Seiltechnik Hochtour 2009 hochtour seiltechnik ... 1 sicherungsgeräte 09 Einfache Seiltechnik auf Hochtouren Alle Jahre wieder erleben wir die Hauptsaison für die klassischen Hochtouren im vergletscherten Gelände der Ost- und Westalpen. Beim Packen des Rucksackes ist Seil und Gurt Standard. Oft mit gemischten Gefühlen wird gepackt, denn vielen Bergsteigern erscheint die richtige Seil- und Sicherungstechnik bei Hochtouren als besonders anspruchsvoll. Nicht ganz zu unrecht, denn Hochtouren gelten als Königsdisziplin im Bergsport, da vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten gefordert sind. Obgleich die Anzahl der unterschiedlichen Sicherungstechniken unüberschaubar ist, kommt man auf den meisten Hochtouren mit relativ wenig Seiltechnik aus. Wichtig ist nur, dass man diese Techniken souverän beherrscht und auf das Seil zur Sicherung nicht verzichtet! Ausrüstung Damit man überhaupt sichern kann oder eine effiziente Hilfestellung im Notfall möglich ist, muss die seiltechnische Ausrüstung komplett sein. Zugegeben ein Aufwand - der jedoch zumeist überschätzt wird, denn die moderne Ausrüstung ist leichter (ca. 1.600 g ohne Seil) und funktioneller als je zuvor. Als Ausrede taugt der Vorwand des großen Zusatzgewichts jedenfalls nicht mehr. Die im Folgenden beschriebene Ausrüstung passt für Hochtouren bei denen nicht nur ein Gletscher begangen, sondern auch ein einfacher Felsgrat oder eine kurze Eispassage geklettert wird. leichtes, gut imprägniertes Einfachseil, mindestens 50 m (ca. 2400 g) leichter, ungepolsterter Hochtouren-Hüftgurt (ca. 400 g ) zwei (kleine) Schraubkarabiner (ca. 120 g) ein HMS-Karabiner (ca. 70 g) ein Karabiner mit selbsttätiger 3-Wege-Verschlusssicherung (ca. 70 g) vier Schnapper (ca. 180 g) vier lange Bandschlingen (ca. 160 g) drei Reepschnüre (1 m / 3 m / 3 m) (ca. 140 g) 2 sicherungsgeräte 09 drei Eisschrauben, ca. 18 cm (ca. 400 g) Seilklemme, zB Tibloc (ca. 40 g) Zum Seil ist anzumerken, dass ein leichtes, gut imprägniertes Einfachseil einem Halbseil deutlich überlegen ist. Im Gewicht sind die dünnen Einfachseile nicht mehr viel schwerer als die Halbseile, im Anwendungsspektrum (zB am Grat) jedoch wesentlich vielfältiger einsetzbar. Auch bei der Rettungstechnik ist es kein Nachteil, wenn ein Seil einen gewissen Durchmesser hat, denn allzu dünne Seile lassen sich nur schlecht greifen. Seil- und Sicherungstechnik am Gletscher Die Gurte sollten spätestens bei Betreten des Gletschers angelegt werden, dadurch fällt das Anseilen leichter! Günstiger und weniger stressig ist es zumeist, wenn man schon in der Hütte oder der Seilbahnstation den Gurt anzieht. Das Anseilen am Gletscher erfolgt mittels Karabiner (Empfehlung: ein selbsttätiger Verschlusskarabiner) und Achterknoten. Die Abstände betragen bei der Zweierseilschaft 12 m, bei der Dreierseilschaft 10 m und bei größeren Seilschaften rund 8 m. Da man am Gletscher gleichzeitig unterwegs ist, muss man auf gute Seildisziplin achten. Bei kleinen Seilschaften bzw. bei großem Gewichtsunterschied der Seilpartner empfiehlt es sich, Bremsknoten (2 bis 3 Sackstichschlingen) zu machen. Anseilen am Gletscher (im Sommer) zu Fuß: Grundsätzlich seilt man sich im Sommer am Gletscher immer an, wenn er eine Firnauflage (Schneeauflage) hat. Ohne Seil ist man nur am Blankeis unterwegs, sofern keine Gefahr eines Absturzes (auch in Spalten) besteht. Die Nachteile des Anseilens am Gletscher sind im Sommer weit weniger dramatisch als im Winter. Im Zweifelsfall sollte man daher einmal öfter anseilen als darauf zu verzichten. Anseilen am Gletscher (im Winter) mit Skier: Auf bekannt gefährlichen Gletschern bzw. in spaltenreichen Zonen. Ebenso bei fehlender Information die Spaltensituation betreffend. 