Abschlußbericht - Alfred und Angelika Gutermuth

Dr. rer. nat. Jasmin Wellbrock und Prof. Dr. Walter Fiedler
Projektbericht an die Alfred & Angelika Gutermuth Stiftung
Einfluss von Hypoxie auf die Interaktion von Leukämieblasten mit
Knochenmark-Stromazellen
Hintergrund
In der Leukämie-Forschung sind Leukämie-Stammzellen (leukemic stem cells, LSC) in den
Fokus der zielgerichteten Therapie-Strategien gerückt, da sie aufgrund ihrer ChemotherapieResistenz für die schlechte Prognose der akuten myeloischen Leukämie (AML) verantwortlich
gemacht werden. Im Knochenmark stehen die LSCs innerhalb der so genannten LeukämieStammzell-Nische in enger Interaktion mit einer Reihe von Stromazellen. Obschon bekannt ist,
dass das Milieu innerhalb der Leukämie-Stammzell-Nische nur über einen sehr geringen
Sauerstoff-Anteil verfügt, wurde der Großteil der bisherigen In-vitro-Studien über die
Wechselwirkung von LSCs und Stromazellen unter normoxischen Bedingungen durchgeführt.
Es gibt jedoch erste Hinweise darauf, dass die Sauerstoff-Konzentration Einfluss auf die
Interaktion von Leukämie- und Stromazellen nimmt. Ziel der vorliegenden Studie war zu
ergründen, welchen Einfluss ein hypoxisches Milieu auf die Biologie von Leukämiezellen
ausübt.
Durchführung und Ergebnisse der Experimente
Analyse der Proliferationskapazität von AML-Zellen und Stromazellen unter Hypoxie
Zunächst sollte untersucht werden, ob sich AML-Zellen und Knochenmarkstromazellen unter
Hypoxie anders verhalten als unter Normoxie. Als hypoxische Bedingung wurde ein
Sauerstoffgehalt von 6% ausgewählt, was einer moderaten Hypoxie im Knochenmark
entspricht. Es wurden Proliferationsanalysen über 3 Tage durchgeführt und die Zellzahl
anschließend mit einem Zellzählgerät (ViCELL XR der Fa. Beckman Coulter) ausgezählt.
Es wurden sieben unterschiedliche AML-Zelllinien untersucht: HL60, Kasumi-1, KG-1,
MOLM13, MV4-11, OCI-AML5 und UKE-1. Bei allen Zelllinien zeigte sich ein vermindertes
Zellwachstum unter hypoxischen Bedingungen. In Abbildung 1a und b ist dieser Effekt
examplarisch für die Zelllinien OCI-AML5 und Kasumi-1 dargestellt.
Darüber hinaus wurde die Proliferation von primären AML-Blasten untersucht, die frisch aus
dem Knochenmark von AML-Patienten isoliert wurden. Hier zeigte sich interessanterweise ein
umgekehrter Effekt, da bei ca. 50% der Proben eine verstärkte Proliferation unter Hypoxie zu
verzeichnen war (in Abbildung 1c exemplarisch für eine AML-Probe gezeigt). Ähnlich verhielt
es sich mit Knochenmarkstromazellen: sowohl primäre Osteoblasten als auch mesenchymale
Stromazellen zeigten ein verstärktes Zellwachstum unter Hypoxie (Abbildung 1d).
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Abbildung 1. Proliferation von AML-Zellen und Stromazellen unter Hypoxie.
Abbildung 1. Proliferation von AML-Zellen und Stromazellen unter Hypoxie. Dargestellt ist die
Proliferationskapazität von den AML-Zelllinien OCI-AML5 (a) und Kasumi-1 (b), primärer Blasten eines
AML-Patienten (c) sowie primärer Osteoblasten (d). Die Zellen wurden für jeweils 3 Tagen unter
Normoxie (20% O2) sowie Hypoxie (6% O2) kultiviert, bevor die Zellzahl mittels ViCELL XR Counter (für
a-c) oder mittels WST-1 Proliferationsreagenz an einem ELISA-Reader bestimmt wurde (d).
