Artikel

Walt-Disney-Technik
Empfohlen von Jürgen Deininger,
Kursleiter Social Media
WAS IST DAS
Walt Disney, der geniale Erfinder von
Donald Duck, Micky Maus und Co.,
hatte seine eigene Kreativitätsmethode.
Die Disney-Technik ist eine Denk- und
Vorgehenssystematik, die es sich zunutze
macht, dass bei der Entwicklung neuer
Ideen immer mehrere, unterschiedliche
Denkweisen am Werk sind. Bei Disney
selbst sollen drei Grundtypen von Denkausrichtungen kombiniert gewesen
sein: Träumer, Macher (Handelnder,
Realist) und Kritiker (Denker). Die WaltDisney-Technik bezieht diese drei Denkrichtungen gezielt in den Kreationsprozess mit ein. Angefangen wird mit dem
wichtigen Schritt des Träumens: Das
bekannte Motto «If you can dream it
you can do it» stammt von Disney
höchstpersönlich.
WIE FUNKTIONIERTS
Um die gewünschte Denkweise zu erzeugen, wurden Teams in unterschiedlich
eingerichtete Räume geführt:
1. Traumraum: Zuerst kamen sie in
einen gemütlich möblierten Raum
mit angenehmer Musik und feinen
Düften, der die träumerische Seite
anregte: Hier waren alle Äusserungen
erlaubt, jede Form von Kritik oder
abfälligen Äusserungen war tabu.
Die Haltung im Traumraum lässt sich
wie folgt umreissen:
Ungezügelte Ideen und Visionen von
Idealwelten sind das Ziel. Für das
Verweilen im Traumraum gibt es
keine zeitlichen Beschränkungen.
usgangslage: Alles ist möglich!
A
Frage: Was wäre wünschenswert?
34 EB NAVI #6
2. Machraum: Der zweite Raum war ein
sehr nüchtern eingerichteter Raum.
Denn hier ging es um das Machbare,
das sofort konkret Umsetzbare. Auch
hier durfte es keine Beschränkung
fürs Denken geben (z. B. keine Kostenrahmen oder Zeitvorgaben).
Haltung: Das Denken ist auf das Handeln und auf die Umsetzung ausgerichtet; was von unseren Träumen
lässt sich realisieren?
Ausgangslage: Die Zukunft ist heute!
Frage: Was können wir sofort umsetzen?
3. Kritikraum: Der dritte Raum war derjenige des Disputs über die «Wenns»
und «Abers»; zwei Reihen von Stehpulten standen sich gegenüber. Hier
erst war das kritische Hinterfragen
erlaubt und gefragt. Davor hatte das
Denken in Kategorien von gut/
schlecht, schön/hässlich, spannend/
langweilig usw. keinen Platz. Jetzt
aber waren Werturteile gefragt.
Haltung: Konstruktiv-kritische oder
auch destruktiv-kritische Beurteilung
aller bis hierhin geäusserten Ideen;
was wurde übersehen, welche Probleme könnten auftauchen?
Ausgangslage: Hindernisse und Hürden sind
zu erwarten!
Fragen: Was könnte schieflaufen?
Die Walt-Disney-Technik lässt sich auch
allein durchführen, indem man nachei­
nander auf drei unterschiedlichen Stühlen Platz nimmt, die mit «Träumer»,
«Macher», «Denker» beschriftet sind.
Um sich in die entsprechende Haltung
zu bringen, kann man entsprechende
Erfahrungen aus der Vergangenheit
abrufen, z. B.: In welchen Situationen
war ich richtig kreativ (handelnd, kritisch)? Was habe ich da gefühlt, gehört,
gesehen? Wie sah ich aus, wie war meine
Körperhaltung?
WAS BRINGTS
Die Ergebnisse des dreistufigen Prozesses
können am Ende in eine Vision überführt
werden; sie zeigt den erstrebenswerten
Zustand nach der erfolgreichen Umsetzung in möglichst detailreichen Bildern.
Eventuell sind dafür mehrere Runden in
den drei Räumen / auf den drei Stühlen
nötig. Die Disney-Technik hilft auch, die
verschiedenen Rollen in einem Team entsprechend zu würdigen und konstruktiv
zusammenzuführen; Träumer neigen
dazu, viele Ideen zu haben und wenig
umzusetzen, die Realisten hingegen
können sehr konsequent handeln, es fehlt
ihnen aber an Ideenreichtum. Und wäh-
rend Träumer und Kritiker im Berufsalltag häufig miteinander im Clinch
liegen, wird in diesem Ablauf die Rolle
von beiden gebührend gewürdigt.
WOFÜR GEEIGNET
Die Walt-Disney-Technik hat sich in der
Praxis sehr gut als Rollenspiel bewährt
und gilt bis heute in der ManagementLiteratur als wirkungsvolle Kreativitätsstrategie, um neue Visionen zu entwickeln. Sie ist eine effiziente Alternative
zu den sechs Denk-Hüten von de Bono
(→ Seite 68).
HERKUNFT
Die Disney-Technik ist in dieser Form
nicht von Disney selbst erfunden worden.
Sondern 1994 von einem gewissen
Robert B. Dilts, der über Walt Disney
schrieb: «There were actually three different Walts: the dreamer, the realist, and
the spoiler.» Dilts hat diese drei Sichtweisen dann in eine systematische Vorgehensweise überführt. Disney selbst soll
die beschriebenen unterschiedlichen
Räume aber wirklich auf einer Etage
nebeneinanderliegend eingerichtet und
auch genutzt haben. n
IDEEN ZÜNDEN 35