Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter EDÖB Bern, 10. Juli 2015 Empfehlung nach Artikel 14 des Öffentlichkeitsgesetzes im Schlichtungsverfahren zwischen X (Antragsteller) und «Library for Research Institutes» (Lib4RI)1 und Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) und Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (ETHL) und Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken (KUB) I. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte stellt fest: 1. Der Antragsteller (Privatperson) hat am 23. Juni 2014 gestützt auf das Bundesgesetz über das Oeffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ; SR 152.3) bei der «Library for Research Institutes» (Lib4RI), der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (ETHL) Einsicht verlangt in: «Dokumente (z. B. Offerten, Rechnungen oder Verträge), aus denen ersichtlich ist, wie viel die Lib4RI [resp. EHTZ, ETHL] in dem Zeitraum von 2010–2016 an folgende Verlage bezahlt hat oder gemäss Vereinbarung bezahlen wird: - A; - B; - C; 1 Die «Library for the Research Institutes within the ETH Domain» wurde gegründet von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG), der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA), der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und dem PaulScherrer-Institut (PSI). Feldeggweg 1, 3003 Bern Tel. 058 463 74 84, Fax 058 465 99 96 www.edoeb.admin.ch Von Interesse wäre eine Unterteilung der Beträge nach Zeitschriften (Print und Elektronisch), E-Books und Datenbanken». Gleichentags hat der Antragsteller beim Konsortium der Schweizer Hochschulbibliotheken (KUB) Zugang zu den Verträgen verlangt, die zwischen dem KUB und den genannten Verlagen ab 2010 abgeschlossen wurden. Zudem hat der Antragsteller auch bei verschiedenen kantonalen Universitätsbibliotheken Zugangsgesuche eingereicht. 2. Anfang Juli 2014 nahmen die betroffenen Behörden zu den Gesuchen Stellung (am 2. Juli 2014 die Lib4RI; am 4. Juli 2014 die ETHZ und die ETHL; am 10. Juli 2014 das KUB). Sie lehnten die Gesuche ab und machten dabei dieselben Gründe geltend, nämlich dass mit dem Zugang zu den Dokumenten Geschäftsgeheimnisse offenbart (Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ) und Informationen vermittelt werden könnten, die der Behörde von Dritten freiwillig mitgeteilt worden sind und deren Geheimhaltung die Behörde zugesichert hat (Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ). 3. Im Laufe des Monats Juli 2014 reichte der Antragsteller beim Eidgenössischen Datenschutzund Öffentlichkeitsbeauftragten (Beauftragten) mehrere Schlichtungsanträge ein (am 5. Juli 2014 betreffend die Lib4RI; am 9. Juli 2014 betreffend die ETHZ; am 11. Juli 2014 betreffend die ETHL und das KUB). 4. Der Beauftragte bestätigte dem Antragsteller den Eingang der Schlichtungsanträge und informierte die betroffenen Behörden darüber. 5. Im Laufe der Monate Juli und August 2014 konsultierten die Behörden die Verlage (betroffene Dritte) zum Zugangsgesuch. Diese teilten die Haltung der Behörden, dass die Verträge nicht offengelegt werden dürfen. Die betroffenen Verlage haben keinen Schlichtungsantrag beim Beauftragten eingereicht. 6. Nach einer Fristverlängerung bis Ende August 2014 reichten die Behörden dem Beauftragten auf dessen Ersuchen hin je eine vollständige Kopie des Dossiers und je eine Stellungnahme ein. In ihren Stellungnahmen machten die Behörden dieselben Gründe geltend wie schon in ihren Stellungnahmen an den Antragsteller. 7. Am. 31 März 2015 fand eine Schlichtungsverhandlung mit dem Antragsteller und den betroffenen Behörden statt, in welcher sich die Parteien nicht einigen konnten. 8. Auf die weiteren Ausführungen des Antragstellers und der betroffenen Behörden (Lib4RI, ETHZ, ETHL, KUB) sowie auf die eingereichten Unterlagen wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen eingegangen. II. