Die Wiener Ringstraße Die „Wiener Ringstraße“ bezeichnet jenen Prachtboulevard, der die Innere Stadt in Wien vollständig umschließt und somit ein Hauptelement des Wiener Stadtbildes ist. Sie ist U-förmig und begrenzt den 1. Bezirk auf drei Seiten. Die vierte Seite im Nordosten grenzt an den Donaukanal und ist Franz-Josefs-Kai benannt. Die Entstehung der Ringstraße, die in Wien einfach nur „Ring“ genannt wird, geht auf einen Entschluss Kaiser Franz Josephs I. zurück, der in einem „Handbillet“ am 20. Dezember 1857 anordnete, die alten Stadt-Befestigungsanlagen (Basteien und Glacis) zu schleifen und einzuebnen („Stadterweiterung“). Die enorm angewachsenen Vorstädte, die 1850-1861 eingemeindet wurden, sollten mit angebunden werden. Die Stadtmauer hatte keine Schutzfunktion mehr, sondern bedeutete eher ein Hindernis für den wachsenden Verkehr. Es sollte anstelle der Schutzmauer eine prächtige Straße entstehen mit außerordentlich repräsentativem Charakter. Am 31. Jänner 1858 wurde ein Wettbewerb für die Gestaltung der Ringstraße ausgeschrieben. Bis Ende Juli wurden 85 (!) Projekte eingereicht, von denen die besten am 31. Dezember prämiert wurden. Ein weiterführendes, vom Innenministerium ausgearbeitetes Projekt wurde schließlich am 1. September 1859 vom Kaiser genehmigt. Der Abbruch der alten Befestigungsanlagen begann im März 1858 beim Rotenturmtor und war im Wesentlichen 1874 abgeschlossen. Am 1. Mai 1865 wurde die 4 Kilometer lange und 57 Meter breite Ringstraße feierlich eröffnet. Sie wird beiderseits über weite Strecken von Doppelalleen gesäumt, die auch Platz für Reitwege boten. Diese Reitwege dienten vor allem der Verbindung der Franz-JosephsKaserne (1900/01 abgerissen, im Bereich der heutigen Postsparkasse und des Stubenrings) und der Roßauer-Kaserne (noch erhalten). Entlang der Ringstraße entstanden monumentale Bauwerke, die in ihrer architektonischen und geschichtlichen Bedeutung das Stadtbild Wiens prägen und weltweit bekannt sind. Neben staatlichen Repräsentationsbauten, großzügigen Plätzen und Parkanlagen ließen sich zahlreiche vermögende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Adel einen Platz an der Ringstraße sichern und ihre Palais erbauen. Man beauftragte für die Planung und die Errichtung der Ringstraßenbauten nur die berühmtesten und besten Architekten der damaligen Zeit, wie August Sicard von Sicardsburg, Eduard van der Nüll, Theophil Hansen, Carl Hasenauer, Gottfried Semper, Heinrich Ferstel, Johann Romano, August Schwendenwein und Ludwig Förster. Sie schufen den Großteil der Ringstraßenbebauung in der Zeit zwischen 1869 und 1888, wobei der dominierende Baustil der Historismus ist, also eine zeitgenössische Anlehnung an Renaissance, Gotik und Barock. Der größte Teil der (äußeren) Bausubstanz hat sich bis heute erhalten. Vereinzelt hat man alte Gebäude niedergerissen, weil sie baufällig oder von Bomben zerstört waren und an ihrer Stelle moderne Gebäude errichtet. 1 Die Benennung der einzelnen Abschnitte erfolgte zwischen 1858 und 1870 (später mehrfache Änderungen): 1. Stubenring (1867) – Verbauung erst 1913 abgeschlossen 2. Parkring (1861) – 1910-19 „Kaiser-Wilhelm-Ring“ 3. Schubertring (1862) – bis 1928 „Kolowratring“ 4. Kärntnerring (1861) – 1917-19 „Kaiserin-Zita-Ring“ 5. Opernring (1861) – 1917-19 „Kaiser-Karl-Ring“ 6. Burgring (1863) 7. Dr.