Metastasiertes Pankreaskarzinom 2015 Prof. Dr. med. Jens Siveke Klinikum rechts der Isar der TU München, 2. Medizinische Klinik und Poliklinik In den letzten Jahren konnte eine deutliche Verbesserung in der Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms erreicht werden. Die gegenüber der Standardtherapie mit Gemcitabin wirksameren Chemotherapie-Kombinationen nach dem FOLFIRINOX-Protokoll und Gemcitabin/nab-Paclitaxel haben sich als weitere Standards in der täglichen Praxis etabliert. Allerdings kommen diese Therapien aufgrund des Nebenwirkungsprofils und der Studienlage nur für selektionierte Patientengruppen in Frage (FOLFIRINOX: ECOG 0–1, Bilirubinwert < 1,5-fache des oberen Normwertes, Alter bis 75 Jahre; Gemcitabin/nab-Paclitaxel: Bilirubin normal). Die zugelassene Kombination von Gemcitabin mit nab-Paclitaxel zeigte in der Phase III Studie von von Hoff et al. ein medianes Überleben von 8.6 Monaten (von Hoff, NEJM 2013). Hier konnten Patienten mit ECOG 0-2 eingeschlossen werden. In den Subgruppenanalysen zeigt sich eine gegenüber Gemcitabin überlegene Wirksamkeit unabhängig von der Lokalisation des Primarius, der Tumorlast und der Metastasenlokalisation. Wird Gem/nab-P bei Patienten mit ECOG 2 eingesetzt, ist eine erhöhte Nebenwirkungsrate zu erwarten. Auf den letzten ASCO und ASCO GI Kongressen wurden von mehreren Tumorzentren Daten zu Dosismodifikationen von FOLFIRINOX berichtet, die eine bessere Verträglichkeit und einen weniger häufigen Einsatz von G-CSF zeigen. In zwei auf dem ASCO GI 2015 präsentierten retrospektiven Analysen aus Kanada und Italien zeigte sich bei dosisreduziertem, modifizierten FOLFIRONOX neben einer geringeren Nebenwirkungsrate eine vergleichbare Aktivität (Chllamma, #417 und Vaccaro, #372), während eine weitere kanadische Analyse zwar eine verringerte Toxizität, jedoch auch eine geringere Wirksamkeit bezüglich Überleben zeigte (Maroun, ESMO 2014, #702). Zusammenfassend kann modifiziertes FOLFIRINOX bei einem größeren Patientenkollektiv durchgeführt werden, wobei möglicherweise nicht die volle Wirksamkeit erreicht wird. Der Frage, ob Patienten nach FOLFIRINOX mit Gemcitabin/nab-Paclitaxel behandelt werden könnten, ging eine französische Arbeitsgruppe an 12 Zentren nach (Portal, 1 ASCO 2015, #4123). Hierzu wurden zwischen 2013 und 2014 57 Patienten prospektiv analysiert, die Gemcitabin/nab-Paclitaxel nach FOLFIRINOX erhielten (AGEO-Studie). Eine Grad 3 Toxizität zeigte sich bei 36% (u.a. 12% Neutropenie, 12% Neurotoxizität, 9% Asthenie) und eine Grad 4 Toxizität bei 1.5 % (Thrombozytopenie) der Patienten. Das PFS und OS von 5.1 bzw. 8.8 Monaten war in dieser selektionierten Patientengruppe vielversprechend, so dass hier eine randomisierte Studie wünschenswert ist. In der Zweitlinientherapie ist das OFF-Protokoll als verträgliche und gut durchführbare Therapie nach Progress einer Gemcitabin-basierten Therapie gut etabliert. Hier wurden 2014 die finalen Daten voll publiziert (Oettel, JCO 2014), die einen eindeutigen Überlebensvorteil im Vergleich zu 5-FU/FA zeigen (mOS 5.9 vs. 3.3 Monate, HR 0.66). Wie wichtig die Einschätzung der Verträglichkeit der Chemotherapie gerade bei diesem Patientenkollektiv ist, zeigt die PANCREOXStudie, in der mFOLFOX6 in der Zweitlinie wahrscheinlich aufgrund der höheren Toxizität schlechter als der Kontrollarm mit infusionalem 5-FU/LV abschnitt (mOS 6.1 vs. 9.9. Monate, HR 1.78; Gill, ASCO 2014, #4022). In einer zunächst 2014 auf dem ESMO GI und mit erweiterter Analyse auf dem ASCO GI 2015 vorgestellten Phase III Studie wurde nanoliposomales Irinitocean (nal-IRI, auch MM-398) allein oder in Kombination mit 5-FU/LV vs. 5-FU/LV in der Zweitlinie nach Gemcitabin-basierter Therapie untersucht (Chen, ASCO GI 2015, #234). Hier zeigte sich eine signifikante Verlängerung des mOS mit 