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte zieht in Erwägung: A. Formelle Erwägungen: Schlichtungsverfahren und Empfehlung nach Artikel 14 BGÖ 9. Der Antragsteller hat bei der Lib4RI, bei der ETHZ, bei der ETHL und beim KUB ein Zugangsgesuch nach Art. 10 BGÖ eingereicht und abschlägige Antworten erhalten. Als Teilnehmer der vorangegangenen Gesuchsverfahren ist er zur Einreichung der Schlichtungsanträge berechtigt. Die Schlichtungsanträge wurden formgerecht (einfache Schriftlichkeit) und fristgerecht (innerhalb von 20 Tagen nach Empfang der Stellungnahme der Behörde) beim Beauftragten eingereicht (Art. 13 Abs. 2 BGÖ). 2/10 10. Das Schlichtungsverfahren findet auf schriftlichem Weg oder konferenziell (mit einzelnen oder allen Beteiligten) unter Leitung des Beauftragten statt, der das Verfahren im Detail festlegt. 2 Kommt keine Einigung zustande oder besteht keine Aussicht auf eine einvernehmliche Lösung, ist der Beauftragte nach Art. 14 BGÖ gehalten, aufgrund seiner Beurteilung der Angelegenheit eine Empfehlung abzugeben. B. Materielle Erwägungen 11. Der Beauftragte prüft nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsverordnung, VBGÖ; SR 152.31) die Rechtmässigkeit und die Angemessenheit der Beurteilung des Zugangsgesuchs durch die Behörde. Er prüft damit im Schlichtungsverfahren einerseits, ob die für das Zugangsgesuch zuständige Behörde den Begriff des amtlichen Dokuments (Art. 5 BGÖ) sowie die Ausnahmebestimmungen (Art. 7 f. BGÖ) oder die Bestimmungen in Bezug auf den Schutz der Personendaten (Art. 9 BGÖ) rechtmässig angewendet hat. Andererseits prüft er in jenen Bereichen, in denen das Öffentlichkeitsgesetz der Behörde bei der Bearbeitung eines Zugangsgesuchs einen gewissen Ermessensspielraum verleiht (z. B. Art der Einsichtnahme in amtliche Dokumente), ob die von der Behörde gewählte Lösung auf die Umstände des jeweiligen Falls abgestimmt und angemessen ist. Dabei kann der Beauftragte im Rahmen des Schlichtungsverfahrens entsprechende Vorschläge machen (Art. 12 Abs. 2 VBGÖ) oder gegebenenfalls eine entsprechende Empfehlung erlassen (Art. 14 BGÖ).3 12. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die von den Schlichtungsanträgen betroffenen Behörden unter den persönlichen Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes gemäss Art. 2 BGÖ fallen. In einem zweiten Schritt ist zu analysieren, ob die verschiedenen Ausnahmebestimmungen im Hinblick auf die Ablehnung des Zugangsgesuchs zu Recht geltend gemacht worden sind (Art. 7 Abs. 1 Bst. g und h BGÖ). Schliesslich ist zu prüfen, ob die verlangten Informationen unter Berücksichtigung des Datenschutzes (Art. 7 Abs. 2 und Art. 9 BGÖ) zugänglich gemacht werden können. 13. Gemäss Art. 2 Abs. 1 BGÖ gilt das Öffentlichkeitsgesetz für die Bundesverwaltung (Bst. a), für Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung angehören, soweit sie Erlasse oder erstinstanzlich Verfügungen im Sinn von Artikel 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG; SR 172.021) erlassen (Bst. b) und für die Parlamentsdienste (Bst. c). Nach Absatz 2 dieses Artikels gilt das Gesetz nicht für die Schweizerische Nationalbank und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht. 2 3 Botschaft zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ) vom 12. Februar 2003, BBl 2003 1963 (zitiert BBl 2003), BBl 2003 2024. GUY-ECABERT, in: Brunner/Mader [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar zum BGÖ, Bern 2008 (zit. Handkommentar BGÖ), Art. 13, Rz 8. 