BGSB Beiträge zur Geschichte der Stadtgemeinde Bruneck Nummer 1 (August 2015) Andreas Oberhofer Bomben auf Bruneck Die Luftangriffe in den Jahren 1944 und 1945 Die „Beiträge zur Geschichte der Stadtgemeinde Bruneck“ sind als unregelmäßige Reihe zur Veröffentlichung von wissenschaftlichen Arbeiten zu verstehen, die im Umfeld des Stadtarchivs Bruneck oder durch autonome Forschung entstanden sind. Die Schriftenreihe versteht sich (auch) als Kommunikationsforum über Themen, die die Stadtgemeinde Bruneck in historischer, kunsthistorischer, archäologischer, sprach- oder literaturhistorischer Hinsicht betreffen. Sie bietet vor allem jenen Forscherinnen und Forschern ein Forum, die ihre Texte nicht als Bücher, Buchbeiträge, Zeitungsartikel und andere Druckmedien veröffentlichen können oder möchten. Themen und Methode sind grundsätzlich offen und frei. Die Beiträge entstammen einem breiten Feld und befinden sich in verschiedenen Stadien der Erarbeitung, erwünscht sind durchaus auch Reaktionen auf Beiträge. Die in den Arbeiten geäußerten Meinungen geben freilich jeweils die der Verfasserinnen und Verfasser wieder, und dürfen nicht als Meinung der Redaktion oder als Position der Stadtgemeinde Bruneck missdeutet werden. Bomben auf Bruneck Die Luftangriffe in den Jahren 1944 und 1945 In den Jahren 1944 und 1945 war das Pustertal immer wieder Ziel der Angriffe von Flugzeugen, die versuchten, durch den Abwurf von Bomben auf Verkehrsknotenpunkte Infrastruktur zu zerstören bzw. zu schädigen. Auch die Stadt Bruneck und die Fraktionen der Stadtgemeinde waren betroffen. Ein erster Angriff fand am 3. August 1944 statt, als eine Bomberstaffel den Brunecker Bahnhof ins Visier nahm. Die Bomben fielen großteils auf das Dorf Stegen, wo zahlreiche Häuser beschädigt wurden. Schaden nahmen auch Gebäude in der Brunecker Bahnhofstraße und ein Haus in der Rienzstraße – drei Häuser in Reischach wurden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Zwar war in Bruneck bereits seit 1943 ein Flugmeldetrupp stationiert, der die Aufgabe hatte, frühzeitig vor Angriffen zu warnen und Alarm auszulösen, erst nach dem Angriff vom 3. August 1944 aber gab es in Bruneck bis zum Kriegsende fast täglich Fliegeralarm. Josef Liensberger reichte in der Stadtgemeinde noch am selben 3. August einen Bericht über die entstandenen Schäden im Haus Nr. 13 in der Bahnhofstraße in Bruneck ein und verlangte Entschädigung für 63 zerborstene Fensterscheiben. Am 8. November suchte er erneut um Ersatz für die Fenster im Gegenwert von 1.901 Lire an, zugleich wies er auch auf die Notwendigkeit von Reparaturen am Dach, an den Mauern und an einigen Türen, sowie auf den Austausch von Glühbirnen hin. Der Schadensbericht des Michael Kostner ging am 28. August bei der Stadtgemeinde ein, und Kostner meldete, dass eine Auslagenscheibe seines Geschäftslokals zu ersetzen sei; die Kosten für die Reparatur veranschlagte er mit 2.480 Lire. Johann Niederkofler (Dicktl) in Stegen meldete: Die „Plafone an sechs Stellen des Dachgeschosses an denen der Verputz bei teilweiser Loslösung der Bretterschalung von den Trämen [= Balken, Anm.] bzw. Sparren herabgefallen ist, wären auszubessern.“ Der Schaden wird mit 1.400 Lire beziffert. Am 9. August 1944 war das Dorf Stegen wieder von Bombardierungen betroffen, diesmal wurden die Häuser des Anton Mutschlechner (Langge) und des Josef Steinkasserer beschädigt. Am 16. September warf ein Nachzügler um die Mittagszeit drei Bomben über Bruneck ab. Am 3. Oktober schickte der Bautechniker Josef Mieler einen Kostenvoranschlag für die Ausbesserung der beschädigten Hausdächer von 16 Besitzern in Stegen an das Staatsbauamt in Bozen. Für die Reparaturen in der Volksschule und im Gemeindeamt von Bruneck wurden 120 Fensterscheiben im Gegenwert von 6.600 Lire in Rechnung gestellt – glimpflicher war das Ursulinenkloster mit nur acht zu ersetzenden Scheiben davon gekommen. Neben der Reparatur von Fensterscheiben wurde auch die Ausbesserung von Mauerwerk durch die öffentliche Hand unterstützt. In Stegen wurden insgesamt etwa 5.700 