PDF, 3,7 MB - MIZ

NEWS PER WHATSAPP
DIE TAGESSCHAU IM
WOHNZIMMER DER MILLENNIALS
WWW.MIZ-BABELSBERG.DE
EIN PROJEKT DES
MEDIENINNOVATIONSZENTRUM BABELSBERG (MIZ)
IN KOOPERATION MIT ARD-AKTUELL
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 1
NEWS PER WHATSAPP
DIE TAGESSCHAU IM
WOHNZIMMER DER MILLENNIALS
mibb GmbH (Hrsg.)
AutorInnen
Isabella David
Tobias Goltz
Isabel Hummel
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 3
NEWS PER WHATSAPP
DIE TAGESSCHAU IM
WOHNZIMMER DER MILLENNIALS
inhalt
Wie müssen Nachrichten aussehen,
damit sie auch beim jungen Publikum
ankommen?
welche plattform
darf's denn sein?
8
die mission
DAS TEAM
6
DIE PROJEKTPARTNER
7
DIESE MILLENNIALS:
WAS WOLLEN DIE EIGENTLICH?
12-19
HELLO WHATSAPP!
20-23
TagesschauBETA: UNSER NEWS-ANGEBOT
FÜR 17- BIS 19-JÄHRIGE
24-30
4 | NEWS PER WHATSAPP
9-11
Haben wir die zentralen Bedürfnisse der 17- bis 19-Jährigen im Umgang mit
Nachrichten ausgewählt? Ist WhatsApp überhaupt eine geeignete Plattform,
um diese Zielgruppe mit News zu erreichen?
Finales Feedback: Was
denken unsere UserInnen?
Redaktioneller
Workflow:
Bloss nebenbei? Nein,
wenn dann richtig!
55-56
41-54
Die weiterführenden Links sind
unterstrichen.
DREI INTENSIVE WOCHEN:
UNSERE TESTPHASE
31-40
FAZIT
58-59
IMPRESSUM
60
Herausgeber
mibb GmbH
Veröffentlichungsjahr
2016
Diese Publikation ist online
verfügbar unter:
www.miz-babelsberg.de
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 5
DAS TEAM
ISABELLA DAVID
Isabella David studiert Politikwissenschaft in Hamburg und arbeitet als freie Journalistin in der Hansestadt. 2012 hat sie das Online-Nachrichtenmagazin Hamburg­Mittendrin gegründet. Gemeinsam mit ihrem Team versucht sie zu zeigen, dass Lokaljournalismus nicht verstaubt und trocken sein muss. Live-Berichterstattung und die
weiten, vernetzten Welten von Social Media sowie der Versuch, digitalen Journalismus
zu finanzieren, gehören hier zum redaktionellen Alltag. Isabella brennt für den Nachrichtenjournalismus und darauf, neue Vermittlungswege auszutesten.
TOBIAS GOLTZ
Tobias Goltz hat schon im ARD-Hauptstadtstudio versucht, öffentlich-rechtlichen
Content einer jüngeren Zielgruppe schmackhaft zu machen. Nüchternes Fazit: Wer
sich nichts traut, wird auch nichts erreichen! Um zu schauen, wie es besser klappen
könnte, schloss er sich dem YouTube-Kanal Hyperbole TV an und freute sich 2015 mit
dem Team über einen Grimme Online Award. Wertvollen Input bekam er zuvor an der
Electronic Media School in Potsdam-Babelsberg, wo er ein journalistisches Volontariat
absolvierte. Heute arbeitet er als freier Journalist in Berlin, schwerpunktmäßig für TV
und Online.
ISABEL HUMMEL
Isabel Hummel produziert Webdokus beim rbb und glaubt immer noch fest daran, dass
Innovation bei den Öffentlich-Rechtlichen möglich ist. Sie probiert aber auch gerne
abseits vom Redaktionsalltag aus: Sie hat das multimediale Berlinmagazin berlinventar.tv gegründet und macht Radio bei Friedrich & Hummel. Ansonsten hat Isabel
gefilmt, geschnitten, getextet für: ARD-aktuell, arte, Deutsche Welle TV, wochenwebschau @Radio Bremen und Hyperbole TV. Ordentlich gelernt hat sie das mit dem Journalismus auch, und zwar ebenso im Volontariat an der ems – Electronic Media School
in Potsdam-Babelsberg.
6 | NEWS PER WHATSAPP
DIE PROJEKTPARTNER:
MIZ-BABELSBERG & ARD-AKTUELL
Das Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) fördert Teams von JournalistInnen bei der Konzeption und Umsetzung innovativer Projektvorhaben in
Kooperation mit verschiedenen Projektpartnern. Es fördert Projekte, die über mediale Grenzen von klassischen Rundfunkinhalten und bewährten Technologien
hinausgehen. Dafür stellt das MIZ-Babelsberg Räume und Produktionstechnik zur
Verfügung und ermöglicht dem Projektteam Coaching-Programme.
ARD-aktuell ist die Gemeinschaftsredaktion der ARD für die Tagesschau, die
Tagesthemen, das Nachtmagazin, den
Nachrichtenkanal tagesschau24 und tagesschau.de. Bei ARD-aktuell arbeiten
etwa 150 RedakteurInnen. Hinzu kommen
MitarbeiterInnen in der Technik und der
Produktion, im Sekretariat und in der Verwaltung – allein in der Hamburger Zentrale etwa 300 MitarbeiterInnen. Weitere
KollegInnen arbeiten in den Korrespondentenbüros im In- und Ausland. ARD-aktuell ist eine aktuelle, schnell reagierende
Nachrichtenfabrik: Nachrichten zu jeder
Zeit, an jedem Ort, individuell und hintergründig.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 7
DIE MISSION
durchschnittsalter
62jahre
32,7%
marktanteil
Die Tagesschau ist Deutschlands älteste
und immer noch erfolgreichste Nachrichtensendung: Die 20-Uhr-Ausgabe hat laut
GfK-Fernsehforschung einen Marktanteil
von 32,7 Prozent (Stand 2015). Fast jede/r
Deutsche kennt sie und die meisten
könnten sicherlich den Eröffnungs-Jingle nachsummen. Doch trotz des andauernden Quoten-Erfolgs gibt es ein großes
Manko: Das Durchschnittsalter der ZuschauerInnen liegt bei 62 Jahren.
Da die ARD den Auftrag hat, eine Grundversorgung an Informationen für alle zu
liefern, war die große Frage unseres Projekts: Wie müssen Nachrichten aussehen, damit sie auch beim jungen Publikum ankommen?
8 | NEWS PER WHATSAPP
Am Anfang standen wir vor einigen
Fragezeichen: Erreichen wir sie mit Breaking News in 15-sekündigen Instagram-Videos? Mit einem Snap zur wichtigsten
Eilmeldung? Oder eher mit einem Periscope-Stream vom Korrespondenten vor
Ort?
Eine starke Vermutung hatten wir von Beginn an: Die 14- bis 29-Jährigen erreichen
wir mit Nachrichten heutzutage am ehesten auf den Kanälen, auf denen sie sich
zu Hause fühlen. Welche das nun genau
sind und wie ein passendes Nachrichtenkonzept aussehen könnte: Das wollten wir
in unserem sechsmonatigen Projekt herausfinden.
WELCHE PLATTFORM
DARF’S DENN SEIN?
Die Tagesschau ist nicht nur im Fernsehen
präsent – es gibt sie auch auf tagesschau.
de, sie ist auf Facebook und Twitter vertreten. Auch dort ist sie erfolgreich: Über
500.000 Fans bei Facebook und mehr als
eine Million Follower bei Twitter – zudem
sind die NutzerInnen wesentlich jünger als
die ZuschauerInnen vor dem Fernseher.
Wir zogen uns daher am Projektanfang
erst einmal ins MIZ-Babelsberg zurück
und analysierten, was die Tagesschau auf
den genannten Plattformen schon anbietet, was gut läuft und was noch verbessert
werden könnte.
Zurück im MIZ-Babelsberg schauten
wir uns anschließend andere Soziale
Netzwerke detailliert an.
Wir wollten verstehen: Wie funktionieren sie? Welche Medien sind
schon hier? Eignen sich die Plattformen auch für die Tagesschau?
Um zu verstehen, wie Fernsehen und Online bei der Tagesschau geplant werden
und wie die Bereiche redaktionell ineinander greifen, verbrachten wir dann eine
Woche in Hamburg bei ARD-aktuell. Wir
waren bei den Konferenzen der Onliner
und Fernsehleute mit dabei und liefen
jeweils bei Schichten in der Online-Redaktion und beim Social Media-Team mit. Für
unsere weitere Arbeit war diese Woche
enorm wichtig, denn obwohl wir unser
Projekt im MIZ-Babelsberg konzipierten,
sollte es ja auf eine Nachrichtenredaktion
wie ARD-aktuell übertragbar sein. Daher
war es essentiell für unsere Arbeit, dass
wir ein gutes Gefühl für die Redaktion und
ihre Abläufe bekamen.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 9
EIN ÜBERBLICK
Snapchat - ob Nacktfotos oder News:
hier ist alles vergänglich
Die App bietet drei Kanäle:
1. Der Chat: Snaps (Fotos, Videos) können
hier nur wenige Sekunden vom/von der
Chat-PartnerIn angesehen werden.
2. Die Stories: Snaps sind für alle FreundInnen für genau 24 Stunden sichtbar.
3. Das Discover-Feature: Ein Kanal für redaktionelle Inhalte.
Ausgewählte Partner wie CNN, Yahoo
oder BuzzFeed können hier ihre Inhalte
in “Snapchat-Manier” präsentieren. Haltbarkeit: 24 Stunden. In den USA ist die
größte Nutzergruppe zwischen 16 und 24
Jahre alt. Weltweit werden eine halbe Million Snaps pro Minute verschickt. Generell
geht es hier im Kern mehr um Spaß statt
um Infos und Debatte. Wegen der sehr
jungen NutzerInnen versuchen hier momentan alle Medienunternehmen Fuß zu
fassen.
Periscope & Meerkat - will the revolution be live-streamed?
Beide Apps funktionieren sehr einfach:
Ein Knopfdruck startet den Livestream
und der Link zum Video wird - zusammen
mit einem kurzen Text - automatisch auf
Twitter (Periscope) oder Facebook (Meerkat) veröffentlicht. Beide Dienste erlauben
es zudem, dass die ZuschauerInnen die
Sendung live kommentieren und so zum
Beispiel Hinweise und Anregungen an die
ProduzentInnen schicken, die diese auch
gleich beantworten können.
10 | NEWS PER WHATSAPP
Auf einer Weltkarte wird angezeigt, wer
gerade wo live sendet. Bisher sind Periscope und Meerkat vor allem JournalistenInnen-Lieblinge. Fast jedes Medienunternehmen hat schon versucht von
irgendwo live zu streamen. Tatsächlich
sind auf beiden Apps noch relativ wenige
deutsche NutzerInnen aktiv.
Instagram - mehr los als Selfies
und Essen?
In Anlehnung an Polaroid-Kameras hatten
bei Instagram gepostete Fotos und Videos lange Zeit eine quadratische Form.
Mittlerweile dürfen die Fotos auch andere
Formate haben. Für die Videos gilt: Sie
dürfen maximal 15 Sekunden lang sein.
Zu jedem Post kann ein kleiner Erklärtext
geschrieben werden und über Hashtags
lassen sich die Bilder und Videos finden. Es geht hier vor allem um die Optik:
Tolles Essen, tolle Landschaft, tolle Selfies
machen den Großteil der Posts aus. Die
ersten Medien, die Nachrichten auf Instagram versuchten, waren NowThis und
die BBC. Seit November 2015 ist auch die
Ta g e s s c h a u auf Instagram und hat
26.000 Abonnenten (Stand: Ende Februar 2016).
Tumblr - GIFs mir
Tumblr ist eine Art Mischung aus Blog
und Twitter. Ein tumblr ist ganz einfach eingerichtet, weswegen es zu allen
mög- lichen Ereignissen sehr schnell ironische tumblr-Accounts gibt – wie etwa
kimjongillookingatthings.tumblr.com.
Tumblr ist die wohl beliebteste Heimat
animierter GIF-Grafiken. Die Tumblr-Community ist daher sehr jung: zwischen 13
und 22 Jahren. In Deutschland nutzen es
aber relativ wenige.
p
YO - Reisetipps für deine Umgebung
und Raketenwarnungen für Israel
Die App aus Israel ist einfach zu bedienen:
Einfach den Nutzernamen von FreundInnen oder einer Firma eingeben, auf den
Namen drücken und schon habt ihr ein
Yo! versendet! Wer zweimal auf den Namen tapt, versendet seinen/ihren Standort. Es gibt praktische Accounts: LonelyPlanet Yo’d Reisetipps, wenn der Standort
versendet wird. Außerdem ironische: Dictator – Yo’d, wenn ein Diktator abgesetzt
wird. Oder lebensrettende: Redalertisrael
– Yo’d, wenn Bombendrohung in Israel ist.
Die App hat ihre heiße Phase allerdings
offensichtlich bereits hinter sich. Das Neo
Magazin Royale yo’d hier zwar noch Links
zu seinen Sendungen, ansonsten sind
aber viele Accounts nicht mehr aktuell.
Vine - sechs Sekunden statt 140 Zeichen
Vine ist eine Videoplattform und gehört zu
Twitter. Genau wie bei Twitter liegt auch
bei Vine das Geheimnis in der Kürze: die
hochgeladenen Videos dürfen höchstens
sechs Sekunden lang sein. Die Videoaufnahme lässt sich beliebig oft unterbrechen und wieder fortsetzen, viele Vines erinnern daher an Stop-Trick-Filme oder GIFs.
