Bloß nicht verschaukeln lassen

REPORTAGE
SORGEN UM DEN VW CADDY
DER PRIVATMANN:
Lutz Brenning
Er kaufte seinen
VW Caddy im Herbst
2014 und
bangt um den Wert
seines Autos. Mit
AUTO BILD fuhr er zu
zwei Händlern,
um die von VW versprochene
Ver­zichtserklärung zu
bekommen
– ohne Erfolg.
An der Basis von
VW: Der ratlose
Verkäufer händigt
Brenning am
Ende ein wertloses
Schreiben aus
Bloß nicht
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Wer jetzt sein manipuliertes Auto nachbessern lässt, verliert womöglich viele Rechte. AUTO BILD über die
Sorgen der rund 2,5 Millionen Betroffenen und den Kampf der Verbraucheranwälte mit dem VW-Konzern
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54
INE HALBE STUNDE wartet Lutz
Brenning jetzt schon auf Hilfe.
Doch im Verkaufsraum eines
VW-Vertragshändlers in Nie­der­
sachsen, zwischen einem neuen e-Golf,
einem Passat für 50 000 Euro und einem
Kaffeeautomaten, kommt einfach niemand, um mit ihm über sein Problem
zu sprechen. Sein Pro­blem, das ist
sein VW Caddy. Im November 2014
hat er 39 879 Euro dafür bezahlt. Bekommen hat er ein manipuliertes
AUTOBILD.DE 29. JANUAR 2016
Auto mit widerrechtlich erlangter Typgenehmigung, das derzeit nur dank
einer nachträglichen und rückwirkenden Sonderregelung des KraftfahrtBundesamtes überhaupt noch auf der
Straße sein darf.
Nach einigen weiteren Minuten
kommt endlich jemand, ein Verkäufer.
Brenning verlangt gezielt eine Erklärung, dass VW den „Verzicht auf die
Erhebung der Verjährungseinrede“ erklärt. Übersetzt heißt das: Die gesetz-
liche Gewährleistung von zwei Jahren
ab Fahrzeugübergabe läuft auch nach
dieser Zeit nicht ab, sofern es um Probleme geht, an denen die SchummelSoftware schuld ist. Ende November
teilte VW mit, jeder der 2,5 Millionen
Betroffenen könne auf irgendeinen
Vertragsbetrieb zugehen und sich eine
solche Bestätigung ausstellen lassen.
Mit ihr, so VW weiter, müsse der Kunde
dann nichts weiter tun, als auf das
Software-Update zu warten.
„VW macht
ein Versprechen, das
rechtlich überhaupt nicht
zu halten ist.“
Markus Klamert,
KMP Rechtsanwälte,
München
AUDI Q5 ZURÜCKGEGEBEN
DER ANWALT:
Ralph Sauer
Nach Verhandlungen
mit einem Autohaus
konnte er die Rückgabe
eines manipulierten
Audi Q5 für einen seiner
Mandanten aus
Bremen erreichen.
„Den Kunden
wird vor­
gegaukelt, sie
hätten keine
andere Wahl,
als an der
Nachbesserung
teil­zu­nehmen.“
Karsten
Fischer
beschwerte
sich auf
Facebook
über den
drohenden
Wertverlust
seines Audi
A3. VW sperrte
Fischer und
löschte seinen
Kommentar
Dabei kann sie in einem Rechtsstreit
sehr wichtig werden, um gegebenenfalls
Ansprüche gegen Händler oder Hersteller durchsetzen. „Betroffene dürfen sich
darum bloß nicht verschaukeln lassen“,
sagt Rechtsanwalt Markus Klamert aus
München, der schon mehrere Hundert
VW-Fahrer vertritt. „Das Versprechen,
das VW hier zunächst macht, ist rechtlich überhaupt nicht zu halten. Den Verzicht für im Handel gekaufte Autos kann
nur der jeweilige Händler erklären.“
Darum entfalte die bloße Ankündigung
seitens VW für Händler-Kunden keine
Wirkung und gelte allenfalls für die we­
nigen ab Werk gekauften Autos.
