Florian Baumann / Cornelia Stengel Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland Bemerkungen zum Beschluss des Zürcher Obergerichts vom 2. Februar 2015 betreffend Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens wegen Nötigung Das Zürcher Obergericht hat sich in einem Beschwerdeentscheid betreffend Nichtanhandnahme eines Strafverfahrens wegen Nötigung (Beschluss vom 2. Februar 2015 [UE140091-O/U/bru], Publikation in: ZR 114 (2/2015) Nr. 11) mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine Bank angesichts des Verdachts auf Steuerdelikte im Ausland zu einer Kontosperre verpflichtet oder berechtigt war bzw. die Freigabe der Gelder vom Nachweis der rechtsgenügenden Steuerdeklaration im Ausland abhängig machen durfte. Die Autoren setzen sich mit dem Beschluss und seiner Bedeutung auseinander und weisen auf zukünftige Entwicklungen zum Thema hin. Beitragsarten: Urteilsbesprechungen Rechtsgebiete: Wirtschaftsstrafrecht (UWG, Kartellgesetz, BankG, BEHG); Steuerrecht Zitiervorschlag: Florian Baumann / Cornelia Stengel, Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland, in: Jusletter 11. Mai 2015 ISSN 1424-7410, http://jusletter.weblaw.ch, Weblaw AG, [email protected], T +41 31 380 57 77 Florian Baumann / Cornelia Stengel, Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland, in: Jusletter 11. Mai 2015 Inhaltsübersicht 1 2 3 1 Sachverhalt und Prozessgeschichte Erwägungen des Zürcher Obergerichts 2.1 Positive Begründung der Rechtswidrigkeit bei Nötigung 2.2 Kontosperre gestützt auf geltendes GwG bzw. Berufspflichten i.S.v. Art. 14 StGB? 2.3 Kontosperre gestützt auf AGB? — Ausübung eines privaten Rechts als Rechtfertigungsgrund Bemerkungen Sachverhalt und Prozessgeschichte [Rz 1] Ein Bankkunde der Zürcher Kantonalbank (ZKB) reichte am 12. Dezember 2013 Strafanzeige wegen Nötigung gegen unbekannte Bankmitarbeiter ein, weil sich die Bank geweigert habe, sein Kontoguthaben bei der ZKB auf sein Konto bei einer russischen Bank zu überweisen, solange er keinen Steueranwalt in den USA beiziehe, der gegenüber der ZKB bestätige, dass er in den USA nicht steuerpflichtig sei bzw. seine entsprechende Deklarationspflicht stets erfüllt habe. [Rz 2] Mit Verfügung vom 19. März 2014 entschied die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, das Strafverfahren nicht an die Hand zu nehmen, da der Tatbestand der Nötigung aufgrund fehlender Rechtswidrigkeit der inkriminierten Handlung entfalle. Sowohl der verfolgte Zweck (Klärung der Steuerpflicht des Anzeigeerstatters in den USA) sowie die verwendeten Mittel (Einforderung einer Bescheinigung eines US-amerikanischen Steueranwalts über die Erfüllung der Steuerdeklarationspflicht in den USA resp. Verweigerung der Geldüberweisung) seien zulässig. Aber selbst wenn die verweigerte Geldüberweisung als rechtswidrig qualifiziert würde, verweise die ZKB für ihr Handeln auf das in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) stipulierte Pfandund Verrechnungsrecht bei Haftungsansprüchen der Bank gegenüber den Bankkunden und auf die Schadenminderungspflicht der Vertragspartner als Rechtfertigungsgründe. Ob sich die ZKB zu Recht darauf berufe oder deswegen gegenüber dem Anzeigeerstatter allenfalls schadenersatzpflichtig werde, stelle eine rein zivilrechtliche Frage dar, welche nicht im Strafverfahren zu klären sei. Das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen könne jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Schliesslich könne den Mitarbeitern der ZKB kein Vorsatz nachgewiesen werden. [Rz 3] Der Bankkunde erhob gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Beschwerde ans Zürcher Obergericht und stellte sich auf den Standpunkt, die fraglichen Vermögenswerte auf seinem Konto bei der ZKB gehörten