3/10 14. Unter dem Begriff der Bundesverwaltung nach dem Öffentlichkeitsgesetz wird dasselbe verstanden wie nach Art. 178 der Bundesverfassung (BV, SR 101) und Art. 2 des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG, SR 172.010).4 Nach Art. 6 Abs. 1 der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung (RVOV, SR 172.010.1) ist die Bundesverwaltung in die zentrale und die dezentrale Verwaltung gegliedert. Anhang 1 RVOV führt die Verwaltungseinheiten der zentralen und der dezentralen Bundesverwaltung auf, Anhang 2 die ausserparlamentarischen Kommissionen inklusiv deren Zuordnung zu einem Departement (Art. 8 RVOV). 15. Die ETHL, die ETHZ und die vier Forschungsanstalten, welche die Lib4RI gegründet haben (EAWAG, EMPA, PSI, WSL), bilden den Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschulen (Art. 1 des ETH-Gesetzes, SR 414.110). Sie sind in Anhang 1 RVOV unter den Verwaltungseinheiten der dezentralen Bundesverwaltung aufgeführt. Da diese Behörden Teil der Bundesverwaltung sind, untersteht jede Behörde bereits für sich allein dem Öffentlichkeitsgesetz (Art. 2 Abs. 1 Bst. a BGÖ). Die Lib4RI ist eine Bibliothek, die gemeinsam von den vier Forschungsanstalten gegründet wurde, um ihren Mitgliedern zum Zweck der Forschung und Lehre den Zugang zu Fachliteratur und Fachinformation zu ermöglichen. Die von der Bibliothek wahrgenommenen Aufgaben sind Teil eines gesetzlichen Auftrags, der nach den Art. 6 ff. des ETH-Gesetzes dem Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschulen zugewiesen ist, insbesondere die Durchführung von Lehrveranstaltungen und die Forschung. Somit nimmt die Lib4RI im Auftrag der verschiedenen Forschungsanstalten öffentliche Aufgaben wahr, die diese ansonsten selbst wahrnehmen müssten. Diese Aufgaben sind von grundlegender Bedeutung, damit die Forschungsanstalten ihrerseits ihre Aufträge erfüllen können. 16. Der Beauftragte ist der Auffassung, dass die ETHZ, die ETHL und die vier Forschungsanstalten respektive die Lib4RI unter den Geltungsbereich nach Art. 2 Abs. 1 Bst. a BGÖ fallen. 17. Das KUB hingegen ist im Anhang der RVOV nicht aufgeführt und gehört somit nicht ohne weiteres zur Bundesverwaltung. Es handelt sich dabei um ein gemeinsames Projekt von Bund und Kantonen, das im Jahr 2000 ins Leben gerufen wurde. Das KUB hat insbesondere die Aufgabe, im Auftrag und im Namen der Mitgliederinstitutionen (u.a. die ETHZ, ETHL und die Lib4RI, aber auch kantonale Universitäten) mit verschiedenen Verlagen Lizenzverträge für Datenbanken und elektronische Periodika auszuhandeln und abzuschliessen. 5 18. Gemäss dem Bundesverwaltungsgericht ist der persönliche Geltungsbereich nach Art. 2 BGÖ weit zu verstehen. Es hält fest, dass es nicht Sinn und Zweck dieser Bestimmung sein könne, eine beliebige Verwaltungsaufgabe mittels Auslagerung dem Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes zu entziehen. 6 Im vorliegenden Fall schliesst das KUB im Auftrag seiner Mitglieder einen Grossteil der Lizenzverträge für die benötigten elektronischen Produkte ab. Die übrigen Zuständigkeiten der Mitglieder bleiben davon unberührt. Die Mitglieder haben anschliessend über die Internetplattform des KUB Zugang zu den genannten Verträgen (mit Login und Passwort). Unabhängig von der Frage, ob das KUB vom persönlichen Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes erfasst ist, sind die vorliegend betroffenen Behörden (ETHZ, ETHL, Lib4RI) ebenso im Besitz dieser Lizenzverträge mit den Verlagen, weshalb diese vorliegend vom Öffentlichkeitsgesetz erfasst werden. 4 5 6 BBl 2003 1985. http://lib.consortium.ch/html_wrapper.php?src=ueberuns&dir=project&activeElement=2; http://lib.consortium.ch/external_files/Reglement_Konsortium_2013_2016_f_2014-04-16.pdf; http://slideplayer.fr/slide/1138123/. BVGE 2011/52 E. 4.2 (mit weiteren Hinweisen). 