3 sicherungsgeräte 09 Bei schlechter Sicht oder bei Orientierungsproblemen, da man nicht mehr davon ausgehen kann, die ideale Linie zu finden. Bei schwacher Spaltenüberdeckung (oft nach Schneefall, bei großer Winderosion oder wenn durchhängende Brücken sichtbar sind)! Ein Problem ergibt sich jedoch auch bei guter Schneelage, denn dann sind zwar die kleinen und mittleren Spalten gut verfüllt – nicht jedoch die großen Spalten. Stürzt man in eine solche große Spalte, fällt man erstens sehr tief und zweitens wird man noch von den nachstürzenden Schneemassen begraben. Nach Neuschnee bzw. bei neuer Spuranlage am Gletscher! Bei starker Durchfeuchtung der Schneedecke, da es zum „Aufweichen“ der tragfähigen Spaltenbrücken kommt. Seil- und Sicherungstechnik am Grat Auf Graten empfiehlt sich die Sicherung von einem Fixpunkt aus. Günstigerweise verwendet man dazu Klemmblöcke oder Kopfschlingen. Letztere können naturgemäß aber nur Belastungen nach unten aufnehmen. Stürzt der Vorsteiger in eine Zwischensicherung, kann die Standschlinge nach oben weggerissen werden. In diesem Fall müsste der Standplatz nach unten abgespannt werden (hoher Aufwand!) oder man sichert direkt vom Körper aus (anspruchsvoll!). 4 sicherungsgeräte 09 Die Sicherung erfolgt prinzipiell mittels Halbmastwurf-Sicherung (HMS), da diese einfach anzuwenden und von den Bremskräften her ideal ist. Sofern kein freies Hängen möglich ist, können auch zwei Personen (maximal drei Personen) gleichzeitig nachgesichert werden. Unbedingt ist dabei darauf zu achten, dass man ein Einfachseil verwendet, da Halbseile von Felskanten leichter beschädigt werden können und ein Seilriss nicht auszuschließen ist. Besonderes Augenmerk muss den Sicherungsblöcken gewidmet werden. Zum einen muss die Bandschlinge (keine Reepschnüre) sauber liegen, sodass sie bei Belastung nicht herunter rutscht und zum anderen muss sichergestellt sein, dass der Felskopf auch „festgewachsen“ ist - und nicht nur festgefroren. Damit sich bei Abseilstellen an Felsköpfen das Seil nicht verhängt, lässt man am besten eine doppelt gefädelte Reepschnur oder ein Seilstück zurück. Da die Abseilstrecken meist recht kurz sind, kann man auch dazu die HMS verwenden. Achtung beim Ablassen: Nie Seil auf Seil! Fixseil - Geländerseil Bei kürzeren Steilstücken (oder Querungen), welche im Aufstieg und im Abstieg oder auch von größeren Gruppen begangen werden, empfiehlt sich ein Fixseil oder ein Geländerseil. An einem Felskopf, einem „Toten Mann“ oder 5 sicherungsgeräte 09 einem Ausgleich mit Eisschrauben wird das Seil vom „Führer“ fixiert und zu einer Verankerung am „Einstieg“ möglichst straff gespannt. Danach legen die Seilpartner entweder mittels Prusikknoten oder Seilklemme (Tibloc genügt) eine Selbstsicherung an, die sie dann beim Höhersteigen mitschieben. Damit keine zu großen Belastungen entstehen, sollten maximal vier Personen gleichzeitig am Seil sein. Benützt man einen anderen Abstieg, so wird das Seil vom Gruppenletzten straff gespannt, bis alle beim Führer sind. Der letzte Bergsteiger wird dann mittels HMS nachgeholt. Besteht potentielle Gefahr, dass ein Bergsteiger Stein- oder Eisschlag auslösen könnte, darf sich nur eine Person am Fixseil befinden, für die anderen gilt es, entsprechend geschützte Standplätze zu wählen. Bei vielen Gipfelanstiegen auf Hochtouren muss man zumeist gar keine „großen Seilmanöver“ durchführen. Es genügt, wenn man das Seil sicher verankert (am Gipfelkreuz ) und ein paar Knoten hineinknüpft. Weniger trittsichere Bergkameraden können sich dann beim Auf- und Abstieg festhalten. Dabei kommt einem auch die psychologische Komponente sehr entgegen, da ein Seil Sicherheit vermittelt und so das Gipfelerlebnis ungestört genossen werden kann. 6 sicherungsgeräte 09 Seil- und Sicherungstechnik in Firnflanken Um steile Firn- und Schneeflanken rasch absichern zu können, empfiehlt sich neben der klassischen Methode mit dem „Toten Mann“ der Sitzpickel. Dazu legt man um den Pickelkopf eine Bandschlinge und rammt den Pickel in den zu einer Sitzkuhle verdichteten Schnee. Anschließend setzt man sich vor den Pickel in den Schnee, schafft sich eine stabile Position, in der man sich mit den Füßen gut abstützen kann, und macht mit der Bandschlinge einen Ausgleich zum Anseilpunkt seines Gurtes. Der Nachsteiger kann dann direkt von diesem Ausgleich gesichert werden. Bei tiefem Schnee kann man statt des Pickels auch die Schier verwenden (Achtung auf die Kanten). Bei besonders harten Bedingungen kann auch eine Eisschraube zur Anwendung kommen. Falls es sich aber um eine Eisflanke handelt, ist es ohnedies günstiger einen Ausgleich an zwei Eisschrauben zu machen. 