WhatsApp - ein Messenger-Dienst für
alle Generationen
Die Jungen schicken sich Sprachnachrichten hin und her und Oma bekommt
in der Familiengruppe die neusten Babyfotos. WhatsApp wird weltweit genutzt:
Mehr als 13 Millionen Nachrichten werden
pro Minute auf WhatsApp verschickt.
Journalistisch wird WhatsApp bisher
vor allem für Newsletter oder Eilmeldungen eingesetzt. Die meisten verschicken Zusammenfassungen morgens oder
abends à la “Das wird wichtig” oder “Das
ist heute passiert”. Dazu ein paar Links
und Emojis. Für Unternehmen besteht die
Gefahr, dass WhatsApp ihre Kanäle sperrt,
weil der Messenger (momentan noch) als
private Plattform angesehen wird.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 11
DIESE MILLENNIALS WAS WOLLEN DIE
EIGENTLICH?
Welche sozialen Netzwerke sind für
euch wichtig? Und was verbindet ihr
mit der Tagesschau?
Unser Hauptziel war es natürlich nicht, im
stillen Kämmerlein über möglichen Plattformen zu brüten: Wir wollten herausfinden, was unsere Zielgruppe – die 14- bis
29-Jährigen – eigentlich will. Einen wesentlichen Teil unserer sechsmonatigen
Projektlaufzeit planten wir daher bewusst
für die Feldforschung ein.
Für einen ersten Realitätscheck besuchten wir mehrere Schulklassen. Von den
SchülerInnen wollten wir wissen: “Wie informiert Ihr Euch?”, “Welche Sozialen Netzwerke sind für Euch wichtig?”, “Und was
verbindet Ihr mit der Tagesschau?”. Unsere
Gruppendiskussionen führten uns von der
Berufsschule bis ins Gymnasium, von der
7. bis in die 13. Klasse. Entsprechend unterschiedlich waren die Ergebnisse. Generell
lässt sich aber Folgendes festhalten: Die
beliebteste und meist genutzte Plattform ist WhatsApp. Darauf folgt Instagram und Platz drei teilen sich Snapchat
und Facebook. Wobei Snapchat gerade
auf- und Facebook absteigt: Viele haben
das Gefühl, die Plattform sei tot. Wirklich
gerne scheinen sich die wenigsten dort
aufzuhalten.
12 | NEWS PER WHATSAPP
Von Periscope und Meerkat, den Livestreaming-Apps, die gerade in JournalistInnen-Kreisen sehr beliebt sind,
hatte nur einer etwas gehört. Die Tagesschau kennen alle SchülerInnen, aber
nur wenige schauen sie aktiv. Oftmals
auch nur zufällig, weil die Eltern den
Fernseher eingeschaltet haben. Generell
werden
Nachrichten zwar als wichtig,
aber auch als “langweilig, alt und spießig”
wahrgenommen.
Dem Nutzer richtig nahe kommen – mit
Design Thinking
Unser Diskussionsausflug in die Schulen
hatte uns einen ersten, interessanten Eindruck verschafft. Um zu verstehen, wie
unsere Zielgruppe aber nun genau tickt,
schlug uns das MIZ-Babelsberg vor, die
Design Thinking-Methode auszuprobieren und organisierte einen Workshop. Wir
hatten das große Glück, dass Tran Ha vom
Hasso Plattner Institute of Design der
Stanford University unseren Workshop
leitete. Tran ist darauf spezialisiert, Medien
beim Design Thinking zu beraten und hat
selbst lange ein Jugendmagazin in Chicago geleitet. Das Problem “Was wollen
die jungen NutzerInnen?” war ihr daher
bestens bekannt. So konnte sie uns dabei
helfen, einen Fokus für unser Angebot
und unsere Zielgruppe zu finden.
Was ist Design Thinking?
Design Thinking ist eine Methode, um kreative Ideen zu entwickeln und Problemlösungen zu finden. Das Besondere: Beim Design Thinking steht am Anfang nicht das
Problem, sondern der/die NutzerIn. Wir starteten unser Projekt also nicht mit dem
Problem “Die jungen Leute schauen keine Tagesschau – wie bekommen wir sie dazu?”,
sondern wir trafen uns einfach erst einmal mit ihnen, um sie kennen zu lernen. Wir
wollten herausfinden, welche Wünsche und Bedürfnisse sie haben und auf welche
Probleme sie stoßen. Ziel ist es, durch Design Thinking den/die NutzerIn so gut kennenzulernen, dass wir uns als EntwicklerInnen komplett auf seine/ihre Ebene begeben
können. Am Ende betrachten wir das Problem durch die Brille des/r Nutzers/Nutzerin
und können so eine passende Lösung finden.
Wie funktioniert es konkret?
Der Arbeitsprozess beim Design Thinking
lässt sich in sechs verschiedene Phasen einteilen:
arbeitsprozess design thinking
VERSTEHEN
BEOBACHTEN
SICHTWEISE
DEFINIEREN
IDEEN FINDEN
PROTOTYP
ENTWICKELN
TESTEN
1
2
3
4
5
6
intensiv
recherchieren
NutzerInnen
kennenlernen
Was braucht
NutzerIn?
freies
Brainstorming
Ideen
verwirklichen
Feedback
abfragen
Design Thinking ist eine qualitative Methode: Das heißt, es werden wenige Leute befragt, diese dafür aber sehr intensiv und
im besten Falle mehrmals. Im Zentrum der
Gespräche stehen das “Wie?” und das “Warum?”. Wir wollten daher erst einmal von unseren InterviewpartnerInnen wissen: “Wie
sieht ein normaler Tag bei Dir aus?”, “Wann
nimmst Du das erste Mal das Handy in die
Hand?”, “Was machst Du dann?” Und so
weiter. Generell geht es darum, zu verstehen:
Was macht der/die UserIn? Wie macht er/sie
es? Und warum macht er/sie es?
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 13
DIESE MILLENNIALS
Nach jedem unserer Gespräche haben
wir eine Matrix erstellt: mit insgesamt vier
Kategorien “Sagen”, “Tun”, “Denken” und
”Fühlen”. Die Erkenntnisse aus unseren
Gesprächen haben wir darin eingetragen. Die beiden Kategorien “Denken” und
“Fühlen” waren für uns als JournalistInnen
anfangs etwas schwierig. Denn hier geht
es darum, aus dem, was NutzerInnen gesagt hatten, Rückschlüsse zu ziehen: was
eher auf einem Bauchgefühl basiert als
auf Fakten.
14 | NEWS PER WHATSAPP
Spannend wird es, wenn in der Matrix
Widersprüche auftauchen. Ein Beispiel:
Eine Nutzerin sagt, ihr sei es wichtig, sehr
gut informiert zu sein. Sie liest mehrere
Zeitungen on- und offline, hört Radio,
schaut die Tagesschau. Gleichzeitig ist
sie auch intensiv auf WhatsApp, Instagram und Facebook unterwegs. Aber sie
kommt nie auf die Idee, ihre Informationen
mit ihren FreundInnen zu teilen: beispielsweise einen Link zu einem tollen Artikel.
Die Frage wäre hier also: Warum ist das
so? Und was müsste passieren, damit sie
Inhalte, die sie gut findet, teilt?
Wichtig für das Design Thinking ist die
ständige Rückkopplung zwischen den
EntwicklerInnen und der Zielgruppe.
Auch nach den Interviews hört der Austausch nicht auf. Wichtig ist, sich an jeder
Stelle des Prozesses immer wieder Feedback einzuholen.
Also nicht die Idee für eine App entwickeln
und dann bereits alles fertig programmieren und designen. Ratsamer ist, zügig einen Prototypen zu entwickeln und diesen
direkt mit der Zielgruppe zu testen. Man
geht mehrmals durch den gleichen Ablauf: Feedback einholen, anpassen, Feedback einholen, anpassen. Dieser Kreislauf stellt sicher, dass am Ende tatsächlich
eine Lösung entsteht, die genau zu den
Bedürfnissen der NutzerInnen passt.
Wen wollen wir erreichen?
Uns war von Anfang an klar, dass wir kein
Nachrichten-Konzept für die gesamte Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen entwickeln konnten. Dafür sind die Interessen
und Lebensumstände innerhalb der
Gruppe einfach viel zu unterschiedlich.
Während die einen noch mitten in der Pubertät stecken, ziehen die anderen gerade
in ihre erste WG ein. Daher haben wir
den Fokus enger gesteckt und uns entschieden, ein Nachrichten-Angebot für
17- bis 19-Jährige zu entwickeln. Ein span-
nendes Alter, in dem man anfängt, sich für
mehr als die unmittelbare Umgebung zu
interessieren.
Also haben wir uns auf die Suche nach
ProbandInnen gemacht. Eine bunte Mischung aus Auszubildenden, SchülerInnen
und ErstsemesterInnen ist es geworden –
drei Jungen und sechs Mädchen. An ihren
Bedürfnissen orientiert, entwickelten wir
nun mit der Design Thinking-Methode unser Angebot.
“
ICH KANN NICHT OHNE HANDY RAUS GEHEN. GESTERN BIN
ICH RAUS GEGANGEN UND HABE MEIN HANDY NICHT GEFUNDEN UND BIN DANN ZUR KLAUSUR ZU SPÄT GEKOMMEN.
(ISIS, 18 JAHRE)
“
Viele Unternehmen übergehen allerdings
diesen Punkt, weil er zeitintensiv ist und
damit auch Geld kostet. Das führt oft dazu,
dass das Endprodukt an den NutzerInnen
vorbei entwickelt wird und dann gar nicht
ankommt. Auch bei uns war es so, dass
wir viele Annahmen und Entscheidungen,
die ganz am Anfang des Projekts standen,
tatsächlich noch einmal über den Haufen
werfen mussten. Obwohl wir am Anfang
sehr gründlich und ausführlich unsere
NutzerInnen analysiert hatten, haben wir
durch das Feedback beim Testen festgestellt: so ganz passt es noch nicht. Also
haben wir mittels der Feedback-Schleife
in der Mitte der Testphase unsere gesamte Struktur noch einmal geändert. Das
hat uns zwar eine Woche Arbeit gekostet,
aber im Endeffekt dafür gesorgt, dass wir
ein Nachrichten-Konzept entwickelt haben, das auch wirklich zu unseren NutzerInnen passt.
It’s a mobile world
Was uns nicht überraschte: Der wichtigste Bildschirm für die 17-19-Jährigen ist
das Handy. Der Laptop, wenn überhaupt
noch vorhanden, wird nur für Hausarbeiten oder ähnliches aufgeklappt. Gleich
morgens geht der erste Griff zum Handy:
im Bett WhatsApp checken und vielleicht
ein bisschen durch Instagram scrollen.
Abends vor dem Einschlafen die gleiche
Routine.
Mit voller Aufmerksamkeit sind allerdings
die wenigsten an ihrem Handy. Während
die Serie gestreamt wird, swypen sie
sich durch Snapchat oder verschicken
Sprachnachrichten auf WhatsApp. Wer
in diesem konstanten digitalen Grundrauschen auffallen will, muss sich schon einiges ausdenken.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 15
“
FACEBOOK NUTZE ICH FAST GAR NICHT MEHR: NUR NOCH,
UM MIT LEUTEN KONTAKT ZU HABEN, DIE MEINE NUMMER
NICHT HABEN. ODER HALT MAL, UM ÖFFNUNGSZEITEN
VON RESTAURANTS NACHZUGUCKEN.
“
(ALEXANDRA, 18 JAHRE)
16 | NEWS PER WHATSAPP
Und darauf haben wir als MacherInnen
keinen Einfluss.
Hier liegt der große Vorteil von Messenger-Diensten wie WhatsApp. Sie landen
per Push-Benachrichtigung direkt auf
dem Bildschirm der UserInnen. Für eine
halbe Sekunde haben wir somit die volle
Aufmerksamkeit dieser sehr leicht abgelenkten Zielgruppe.
“
NERVT MICH, WENN MEIN GANZER FEED NUR MIT EINEM
THEMA VOLL IST UND ICH DANN SO LANGE SCROLLEN MUSS
ODER ETWAS VON JEMAND ANDEREM VERPASSE.
(MARLON, 18 JAHRE)
“
Den Berg zum Propheten bringen
Fast keiner der Jugendlichen besucht
noch Websites oder ruft gezielt Facebook- oder Instagram-Profile auf. Selbst
Hashtags werden von den wenigsten
benutzt, um etwas zu finden. Damit die
Jugendlichen ein Video gut finden oder
ein Foto teilen, müssen sie in ihrem Feed
quasi darüber stolpern. Nach Inhalten
sucht einfach niemand. Klar ist daher: Die
Jugendlichen kommen nicht mehr zum
Angebot, das Angebot muss zu ihnen
kommen. Und dafür muss das Angebot
natürlich auf den richtigen Plattformen
vorhanden sein. Für unsere Zielgruppe
sind das WhatsApp, Instagram, Snapchat
und Facebook. Wobei auch hier Facebook eher als “tot” wahrgenommen wird.
Wenige posten noch aktiv, wirklich gerne
scheint niemand auf der Plattform zu sein.
Was uns auch aufgefallen ist: Die Zielgruppe ist sehr bequem. Zu lange scrollen
empfinden sie als anstrengend. Wenn
der Inhalt also nicht weit vorne im Feed
auftaucht, wird er von ihnen vermutlich
schon nicht gesehen.
Das lässt sich zum Teil beeinflussen, indem man zu den richtigen Zeiten postet
– nachmittags und abends ist die Zielgruppe besonders aktiv –, andererseits
steuert auf den meisten Plattformen ein
Algorithmus, wann wer etwas sieht.