4/10 19. Der Beauftragte ist der Auffassung, dass die Frage der Anwendung des Öffentlichkeitsgesetzes auf das KUB vorliegend offen bleiben kann. Dies weil die dem Öffentlichkeitsgesetz unterstellten Behörden ebenfalls im Besitz sämtlicher verlangten Informationen sind. 20. Die betroffenen Behörden begründen die Ablehnung des Gesuchs um Zugang zu den amtlichen Dokumenten in erster Linie damit, dass dadurch Informationen vermittelt würden, die den Behörden von Dritten freiwillig mitgeteilt worden sind und deren Geheimhaltung die Behörden zugesichert haben (Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ). Dies deshalb, weil in den Verträgen mit den Verlagen eine Vertraulichkeitsklausel enthalten ist. 21. Damit die Ausnahmebestimmung nach Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ zur Anwendung gelangt, müssen drei Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Die Information muss erstens von einer (Privat-)Person und nicht von einer Behörde stammen. Zweitens muss die Information freiwillig, d. h. ohne gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung mitgeteilt worden sein. Drittens muss sich die Behörde verpflichtet haben, die Vertraulichkeit der betreffenden Information zu wahren.7 22. Die Voraussetzung, wonach die Information von einer Privatperson stammen muss, ist vorliegend erfüllt. In Bezug auf die zweite Voraussetzung, die freiwillige Mitteilung der Information, ist der Beauftragte der Auffassung, dass nur schon die Tatsache, dass es im vorliegenden Fall vertragliche Beziehungen zwischen den betroffenen Dritten und den Behörden gibt, auch eine vertragliche Verpflichtung zum Austausch von entsprechenden Informationen impliziert. Sobald eine tatsächliche oder rechtliche Beziehung zwischen einer Behörde und einer Privatperson vorliegt, untersteht diese Beziehung grundsätzlich denselben Transparenzregeln, die auch für die Verwaltung gelten. Ansonsten könnten solche allgemeinen Vertraulichkeitsklauseln das Öffentlichkeitsgesetz über weite Strecken aushebeln, was nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein dürfte. 8 23. Da die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Bst. h BGÖ nicht erfüllt sind, ist der Beauftragte der Auffassung, dass die Behörden sich vorliegend nicht auf diese Bestimmung berufen können, um den Zugang zu den verlangten Dokumenten zu verweigern. 24. Die Behörden machen weiter geltend, dass die amtlichen Dokumente, die vom Antragsteller verlangt werden, Geschäftsgeheimnisse nach Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ enthalten und dass es somit nicht möglich sei, den Zugang zu gewähren. 25. Die Lib4RI führte in ihrer Stellungnahme an den Beauftragten aus, dass die zwischen einem Verlag und einer Bibliothek vereinbarten individuellen Preise und Rabatte parteienspezifische Tatsachen seien, deren Bekanntgabe einem Konkurrenten einen marktverzerrenden Wettbewerbsvorteil bzw.-nachteil verschaffen würde. „Die Bekanntgabe von im Rahmen der Privatautonomie vereinbarten Preisen und Rabatten in einer wirtschaftlichen Konkurrenzsituation – wie sie im Verlagswesen zweifellos gegeben ist – lässt Rückschlüsse auf interne Kalkulationsmodelle und die Kostendeckung einzelner Produkte(gruppen) zu. Gerade diese beiden Elemente sind das Wesen des betriebswirtschaftlichen Erfolgs oder Misserfolgs einer jeder Unternehmung und sie sind das Resultat strategischer Entscheidungen der obersten Unternehmensleitung.“ 7 8 BBl 2003 2012 ; COTTIER/SCHWEIZER/WIDMER, Handkommentar BGÖ, Art. 7, Rz. 47 ; HÄNER, Basler Kommentar zum Öffentlichkeitsgesetz (zit. BSK BGÖ), 3. Ausgabe, Basel 2014, Art. 7, Rz. 47; Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung: Häufig gestellte Fragen, 7. August 2013, Ziff. 5.2.2. Empfehlung des EDÖB vom 27. Februar 2014: ETHL / Interessenbindungen der Lehrstuhlinhaber und Verträge mit Nestlé, Ziff. 24. 