-Karl-Renner-Ring (1956) - ursprünglich „Franzensring“, mehrfach umbenannt 8. Universitätsring (2012) – früher Teil des „Franzensrings“, mehrfach umbenannt 9. Schottenring (1870) Die Ringstraße wurde am 12. Juli 1972 Einbahnstraße und besitzt seit den 1990er Jahren einen ausgebauten Radweg. Stubenring Vom Donaukanal kommend (im Uhrzeigersinn den Ring begehend, was auch der Richtung der Einbahnregelung entspricht) sticht einem linker Hand das riesenhafte „Kriegsministerium“ von Ludwig Baumann ins Auge (1909-13 erbaut), mit dem mächtigen Doppeladler und dem Radetzky-Denkmal vor dem Hauptportal. Gleich gegenüber liegt – hinter dem Georg-Coch-Platz – die architektonisch bedeutende „Postsparkasse“ (1904-12) von Otto Wagner. Dem „Regierungsgebäude“ (wie das Kriegsministerium seit 1945 genannt wird) schließt sich der im Renaissancestil von Heinrich Ferstel entworfene Bau des „k.k. Museums für Kunst und Industrie“ (heute MAK – Museum für Angewandte Kunst) an, der am 4. November 1871 als erster am Ring errichteter Museumsbau eröffnet wurde. Ihm angrenzend wurde ebenfalls von Ferstel ein Neubau für die k.k. Kunstgewerbeschule erbaut, die 1877 eröffnet wurde (heute Universität für angewandte Kunst Wien). Gegenüber weitet sich die Ringstraße zum Dr.-Karl-Lueger-Platz. Hier befand sich einst die Stubenbastei und das Stubentor, Mauerreste und Ausstellungsgegenstände können rund um den Eingang zur U-Bahn besichtigt werden. Parkring benannt nach dem „Stadtpark“, der an der linken Seite der Ringstraße liegt. Die 20 Hektar große Grünanlage, die um 1860 in der Gegend des einstigen Karolinen-Tores entstanden ist, war die erste öffentliche Grünanlage für die Wiener Bevölkerung. Entworfen wurde das Projekt im englischen Stil von Josef Selleny, und die Realisierung fand unter der Leitung des damaligen Stadtgärtners Rudolf Siebeck statt. Eröffnet wurde der Park am 21. August 1862. Im Jahre 1906 wurde der Wienfluss, welcher am östlichen Rand des Parks verläuft, kanalisiert und mit Ufertreppen, Geländern und kleinen Pavillons eingebunden. Überall im Park stößt der Besucher auf Denkmäler und Büsten berühmter Wiener Persönlichkeiten – Dichter, Komponisten und Politiker. 2 In den Jahren 1865-1867 wurde am oberen Ende des Parks, an der Johannesgasse, der „Kursalon“ erbaut, der mit seinen wunderschönen Räumlichkeiten ursprünglich für Wasserkuren gedacht war. Schließlich öffnete man den Kursalon gänzlich der Kunst und ließ ihn zu einem Zentrum der Wiener Promenadenkonzerte werden. Am 15. Oktober 1868 gab Johann Strauß das erste Kursalonkonzert, dem viele Auftritte der Strauß-Brüder folgten. Unmittelbar vor dem Kursalon steht das weltberühmte Johann-Strauß-Denkmal auf dem steinernen Bogen mit den eingemeißelten Wellen und Nixen, die den Fluss der Donau symbolisieren - eine Assoziation zu Strauß‘ Donauwalzer, der heimlichen „Hymne“ Österreichs. Schubertring Der folgende kurze Abschnitt ist nach dem Wiener Komponisten Franz Schubert benannt, mit Repräsentationsbauten zu beiden Seiten. Der Schubertring endet am Schwarzenbergplatz, der sich linkerhand öffnet und den Blick bis zum Hochstrahlbrunnen (von Anton