Seriöse Unterhaltung
Auf Instagram folgen sie nur lustigen
Accounts, auf Youtube schauen sie
Schmink-Tutorials, auf Facebook spielen
sie Games. Der erste Eindruck unserer
Zielgruppe war ernüchternd: “Die haben
ja überhaupt keine Lust auf irgendwas
außer 9Gag.”
Das war natürlich etwas voreilig. Unterhaltung ist der Zielgruppe definitiv
wichtig, aber es gibt auch Interesse an
komplexen und schwierigen Themen. Nur
müssen diese heutzutage anders verpackt werden. Klassische Nachrichten
sind für die jungen Leute eher langweilig.
Das hängt zum einen an der Art, wie sie
präsentiert werden. Angesichts älterer
ModeratorInnen, die auf sie extrem steif
wirken und dazu noch verklausuliert sprechen.
DIESE MILLENNIALS
“
“
DIE LEUTE DA, DIE DA MODERIEREN, WÜRDE ICH
NICHT SO SCHLUFFI WIE DIE PIRATEN IM SENAT, DIE DANN
PRIVAT NICHT KENNENLERNEN WOLLEN.
OHNE ANZUG KOMMEN. DAS GEHT GAR NICHT.
(ISIS, 18 JAHRE)
(MARLON, 17 JAHRE)
“
“
Zum anderen hängt es auch am Inhalt.
Die Zielgruppe möchte an Themen nah
dran sein und emotional gepackt werden
– etwas, das Nachrichten selten leisten.
Deswegen schauen viele von ihnen lieber
das RTL-Mittagsmagazin.
Wichtig ist für die Jugendlichen, dass
der Inhalt authentisch wirkt. Die Tagesschau mit Baseball-Cap moderieren – das
wäre für sie nicht authentisch, sondern
aufgesetzt. Die Jugendlichen möchten
ernst genommen werden. Auf jung getrimmter Content vermittelt ihnen meistens das Gefühl: “Wir haben das mal einfacher gemacht, sonst verstehst du es ja
nicht.” Gleichzeitig gibt es aber auch ein
großes Bedürfnis nach Inhalt, der erklärt
und einordnet – auf Augenhöhe. Wissenschaftssendungen wie Kopfball sind
sehr beliebt. Aber auch die Sendung mit
der Maus wurde mehrfach als positives
Beispiel genannt. Sendungen wie diese
scheinen also genau die richtige Mischung zwischen Information und Unterhaltung gefunden zu haben.
“
DA IST EIN GEWISSER UNTERHALTUNGSGRAD MIT DRIN.
NICHT NUR POLITISCHE, SONDERN AUCH
MENSCHLICHE ANGELEGENHEITEN.
(SARAH, 17 JAHRE)
“
Sie fühlen sich dort mehr angesprochen
und unterhalten, aber nicht unbedingt gut
informiert. Fast alle sind überzeugt, dass
die Tagesschau im Vergleich zu den Angeboten der Privatsender den besseren
Nachrichtenüberblick liefert. Einschalten
möchte sie aber trotzdem niemand.
Diese Sicht auf Nachrichten ist tatsächlich kontrovers. Einerseits wünschen sich
die Jugendlichen mehr Alltagssprache,
Leichtigkeit und Unterhaltung. Andererseits betonen sie immer wieder, dass
Nachrichten seriös, nicht betont jugendlich sein sollten.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 17
DIESE MILLENNIALS
Bring’s mir nahe
Warum Nachrichten auch sonst noch
langweilig sind? “Die haben ja nichts mit
mir zu tun!” Für unsere Zielgruppe fehlt
oft ganz einfach die Relevanz.
“
WENN MAN HIER IN DEUTSCHLAND LEBT, IST MAN IN GEWISSER WEISE GESCHÜTZT. HIER WIRD NICHT EINFACH EIN
BOMBENANSCHLAG STATTFINDEN. MAN LEBT IN SEINER
KLEINEN WELT UND DAS IST NICHT WEITER WICHTIG.
“
(ISIS, 18 JAHRE)
“Wenn es nicht direkt mein Leben betrifft,
warum sollte es mich dann interessieren?”
Diese Frage beantworten Nachrichten
nicht. Dafür andere Formate, wie Yolo auf
RTL. Wenn es in der Sendung darum geht,
wie ein T-Shirt produziert wird, bleiben
die Jugendlichen dran. Die Reporterin
ist jung, sie nimmt sie mit auf die Entdeckungsreise und am Ende ist klar:
“Das sind ziemlich beschissene Produktionsbedingungen!” Wenn die Tagesschau
berichtet, dass in Bangladesch eine Produktionsstätte eingestürzt ist und es viele
Tote gibt, ist das wiederum eine Information, die bei vielen Jugendlichen nicht
hängen bleibt. Was ihnen bei Nachrichten
auch fehlt: der konstruktive Servicecharakter: Ich erfahre, dass mein T-Shirt unter
schlimmen Bedingungen hergestellt wird,
aber ich erfahre nicht, was ich tun kann,
damit sich das ändert.
18 | NEWS PER WHATSAPP
Wohin geht die Reise?
Am Ende unserer Interviews hatten wir
sehr viele Informationen darüber, wie
Nachrichten bitte nicht sein sollen. Unsere
große Herausforderung war jetzt also,
diese Infos ins Positive zu übersetzen und
daraus ein Nachrichten-Angebot zu entwickeln, das auffällt und bei der jungen
Zielgruppe ankommt. Dabei war die erste
wichtige Entscheidung: Welche Plattform
soll es sein?
Instagram wäre für uns interessant gewesen, da aber zur gleichen Zeit bei der
Tagesschau in Hamburg über Webvideos
für Instagram nachgedacht wurde, war
diese Plattform für uns keine Option mehr.
Im Rennen blieben also noch Snapchat
und WhatsApp.
Auf den ersten Blick war Snapchat verlockender. Die App wirkt im Vergleich
zu WhatsApp noch frisch und aufregend. Alle Medien versuchen sich dort zu
etablieren, es wird viel ausprobiert und
es gibt noch niemanden, der bisher ein
Patentrezept für journalistischen Content auf Snapchat gefunden hat. Das hat
natürlich auch unseren Ehrgeiz geweckt:
Wenn wir die ersten wären, die hier ein
super Nachrichten-Konzept entwickeln –
das wäre der Knaller.
Entschieden haben wir uns dann doch für WhatsApp.
Aus drei Gründen:
1. WhatsApp ist die wichtigste App für unsere Zielgruppe und es ist die
einzige App, die unsere Zielgruppe nie löschen würde. Auch nicht aus
Speicherplatzgründen. 2. Wir haben durch WhatsApp einen direkten Kanal zu unseren NutzerInnen und ihrer Aufmerksamkeit: Die Nachrichten kommen direkt
als Push-Mitteilungen aufs Handy. Und die Kommunikation mit den
NutzerInnen ist wie im Chat: eins zu eins und sehr persönlich.
3. Vielleicht der wichtigste Grund: Wir können für WhatsApp-Content
sehr leicht Content (vor)produzieren und so auch Tagesschau-Material verwenden.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 19
HELLO
WHATSAPP!
Jetzt gab es also kein Zurück mehr: Die
Entscheidung für WhatsApp war gefallen.
Unser Projekt hatten wir damit einen wichtigen Schritt voran gebracht. Gleichzeitig
kristallisierten sich neue entscheidende
Fragen heraus, auf die wir Antworten
finden mussten. Zentrale Punkte: Mit
welchem Konzept erreichen wir unsere
20 | NEWS PER WHATSAPP
17- bis 19-jährigen UserInnen mit Tagesschau-Inhalten auf WhatsApp? Wie testen
wir unser Angebot, um zu überprüfen, ob
wir damit den Nerv der UserInnen treffen?
Wie sieht unser redaktioneller und technischer Workflow während der Testphase
aus?
Monothematischer Ansatz
Wir mussten anhand unserer Erkenntnisse
aus der Feldforschung ein schlüssiges
Konzept für unseren WhatsApp-Kanal
entwickeln. Dabei wollten wir es anders
machen als bisherige Angebote auf
WhatsApp. Denn journalistisch ist durchaus mehr möglich als reine Text-Newsletter mit Links zum eigentlichen Angebot zu verschicken. Vor allem wollten wir
auch das visuelle Kapital der Tagesschau
nutzen und multimedial erzählen – also
auch mit Fotos und Videos.
Wichtig war uns, auch weitere zentrale
Erkenntnisse aus unser Feldforschung mit
einzubinden: Möglichst visuell sollte unser
News-Angebot sein, möglichst emotional
und immer zugeschnitten auf die wichtigste UserInnen-Frage überhaupt: “Was
hat das Ganze eigentlich mit mir zu tun?”
Vier Nachrichten pro Tag
Von vornherein war uns klar: Es würde
nicht leicht werden, komplexe Themen in
Messenger-kompatible Kurznachrichten
zu verpacken und dennoch den entscheiWährend dieser Konzeptphase setzten wir denden Mehrwert zu liefern.
uns auch mit Redaktionen in Verbindung, Gleichzeitig wussten wir, auch bei der Andie WhatsApp bereits ausprobiert hat- zahl der Nachrichten sollten wir es nicht
ten – etwa die Radiosender N-JOY und übertreiben, um unsere UserInnen nicht zu
DASDING. Ihre Erfahrungen namen wir in nerven. Daher wollten wir uns möglichst
unsere Überlegungen auf. Den Wunsch unaufdringlich in ihren WhatsApp-Feed
der UserInnen nach Erklärung und Einord- hineinmogeln. Unser Ziel war es, dass
nung komplexer Sachverhalte nahmen wir die UserInnen unser News-Angebot hin
sehr ernst. Gleichzeitig wollten wir unser- und wieder zwischen all ihren privaten
em News-Angebot ein individuelles Al- Nachrichten wahrnehmen würden. Erst
leinstellungsmerkmal verpassen.
der Kummer der besten Freundin, dann
politisch-gesellschaftlich relevante NachAus diesem Grund entschieden wir uns richten aus Deutschland und der Welt.
zunächst für einen monothematischen Unsere Gedankenspiele ergaben folAnsatz: Jeden Tag wollten wir unsere User- genden Kompromiss: Vier Mal täglich
Innen mit Informationen zu einem ein- wollten wir unseren UserInnen News via
zigen Thema versorgen. “Wer etwas WhatsApp schicken. Die erste NachGroßes will, der muss sich zu beschränken richt sollte gegen 7 Uhr – zum Beispiel
wissen”. Ein zielgruppenrelevantes The- mit einem Foto – unser Thema des Tagma intensiv beleuchten, um so in der täg- es anteasen und einen Call-To-Action
lichen Nachrichtenflut aus vielen wich- beinhalten: Auf diese Weise wollten wir
tigen und ebenso unwichtigen Meldungen unsere UserInnen ermuntern, sich eigene
aufzufallen. In der Tat eine große Aufgabe, Gedanken zu dem Thema zu machen.
der wir uns stellen wollten!
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 21
HELLO WHATSAPP!
Die zweite Nachricht sollte gegen 12 Uhr
– tendenziell in Textform – weitere Hintergrundinformationen liefern, die dritte gegen 16 Uhr – tendenziell in Videoform –
ein spannendes Detail herausgreifen und
erklären und die vierte gegen 20 Uhr auf
den UserInnen-Input Bezug nehmen.
Darüber hinaus sah unser Konzept eine
YouTube-Playlist vor, in der wir täglich fünf
Videos zusammenstellen wollten.
Längere Dokus, spannende Hintergrundfilme, auch satirische Beiträge – immer
speziell für unsere Zielgruppe ausgewählt.
So könnten wir dem Wunsch vieler UserInnen gerecht werden, sich bei Bedarf
eben doch noch ausführlicher mit einem
Thema zu befassen. Auf unsere YouTube-Playlist wollten wir immer kurz in unserer vierten und damit letzten Message
am Tag verweisen.
Unterhaltsam! Aber nicht unseriös!
Unsere Nachrichten sollten einander sinnvoll ergänzen und auch als Gesamtpaket
für unsere UserInnen interessant sein,
die sich erst abends alle Infos auf einmal
anschauen würden. Gleichzeitig sollte
unser News-Angebot möglichst vielen
weite-ren Bedürfnissen der UserInnen gerecht werden. Kurz und knapp informieren, ohne oberflächlich zu sein; unterhalten, ohne unseriös zu wirken. Eine
lockere Ansprache finden, ohne sich bei
ihnen anzubiedern. Ein schwieriger Spagat – klar! Zumal hier auch die individuelle
Wahrnehmung oftmals ganz verschieden
sein würde.
22 | NEWS PER WHATSAPP
Jede Nachricht sollte in ihrer Form dem
Alltagsrhythmus unserer UserInnen angepasst sein. Audiovisuellen Content wollten wir entweder morgens oder abends
verschicken. Wir wussten: Zu dieser Zeit
würden sich unsere UserInnen größtenteils im WLAN befinden und müssten sich
keine Sorgen wegen der Datenmenge
machen.
Mit unserem Konzept wollten wir uns nun
an die Zielgruppe herantrauen und unsere insgesamt dreiwöchige Testphase
beginnen. Nach einer Woche wollten wir
unsere UserInnen nach Feedback fragen,
unseren Ansatz auf den Prüfstand stellen
und mit einem optimierten Konzept unser
News-Angebot anschließend noch zwei
weitere Wochen testen.
Außerdem gingen wir davon aus, dass sie
tagsüber sowieso deutlich weniger Zeit
haben würden, sich Videos anzuschauen
oder Audios anzuhören. Für die Mittagszeit stellten wir uns daher schnell konsumierbaren Content vor, der sich auch
für den Pausenhof in der Schule eignen
würde.
Würde unser Konzept funktionieren?