6.1 vs. 4.2 Monate (HR 0.57) für die Kombination MM-398 + 5-FU/LV vs. 5-FU/LV. Dieser Nutzen war konsistent über verschiedene Stratifizierungsfaktoren wie Performance Status, prognostische Faktoren und Tumorcharakteristika. Das Nebenwirkungsprofil zeigte erhöhte Raten an Diarrhoe und Neutropenie, war aber insgesamt gut beherrschbar. Die Zulassung für die Substanz in Deutschland ist beantragt. Im Gegensatz zu den zunehmenden chemotherapeutischen Optionen sind zielgerichtete Therapiestrategien beim Pankreaskarzinom bisher weiterhin weitgehend enttäuschend. Auf dem ASCO GI 2015 berichtete randomisierte Phase II Studien zur Inhibition von KRAS mit Rigosertib (Scott, #342) als auch des KRAS_abhängigen Signalwegs MEK/ERK mit dem MEK-Inhibitor Pimasertib (Van Cutsem, #344) zeigten beide in Kombination mit Gemcitabin keine überzeugenden Ergebnisse. Auch in der Zweitlinie war das Gesamtübereben unter dem MEK- 2 Inhibitor Selumetinib im Vergleich zu mFOLFOX tendenziell niedriger (Chung, ASCO 2015, #4119). Aus den im letzten und diesen Jahr veröffentlichten Gensequenzierungsdaten ergeben sich neben dem schwer direkt zu blockierenden KRAS keine größeren Subgruppen mit weiteren onkogenen Treibermutationen. Vielmehr ist beim duktalen Pankreaskarzinom das interindividuelle Mutationsspektrum sehr heterogen und betrifft häufig Veränderungen in Tumorsuppressorgenen und Genen, die die DNA/RNA- und Chromatin-Regulation betreffen (Waddell, Nature 2015). Eine sich allerdings aus den Sequenzierungsstudien abzeichnende möglicherweise relevante Subgruppe von Pankreaskarzinomen weist Defekte im DNA- Reparatursystem (DNA-Damage-Response) auf. Häufig betroffene Gene sind BRCA1, BRCA2, PALB2 und die ATM-Gene. Nimmt man Tumore mit hier veränderten Genen (sog. BRCAness Signatur) zusammen, macht diese etwa 25% aller Pankreaskarzinome aus. Therapeutisch relevant und potentiell prädiktiv könnte die Identifizierung dieser Subgruppe aufgrund der erhöhten Sensitivität für Platinderivate sein. Prospektive Studien müssen zeigen, ob sich hier eine relevante Subgruppe abzeichnen wird. Interessant ist auch der möglicherweise effektive Therapieansatz mit PARP-Inhibitoren bei BRCA-mutierten Patienten mit Pankreaskarzinom, der derzeit in der POLO-Studie untersucht wird (Kindler, ASCO 2015, #4149) Die bei anderen Tumorentitäten wie u.a. dem malignen Melanom und NSCLC erfolgreichen immunologischen Therapieansätze mit sog. Checkpoint-Inhibitoren gegen CTLA-4 und PD-1 sind beim Pankreaskarzinom bisher nicht ähnlich erfolgreich. Hier bleibt abzuwarten, ob das tumor-suppressive und wenig immunogene Milieu im Pankreaskarzinom eine größere Barriere darstellt. Eine möglicherweise relevante Subgruppe stellen Pankreaskarzinome dar, die eine erhöhte inflammatorische Komponente aufweisen und häufig durch ein erhöhtes CRP und niedriges Serum-Albumin gekennzeichnet sind. Diese Patienten profitieren möglicherweise von einer zielgerichteten Therapie mit Januskinase-Inhibitoren, wie in der Zweitlinienstudie RECAP (randomisierte Phase II) für Capecitabin +/Ruxolitinib nach Gemcitabin-Versagen bei Patienten mit erhöhtem CRP gezeigt wurde. Hier sind aktuell Phase III Zulassungsstudien (JANUS-1/2) auch in Deutschland angelaufen. 3 Zusammenfassend ergeben sich beim metastasierten Pankreaskarzinom für die Erst-und Zweitlinie inzwischen mehrere Therapieoptionen, die eine zunehmende Intensivierung und Individualisierung der Therapie ermöglichen und v.a. den Performance Status des Patienten, die enge Interaktion von Patient und Therapeut sowie eine optimale supportive Begleittherapie einbeziehen müssen. Zunehmend werden Subgruppen von Patienten und Marker identifiziert, für die in prospektiven Studien personalisierte Therapiestrategien evaluiert werden. 4
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