In der Mitteilung von VW steht davon nichts. Erst auf Nachfrage erklärt
das Unternehmen, den Händlern sei
dieser Schritt „nahegelegt“ worden.
Offensichtlich mit mäßigem Erfolg.
„Nur wer aufsteht und sich wehrt, wird
sein Recht bekommen“, so Klamert.
Auch die Teilnahme an der angekündigten Nachbesserungsaktion
könnte – anders als von VW angepriesen – für Betroffene Nachteile haben,
auf die VW nicht hinweist. Zum einen
garantiert das Unternehmen bis ­heute
und auch auf wiederholte Nachfrage
nicht, dass die geplanten Änderungen
weder die Motorleistung mindern noch
andere negative Folgen mit sich bringen. Treten diese jedoch ein, „führt das
zu einem sofortigen Rücktrittsrecht“,
sagt Marco Rogert, Rechtsanwalt aus
Düsseldorf und Professor an der Hochschule
für Oekonomie & Management in Essen.
„Den Kun­den wird
außerdem vorgegaukelt, sie hätten
keine andere Wahl,
als an der Nachbesserung
>>
Prof. Dr. Marco Rogert,
Kanzlei Rogert & Ulbrich,
Düsseldorf
FOTOS: C. BITTMANN (2), AUTO BILD, G.V. STERNENFELS, HERSTELLER, IMAGO, PRIVAT
Der Händler hat jetzt, zwei Monate
später, noch nie etwas davon gehört.
Dann fällt ihm ein, es gebe irgendwelche Musterschreiben. Am Ende hält
Brenning ein wertloses Stück Papier
ohne Stempel oder Unterschrift in den
Händen, in dem es nicht einmal um
die Software-Schummelei geht.
Brenning unternimmt einen zweiten Versuch, an das von VW versprochene Schriftstück zu kommen. Im
Autohaus, in dem er das Auto gekauft
hat. Auch hier hört der Verkäufer das
erste Mal von der VW-Ankündigung.
Wieder keine Verzichtserklärung,
Brenning steht mit leeren Händen da.
55
AUTOBILD.DE 29. JANUAR 2016
REPORTAGE
DAS SAGT VW –
UND DAS
BEDEUTET ES
WIRKLICH
Weglassen, verharmlosen, in
Sicherheit wiegen: Die VWMitteilungen zum Abgasskandal
stecken voller geschickter
Formulierungen. AUTO BILD
hat eine übersetzt und liest
zwischen den Zeilen
1 VW: „vollumfänglich bestätigt“
und „kurzfristig“
AUTO BILD: Das Kraftfahrt-Bundesamt
hat diese Maßnahmen allerdings bei Weitem
noch nicht für alle Motor-Ge­trie­be-Kom­bi­
nationen freigegeben. „Kurzfristig“ lässt zudem
völlig offen, wann es so weit ist.
2 VW: „Kundenfreundliche Lösungen“
AUTO BILD: Es ist womöglich ein wichtiger
Aspekt, nicht aber der einzige und nicht der
wichtigste. Mindestens genauso wichtig dürfte
es für die Konzernführung sein, die Kosten
möglichst niedrig zu halten. Kundenfreundliche
Lösungen wie eine Garantie gegen Wertverlust
oder Mehrverbrauch wären aber besonders teuer.
3 VW: „reine Arbeitszeit“
AUTO BILD: Es dauert länger als die angegebene
Zeit. Zunächst muss der Kunde einen Termin
bekommen. Für das Update ist dann ein Gerät
nötig, das auch für Reparatur- und Wartungs­­ar­beiten gebraucht wird. Hinzu kommt außerdem die
Wartezeit bei Annahme und Abholung sowie für den
Papierkram für die angekündigte „Ersatzmobilität“.