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, entschieden wir uns für eine kurze interne
Testphase, in der wir Inhalte für unser
News-Angebot erstellten und die Abläufe
durchspielten. Auf diese Weise konnten
wir auch den redaktionellen und technischen Workflow erstmals proben.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 23
TagesschauBETA:
UNSER NEWS-ANGEBOT
FÜR 17- BIS 19-JÄHRIGE
Ein Konzept hatten wir also schon einmal, was noch
fehlte war zunächst die konkrete Ausgestaltung
unseres WhatsApp-Kanals.
In Absprache mit unserem Projektpartner ARD-aktuell fanden wir daher zunächst
einen Namen für unseren Kanal: TagesschauBETA.
Es ist ein Angebot der Tagesschau, befindet sich aber
ganz eindeutig noch im Experimentier-Stadium.
24 | NEWS PER WHATSAPP
Von Augsburg bis Weimar: Auf der
Suche nach Test-UserInnen
Vor allem aber fehlten uns noch diejenigen, für die wir uns den Kopf zerbrachen:
unsere Test-UserInnen. Die jungen Menschen, die wir von unserem Angebot
überzeugen wollten. 17- bis 19-Jährige,
die unser News-Angebot auf WhatsApp
drei Wochen lang genauestens verfolgen
sollten, um uns dann Feedback zu geben:
Was gefällt ihnen? Was sollten wir verbessern?
In Absprache mit ARD-aktuell entschieden wir uns für folgende Herangehensweise: Etwa 50 Test-UserInnen sollten es
in der ersten Testphase sein, etwa 200 in
der zweiten. Dabei wollten wir sehr genau
darauf achten, tatsächlich weitestgehend
UserInnen aus der von uns anvisierten
Zur Namensgebung gehörte auch ein Zielgruppe der 17- bis 19-Jährigen für unLogo, das wir als Profilbild für WhatsApp seren Test zu gewinnen. Wir suchten also
und den YouTube-Kanal verwendeten. einen bunten Mix aus AbiturientInnen,
Dieses wurde uns von ARD-aktuell bereit- Auszubildenden und ErstsemesterInnen.
gestellt, ebenso wie ein Wasserzeichen, Männlich und weiblich, aus Groß- und
mit dem wir Fotos und Videos kennzeich- Kleinstädten sowie vom Dorf. Für diese
Gruppe hatten wir unser News-Angebot
nen konnten.
schließlich konzipiert. Rückmeldungen
anderer UserInnen würden uns bei unserem Test nicht helfen.
Eine Anlehnung an den Namen Tagesschau war uns allerdings sehr wichtig.
Schließlich hatten wir in unserer Feldforschung immer wieder gemerkt, dass
die Marke Tagesschau bei den 17- bis
19-Jährigen sehr bekannt ist, auch wenn
sie bei vielen als verstaubt und langweilig
gilt. Oftmals wurde die Tagesschau gar als
Synonym für “seriöse Nachrichten” verwendet. Es gab für uns also keinen Grund,
uns vom etablierten Namen Tagesschau
abzugrenzen und unserem News-Angebot einen vermeintlich cooleren Namen
zu geben. Auch unseren YouTube-Kanal
nannten wir TagesschauBETA. Den bekannten Namen nutzen und versuchen,
die Marke Tagesschau auch einer jüngeren Zielgruppe schmackhaft zu machen!
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 25
TagesschauBETA
Daher sollte unser Test auch nicht an
die große Glocke gehängt und über die
Kanäle der Tagesschau beworben werden.
Damit hätten wir zwar auf einen Schlag
viele Menschen erreicht – aber eben
nicht ausschließlich unsere Zielgruppe.
Gleichzeitig nahmen wir in Kauf, dass wir
mit dieser Herangehensweise nicht testen
konnten, wie viele UserInnen von sich aus
Interesse an unserem News-Angebot zeigen würden.
Stattdessen griffen wir zunächst auf unsere InterviewpartnerInnen aus der Feldforschung zurück. Wir baten sie darum,
sich für den Test unseres News-Angebots
anzumelden und auch FreundInnen und
Bekannte dafür zu begeistern. Darüber
hinaus nutzen wir sämtliche persönlichen Kontakte von uns selbst sowie der
26 | NEWS PER WHATSAPP
KollegInnen des MIZ-Babelsberg und
ARD-aktuell. Zusätzlich wurde unser Test
auch über den Newsletter und die Social
Media-Kanäle des MIZ-Babelsberg beworben: Hilfreich war hier vor allem die
Möglichkeit, mit Facebook-Werbung gezielt die von uns gesuchte Zielgruppe anzusprechen.
Dennoch war ein weiterer Kraftakt nötig,
um genügend Test-UserInnen zusammen
zu bekommen. Per E-Mail schrieben wir
circa 90 Schulen und Ausbildungsstätten
an. Zufällig gewählte Adressen aus Berlin
und Hamburg, Bottrop und Schwanewede
oder Augsburg und Weimar. Wir baten sie,
ihre SchülerInnen und Auszubildenden
auf unseren News-Test auf WhatsApp hinzuweisen.
WhatsBroadcast:
Unser externer Dienstleister
Alle Test-UserInnen mussten sich eigenständig für unser News-Angebot anmelden. Damit stimmen sie zu, dass wir
ihnen während unserer Testphase vom 11.
Januar bis 2. Februar 2016 Nachrichten via
WhatsApp schicken durften. Gleichzeitig
stimmten sie auf diese Weise den Bedingungen unseres Tests zu. Insbesondere in
Hinblick auf den Aspekt des Datenschutzes beim Speichern der Handy-Nummern
war dies von Relevanz.
An dieser Stelle kommt der Dienst WhatsBroadcast ins Spiel, über den wir unseren News-Versand organisierten: WhatsBroadcast stellte uns ein Template zur
Verfügung, mit dem wir ein Registrierungsformular auf unserer Infoseite einbinden konnten.
Durch die Angabe ihrer Handy-Nummer in
dem genannten Formular konnten sich die
Test-UserInnen somit für unser News-Angebot registrieren. Die UserInnen mussten
die Handynummer von TagesschauBETA,
die ihnen auf unserer Infoseite angezeigt
wurde, in ihrer Kontaktliste abspeichern.
Anschließend mussten sie uns eine erste
Nachricht mit dem Betreff “Start” zuschicken. Erst dann wurden sie im Verwaltungssystem von WhatsBroadcast
grün markiert und damit endgültig in unseren News-Verteiler aufgenommen. Freie
Fahrt für TagesschauBETA!
Generell erleichterte uns die Zusammenarbeit mit WhatsBroadcast in vielerlei
Hinsicht die Arbeit: Schließlich übernahm
der Dienst für uns die gesamte Verwaltung unserer UserInnen. Das heißt, wir
brauchten weder ein Smartphone noch
eine SIM-Karte. Stattdessen konnten wir
dank WhatsBroadcast bequem über eine
Web-Oberfläche agieren.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 27
Nur Audios ließ WhatsBroadcast nicht
zu. Diese mussten wir getarnt als Videos
verschicken. Dass sich der Dienst bereits
während unseres Tests weiterentwickelte, war hierbei eine freudige Erkenntnis:
Am letzten Tag unserer Testphase waren
plötzlich auch Audios möglich - leider zu
spät für unseren Test.
Über WhatsBroadcast konnten wir nicht
zuletzt auch die gesamte User-Kommunikation abwickeln, ohne den Überblick
zu verlieren. WhatsBroadcast zeigte uns
immer an, welche Nachrichten wir bereits beantwortet hatten und welche
UserInnen noch auf eine persönliche
Antwort von TagesschauBETA warteten. Wir hatten bezüglich WhatsBroadcast allerdings auch Bedenken:
28 | NEWS PER WHATSAPP
Mehrere andere Newsletter-Angebote
waren in der Vergangenheit von WhatsApp
ge- sperrt worden, nachdem sie mit einem
externen Dienstleister zusammengearbeitet hatten. Auf Grund der hohen Frequenz an Nachrichten wurde ihr Angebot
als Spam gekennzeichnet.
Hintergrund: WhatsApp selbst sieht den
Messenger derzeit ausschließlich als privaten Kanal und sträubt sich gegen eine
anderweitige Nutzung, vor allem kommerzieller Art.
Die Alternative zur Zusammenarbeit mit
diesem externen Dienstleister wäre gewesen, die Handy-Nummern aller UserInnen einzeln in so genannte Broadcast-Listen einzutragen. Wir hätten zudem
den gesamten News-Versand und die
gesamte User-Kommunikation via Smartphone bzw. über WhatsApp Web gestalten müssen. Diese Variante wäre wohl im
Endeffekt deutlich chaotischer verlaufen.
Einschränkungen beim Bildmaterial
Mit welchem Material können wir während
unserer Testphase überhaupt arbeiten?
Sprich: Welche Fotos und welche Videos
dürfen wir verwenden, um daraus unseren
WhatsApp-kompatiblen News-Content
zu basteln? Auch diese wichtige Frage
mussten wir vor dem Start noch beantworten.
Die Überlegungen, die dahinter standen,
waren durchaus komplex: Auch als
BETA-Version in einer Testphase mussten
wir selbstverständlich rechtliche Aspekte
beachten. Wichtig war dabei die Tatsache, dass der Versand von Dateien via
WhatsApp als Download gewertet wird.
Daher gelten hierbei andere Regeln als
bei der Veröffentlichung auf einer Internetseite. Wir konnten daher nur Material
verwenden, dessen Verwendung uns in
diesem Sinne ausdrücklich erlaubt war.
Konkret war es so, dass wir sämtliches selbstgedrehtes Videomaterial von
ARD-aktuell verwenden konnten. Dieses
konnten wir uns von der Seite tagesschau.
de selbstständig in HD-Qualität downloaden und daraus auch Stills exportieren.
Die Qualität der Bilder war für unsere Verwendung meistens ausreichend.
TagesschauBETA
Darüber hinaus hatten wir über einen
Account von ARD-aktuell Zugriff auf Videomaterial der European Broadcasting
Union. Dieses konnten wir – bis auf Ausnahmen – in gleicher Weise verwenden
wie das selbstgedrehte Material von
ARD-aktuell. Leider konnten wir nicht auf
Fotomaterial der Bildagenturen wie dpa
und afp zurückgreifen.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 29
TagesschauBETA
Ergänzend zu den oben beschriebenen
Möglichkeiten, suchten wir daher auf verschiedenen Plattformen nach passenden
Fotos mit Creative Commons-Lizenzen,
unter anderem auf flickr.com und jugendfotos.de.
Von unseren AnsprechpartnerInnen bei
ARD-aktuell bekamen wir regelmäßig
Planungslisten. Diese halfen uns, einen
Überblick über mögliche Themen zu bekommen und gleichzeitig auch zu wissen,
welches Material von Seiten der Tagesschau zur möglichen Verwendung zu erwarten war.
Vom Privileg, eine leidenschaftliche
WUT zu haben
Wir bekamen Unterstützung von der
“WUT” in Hamburg - die Webvideo-Unit
der Tagesschau. Sie ist zuständig für Innovationen in der Tagesschau-Redaktion.
Zeitgleich zu unserem Projekt bespielte
die WUT täglich den Instagram-Account
der Tagesschau
mit kreativem Content, also mit Fotos und Kurzvideos, so
wie wir sie als einen Bestandteil unseres
News-Angebots auf WhatsApp ebenso
vorgesehen hatten.
Daher vereinbarten wir mit dem WUTTeam einen täglichen Ideenaustausch. Im
Regelfall telefonierten wir morgens kurz
miteinander, oft allerdings auch mehrmals
am Tag. Dies führte dazu, dass wir mehrfach WUT-Content nutzen konnten. In
einigen Fällen konnten wir auch gezielt
gemeinsamen Content produzieren. Die
entsprechenden Videos konnten somit
parallel für Instagram und WhatsApp verwendet werden.
30 | NEWS PER WHATSAPP
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 31
DREI INTENSIVE
WOCHEN: UNSERE
TESTPHASE
HITLER, FUSSBALL & EMOJIS
Von Adolf Hitler bis hin zu minderjährigen Fußballtalenten. In unserer ersten
Testwoche hatten wir eine große Themenvielfalt zu bieten. Am ersten Tag thematisierten wir die Neuerscheinung von
“Mein Kampf”. Am zweiten Tag griffen wir
die Debatte über sexuelle Gewalt gegen
Frauen auf. Am dritten Tag wiederum befassten wir uns mit dem Terroranschlag
in Istanbul. Darauf folgten am vierten Tag
Beiträge zum EU-Verfahren gegen Polen
zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit. Am
fünften und letzten Tag unserer ersten
Testphase behandelten wir auf Grund der
Transfersperre der FIFA gegen Real Madrid die Situation Minderjähriger im Profifußball.
32 | NEWS PER WHATSAPP
Dabei war die Festlegung auf ein Thema
oftmals gar nicht leicht: Sich für ein Thema
zu entscheiden, bedeutete natürlich für
den jeweiligen Tag automatisch, auf alle
anderen möglichen Themen zu verzichten. Wir entschieden uns immer für eines,
das wir speziell für unsere Zielgruppe relevant fanden. Ebenso wichtig war bei der
Auswahl des Themas, dass wir eine Idee
hatten, wie wir einen interessanten Zugang für unsere 17- bis 19-jährigen UserInnen schaffen konnten; bezogen sowohl
auf die inhaltliche Herangehensweise als
auch auf die Form. Dabei war es entscheidend für uns, eine Möglichkeit zu finden,
die über die bloße Wiedergabe der Meldung hinausging.
Drei Beispiele
1. Wie beliebt war Hitler wirklich? Um uns
dieser Frage anzunähern, stellten wir die
Anzahl der gedruckten Exemplare von
“Mein Kampf” anhand von Bücher-Emojis dar. Die Nachricht, die unsere UserInnen von uns bekamen, war recht lang,
aber anschaulich. Unser Ansatz war es,
22.000 gedruckte Exemplare bis 1930 in
ein korrektes Verhältnis zu 12,5 Millionen
gedruckten Exemplaren bis 1945 zu setzen.