ihm, weshalb er darüber verfügen könne. Eine Beschränkung seiner Verfügungsmacht sei nur bei Vorliegen einer genügenden gesetzlichen Grundlage in der Schweiz zulässig. Eine solche bestehe jedoch nur bei einer möglicherweise deliktischen Herkunft der Gelder. Der mit dem Rückbehalt der Gelder verfolgte Zweck könne nicht als rechtmässig bezeichnet werden. Zivilrechtlich unzulässige Verhaltensweisen könnten zudem durchaus auch Straftatbestände erfüllen. Vor einer Befragung der Bankmitarbeiter könne noch nichts zum subjektiven Tatbestand gesagt werden, wobei in Tat und Wahrheit anzunehmen sei, dass die Bankmitarbeiter sehr genau gewusst hätten, was sie täten. Ihnen sei jedes Mittel recht, die Position der ZKB im Rahmen des hängigen Strafverfahrens in den USA nicht zu verschlechtern, selbst wenn dadurch die Rechtsposition der Bankkunden unerlaubterweise geschmälert und Schweizer Recht verletzt werde. 2 Florian Baumann / Cornelia Stengel, Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland, in: Jusletter 11. Mai 2015 2 Erwägungen des Zürcher Obergerichts 2.1 Positive Begründung der Rechtswidrigkeit bei Nötigung [Rz 4] Vorab hielt das Zürcher Obergericht in Übereinstimmung mit Lehre und konstanter Rechtsprechung fest, dass der Tatbestand der Nötigung das Rechtsgut der Willens- und Handlungsfreiheit des Einzelnen schütze.1 Diese Freiheit bestehe indessen nicht uneingeschränkt, sondern nur nach Massgabe der Rechtsordnung, weshalb nicht jedes tatbestandsmässige Verhalten auch rechtswidrig sei. Die Rechtswidrigkeit bedürfe bei Art. 181 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) einer zusätzlichen, positiven Begründung, welche nach der bundesgerichtlichen Formel darin bestehe, dass das Mittel oder der Zweck unerlaubt sei oder dass das Mittel zum angestrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis stehe oder dass die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig sei. [Rz 5] Weiter wies das Zürcher Obergericht in derselben Erwägung darauf hin, dass ausnahmsweise gesetzliche Rechtfertigungsgründe im Sinne von Art. 14 StGB vorliegen könnten und ferner auch an privatrechtlich begründete Rechtfertigungsgründe zu denken sei. 2.2 Kontosperre gestützt auf geltendes GwG bzw. Berufspflichten i.S.v. Art. 14 StGB? [Rz 6] Vor diesem Hintergrund prüfte das Obergericht Zürich vorab die Frage, ob die ZKB zur Blockierung der Gelder aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften verpflichtet oder berechtigt gewesen ist.2 [Rz 7] Zur Sperre eines Bankkontos (und Meldung bei der Meldestelle für Geldwäscherei) könnte eine Bank auf der Grundlage und gemäss den Vorschriften des GwG3 bzw. der GwV-FINMA4 verpflichtet sein. [Rz 8] Nachdem im vorliegenden Fall jedoch lediglich Hinweise auf Steuerdelikte des Kontoinhabers vorlagen, solche aber nicht als Verbrechen qualifizieren5 und deshalb keine Vortaten zur Geldwäscherei bilden6 , war die ZKB alleine aufgrund eines solchen Verdachts — im heutigen Zeitpunkt bzw. gemäss heutiger Rechtslage — jedoch nicht zur Sperrung der fraglichen Bankkonten verpflichtet. [Rz 9] Das Obergericht Zürich hielt ausdrücklich fest, dass eine Bank, die Gelder aus (inländischen oder ausländischen) Steuerdelikten annimmt, diese nach derzeit anwendbarem Recht verwalten kann, ohne sich der Geldwäscherei strafbar zu machen. Nach einem Hinweis auf die anstehende Gesetzesänderung, wonach qualifizierte Steuervergehen in Zukunft als Vortaten zur Geldwäscherei gelten sollen, kam das Obergericht zum Schluss, dass es unter noch geltendem 1 Urteil des Zürcher Obergerichts UE140091-O/U/bru vom 2. Februar 2015, E. 4.1. 2 Urteil des Zürcher Obergerichts UE140091-O/U/bru vom 2. Februar 2015, E. 5. 3 Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0). 