Cytarabin-Resistenz unter hypoxischen Bedingungen
In der Studie haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt, ob Hypoxie als alleiniger Faktor
ausreicht, um die Resistenz gegenüber Chemotherapie zu verstärken. Hierzu wurden
Proliferationsanalysen sowie Colony-Formation-Assays von AML-Zelllinien und primären AMLBlasten unter Behandlung des Nukleosid-Analogons Cytarabin durchgeführt, welches seit
mehreren Jahrzehnten die Standardchemotherapie zur Behandlung der AML darstellt.
Zunächst wurden die AML-Zelllinien MOLM13, HL60, Kasumi-1, KG-1, MV4-11, OCI-AML5 und
OCI-M1 sowie frisch isolierte Blasten von 8 AML-Patienten für 3 Tage unter normoxischen
oder hypoxischen Bedingungen kultiviert, damit die Zellen sich an das Sauerstoffmilieu
adaptieren konnten. Anschließend wurden die Zellen in definierter Zellzahl ausplattiert und
mit unterschiedlichen Cytarabin-Konzentrationen behandelt, bevor die Zellzahl nach 3 Tagen
am ViCELL XR Counter bestimmt wurde. Die Mehrzahl der AML-Zelllinien zeigte unter Hypoxie
eine deutlich verstärkte Resistenz gegenüber Cytarabin als unter Normoxie (Abbildung 2). Die
HL60-Zellen zeigten hierbei die stärkste Resistenz, da die Cytarabin-induzierte
Wachstumshemmung unter Hypoxie bei allen untersuchten Cytarabinkonzentrationen unter
Hypoxie deutlich vermindert war (Abbildung 2a). Die Zelllinien Kasumi-1, MOLM13, OCI-AML5
und MV4-11 zeigten ebenfalls eine deutliche Cytarabin-Resistenz unter hypoxischen
Bedingungen (Abbildung 2b-e). Lediglich die Zelllinie KG-1 zeigte nur leicht verminderte
Unterschiede in der Cytarabin-Resistenz (Abbildung 2f).
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Abbildung 2. Hypoxie-vermittelte Cytarabin-Resistenz.
Abbildung 2. Hypoxie-vermittelte Cytarabin-Resistenz. AML-Zelllinien (a-f) oder primäre AML-Blasten
(g) wurden mit verschiedenen Cytarabin-Konzentrationen behandelt und für 3 Tage unter
normoxischen (20% O2) oder hypoxischen (6% O2) Bedingungen kultiviert. Die Anzahl vitaler Zellen
wurde mittels ViCLL XR Counter bestimmt. Die Normalisiergung erfolgte zur unbehandelten Kontrolle
(im Diagramm mit K gekennzeichnet). Die dunklen Balken zeigen die normoxischen, die hellen Balken
die hypoxischen Bedingungen. * p<0,05 und p<0,001 im Welch-T-Test.
Neben den AML-Zelllinien wurden primäre Blasten von 8 AML-Patienten mit
unterschiedlichen Cytarabinkonzentrationen behandelt. Das Ansprechen auf Cytarabin
variierte bei den einzelnen AML-Patienten sehr stark. Bei einer Konzentration von 500 nM
Cytarabin zeigte sich bei einigen Patienten eine Verminderung der Zellzahl auf unter 20% im
Vergleich zur unbehandelten Kontrolle, während die Zellen anderer AML-Patienten überhaupt
nicht auf Cytarabin ansprachen. Die Proben, die überhaupt kein Ansprechen zeigten, wurden
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aus der weiteren Analyse ausgeschlossen. Von den 6 verbleibenden primären AML-Proben
zeigten 5 eine verstärkte Cytarabin-Resistenz unter Hypoxie im Vergleich zur Normoxie. In
Abbildung 2g ist exemplarisch der Assay für eine primäre AML-Probe gezeigt.