4 VW: „mit dem Ziel“
AUTO BILD: Es ist also nicht sicher, ob das
auch klappt. VW legt bis heute nicht nachvollziehbar
dar, wie das Problem ohne Abstriche bei
Verbrauch oder Leistung in den Griff zu bekommen ist.
5 VW: „frei zu wählender Partnerbetrieb“
AUTO BILD: Stammkunden freier Werkstätten
sind damit gezwungen, zur Vertragswerkstatt zu fahren,
obwohl entsprechend ausgerüstete freie Betriebe
ebenfalls in der Lage wären, das Update zu über­neh­
men. Die freien Werkstätten sprechen von
einer Einschränkung des freien Wettbewerbs.
56
AUTOBILD.DE 29. JANUAR 2016
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VW: „Ab erstem Quartal“
und „Voraussichtlich“
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AUTO BILD: Die Nachbesserung der
Zweilitermotoren zieht sich länger hin. Sonst
hieße es ja „im ersten Quartal“. Und ob die
1,2-Liter-Variante tatsächlich zum Ende des
zweiten Quartals nachgebessert wird, steht
auch noch nicht fest.
7 VW: „Ziel ist es, Nachteile
für die Kunden zu vermeiden“
AUTO BILD: VW will oder kann nicht
garantieren, dass durch die Nachbes­serun­
gen keine Nachteile entstehen werden.
8 VW: „Im Bedarfsfall eine
angemessene Ersatzmobilität“
AUTO BILD: „Bedarfsfall“ und
„angemessen“ sind zwei wachsweiche
Begriffe. Wer entscheidet, wann tatsächlich
Bedarf besteht? Und was ist angemessen?
Das könnte aus Sicht von VW mit Blick auf
die Kosten in vielen Fällen auch ein
Busticket sein - oder gar nichts.
VW: „Verzicht auf die Erhebung
der Verjährungseinrede“
9
AUTO BILD: Das kann VW nur
für direkt ab Werk gekaufte Autos
erklären. Es fehlt die Information,
dass der Kunde selber aktiv werden
muss. Zudem bleibt unklar, ob
VW auch die Haftung für Nachteile
über­nimmt, die erst nach dem
Software-Update auftreten. Ein sol­cher Man­gelfolgeschaden ist nach
Auffassung vieler Anwälte durch diese
Formulierung nicht gedeckt.
VW: „Kunden können
abwarten“
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AUTO BILD: Klar können sie
das, es kann aber gravierende
Nachteile mit sich bringen.
Wahrscheinlich verliert jeder Kunde,
der an der Nachbesserung
teilnimmt, bestimmte Rechte wie
Minderung oder Rücktritt.
Tritt nach dem Update ein
Leistungsverlust auf, kann
der Kunde zudem den Zustand vor
dem Update nicht mehr belegen.
VW: „technisch sicher
und fahrbereit“
AUTO BILD: Mag sein, die
Autos fahren aber nur noch
aufgrund einer Sonderregelung.
Außerdem macht VW keine
Aussage über ihre tatsächliche
Umweltbelastung.
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Kaufpreises oder
Schadensersatz in Schuldnern.“
Betracht. Zwei Punk- Ralph Sauer,
te, über die VW kein Dr. Stoll & Sauer,
Wort verliert – und die Lahr
dem Normalkunden ohne anwaltliche
Hilfe wohl verborgen bleiben dürfte.
Deutlich besser als für den auf sich
allein gestellten Brenning lief es darum
auch für Peter Kunze (Name geändert)
aus Bremen. Der wollte seinen 2014
gekauften Audi Q5 bei Bekanntwerden
des Skandals möglichst schnell loswerden. Er beauftragte einen Anwalt,
denn „selber beim Händler vorzusprechen, hielt ich für aussichtslos“, sagt
Kunze. Rechtsanwalt Ralph Sauer aus
Lahr (Baden-Württemberg) verhandelte für ihn mit dem Autohaus – mit
Erfolg. Abzüglich einer Nutzungsentschädigung bekam Kunze am Ende
den Kaufpreis erstattet.