2. Wo wütet der Terror am meisten? In
Zusammenhang mit dem Terroranschlag
von Istanbul schickten wir unseren UserInnen eine Grafik, in der wir die Anzahl
an Toten in Folge von Terrorismus in ein
weltweites Verhältnis setzten. Wir zeigten:
78 Prozent der Todesopfer in Folge von
Terrorismus waren 2014 in fünf Ländern zu
beklagen (Irak, Nigeria, Afghanistan, Pakistan und Syrien); nur 22 Prozent im Rest
der Welt.
3. Wie genau funktioniert’s? Das EU-Verfahren gegen Polen zur Prüfung der
Rechtsstaatlichkeit stellten wir in einem
#kurzerklärt-Video dar. Entwickelt haben
wir es zusammen mit der WUT. In 15 Sekunden versuchten wir darin deutlich zu
machen, in welchen Schritten das Verfahren abläuft.
Sprachnachrichten aus Bus und Bett
Die Fragen, mit denen wir unsere UserInnen morgens zu unserem Thema des
Tages konfrontierten, lauteten zum
Beispiel: “Soll man ‘Mein Kampf’ lesen
– vielleicht sogar im Schulunterricht?”
oder “Sollten so junge FußballerInnen
schon früh zu internationalen Top-Clubs
wechseln?” Als wir das Thema “Sexuelle
Gewalt gegen Frauen” anteasten, stellten
wir ein einziges Mal keine konkrete Frage.
Dabei machten wir die Erfahrung, dass die
Beteiligung der UserInnen nicht zwangsläufig von der direkten Fragestellung abhing, da auch so recht viele Kommentare
bei uns eingingen.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 33
TESTPHASE
Die Kommentare der UserInnen verwerteten wir in dieser ersten Testwoche
regelmäßig: Entweder stellten wir mehrere Kommentare in Textform zusammen
oder wir verarbeiteten sie in einer von
uns mit dem Smartphone aufgenommenen Audio-Zusammenfassung: Auch
Sprachnachrichten der UserInnen integrierten wir darin. Diese wurden von den
Jugendlichen – wie unschwer zu hören
war – sowohl im Bus als auch in verschlafenem Zustand aus dem Bett heraus
verfasst.
Damit beantwortete sich auch die
Frage, ob die UserInnen den Trend mit
Sprachnachrichten zu kommunizieren,
auch gegenüber einem News-Format anwenden würden. Wir freuten uns, unsere
Testgruppe auf diese Weise ein wenig
näher kennen lernen zu können!
Das führte oftmals dazu, dass aus einer
geplanten Nachricht doch zwei wurden
(Foto oder Video als eine Nachricht plus
Text in einer zusätzlichen Nachricht).
Somit verdoppelte sich die tatsächliche
Anzahl unserer täglichen WhatsAppNachrichten manches Mal gar von vier
Wie wir in der Parallelwelt WhatsApp auf acht. Außerdem wurde uns in unserem redaktionellen Alltag klar, dass auch
versanken
Generell lernten wir in dieser ersten für ein vermeintlich einfaches Medium wie
Woche die Vielfalt der verfügbaren Emo- WhatsApp die Erstellung von News-Conjis zur Strukturierung unserer Nachrichten tent aufwändig sein kann. Denn einer
zu schätzen. Wir lernten auch, dass wir knappen Darstellung kann durchaus eine
angesichts der begrenzten Zeichenzahl intensive Recherche oder langwierige
häufig eine zweite Nachricht benötigten, Materialsuche voraus gehen! Im Regelfall
um unseren Begleittext zu einem Foto waren wir in der ersten Woche von circa
oder Video sinnvoll formulieren zu 10.00 Uhr - 20.00 Uhr in unserer “Redakkönnen. Uns standen für den Begleit- tion” im MIZ-Babelsberg. Dabei organitext nur 140 Zeichen zur Verfügung. sierten wir uns so, dass wir uns bei der
Erstellung des diversen Contents aufteilten, generell aber über alle Ergebnisse
gemeinsam diskutierten.
34 | NEWS PER WHATSAPP
Wichtig war dabei für uns eine interne
WhatsApp-Gruppe, in der wir uns die
Nachrichten einander testweise immer
vorab zuschickten. Ebenfalls hilfreich war
die Verwendung von WhatsApp Web. So
konnten wir weitestgehend am Laptop
arbeiten und mussten nicht jede Nachricht ins Smartphone tippen.
In unsere redaktionellen Abläufe waren
zudem mehrere KollegInnen von ARDaktuell in Hamburg eingebunden. Mit
ihnen hatten wir uns in einer weiteren
WhatsApp-Gruppe vernetzt. Dort diskutierten wir die einzelnen Bestandteile
des News-Angebots von TagesschauBETA und holten uns das “Go!” für unsere
WhatsApp-Nachrichten.
Die Abnahme sollte immer innerhalb von
maximal 45 Minuten erfolgen, was sehr gut
funktionierte. Die erste WhatsApp-Nachricht des Tages bereiteten wir dabei immer schon am Vorabend vor und ließen
sie von ARD-aktuell abnehmen.
Zwischenfazit: Mehr Themen - und bitte
kein Fußball!
Unsere
erste
Test-Woche
könnte
resümierend als intensiv und lehrreich
beschrieben werden - abgesehen davon,
dass wir auch eine Menge Spaß beim Erstellen des News-Contents und Kommunizieren mit unseren UserInnen hatten.
Von ihnen bekamen wir schon während
der ersten Woche einiges an Feedback.
Auf Nachfrage schickten uns viele UserInnen zudem am Wochenende nach der
ersten Testwoche einige recht ausführliche Bewertungen.
Einige Punkte stachen heraus, weil sie immer wieder genannt wurden. So wünschten sich viele UserInnen eine größere
Themenvielfalt anstatt der engen Fokussierung auf ein Schwerpunktthema.
Generell kam auch die Themenauswahl
unterschiedlich gut an. Beispielsweise
war manchen die Diskussion über “Mein
Kampf” gleich als erstes Thema ein zu
schwerer Stoff. Die jugendlichen FußballerInnen hätten andere wiederum lieber beim Kicker gesehen als bei TagesschauBETA.
Darüber hinaus wünschte sich die
Mehrzahl unserer UserInnen einen Überblick über Geschehnisse in Deutschland
einerseits sowie internationale Themen
andererseits. Auch ein zusätzlicher Bedarf
an verständlichen Grafiken und Fakten
zur Einordnung wurde mehrfach geäußert,
ebenso wie die Frage nach weiterführenden Links. Unsere YouTube-Playlist hingegen stieß auf wenig Gegenliebe. Das
konnten wir auch an der überschaubaren
Klickzahl der Videos erkennen.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 35
Acht Rubriken für die zweite Testphase
#kurzerklärt, #zahldestages,
1. #kurzerklärt: Diese Rubrik hatten wir be#undsonstnoch?
reits in der ersten Testphase von den
Anhand dieses Feedbacks diskutierten
KollegInnen der WUT übernommen. In
wir unsere ersten Erkenntnisse mit dem
der zweiten Testphase nutzten wir sie
Projektpartner ARD-aktuell und übernun häufiger. Zentraler Ansatz war es,
dachten unser ursprüngliches Konzept.
ein komplexes Thema vereinfacht darzustellen und verständlich zu machen. Wir
Als erste Konsequenz verwarfen wir unbespielten die Rubrik vor allem mit Videos
seren monothematischen Ansatz, um
und erklärten beispielsweise die Funktion
den Wunsch unserer UserInnen nach
eines Flüchtlings-Hotspots oder welche
mehr Themen gerecht werden zu könGründe es für das Verbot von E-Zigaretnen. Gleichzeitig wollten wir weiterhin ein
ten und E-Shishas für Jugendliche gibt.
News-Angebot zur Verfügung stellen, das
Wir legten uns allerdings nicht auf die Viihnen Orientierung bieten konnte. Dadeoform fest, sondern nutzten #kurzerklärt
her entschieden wir uns, in der zweiten
auch, um unseren UserInnen kurze Texte
Testphase mit Rubriken zu arbeiten. So
mit erklärenden Fakten zu schicken –
konnten wir sowohl strukturieren als auch
beispielsweise zum Schengen-Raum.
beliebig viele Themen aufgreifen. Wir erhofften uns zudem, so im Vergleich zur
monothematischen
Herangehensweise
effizienter arbeiten zu können. Vier spannende Ansätze für ein Thema zu finden,
war insgesamt recht zeitaufwändig. Jeweils nur einen spannenden Dreh für verschiedene Themen zu finden, stellten wir
uns leichter vor.
36 | NEWS PER WHATSAPP
TESTPHASE
2. Die Rubrik #einerseits #anderseits diente dazu, Pro- und Contra-Argumente in
einer Debatte gegenüber zu stellen. Ein 5. Eine Rubrik, die uns erlaubte, besonders
Beispiel: “Sollen Flüchtlinge anhand einanschaulich zu arbeiten, war die #zahler Quote in der EU fair verteilt werden?”
destages, meistens in Verbindung mit
Damit wollten wir dem Bedarf der Usereinem Foto. Es ging beispielsweise um
Innen nach Einordnung strittiger Theeine Lastwagenladung Plastikmüll, die
men gerecht werden. Wir bespielten
jede Minute im Meer landet. Um zwei
die Rubrik zum einen in Textform und
Millionen Überstunden, die von der Bunarbeiteten zur Strukturierung häufig mit
despolizei bei der Kontrolle der Grenze
Emojis (Daumen noch, Daumen runter).
zu Österreich seit September geleistet
Zum anderen stellten wir Argumente
wurden. Oder um 64 Zentimeter Neuverschiedener Personen auch im Bild
schnee, die innerhalb von 24 Stunden in
mit Zitaten gegenüber.
New York während des Blizzard Jonas
3. Relativ ähnlich nutzten wir die Rubrik
gefallen waren.
#streitpunkt, in der wir auch kontroverse
Argumente darstellten. Beispielsweise
ging es in einem Video um die Frage, ob
man mit der AfD diskutieren solle oder
nicht.
4. #blickwinkel: Diese Rubrik diente dazu,
die Meinung einer einzelnen Person
darzustellen. Wir bespielten sie sowohl
mit Audio- als auch mit Video-Content.
Ganz verschiedene #blickwinkel waren
darunter: ein Kommentar von Isabella
zu rechter Gewalt in Deutschland, ein
Kommentar einer ARD-Reporterin zu
Antisemitismus in Deutschland oder
ein Beitrag eines Users zum Verbot von
E-Zigaretten für Jugendliche.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 37
TESTPHASE
6. Weiterhin kreierten wir eine Rubrik, in
der wir Vor-Ort-Eindrücke darstellen
konnten: den #einblick. Hierzu gehörte
beispielsweise eine Audio-Reportage
aus der Südtürkei, in der die Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Human Rights
Watch von “Zerstörungen wie in Syrien”
berichtete. Eine andere Form unseres
#einblicks waren auch 360°-Bilder,
die ARD-Korrespondenten in Peking
aufgenommen hatten.
7. Eine wichtige Ergänzung zu unserer ersten Testphase war die Rubrik #undsonstnoch. Hiermit lieferten wir unseren UserInnen einmal täglich gegen 19.00 Uhr
die gewünschte Übersicht über wichtige Themen des Tages, über die wir zuvor noch nicht berichtet hatten – etwa
drei aus dem Inland sowie drei aus dem
Ausland. Wir versuchten die News so zu
formulieren, dass die wichtigsten Infos in
möglichst wenige Sätze passten, wobei
wir bei der Länge der einzelnen Meldungen gleichzeitig auch ein wenig herumexperimentierten.
Zudem verwiesen wir jeweils auf einen längeren Artikel auf tagesschau.de. Damit machten wir ein Angebot zur ausführlicheren Information. Die Links kürzten wir mit dem
Dienst bit.ly, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten und die Klickzahlen analysieren
zu können. Die einzelnen Meldungen strukturierten wir mit Emojis (Deutschland- bzw.
EU-Flagge oder Weltkugel).
38 | NEWS PER WHATSAPP
Unser Highlight: #FragEinenKorri
8. Von vornherein hatten wir uns für die
zweite Testphase noch ein besonderes
Element überlegt: #FragEinenKorri. In
dieser Rubrik wollten wir ehemalige
Top-Themen aufgreifen, die in jüngerer
Vergangenheit ein wenig untergegangen waren. Unsere Idee sah zudem eine
exklusive Interaktionsmöglichkeit für unsere UserInnen vor: Sie sollten ARD-KorrespondentInnen aus den entsprechenden Berichtsgebieten ihre Fragen stellen
können. Konkret sollte es um die Situation in Fukushima nach der Reaktorkatastrophe und den Ukraine-Konflikt gehen.
Die Redaktion von ARD-aktuell stellte
uns auf kurzem Dienstweg Kontakte zu
den AuslandskorrespondentInnen her.
So konnten wir Birgit Virnich aus dem
ARD-Studio Moskau sowie Uwe Schwering aus dem ARD-Studio Tokio für unser
Projekt gewinnen.
Per E-Mail sowie per Telefon brieften wir
sie für ihren Einsatz. Sie sollten mit ihrem
Handy Audios aufzeichnen, die maximal
eine Minute lang sein durften. Außerdem
baten wir sie in Hinblick auf unsere junge Zielgruppe darum, möglichst locker zu
formulieren und eine direkte Ansprache
zu wählen.