7 sicherungsgeräte 09 Tibloc Sicherung im Eis Um einmal rasch eine Steilstufe von 80-100 Meter bewältigen zu können ist bei moderater Schwierigkeit die Sicherung mittels Tibloc möglich. Habe ich einen zweiten oder dritten Tibloc können auch längere Passagen im Blankeis abgesichert werden. Der Bergführer steigt dabei die volle Seillänge (50 m) voraus und setzt eine Schraube in die er mit einem Verschlusskarabiner den Tibloc einhängt. Unbedingt ist dabei darauf zu achten, dass der Karabiner das Seil umschließt. Ist das Seil gespannt, gehen beide gleichzeitig bis der Gast beim Tibloc angekommen ist. Je nach Gelände kann der Führer eine zweite Schraube mit Tibloc setzen oder den Gast an der Schraube nachsichern. Achtung: Die Sicherung mit Tibloc ist keine Alternative zur Sicherung vom Stand mit Zwischensicherungen, sondern dort ideal, wo man mit „Bauchweh“ gleichzeitig (am kurzen Seil) gegangen wäre. 8 sicherungsgeräte 09 Empfehlungen - Hochtour 1. Tourenplanung Die teilweise dramatischen Veränderungen im Hochgebirge machen es notwendig, dass man in der Tourenplanung verstärkt auf die Aspekte des „Klimawandels“ eingeht. Übergänge oder Gipfelanstiege v.a. im vergletscherten Bereich bzw. im Bereich des Permafrosts müssen dabei mit besonderem Augenmerk beurteilt werden. Eine auf die aktuellen Bedingungen abgestimmte Routenwahl ist dabei der Schlüssel einer Bergtour (siehe Planungsformular). 2. Verwendung „kurzes Seil“ und Selbstsicherung Bei manchen Führungstouren ist die Verwendung des „kurzen Seils“ unumgänglich - dennoch sollte es aufgrund des hohen Risikos nur sehr zurückhaltend verwendet werden. Auch in Hinblick auf die eigene Sicherheit sind Alternativen zu überlegen. Um Mitreißunfälle oder Abstürze möglichst zu verhindern, sollten sowohl Gast als auch Führer stets eine Selbstsicherung haben. 3. Ausrüstung a. Seil Die Empfehlung für Hochtouren ist ein mindestens 50 Meter langes Einfachseil, das hervorragend imprägniert und leicht gebaut ist (zB Joker von Beal). b. Schnüre und Schlingen Als Reepschnüre empfehlen sich Produkte aus Kevlar oder Dyneema, da sie über wesentlich höhere Bruchwerte verfügen. Gleiches gilt für industriell gefertigte Bandschlingen aus diesen Materialien, die hohe Haltekräfte und geringes Gewicht vereinigen. c. Antistollplatte Standardmäßig sollten Steigeisen mit Antstollplatten ausgestattet sein. d. Pickel Die Pickellänge eines „Führerpickels“ sollte mindestens 55 cm betragen, da sich Verankerungen wesentlich effizienter erstellen lassen. 9 sicherungsgeräte 09 e. Helm Aufgrund des vermehrten Steinschlags auf Hochtour ist die Verwendung eines Helms zunehmend wichtiger. Auch auf klassischen Hochtouren macht daher die Verwendung eines Helm Sinn. f. Eisschrauben Um in der Sicherungstechnik auf Hochtour flexibel agieren zu können empfiehlt es sich, dass man als Führer mindestens 2 lange Eisschrauben von hoher Qualität mitführt. 10 sicherungsgeräte 09 unbekannt Route Abstieg bekannt unbekannt ∆h von - bis (Höhe) Wegabschnitt, Teilstrecke Zeit Gelände Risikopotential Bachquerungen bekannt Orientierung Route Aufstieg Sonne/Strahlung m Absturz , Ausgangspunkt Wechten Berg, Gipfelhöhe, Region Kälte/Wind am: Spaltensturz erstellt von: Steinschlag, Eisschlag / Seracs Planungshilfe Hochtour 1 1 2 3 4 5 6 7 8 Zeitbedarf 2 Aufstieg Abstieg Pausen Startzeit (spezielle) Ausrüstung Gruppe Teilnehmer GESAMT Zahl bekannt gemischt Rückkehr (Notfall, Sicherung, Orientierung, Kälte, Sonne, Nahrung): unbekannt Eigenkönnen Anfänger Fortgeschritt. Experten Motivation ehrgeizig besonnen zurückhaltend Bewölkung sonnig wechselnd bewölkt Niederschlag Schneefall Regen Sicht gut eingeschränkt Wind windstill schwach, mäßig Wetter Temperatur auf 3000 m °C 0°-Grenze stark bewölkt sehr schlecht stark, Sturm m Notrufnummern: 112 / 140 / weitere: Oesterreichischer Alpenverein 1 2 Risikopotential: subjektive Einschätzung des Gefahrenpotentials (1=niedrig, 2=mittel, 3=hoch) Aufstiegszeit: 300 m/Stunde, 3 km/Stunde; den kleineren Wert halbieren und Summe bilden; Abstieg = 2/3 Aufstiegszeit 11 sicherungsgeräte 09
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