Ziegel an die Hauseigentümer verteilt. Der kommissarische Bürgermeister in 1 Bruneck, Ernst Lüfter, setzte sich darüber hinaus für eine möglichst rasche Lieferung von Zement aus Trient nach Bruneck ein. Da der Transport mit der Bahn, wie Lüfter schrieb, „fast unmöglich“ wäre, sollte er mit LKW erfolgen. Als der Zement auch im Jänner 1945 noch nicht eingetroffen war, erinnerte Lüfter die Zahlmeisterei der Militärkommandatur in Trient, dass der Transport durch die Deutsche Wehrmacht durchgeführt werden sollte. Das Staatsbauamt wies den Gemeinden neben Glas und Zement auch Eisen und Holz für die Behebung der Bombenschäden zu. Lüfter bedankte sich im Namen der Stadtgemeinde Bruneck offiziell in einem Schreiben, bemerkte aber, dass die Menge an zugewiesenem Glas kaum ausreiche, die Schäden einigermaßen beheben zu können. Am 7. November 1944 wurde der Brunecker Bahnhof bombardiert, am 16. November schlugen mehrere Bomben an der damaligen Reichsstraße (heute Dantestraße) vor dem Sparkassengebäude ein, wobei Schäden an der Sparkasse und an den umliegenden Häusern entstanden. Josef Mieler berichtete an das Strassenbauamt in Bozen über die Unterbrechung des Straßenverkehrs und berichtete, dass zur raschen Behebung der Schäden vom Luftschutzbauamt Bruneck und von der Bauunternehmung Josef Rainer Arbeitskräfte eingesetzt wären. Unklar war, welche Stelle für die Bezahlung dieser Arbeiter und die Reparaturkosten aufkommen sollte. Die Brunecker hatten sich mittlerweile um die Einrichtung von Luftschutzmöglichkeiten bemüht, am 3. November 1944 hatte der Bürgermeister den zuständigen Ingenieur am Staatsbauamt zu einer Besichtigung der Luftschutzstollen eingeladen. Offenbar war die Lage mittlerweile sehr angespannt: Der kommissarische Präfekt Karl Tinzl ordnete an, dass ihm die Gemeinden nach Luftangriffen unverzüglich Lageberichte übermitteln sollten, und zwar „fernmündlich [= telefonisch] spätestens 2 bis 4 Stunden nach erfolgten Angriffen“. Diese Anweisung vom 27. November 1944 wurde am 19. Jänner 1945 wiederholt und durch den Passus ergänzt, dass neben den telefonischen Lage- auch kurze schriftliche Tagesberichte eingehen müssten. Erstmals waren am 29. Dezember 1944 auch Schäden auf der nördlichen Talseite, in Dietenheim, zu beklagen, als um die Mittagszeit Bomben einschlugen. Im Dorf zerbarsten etwa 50 Fensterscheiben, und in den Feldern wurden tiefe Trichter aufgerissen. Es gab aber wie bei den vorhergehenden Angriffen keine Verletzten oder gar Toten. Josef Mieler berichtete im Namen des kommissarischen Bürgermeisters an den Präfekten: „Es dürfte sich um einen Notabwurf handeln. Eine fernmündliche Verständigung unmittelbar nach dem erfolgten Abwurf war nicht möglich, da die Telefonleitung gestört war.“ Am 17. Jänner 1945 suchte Mieler beim Staatsbauamt um Ersatz für insgesamt ca. 15 m2 Fensterglas an. Das letzte Kriegsjahr 1945 brachte weiteren Sachschaden durch Bombenangriffe mit sich. Einen Höhepunkt der Angriffe bildete die sogenannte Brennerschlacht im Frühjahr, in der B-25-Flugzeuge von Korsika aus operierten und mehrmals die mitt2 lere Brennerstrecke mit dem Hauptziel Salurn angriffen. Gleichzeitig erfolgten Tieffliegerangriffe auf Auer, Innichen und Bruneck. Am 23. Februar wurden bei einem derartigen Angriff auf Bruneck zwei Automobile zerschossen, drei Tage später griffen drei Jagdbomber den Bahnhof an und durchlöcherten eine alte Littorina (einen Antriebswagen), wobei auch eine Stromleitung getroffen und die Stromversorgung der Stadt unterbrochen wurde. Weitere Bomben, die keinen Schaden anrichteten, fielen am selben Tag zwischen Bruneck und St. Lorenzen. Am 28. Februar 1945 erging ein Rundschreiben des Präfekten, wonach entlang der Straßen zum Schutz gegen Fliegerangriffe Deckungsgräben auszuheben seien. Die Kosten für diese „Fliegerdeckungslöcher“ würde die Wehrmacht tragen, die Arbeiter würden nach dem „Wehrmachtstarif“ entlohnt. Als am selben Tag sieben Flugzeuge einen Angriff auf den Brunecker Bahnhof flogen, kamen auch Menschen zu Schaden. Vier Personen, von denen drei dem Militär angehörten, starben, etwa 15 Personen wurden verwundet. 