Gabrielli, am 24. Oktober 1873 anlässlich der Fertigstellung der 1. Wiener Hochquellenwasserleitung in Betrieb gesetzt) und dem Belvedere freigibt. Kärntner-Ring Am Anfang steht links das Hotel Imperial im Palais Württemberg. In den Jahren 1862-65 ließ Prinz Philipp Alexander Herzog von Württemberg ein Palais im Stil der Neo-Renaissance erbauen. Die architektonische Leitung hatten Arnold Zanetti und Heinrich Adam. Die Wiener Stadtverwaltung hatte jedoch den Entscheid gefasst, hinter dem Gebäude eine Straße zu bauen, was dazu führte, dass die zum Palais gehörende Gartenanlage zerstört wurde. Der Prinz war darüber dermaßen verärgert, dass er das Palais nicht bezog, sondern es verkaufte. Der letzte Besitzer des Palais war Ritter Horace von Landau, bevor das Gebäude aus Anlass der Wiener Weltausstellung 1873 von Kaiser Franz Josef zum Hotel umfunktioniert wurde. Als solches wurde es am 28. April 1873 eröffnet. Seit jeher ist das Hotel Imperial eine der ersten Adressen Wiens und beherbergte unzählige Prominente aus Film, Politik, Musik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Hotel ist bekannt für die Erfüllung der ausgefallendsten Wünsche seiner Gäste. Ein reicher Herr hat beispielsweise für seine Liebste einmal mit einem Hubschrauber 1000 Rosen über dem Imperial abwerfen lassen; Nigel Kennedy benötigt zehn Luftbefeuchter, damit es seine Stradivari nicht zu trocken hat, und die Zeitungen für die Gäste werden gebügelt, damit die Druckerschwärze nicht abfärbt. 3 Opernring Das ehemalige Hofoperntheater (heute Wiener Staatsoper) wurde im Jahre 1869 vollendet. Die Erbauer waren August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll. Die Architektur im Renaissance-Bogenstil mit romantischhistorisiernden Formen war der Wiener Bevölkerung seinerzeit eher fremd, und man lästerte allgemein über das Bauwerk. Von diesem „Mißerfolg“ tief getroffen nahm sich Van der Nüll das Leben; Sicardsburg starb zwei Monate später an einem Herzinfarkt. Das „Haus am Ring“ wurde am 25. Mai 1869 feierlich mit einer Aufführung von Mozarts „Don Giovanni“ eröffnet. Am 12. März 1945 zerstörten Bomben den gesamten Bühnentrakt der Staatsoper und das Bauwerk brannte aus. Ein unfassbarer kultureller Verlust, nicht zuletzt wegen der Zerstörung des gesamten Dekorations- und Requisitenbestandes und der vollständigen Ausstattung von rund 120 Opern. Glücklicherweise nahmen das Foyer, die Loggia und die sich darin befindlichen Fresken von Moritz Schwind, die Prunktreppe, das Vestibül und der Teesalon kaum Schaden. In den Jahren 1948-1955 wurde die Staatsoper weitgehend originalgetreu wiederaufgebaut und am 5. November 1955 mit Beethovens „Fidelio“ unter der Leitung von Karl Böhm wiedereröffnet. Der Zuschauerraum umfasst 2284 Plätze, davon 567 Stehplätze. Die Bühne der Wiener Staatsoper ist eine der größten der Welt, rund doppelt so groß wie der Zuschauerraum. Gegenüber der Oper stand bis 1945 der Heinrichhof (erbaut 1861/62 nach Plänen von Theophil Hansen), auf den Gründen des Bierbrauers Heinrich Drasche. Am 12. März 1945 wurde das Haus durch Bomben schwer beschädigt, schließlich abgetragen und durch einen Neubau ersetzt. Burgring Der Burgring beginnt bei der Einmündung der Babenbergerstraße in den Ring auf der