NEWS PER WHATSAPP DIE TAGESSCHAU IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS WWW.MIZ-BABELSBERG.DE EIN PROJEKT DES MEDIENINNOVATIONSZENTRUM BABELSBERG (MIZ) IN KOOPERATION MIT ARD-AKTUELL IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 1 NEWS PER WHATSAPP DIE TAGESSCHAU IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS mibb GmbH (Hrsg.) AutorInnen Isabella David Tobias Goltz Isabel Hummel IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 3 NEWS PER WHATSAPP DIE TAGESSCHAU IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS inhalt Wie müssen Nachrichten aussehen, damit sie auch beim jungen Publikum ankommen? welche plattform darf's denn sein? 8 die mission DAS TEAM 6 DIE PROJEKTPARTNER 7 DIESE MILLENNIALS: WAS WOLLEN DIE EIGENTLICH? 12-19 HELLO WHATSAPP! 20-23 TagesschauBETA: UNSER NEWS-ANGEBOT FÜR 17- BIS 19-JÄHRIGE 24-30 4 | NEWS PER WHATSAPP 9-11 Haben wir die zentralen Bedürfnisse der 17- bis 19-Jährigen im Umgang mit Nachrichten ausgewählt? Ist WhatsApp überhaupt eine geeignete Plattform, um diese Zielgruppe mit News zu erreichen? Finales Feedback: Was denken unsere UserInnen? Redaktioneller Workflow: Bloss nebenbei? Nein, wenn dann richtig! 55-56 41-54 Die weiterführenden Links sind unterstrichen. DREI INTENSIVE WOCHEN: UNSERE TESTPHASE 31-40 FAZIT 58-59 IMPRESSUM 60 Herausgeber mibb GmbH Veröffentlichungsjahr 2016 Diese Publikation ist online verfügbar unter: www.miz-babelsberg.de IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 5 DAS TEAM ISABELLA DAVID Isabella David studiert Politikwissenschaft in Hamburg und arbeitet als freie Journalistin in der Hansestadt. 2012 hat sie das Online-Nachrichtenmagazin HamburgMittendrin gegründet. Gemeinsam mit ihrem Team versucht sie zu zeigen, dass Lokaljournalismus nicht verstaubt und trocken sein muss. Live-Berichterstattung und die weiten, vernetzten Welten von Social Media sowie der Versuch, digitalen Journalismus zu finanzieren, gehören hier zum redaktionellen Alltag. Isabella brennt für den Nachrichtenjournalismus und darauf, neue Vermittlungswege auszutesten. TOBIAS GOLTZ Tobias Goltz hat schon im ARD-Hauptstadtstudio versucht, öffentlich-rechtlichen Content einer jüngeren Zielgruppe schmackhaft zu machen. Nüchternes Fazit: Wer sich nichts traut, wird auch nichts erreichen! Um zu schauen, wie es besser klappen könnte, schloss er sich dem YouTube-Kanal Hyperbole TV an und freute sich 2015 mit dem Team über einen Grimme Online Award. Wertvollen Input bekam er zuvor an der Electronic Media School in Potsdam-Babelsberg, wo er ein journalistisches Volontariat absolvierte. Heute arbeitet er als freier Journalist in Berlin, schwerpunktmäßig für TV und Online. ISABEL HUMMEL Isabel Hummel produziert Webdokus beim rbb und glaubt immer noch fest daran, dass Innovation bei den Öffentlich-Rechtlichen möglich ist. Sie probiert aber auch gerne abseits vom Redaktionsalltag aus: Sie hat das multimediale Berlinmagazin berlinventar.tv gegründet und macht Radio bei Friedrich & Hummel. Ansonsten hat Isabel gefilmt, geschnitten, getextet für: ARD-aktuell, arte, Deutsche Welle TV, wochenwebschau @Radio Bremen und Hyperbole TV. Ordentlich gelernt hat sie das mit dem Journalismus auch, und zwar ebenso im Volontariat an der ems – Electronic Media School in Potsdam-Babelsberg. 6 | NEWS PER WHATSAPP DIE PROJEKTPARTNER: MIZ-BABELSBERG & ARD-AKTUELL Das Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) fördert Teams von JournalistInnen bei der Konzeption und Umsetzung innovativer Projektvorhaben in Kooperation mit verschiedenen Projektpartnern. Es fördert Projekte, die über mediale Grenzen von klassischen Rundfunkinhalten und bewährten Technologien hinausgehen. Dafür stellt das MIZ-Babelsberg Räume und Produktionstechnik zur Verfügung und ermöglicht dem Projektteam Coaching-Programme. ARD-aktuell ist die Gemeinschaftsredaktion der ARD für die Tagesschau, die Tagesthemen, das Nachtmagazin, den Nachrichtenkanal tagesschau24 und tagesschau.de. Bei ARD-aktuell arbeiten etwa 150 RedakteurInnen. Hinzu kommen MitarbeiterInnen in der Technik und der Produktion, im Sekretariat und in der Verwaltung – allein in der Hamburger Zentrale etwa 300 MitarbeiterInnen. Weitere KollegInnen arbeiten in den Korrespondentenbüros im In- und Ausland. ARD-aktuell ist eine aktuelle, schnell reagierende Nachrichtenfabrik: Nachrichten zu jeder Zeit, an jedem Ort, individuell und hintergründig. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 7 DIE MISSION durchschnittsalter 62jahre 32,7% marktanteil Die Tagesschau ist Deutschlands älteste und immer noch erfolgreichste Nachrichtensendung: Die 20-Uhr-Ausgabe hat laut GfK-Fernsehforschung einen Marktanteil von 32,7 Prozent (Stand 2015). Fast jede/r Deutsche kennt sie und die meisten könnten sicherlich den Eröffnungs-Jingle nachsummen. Doch trotz des andauernden Quoten-Erfolgs gibt es ein großes Manko: Das Durchschnittsalter der ZuschauerInnen liegt bei 62 Jahren. Da die ARD den Auftrag hat, eine Grundversorgung an Informationen für alle zu liefern, war die große Frage unseres Projekts: Wie müssen Nachrichten aussehen, damit sie auch beim jungen Publikum ankommen? 8 | NEWS PER WHATSAPP Am Anfang standen wir vor einigen Fragezeichen: Erreichen wir sie mit Breaking News in 15-sekündigen Instagram-Videos? Mit einem Snap zur wichtigsten Eilmeldung? Oder eher mit einem Periscope-Stream vom Korrespondenten vor Ort? Eine starke Vermutung hatten wir von Beginn an: Die 14- bis 29-Jährigen erreichen wir mit Nachrichten heutzutage am ehesten auf den Kanälen, auf denen sie sich zu Hause fühlen. Welche das nun genau sind und wie ein passendes Nachrichtenkonzept aussehen könnte: Das wollten wir in unserem sechsmonatigen Projekt herausfinden. WELCHE PLATTFORM DARF’S DENN SEIN? Die Tagesschau ist nicht nur im Fernsehen präsent – es gibt sie auch auf tagesschau. de, sie ist auf Facebook und Twitter vertreten. Auch dort ist sie erfolgreich: Über 500.000 Fans bei Facebook und mehr als eine Million Follower bei Twitter – zudem sind die NutzerInnen wesentlich jünger als die ZuschauerInnen vor dem Fernseher. Wir zogen uns daher am Projektanfang erst einmal ins MIZ-Babelsberg zurück und analysierten, was die Tagesschau auf den genannten Plattformen schon anbietet, was gut läuft und was noch verbessert werden könnte. Zurück im MIZ-Babelsberg schauten wir uns anschließend andere Soziale Netzwerke detailliert an. Wir wollten verstehen: Wie funktionieren sie? Welche Medien sind schon hier? Eignen sich die Plattformen auch für die Tagesschau? Um zu verstehen, wie Fernsehen und Online bei der Tagesschau geplant werden und wie die Bereiche redaktionell ineinander greifen, verbrachten wir dann eine Woche in Hamburg bei ARD-aktuell. Wir waren bei den Konferenzen der Onliner und Fernsehleute mit dabei und liefen jeweils bei Schichten in der Online-Redaktion und beim Social Media-Team mit. Für unsere weitere Arbeit war diese Woche enorm wichtig, denn obwohl wir unser Projekt im MIZ-Babelsberg konzipierten, sollte es ja auf eine Nachrichtenredaktion wie ARD-aktuell übertragbar sein. Daher war es essentiell für unsere Arbeit, dass wir ein gutes Gefühl für die Redaktion und ihre Abläufe bekamen. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 9 EIN ÜBERBLICK Snapchat - ob Nacktfotos oder News: hier ist alles vergänglich Die App bietet drei Kanäle: 1. Der Chat: Snaps (Fotos, Videos) können hier nur wenige Sekunden vom/von der Chat-PartnerIn angesehen werden. 2. Die Stories: Snaps sind für alle FreundInnen für genau 24 Stunden sichtbar. 3. Das Discover-Feature: Ein Kanal für redaktionelle Inhalte. Ausgewählte Partner wie CNN, Yahoo oder BuzzFeed können hier ihre Inhalte in “Snapchat-Manier” präsentieren. Haltbarkeit: 24 Stunden. In den USA ist die größte Nutzergruppe zwischen 16 und 24 Jahre alt. Weltweit werden eine halbe Million Snaps pro Minute verschickt. Generell geht es hier im Kern mehr um Spaß statt um Infos und Debatte. Wegen der sehr jungen NutzerInnen versuchen hier momentan alle Medienunternehmen Fuß zu fassen. Periscope & Meerkat - will the revolution be live-streamed? Beide Apps funktionieren sehr einfach: Ein Knopfdruck startet den Livestream und der Link zum Video wird - zusammen mit einem kurzen Text - automatisch auf Twitter (Periscope) oder Facebook (Meerkat) veröffentlicht. Beide Dienste erlauben es zudem, dass die ZuschauerInnen die Sendung live kommentieren und so zum Beispiel Hinweise und Anregungen an die ProduzentInnen schicken, die diese auch gleich beantworten können. 10 | NEWS PER WHATSAPP Auf einer Weltkarte wird angezeigt, wer gerade wo live sendet. Bisher sind Periscope und Meerkat vor allem JournalistenInnen-Lieblinge. Fast jedes Medienunternehmen hat schon versucht von irgendwo live zu streamen. Tatsächlich sind auf beiden Apps noch relativ wenige deutsche NutzerInnen aktiv. Instagram - mehr los als Selfies und Essen? In Anlehnung an Polaroid-Kameras hatten bei Instagram gepostete Fotos und Videos lange Zeit eine quadratische Form. Mittlerweile dürfen die Fotos auch andere Formate haben. Für die Videos gilt: Sie dürfen maximal 15 Sekunden lang sein. Zu jedem Post kann ein kleiner Erklärtext geschrieben werden und über Hashtags lassen sich die Bilder und Videos finden. Es geht hier vor allem um die Optik: Tolles Essen, tolle Landschaft, tolle Selfies machen den Großteil der Posts aus. Die ersten Medien, die Nachrichten auf Instagram versuchten, waren NowThis und die BBC. Seit November 2015 ist auch die Ta g e s s c h a u auf Instagram und hat 26.000 Abonnenten (Stand: Ende Februar 2016). Tumblr - GIFs mir Tumblr ist eine Art Mischung aus Blog und Twitter. Ein tumblr ist ganz einfach eingerichtet, weswegen es zu allen mög- lichen Ereignissen sehr schnell ironische tumblr-Accounts gibt – wie etwa kimjongillookingatthings.tumblr.com. Tumblr ist die wohl beliebteste Heimat animierter GIF-Grafiken. Die Tumblr-Community ist daher sehr jung: zwischen 13 und 22 Jahren. In Deutschland nutzen es aber relativ wenige. p YO - Reisetipps für deine Umgebung und Raketenwarnungen für Israel Die App aus Israel ist einfach zu bedienen: Einfach den Nutzernamen von FreundInnen oder einer Firma eingeben, auf den Namen drücken und schon habt ihr ein Yo! versendet! Wer zweimal auf den Namen tapt, versendet seinen/ihren Standort. Es gibt praktische Accounts: LonelyPlanet Yo’d Reisetipps, wenn der Standort versendet wird. Außerdem ironische: Dictator – Yo’d, wenn ein Diktator abgesetzt wird. Oder lebensrettende: Redalertisrael – Yo’d, wenn Bombendrohung in Israel ist. Die App hat ihre heiße Phase allerdings offensichtlich bereits hinter sich. Das Neo Magazin Royale yo’d hier zwar noch Links zu seinen Sendungen, ansonsten sind aber viele Accounts nicht mehr aktuell. Vine - sechs Sekunden statt 140 Zeichen Vine ist eine Videoplattform und gehört zu Twitter. Genau wie bei Twitter liegt auch bei Vine das Geheimnis in der Kürze: die hochgeladenen Videos dürfen höchstens sechs Sekunden lang sein. Die Videoaufnahme lässt sich beliebig oft unterbrechen und wieder fortsetzen, viele Vines erinnern daher an Stop-Trick-Filme oder GIFs. WhatsApp - ein Messenger-Dienst für alle Generationen Die Jungen schicken sich Sprachnachrichten hin und her und Oma bekommt in der Familiengruppe die neusten Babyfotos. WhatsApp wird weltweit genutzt: Mehr als 13 Millionen Nachrichten werden pro Minute auf WhatsApp verschickt. Journalistisch wird WhatsApp bisher vor allem für Newsletter oder Eilmeldungen eingesetzt. Die meisten verschicken Zusammenfassungen morgens oder abends à la “Das wird wichtig” oder “Das ist heute passiert”. Dazu ein paar Links und Emojis. Für Unternehmen besteht die Gefahr, dass WhatsApp ihre Kanäle sperrt, weil der Messenger (momentan noch) als private Plattform angesehen wird. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 11 DIESE MILLENNIALS WAS WOLLEN DIE EIGENTLICH? Welche sozialen Netzwerke sind für euch wichtig? Und was verbindet ihr mit der Tagesschau? Unser Hauptziel war es natürlich nicht, im stillen Kämmerlein über möglichen Plattformen zu brüten: Wir wollten herausfinden, was unsere Zielgruppe – die 14- bis 29-Jährigen – eigentlich will. Einen wesentlichen Teil unserer sechsmonatigen Projektlaufzeit planten wir daher bewusst für die Feldforschung ein. Für einen ersten Realitätscheck besuchten wir mehrere Schulklassen. Von den SchülerInnen wollten wir wissen: “Wie informiert Ihr Euch?”, “Welche Sozialen Netzwerke sind für Euch wichtig?”, “Und was verbindet Ihr mit der Tagesschau?”. Unsere Gruppendiskussionen führten uns von der Berufsschule bis ins Gymnasium, von der 7. bis in die 13. Klasse. Entsprechend unterschiedlich waren die Ergebnisse. Generell lässt sich aber Folgendes festhalten: Die beliebteste und meist genutzte Plattform ist WhatsApp. Darauf folgt Instagram und Platz drei teilen sich Snapchat und Facebook. Wobei Snapchat gerade auf- und Facebook absteigt: Viele haben das Gefühl, die Plattform sei tot. Wirklich gerne scheinen sich die wenigsten dort aufzuhalten. 12 | NEWS PER WHATSAPP Von Periscope und Meerkat, den Livestreaming-Apps, die gerade in JournalistInnen-Kreisen sehr beliebt sind, hatte nur einer etwas gehört. Die Tagesschau kennen alle SchülerInnen, aber nur wenige schauen sie aktiv. Oftmals auch nur zufällig, weil die Eltern den Fernseher eingeschaltet haben. Generell werden Nachrichten zwar als wichtig, aber auch als “langweilig, alt und spießig” wahrgenommen. Dem Nutzer richtig nahe kommen – mit Design Thinking Unser Diskussionsausflug in die Schulen hatte uns einen ersten, interessanten Eindruck verschafft. Um zu verstehen, wie unsere Zielgruppe aber nun genau tickt, schlug uns das MIZ-Babelsberg vor, die Design Thinking-Methode auszuprobieren und organisierte einen Workshop. Wir hatten das große Glück, dass Tran Ha vom Hasso Plattner Institute of Design der Stanford University unseren Workshop leitete. Tran ist darauf spezialisiert, Medien beim Design Thinking zu beraten und hat selbst lange ein Jugendmagazin in Chicago geleitet. Das Problem “Was wollen die jungen NutzerInnen?” war ihr daher bestens bekannt. So konnte sie uns dabei helfen, einen Fokus für unser Angebot und unsere Zielgruppe zu finden. Was ist Design Thinking? Design Thinking ist eine Methode, um kreative Ideen zu entwickeln und Problemlösungen zu finden. Das Besondere: Beim Design Thinking steht am Anfang nicht das Problem, sondern der/die NutzerIn. Wir starteten unser Projekt also nicht mit dem Problem “Die jungen Leute schauen keine Tagesschau – wie bekommen wir sie dazu?”, sondern wir trafen uns einfach erst einmal mit ihnen, um sie kennen zu lernen. Wir wollten herausfinden, welche Wünsche und Bedürfnisse sie haben und auf welche Probleme sie stoßen. Ziel ist es, durch Design Thinking den/die NutzerIn so gut kennenzulernen, dass wir uns als EntwicklerInnen komplett auf seine/ihre Ebene begeben können. Am Ende betrachten wir das Problem durch die Brille des/r Nutzers/Nutzerin und können so eine passende Lösung finden. Wie funktioniert es konkret? Der Arbeitsprozess beim Design Thinking lässt sich in sechs verschiedene Phasen einteilen: arbeitsprozess design thinking VERSTEHEN BEOBACHTEN SICHTWEISE DEFINIEREN IDEEN FINDEN PROTOTYP ENTWICKELN TESTEN 1 2 3 4 5 6 intensiv recherchieren NutzerInnen kennenlernen Was braucht NutzerIn? freies Brainstorming Ideen verwirklichen Feedback abfragen Design Thinking ist eine qualitative Methode: Das heißt, es werden wenige Leute befragt, diese dafür aber sehr intensiv und im besten Falle mehrmals. Im Zentrum der Gespräche stehen das “Wie?” und das “Warum?”. Wir wollten daher erst einmal von unseren InterviewpartnerInnen wissen: “Wie sieht ein normaler Tag bei Dir aus?”, “Wann nimmst Du das erste Mal das Handy in die Hand?”, “Was machst Du dann?” Und so weiter. Generell geht es darum, zu verstehen: Was macht der/die UserIn? Wie macht er/sie es? Und warum macht er/sie es? IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 13 DIESE MILLENNIALS Nach jedem unserer Gespräche haben wir eine Matrix erstellt: mit insgesamt vier Kategorien “Sagen”, “Tun”, “Denken” und ”Fühlen”. Die Erkenntnisse aus unseren Gesprächen haben wir darin eingetragen. Die beiden Kategorien “Denken” und “Fühlen” waren für uns als JournalistInnen anfangs etwas schwierig. Denn hier geht es darum, aus dem, was NutzerInnen gesagt hatten, Rückschlüsse zu ziehen: was eher auf einem Bauchgefühl basiert als auf Fakten. 14 | NEWS PER WHATSAPP Spannend wird es, wenn in der Matrix Widersprüche auftauchen. Ein Beispiel: Eine Nutzerin sagt, ihr sei es wichtig, sehr gut informiert zu sein. Sie liest mehrere Zeitungen on- und offline, hört Radio, schaut die Tagesschau. Gleichzeitig ist sie auch intensiv auf WhatsApp, Instagram und Facebook unterwegs. Aber sie kommt nie auf die Idee, ihre Informationen mit ihren FreundInnen zu teilen: beispielsweise einen Link zu einem tollen Artikel. Die Frage wäre hier also: Warum ist das so? Und was müsste passieren, damit sie Inhalte, die sie gut findet, teilt? Wichtig für das Design Thinking ist die ständige Rückkopplung zwischen den EntwicklerInnen und der Zielgruppe. Auch nach den Interviews hört der Austausch nicht auf. Wichtig ist, sich an jeder Stelle des Prozesses immer wieder Feedback einzuholen. Also nicht die Idee für eine App entwickeln und dann bereits alles fertig programmieren und designen. Ratsamer ist, zügig einen Prototypen zu entwickeln und diesen direkt mit der Zielgruppe zu testen. Man geht mehrmals durch den gleichen Ablauf: Feedback einholen, anpassen, Feedback einholen, anpassen. Dieser Kreislauf stellt sicher, dass am Ende tatsächlich eine Lösung entsteht, die genau zu den Bedürfnissen der NutzerInnen passt. Wen wollen wir erreichen? Uns war von Anfang an klar, dass wir kein Nachrichten-Konzept für die gesamte Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen entwickeln konnten. Dafür sind die Interessen und Lebensumstände innerhalb der Gruppe einfach viel zu unterschiedlich. Während die einen noch mitten in der Pubertät stecken, ziehen die anderen gerade in ihre erste WG ein. Daher haben wir den Fokus enger gesteckt und uns entschieden, ein Nachrichten-Angebot für 17- bis 19-Jährige zu entwickeln. Ein span- nendes Alter, in dem man anfängt, sich für mehr als die unmittelbare Umgebung zu interessieren. Also haben wir uns auf die Suche nach ProbandInnen gemacht. Eine bunte Mischung aus Auszubildenden, SchülerInnen und ErstsemesterInnen ist es geworden – drei Jungen und sechs Mädchen. An ihren Bedürfnissen orientiert, entwickelten wir nun mit der Design Thinking-Methode unser Angebot. “ ICH KANN NICHT OHNE HANDY RAUS GEHEN. GESTERN BIN ICH RAUS GEGANGEN UND HABE MEIN HANDY NICHT GEFUNDEN UND BIN DANN ZUR KLAUSUR ZU SPÄT GEKOMMEN. (ISIS, 18 JAHRE) “ Viele Unternehmen übergehen allerdings diesen Punkt, weil er zeitintensiv ist und damit auch Geld kostet. Das führt oft dazu, dass das Endprodukt an den NutzerInnen vorbei entwickelt wird und dann gar nicht ankommt. Auch bei uns war es so, dass wir viele Annahmen und Entscheidungen, die ganz am Anfang des Projekts standen, tatsächlich noch einmal über den Haufen werfen mussten. Obwohl wir am Anfang sehr gründlich und ausführlich unsere NutzerInnen analysiert hatten, haben wir durch das Feedback beim Testen festgestellt: so ganz passt es noch nicht. Also haben wir mittels der Feedback-Schleife in der Mitte der Testphase unsere gesamte Struktur noch einmal geändert. Das hat uns zwar eine Woche Arbeit gekostet, aber im Endeffekt dafür gesorgt, dass wir ein Nachrichten-Konzept entwickelt haben, das auch wirklich zu unseren NutzerInnen passt. It’s a mobile world Was uns nicht überraschte: Der wichtigste Bildschirm für die 17-19-Jährigen ist das Handy. Der Laptop, wenn überhaupt noch vorhanden, wird nur für Hausarbeiten oder ähnliches aufgeklappt. Gleich morgens geht der erste Griff zum Handy: im Bett WhatsApp checken und vielleicht ein bisschen durch Instagram scrollen. Abends vor dem Einschlafen die gleiche Routine. Mit voller Aufmerksamkeit sind allerdings die wenigsten an ihrem Handy. Während die Serie gestreamt wird, swypen sie sich durch Snapchat oder verschicken Sprachnachrichten auf WhatsApp. Wer in diesem konstanten digitalen Grundrauschen auffallen will, muss sich schon einiges ausdenken. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 15 “ FACEBOOK NUTZE ICH FAST GAR NICHT MEHR: NUR NOCH, UM MIT LEUTEN KONTAKT ZU HABEN, DIE MEINE NUMMER NICHT HABEN. ODER HALT MAL, UM ÖFFNUNGSZEITEN VON RESTAURANTS NACHZUGUCKEN. “ (ALEXANDRA, 18 JAHRE) 16 | NEWS PER WHATSAPP Und darauf haben wir als MacherInnen keinen Einfluss. Hier liegt der große Vorteil von Messenger-Diensten wie WhatsApp. Sie landen per Push-Benachrichtigung direkt auf dem Bildschirm der UserInnen. Für eine halbe Sekunde haben wir somit die volle Aufmerksamkeit dieser sehr leicht abgelenkten Zielgruppe. “ NERVT MICH, WENN MEIN GANZER FEED NUR MIT EINEM THEMA VOLL IST UND ICH DANN SO LANGE SCROLLEN MUSS ODER ETWAS VON JEMAND ANDEREM VERPASSE. (MARLON, 18 JAHRE) “ Den Berg zum Propheten bringen Fast keiner der Jugendlichen besucht noch Websites oder ruft gezielt Facebook- oder Instagram-Profile auf. Selbst Hashtags werden von den wenigsten benutzt, um etwas zu finden. Damit die Jugendlichen ein Video gut finden oder ein Foto teilen, müssen sie in ihrem Feed quasi darüber stolpern. Nach Inhalten sucht einfach niemand. Klar ist daher: Die Jugendlichen kommen nicht mehr zum Angebot, das Angebot muss zu ihnen kommen. Und dafür muss das Angebot natürlich auf den richtigen Plattformen vorhanden sein. Für unsere Zielgruppe sind das WhatsApp, Instagram, Snapchat und Facebook. Wobei auch hier Facebook eher als “tot” wahrgenommen wird. Wenige posten noch aktiv, wirklich gerne scheint niemand auf der Plattform zu sein. Was uns auch aufgefallen ist: Die Zielgruppe ist sehr bequem. Zu lange scrollen empfinden sie als anstrengend. Wenn der Inhalt also nicht weit vorne im Feed auftaucht, wird er von ihnen vermutlich schon nicht gesehen. Das lässt sich zum Teil beeinflussen, indem man zu den richtigen Zeiten postet – nachmittags und abends ist die Zielgruppe besonders aktiv –, andererseits steuert auf den meisten Plattformen ein Algorithmus, wann wer etwas sieht. Seriöse Unterhaltung Auf Instagram folgen sie nur lustigen Accounts, auf Youtube schauen sie Schmink-Tutorials, auf Facebook spielen sie Games. Der erste Eindruck unserer Zielgruppe war ernüchternd: “Die haben ja überhaupt keine Lust auf irgendwas außer 9Gag.” Das war natürlich etwas voreilig. Unterhaltung ist der Zielgruppe definitiv wichtig, aber es gibt auch Interesse an komplexen und schwierigen Themen. Nur müssen diese heutzutage anders verpackt werden. Klassische Nachrichten sind für die jungen Leute eher langweilig. Das hängt zum einen an der Art, wie sie präsentiert werden. Angesichts älterer ModeratorInnen, die auf sie extrem steif wirken und dazu noch verklausuliert sprechen. DIESE MILLENNIALS “ “ DIE LEUTE DA, DIE DA MODERIEREN, WÜRDE ICH NICHT SO SCHLUFFI WIE DIE PIRATEN IM SENAT, DIE DANN PRIVAT NICHT KENNENLERNEN WOLLEN. OHNE ANZUG KOMMEN. DAS GEHT GAR NICHT. (ISIS, 18 JAHRE) (MARLON, 17 JAHRE) “ “ Zum anderen hängt es auch am Inhalt. Die Zielgruppe möchte an Themen nah dran sein und emotional gepackt werden – etwas, das Nachrichten selten leisten. Deswegen schauen viele von ihnen lieber das RTL-Mittagsmagazin. Wichtig ist für die Jugendlichen, dass der Inhalt authentisch wirkt. Die Tagesschau mit Baseball-Cap moderieren – das wäre für sie nicht authentisch, sondern aufgesetzt. Die Jugendlichen möchten ernst genommen werden. Auf jung getrimmter Content vermittelt ihnen meistens das Gefühl: “Wir haben das mal einfacher gemacht, sonst verstehst du es ja nicht.” Gleichzeitig gibt es aber auch ein großes Bedürfnis nach Inhalt, der erklärt und einordnet – auf Augenhöhe. Wissenschaftssendungen wie Kopfball sind sehr beliebt. Aber auch die Sendung mit der Maus wurde mehrfach als positives Beispiel genannt. Sendungen wie diese scheinen also genau die richtige Mischung zwischen Information und Unterhaltung gefunden zu haben. “ DA IST EIN GEWISSER UNTERHALTUNGSGRAD MIT DRIN. NICHT NUR POLITISCHE, SONDERN AUCH MENSCHLICHE ANGELEGENHEITEN. (SARAH, 17 JAHRE) “ Sie fühlen sich dort mehr angesprochen und unterhalten, aber nicht unbedingt gut informiert. Fast alle sind überzeugt, dass die Tagesschau im Vergleich zu den Angeboten der Privatsender den besseren Nachrichtenüberblick liefert. Einschalten möchte sie aber trotzdem niemand. Diese Sicht auf Nachrichten ist tatsächlich kontrovers. Einerseits wünschen sich die Jugendlichen mehr Alltagssprache, Leichtigkeit und Unterhaltung. Andererseits betonen sie immer wieder, dass Nachrichten seriös, nicht betont jugendlich sein sollten. