichbares
Sicherheitsniveau aus eigener Kraft zu
gewährleisten. Da sehe ich den Vorteil
bei den Cloud-Anbietern.
Gibt es Alternativen zur Cloud, die der
globalen Vernetzung Rechnung tragen
und dennoch den Schutz von insbeson-
dere personalbezogenen Daten sicherstellen?
Susanne Dehmel: Wir sehen keine wirkliche Alternative zu Cloud-Services. Dafür
bietet die Technologie einfach zu viele
Vorteile. Die Unternehmen müssen entscheiden, ob sie eine interne CloudLösung bevorzugen, die aber auch mit
einem höheren administrativen Aufwand
verbunden ist. Bei Lösungen aus der
Public Cloud sollten die Unternehmen
bei der Auswahl eines Dienstleisters sorgfältig vorgehen und darauf achten, dass
er die Anforderungen in Sachen Sicherheit und Datenschutz erfüllt.
Thilo Weichert: Eigenadministrierte Personaldatenverarbeitung ist immer die
beste, aber nicht unbedingt die billigste
Lösung. Kostengünstiger als Eigenentwicklungen sind Standardlösungen.
Dafür gibt es auf dem Markt sehr qualifizierte Angebote. Auch insofern sollte
man auf externe Zertifikate achten.
Neben den erwähnten Datenschutzgütesiegeln sind die Zertifikate des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik werthaltig. In jedem Fall
muss ja die Mitbestimmung des Betriebsrates stattfinden. Und der will natürlich
nachvollziehbar sichergestellt wissen,
dass der Datenschutz der Beschäftigten
beachtet wird. Bei aller Globalisierung
des Datenverkehrs darf die digitale Souveränität nicht verloren gehen.
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