Höhe des Kunsthistorischen Museums und der Neuen Burg. Er trennt den Heldenplatz auf der einen vom Maria-Theresien-Platz auf der anderen Seite, welcher von den zwei großen Museen umschlossen wird, dem Kunst- und dem Naturhistorischen Museum. In den Jahren 1871-81 entstanden die beiden Prachtbauten unter der Leitung von Gottfried Semper und Carl Hasenauer. Jeder dieser Komplexe misst ca. 170 mal 70 Meter. Die einander gegenüberstehenden Gebäude stellen ein symmetrisches Gesamtbild dar, welches eine Stetigkeit in Raum und Zeit symbolisieren soll. Sie vereinen nahezu sämtliche Stilelemente der bildenden Kunst in ihrer Architektur, den plastischen Gebäudeteilen und auch in den Malereien. Am stärksten jedoch kommt der Stil der Renaissance zum Ausdruck 4 Der Heldenplatz, der zwischen der Nationalbibliothek, der Hofburg, der Ringstraße und dem Volksgarten liegt und erst 1816 planiert wurde, hieß bis 1821 „Paradeplatz“, was auf den ursprünglichen Verwendungszweck des Areals schließen lässt. Den späteren Namen „Äußerer Burgplatz“ behielt er bis 1918, als die beiden großen Reiterstandbilder von Erzherzog Karl (Sieger über Napoleon bei Aspern), und Prinz Eugen (Bezwinger der Türken) auf dem Platz errichtet wurden. Von da an nannte man den Platz „Heldenplatz“. Das Denkmal des Erzherzogs war zu damaliger Zeit einzigartig auf der Welt: das gusseiserne Pferd steht lediglich auf den zwei Hinterbeinen ohne weitere Stütze (die Statue wiegt 20 Tonnen!). Den Abschluss des Burgrings bildet links das Palais Epstein. Der reiche Prager Bankier Gustav Ritter von Epstein beauftragte um 1870 Theophil Hansen mit dem Bau eines Palais im Stil der italienischen Renaissance. Ab 1871 widmete sich Epstein aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter seinen Geschäften, sondern zog sich in sein Palais zurück und verbrachte die Zeit mit dessen Einrichtung und seiner Kunstsammlung. Dr.-Karl-Renner-Ring Dies ist der kürzeste Abschnitt der Ringstraße. Rechts befindet sich der kunstvolle Schmiedeeisenzaun, der den Volksgarten von der Ringstraße trennt. Der Volksgarten wurde 1819-23 an der Stelle der Burgbastei angelegt, welche 1809 von den Franzosen zerstört worden war. Nachdem man 1862 den ehemaligen Stadtgraben ausgefüllt hatte, wurde der Volksgarten in Richtung der Ringstraße erweitert. Gegenüber liegt das Parlamentsgebäude, dessen Spatenstich am 2. September 1874 unter der Leitung des Architekten Theophil Hansen erfolgte. Neun Jahre später wurden die neuen Räumlichkeiten bezogen. Für den Bau des Wiener Parlaments zog man Materialien aus fast allen Teilen der Monarchie heran. Dies sollte das Zusammenströmen der Kräfte „aller im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ symbolisieren. 5 Universitätsring Mit dem südlichen Rand des Rathausparks beginnt der Universitätsring, an dessen linker Seite das Wiener Rathaus liegt. Im Rahmen eines Architektur-Wettbewerbs war die Wahl auf das Projekt „Saxa loquntur“ (Die Steine reden) von Dombaumeister Friedrich Schmidt gefallen. Er schuf diesen monumentalen neugotischen Bau mit fünf Türmen, von denen der mittlere mit nahezu 100 Metern der höchste ist. Auf seiner Spitze steht der Rathausmann, eine 3,40 m hohe Statue, die fast zwei Tonnen wiegt. Bei der