133 Zivilisten verloren ihr Obdach, da zahlreiche Gebäude, darunter auch der Kindergarten in der Bahnhofstraße, beschädigt und vorübergehend unbewohnbar wurden. Schäden trugen die Ortskommandatur in der Villa Harpf, das Hotel Bruneck, der Gasthof Blitzburg, die Gebäude und Magazine der Firma Webhofer, Villa Kostner, Villa Maria und Villa Pasquazzi davon. Der Bürgermeister schrieb an das Staatsbauamt, dass die Beschädigungen der Hausdächer größer wären als ursprünglich angenommen, und dass der Mangel an Wohnungen dazu zwinge, eine möglichst große Anzahl von Häusern rasch wieder bewohnbar zu machen. Zu diesem Zweck ersuchte er um die Zuweisung von Schnittholz, Drahtstiften, Fensterglas und Zement in genügender Menge. Aus Bozen traf aber eine ernüchternde Antwort ein: „Die Knappheit der Vorräte gestattet mir nicht Ihrem Ansuchen um Zuteilung von 500 qm. Glas voll zu entsprechen. Ich verweise darauf, dass auch in Bozen in der Regel für je einen Raum nur 1 bis 2 Scheiben bewilligt werden, der Rest der Fensteröffnungen ist mit Karton (Pappe) zu verschliessen, für die ich auf Ansuchen Bezugsscheine ausstelle. […] Ausbesserungen am Mauerwerk sind im allgemeinen mit Weisskalk vorzunehmen, Schönheitsarbeiten (Putz und Tünchung) auf die Nachkriegszeit zurückzustellen.“ Den Bruneckern blieb indes wenig Zeit zum Durchatmen, bereits am 5. März fielen weitere Bomben auf die Bahnhofsgegend. Lüfter berichtete an den Präfekten, dass der Angriff ohne Warnung erfolgt sei: „Drei Villen sind […] wegen Beschädigung der Türen und Fenster unbewohnbar geworden. Die Wechsel zum Abstellgeleise der Wehrmacht weisen starke Beschädigungen auf. Bei Einsatz von genügend Arbeitskräften könnte, laut Angabe eines Fachmannes, der Schaden innerhalb 24 Stunden behoben werden. Tote und Verletzte sind nicht zu beklagen. Wegen Unterbrechung der Telefonlinie konnte eine fernmündliche Berichterstattung nicht gemacht werden.“ Am 13. März 1945 wurde die Eisenbahnbrücke von Percha zerstört. Am 19. März schossen niedrig fliegende Jagdbomber zwischen Sonnenburg und Bruneck drei fahrende Autos in Brand. Am 8. April, einem Sonntag, fielen zu Mittag etwa 20 3 Sprengbomben auf das Gebiet von St. Georgen und Stegenerberg, wobei tiefe Trichter im Boden zurückblieben. Luftdruck und Splitterwirkung richteten Schäden an Dächern und Fenstern an, das Auenfischer-Anwesen wurde vorübergehend unbewohnbar. Etwa 20 Personen verloren ihr Obdach, die Tauferer Straße wurde beschädigt, eine Person erlitt schwere Verletzungen. In der Stadt Bruneck, aber auch in Dietenheim und Aufhofen, gingen einmal mehr Glasscheiben zu Bruch. Mit einem tragischen Ereignis endete am 20. April 1945 die Geschichte der Bombardierungen des mittleren Pustertals: Zwei Brüder verloren beim Versuch, einen Blindgänger zu entschärfen, der beim Rückflug einiger Bomber gefallen war, ihr Leben. Quellen Stadtarchiv Bruneck, Karton 480: Kriegsschäden 1945, Schätzungen, Baumaterialien für Bombenschäden, Luftschutzmaßnahmen und Bauten im Allgemeinen. Literatur Thomas Albrich, Luftkrieg über der Alpenfestung 1943-1945. Der Gau Tirol-Vorarlberg und die Operationszone Alpenvorland, Universitätsverlag Wagner Innsbruck 2014. Der Autor Andreas Oberhofer, Studium der Geschichte und Deutschen Philologie an der Leopold Franzens Universität Innsbruck, Mag. phil. 2002, Dr. phil, 2006 mit der Arbeit „Weltbild eines ‚Helden‘. Andreas Hofers schriftliche Hinterlassenschaft.“ 2002 bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Innsbruck, seit November 2013 Stadtarchivar in Bruneck. Empfohlene Zitierweise für den Beitrag Andreas Oberhofer, Der sogenannte Gerichtsstein in St. Georgen (= Beiträge zur Geschichte der Stadtgemeinde Bruneck 2), 17.08.2015, <http://www.archiv-bruneck.it/wp-content/uploads/2015/08/BGSB1.pdf>. Stadtarchiv Bruneck, Enrico-Fermi-Straße 6, I-39037 Bruneck. Redaktion der BGSB: Andreas Oberhofer, [email protected]. Homepage: www.archiv-bruneck.it 4
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