5/10 26. In den Stellungnahmen der ETHZ, der ETHL und des KUB an den Beauftragten werden, im Anschluss an die Anhörung nach Art. 11 BGÖ, lediglich die Haltung der betroffenen Unternehmen erwähnt, wonach die vom Antragsteller verlangten Verträge dem Geschäftsgeheimnis unterstehen sollen. Die Behörden führen weiter aus, nicht selbst beurteilen zu vermögen, wie weit im konkreten Fall die Veröffentlichung der Preise für Verlagsprodukte in der Schweiz wettbewerbsrelevant wäre. 27. In ihren Stellungnahmen machen die betroffenen Unternehmen ebenfalls mögliche wettbewerbsverzerrende Auswirkungen geltend. Ein Verlag präzisiert, dass die Verträge nicht nur die Höhe der Lizenzpreise enthalten, sondern u.a. auch Informationen zum Nutzungsumfang der Inhalte, die Nutzungsbedingungen nach Vertragsende sowie die Option einer Archivkopie. Diese Informationen seien vertraulich zu behandeln, da eine Preiskalkulation für das Unternehmen von zentraler Bedeutung sei und direkte Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis habe. 28. An erster Stelle ist festzuhalten, dass Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ nicht auf alle Geschäftsinformationen anwendbar ist, über die die Verwaltung verfügt, sondern nur auf wesentliche Daten, deren Kenntnisnahme durch die Konkurrenz Marktverzerrungen bewirken bzw. dazu führen, dass dem betroffenen Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil genommen wird. Damit eine Unternehmensinformation ein schützenswertes Geheimnis darstellt, müssen kumulativ folgende vier Voraussetzungen vorliegen: Es besteht eine Beziehung der Information zum Unternehmen, die Information ist relativ unbekannt, der Geheimnisherr hat einen Geheimhaltungswillen (subjektives Geheimhaltungsinteresse) und es liegt ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vor (objektives Geheimhaltungsinteresse)9. 29. Der Beauftragte bezweifelt, dass im Verlagswesen der wissenschaftlichen Publikationen überhaupt ein klassischer Wettbewerb zwischen den verschiedenen Anbietern im Sinne dieser Ausnahmebestimmung besteht. Vielmehr dominieren einige wenige grosse Verlagshäuser den Markt und bieten stark spezialisierte Publikationen an, zu denen es keine oder kaum eine Alternative gibt. Folglich haben interessierte Bibliotheken oft keine andere Wahl, als eine bestimmte Publikation eines bestimmten Verlags einzukaufen. Unter diesen Umständen kann kaum von einer Konkurrenzsituation gesprochen werden. Es ist daher nicht ohne weiteres klar, dass eine Offenlegung der Verträge zwischen den betroffenen Institutionen und den Verlagen zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde. 30. Darüber hinaus ist ebenfalls fraglich, ob die anderen Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ im vorliegenden Fall erfüllt sind. Informationen fallen nicht bereits deshalb unter das Geschäftsgeheimnis, weil ein Unternehmen ein subjektives Geheimhaltungssinteresse an bestimmten Informationen hat. Dieser Geheimhaltungswille muss auch objektiv berechtigt sein. Ein solches Interesse kann beispielsweise dann vorliegen, wenn es um Wissen in Bezug auf die Organisation, die Preisberechnung, die Vermarktung oder die Produktion geht. 10 Es bezieht sich jedoch kaum je auf die Gesamtheit der im Vertrag enthaltenen Informationen. Insbesondere bei Verträgen zwischen Behörden und Privaten kann dies grundsätzlich nicht für die vereinbarten Gesamtbeträge gelten. 31. Darüber hinaus führte der Paradigmenwechsel vom Geheimhaltungsprinzip zum Öffentlichkeitsprinzip, der mit Inkrafttreten des Öffentlichkeitsgesetzes vollzogen wurde, zu einer Umkehr der Beweislast. Demzufolge muss eine Behörde, wenn sie den Zugang zu Dokumenten verweigert, die Vermutung auf Zugang zu amtlichen Dokumenten widerlegen. 9 10 COTTIER/SCHWEIZER/WIDMER, Handkommentar BGÖ, Art. 7, Rz. 43 ; BSK-BGÖ, HÄNER, Art. 20, Rz. 36 ff. ; Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung: Häufig gestellte Fragen, 7. August 2013, Ziff. 5.2.1. BGE 109 Ib 47 E. 5 c). 