Einweihungsfeier des Rathauses stand der Baumeister Friedrich Schmidt hoch auf dem Gerüst und hatte drei gefüllte Gläser vor sich. Nach altem Brauch trank er eines nach dem anderen aus und erhob jeweils einen Trinkspruch: zuerst auf den Kaiser, dann auf das Vaterland und zuletzt auf das Volk von Wien. Darauf warf er jedes in die Tiefe, auf dass es mit hellem Klirren auf dem Rathausplatz zerschelle. Als er jedoch - während die Kapelle den Donauwalzer spielte - das dritte Glas mit dem Spruch für die Wiener fallen ließ, zersprang dieses nicht, sondern wurde unversehrt auf einem Sandhaufen im Arkadenhof gefunden. Man brachte das Glas ins Museum und deutete das „Glaswunder“: Kaiser und Vaterland gingen in Kriegen unter, aber das Wiener Volk ist geblieben ... Es folgt das Hauptgebäude der Wiener Universität. Im Zuge des Entstehens der Ringstraße erhielt das Architektenduo Eduard van der Nüll und August Sicard von Sicardsburg, die Erbauer der Staatsoper, von Kaiser Franz Josef den Auftrag, auf dem Gelände neben der Votivkirche einen Gebäudekomplex für die neue Universität zu planen. Das Vorhaben van der Nülls und Sicardsburgs wurde jedoch nicht realisiert, weil Heinrich Ferstel, der Erbauer der Votivkirche, mit dem Konzept nicht einverstanden war. Dieser erarbeitete mit einem Komitee einen neuen Plan. Es war eine große Aufgabe für Ferstel, denn erstmals sollte ein Komplex realisiert werden, der eine Vielzahl von Funktionen zu erfüllen hatte. Er meisterte diese Aufgabe mit viel Geschick, denn er hatte sich durch das Studium des Aufbaus italienischer Universitäten (Rom, Genua, Padua, Bologna) die nötigen Fachkenntnisse angeeignet. Stilistisch hat er sich an Renaissance und Barock orientiert. Der 1873 begonnene Bau wurde am 11. Oktober 1884 eröffnet. Ferstel war kurz zuvor verstorben. Das bedeutendste Gebäude rechterhand ist das Burgtheater („Die Burg“ im Wiener Sprachgebrauch), unter der Leitung der Architekten Gottfried Semper und Carl Hasenauer errichtet und am 14. Oktober 1888 eröffnet. Es war der erste elektrisch beleuchtete Monumentalbau. Die Akustik war jedoch nicht gut gelungen, und daher wurde 1897 der Theaterraum umgebaut. Schwerwiegende Schäden erlitt das Burgtheater im März und April 1945 durch Bomben und durch einen Brand, dessen Ursache nicht geklärt werden konnte. Zehn Jahre später wurde „die Burg“ wieder eröffnet. 6 Es folgt rechts eine Häuserzeile, in deren erstem Gebäude das traditionsreiche Café Landtmann untergebracht ist, und etwas weiter auf der Mölkerbastei steht das „PasqualatiHaus“, in dessen oberstem Stock Beethoven einen seiner Wiener Wohnsitze hatte (heute eine Beethoven-Gedenkstätte). Schottenring Der neunte und letzte Abschnitt der Ringstraße ist der Schottenring, der bei der Universität beginnt. Links wird der Blick über den Sigmund-Freud-Park auf die majestätische Doppelturmfassade der neugotischen Votivkirche frei. Am 18. Februar 1853 verübte der Schneider Janos Libenyi ein Attentat auf Kaiser Franz Joseph I., das dieser aber glücklicherweise überlebte. Sein Bruder, der Erzherzog Ferdinand Maximilian und künftiger Kaiser von Mexiko, veranlasste darauf eine Spendensammlung, um als Dank zur Errettung Franz Josephs I. eine Kirche zu errichten. Daher rührt