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 17 DIESE MILLENNIALS Bring’s mir nahe Warum Nachrichten auch sonst noch langweilig sind? “Die haben ja nichts mit mir zu tun!” Für unsere Zielgruppe fehlt oft ganz einfach die Relevanz. “ WENN MAN HIER IN DEUTSCHLAND LEBT, IST MAN IN GEWISSER WEISE GESCHÜTZT. HIER WIRD NICHT EINFACH EIN BOMBENANSCHLAG STATTFINDEN. MAN LEBT IN SEINER KLEINEN WELT UND DAS IST NICHT WEITER WICHTIG. “ (ISIS, 18 JAHRE) “Wenn es nicht direkt mein Leben betrifft, warum sollte es mich dann interessieren?” Diese Frage beantworten Nachrichten nicht. Dafür andere Formate, wie Yolo auf RTL. Wenn es in der Sendung darum geht, wie ein T-Shirt produziert wird, bleiben die Jugendlichen dran. Die Reporterin ist jung, sie nimmt sie mit auf die Entdeckungsreise und am Ende ist klar: “Das sind ziemlich beschissene Produktionsbedingungen!” Wenn die Tagesschau berichtet, dass in Bangladesch eine Produktionsstätte eingestürzt ist und es viele Tote gibt, ist das wiederum eine Information, die bei vielen Jugendlichen nicht hängen bleibt. Was ihnen bei Nachrichten auch fehlt: der konstruktive Servicecharakter: Ich erfahre, dass mein T-Shirt unter schlimmen Bedingungen hergestellt wird, aber ich erfahre nicht, was ich tun kann, damit sich das ändert. 18 | NEWS PER WHATSAPP Wohin geht die Reise? Am Ende unserer Interviews hatten wir sehr viele Informationen darüber, wie Nachrichten bitte nicht sein sollen. Unsere große Herausforderung war jetzt also, diese Infos ins Positive zu übersetzen und daraus ein Nachrichten-Angebot zu entwickeln, das auffällt und bei der jungen Zielgruppe ankommt. Dabei war die erste wichtige Entscheidung: Welche Plattform soll es sein? Instagram wäre für uns interessant gewesen, da aber zur gleichen Zeit bei der Tagesschau in Hamburg über Webvideos für Instagram nachgedacht wurde, war diese Plattform für uns keine Option mehr. Im Rennen blieben also noch Snapchat und WhatsApp. Auf den ersten Blick war Snapchat verlockender. Die App wirkt im Vergleich zu WhatsApp noch frisch und aufregend. Alle Medien versuchen sich dort zu etablieren, es wird viel ausprobiert und es gibt noch niemanden, der bisher ein Patentrezept für journalistischen Content auf Snapchat gefunden hat. Das hat natürlich auch unseren Ehrgeiz geweckt: Wenn wir die ersten wären, die hier ein super Nachrichten-Konzept entwickeln – das wäre der Knaller. Entschieden haben wir uns dann doch für WhatsApp. Aus drei Gründen: 1. WhatsApp ist die wichtigste App für unsere Zielgruppe und es ist die einzige App, die unsere Zielgruppe nie löschen würde. Auch nicht aus Speicherplatzgründen. 2. Wir haben durch WhatsApp einen direkten Kanal zu unseren NutzerInnen und ihrer Aufmerksamkeit: Die Nachrichten kommen direkt als Push-Mitteilungen aufs Handy. Und die Kommunikation mit den NutzerInnen ist wie im Chat: eins zu eins und sehr persönlich. 3. Vielleicht der wichtigste Grund: Wir können für WhatsApp-Content sehr leicht Content (vor)produzieren und so auch Tagesschau-Material verwenden. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 19 HELLO WHATSAPP! Jetzt gab es also kein Zurück mehr: Die Entscheidung für WhatsApp war gefallen. Unser Projekt hatten wir damit einen wichtigen Schritt voran gebracht. Gleichzeitig kristallisierten sich neue entscheidende Fragen heraus, auf die wir Antworten finden mussten. Zentrale Punkte: Mit welchem Konzept erreichen wir unsere 20 | NEWS PER WHATSAPP 17- bis 19-jährigen UserInnen mit Tagesschau-Inhalten auf WhatsApp? Wie testen wir unser Angebot, um zu überprüfen, ob wir damit den Nerv der UserInnen treffen? Wie sieht unser redaktioneller und technischer Workflow während der Testphase aus? Monothematischer Ansatz Wir mussten anhand unserer Erkenntnisse aus der Feldforschung ein schlüssiges Konzept für unseren WhatsApp-Kanal entwickeln. Dabei wollten wir es anders machen als bisherige Angebote auf WhatsApp. Denn journalistisch ist durchaus mehr möglich als reine Text-Newsletter mit Links zum eigentlichen Angebot zu verschicken. Vor allem wollten wir auch das visuelle Kapital der Tagesschau nutzen und multimedial erzählen – also auch mit Fotos und Videos. Wichtig war uns, auch weitere zentrale Erkenntnisse aus unser Feldforschung mit einzubinden: Möglichst visuell sollte unser News-Angebot sein, möglichst emotional und immer zugeschnitten auf die wichtigste UserInnen-Frage überhaupt: “Was hat das Ganze eigentlich mit mir zu tun?” Vier Nachrichten pro Tag Von vornherein war uns klar: Es würde nicht leicht werden, komplexe Themen in Messenger-kompatible Kurznachrichten zu verpacken und dennoch den entscheiWährend dieser Konzeptphase setzten wir denden Mehrwert zu liefern. uns auch mit Redaktionen in Verbindung, Gleichzeitig wussten wir, auch bei der Andie WhatsApp bereits ausprobiert hat- zahl der Nachrichten sollten wir es nicht ten – etwa die Radiosender N-JOY und übertreiben, um unsere UserInnen nicht zu DASDING. Ihre Erfahrungen namen wir in nerven. Daher wollten wir uns möglichst unsere Überlegungen auf. Den Wunsch unaufdringlich in ihren WhatsApp-Feed der UserInnen nach Erklärung und Einord- hineinmogeln. Unser Ziel war es, dass nung komplexer Sachverhalte nahmen wir die UserInnen unser News-Angebot hin sehr ernst. Gleichzeitig wollten wir unser- und wieder zwischen all ihren privaten em News-Angebot ein individuelles Al- Nachrichten wahrnehmen würden. Erst leinstellungsmerkmal verpassen. der Kummer der besten Freundin, dann politisch-gesellschaftlich relevante NachAus diesem Grund entschieden wir uns richten aus Deutschland und der Welt. zunächst für einen monothematischen Unsere Gedankenspiele ergaben folAnsatz: Jeden Tag wollten wir unsere User- genden Kompromiss: Vier Mal täglich Innen mit Informationen zu einem ein- wollten wir unseren UserInnen News via zigen Thema versorgen. “Wer etwas WhatsApp schicken. Die erste NachGroßes will, der muss sich zu beschränken richt sollte gegen 7 Uhr – zum Beispiel wissen”. Ein zielgruppenrelevantes The- mit einem Foto – unser Thema des Tagma intensiv beleuchten, um so in der täg- es anteasen und einen Call-To-Action lichen Nachrichtenflut aus vielen wich- beinhalten: Auf diese Weise wollten wir tigen und ebenso unwichtigen Meldungen unsere UserInnen ermuntern, sich eigene aufzufallen. In der Tat eine große Aufgabe, Gedanken zu dem Thema zu machen. der wir uns stellen wollten! IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 21 HELLO WHATSAPP! Die zweite Nachricht sollte gegen 12 Uhr – tendenziell in Textform – weitere Hintergrundinformationen liefern, die dritte gegen 16 Uhr – tendenziell in Videoform – ein spannendes Detail herausgreifen und erklären und die vierte gegen 20 Uhr auf den UserInnen-Input Bezug nehmen. Darüber hinaus sah unser Konzept eine YouTube-Playlist vor, in der wir täglich fünf Videos zusammenstellen wollten. Längere Dokus, spannende Hintergrundfilme, auch satirische Beiträge – immer speziell für unsere Zielgruppe ausgewählt. So könnten wir dem Wunsch vieler UserInnen gerecht werden, sich bei Bedarf eben doch noch ausführlicher mit einem Thema zu befassen. Auf unsere YouTube-Playlist wollten wir immer kurz in unserer vierten und damit letzten Message am Tag verweisen. Unterhaltsam! Aber nicht unseriös! Unsere Nachrichten sollten einander sinnvoll ergänzen und auch als Gesamtpaket für unsere UserInnen interessant sein, die sich erst abends alle Infos auf einmal anschauen würden. Gleichzeitig sollte unser News-Angebot möglichst vielen weite-ren Bedürfnissen der UserInnen gerecht werden. Kurz und knapp informieren, ohne oberflächlich zu sein; unterhalten, ohne unseriös zu wirken. Eine lockere Ansprache finden, ohne sich bei ihnen anzubiedern. Ein schwieriger Spagat – klar! Zumal hier auch die individuelle Wahrnehmung oftmals ganz verschieden sein würde. 22 | NEWS PER WHATSAPP Jede Nachricht sollte in ihrer Form dem Alltagsrhythmus unserer UserInnen angepasst sein. Audiovisuellen Content wollten wir entweder morgens oder abends verschicken. Wir wussten: Zu dieser Zeit würden sich unsere UserInnen größtenteils im WLAN befinden und müssten sich keine Sorgen wegen der Datenmenge machen. Mit unserem Konzept wollten wir uns nun an die Zielgruppe herantrauen und unsere insgesamt dreiwöchige Testphase beginnen. Nach einer Woche wollten wir unsere UserInnen nach Feedback fragen, unseren Ansatz auf den Prüfstand stellen und mit einem optimierten Konzept unser News-Angebot anschließend noch zwei weitere Wochen testen. Außerdem gingen wir davon aus, dass sie tagsüber sowieso deutlich weniger Zeit haben würden, sich Videos anzuschauen oder Audios anzuhören. Für die Mittagszeit stellten wir uns daher schnell konsumierbaren Content vor, der sich auch für den Pausenhof in der Schule eignen würde. Würde unser Konzept funktionieren? Um ein Gefühl dafür zu bekommen, entschieden wir uns für eine kurze interne Testphase, in der wir Inhalte für unser News-Angebot erstellten und die Abläufe durchspielten. Auf diese Weise konnten wir auch den redaktionellen und technischen Workflow erstmals proben. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 23 TagesschauBETA: UNSER NEWS-ANGEBOT FÜR 17- BIS 19-JÄHRIGE Ein Konzept hatten wir also schon einmal, was noch fehlte war zunächst die konkrete Ausgestaltung unseres WhatsApp-Kanals. In Absprache mit unserem Projektpartner ARD-aktuell fanden wir daher zunächst einen Namen für unseren Kanal: TagesschauBETA. Es ist ein Angebot der Tagesschau, befindet sich aber ganz eindeutig noch im Experimentier-Stadium. 24 | NEWS PER WHATSAPP Von Augsburg bis Weimar: Auf der Suche nach Test-UserInnen Vor allem aber fehlten uns noch diejenigen, für die wir uns den Kopf zerbrachen: unsere Test-UserInnen. Die jungen Menschen, die wir von unserem Angebot überzeugen wollten. 