6/10 Gelingt es ihr nicht, diesen Beweis zu erbringen, so ist grundsätzlich zugunsten des Zugangs zu entscheiden. Zu diesem Schluss kommt auch das Bundesverwaltungsgericht. 11 Im vorliegenden Fall liefern die Behörden keine ausreichenden Belege, die konkrete Rückschlüsse auf ein potenzielles Geschäftsgeheimnis zuliessen, weder in Bezug auf den Preis noch auf inhaltliche Einzelheiten der Verträge (vgl. Ziff. 25f.). Im Gegenteil geben sie in ihren Stellungnahmen an, diesen Punkt nicht beurteilen zu vermögen, und sie begnügen sich damit, zu wiederholen, dass sie an die Vertraulichkeitsklausel gebunden seien. In ihrer Stellungnahme an die verschiedenen Behörden bringen die betroffenen Dritten auch keine weiteren wesentlichen Argumente vor, welche eine Zugangsverweigerung zu rechtfertigen vermögen. Der Beauftragte ist, da seitens der Behörden keine ausreichende Begründung vorliegt, in diesem Fall gehalten, den Zugang zu empfehlen. 32. Aufgrund dieser Erwägungen ist der Beauftragte der Auffassung, dass es erstens zweifelhaft ist, ob im vorliegenden Fall überhaupt eine Konkurrenzsituation und damit eine potenzielle Wettbewerbsverzerrung vorliegt, falls dem Antragsteller der Zugang zu den Dokumenten gewährt wird. Zweitens ist den Behörden vorliegend der Beweis, wonach durch die Offenlegung der Dokumente Geschäftsgeheimnisse nach Art. 7 Abs. 1 Bst g BGÖ offenbart werden könnten, nicht gelungen. Folglich ist der Beauftragte gehalten, den Zugang zu empfehlen. 33. In einem letzten Schritt ist der Zugang zu den verlangten Dokumenten auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Personendaten gemäss den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes in Verbindung mit dem Öffentlichkeitsgesetz zu beurteilen. 34. Die vorliegend relevanten Verträge enthalten Informationen über die betroffenen Dritten (Verlage), über deren Mitarbeitende sowie über Vertreterinnen und Vertreter der Behörden des ETH-Bereichs. Die Verträge enthalten somit Personendaten im Sinne von Art. 3 Bst. a des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG, SR 235.1). Es handelt sich dabei jedoch nicht um besonders schützenswerte Personendaten gemäss Art. 3 Bst. c DSG. 35. Nach Art. 7 Abs. 2 BGÖ kann der Zugang zu amtlichen Dokumenten eingeschränkt, aufgeschoben oder verweigert werden, wenn durch die Gewährung die Privatsphäre Dritter beeinträchtigt werden kann; ausnahmsweise kann jedoch das öffentliche Interesse am Zugang überwiegen. Um zu beurteilen, ob der Zugang gewährt werden kann, sind die Vorgaben von Art. 9 BGÖ zu beachten. Diese Bestimmung sieht vor, dass amtliche Dokumente, die Personendaten enthalten, nach Möglichkeit vor der Einsichtnahme zu anonymisieren sind (Art. 9 Abs. 1 BGÖ). Im vorliegenden Fall ist dies nicht möglich, weil der Antragsteller explizit Zugang zu den Personendaten von den betroffenen Dritten verlangt.12 Die Bekanntgabe der Personendaten hat darum nach Art. 19 DSG zu erfolgen (Art. 9 Abs. 2 BGÖ). 36. Art.19 DSG regelt, unter welchen Voraussetzungen Bundesorgane Personendaten bekanntgeben dürfen. Im vorliegenden Fall findet keine der Voraussetzungen nach Abs. 1 Anwendung, weshalb Art. 19 Abs. 1bis DSG zu prüfen ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass Bundesorgane im Rahmen der behördlichen Information der Öffentlichkeit von Amtes wegen oder gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Personendaten bekanntgeben dürfen, wenn die betreffenden Personendaten im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben stehen und an deren Bekanntgabe ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. 