Ab Mitte der Woche riefen wir dann jeweils unsere UserInnen dazu auf, uns ihre
Fragen an die KorrespondentInnen zu
schicken. Gleichzeitig bekamen die UserInnen schon mal ein paar Fakten und
Bilder von uns, um so in das Thema hinein
zu finden. In beiden Fällen hatten wir jeweils am Donnerstag so viele Fragen beisammen, so dass wir vier auswählen und
sie den Korris schicken konnten.
Tête-à-Tête mit den UserInnen: Eine
äußerst angenehme 1:1-Kommunikation
Generell machten wir bei der Kommunikation mit unseren UserInnen ausschließlich positive Erfahrungen. Sie waren
uns wohlgesonnen und kommunizierten
mit uns durchgehend in einer überaus
freundlichen Weise. Ein wichtiger Grund
hierfür war sicher, dass unsere UserInnern
wussten, dass es sich um einen Test handelte. Ebenso wussten sie, dass wir ihnen
noch kein fertiges Angebot präsentierten
und dass wir ihre Rolle als Feedback-GeberInnen wertschätzten.
Auf welchem Weg die Kommunikation
stattfand, lag andererseits auch an der
Plattform selbst: Auf WhatsApp handelt
es sich immer um eine 1:1-Kommunikation
mit den UserInnen. Das heißt, dass nur
wir und die jeweiligen UserInnen die entsprechenden Nachrichten sehen konnten.
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Es gab also keine langen Diskussionen
unter mehreren UserInnen mit möglicherweise beleidigendem Inhalt. Außerdem entfiel für uns die Notwendigkeit,
eventuelle Hass-Kommentare zu löschen.
Gleichzeitig gab es für die UserInnen
keine Motivation, solche überhaupt erst
zu verfassen.
Andererseits war die 1:1-Kommunikation
mit den einzelnen UserInnen auch zeitaufwändig, für uns angesichts der eher kleinen Testgruppe aber noch gut zu stemmen. Wir versuchten, auf alle UserInnen
einzugehen und ihre Fragen so gut wie
möglich zu beantworten.
Herzchen, Äffchen & konstruktives
Feedback
Gleichzeitig bekamen wir neben dem inhaltlichen Feedback auf einzelne Nachrichten auch zwischendurch kleine konstruktive Hinweise von unseren UserInnen:
beispielsweise wenn der News-Versand
im Einzelfall nicht richtig funktionierte
oder wenn sich mal ein kleiner Fehler in
eine unserer Nachrichten eingeschlichen
hatte.
40 | NEWS PER WHATSAPP
Das UserInnen-Feedback war immer sympathisch im Tonfall, oft mit einem Augenzwinkern, gerne auch mit Smilies – in Form
von Herzchen oder Äffchen. Um unseren
UserInnen zeitnah auf ihre Nachrichten
antworten zu können, organisierten wir
uns so, dass immer eine/r aus unserem
Team ein Auge auf die eingehenden Nachrichten der UserInnen hatte, was im Besonderen für den frühen Morgen relevant
war. Dabei stellten wir fest, dass uns unsere UserInnen meist direkt im Anschluss
an eine unserer Nachrichten schrieben.
Der Kontakt mit unseren UserInnen wurde
schnell auch persönlich: Bei einigen ging
es sogar so weit, dass sie uns fragten, wie
es uns denn gehe oder uns Fotos von ihrer Ausbildungsstätte schickten. Wir versuchten darauf einzugehen. Dazu gehörte,
dass wir oft kenntlich machten, mit wem
von uns dreien es die UserInnen gerade
zu tun hatten.
FINALES FEEDBACK:
WAS DENKEN UNSERE
USERINNEN?
Auch wenn wir bereits während des Tests immer wieder Feedback von unseren UserInnen erhalten hatten, blieben noch immer viele offene Fragen, um eine echte Bilanz aus
unserem WhatsApp-Newstest zu ziehen. Haben wir die zentralen Bedürfnisse der 17- bis
19-Jährigen im Umgang mit Nachrichten ausgewählt? Ist WhatsApp überhaupt eine geeignete Plattform, um diese Zielgruppe mit News zu erreichen? Haben wir die richtigen
Themen ausgesucht und angemessen aufbereitet?
Über WhatsBroadcast ist es nicht möglich
zu sehen, wie oft oder wann eine Nachricht von den UserInnen abgerufen wurde.
Auch hier entwickelt sich der Dienstleister
weiter. Mittlerweile können Links direkt bei
WhatsBroadcast gekürzt werden, zukünftig ist also einsehbar, wie viele UserInnen
auf die Links klicken. Für unsere Testphase gilt jedoch: Informationen über das
Nutzerverhalten konnten wir nur von den
UserInnen selbst bekommen. Aus diesem
Grund haben wir mit Google Forms einen
ausführlichen Fragebogen erstellt. Als Anreiz konnten wir über das MIZ-Babelsberg
insgesamt zehn mal 30 Euro unter allen
TeilnehmerInnen verlosen.
Daumen hoch für News auf WhatsApp
Die grundsätzliche Beurteilung der UserInnen für unser Nachrichtenangebot auf
WhatsApp fällt positiv aus: 88 Prozent
der befragten TestnutzerInnen würden ein
News-Angebot wie unseres auch weiterhin abonnieren.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 41
FINALES FEEDBACK
12 Prozent würden es “vielleicht” weiter
nutzen, keiner hat hier “nein” angekreuzt.
Aktuelle News über den MessengerDienst WhatsApp zu erhalten, wird von
den UserInnen als informativer Mehrwert gesehen. Für einige scheint es jedoch auch nicht das richtige Angebot zu
sein. Während des gesamten Tests haben
sich insgesamt 21 Personen wieder abgemeldet. Über die Gründe für ihre Abmeldungen können wir nur spekulieren, da
eine Kontaktaufnahme mit den ehemaligen UserInnen nicht mehr möglich ist.
Aus dem Feedback der anderen schließen
wir, dass die NutzerInnen sich besser informiert fühlen, auf Diskussionen
beispielsweise in der Schule besser vorbereitet und außerdem gut unterhalten
sind. News auf einer Plattform zu erhalten,
auf der sie sonst vor allem privat kommunizieren, wird von ihnen nicht als Störfaktor angesehen.
88%
12%
Ja
NEWS-ANGEBOT ABONNIEREN
vielleicht
42 | NEWS PER WHATSAPP
42 von 112 User
17,5 jahre
NAHMEN AN DER UMFRAGE TEIL | DURCHSCHNITTSALTER
47%
53%
Die NutzerInnen finden es unkompliziert
und angenehm, über WhatsApp schnell
und kompakt aktuelle News zu erhalten.
Die meisten UserInnen bevorzugen dabei
alle wichtigen Informationen auf einen
Blick, anstatt nur einen Teaser oder Link
zu einem Artikel zu bekommen.
Das Feedback der UserInnen war oft
unterschiedlich. Für die einen waren es
zu viele Nachrichten, andere fanden die
kurzen Infos zu oberflächlich und haben
sich insgesamt mehr und längere Textnachrichten gewünscht. Während viele
den multimedialen Content loben, frisst
genau dieser für andere zu viel Datenvolumen. Hier zeigt sich, wie stark sich
die Bedürfnisse der NutzerInnen innerhalb der Zielgruppe unterscheiden. Mit
detaillierten Nachfragen zu den einzelnen Rubriken und Aspekten des Angebots haben wir versucht zu ermitteln, an
welchen Punkten das Angebot für die gesamte Zielgruppe noch weiter verbessert
werden könnte.
MIR HAT DER TÄGLICHE NACHRICHTENFLUSS GEFALLEN, MAN HATTE IMMER
ETWAS ZU LESEN.
MIR HAT ES GEFALLEN, DIE NACHRICHTEN
IMMER DIREKT AUF MEIN HANDY ZU BEKOMMEN, WHATSAPP LIEST JA EH JEDER
JEDEN TAG.
GUT AUFBEREITETE NACHRICHTEN,
SCHNELL UND UNKOMPLIZIERT.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 43
DIE ARTIKEL UND VIDEOS WAREN ZU
KURZ, UM WIRKLICH ÜBER DAS THEMA
INFORMIERT ZU WERDEN.
STARKER AUDIO-ANTEIL, DEN MAN
MOBIL UND IM BÜRO NICHT IMMER
ANHÖREN KANN.
ZU VIELE INFOS, ZU VIELE THEMEN, MAN
WURDE EIN WENIG ÜBERSCHWEMMT.
44 | NEWS PER WHATSAPP
So wichtig wie die Nachrichten von
FreundInnen – News werden direkt gelesen
Mit einem WhatsApp-Kanal werden die
UserInnen unmittelbar und direkt erreicht,
das bestätigen auch die Ergebnisse unserer Testphase. Eine Push-Mitteilung von
WhatsApp hat für die Zielgruppe einen
sehr hohen Stellenwert – auch wenn die
Nachrichten nicht von einem Freund oder
einer Freundin kommen, sondern von einem News-Service. Um für News eine ähnlich hohe Aufmerksamkeit zu bekommen
wie für eine persönliche Nachricht, ist es
auch maßgeblich, wie viele Nachrichten
man versendet und zu welchen Uhrzeiten.
Fast die Hälfte unserer UserInnen fand die
Anzahl der Nachrichten am Tag “genau
richtig”. Fast genauso viele haben die
Menge der News jedoch als “zu hoch”
empfunden. Dennoch geben die meisten
NutzerInnen an, sich täglich “fast alle” oder
sogar “alle” News angesehen zu haben.
Besonders gern haben die UserInnen die
Nachrichten nachmittags und abends,
aber auch morgens erhalten. Die News
am Mittag sind im Vergleich zu den anderen Tageszeiten deutlich unbeliebter.
Fast die Hälfte der befragten UserInnen
hat die Nachrichten direkt gelesen, wenn
sie diese erhalten haben. Der Rest gab an,
die News erst nachmittags oder abends
– bzw. sobald sie WLAN hatten – gelesen
zu haben.
FINALES FEEDBACK
Nach der ersten Testwoche haben sich
viele UserInnen gewünscht, von uns zu
mehr als einem Thema Informationen zu
erhalten. In der verbliebenen Testzeit haben wir deshalb pro Tag etwa drei bis vier
Nachrichten zu unterschiedlichen News
an unsere Testgruppe versendet. Teilweise
bestanden die News jedoch aus mehr als
einer WhatsApp-Nachricht.
Die Ergebnisse des Fragebogens zeigen,
dass sich die meisten – 54 Prozent unserer NutzerInnen – einen Mix aus Schwerpunktthema und News-Überblick für ein
Nachrichten-Angebot auf WhatsApp
wünschen.
44%
genau richtig
ANZAHL DER NEWS
39%
zu hoch
34%
32%
alle
ANGESEHENE NEWS
fast alle
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 45
FINALES FEEDBACK
24%
3-4/tag ideal
ANZAHL DER NEWS
10%
mehr als bisher
Viele TesterInnen finden drei bis vier News
am Tag ideal, nur wenige wünschen sich
mehr Nachrichten als bisher. Bis zu acht
Nachrichten am Tag waren für die meisten
zu viel!
Welche Themen für die Jugend?
Der Dreh macht’s!
Aus unseren Interviews mit den 17- bis
19-Jährigen hatten wir bereits vor Beginn
der Testphase gelernt, was die Jugendlichen nicht wollen: gezwungen jugendlich angesprochen und mit typischen
“Zielgruppenthemen” bombardiert zu
werden. Unsere Zielgruppe hat großes
Interesse daran, mit “harten News” versorgt zu werden, also auch mit Nachrichten über Politik, Krisen und Konflikte. Das
bestätigt auch unser Test.
75%
fanden die Themenauswahl
gut oder sehr gut
46 | NEWS PER WHATSAPP
Für eher lockerere Themen, wie beispielsweise internationale Transfers jugendlicher FußballerInnen steckten wir hingegen viel Kritik ein. Dennoch schadet es
keineswegs, ein Auge auf Themen zu
haben, die für die Jugendlichen von besonderem Interesse sein könnten. Ein
News-Beitrag zum Verbot von E-Zigaretten für unter 18-Jährige war bei vielen von
unseren Test-UserInnen sehr beliebt. Eine
aktuelle politische Entscheidung also, die
aber einen direkten Bezug zur Lebenswelt
der Jugendlichen beinhaltet.
Wir halten es für wichtig, bei allen Themen zu überlegen, warum sie wichtig für
diese Zielgruppe sind und welche Aspekte dabei eine besonders große Rolle
spielen. Man muss sich immer bewusst
sein, dass man keinen Teaser für einen Artikel auf einer News-Homepage schreibt
und über WhatsApp versendet. Vielmehr
müssen die wichtigsten Informationen
und der nötige Kontext direkt in einer Nachricht enthalten sein. Die versendete WhatsApp-Nachricht ist für die
Zielgruppe und diesen Kanal das fertige
News-Produkt. Nicht nur Fotos, kurze Videos und Emojis können dabei helfen
eine Nachricht auf den Punkt zu bringen,
auch klare Rubriken unterstützen dabei,
Kontext zu schaffen.
Auf den Punkt gebracht: #kurzerklärt
Mit der Rubrik #kurzerklärt sollten die
UserInnen kurz und kompakt die wichtigsten Fakten über ein News-Thema erhalten – und das kam bei den meisten
richtig gut an. Viele TesterInnen gaben an,
dass dieses Format ihnen einen “Überblick” verschafft habe, sie fanden die Rubrik “informativ” und “gut verständlich”
– auch mal “eben schnell für unterwegs”.
Mit den kurzen Videos und Nachrichten
seien auch schwierige Themen zumindest
grundsätzlich erklärt worden. Während
einige angaben, die Rubrik habe ihnen
den Anreiz gegeben, sich weiter über ein
Thema zu informieren, hätte es für andere
manchmal ruhig ausführlicher und weniger “oberflächlich” sein können.