17- bis 19-Jährige, die unser News-Angebot auf WhatsApp drei Wochen lang genauestens verfolgen sollten, um uns dann Feedback zu geben: Was gefällt ihnen? Was sollten wir verbessern? In Absprache mit ARD-aktuell entschieden wir uns für folgende Herangehensweise: Etwa 50 Test-UserInnen sollten es in der ersten Testphase sein, etwa 200 in der zweiten. Dabei wollten wir sehr genau darauf achten, tatsächlich weitestgehend UserInnen aus der von uns anvisierten Zur Namensgebung gehörte auch ein Zielgruppe der 17- bis 19-Jährigen für unLogo, das wir als Profilbild für WhatsApp seren Test zu gewinnen. Wir suchten also und den YouTube-Kanal verwendeten. einen bunten Mix aus AbiturientInnen, Dieses wurde uns von ARD-aktuell bereit- Auszubildenden und ErstsemesterInnen. gestellt, ebenso wie ein Wasserzeichen, Männlich und weiblich, aus Groß- und mit dem wir Fotos und Videos kennzeich- Kleinstädten sowie vom Dorf. Für diese Gruppe hatten wir unser News-Angebot nen konnten. schließlich konzipiert. Rückmeldungen anderer UserInnen würden uns bei unserem Test nicht helfen. Eine Anlehnung an den Namen Tagesschau war uns allerdings sehr wichtig. Schließlich hatten wir in unserer Feldforschung immer wieder gemerkt, dass die Marke Tagesschau bei den 17- bis 19-Jährigen sehr bekannt ist, auch wenn sie bei vielen als verstaubt und langweilig gilt. Oftmals wurde die Tagesschau gar als Synonym für “seriöse Nachrichten” verwendet. Es gab für uns also keinen Grund, uns vom etablierten Namen Tagesschau abzugrenzen und unserem News-Angebot einen vermeintlich cooleren Namen zu geben. Auch unseren YouTube-Kanal nannten wir TagesschauBETA. Den bekannten Namen nutzen und versuchen, die Marke Tagesschau auch einer jüngeren Zielgruppe schmackhaft zu machen! IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 25 TagesschauBETA Daher sollte unser Test auch nicht an die große Glocke gehängt und über die Kanäle der Tagesschau beworben werden. Damit hätten wir zwar auf einen Schlag viele Menschen erreicht – aber eben nicht ausschließlich unsere Zielgruppe. Gleichzeitig nahmen wir in Kauf, dass wir mit dieser Herangehensweise nicht testen konnten, wie viele UserInnen von sich aus Interesse an unserem News-Angebot zeigen würden. Stattdessen griffen wir zunächst auf unsere InterviewpartnerInnen aus der Feldforschung zurück. Wir baten sie darum, sich für den Test unseres News-Angebots anzumelden und auch FreundInnen und Bekannte dafür zu begeistern. Darüber hinaus nutzen wir sämtliche persönlichen Kontakte von uns selbst sowie der 26 | NEWS PER WHATSAPP KollegInnen des MIZ-Babelsberg und ARD-aktuell. Zusätzlich wurde unser Test auch über den Newsletter und die Social Media-Kanäle des MIZ-Babelsberg beworben: Hilfreich war hier vor allem die Möglichkeit, mit Facebook-Werbung gezielt die von uns gesuchte Zielgruppe anzusprechen. Dennoch war ein weiterer Kraftakt nötig, um genügend Test-UserInnen zusammen zu bekommen. Per E-Mail schrieben wir circa 90 Schulen und Ausbildungsstätten an. Zufällig gewählte Adressen aus Berlin und Hamburg, Bottrop und Schwanewede oder Augsburg und Weimar. Wir baten sie, ihre SchülerInnen und Auszubildenden auf unseren News-Test auf WhatsApp hinzuweisen. WhatsBroadcast: Unser externer Dienstleister Alle Test-UserInnen mussten sich eigenständig für unser News-Angebot anmelden. Damit stimmen sie zu, dass wir ihnen während unserer Testphase vom 11. Januar bis 2. Februar 2016 Nachrichten via WhatsApp schicken durften. Gleichzeitig stimmten sie auf diese Weise den Bedingungen unseres Tests zu. Insbesondere in Hinblick auf den Aspekt des Datenschutzes beim Speichern der Handy-Nummern war dies von Relevanz. An dieser Stelle kommt der Dienst WhatsBroadcast ins Spiel, über den wir unseren News-Versand organisierten: WhatsBroadcast stellte uns ein Template zur Verfügung, mit dem wir ein Registrierungsformular auf unserer Infoseite einbinden konnten. Durch die Angabe ihrer Handy-Nummer in dem genannten Formular konnten sich die Test-UserInnen somit für unser News-Angebot registrieren. Die UserInnen mussten die Handynummer von TagesschauBETA, die ihnen auf unserer Infoseite angezeigt wurde, in ihrer Kontaktliste abspeichern. Anschließend mussten sie uns eine erste Nachricht mit dem Betreff “Start” zuschicken. Erst dann wurden sie im Verwaltungssystem von WhatsBroadcast grün markiert und damit endgültig in unseren News-Verteiler aufgenommen. Freie Fahrt für TagesschauBETA! Generell erleichterte uns die Zusammenarbeit mit WhatsBroadcast in vielerlei Hinsicht die Arbeit: Schließlich übernahm der Dienst für uns die gesamte Verwaltung unserer UserInnen. Das heißt, wir brauchten weder ein Smartphone noch eine SIM-Karte. Stattdessen konnten wir dank WhatsBroadcast bequem über eine Web-Oberfläche agieren. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 27 Nur Audios ließ WhatsBroadcast nicht zu. Diese mussten wir getarnt als Videos verschicken. Dass sich der Dienst bereits während unseres Tests weiterentwickelte, war hierbei eine freudige Erkenntnis: Am letzten Tag unserer Testphase waren plötzlich auch Audios möglich - leider zu spät für unseren Test. Über WhatsBroadcast konnten wir nicht zuletzt auch die gesamte User-Kommunikation abwickeln, ohne den Überblick zu verlieren. WhatsBroadcast zeigte uns immer an, welche Nachrichten wir bereits beantwortet hatten und welche UserInnen noch auf eine persönliche Antwort von TagesschauBETA warteten. Wir hatten bezüglich WhatsBroadcast allerdings auch Bedenken: 28 | NEWS PER WHATSAPP Mehrere andere Newsletter-Angebote waren in der Vergangenheit von WhatsApp ge- sperrt worden, nachdem sie mit einem externen Dienstleister zusammengearbeitet hatten. Auf Grund der hohen Frequenz an Nachrichten wurde ihr Angebot als Spam gekennzeichnet. Hintergrund: WhatsApp selbst sieht den Messenger derzeit ausschließlich als privaten Kanal und sträubt sich gegen eine anderweitige Nutzung, vor allem kommerzieller Art. Die Alternative zur Zusammenarbeit mit diesem externen Dienstleister wäre gewesen, die Handy-Nummern aller UserInnen einzeln in so genannte Broadcast-Listen einzutragen. Wir hätten zudem den gesamten News-Versand und die gesamte User-Kommunikation via Smartphone bzw. über WhatsApp Web gestalten müssen. Diese Variante wäre wohl im Endeffekt deutlich chaotischer verlaufen. Einschränkungen beim Bildmaterial Mit welchem Material können wir während unserer Testphase überhaupt arbeiten? Sprich: Welche Fotos und welche Videos dürfen wir verwenden, um daraus unseren WhatsApp-kompatiblen News-Content zu basteln? Auch diese wichtige Frage mussten wir vor dem Start noch beantworten. Die Überlegungen, die dahinter standen, waren durchaus komplex: Auch als BETA-Version in einer Testphase mussten wir selbstverständlich rechtliche Aspekte beachten. Wichtig war dabei die Tatsache, dass der Versand von Dateien via WhatsApp als Download gewertet wird. Daher gelten hierbei andere Regeln als bei der Veröffentlichung auf einer Internetseite. Wir konnten daher nur Material verwenden, dessen Verwendung uns in diesem Sinne ausdrücklich erlaubt war. Konkret war es so, dass wir sämtliches selbstgedrehtes Videomaterial von ARD-aktuell verwenden konnten. Dieses konnten wir uns von der Seite tagesschau. de selbstständig in HD-Qualität downloaden und daraus auch Stills exportieren. Die Qualität der Bilder war für unsere Verwendung meistens ausreichend. TagesschauBETA Darüber hinaus hatten wir über einen Account von ARD-aktuell Zugriff auf Videomaterial der European Broadcasting Union. Dieses konnten wir – bis auf Ausnahmen – in gleicher Weise verwenden wie das selbstgedrehte Material von ARD-aktuell. Leider konnten wir nicht auf Fotomaterial der Bildagenturen wie dpa und afp zurückgreifen. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 29 TagesschauBETA Ergänzend zu den oben beschriebenen Möglichkeiten, suchten wir daher auf verschiedenen Plattformen nach passenden Fotos mit Creative Commons-Lizenzen, unter anderem auf flickr.com und jugendfotos.de. Von unseren AnsprechpartnerInnen bei ARD-aktuell bekamen wir regelmäßig Planungslisten. Diese halfen uns, einen Überblick über mögliche Themen zu bekommen und gleichzeitig auch zu wissen, welches Material von Seiten der Tagesschau zur möglichen Verwendung zu erwarten war. Vom Privileg, eine leidenschaftliche WUT zu haben Wir bekamen Unterstützung von der “WUT” in Hamburg - die Webvideo-Unit der Tagesschau. Sie ist zuständig für Innovationen in der Tagesschau-Redaktion. Zeitgleich zu unserem Projekt bespielte die WUT täglich den Instagram-Account der Tagesschau mit kreativem Content, also mit Fotos und Kurzvideos, so wie wir sie als einen Bestandteil unseres News-Angebots auf WhatsApp ebenso vorgesehen hatten. Daher vereinbarten wir mit dem WUTTeam einen täglichen Ideenaustausch. Im Regelfall telefonierten wir morgens kurz miteinander, oft allerdings auch mehrmals am Tag. Dies führte dazu, dass wir mehrfach WUT-Content nutzen konnten. In einigen Fällen konnten wir auch gezielt gemeinsamen Content produzieren. Die entsprechenden Videos konnten somit parallel für Instagram und WhatsApp verwendet werden. 30 | NEWS PER WHATSAPP IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 31 DREI INTENSIVE WOCHEN: UNSERE TESTPHASE HITLER, FUSSBALL & EMOJIS Von Adolf Hitler bis hin zu minderjährigen Fußballtalenten. In unserer ersten Testwoche hatten wir eine große Themenvielfalt zu bieten. Am ersten Tag thematisierten wir die Neuerscheinung von “Mein Kampf”. Am zweiten Tag griffen wir die Debatte über sexuelle Gewalt gegen Frauen auf. Am dritten Tag wiederum befassten wir uns mit dem Terroranschlag in Istanbul. Darauf folgten am vierten Tag Beiträge zum EU-Verfahren gegen Polen zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit. Am fünften und letzten Tag unserer ersten Testphase behandelten wir auf Grund der Transfersperre der FIFA gegen Real Madrid die Situation Minderjähriger im Profifußball. 32 | NEWS PER WHATSAPP Dabei war die Festlegung auf ein Thema oftmals gar nicht leicht: Sich für ein Thema zu entscheiden, bedeutete natürlich für den jeweiligen Tag automatisch, auf alle anderen möglichen Themen zu verzichten. Wir entschieden uns immer für eines, das wir speziell für unsere Zielgruppe relevant fanden. Ebenso wichtig war bei der Auswahl des Themas, dass wir eine Idee hatten, wie wir einen interessanten Zugang für unsere 17- bis 19-jährigen UserInnen schaffen konnten; bezogen sowohl auf die inhaltliche Herangehensweise als auch auf die Form. Dabei war es entscheidend für uns, eine Möglichkeit zu finden, die über die bloße Wiedergabe der Meldung hinausging. Drei Beispiele 1. Wie beliebt war Hitler wirklich? Um uns dieser Frage anzunähern, stellten wir die Anzahl der gedruckten Exemplare von “Mein Kampf” anhand von Bücher-Emojis dar. Die Nachricht, die unsere UserInnen von uns bekamen, war recht lang, aber anschaulich. Unser Ansatz war es, 22.000 gedruckte Exemplare bis 1930 in ein korrektes Verhältnis zu 12,5 Millionen gedruckten Exemplaren bis 1945 zu setzen. 