Die Beobachtung der erhöhten Cytarabin-Resistenz unter Hypoxie konnte im ColonyFormation-Assay bestätigt werden. Die Zelllinien Kasumi-1, MOLM13 sowie HL60 wurden
nach einer dreitägigen Vorinkubation unter Normoxie oder Hypoxie in semi-solidem Medium
ausplattiert und mit unterschiedlichen Cytarabinkonzentrationen behandelt. Nach 7 Tagen
wurde die Anzahl der Kolonien mithilfe eines Umkehrmikroskops ausgezählt. Es zeigte sich,
dass alle 3 Zelllinien unter Hypoxie eine verstärkte Resistenz gegenüber Cytarabin besaßen als
unter Normoxie (Abbildung 3).
Abbildung 3. Hypoxie-vermittelte Cytarabin-Resistenz im Colony-Formation-Assay.
Abbildung 3. Hypoxie-vermittelte CytarabinResistenz im Colony-Formation-Assay. Das
Ansprechen auf Cytarabin unter normoxischen vs.
hypoxischen Bedingungen der AML-Zelllinien HL60
(a), Kasumi-1 (b) und MOLM13 (c) wurde anhand
des Kolonienwachstums über 7 Tage ermittelt. Die
Normalisierung erfolgte gegen die unbehandelte
Kontrolle (im Diagramm mit K gekennzeichnet). Die
dunklen Balken zeigen die normoxischen, die
hellen Balken die hypoxischen Bedingungen.
* p<0,05 und p<0,001 im Welch-T-Test.
Unsere Daten zeigen eindrücklich, dass Hypoxie als alleiniger Faktor eine verstärkte Resistenz
gegenüber Cytarabin in den AML-Zellen induzieren kann. In weiteren Versuchen konnten wir
nachweisen, dass diese verstärkte Resistenz auf eine hypoxie-vermittelte Herunterregulierung
des Enzyms Deoxycytidinkinase (DCK) zurückzuführen ist. Das Enzym DCK überführt Cytarabin
im Körper in seine aktive Form und ist daher für die Wirkung der Chemotherapie unerlässlich.
Wir untersuchten die Expression von DCK nach dreitägiger Kultur unter hypoxischen versus
normoxischen Bedingungen mittels quantitativer PCR. Die Kultivierung unter Hypoxie
induzierte eine deutliche Verminderung der DCK-Expression in den 6 untersuchten Zelllinien
sowie primären AML-Blasten (Abbildung 4a). Weiterhin untersuchten wir, ob die
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DCK-Herunterregulation durch den Transkriptionsfaktor Hypoxia-inducible factor 1 α (HIF-1α),
welcher als starker Regulator der Anpassung von Zellen an Hypoxie gilt, vermittelt wird. Hierzu
wurden die Zelllinien HL60, KG-1 und MV4-11 über 3 Tage mit dem spezifischen HIF-1αInhibitor BAY87-2243 behandelt und erneut die DCK-Expression ermittelt. Die Behandlung mit
BAY87-2243 verhinderte die Herunterregulierung von DCK unter Hypoxie (Abbildung 4b), was
die direkte Verbindung zwischen HIF-1α und der DCK-Expression aufzeigte.
Die Daten über die verstärkte DCK-vermittelte Cytarabin-Resistenz unter Hypoxie wurden
kürzlich beim European Journal of Haematology akzeptiert und werden in einer der nächsten
Ausgaben erscheinen.
Abbildung 4. Verminderte Deoxycytidinkinase-Expression unter Hypoxie.
Abbildung 4. Verminderte Deoxycytidinkinase-Expression unter Hypoxie. a) Die quantitative PCRAnalyse verschiedener AML-Zelllinien und primärer AML-Blasten (n=6) zeigte, dass die Expression des
Cytarabin-aktivierenden Enzyms Deoxycytidinkinase (DCK) unter Hypoxie im Vergleich zur Normoxie
vermindert war (Expressionslevel unter Normoxie entsprechen 1, was als dicke schwarze Linie im
Diagramm gekennzeichnet ist). b) In HL60-, KG-1- und MV4-11-Zellen, die mit 100 nM BAY87-2243
behandelt wurden, wurde die Hypoxie-induzierte Herunterregulierung von DCK verhindert
(Expressionslevel unter Nomoxie entsprechen 1, als dicke schwarze Linie gekennzeichnet); das Gen
Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase wurde als Referenzgen zur Normalisierung von a) und b)
verwendet.