4 Verordnung vom 8. Dezember 2010 der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung (Geldwäschereiverordnung-FINMA, GwV-FINMA; SR 955.033.0). 5 Steuerdelikte werden im Bereich der direkten Steuern entweder als Vergehen (Steuerbetrug i.S.v. Art. 186 DBG und Art. 59 StHG) oder als Übertretungen (Steuerhinterziehung i.S.v. Art. 175 DBG und Art. 56 StHG) qualifiziert. 6 Art. 10 Abs. 2 und Art. 305bis Ziff. 1 StGB. 3 Florian Baumann / Cornelia Stengel, Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland, in: Jusletter 11. Mai 2015 GwG keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften gebe, welche die ZKB zur Blockierung der Gelder des Kontoinhabers berechtigen oder verpflichten würden, womit sich eine solche nicht auf den Rechtfertigungsgrund der Berufspflichten im Sinne von Art. 14 StGB stützen lasse. 2.3 Kontosperre gestützt auf AGB? — Ausübung eines privaten Rechts als Rechtfertigungsgrund [Rz 10] Das Obergericht Zürich stellte sich sodann die Frage, ob die ZKB die Kontosperre auf die Ausübung eines privaten Rechts als Rechtfertigungsgrund abstützen könnte.7 [Rz 11] In Art. 8 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen hatte sich die ZKB an allen Vermögenswerten, die sich jeweils für Rechnung des Kunden bei ihr oder anderswo befinden oder verbucht sind, wie auch an allen Forderungen des Kunden gegenüber der Bank, ein Pfandrecht für alle ihre aus der Bankverbindung jeweils bestehenden Ansprüche ausbedungen, auf welches sie sich im vorliegenden Fall stützte. Die ZKB behauptete, der Kontoinhaber habe anlässlich der Eröffnung seiner Konten unwahre Angaben betreffend seinen Wohnsitz und Aufenthalt in den USA gemacht, um seine daran anknüpfende Steuerpflicht in den USA zu verheimlichen, weshalb er der ZKB aus culpa in contrahendo sowie aus Art. 41 des Obligationenrechts (OR) ersatzpflichtig werde für den Schaden, der der ZKB durch die Busse des US-amerikanischen Justizdepartements aufgrund der Entgegennahme und Verwaltung nicht deklarierter Bankguthaben erwachsen werde. [Rz 12] Das Obergericht Zürich hielt mit Verweisung auf BGEă115ăIVă207 sowie einschlägige Lehre fest, dass die Zurückbehaltung einer Pfandsache gestützt auf ein vertraglich vereinbartes Pfandrecht die Rechtswidrigkeit i.S. des Nötigungstatbestandes des Vorgehens entfallen lasse, wobei bereits die Behauptung des Bestehens einer Pfandforderung zur Aufhebung der Rechtswidrigkeit genügen müsse, selbst wenn der Schuldner die Pfandforderung bestreite. Andernfalls müsste die Ausübung des Pfandrechts immer als Nötigung qualifiziert werden, wenn sich herausstelle, dass der Schuldner die Pfandforderung zu Recht bestreite, welche Rechtslage mit dem Gedanken der Subsidiarität des Strafrechts nicht vereinbar sei. [Rz 13] Dementsprechend beurteilte das Obergericht Zürich das Vorgehen der ZKB, welches auf eine vertragliche Abmachung als Rechtfertigungsgrund gestützt war, nicht als Nötigung und es konnte die umstrittene Rechtsfrage, ob eine Bank die ihr von den US-Behörden auferlegte Busse infolge der Entgegennahme und Verwaltung unversteuerter Gelder von in den USA steuerpflichtigen Personen nach schweizerischem Recht als zivilrechtliche Schadenersatzforderung auf die Bankkunden überwälzen kann, unterbleiben. 3 Bemerkungen [Rz 14] Die Begründung des Entscheids des Zürcher Obergerichts enthält wichtige Feststellungen, welche trotz der bevorstehenden Änderungen im Bereich der Geldwäscherei im Fiskalbereich ihre grundsätzliche Bedeutung behalten werden. [Rz 15] Vorab zeigt der beurteilte Fall, in welche unangenehme Situation eine Bank zwischen in- 7 Urteil des Zürcher Obergerichts UE140091-O/U/bru vom 2. Februar 2015, E. 6. 