2. Wo wütet der Terror am meisten? In Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Istanbul schickten wir unseren UserInnen eine Grafik, in der wir die Anzahl an Toten in Folge von Terrorismus in ein weltweites Verhältnis setzten. Wir zeigten: 78 Prozent der Todesopfer in Folge von Terrorismus waren 2014 in fünf Ländern zu beklagen (Irak, Nigeria, Afghanistan, Pakistan und Syrien); nur 22 Prozent im Rest der Welt. 3. Wie genau funktioniert’s? Das EU-Verfahren gegen Polen zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit stellten wir in einem #kurzerklärt-Video dar. Entwickelt haben wir es zusammen mit der WUT. In 15 Sekunden versuchten wir darin deutlich zu machen, in welchen Schritten das Verfahren abläuft. Sprachnachrichten aus Bus und Bett Die Fragen, mit denen wir unsere UserInnen morgens zu unserem Thema des Tages konfrontierten, lauteten zum Beispiel: “Soll man ‘Mein Kampf’ lesen – vielleicht sogar im Schulunterricht?” oder “Sollten so junge FußballerInnen schon früh zu internationalen Top-Clubs wechseln?” Als wir das Thema “Sexuelle Gewalt gegen Frauen” anteasten, stellten wir ein einziges Mal keine konkrete Frage. Dabei machten wir die Erfahrung, dass die Beteiligung der UserInnen nicht zwangsläufig von der direkten Fragestellung abhing, da auch so recht viele Kommentare bei uns eingingen. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 33 TESTPHASE Die Kommentare der UserInnen verwerteten wir in dieser ersten Testwoche regelmäßig: Entweder stellten wir mehrere Kommentare in Textform zusammen oder wir verarbeiteten sie in einer von uns mit dem Smartphone aufgenommenen Audio-Zusammenfassung: Auch Sprachnachrichten der UserInnen integrierten wir darin. Diese wurden von den Jugendlichen – wie unschwer zu hören war – sowohl im Bus als auch in verschlafenem Zustand aus dem Bett heraus verfasst. Damit beantwortete sich auch die Frage, ob die UserInnen den Trend mit Sprachnachrichten zu kommunizieren, auch gegenüber einem News-Format anwenden würden. Wir freuten uns, unsere Testgruppe auf diese Weise ein wenig näher kennen lernen zu können! Das führte oftmals dazu, dass aus einer geplanten Nachricht doch zwei wurden (Foto oder Video als eine Nachricht plus Text in einer zusätzlichen Nachricht). Somit verdoppelte sich die tatsächliche Anzahl unserer täglichen WhatsAppNachrichten manches Mal gar von vier Wie wir in der Parallelwelt WhatsApp auf acht. Außerdem wurde uns in unserem redaktionellen Alltag klar, dass auch versanken Generell lernten wir in dieser ersten für ein vermeintlich einfaches Medium wie Woche die Vielfalt der verfügbaren Emo- WhatsApp die Erstellung von News-Conjis zur Strukturierung unserer Nachrichten tent aufwändig sein kann. Denn einer zu schätzen. Wir lernten auch, dass wir knappen Darstellung kann durchaus eine angesichts der begrenzten Zeichenzahl intensive Recherche oder langwierige häufig eine zweite Nachricht benötigten, Materialsuche voraus gehen! Im Regelfall um unseren Begleittext zu einem Foto waren wir in der ersten Woche von circa oder Video sinnvoll formulieren zu 10.00 Uhr - 20.00 Uhr in unserer “Redakkönnen. Uns standen für den Begleit- tion” im MIZ-Babelsberg. Dabei organitext nur 140 Zeichen zur Verfügung. sierten wir uns so, dass wir uns bei der Erstellung des diversen Contents aufteilten, generell aber über alle Ergebnisse gemeinsam diskutierten. 34 | NEWS PER WHATSAPP Wichtig war dabei für uns eine interne WhatsApp-Gruppe, in der wir uns die Nachrichten einander testweise immer vorab zuschickten. Ebenfalls hilfreich war die Verwendung von WhatsApp Web. So konnten wir weitestgehend am Laptop arbeiten und mussten nicht jede Nachricht ins Smartphone tippen. In unsere redaktionellen Abläufe waren zudem mehrere KollegInnen von ARDaktuell in Hamburg eingebunden. Mit ihnen hatten wir uns in einer weiteren WhatsApp-Gruppe vernetzt. Dort diskutierten wir die einzelnen Bestandteile des News-Angebots von TagesschauBETA und holten uns das “Go!” für unsere WhatsApp-Nachrichten. Die Abnahme sollte immer innerhalb von maximal 45 Minuten erfolgen, was sehr gut funktionierte. Die erste WhatsApp-Nachricht des Tages bereiteten wir dabei immer schon am Vorabend vor und ließen sie von ARD-aktuell abnehmen. Zwischenfazit: Mehr Themen - und bitte kein Fußball! Unsere erste Test-Woche könnte resümierend als intensiv und lehrreich beschrieben werden - abgesehen davon, dass wir auch eine Menge Spaß beim Erstellen des News-Contents und Kommunizieren mit unseren UserInnen hatten. Von ihnen bekamen wir schon während der ersten Woche einiges an Feedback. Auf Nachfrage schickten uns viele UserInnen zudem am Wochenende nach der ersten Testwoche einige recht ausführliche Bewertungen. Einige Punkte stachen heraus, weil sie immer wieder genannt wurden. So wünschten sich viele UserInnen eine größere Themenvielfalt anstatt der engen Fokussierung auf ein Schwerpunktthema. Generell kam auch die Themenauswahl unterschiedlich gut an. Beispielsweise war manchen die Diskussion über “Mein Kampf” gleich als erstes Thema ein zu schwerer Stoff. Die jugendlichen FußballerInnen hätten andere wiederum lieber beim Kicker gesehen als bei TagesschauBETA. Darüber hinaus wünschte sich die Mehrzahl unserer UserInnen einen Überblick über Geschehnisse in Deutschland einerseits sowie internationale Themen andererseits. Auch ein zusätzlicher Bedarf an verständlichen Grafiken und Fakten zur Einordnung wurde mehrfach geäußert, ebenso wie die Frage nach weiterführenden Links. Unsere YouTube-Playlist hingegen stieß auf wenig Gegenliebe. Das konnten wir auch an der überschaubaren Klickzahl der Videos erkennen. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 35 Acht Rubriken für die zweite Testphase #kurzerklärt, #zahldestages, 1. #kurzerklärt: Diese Rubrik hatten wir be#undsonstnoch? reits in der ersten Testphase von den Anhand dieses Feedbacks diskutierten KollegInnen der WUT übernommen. In wir unsere ersten Erkenntnisse mit dem der zweiten Testphase nutzten wir sie Projektpartner ARD-aktuell und übernun häufiger. Zentraler Ansatz war es, dachten unser ursprüngliches Konzept. ein komplexes Thema vereinfacht darzustellen und verständlich zu machen. Wir Als erste Konsequenz verwarfen wir unbespielten die Rubrik vor allem mit Videos seren monothematischen Ansatz, um und erklärten beispielsweise die Funktion den Wunsch unserer UserInnen nach eines Flüchtlings-Hotspots oder welche mehr Themen gerecht werden zu könGründe es für das Verbot von E-Zigaretnen. Gleichzeitig wollten wir weiterhin ein ten und E-Shishas für Jugendliche gibt. News-Angebot zur Verfügung stellen, das Wir legten uns allerdings nicht auf die Viihnen Orientierung bieten konnte. Dadeoform fest, sondern nutzten #kurzerklärt her entschieden wir uns, in der zweiten auch, um unseren UserInnen kurze Texte Testphase mit Rubriken zu arbeiten. So mit erklärenden Fakten zu schicken – konnten wir sowohl strukturieren als auch beispielsweise zum Schengen-Raum. beliebig viele Themen aufgreifen. Wir erhofften uns zudem, so im Vergleich zur monothematischen Herangehensweise effizienter arbeiten zu können. Vier spannende Ansätze für ein Thema zu finden, war insgesamt recht zeitaufwändig. Jeweils nur einen spannenden Dreh für verschiedene Themen zu finden, stellten wir uns leichter vor. 36 | NEWS PER WHATSAPP TESTPHASE 2. Die Rubrik #einerseits #anderseits diente dazu, Pro- und Contra-Argumente in einer Debatte gegenüber zu stellen. Ein 5. Eine Rubrik, die uns erlaubte, besonders Beispiel: “Sollen Flüchtlinge anhand einanschaulich zu arbeiten, war die #zahler Quote in der EU fair verteilt werden?” destages, meistens in Verbindung mit Damit wollten wir dem Bedarf der Usereinem Foto. Es ging beispielsweise um Innen nach Einordnung strittiger Theeine Lastwagenladung Plastikmüll, die men gerecht werden. Wir bespielten jede Minute im Meer landet. Um zwei die Rubrik zum einen in Textform und Millionen Überstunden, die von der Bunarbeiteten zur Strukturierung häufig mit despolizei bei der Kontrolle der Grenze Emojis (Daumen noch, Daumen runter). zu Österreich seit September geleistet Zum anderen stellten wir Argumente wurden. Oder um 64 Zentimeter Neuverschiedener Personen auch im Bild schnee, die innerhalb von 24 Stunden in mit Zitaten gegenüber. New York während des Blizzard Jonas 3. Relativ ähnlich nutzten wir die Rubrik gefallen waren. #streitpunkt, in der wir auch kontroverse Argumente darstellten. Beispielsweise ging es in einem Video um die Frage, ob man mit der AfD diskutieren solle oder nicht. 4. #blickwinkel: Diese Rubrik diente dazu, die Meinung einer einzelnen Person darzustellen. Wir bespielten sie sowohl mit Audio- als auch mit Video-Content. Ganz verschiedene #blickwinkel waren darunter: ein Kommentar von Isabella zu rechter Gewalt in Deutschland, ein Kommentar einer ARD-Reporterin zu Antisemitismus in Deutschland oder ein Beitrag eines Users zum Verbot von E-Zigaretten für Jugendliche. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 37 TESTPHASE 6. Weiterhin kreierten wir eine Rubrik, in der wir Vor-Ort-Eindrücke darstellen konnten: den #einblick. Hierzu gehörte beispielsweise eine Audio-Reportage aus der Südtürkei, in der die Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Human Rights Watch von “Zerstörungen wie in Syrien” berichtete. Eine andere Form unseres #einblicks waren auch 360°-Bilder, die ARD-Korrespondenten in Peking aufgenommen hatten. 7. Eine wichtige Ergänzung zu unserer ersten Testphase war die Rubrik #undsonstnoch. Hiermit lieferten wir unseren UserInnen einmal täglich gegen 19.00 Uhr die gewünschte Übersicht über wichtige Themen des Tages, über die wir zuvor noch nicht berichtet hatten – etwa drei aus dem Inland sowie drei aus dem Ausland. Wir versuchten die News so zu formulieren, dass die wichtigsten Infos in möglichst wenige Sätze passten, wobei wir bei der Länge der einzelnen Meldungen gleichzeitig auch ein wenig herumexperimentierten. Zudem verwiesen wir jeweils auf einen längeren Artikel auf tagesschau.de. Damit machten wir ein Angebot zur ausführlicheren Information. Die Links kürzten wir mit dem Dienst bit.ly, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten und die Klickzahlen analysieren zu können. Die einzelnen Meldungen strukturierten wir mit Emojis (Deutschland- bzw. EU-Flagge oder Weltkugel). 38 | NEWS PER WHATSAPP Unser Highlight: #FragEinenKorri 8. Von vornherein hatten wir uns für die zweite Testphase noch ein besonderes Element überlegt: #FragEinenKorri. In dieser Rubrik wollten wir ehemalige Top-Themen aufgreifen, die in jüngerer Vergangenheit ein wenig untergegangen waren. Unsere Idee sah zudem eine exklusive Interaktionsmöglichkeit für unsere UserInnen vor: Sie sollten ARD-KorrespondentInnen aus den entsprechenden Berichtsgebieten ihre Fragen stellen können. Konkret sollte es um die Situation in Fukushima nach der Reaktorkatastrophe und den Ukraine-Konflikt gehen. Die Redaktion von ARD-aktuell stellte uns auf kurzem Dienstweg Kontakte zu den AuslandskorrespondentInnen her. So konnten wir Birgit Virnich aus dem ARD-Studio Moskau sowie Uwe Schwering aus dem ARD-Studio Tokio für unser Projekt gewinnen. Per E-Mail sowie per Telefon brieften wir sie für ihren Einsatz. Sie sollten mit ihrem Handy Audios aufzeichnen, die maximal eine Minute lang sein durften. Außerdem baten wir sie in Hinblick auf unsere junge Zielgruppe darum, möglichst locker zu formulieren und eine direkte Ansprache zu wählen. Ab Mitte der Woche riefen wir dann jeweils unsere UserInnen dazu auf, uns ihre Fragen an die KorrespondentInnen zu schicken. Gleichzeitig bekamen die UserInnen schon mal ein paar Fakten und Bilder von uns, um so in das Thema hinein zu finden. In beiden Fällen hatten wir jeweils am Donnerstag so viele Fragen beisammen, so dass wir vier auswählen und sie den Korris schicken konnten. Tête-à-Tête mit den UserInnen: Eine äußerst angenehme 1:1-Kommunikation Generell machten wir bei der Kommunikation mit unseren UserInnen ausschließlich positive Erfahrungen. Sie waren uns wohlgesonnen und kommunizierten mit uns durchgehend in einer überaus freundlichen Weise. Ein wichtiger Grund hierfür war sicher, dass unsere UserInnern wussten, dass es sich um einen Test handelte. Ebenso wussten sie, dass wir ihnen noch kein fertiges Angebot präsentierten und dass wir ihre Rolle als Feedback-GeberInnen wertschätzten. Auf welchem Weg die Kommunikation stattfand, lag andererseits auch an der Plattform selbst: Auf WhatsApp handelt es sich immer um eine 1:1-Kommunikation mit den UserInnen. Das heißt, dass nur wir und die jeweiligen UserInnen die entsprechenden Nachrichten sehen konnten. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 39 Es gab also keine langen Diskussionen unter mehreren UserInnen mit möglicherweise beleidigendem Inhalt. Außerdem entfiel für uns die Notwendigkeit, eventuelle Hass-Kommentare zu löschen. Gleichzeitig gab es für die UserInnen keine Motivation, solche überhaupt erst zu verfassen. Andererseits war die 1:1-Kommunikation mit den einzelnen UserInnen auch zeitaufwändig, für uns angesichts der eher kleinen Testgruppe aber noch gut zu stemmen. Wir versuchten, auf alle UserInnen einzugehen und ihre Fragen so gut wie möglich zu beantworten. Herzchen, Äffchen & konstruktives Feedback Gleichzeitig bekamen wir neben dem inhaltlichen Feedback auf einzelne Nachrichten auch zwischendurch kleine konstruktive Hinweise von unseren UserInnen: beispielsweise wenn der News-Versand im Einzelfall nicht richtig funktionierte oder wenn sich mal ein kleiner Fehler in eine unserer Nachrichten eingeschlichen hatte. 40 | NEWS PER WHATSAPP Das UserInnen-Feedback war immer sympathisch im Tonfall, oft mit einem Augenzwinkern, gerne auch mit Smilies – in Form von Herzchen oder Äffchen. Um unseren UserInnen zeitnah auf ihre Nachrichten antworten zu können, organisierten wir uns so, dass immer eine/r aus unserem Team ein Auge auf die eingehenden Nachrichten der UserInnen hatte, was im Besonderen für den frühen Morgen relevant war. Dabei stellten wir fest, dass uns unsere UserInnen meist direkt im Anschluss an eine unserer Nachrichten schrieben. Der Kontakt mit unseren UserInnen wurde schnell auch persönlich: Bei einigen ging es sogar so weit, dass sie uns fragten, wie es uns denn gehe oder uns Fotos von ihrer Ausbildungsstätte schickten. Wir versuchten darauf einzugehen. Dazu gehörte, dass wir oft kenntlich machten, mit wem von uns dreien es die UserInnen gerade zu tun hatten. FINALES FEEDBACK: WAS DENKEN UNSERE USERINNEN? Auch wenn wir bereits während des Tests immer wieder Feedback von unseren UserInnen erhalten hatten, blieben noch immer viele offene Fragen, um eine echte Bilanz aus unserem WhatsApp-Newstest zu ziehen. Haben wir die zentralen Bedürfnisse der 17- bis 19-Jährigen im Umgang mit Nachrichten ausgewählt? Ist WhatsApp überhaupt eine geeignete Plattform, um diese Zielgruppe mit News zu erreichen? Haben wir die richtigen Themen ausgesucht und angemessen aufbereitet? Über WhatsBroadcast ist es nicht möglich zu sehen, wie oft oder wann eine Nachricht von den UserInnen abgerufen wurde. Auch hier entwickelt sich der Dienstleister weiter. Mittlerweile können Links direkt bei WhatsBroadcast gekürzt werden, zukünftig ist also einsehbar, wie viele UserInnen auf die Links klicken. Für unsere Testphase gilt jedoch: Informationen über das Nutzerverhalten konnten wir nur von den UserInnen selbst bekommen. Aus diesem Grund haben wir mit Google Forms einen ausführlichen Fragebogen erstellt. Als Anreiz konnten wir über das MIZ-Babelsberg insgesamt zehn mal 30 Euro unter allen TeilnehmerInnen verlosen. Daumen hoch für News auf WhatsApp Die grundsätzliche Beurteilung der UserInnen für unser Nachrichtenangebot auf WhatsApp fällt positiv aus: 88 Prozent der befragten TestnutzerInnen würden ein News-Angebot wie unseres auch weiterhin abonnieren. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 41 FINALES FEEDBACK 12 Prozent würden es “vielleicht” weiter nutzen, keiner hat hier “nein” angekreuzt. Aktuelle News über den MessengerDienst WhatsApp zu erhalten, wird von den UserInnen als informativer Mehrwert gesehen. Für einige scheint es jedoch auch nicht das richtige Angebot zu sein. Während des gesamten Tests haben sich insgesamt 21 Personen wieder abgemeldet. Über die Gründe für ihre Abmeldungen können wir nur spekulieren, da eine Kontaktaufnahme mit den ehemaligen UserInnen nicht mehr möglich ist. Aus dem Feedback der anderen schließen wir, dass die NutzerInnen sich besser informiert fühlen, auf Diskussionen beispielsweise in der Schule besser vorbereitet und außerdem gut unterhalten sind. News auf einer Plattform zu erhalten, auf der sie sonst vor allem privat kommunizieren, wird von ihnen nicht als Störfaktor angesehen. 88% 12% Ja NEWS-ANGEBOT ABONNIEREN vielleicht 42 | NEWS PER WHATSAPP 42 von 112 User 17,5 jahre NAHMEN AN DER UMFRAGE TEIL | DURCHSCHNITTSALTER 47% 53% Die NutzerInnen finden es unkompliziert und angenehm, über WhatsApp schnell und kompakt aktuelle News zu erhalten. Die meisten UserInnen bevorzugen dabei alle wichtigen Informationen auf einen Blick, anstatt nur einen Teaser oder Link zu einem Artikel zu bekommen. Das Feedback der UserInnen war oft unterschiedlich. Für die einen waren es zu viele Nachrichten, andere fanden die kurzen Infos zu oberflächlich und haben sich insgesamt mehr und längere Textnachrichten gewünscht. Während viele den multimedialen Content loben, frisst genau dieser für andere zu viel Datenvolumen. Hier zeigt sich, wie stark sich die Bedürfnisse der NutzerInnen innerhalb der Zielgruppe unterscheiden. Mit detaillierten Nachfragen zu den einzelnen Rubriken und Aspekten des Angebots haben wir versucht zu ermitteln, an welchen Punkten das Angebot für die gesamte Zielgruppe noch weiter verbessert werden könnte. MIR HAT DER TÄGLICHE NACHRICHTENFLUSS GEFALLEN, MAN HATTE IMMER ETWAS ZU LESEN. MIR HAT ES GEFALLEN, DIE NACHRICHTEN IMMER DIREKT AUF MEIN HANDY ZU BEKOMMEN, WHATSAPP LIEST JA EH JEDER JEDEN TAG. GUT AUFBEREITETE NACHRICHTEN, SCHNELL UND UNKOMPLIZIERT. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 43 DIE ARTIKEL UND VIDEOS WAREN ZU KURZ, UM WIRKLICH ÜBER DAS THEMA INFORMIERT ZU WERDEN. STARKER AUDIO-ANTEIL, DEN MAN MOBIL UND IM BÜRO NICHT IMMER ANHÖREN KANN. ZU VIELE INFOS, ZU VIELE THEMEN, MAN WURDE EIN WENIG ÜBERSCHWEMMT. 44 | NEWS PER WHATSAPP So wichtig wie die Nachrichten von FreundInnen – News werden direkt gelesen Mit einem WhatsApp-Kanal werden die UserInnen unmittelbar und direkt erreicht, das bestätigen auch die Ergebnisse unserer Testphase. Eine Push-Mitteilung von WhatsApp hat für die Zielgruppe einen sehr hohen Stellenwert – auch wenn die Nachrichten nicht von einem Freund oder einer Freundin kommen, sondern von einem News-Service. Um für News eine ähnlich hohe Aufmerksamkeit zu bekommen wie für eine persönliche Nachricht, ist es auch maßgeblich, wie viele Nachrichten man versendet und zu welchen Uhrzeiten. Fast die Hälfte unserer UserInnen fand die Anzahl der Nachrichten am Tag “genau richtig”. Fast genauso viele haben die Menge der News jedoch als “zu hoch” empfunden. Dennoch geben die meisten NutzerInnen an, sich täglich “fast alle” oder sogar “alle” News angesehen zu haben. Besonders gern haben die UserInnen die Nachrichten nachmittags und abends, aber auch morgens erhalten. Die News am Mittag sind im Vergleich zu den anderen Tageszeiten deutlich unbeliebter. Fast die Hälfte der befragten UserInnen hat die Nachrichten direkt gelesen, wenn sie diese erhalten haben. Der Rest gab an, die News erst nachmittags oder abends – bzw. sobald sie WLAN hatten – gelesen zu haben. FINALES FEEDBACK Nach der ersten Testwoche haben sich viele UserInnen gewünscht, von uns zu mehr als einem Thema Informationen zu erhalten. In der verbliebenen Testzeit haben wir deshalb pro Tag etwa drei bis vier Nachrichten zu unterschiedlichen News an unsere Testgruppe versendet. Teilweise bestanden die News jedoch aus mehr als einer WhatsApp-Nachricht. Die Ergebnisse des Fragebogens zeigen, dass sich die meisten – 54 Prozent unserer NutzerInnen – einen Mix aus Schwerpunktthema und News-Überblick für ein Nachrichten-Angebot auf WhatsApp wünschen. 44% genau richtig ANZAHL DER NEWS 39% zu hoch 34% 32% alle ANGESEHENE NEWS fast alle IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 45 FINALES FEEDBACK 24% 3-4/tag ideal ANZAHL DER NEWS 10% mehr als bisher Viele TesterInnen finden drei bis vier News am Tag ideal, nur wenige wünschen sich mehr Nachrichten als bisher. Bis zu acht Nachrichten am Tag waren für die meisten zu viel! Welche Themen für die Jugend? Der Dreh macht’s! Aus unseren Interviews mit den 17- bis 19-Jährigen hatten wir bereits vor Beginn der Testphase gelernt, was die Jugendlichen nicht wollen: gezwungen jugendlich angesprochen und mit typischen “Zielgruppenthemen” bombardiert zu werden. Unsere Zielgruppe hat großes Interesse daran, mit “harten News” versorgt zu werden, also auch mit Nachrichten über Politik, Krisen und Konflikte. Das bestätigt auch unser Test. 75% fanden die Themenauswahl gut oder sehr gut 46 | NEWS PER WHATSAPP Für eher lockerere Themen, wie beispielsweise internationale Transfers jugendlicher FußballerInnen steckten wir hingegen viel Kritik ein. Dennoch schadet es keineswegs, ein Auge auf Themen zu haben, die für die Jugendlichen von besonderem Interesse sein könnten. Ein News-Beitrag zum Verbot von E-Zigaretten für unter 18-Jährige war bei vielen von unseren Test-UserInnen sehr beliebt. Eine aktuelle politische Entscheidung also, die aber einen direkten Bezug zur Lebenswelt der Jugendlichen beinhaltet. Wir halten es für wichtig, bei allen Themen zu überlegen, warum sie wichtig für diese Zielgruppe sind und welche Aspekte dabei eine besonders große Rolle spielen. Man muss sich immer bewusst sein, dass man keinen Teaser für einen Artikel auf einer News-Homepage schreibt und über WhatsApp versendet. Vielmehr müssen die wichtigsten Informationen und der nötige Kontext direkt in einer Nachricht enthalten sein. Die versendete WhatsApp-Nachricht ist für die Zielgruppe und diesen Kanal das fertige News-Produkt. Nicht nur Fotos, kurze Videos und Emojis können dabei helfen eine Nachricht auf den Punkt zu bringen, auch klare Rubriken unterstützen dabei, Kontext zu schaffen. Auf den Punkt gebracht: #kurzerklärt Mit der Rubrik #kurzerklärt sollten die UserInnen kurz und kompakt die wichtigsten Fakten über ein News-Thema erhalten – und das kam bei den meisten richtig gut an. Viele TesterInnen gaben an, dass dieses Format ihnen einen “Überblick” verschafft habe, sie fanden die Rubrik “informativ” und “gut verständlich” – auch mal “eben schnell für unterwegs”. Mit den kurzen Videos und Nachrichten seien auch schwierige Themen zumindest grundsätzlich erklärt worden. Während einige angaben, die Rubrik habe ihnen den Anreiz gegeben, sich weiter über ein Thema zu informieren, hätte es für andere manchmal ruhig ausführlicher und weniger “oberflächlich” sein können. 56% 22% sehr gut RUBRIK #KURZERKLÄRT gut “ MAN HAT IN KURZER ZEIT ALLE WICHTIGEN FAKTEN ZU EINEM THEMA ERFAHREN, OHNE EIN ZEHNMINÜTIGES VIDEO ZU SEHEN. “ Erklären, Einordnen, Strukturieren – das kam gut an Besonders erfolgreich waren in unserem Test vor allem die Rubriken und Darstellungsformen, die für einen klaren Durchblick bei unseren UserInnen sorgten. Bei den besonders beliebten Darstellungsformen findet sich das entscheidende Bedürfnis der Zielgruppe nach Einordnung wieder. Das bedeutet auch, dass je klarer wir Rubriken für uns definierten und von anderen abgrenzten, desto besser kamen diese auch bei den TesterInnen an. Der konsequente und wiederholte Gebrauch von Emojis trug für die TesterInnen maßgeblich zu einer besseren Struktur des Nachrichtenflusses bei. Handliches Faktenwissen – die #zahldestages Ähnlich kurz und knackig sollte die Rubik #zahldestages sein. Der Test zeigt: In dieser Rubrik fühlten sich die User “über einen Fakt kurz und bündig informiert”. Die Zahlen hätten sie “überrascht, schockiert, verwundert”. Gerade wenn man sonst viele harte Fakten zu einem Thema verschickt, kann man mit dieser Rubrik ein News-Thema für diese Zielgruppe gut visuell und emotional aufbereiten. Die Zahl fällt auf, wird nicht so schnell vergessen und informiert die UserInnen gleichzeitig über ein aktuelles, relevantes Thema. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 47 49% 22% sehr gut RUBRIK #ZAHLDESTAGES gute sache Die Argumente der Debatte: #einerseits #andererseits Die Darstellung der unterschiedlichen Standpunkte war den UserInnen ganz besonders wichtig. Viele schrieben, dass sie so einen Überblick über die aktuelle Debatte gewinnen und sich selbst ihre eigene Meinung bilden konnten. Die Pro- und Kontra-Listen greifen ein Schema auf, das die Zielgruppe aus ihrem Alltag – zum Beispiel aus der Schule – kennt. Wenn Nachrichtenthemen so aufbereitet werden, sind sie für die Jugendlichen verständlicher, ermöglichen die eigene Meinungsbildung und auch die Teilnahme an Diskussionen. Die wichtigsten Argumente der Debatte knackig zusammenzufassen, ist nicht immer ganz einfach. Viele UserInnen geben an, dass diese Nachrichten teilweise zu lang gewesen seien. “ GUT KONTROVERS ERLÄUTERT. MAN KANN SICH SEINE EIGENE MEINUNG BILDEN, INDEM MAN DIE ARGUMENTE FÜR SICH ABWÄGT. “ 48 | NEWS PER WHATSAPP 65% 20% sehr gut #EINERSEITS #ANDERERSEITS gute sache #undsonstnoch – gefragter Tagesüberblick Bei drei bis vier Nachrichten am Tag muss man sehr gut auswählen, welche Themen man für die Zielgruppe aussucht. Da so nicht alle wichtigen Themen abgedeckt werden können, gab es am Abend einen News-Überblick. 59% 12% sehr gut #UNDSONSTNOCH gut Ein echter Hit – selbst zu Wort kommen und nachfragen Nicht nur die zahlreichen Rückmeldungen während unserer Testphase, sondern auch die Ergebnisse der Umfrage zeigen, Content, der durch die UserInnen selbst beeinflusst wurde, kam besonders gut an. Den NutzerInnen hat es gefallen, dass ihre Meinung und ihr Nachfragen etwas wert waren und sie ernst genommen wurden. FINALES FEEDBACK Ein anderer #blickwinkel “Wie denken andere in meinem Alter darüber? Ist meine Meinung überhaupt relevant?”. Für viele UserInnen war es etwas Besonderes, dass sie in einem journalistischen Format nach ihrer eigenen Meinung gefragt wurden. Zu vielen Themen haben wir viele Rückmeldungen von den UserInnen in Textform, aber auch als Sprachnachricht erhalten. Vor allem in der ersten Testwoche, in der es täglich nur um ein Thema ging, fragten wir oft nach der Meinung der TesterInnen und bekamen viel Feedback. Auch in der zweiten Testphase gab es bei gezieltem Nachfragen einiges an UserInnen-Feedback – vor allem dann, wenn die Themen einen direkten Zielgruppenbezug hatten. “ DASS IHR UNS ALS JUGENDLICHE DIREKT MITEINBEZOGEN HABT, WAR KLASSE! ES WAR INTERESSANT, MEINUNGEN ANDERER ZU HÖREN. EINFACH TOLL :) “ Viele schrieben, dass ihnen diese Rubrik sehr wichtig gewesen sei, um auf einen Blick zu erfahren, was sonst noch passiert ist. Bei der Länge des Überblicks haben wir oft mit längeren und kürzeren Fassungen variiert. Auch bei der Auswertung zeigt sich die notwendige Gratwanderung: Die meisten UserInnen klicken nicht auf die Links, sie wollen die Nachricht direkt verstehen, andererseits soll der Gesamttext nicht zu lang sein. Dieser Eindruck wird auch durch die Angaben im Fragebogen bestätigt. Die meisten finden es richtig gut, zu erfahren, wie andere über eine Sache denken. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 49 FINALES FEEDBACK 42% 27% sehr gut ZUSAMMENFASSUNG USERMEINUNG gut Viele UserInnen haben diese Möglichkeit der Interaktion auch erwähnt, als wir danach fragten, was ihnen an unserem WhatsApp-Newsangebot besonders gut gefallen hat. Die Zielgruppe möchte mitreden. Nicht jeden Tag – aber zumindest ab und an sollten sie bei einem Angebot auf WhatsApp ganz bewusst miteinbezogen werden. Nicht nur die Meinung anderer UserInnen, sondern auch der klassische journalistische Kommentar als kurzes Video oder Audio kam gut an. 46 Prozent unserer UserInnen hat es “sehr gut”, 29 Prozent “gut” gefallen, wenn wir oder ein ARD-Reporter ein Thema kommentiert haben. “ ES WAR SPANNEND, ETWAS VON LEUTEN ZU HÖREN, DIE DIREKT VOR ORT SIND. DAS SIND INFORMATIONEN AUS ERSTER HAND, DAS IST WIRKLICH HILFREICH UND WERTVOLL. “ 50 | NEWS PER WHATSAPP #FragEinenKorri: Der direkte Draht zu Experten vor Ort Mit der Rubrik #FragEinenKorri wollten wir ein besonderes Alleinstellungsmerkmal des Projektpartners ARD-aktuell ganz gezielt nutzen: das KorrespondentInnennetzwerk. Den KorrespondentInnen selbst Fragen zu einem Thema stellen zu können, kam bei vielen UserInnen sehr positiv an. Für sie stellte es einen besonderen Mehrwert dar, Informationen aus erster Hand zu bekommen. Diese Rubrik stellte einen “direkten und persönlichen Zugang zu ExpertInnen vor Ort” und etwas, was man “nirgendwo anders so leicht bekommt” dar. Den UserInnen ganz bewusst etwas zu bieten, das sie im täglichen Nachrichtenfluss sonst nirgendwo anders bekommen, könnte für einen Whatsapp-Newskanal einen echten USP darstellen. 56% 26,8% sehr gut #FRAGEINENKORRI 39% 34% .. vollig okay gut Emojis: Konsequent zur Einordnung nutzen Während des Tests haben wir mit verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Emojis experimentiert. Eindeutig ist weniger hier mehr. Vor unserem Test war uns nicht bewusst, dass man sich über jedes einzelne verwendete Emoji sehr lange Gedanken machen könnte. Unsere Auswertung zeigt, dass wir es genau richtig gehandhabt haben. Die Verwendung von Emojis gehört ganz klar zu WhatsApp. Welche Symbole wann verwendet werden, sollte nachvollziehbar sein und den UserInnen eine Einordnung ermöglichen. Besonders gut funktionierte der wiederholte Gebrauch derselben Emojis in einer bestimmten Rubrik oder auch die entsprechende Flagge des Staates, um den sich die News dreht. Auch Infografiken mit Emojis sind durchaus vorstellbar, die Nachrichten sollten jedoch insgesamt nicht zu lang werden. super VERWENDETE EMOJIS Die Ansprache: Plattformgerecht, aber nicht zu locker Die deutliche Mehrheit der befragten NutzerInnen findet, dass wir den richtigen Ton getroffen haben. Wir haben die UserInnen geduzt, aber keine gezwungen jugendliche Sprache verwendet. Der Zielgruppe ist bewusst, dass es um ernsthafte Nachrichten geht und sie will nicht kindlich und mundgerecht informiert werden. Wir haben uns bemüht, in den kurzen Texten keine unnötigen Fremdwörter zu verwenden, oft waren unsere Infotexte aber nah an den Formulierungen der Tagesschau. 82% 90% sehr ..gut verstandlich ANSPRACHE genau richtig IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 51 Kein wirklicher Hit – der #streitpunkt Auch in der Rubrik #streitpunkt ging es um unterschiedliche Standpunkte einer aktuellen Debatte, oft mit Zitaten unterschiedlicher PolitikerInnen. Im direkten Vergleich zu #einerseits #andererseits schneidet diese Rubrik deutlich schlechter ab. Für die meisten war die Rubrik eher “ganz okay” als ein wirklicher Hit. Die grundsätzliche Möglichkeit, unterschiedliche Positionen zu erfahren und selbst abzuwägen, bewerteten die NutzerInnen positiv. Die Ähnlichkeit zur Rubrik #einerseits #andererseits fiel negativ auf. Die Trennschärfe zwischen den beiden Rubriken war im Nachhinein nicht deutlich genug. Um das Profil des Angebots zu schärfen, würden wir diese Rubrik streichen. 52 | NEWS PER WHATSAPP Verzichtbarer #einblick Zwar fällt die Bewertung der UserInnen für die Rubrik #einblick rein statistisch relativ positiv aus – 41 Prozent von ihnen bewertete diese mit “gut” - hier lohnt sich jedoch ein genauer Blick auf die Kommentare. Wir haben die Rubrik verwendet, um den UserInnen neue, besondere Einblicke zu ermöglichen. “ DIESE RUBRIK IST NICHT SCHLECHT, HAT MIR IM VERGLEICH ABER AM WENIGSTEN GEFALLEN. “ Unklare Rubriken, unbeliebte Links – das waren die Flops Bei allem Lob unserer TesterInnen hat es auch Rubriken gegeben, die nicht so gut angekommen sind. Wenn wir eine Kategorie nicht klar genug definiert hatten, haben das auch die UserInnen bemerkt. Einen Daumen nach unten gab es auch für das Verschicken von Links – zumindest wenn man sich die Klickzahlen ansieht. Die verschickten News müssen für diese Zielgruppe also auch ohne weiterführenden Link zu einem Artikel funktionieren. Vielen UserInnen hat bei den verlinkten Panorama-Fotografien der Nachrichtenwert gefehlt oder es gab technische Probleme bei der mobilen Ansicht. Den #einblick zur Lage in der Südtürkei fanden viele spannend, streng genommen hätten wir diesen aber auch in einer anderen Rubrik laufen lassen können. Diese Rubrik haben wir nicht stark genug definiert und von anderen abgegrenzt – und das haben auch die UserInnen gemerkt. Bei einer Überarbeitung des Angebots würden wir diese Rubrik streichen. FINALES FEEDBACK Viele schrieben, dass sie keine Zeit gehabt hätten, diese zu nutzen oder diese nur im WLAN nutzen würden. Nur wenige wollen auf Links verzichten oder würden diese überhaupt nicht anklicken. Das zeigt einmal mehr, dass der Kern der News bereits direkt innerhalb der Plattform deutlich gemacht werden muss. Links – Ja, aber nur zur Sicherheit Nach dem ersten Teil unserer Testphase haben sich viele UserInnen Links zu weiterführenden Artikeln gewünscht. Anhand unserer Statistik war für uns jedoch klar ersichtlich, dass nur sehr wenige UserInnen diese wirklich nutzten. Wie auch schon aus unseren Interviews vor dem Test hervor gegangen war, will die Zielgruppe die News komplett innerhalb der Plattform lesen, sehen und verstehen können. Links, die aus WhatsApp herausführen, werden selten oder gar nicht genutzt. Ähnlich fällt auch die Bewertung der YouTube-Listen aus, die wir in der ersten Testwoche verschickt haben. Die UserInnen fanden die Idee gut und ansprechend, genutzt haben das Angebot jedoch nur sehr wenige. “Gute Idee, aber ich habe zu wenig Zeit dafür”, gab 46 Prozent von ihnen in der Auswertung an. Die Listen gut vorzubereiten ist relativ aufwendig. Wenn eine gute Dokumentation oder ähnliches vorhanden ist, würden wir vorschlagen, gezielt auf sie hinzuweisen. Ganze Listen zu erstellen, wäre erst dann sinnvoll, wenn es ohnehin einen gut aufgebauten YouTube-Kanal gibt und auch die UserInnen, die nicht nur auf WhatsApp unterwegs sind, davon profitieren. Die Auswertung macht deutlich, die Links stören nicht. Vielmehr scheint es eine Art Sicherheit auszustrahlen, wenn man sich theoretisch direkt weiter informieren könnte. 44 Prozent gaben an, dass es gut ist, wenn die Links vorhanden sind – angeklickt haben sie diese jedoch nicht. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 53 FINALES FEEDBACK Datenvolumen und Speicherplatz – den Mittelweg finden Für 49 Prozent der befragten UserInnen war die versendete Datenmenge “völlig okay”. Immer wieder haben die TesterInnen aber an unterschiedlichen Stellen im Fragebogen angegeben, dass sie lieber weniger Bilder oder Videos empfangen hätten. Viele haben bei WhatsApp die Funktion aktiviert, dass all diese Daten direkt in der Mediathek gespeichert werden; entsprechend schnell kann ein Handyspeicher voll sein. Will man mit einem News-Angebot auf WhatsApp auffallen, aber nicht stören, muss man beim Versand multimedialer Inhalte einen Mittelweg finden. Die UserInnen fanden es gut, den Content direkt über den Messenger zu erhalten, die Redaktion sollte sich jedoch Gedanken darüber machen, wie viele multimediale Inhalte am Tag wirklich notwendig sind. Auch wenn ein Bild mit Text oder ein kurzes Video oft visuell reizvoller wirken, muss man sich immer wieder fragen, ob die Information nicht auch mit Text und Emojis genauso gut dargestellt werden könnte. Es würde reichen, täglich ein Bild und zusätzlich ein Video zu verschicken und die restlichen Nachrichten mit WhatsApp-Text abzudecken. 