11 12 Urteil des BVGer, A-3269/2010 vom 18. Oktober 2010, E. 3.1 ; BSK-BGÖ, SCHWEGLER, Art. 20, Rz. 30 ; Empfehlung des EDÖB vom 28. Februar 2014: ENSI / Emmissionsdaten Mühleberg und Leibstadt sowie ANPA-Betriebstreglement des ENSI, Ziff. 34; Empfehlung des EDÖB vom 28. Januar 2013: armasuisse / Dokumente im Zusammenhang mit einem geplanten Grundstücksverkauf, Ziff. 15 ff.; BBl 2003 2002; zur Ablauf der Konsultation von Dritten siehe: Umsetzung des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung: Häufig gestellte Fragen, 7. August 2013, Ziff. 5.2.1. Empfehlung des EDÖB vom 29. Januar 2014: KTI / Innovationsförderung 2011, Ziff. 28. 7/10 Art. 5 Abs. 1 Bst. c BGÖ sieht explizit vor, dass ein Dokument dann als amtliches Dokument gilt, wenn es die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betrifft. Für die verschiedenen Verträge, die als amtliche Dokumente gelten, ist die erste Voraussetzung erfüllt. Um festzustellen, ob die Bekanntgabe einem überwiegenden öffentlichen Interesse entspricht, müssen die massgeblichen Interessen gegeneinander abgewogen werden, d. h. einerseits die privaten Interessen der Verlage an einer Geheimhaltung der verschiedenen finanziellen und geschäftlichen vertraglichen Vereinbarungen und andererseits das öffentliche Interesse der gesamten Bevölkerung an einer Bekanntgabe dieser Informationen. 37. Die betroffenen Dritten haben ein privates Interesse am Schutz ihrer Privatsphäre, insbesondere an der Geheimhaltung der vertraglich geregelten Einzelheiten wie Bedingungen und Modalitäten, die mit den Behörden vereinbart wurden. Gemäss ihren Angaben befürchten sie, dass die Öffentlichkeit, einschliesslich der anderen auf dem Markt aktiven Unternehmen sowie bestehende und potenzielle Kunden, die vertraglich vereinbarten Preise und Modalitäten kennen und sich dies negativ auf ihre Geschäftstätigkeit auswirkt. 38. Art. 6 Abs. 2 VBGÖ enthält eine nicht abschliessende Aufzählung von Fällen, in denen ein überwiegendes öffentliches Interesse am Zugang besteht. Ein solches kann insbesondere vorliegen, wenn die Person, deren Privatsphäre durch die Zugänglichmachung beeinträchtigt werden könnte, zu einer dem Öffentlichkeitsgesetz unterstehenden Behörde in einer rechtlichen oder faktischen Beziehung steht, aus der ihr bedeutende Vorteile erwachsen (Bst. c). Darunter können ohne weiteres Vertragsverhältnisse zwischen Privaten und Behörden subsumiert werden. Im Gegenzug zum privilegierten Einbezug ins Verwaltungshandeln haben es die Betroffenen eher hinzunehmen, dass Informationen über diese Beziehung öffentlich gemacht werden.13 Damit das Öffentlichkeitsgesetz seinen Zweck erfüllt (insbesondere die Schaffung eines Vertrauensklimas zwischen Bürgern einerseits und Behörden andererseits 14), muss die Öffentlichkeit wissen, wie die Behörden die öffentlichen Gelder einsetzen. Unter anderem deshalb sieht das öffentliche Beschaffungsrecht beim Abschluss von Verträgen durch den Staat unter gewissen Voraussetzungen die Veröffentlichung bestimmter Informationen (wie bspw. der Preise) auf der Plattform www.simap.ch vor. Unabhängig davon ist der Beauftragte der Auffassung, dass bei vertraglichen Beziehungen zwischen Behörden und Privaten generell ein besonderes öffentliches Interesse an Transparenz besteht. Vorliegend überwiegt seiner Ansicht nach das öffentliche Interesse am Zugang das private Interesse der Dritten an der Geheimhaltung. 39. Was die Personendaten der Mitarbeitenden der betroffenen Verlage betrifft, so gibt es keinen Grund, das Anonymisierungsgebot nach Art. 9 Abs. 1 BGÖ nicht anzuwenden. Es ist aber nach der üblichen Praxis des Beauftragten nicht erforderlich, die Personendaten von Mitarbeitenden des Bundes, welche am betreffenden Geschäft massgeblich beteiligt waren 15, zu anonymisieren. Es sei denn, die Offenlegung der Personendaten hätte für die betroffenen Mitarbeitenden konkrete Nachteile.16 Dem Beauftragten sind im vorliegenden Fall keine Hinderungsgründe in diesem Sinne bekannt. Die Personendaten der Vertreterinnen und Vertreter der Behörden des ETH-Bereichs müssen demnach nicht anonymisiert werden. 