Während sich also längst Gerichte,
Händler, Anwälte und Kunden mit­
einander beschäftigen, erweckt VW den
Eindruck, den Fall aussitzen zu wollen. So schickte Sauer im November
800 Mandanten-Vollmachten als Paket
nach Wolfsburg. Das kam nach einigen Tagen zurück. Angeblich, weil die
Adressangabe „Volkswagen AG“ an der
Postadresse der VW-Hauptverwaltung
nicht zu ermitteln war. Beim zweiten
Versuch schrieb Sauer „Matthias Müller“ drauf, den Namen des VW-Chefs.
Doch die Annahme wurde erneut verweigert. Auch die Zustellung per Fax
scheiterte, schließlich ließ der Anwalt
die Vollmachten mit dem Gerichtsvollzieher zustellen. Sauer: „Ein solches Verhalten kannte ich bislang nur
von ganz windigen
Schuldnern.“ VW
erklärt auf Nachfrage lediglich,
man stehe mit
der Kanzlei
„zu diesem
Vorgang in
Kontakt“.
Aus Sicht
der Anwälte
alles kein Zufall, sondern die Strategie,
auf Kosten der eigenen Kunden aus jedem Auto einen juristischen Einzelfall zu
machen und Ansprüche zu verschleppen.
So will VW bislang auch nichts von
einem möglichen Wertverlust wissen.
Karsten Fischer aus Halle (Niedersachsen) aber hat ihn längst zu spüren bekommen. Kurz vor dem Skandal inse­
rierte er seinen drei Jahre alten Audi
A3 für 15 500 Euro in einer InternetFahrzeugbörse. Damit war er unter
vergleichbaren Fahrzeugen eines der
günstigsten Angebote. Als VW einige
Tage später schließlich zugab, manipuliert zu haben, erhielt er nur Angebote zwischen 8500 und 10 000 Euro.
Er fragte daraufhin bei der Audi-Kundenbetreuung, wer für den Wertverlust aufkomme. Die Antwort: Es sei
keine Grundlage für seine Forderung
zu erkennen. „Ich fühle mich getäuscht und betrogen“, sagt Fischer.
Er glaubt, „die EA-189-Fahrzeuge
werden den Makel für immer behalten, egal wie die Umrüstung ausfällt“.
Alle Anwälte berichten zudem, die
betroffenen Autos ließen sich bei Markenhändlern außerhalb des VW-Konzerns derzeit nicht in Zahlung geben.
Die ersten Schäden sind also längst
eingetreten. Auf Nachfrage, wie diese
ausgeglichen werden sollen, antwortet VW, der Handel böte „­attraktive
Konditionen bei der Inzah­lungnahme“
sowie ein „attraktives und kostenloses
Dienstleistungspaket“.
Fischer wendet sich über die VWFacebook-Seite an das Unternehmen.
Keine Antwort, stattdessen wird er
gesperrt und sein Eintrag gelöscht. Begründung: Da Fischers
Auto kein Volkswagen sei, bestünde kein Bezug zu den Themen der VW-Facebook-Seite.
Darauf muss man erst mal
kommen. Roland Kontny
Rechtsanwalt
Sauer bekam gleich
zweimal sein
Paket an VW wieder
zurück
MEINE
MEINUNG
Mitarbeiter
ROLAND KONTNY
VW hat in
großem Stil manipuliert. Warum
tut man jetzt nicht
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nes Vertrauen zurückzugewinnen?
Wo bleiben die
Garantiezusagen
für umgerüstete
Autos? Statt
Klartext spricht
VW Juristen­
kauderwelsch. Ich
sehe keine Transparenz, sondern
nur dichten Nebel.
57
AUTOBILD.DE 29. JANUAR 2016