auch die Bezeichnung „Votivkirche“. Rund 300.000 Menschen spendeten für den „neuen Dom“. Im Jahre 1854 schrieb man einen Wettbewerb aus, an dem sich 75 Architekten aus der Donaumonarchie, Frankreich, England und Deutschland beteiligten. Man entschied sich für das Projekt des jungen Heinrich Ferstel, der damals erst 26 Jahre alt war. Der Spatenstich für die Votivkirche erfolgte 1856, und die gesamte Bauzeit betrug 23 Jahre. Am Tag der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares, am 24. April 1879, wurde die Kirche feierlich eingeweiht. Die nach französischem Vorbild gebaute dreischiffige Basilika im neugotischen Stil ist eines der bedeutendsten Bauwerke des europäischen Historismus und eine der wichtigsten neugotischen Kirchen der Welt. Rechts am Eingang zum Schottentor und zur Freyung steht das Palais Ephrussi. Der aus Odessa stammende Bankier Ignaz Ritter von Ephrussi ließ sich in den Jahren 1872-73 dieses stattliche Palais von Theophil Hansen errichten. Das eigentliche Palais ist jedoch nur ein Teil des gesamten Komplexes, der aus mehreren Grundstücken besteht. Die beiden Eigentümer entschlossen sich, die jeweiligen Gebäude zu vereinen und ihnen eine einheitliche Fassade zugeben. Nun verläuft die Ringstraße leicht abfallend zum Donaukanal. Rechts steht die Wiener Börse, von Theophil Hansen in klassizistischen Renaissance-Formen gestaltet, und am 14. März 1877 durch Kaiser Franz Joseph I. eröffnet. Gegenüber säumen schöne Häuser den Boulevard. Hier stand einst das legendäre Ringtheater, das 1881 vollständig abbrannte. 7 Franz-Josefs-Kai Der Franz-Josefs-Kai führt am Donaukanal entlang und schließt die Runde. Am Morzinplatz stand einst das prunkvolle Hotel Metropol, in dem während des Zweiten Weltkriegs die Gestapo-Leitstelle ihr Quartier eingerichtet hatte. Viele Menschen wurden dort verhört, gefoltert, einsperrt und hinrichtet. Gegen Ende des Krieges wurde das Gebäude von Bombentreffern zerstört. Heute erinnert ein Mahnmal an dieses dunkle Kapitel der Geschichte. Nach dem Schwedenplatz gelangt man zur Urania Sternwarte, wo wir den Rundgang um die Ringstraße begonnen haben. 1897 wurde vom niederösterreichischen Gewerbeverein in Wien (nach Berliner Vorbild) die Urania als populärwissenschaftliches Institut gegründet, das bald als gemeinnütziger Verein geführt wurde. Dieser Verein brauchte eine Lokalität für seine Tätigkeiten. Die Wahl fiel auf das 1909 fertig gestellte weiße Jugendstilgebäude am Donaukanal, das von Max Fabiani, einem Schüler Otto Wagners, erbaut wurde. 1910 wurde die Urania von Kaiser Franz Joseph eröffnet. „Ringstraßenära“ Dieser Begriff bezeichnet die Jahrzehnte, in denen die Verbauung der Ringstraßenzone das städtebauliche und auch das gesellschaftliche Leben in Wien prägte. Der Ring wurde zum Synonym für die liberal geprägte städtische Verwaltung und die Regierung dieser Zeit; architektonisch zum Ausdruck des vorherrschenden Historismus; auch zur Bezeichnung der Dominanz des Großbürgertums, das die Wirtschaft, die Politik, das soziale Leben, und schließlich Kunst und Kultur dieser Epoche prägte. Verfasst 2015 für den „Club Soroptimist International Wien-Ringstraße“ von Angelika Wildner 8
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