Zwischen Training und Tutorien Hannah Auth (1995) – Die Kunstradfahrerin Hannah Auth studiert in Kassel Sport und Biologie auf Lehramt und errang neben zahlreichen nationalen Titeln im Jahr 2011 die Vize-Europameisterschaft. 10 publik 03 / 15 | Campus Seit zehn Jahren ist die Universität Kassel „Partnerhochschule des Spitzensports“. Fünf Sportlerinnen und Sportler berichten, wie sich Leistungssport und Unialltag vereinbaren lassen Steven Müller (1990) – Der Maschinen- Jan-Martin Speer (1987) – Der Bob-An- Marc Schröder (1990) – Der angehende baustudent spielte zwölf Jahre Football, schieber und Lehramtsstudent für Sport und Wirtschaftsingenieur für erneuerbare bevor er von einem Leichtathletik-Trainer Arbeitslehre reiste 2014 als Ersatzmann zu Energien überwindet für sein Leben gerne gescoutet wurde und seine Leidenschaft den Olympischen Spielen von Sotschi und Hindernisse mit seinem Trial-Rad und nahm für das Laufen entdeckte. Er ist amtierender war damit der einzige hessische Sportler im zuletzt 2013 bei der Weltmeisterschaft in Deutscher Hochschulmeister über 100 und deutschen Team. Südafrika teil. 200 Meter. TEXT Thomas Kossert FOTOS Andreas Fischer / Artur Worobiow / Kasseler Sparkasse / privat Wenn Steven Müller morgens zur Uni geht, hat er – im Gegensatz zu den meisten seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen – oft schon eine schweißtreibende Trainingseinheit hinter sich. Der 25-jährige Leichtathlet studiert Maschinenbau in Kassel und trainiert nahezu täglich. Müller ist ein Sprinter und im Sport sehr schnell unterwegs: Er hat sich auf die 100- und 200-MeterDistanz spezialisiert. Im Studium braucht er einen längeren Atem, denn neben seinem Training hat Müller auch noch einen Job in der Cafeteria Pavillon. „Nach einem Arbeitstag und zwei Trainingseinheiten bin ich immer ziemlich platt“, sagt der amtierende Deutsche Hochschulmeister lachend. Er belegt daher weniger Kurse als andere, um die Dreifachbelastung aus Leistungssport, Studium und Studentenjob bewältigen zu können. Auch für den Bobfahrer Jan-Martin Speer, der in Kassel Sport und Arbeitslehre auf Lehramt studiert, ist es nicht immer einfach, Studium und Leistungssport unter einen Hut zu bringen. „Offiziell bin ich schon im 16. Semester, tatsächlich aber erst im achten. Da ich Wintersport mache, kann ich eigentlich nur im Sommersemester studieren. Im Wintersemester sind wir die ganze Zeit im Trainingslager oder auf Wettkämpfen“, sagt der 28-Jährige, der bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 als einziger Hesse dabei war. Für den Anschieber eines Viererbobs kam das Partnerprogramm für den Spitzensport wie gerufen. „Am Anfang wusste ich noch nichts von dem Programm und wurde wegen meiner vielen Fehlzeiten von einigen Klausuren ausgeschlossen“, erklärt der aus dem nordhessischen Diemelsee stammende Athlet. Erst als Speer einen Hinweis von einem Kommilitonen erhielt, wandte er sich an den Hochschulsportbeauftragten der Uni Kassel, Gerhard Blömeke-Rumpf. Er koordiniert das Spitzensportprogramm der Uni und möchte am liebsten 11 publik 03 / 15 | Campus Rebecca Partsch (1993) – Die Ultimate-FrisbeeSpielerin studiert Mathe und Sport auf Lehramt und ist seit 2010 Mitglied der deutschen U-23Nationalmannschaft. Bei der diesjährigen Ultimate-FrisbeeWeltmeisterschaft in London belegte sie mit ihrem Team den fünften Platz. 12 publik 03 / 15 | Campus Bereits seit 1999 gibt es das Projekt „Partnerhochschule des Spitzensports“ des Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbands (adh). Im Rahmen dieser Kooperationsvereinbarungen wird für derzeit circa 1.200 studierende Spitzensportlerinnen und Spitzensportler an rund 90 adh-Mitgliedshochschulen ein Verbundsystem zum Ausgleich spezifischer Nachteile bereitgestellt. Die Kooperationspartner, in der Regel der adh, Hochschulen, Olympiastützpunkte, Studentenwerke und Fachverbände, ermöglichen den Studierenden, dass sie ihre akademische Ausbildung trotz der hohen zeitlichen Belastungen des Spitzensports erfolgreich absolvieren können. gar nicht von einem „Programm“ sprechen: „Bislang sind Spitzensportler an unserer Uni noch marginal, so dass wir erst eine Handvoll Sportler betreuen“, sagt Blömeke-Rumpf, der von 1977 bis 1983 selbst Sportwissenschaften in Kassel studiert hat. Meist wird er gerufen, wenn ein Sportler eine Klausur oder eine andere wichtige Prüfungsleistung für die Teilnahme an Wettkämpfen oder Trainingslagern schieben muss. Die meisten Dozenten und Professoren seien auch kooperativ, so dass es in den zehn Jahren kaum zu Konflikten gekommen sei. „Nur einmal“, erinnert sich BlömekeRumpf, „hatten wir Probleme bei der Beurlaubung für die Teilnahme eines Sportlers bei einer Weltmeisterschaft.