40. In Erwägung des vorangehenden Absatzes ist der Beauftragte im vorliegenden Fall der Auffassung, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Offenlegung der Verträge der 13 14 15 16 Bundesamt für Justiz, Erläuterungen vom 24. Mai 2006 zur Verordnung über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, S. 7 f. BBl 2003 1984. Urteil des BVGer, A-6054/2013 vom 18. Mai 2015, E. 5. Empfehlung EDÖB vom 16. August 2012: BSV / Protokolle AHV/IV-Kommission, Ziff.30 ; COTTIER/SCHWEIZER/WIDMER, Handkommentar BGÖ, Art.7, Rz. 80 und Art. 9, Rz. 14. 8/10 Dritten mit den Behörden des ETH-Bereichs (ETHZ, ETHL, Lib4RI) besteht. Dies gilt unter Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips insbesondere für die pro Kategorie vereinbarten Preise (Zeitschriften in gedruckter oder elektronischer Form, E-Books und Datenbanken), wie der Antragsteller dies mit seinen Gesuchen verlangte. Die Personendaten der Mitarbeitenden der betroffenen Dritten sind jedoch zu anonymisieren. Eine Ausnahme bilden die Vertreter der Behörden des ETH-Bereichs. 41. Zusammenfassend kommt der Beauftragte zum Schluss, dass der Zugang zu den gemäss dem Gesuch des Antragstellers verlangten Informationen zu gewähren ist. III. Aufgrund dieser Erwägungen empfiehlt der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte: 42. Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich ETHZ, die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne ETHL und die „Library for Research Institutes“ Lib4RI gewähren entsprechend den Vorgaben des Öffentlichkeitsgesetzes den Zugang zu den Angaben betreffend Zahlungen von 2010 bis 2016 der Bibliotheken der ETHZ, der ETHL und der Lib4RI an die Verlage A, B und C gemäss Zugangsgesuch, d.h. zu den vereinbarten Preisen pro Kategorie (Zeitschriften in gedruckter oder elektronischer Form, E-Books und Datenbanken). 43. Der Antragsteller und die betroffenen Dritten (A, B, C) können innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt dieser Empfehlung bei der ETHZ, der ETHL, der Lib4RI den Erlass einer Verfügung nach Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) verlangen, wenn sie mit der Empfehlung nicht einverstanden sind (Art. 15 Abs. 1 BGÖ). 44. Die ETHZ, die ETHL und die Lib4RI erlassen eine Verfügung nach Art. 5 VwVG, wenn sie mit der Empfehlung nicht einverstanden sind (Art. 15 Abs. 2 BGÖ). 45. Die ETHZ, die ETHL und die Lib4RI erlassen die Verfügung innerhalb von 20 Tagen nach Empfang dieser Empfehlung oder nach Eingang eines Gesuches um Erlass einer Verfügung (Art. 15 Abs. 3 BGÖ). 46. In Analogie zu Art. 22a VwVG stehen gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, still: a. vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern; b. vom 15. Juli bis und mit 15. August; c. vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar. 47. Diese Empfehlung wird veröffentlicht. Zum Schutz der Personendaten der am Schlichtungsverfahren Beteiligten werden die Namen des Antragstellers und der betroffenen Drittpersonen anonymisiert (Art. 13 Abs. 3 VBGÖ). 48. Die Empfehlung wird eröffnet: - X Einschreiben mit Rückschein (R) - ETHZ Zürich Rämistrasse 101 8092 Zürich Einschreiben mit Rückschein (R) - ETHL P-GeC CE 3 300 Station 1 1015 Lausanne Einschreiben mit Rückschein (R) 9/10 - Lib4RI c/o EAWAG Überlandstrasse 133 8600 Dübendorf Einschreiben mit Rückschein (R) - KUB c/o ETH- Bibliothek Rämistrasse 101 8092 Zürich Einschreiben mit Rückschein (R) - A Einschreiben mit Rückschein (R) (Zustellung mit anonymisierten Personendaten des Antragstellers) - B Einschreiben mit Rückschein (R) (Zustellung mit anonymisierten Personendaten des Antragstellers) - C Einschreiben mit Rückschein (R) (Zustellung mit anonymisierten Personendaten des Antragstellers) Jean-Philippe Walter 10/10
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