56%
22%
sehr gut
RUBRIK #KURZERKLÄRT
gut
“
MAN HAT IN KURZER ZEIT ALLE WICHTIGEN FAKTEN
ZU EINEM THEMA ERFAHREN, OHNE EIN
ZEHNMINÜTIGES VIDEO ZU SEHEN.
“
Erklären, Einordnen, Strukturieren –
das kam gut an
Besonders erfolgreich waren in unserem
Test vor allem die Rubriken und Darstellungsformen, die für einen klaren Durchblick bei unseren UserInnen sorgten. Bei
den besonders beliebten Darstellungsformen findet sich das entscheidende
Bedürfnis der Zielgruppe nach Einordnung wieder. Das bedeutet auch, dass
je klarer wir Rubriken für uns definierten
und von anderen abgrenzten, desto besser kamen diese auch bei den TesterInnen
an. Der konsequente und wiederholte Gebrauch von Emojis trug für die TesterInnen maßgeblich zu einer besseren Struktur des Nachrichtenflusses bei.
Handliches Faktenwissen –
die #zahldestages
Ähnlich kurz und knackig sollte die Rubik
#zahldestages sein. Der Test zeigt: In dieser Rubrik fühlten sich die User “über einen Fakt kurz und bündig informiert”. Die
Zahlen hätten sie “überrascht, schockiert,
verwundert”. Gerade wenn man sonst viele
harte Fakten zu einem Thema verschickt,
kann man mit dieser Rubrik ein News-Thema für diese Zielgruppe gut visuell und
emotional aufbereiten. Die Zahl fällt auf,
wird nicht so schnell vergessen und informiert die UserInnen gleichzeitig über
ein aktuelles, relevantes Thema.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 47
49%
22%
sehr gut
RUBRIK #ZAHLDESTAGES
gute sache
Die Argumente der Debatte:
#einerseits #andererseits
Die Darstellung der unterschiedlichen
Standpunkte war den UserInnen ganz
besonders wichtig. Viele schrieben, dass
sie so einen Überblick über die aktuelle
Debatte gewinnen und sich selbst ihre eigene Meinung bilden konnten.
Die Pro- und Kontra-Listen greifen ein
Schema auf, das die Zielgruppe aus ihrem
Alltag – zum Beispiel aus der Schule –
kennt. Wenn Nachrichtenthemen so aufbereitet werden, sind sie für die Jugendlichen verständlicher, ermöglichen die
eigene Meinungsbildung und auch die
Teilnahme an Diskussionen. Die wichtigsten Argumente der Debatte knackig
zusammenzufassen, ist nicht immer ganz
einfach. Viele UserInnen geben an, dass
diese Nachrichten teilweise zu lang gewesen seien.
“
GUT KONTROVERS ERLÄUTERT. MAN KANN SICH SEINE
EIGENE MEINUNG BILDEN, INDEM MAN DIE ARGUMENTE
FÜR SICH ABWÄGT.
“
48 | NEWS PER WHATSAPP
65%
20%
sehr gut
#EINERSEITS #ANDERERSEITS
gute sache
#undsonstnoch –
gefragter Tagesüberblick
Bei drei bis vier Nachrichten am Tag muss
man sehr gut auswählen, welche Themen
man für die Zielgruppe aussucht. Da so
nicht alle wichtigen Themen abgedeckt
werden können, gab es am Abend einen
News-Überblick.
59%
12%
sehr gut
#UNDSONSTNOCH
gut
Ein echter Hit – selbst zu Wort kommen
und nachfragen
Nicht nur die zahlreichen Rückmeldungen während unserer Testphase, sondern
auch die Ergebnisse der Umfrage zeigen,
Content, der durch die UserInnen selbst
beeinflusst wurde, kam besonders gut an.
Den NutzerInnen hat es gefallen, dass ihre
Meinung und ihr Nachfragen etwas wert
waren und sie ernst genommen wurden.
FINALES FEEDBACK
Ein anderer #blickwinkel
“Wie denken andere in meinem Alter
darüber? Ist meine Meinung überhaupt
relevant?”. Für viele UserInnen war es etwas Besonderes, dass sie in einem journalistischen Format nach ihrer eigenen
Meinung gefragt wurden. Zu vielen Themen haben wir viele Rückmeldungen von
den UserInnen in Textform, aber auch als
Sprachnachricht erhalten. Vor allem in der
ersten Testwoche, in der es täglich nur um
ein Thema ging, fragten wir oft nach der
Meinung der TesterInnen und bekamen
viel Feedback. Auch in der zweiten Testphase gab es bei gezieltem Nachfragen
einiges an UserInnen-Feedback – vor allem dann, wenn die Themen einen direkten Zielgruppenbezug hatten.
“
DASS IHR UNS ALS JUGENDLICHE DIREKT MITEINBEZOGEN
HABT, WAR KLASSE! ES WAR INTERESSANT, MEINUNGEN
ANDERER ZU HÖREN. EINFACH TOLL :)
“
Viele schrieben, dass ihnen diese Rubrik
sehr wichtig gewesen sei, um auf einen
Blick zu erfahren, was sonst noch passiert
ist. Bei der Länge des Überblicks haben wir
oft mit längeren und kürzeren Fassungen
variiert. Auch bei der Auswertung zeigt
sich die notwendige Gratwanderung: Die
meisten UserInnen klicken nicht auf die
Links, sie wollen die Nachricht direkt verstehen, andererseits soll der Gesamttext
nicht zu lang sein.
Dieser Eindruck wird auch durch die
Angaben im Fragebogen bestätigt. Die
meisten finden es richtig gut, zu erfahren,
wie andere über eine Sache denken.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 49
FINALES FEEDBACK
42%
27%
sehr gut
ZUSAMMENFASSUNG
USERMEINUNG
gut
Viele UserInnen haben diese Möglichkeit der Interaktion auch erwähnt, als wir
danach fragten, was ihnen an unserem
WhatsApp-Newsangebot besonders gut
gefallen hat. Die Zielgruppe möchte mitreden. Nicht jeden Tag – aber zumindest
ab und an sollten sie bei einem Angebot
auf WhatsApp ganz bewusst miteinbezogen werden.
Nicht nur die Meinung anderer UserInnen,
sondern auch der klassische journalistische Kommentar als kurzes Video oder
Audio kam gut an. 46 Prozent unserer
UserInnen hat es “sehr gut”, 29 Prozent
“gut” gefallen, wenn wir oder ein ARD-Reporter ein Thema kommentiert haben.
“
ES WAR SPANNEND, ETWAS VON LEUTEN ZU HÖREN, DIE
DIREKT VOR ORT SIND. DAS SIND INFORMATIONEN AUS
ERSTER HAND, DAS IST WIRKLICH HILFREICH UND WERTVOLL.
“
50 | NEWS PER WHATSAPP
#FragEinenKorri: Der direkte Draht zu
Experten vor Ort
Mit der Rubrik #FragEinenKorri wollten
wir ein besonderes Alleinstellungsmerkmal des Projektpartners ARD-aktuell ganz
gezielt nutzen: das KorrespondentInnennetzwerk. Den KorrespondentInnen selbst
Fragen zu einem Thema stellen zu können,
kam bei vielen UserInnen sehr positiv an.
Für sie stellte es einen besonderen Mehrwert dar, Informationen aus erster Hand
zu bekommen. Diese Rubrik stellte einen
“direkten und persönlichen Zugang zu
ExpertInnen vor Ort” und etwas, was man
“nirgendwo anders so leicht bekommt”
dar. Den UserInnen ganz bewusst etwas zu
bieten, das sie im täglichen Nachrichtenfluss sonst nirgendwo anders bekommen,
könnte für einen Whatsapp-Newskanal einen echten USP darstellen.
56%
26,8%
sehr gut
#FRAGEINENKORRI
39%
34%
..
vollig okay
gut
Emojis: Konsequent zur Einordnung
nutzen
Während des Tests haben wir mit verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von
Emojis experimentiert. Eindeutig ist weniger hier mehr. Vor unserem Test war uns
nicht bewusst, dass man sich über jedes
einzelne verwendete Emoji sehr lange
Gedanken machen könnte. Unsere Auswertung zeigt, dass wir es genau richtig
gehandhabt haben.
Die Verwendung von Emojis gehört ganz
klar zu WhatsApp. Welche Symbole wann
verwendet werden, sollte nachvollziehbar
sein und den UserInnen eine Einordnung
ermöglichen. Besonders gut funktionierte der wiederholte Gebrauch derselben Emojis in einer bestimmten Rubrik
oder auch die entsprechende Flagge des
Staates, um den sich die News dreht. Auch
Infografiken mit Emojis sind durchaus vorstellbar, die Nachrichten sollten jedoch insgesamt nicht zu lang werden.
super
VERWENDETE EMOJIS
Die Ansprache: Plattformgerecht, aber
nicht zu locker
Die deutliche Mehrheit der befragten
NutzerInnen findet, dass wir den richtigen Ton getroffen haben. Wir haben die
UserInnen geduzt, aber keine gezwungen jugendliche Sprache verwendet.
Der Zielgruppe ist bewusst, dass es um
ernsthafte Nachrichten geht und sie will
nicht kindlich und mundgerecht informiert werden. Wir haben uns bemüht,
in den kurzen Texten keine unnötigen
Fremdwörter zu verwenden, oft waren unsere Infotexte aber nah an den Formulierungen der Tagesschau.
82% 90%
sehr ..gut
verstandlich
ANSPRACHE
genau richtig
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 51
Kein wirklicher Hit – der #streitpunkt
Auch in der Rubrik #streitpunkt ging es
um unterschiedliche Standpunkte einer
aktuellen Debatte, oft mit Zitaten unterschiedlicher PolitikerInnen. Im direkten
Vergleich zu #einerseits #andererseits
schneidet diese Rubrik deutlich schlechter ab. Für die meisten war die Rubrik eher
“ganz okay” als ein wirklicher Hit.
Die grundsätzliche Möglichkeit, unterschiedliche Positionen zu erfahren und
selbst abzuwägen, bewerteten die NutzerInnen positiv. Die Ähnlichkeit zur Rubrik
#einerseits #andererseits fiel negativ
auf. Die Trennschärfe zwischen den beiden Rubriken war im Nachhinein nicht
deutlich genug. Um das Profil des Angebots zu schärfen, würden wir diese Rubrik
streichen.
52 | NEWS PER WHATSAPP
Verzichtbarer #einblick
Zwar fällt die Bewertung der UserInnen
für die Rubrik #einblick rein statistisch
relativ positiv aus – 41 Prozent von ihnen
bewertete diese mit “gut” - hier lohnt sich
jedoch ein genauer Blick auf die Kommentare. Wir haben die Rubrik verwendet,
um den UserInnen neue, besondere Einblicke zu ermöglichen.
“
DIESE RUBRIK IST NICHT SCHLECHT, HAT MIR IM
VERGLEICH ABER AM WENIGSTEN GEFALLEN.
“
Unklare Rubriken, unbeliebte Links –
das waren die Flops
Bei allem Lob unserer TesterInnen hat es
auch Rubriken gegeben, die nicht so gut
angekommen sind. Wenn wir eine Kategorie nicht klar genug definiert hatten, haben das auch die UserInnen bemerkt. Einen Daumen nach unten gab es auch für
das Verschicken von Links – zumindest
wenn man sich die Klickzahlen ansieht.
Die verschickten News müssen für diese
Zielgruppe also auch ohne weiterführenden Link zu einem Artikel funktionieren.
Vielen UserInnen hat bei den verlinkten
Panorama-Fotografien der Nachrichtenwert gefehlt oder es gab technische Probleme bei der mobilen Ansicht. Den #einblick zur Lage in der Südtürkei fanden
viele spannend, streng genommen hätten
wir diesen aber auch in einer anderen Rubrik laufen lassen können. Diese Rubrik
haben wir nicht stark genug definiert und
von anderen abgegrenzt – und das haben
auch die UserInnen gemerkt. Bei einer
Überarbeitung des Angebots würden wir
diese Rubrik streichen.
FINALES FEEDBACK
Viele schrieben, dass sie keine Zeit gehabt hätten, diese zu nutzen oder diese
nur im WLAN nutzen würden. Nur wenige
wollen auf Links verzichten oder würden
diese überhaupt nicht anklicken. Das zeigt
einmal mehr, dass der Kern der News bereits direkt innerhalb der Plattform
deutlich gemacht werden muss.
Links – Ja, aber nur zur Sicherheit
Nach dem ersten Teil unserer Testphase
haben sich viele UserInnen Links zu weiterführenden Artikeln gewünscht. Anhand
unserer Statistik war für uns jedoch klar
ersichtlich, dass nur sehr wenige UserInnen diese wirklich nutzten. Wie auch
schon aus unseren Interviews vor dem
Test hervor gegangen war, will die Zielgruppe die News komplett innerhalb der
Plattform lesen, sehen und verstehen
können. Links, die aus WhatsApp herausführen, werden selten oder gar nicht genutzt.
Ähnlich fällt auch die Bewertung der YouTube-Listen aus, die wir in der ersten Testwoche verschickt haben. Die UserInnen
fanden die Idee gut und ansprechend,
genutzt haben das Angebot jedoch nur
sehr wenige. “Gute Idee, aber ich habe zu
wenig Zeit dafür”, gab 46 Prozent von ihnen in der Auswertung an. Die Listen gut
vorzubereiten ist relativ aufwendig. Wenn
eine gute Dokumentation oder ähnliches
vorhanden ist, würden wir vorschlagen,
gezielt auf sie hinzuweisen. Ganze Listen
zu erstellen, wäre erst dann sinnvoll, wenn
es ohnehin einen gut aufgebauten YouTube-Kanal gibt und auch die UserInnen,
die nicht nur auf WhatsApp unterwegs
sind, davon profitieren.