“ Der Trialradfahrer Marc Schröder, der ebenfalls in Kassel studiert, wollte an der WM 2013 in Südafrika teilnehmen. Doch auch in diesem Fall konnte BlömekeRumpf vermitteln, so dass Schröder den versäumten Stoff nachholen und seine Klausuren nachschreiben konnte. Für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler bietet der Allgemeine Hochschulsport eine vergünstigte Mitgliedschaft im Unisport an, so dass sie beispielsweise das unieigene Fitnessstudio in den Freistunden zum Training nutzen können. Leichtathlet Steven Müller stemmt hier oft und gerne seine Gewichte und auch die Ultimate-FrisbeeSpielerin Rebecca Partsch ist ein gerngesehener Gast im UNIfit. Für Partsch sind solche Vergünstigungen wichtig, denn Ultimate Frisbee gehört zu den nichtolympischen Sportarten, so dass es keine Förderung vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gibt. Vieles muss die U23-Nationalspielerin daher aus eigener Tasche bezahlen. Beispielsweise die Reise zu den U23-Weltmeisterschaften im kanadischen Toronto. Hier stößt die Spitzensport-Förderung der Uni oft an ihre Grenzen: „Eine finanzielle Unterstützung können wir nur gewähren, wenn die Sportlerinnen und Sportler auch für die Universität starten. Zum Beispiel bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften oder anderen Uni-Liga-Wettbewerben“, erklärt Blömeke-Rumpf. In aller Regel starten die Athletinnen und Athleten aber für Der Hochschulsportbeauftragte Gerhard Blömeke-Rumpf koordiniert das Spitzensportprogramm der Uni Kassel. 13 publik 03 / 15 | Campus Hannah Auth. 2014 fuhr Jan-Martin Speer im Viererbob von Manuel Machata. ihre Heimatvereine, die auch die Trainer und das Material stellen. Partsch spielt für die „Himmelsstürmer“, die an die TSG 1887 Kassel-Niederzwehren angegliedert sind. Den noch konnte Blömeke-Rumpf der jungen Nationalspielerin helfen und stellte den Kontakt zu einem Sponsor her. Gerne würden Blömeke-Rumpf und sein Team noch häufiger helfen, aber oft wisse man gar nichts voneinander: „In den nichtolympischen Sportarten ist meist gar nicht bekannt, dass studentische Kaderathletinnen und -athle ten an unserer Uni eine gezielte Förderung und gewisse Erleichterungen erhalten, um ihnen den Spagat zwischen Studium und Leistungssport zu erleichtern“, stellt BlömekeRumpf fest. Meist erfahre er nur zufällig von einem Sport ler, beispielsweise wenn dieser auch für die Uni starten möchte oder ohnehin Sportwissenschaften studiere. Die Kunstradfahrerin Hannah Auth suchte vor ihrem Wechsel von Kaiserslautern nach Kassel den direkten Kontakt zum Team des Hochschulsports. Entsprechend den geltenden Vereinbarungen zur Förderung studierender Spitzensportlerinnen und -sportler konnte der B-Kader athletin und Vize-Europameisterin von 2011 der 14 Sporteignungstest für das Sportstudium erlassen werden. Ein Entgegenkommen, das die 21-Jährige angesichts von etwa zwanzig Wettkämpfen im Jahr und zahlreichen Trainingslagern zu schätzen weiß. Auch bei der Kurswahl werden Auth und die anderen Spitzenathleten in der Regel bevorzugt behandelt. Bobfahrer Jan-Martin Speer konnte dadurch viele Kurse bereits zu Beginn des Studiums belegen, so dass nun mehr Zeit für das Training vorhanden ist. Leistungssport und Studium? Muss da nicht zwangsläufig etwas auf der Strecke bleiben? Ganz und gar nicht, meint Leichtathlet Steven Müller: „Ich habe lange Zeit Football gespielt, bis mich mein heutiger Trainer Otmar Velte ent deckt und für die Leichtathletik begeistert hat. Seitdem sind meine Noten deutlich besser geworden, da ich durch den Leistungssport gezwungen bin, meinen Tag genau zu strukturieren.“ Und auch mit seiner sportlichen Leistung muss sich der 25-jährige Maschinenbaustudent nicht ver stecken: Auch wenn es in diesem Jahr bei der Deutschen Meisterschaft nicht ganz nach Plan lief, konnte sich Müller bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften sowohl über 100 Meter als auch über die 200 Meter souverän den Titel sichern. publik 03 / 15 | Campus Die Universität Kassel ist seit 2005 offizielle Partnerhochschule des Spitzensports. Ein großer Teil der Unterstützung durch das Hochschulsport-Team besteht darin, unkomplizierte Lösungen zur Flexibilisierung der Anwesenheitszeiten zu finden, insbesondere wenn es darum geht, Fehlzeiten nachzuarbeiten. Zudem können Kaderangehörige in Teilzeit studieren oder für wichtige Meisterschaften und Wettkämpfe ein Urlaubssemester nehmen. Auch das Studentenwerk stellt studierenden Spitzensportlerinnen und -sportlern ein Kontingent an Wohnheimsplätzen zur Verfügung. Weitere Details zur individuellen Förderung können A-, B- oder C-Kader beim Hochschulsport erfragen: [email protected] Anzeige Sein Einsatz ist unbezahlbar. Deshalb braucht er Ihre Spende. www.seenotretter.de Die Seenotretter_DGzRS_230x144_Version1_4c.indd 1 24.07.14 15:39 15
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