4 Florian Baumann / Cornelia Stengel, Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland, in: Jusletter 11. Mai 2015 und ausländischer Rechtsordnung bzw. zivil- und strafrechtlichen Pflichten geraten kann. Immerhin macht das Obergericht Zürich unzweideutig klar, dass Geldwäscherei in Fiskalsachen derzeit in der Schweiz noch nicht strafbar ist. Die Klarstellung ist, obwohl eigentlich selbstverständlich, zu begrüssen, zumal bisweilen der Eindruck entsteht, der Grundsatz nulla poena sine lege (scrita et praevia) habe hinter moralischen, politischen oder auch nur fiskalischen Anliegen zurückzutreten. [Rz 16] Allerdings ist mit dem Obergericht Zürich darauf hinzuweisen, dass im Ausland teilweise strengere Regeln für die Sorgfalt bei Finanzgeschäften gelten und solche sehr bald auch in der Schweiz eingeführt werden. So verabschiedeten die Räte am 12. Dezember 2014 das Gesetz zur Umsetzung der revidierten GAFI-Empfehlungen8 , wonach qualifizierte Steuervergehen, d.h. Straftaten nach Art. 186 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) und Art. 59 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG), bei welchen die hinterzogenen Steuern pro Steuerperiode mehr als Fr. 300’000.— betragen, als Vortaten zur Geldwäscherei gelten (rev. Art. 305bis Ziff. 1 und 1bis des schweizerischen Strafgesetzbuches [StGB]). Die Sorgfalts-, Melde- und Sperrpflichten gemäss GwG werden auf diese qualifizierten Steuervergehen ausgedehnt (rev. Art. 6 Abs. 2 lit. b, Art. 9 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2, Art. 10 GwG). Dies gilt nota bene auch dort, wo Steuervergehen gegen den ausländischen Fiskus zur Diskussion stehen (Art. 305bis Ziff. 3 StGB). Die Inkraftsetzung dieser Revision erfolgt per 1. Januar 2016. [Rz 17] Die Einführung der Geldwäscherei im Fiskalbereich entsprechend den Vorgaben der GAFI wird jedoch nicht ändern, dass die Geldwäscherei-Konzepte in der Schweiz und im Ausland nicht deckungsgleich sind. Insbesondere wird in der Schweiz auch nach der GAFI-Revision — anders als etwa in der EU oder den USA — Geldwäscherei bei blosser Steuerhinterziehung überhaupt nicht und bei Steuerbetrug nur bei einem hinterzogenen Steuerbetrag von mehr als Fr. 300’000.— pro Steuerperiode strafbar sein. Zudem basiert die schweizerische GeldwäschereiStrafnorm auf dem Konzept der Einziehungsvereitelung9 betreffend konkrete Vermögenswerte, die aus der Vortat «herrühren»10 ; dieses Konzept, welches die Geldwäscherei (auch) im Fiskalbereich auf konkrete deliktsstämmige und zudem einziehbare Vermögenswerte einschränkt, stimmt nicht notwendig mit der Konzeption ausländischer Geldwäschereibestimmungen überein.. Der Entscheid des Obergerichts Zürich macht nun klar, dass für eine Bank unter dem Aspekt des GwG auch in Zukunft ausschliesslich die Vorgaben der schweizerischen Geldwäscherei-Abwehr massgeblich sein werden. Besteht der Verdacht auf ein ausländisches Steuervergehen, welches die qualifizierenden Anforderungen des rev. Art. 305bis Ziff. und 1bis StGB nicht erfüllt, wird die Bank gestützt auf die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des GwG grundsätzlich auch zukünftig zur Blockierung der entsprechenden Gelder weder verpflichtet noch berechtigt sein. [Rz 18] Vorbehalten bleiben gegenwärtig wie auch in Zukunft privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Kunde und Bank, darunter insbesondere allgemeine Geschäftsbedingungen, welche eine Kontoblockierung über die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des GwG hinaus rechtfertigen 8 Bundesgesetz vom 12. Dezember 2014 zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière, Geschäfts-Nr. 13.106. 9 Der Tatbestand der Geldwäscherei ist ausschliesslich als Tatbestand der Einziehungsvereitelung zu verstehen. Den in Art. 305bis Abs. 1 StGB ebenfalls genannten Tatbestandsvarianten der Ermittlungs- und Auffindungsvereitelung kommt gemäss h.L. dagegen keine selbständige Bedeutung zu; vgl. BSK StGB-Pieth, 3. Aufl., Art. 305bis N 37 m.w.H.). 