Die Auswertung macht deutlich, die Links
stören nicht. Vielmehr scheint es eine
Art Sicherheit auszustrahlen, wenn man
sich theoretisch direkt weiter informieren
könnte. 44 Prozent gaben an, dass es gut
ist, wenn die Links vorhanden sind – angeklickt haben sie diese jedoch nicht.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 53
FINALES FEEDBACK
Datenvolumen und Speicherplatz – den
Mittelweg finden
Für 49 Prozent der befragten UserInnen
war die versendete Datenmenge “völlig
okay”. Immer wieder haben die TesterInnen aber an unterschiedlichen Stellen
im Fragebogen angegeben, dass sie lieber weniger Bilder oder Videos empfangen hätten. Viele haben bei WhatsApp
die Funktion aktiviert, dass all diese Daten direkt in der Mediathek gespeichert
werden; entsprechend schnell kann ein
Handyspeicher voll sein. Will man mit einem News-Angebot auf WhatsApp auffallen, aber nicht stören, muss man beim
Versand multimedialer Inhalte einen Mittelweg finden.
Die UserInnen fanden es gut, den Content
direkt über den Messenger zu erhalten,
die Redaktion sollte sich jedoch Gedanken darüber machen, wie viele multimediale Inhalte am Tag wirklich notwendig
sind. Auch wenn ein Bild mit Text oder ein
kurzes Video oft visuell reizvoller wirken,
muss man sich immer wieder fragen, ob
die Information nicht auch mit Text und
Emojis genauso gut dargestellt werden
könnte. Es würde reichen, täglich ein
Bild und zusätzlich ein Video zu verschicken und die restlichen Nachrichten mit
WhatsApp-Text abzudecken.
54 | NEWS PER WHATSAPP
REDAKTIONELLER
WORKFLOW:
BLOSS NEBENBEI? NEIN,
WENN, DANN RICHTIG!
Eine wichtige Herausforderung unseres News-Tests auf WhatsApp war es auch
herauszufinden, wie sich das Bespielen einer zusätzlichen Social-Media-Plattform
in den Workflow einer Redaktion einfügen kann.
Wir haben unseren Test jedoch nicht innerhalb einer bestehenden Redaktion,
sondern extern vom MIZ-Babelsberg in
Potsdam aus durchgeführt. Durch die
ständigen Absprachen mit dem Innovationsteam von ARD-aktuell konnten wir
trotzdem bestimmte Abläufe und mögliche Synergieeffekte austesten.
Durch den Test außerhalb der Redaktion standen wir aber vor einigen Herausforderungen, die es innerhalb einer
bestehenden Redaktion so nicht unbedingt geben würde. Das betrifft unter anderem Fragen der Materialbeschaffung,
aber auch das weitestgehend losgelöste
Arbeiten von Redaktion und vom Social
Media-Team. Andererseits haben wir so
ganz unmittelbar getestet, wie ein solcher Kanal mit einem kleinen Team – dafür
aber sehr intensiv – bespielt werden kann.
Sind alle technischen und rechtlichen Fragen geklärt, ist ein WhatsApp-News-Kanal
ähnlich bespielbar wie andere Social Media-Kanäle. Man kann mit WhatsApp mehr
machen als nur Newsletter zu versenden.
Es kann ganz gezielt journalistischer Content für Messenger-Dienste produziert
werden, die Plattform bietet Spielraum für
Storytelling. Durch einen Mix aus multimedialen Inhalten und klassischen Textnachrichten mit passenden, strukturgebenden
Emojis kann ein vielfältiges News-Angebot entstehen. Dabei ist es wichtig, sich
die Zielgruppe vor Augen zu halten und
immer zu wissen, für wen man Inhalte
produziert. Außerdem ist von Bedeutung,
welche Besonderheiten man aufgrund
der redaktionellen Ausrichtung – hier
Nachrichtenjournalismus, insbesondere
mit Zugang zum KorrespondentInnennetzwerk – in das Angebot einfließen lassen möchte.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 55
WORKFLOW
Wer ein News-Angebot auf WhatsApp
oder einem anderen Messenger-Dienst
(z.B. Facebook Messenger, Line) etablieren möchte, das über klassische Newsletter oder das Anteasern von Artikeln
auf der eigenen Homepage hinaus geht,
muss eine gut funktionierende und gut
vernetzte Social Media-Redaktion haben. Der Content, der auf einem Kanal am
besten funktioniert, ist meist derjenige, der
gezielt dafür produziert worden ist – das
gilt nicht nur für WhatsApp, sondern auch
für Facebook, Twitter oder Instagram.
Synergieeffekte schaffen: Content für
mehrere Kanäle
Infografiken, Kurzvideos, Bilder mit Zitaten
– eine Social Media-Redaktion, die selbst
Inhalte produzieren soll, braucht dafür
die entsprechenden personellen Voraussetzungen sowie das notwendige Knowhow in Sachen Grafik, Design, Schnitt
etc.. Vorlagen können dabei helfen, dass
auch RedakteurInnen ein Foto mit Text
gestalten können. Aufwendige Erklärvideos hingegen brauchen ausreichend
zeitlichen Vorlauf und die entsprechenden
Kenntnisse der RedakteurInnen, wenn sie
richtig gut werden sollen.
Dass einige Inhalte gezielt für einen Kanal
produziert werden, bedeutet außerdem
nicht, dass sie nicht auch für andere Social
Media-Kanäle genutzt werden können.
56 | NEWS PER WHATSAPP
Schon in unserer Testphase haben wir
Content verwendet, der ursprünglich für
den Instagram-Account der Tagesschau
produziert worden war. Synergieeffekte
sollten erarbeitet und die unterschiedlichen Accounts einer Redaktion ganz
bewusst eng verzahnt mit Content bespielt werden. Zu beachten ist hierbei,
dass der Content auf WhatsApp oder
anderen Messenger-Diensten stärker als
auf anderen Kanälen ohne weiterführende
Links funktionieren muss. Viele UserInnen
nutzen Links nicht, die Nachricht muss für
sich stehen können und verständlich sein.
WhatsApp bietet ein großes Potential,
neue Zielgruppen zu erreichen. Die Erwartungshaltung sollte jedoch nicht sein, so
Klicks auf die Homepage zu generieren.
Klar lässt sich ein zusätzlicher Kanal wie
WhatsApp auch nebenbei bespielen –
dann jedoch nur zu Lasten anderer Aufgaben und der Qualität des entsprechenden Auftritts. Das betrifft nicht nur die
Produktion von Inhalten, sondern auch
WhatsApp als Feedback-Kanal. Da die
Antworten der UserInnen an die Redaktion eine “private” Konversation darstellen,
haben Trolle und Hass-Kommentare hier
wenig Chancen. Die Kommunikation über
Messenger-Dienste ist positiver und konstruktiver als beispielsweise auf Facebook.
Gleichzeitig muss der Feedback-Kanal
als zeitlicher Aufwand bei der Arbeit mit
einkalkuliert werden.
UserInnen-Fragen und Feedback sollten beantwortet werden: Vor allem dann, wenn man
auch mit UserInnen-Content arbeiten möchte. In unserer Testphase war die Kommunikation mit den UserInnen relativ intensiv. Wie groß der Zeitaufwand allerdings bei mehreren
Tausend UserInnen sein würde, lässt sich aus unserem Test mit der relativ kleinen Gruppe
nicht ohne weiteres ablesen. Antwort darauf gibt wohl nur der Live-Test im großen Stil.
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 57
FAZIT
Sechs Monate lang haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt, welche
Bedürfnisse die Zielgruppe der 17- bis
19-Jährigen beim Konsum von Nachrichten hat. Smartphone, Internet und Social
Media sind für diese Generation keine
Errungenschaft, sondern eine Selbstverständlichkeit. Zu den klassischen Medienmarken und Formaten hat diese Zielgruppe zum größten Teil keine oder nur
eine geringe Bindung.
Dabei ist Medienkonsum für die Jugendlichen ein echter Full-Time-Job. Nach dem
Aufwachen geht der erste Blick direkt auf
das Handy – egal, ob in der Bahn oder
in der Schule. Diese Zielgruppe ist am
Smartphone eigentlich ständig erreichbar
und fast immer online. Das bedeutet aber
auch, dass eine ständige Informationsflut
auf sie einprasselt. Für sie Unwichtiges,
Nicht-Ansprechendes, wird beim Durchscrollen oft direkt ausgeblendet. Für die
meisten ist die aktive Suche nach Informationen anstrengend, durch das ständige Mediengrundrauschen fühlen sich viele
bereits grundlegend mit den wichtigsten
News ausgestattet.
58 | NEWS PER WHATSAPP
Nachrichten-Apps werden von manchen
installiert, bei zu wenig Speicherplatz jedoch direkt wieder gelöscht.
Das klingt deprimierend, ist jedoch eine
riesige Chance für Nachrichten-Angebote. Diese Zielgruppe ist nicht desinteressiert. Aber wer sie erreichen will, muss
auffallen und andere Angebote machen
als bisher! Die 17- bis 19-Jährigen haben
ein großes Bedürfnis nach Erklärung und
Einordnung. Der Hintergrund eines Themas, die Zusammenhänge, sind für diese
Zielgruppe viel relevanter als eine bloße
Breaking News. Die Jugendlichen wollen
ernst genommen und auf Augenhöhe angesprochen werden. Sie müssen dort erreicht werden, wo sie den ganzen Tag unterwegs sind: direkt auf ihrem Smartphone.
Erfolgreich ist dort nur, wer extra Formate
konzipiert. Mit Links zu Nachrichten-Websites oder der 20-Uhr-Tagesschau lassen
sich die Jugendlichen hier nicht locken.
The Dawn of the Social Messaging Era
“Messaging apps now have more global users than traditional social networks
- which means they will play an increasingly important role in the distribution of
digital journalism in the future”, betont
das Tow Center for digital journalism in
seiner Studie (November 2015). Welchen
hohen Stellenwert Redaktionen Messenger-Diensten in Zukunft beimessen sollten, bestätigen nicht nur Trendprognosen
wie diese, sondern auch unser Test mit
den 17- bis 19-Jährigen. Wer einen Messenger-Kanal wie WhatsApp für seinen
Content nutzt, erreicht diese Zielgruppe
für kurze Zeit ganz unmittelbar auf ihrem
persönlichen Kanal und hat damit etwas ganz Besonderes – ihre volle Aufmerksamkeit. Um dauerhaft abonniert zu
werden, muss eine Redaktion bereit sein,
Content explizit für Social Media bzw. im
Besonderen für Messenger-Dienste herstellen zu wollen. Ohne die notwendigen
Kapazitäten und Ressourcen wird man
hier in Zukunft wieder nur ein Angebot
von vielen sein, austauschbar und irrelevant.
Besonders wichtig wird das in Zukunft
auch, weil WhatsApp plant, sich für Unternehmen zu öffnen: Das verspricht ein
mögliches Ende technischer Hürden, wie
zum Beispiel durch WhatsApp selbst gesperrte Kanäle. Gleichzeitig ist dies aber
auch ein deutliches Signal an Redaktionen, dass es höchste Zeit ist, sich mit
der journalistischen Nutzung von Messenger-Diensten auseinanderzusetzen.
Die Haupterkenntnis unseres Tests für
die zukünftige Arbeit von Redaktionen
ist dabei vor allem, dass WhatsApp und
andere Messenger-Dienste nicht als
Linkschleudern funktionieren, um Traffic
zu generieren. Content, der hier versendet wird, ist bereits das Hauptprodukt.
Es geht nicht darum, die UserInnen zu
einem Klick zu motivieren – vielmehr
muss man die Zielgruppe mit den News
direkt erreichen, zwischen der Kommunikation mit der besten Freundin und
den Eltern auftauchen und sich als ein
echter News-Buddy etablieren:
Mehr Markenbindung geht nicht!
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 59
IMPRESSUM
Die Publikation ist im Rahmen der Innovationsförderung des Medieninnovationszentrums Babelsberg (MIZ) in Kooperation mit ARD-aktuell entstanden. Isabella
David, Tobias Goltz und Isabel Hummel
erforschten vom 1. September 2015 bis
29. Februar 2016 im MIZ-Babelsberg, wie
und auf welchen Plattformen Digital Natives Nachrichten konsumieren. Das Team
testete, welche Erzählformate auf den unterschiedlichen Plattformen erfolgreich
sind und erarbeitete, wie diese im redaktionellen Workflow produziert werden
können. Im Zuge der Projektarbeit ist
auch diese Publikation entstanden.
Herausgeber
mibb GmbH
Medieninnovations- und
Medienkompetenzförderung
Berlin-Brandenburg
Kleine Präsidentenstraße 1
10178 Potsdam
AutorInnen
Isabella David
Tobias Goltz
Isabel Hummel
MIZ-Betreuung
Tanja Peuker, Projektleitung Förderung
Inhaltliche und technische Betreuung
Birgit Klumpp, Andreas Lützkendorf und
Christian Radler
Strategie und Innovation, ARD-aktuell
60 | NEWS PER WHATSAPP
Lizenz
Das Werk steht unter der Lizenz Namensnennung – Weitergabe unter gleichen
Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BYSA 3.0). Sie dürfen das Werk bzw. den Inhalt vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen, Abwandlungen
und Bearbeitungen des Werkes bzw.
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Bilder
AutorInnen / Politikwerft Designbüro
Logos
MIZ-Babelsberg
ARD-aktuell
Auflage: 30 | Veröffentlichungsjahr: 2016
Druck:
Print Express, Potsdam, Deutschland
Layout und Gestaltung:
Politikwerft Designbüro | Hamburg
www.politikwerft.de
Diese Publikation ist online verfügbar
unter: www.miz-babelsberg.de
IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 61