54 | NEWS PER WHATSAPP REDAKTIONELLER WORKFLOW: BLOSS NEBENBEI? NEIN, WENN, DANN RICHTIG! Eine wichtige Herausforderung unseres News-Tests auf WhatsApp war es auch herauszufinden, wie sich das Bespielen einer zusätzlichen Social-Media-Plattform in den Workflow einer Redaktion einfügen kann. Wir haben unseren Test jedoch nicht innerhalb einer bestehenden Redaktion, sondern extern vom MIZ-Babelsberg in Potsdam aus durchgeführt. Durch die ständigen Absprachen mit dem Innovationsteam von ARD-aktuell konnten wir trotzdem bestimmte Abläufe und mögliche Synergieeffekte austesten. Durch den Test außerhalb der Redaktion standen wir aber vor einigen Herausforderungen, die es innerhalb einer bestehenden Redaktion so nicht unbedingt geben würde. Das betrifft unter anderem Fragen der Materialbeschaffung, aber auch das weitestgehend losgelöste Arbeiten von Redaktion und vom Social Media-Team. Andererseits haben wir so ganz unmittelbar getestet, wie ein solcher Kanal mit einem kleinen Team – dafür aber sehr intensiv – bespielt werden kann. Sind alle technischen und rechtlichen Fragen geklärt, ist ein WhatsApp-News-Kanal ähnlich bespielbar wie andere Social Media-Kanäle. Man kann mit WhatsApp mehr machen als nur Newsletter zu versenden. Es kann ganz gezielt journalistischer Content für Messenger-Dienste produziert werden, die Plattform bietet Spielraum für Storytelling. Durch einen Mix aus multimedialen Inhalten und klassischen Textnachrichten mit passenden, strukturgebenden Emojis kann ein vielfältiges News-Angebot entstehen. Dabei ist es wichtig, sich die Zielgruppe vor Augen zu halten und immer zu wissen, für wen man Inhalte produziert. Außerdem ist von Bedeutung, welche Besonderheiten man aufgrund der redaktionellen Ausrichtung – hier Nachrichtenjournalismus, insbesondere mit Zugang zum KorrespondentInnennetzwerk – in das Angebot einfließen lassen möchte. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 55 WORKFLOW Wer ein News-Angebot auf WhatsApp oder einem anderen Messenger-Dienst (z.B. Facebook Messenger, Line) etablieren möchte, das über klassische Newsletter oder das Anteasern von Artikeln auf der eigenen Homepage hinaus geht, muss eine gut funktionierende und gut vernetzte Social Media-Redaktion haben. Der Content, der auf einem Kanal am besten funktioniert, ist meist derjenige, der gezielt dafür produziert worden ist – das gilt nicht nur für WhatsApp, sondern auch für Facebook, Twitter oder Instagram. Synergieeffekte schaffen: Content für mehrere Kanäle Infografiken, Kurzvideos, Bilder mit Zitaten – eine Social Media-Redaktion, die selbst Inhalte produzieren soll, braucht dafür die entsprechenden personellen Voraussetzungen sowie das notwendige Knowhow in Sachen Grafik, Design, Schnitt etc.. Vorlagen können dabei helfen, dass auch RedakteurInnen ein Foto mit Text gestalten können. Aufwendige Erklärvideos hingegen brauchen ausreichend zeitlichen Vorlauf und die entsprechenden Kenntnisse der RedakteurInnen, wenn sie richtig gut werden sollen. Dass einige Inhalte gezielt für einen Kanal produziert werden, bedeutet außerdem nicht, dass sie nicht auch für andere Social Media-Kanäle genutzt werden können. 56 | NEWS PER WHATSAPP Schon in unserer Testphase haben wir Content verwendet, der ursprünglich für den Instagram-Account der Tagesschau produziert worden war. Synergieeffekte sollten erarbeitet und die unterschiedlichen Accounts einer Redaktion ganz bewusst eng verzahnt mit Content bespielt werden. Zu beachten ist hierbei, dass der Content auf WhatsApp oder anderen Messenger-Diensten stärker als auf anderen Kanälen ohne weiterführende Links funktionieren muss. Viele UserInnen nutzen Links nicht, die Nachricht muss für sich stehen können und verständlich sein. WhatsApp bietet ein großes Potential, neue Zielgruppen zu erreichen. Die Erwartungshaltung sollte jedoch nicht sein, so Klicks auf die Homepage zu generieren. Klar lässt sich ein zusätzlicher Kanal wie WhatsApp auch nebenbei bespielen – dann jedoch nur zu Lasten anderer Aufgaben und der Qualität des entsprechenden Auftritts. Das betrifft nicht nur die Produktion von Inhalten, sondern auch WhatsApp als Feedback-Kanal. Da die Antworten der UserInnen an die Redaktion eine “private” Konversation darstellen, haben Trolle und Hass-Kommentare hier wenig Chancen. Die Kommunikation über Messenger-Dienste ist positiver und konstruktiver als beispielsweise auf Facebook. Gleichzeitig muss der Feedback-Kanal als zeitlicher Aufwand bei der Arbeit mit einkalkuliert werden. UserInnen-Fragen und Feedback sollten beantwortet werden: Vor allem dann, wenn man auch mit UserInnen-Content arbeiten möchte. In unserer Testphase war die Kommunikation mit den UserInnen relativ intensiv. Wie groß der Zeitaufwand allerdings bei mehreren Tausend UserInnen sein würde, lässt sich aus unserem Test mit der relativ kleinen Gruppe nicht ohne weiteres ablesen. Antwort darauf gibt wohl nur der Live-Test im großen Stil. IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 57 FAZIT Sechs Monate lang haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt, welche Bedürfnisse die Zielgruppe der 17- bis 19-Jährigen beim Konsum von Nachrichten hat. Smartphone, Internet und Social Media sind für diese Generation keine Errungenschaft, sondern eine Selbstverständlichkeit. Zu den klassischen Medienmarken und Formaten hat diese Zielgruppe zum größten Teil keine oder nur eine geringe Bindung. Dabei ist Medienkonsum für die Jugendlichen ein echter Full-Time-Job. Nach dem Aufwachen geht der erste Blick direkt auf das Handy – egal, ob in der Bahn oder in der Schule. Diese Zielgruppe ist am Smartphone eigentlich ständig erreichbar und fast immer online. Das bedeutet aber auch, dass eine ständige Informationsflut auf sie einprasselt. Für sie Unwichtiges, Nicht-Ansprechendes, wird beim Durchscrollen oft direkt ausgeblendet. Für die meisten ist die aktive Suche nach Informationen anstrengend, durch das ständige Mediengrundrauschen fühlen sich viele bereits grundlegend mit den wichtigsten News ausgestattet. 58 | NEWS PER WHATSAPP Nachrichten-Apps werden von manchen installiert, bei zu wenig Speicherplatz jedoch direkt wieder gelöscht. Das klingt deprimierend, ist jedoch eine riesige Chance für Nachrichten-Angebote. Diese Zielgruppe ist nicht desinteressiert. Aber wer sie erreichen will, muss auffallen und andere Angebote machen als bisher! Die 17- bis 19-Jährigen haben ein großes Bedürfnis nach Erklärung und Einordnung. Der Hintergrund eines Themas, die Zusammenhänge, sind für diese Zielgruppe viel relevanter als eine bloße Breaking News. Die Jugendlichen wollen ernst genommen und auf Augenhöhe angesprochen werden. Sie müssen dort erreicht werden, wo sie den ganzen Tag unterwegs sind: direkt auf ihrem Smartphone. Erfolgreich ist dort nur, wer extra Formate konzipiert. Mit Links zu Nachrichten-Websites oder der 20-Uhr-Tagesschau lassen sich die Jugendlichen hier nicht locken. The Dawn of the Social Messaging Era “Messaging apps now have more global users than traditional social networks - which means they will play an increasingly important role in the distribution of digital journalism in the future”, betont das Tow Center for digital journalism in seiner Studie (November 2015). Welchen hohen Stellenwert Redaktionen Messenger-Diensten in Zukunft beimessen sollten, bestätigen nicht nur Trendprognosen wie diese, sondern auch unser Test mit den 17- bis 19-Jährigen. Wer einen Messenger-Kanal wie WhatsApp für seinen Content nutzt, erreicht diese Zielgruppe für kurze Zeit ganz unmittelbar auf ihrem persönlichen Kanal und hat damit etwas ganz Besonderes – ihre volle Aufmerksamkeit. Um dauerhaft abonniert zu werden, muss eine Redaktion bereit sein, Content explizit für Social Media bzw. im Besonderen für Messenger-Dienste herstellen zu wollen. Ohne die notwendigen Kapazitäten und Ressourcen wird man hier in Zukunft wieder nur ein Angebot von vielen sein, austauschbar und irrelevant. Besonders wichtig wird das in Zukunft auch, weil WhatsApp plant, sich für Unternehmen zu öffnen: Das verspricht ein mögliches Ende technischer Hürden, wie zum Beispiel durch WhatsApp selbst gesperrte Kanäle. Gleichzeitig ist dies aber auch ein deutliches Signal an Redaktionen, dass es höchste Zeit ist, sich mit der journalistischen Nutzung von Messenger-Diensten auseinanderzusetzen. Die Haupterkenntnis unseres Tests für die zukünftige Arbeit von Redaktionen ist dabei vor allem, dass WhatsApp und andere Messenger-Dienste nicht als Linkschleudern funktionieren, um Traffic zu generieren. Content, der hier versendet wird, ist bereits das Hauptprodukt. Es geht nicht darum, die UserInnen zu einem Klick zu motivieren – vielmehr muss man die Zielgruppe mit den News direkt erreichen, zwischen der Kommunikation mit der besten Freundin und den Eltern auftauchen und sich als ein echter News-Buddy etablieren: Mehr Markenbindung geht nicht! IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 59 IMPRESSUM Die Publikation ist im Rahmen der Innovationsförderung des Medieninnovationszentrums Babelsberg (MIZ) in Kooperation mit ARD-aktuell entstanden. Isabella David, Tobias Goltz und Isabel Hummel erforschten vom 1. September 2015 bis 29. Februar 2016 im MIZ-Babelsberg, wie und auf welchen Plattformen Digital Natives Nachrichten konsumieren. Das Team testete, welche Erzählformate auf den unterschiedlichen Plattformen erfolgreich sind und erarbeitete, wie diese im redaktionellen Workflow produziert werden können. Im Zuge der Projektarbeit ist auch diese Publikation entstanden. Herausgeber mibb GmbH Medieninnovations- und Medienkompetenzförderung Berlin-Brandenburg Kleine Präsidentenstraße 1 10178 Potsdam AutorInnen Isabella David Tobias Goltz Isabel Hummel MIZ-Betreuung Tanja Peuker, Projektleitung Förderung Inhaltliche und technische Betreuung Birgit Klumpp, Andreas Lützkendorf und Christian Radler Strategie und Innovation, ARD-aktuell 60 | NEWS PER WHATSAPP Lizenz Das Werk steht unter der Lizenz Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland (CC BYSA 3.0). Sie dürfen das Werk bzw. den Inhalt vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen, Abwandlungen und Bearbeitungen des Werkes bzw. Inhaltes anfertigen und das Werk kommerziell nutzen. Dabei müssen Sie den Namen der AutorInnen/RechteinhaberInnen in der festgelegten Weise nennen. Wenn Sie das lizenzierte Werk bzw. den lizenzierten Inhalt bearbeiten oder in anderer Weise erkennbar als Grundlage für eigenes Schaffen verwenden, dürfen Sie die daraufhin entstandenen Werke bzw. Inhalte nur unter Verwendung von Lizenzbedingungen weitergeben, die mit denen dieses Lizenzvertrages identisch oder vergleichbar sind. Bilder AutorInnen / Politikwerft Designbüro Logos MIZ-Babelsberg ARD-aktuell Auflage: 30 | Veröffentlichungsjahr: 2016 Druck: Print Express, Potsdam, Deutschland Layout und Gestaltung: Politikwerft Designbüro | Hamburg www.politikwerft.de Diese Publikation ist online verfügbar unter: www.miz-babelsberg.de IM WOHNZIMMER DER MILLENNIALS | 61
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