10 Vgl. Art. 305bis Abs. 1 StGB bzw. rev. Art. 305bis Ziff. 1 und 1bis StGB. 5 Florian Baumann / Cornelia Stengel, Kontosperre durch die Bank bei Verdacht auf Steuerdelikt im Ausland, in: Jusletter 11. Mai 2015 können. Aus strafrechtlicher Sicht entzieht gemäss dem besprochenen Entscheid bereits das Behaupten des Bestehens eines solchen privaten Rechts (in casu Pfandrecht im Umfange einer allfälligen Steuerbusse), dem vom Bankkunden erhobenen Vorwurf der Nötigung den Boden, und zwar selbst dann, wenn es bestritten ist. [Rz 19] Allerdings ist auch dieser Weg keine Lösung für alle Fälle. So besteht die «Zwickmühle» für eine Bank gerade bei Kunden aus Ländern weiter, in welchen Strafzahlungen für Banken bislang kein Thema waren. Kann die Bank dem Kunden dementsprechend keine privatrechtlichen Ansprüche im Sinne eines Pfandrechts entgegenhalten, stellt sich die Frage, ob die Rückbehaltung der Gelder alleine zum Schutz vor möglicher ausländischer Strafverfolgung (wegen Gehilfenschaft zu Steuerdelikten) den Tatbestand der Nötigung zu erfüllen vermöchte. Diesbezüglich ist von Bedeutung, dass gemäss Auffassung der Staatsanwaltschaft in casu die verweigerte Geldüberweisung auch unbesehen des geltend gemachten Pfandrechtes die Voraussetzungen der Nötigung nicht erfüllt hätte. Der mit der Kontosperre verfolgte Zweck (Klärung der Steuerpflicht des Bankkunden in den USA) sowie die dazu verwendeten Mittel (Einforderung einer Bescheinigung eines US-Anwaltes über die Erfüllung der Steuerdeklarationspflicht resp. Verweigerung der Geldüberweisung) waren gemäss der Staatsanwaltschaft zulässig und im Sinne der Zweck/Mittel-Relation verhältnismässig. Das Obergericht hat sich zu dieser Beurteilung leider nicht geäussert. [Rz 20] An dieser Stelle sei lediglich angemerkt, dass der (End)Zweck der Kontosperre letztlich wohl darin bestand, die Bank vor Sanktionen durch US-Behörden zu schützen. Dies erscheint als durchaus legitimes Anliegen, insbesondere wenn der Bankkunde durch eigenes Verhalten zur Gefahr der Sanktionierung beigetragen hat. Dasselbe müsste aus Sicht der Autoren auch bei drohender Strafverfolgung (der Bank oder ihrer Mitarbeiter) durch Behörden anderer Staaten gelten. In solchen Fällen ist angesichts des legitimen Anliegens der Gefahrenabwehr die beim Nötigungstatbestand zu erbringende zusätzliche positive Begründung der Rechtswidrigkeit der Kontosperre kaum zu erbringen. Es liegt nur — aber immerhin — eine allenfalls vertragswidrige Nichtleistung vor, zu deren Beseitigung das zuständige Zivilgericht angerufen werden kann. [Rz 21] Aus dem zuletzt Ausgeführten ergibt sich, dass die Verneinung einer strafrechtlich relevanten Nötigung keineswegs bedeutet, dass die Kontosperre auch zivilrechtlich Bestand hat. Sind die Voraussetzungen einer GwG-Sperre nicht gegeben, weil Fiskalvergehen de lega lata vom GwG nicht erfasst bzw. auch in Zukunft nur im Falle qualifizierter Steuervergehen erfasst sein werden, können Schweizer Zivilgerichte, nach Prüfung allfälliger privatrechtlicher Einreden (insb. aus den AGB), die Bank zur Auszahlung der blockierten Gelder verpflichten. Es bleibt zu hoffen, dass ausländische Rechtsordnungen diese Auszahlungspflicht gemäss dem am Sitz der Bank anwendbaren Schweizer Recht respektieren und die Bank und ihre Mitarbeiter nicht nach eigenem Recht für ein Verhalten sanktionieren, zu welchem diese nach Schweizer Zivil- und Aufsichtsrecht gezwungen waren. Florian Baumann, Dr. iur., HEE, Rechtsanwalt, Partner bei Kellerhals Anwälte Zürich. Cornelia Stengel, Dr. iur., Rechtsanwältin bei Kellerhals Anwälte Zürich. 6
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