RNA-Sequencing von AML-Zellen und Stromazellen unter Hypoxie
Die Daten zur DCK-vermittelten Cytarabinresistenz unter Hypoxie haben uns gezeigt, dass
Hypoxie als alleiniges Merkmal die Biologie von Leukämiezellen maßgeblich verändern kann.
Auf Grundlage dieser Daten haben wir beschlossen, die Hypoxie-induzierten Veränderungen
in den Zellen auf “globalerer” Ebene zu untersuchen. Hierzu sollte die Technik des RNASequencing verwendet werden. Die Technik gehört zum so genannten Next Generation
Sequencing, was es erlaubt, innerhalb kurzer Zeit große DNA-Mengen zu sequenzieren, sodass
die komplette genetische Information des Menschen analysiert werden kann. Beim RNASequencing wird die mRNA der Zelle in DNA übersetzt, wodurch die Sequenzierung ermöglicht
wird. Die erhaltenen Sequenzen spiegeln die Gesamtheit der in der Zellen enthaltenen mRNA
wider, was Aufschluss über die Gesamtheit der aktiven Transkripte und somit einen Überblick
über zelluläre Vorgänge innerhalb der Zelle gibt. Für unsere Untersuchungen wurde die mRNA
von 8 primären AML-Proben, die jeweils für 3 Tage unter Normoxie oder Hypoxie kultiviert
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worden waren, verwendet. Für die Analyse wurden die Proben miteinander vereint, in cDNA
umgeschrieben und anschließend sequenziert. Darüber hinaus wurden mesenchymale
Stromazellen von 4 Spendern ebenfalls unter normoxischen und hypoxischen Bedingungen
kultiviert und die mRNA-Expression mittels RNA-Sequencing analysiert. Erste Auswertungen
der RNA-Sequencing-Daten zeigten, dass eine Reihe von Genen aus unterschiedlichen
Signalwegen eine veränderte Expression unter Hypoxie aufwiesen. Bei den AML-Proben
waren z.B. einige Gene aus dem Mitochondrienstoffwechsel dysreguliert, während in
mesenchymalen Stromazellen vor allem Gene eine veränderte Expression aufwiesen, die mit
der Biologie der Extrazellulärmatrix assoziiert werden können.
Zusammenfassung und Ausblick
Unsere bisherigen Studien konnten zeigen, dass ein verminderter Sauerstoffgehalt allein
ausreicht, um die Biologie von AML-Zellen maßgeblich zu verändern. Vor allem unsere Daten
über die Hypoxie-induzierte Herunterregulation des Enzyms Deoxycytidinkinase und der
daraus resultierenden vestärkten Cytarabin-Resistenz unter hypoxischen Bedingungen, die
kürzlich zur Veröffentlichung im European Journal of Haematology zur Veröffentlichung
angenommen wurden, tragen zum Verständnis der zellulären Prozesse in der akuten
myeloischen Leukämie bei. Darüber hinaus konnten wir mittels RNA-Sequencing eine Reihe
von Genen identifizieren, die in AML-Zellen sowie Knochenmarkstromazellen unter Hypoxie
eine veränderte Expression aufwiesen. Die Fortführung des Projektes soll sich vor allem auf
die Verifizierung der RNA-Sequencing-Daten sowie funktionelle Analysen der identifizierten
Gene in AML- und Knochenmarkstromazellen konzentrieren.
Publikationen mit Nennung der Alfred & Angelika Gutermuth Stiftung
Deoxycytidine kinase is downregulated under hypoxic conditions and confers resistance
against cytarabine in acute myeloid leukaemia, Nicole Degwert, Emily Latuske, Gabi
Vohwinkel, Hauke Stamm, Marianne Klokow, Carsten Bokemeyer, Walter Fiedler and Jasmin
Wellbrock. European Journal of Haematology, im Druck.
Unterschriften
Hamburg, den 26.11.15_____________________________ (Dr. rer. nat. Jasmin Wellbrock)
Ort, Datum, Unterschrift
Hamburg, den 26.11.15______________________________ (Prof. Dr. Walter Fiedler)
Ort, Datum, Unterschrift
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