Co-Firing & Torrefizierung Schwarzpellets statt Braunkohle W E L C H E C H A N C E N S C H WA R Z E P E L L E T S I M K R A F T W E R K S M A R K T B E S I T Z E N von Kathleen Spilok Holzartige Biomasse könnte Kohle vollständig ersetzen. Energiereiche Schwarzpellets bieten nach Ansicht von Experten ein großes Potenzial als marktreife Alternative zu fossilen Brennstoffen. Doch noch kämpft die Branche mit enttäuschten Erwartungen. Seine erste Torrefizierung fand unabsichtlich in einer Mikrowelle statt. Bei einer improvisierten Holzfeuchtebestimmung hatte Michael Wild ein Holzscheit unbeabsichtigt 30 min statt 30 s im Mikrowellenofen köcheln lassen. Alles Wasser war verdampft. Übrig blieb ein Stück Holzkohle und viel Rauch. Die Holzkohle hat er zur Erinnerung aufgehoben. Inzwischen kümmert sich der Industrieberater und Projektentwickler beruflich um torrefizierte Biomasse. Seit vier Jahren leitet er als Präsident den europäischen Verband International Biomass Torrefaction Council (IBTC). glisch Foto: Martin En Fast schwarz, leicht nach Holzkohle riechend und glatt, wie lackiert. Das sind die neuen Holzpellets. Sie sind mit Hitze und teils zusätzlich unter hohen Drücken behandelt. Für die kleinen Schwarzen hat sich der Fachbegriff torrefizierte Pellets gefunden. Übersetzt heißt das: geröstet oder gedörrt. Hersteller reden gerne von veredelten Pellets. For- 32 pellets Markt und Trends 05-15 scher nennen sie thermisch behandelt. Die Biomassebranche bezeichnet sie als schwarze Pellets. Stromerzeuger sagen grüne Kohle oder Biokohle. Wie auch immer sie genannt werden, Schwarz- oder Torrpellets gelten als vielversprechende Variante der Biomassenutzung für Großanwender, etwa in Kohlekraftwerken als Beimischung zum fossilen Brennstoff Kohle. Allerdings stehen sie noch nicht in beliebig großen Mengen zur Verfügung. Pellets schwarz braten Torrefizierung ist ein Prinzip, das man aus der Küche kennt: Gemüse und Fleisch werden auf unterschiedlichste Art und Weise verarbeitet und kommen gekocht, gebraten oder gegrillt auf den Tisch. Genauso ist es mit den Pellets: Sie werden mal roh, mal geröstet zu Stiften gepresst. Die reinen Sägemehlpellets erscheinen weiß, die gerösteten dunkel- Co-Firing & Torrefizierung i ANZEIGE Torrefizierung: Wie aus weißen Pellets schwarze werden Schwarze Holzpellets haben das helle Sägemehl zum Ausgangsstoff. Es wird ohne Luftzufuhr in einem Ofen bei Temperaturen zwischen 250 und 300 °C erhitzt. Die Hitzebehandlung dauert zwischen 15 min und 2 h. Sie knackt die Cellulose- und Ligninketten, aus denen die langen Holzfasern bestehen. Während des Röstprozesses treten die feuchten und leicht flüchtigen Bestandteile aus. Das krümelige, kohleähnliche Zwischenprodukt kommt in die Pelletspresse und wird dort verdichtet. Die Torrefizierung ist nahezu energieautark, weil die leicht flüchtigen Bestandteile energetisch genutzt werden. Lediglich für das Starten des Torrefizierungsvorgangs muss Energie aufgewendet werden. Diese Energie kann die Biomasse liefern. Damit lässt sich die Torrefizierung annähernd CO2-neutral durchführen. Alle Verarbeitungsschritte zusammen konzentrieren die Biomasse. Der Heizwert liegt gegenüber Naturpellets um etwa ein Drittel höher. Das Endprodukt hat einen relativ stabilen Wassergehalt, der in der Regel unter dem von Holzpellets liegt. Der Produktstandard ISO 17225-8 für thermisch behandelte Biomassen oder zumindest die technische Spezifizierung soll Ende 2016 verfügbar sein. Europäische Eu ropäische PelletsP elletskonferenz k onferenz 2016 2 016 2 24. 4. – 25. Februar 2016 braun bis fast schwarz. Die Röstung bringt mehrere Vorteile. „Unnötiges Wasser wird entzogen und muss dann nicht mehr transportiert werden“, erklärt Jürgen Schlapschy vom österreichischen Forschungsinstitut OFI. Das bedeutet ein Drittel weniger Gewicht pro Energieeinheit, das auf Bahn, Lkw oder Schiff verladen werden muss. WELS, WE L ÖSTERREICH Zu dem logistischen Plus gesellt sich der Nutzen einer wasserabweisenden Eigenschaft. Torrefizierte Pellets halten eine Lagerung im Freien ein paar Monate durch, ohne aufzuweichen. Durch den Torrefizierungsprozess und die Materialverdichtung in der Presse werden sie gewissermaßen konserviert. Zudem besitzen sie ähnliche Brenneigenschaften wie Braunkohle. Berechnungen der Zertifizierungsgesellschaft DNV GL haben ergeben, dass die Energiegewinnung aus schwarzen Pellets billiger ist als aus weißen. Bei einem Transportweg von 5.000 km kostet der Strom aus Schwarzpellets knapp unter 12 €/GJ, der aus Weißpellets dagegen 13 €/GJ. Im Moment gehen weiße Holzpellets zur Mitverbrennung in große Anlagen zur Stromerzeugung. Sie sind Zusatzbrennstoff in Kohlekraftwerken in Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Schweden und neuerdings England. Im sogenannten Co-Firing verbrennen die gemahlenen Holzpellets klimaneutral und dienen den Kraftwerksbetreibern als CO2-Bremse, mit der sie die klimapolitischen Auflagen ihrer Regierungen erfüllen. Den Bedarf decken hauptsächlich Importe aus den USA. Rund 4,2 Mio. t schippern jährlich in Containerschiffen über den Atlantik. Politik hinkt Forschung hinterher Vor sieben Jahren haben Biomasseexperten entdeckt, dass es sich lohnen würde, schwarze Pellets zum Co-Firing einzusetzen. Sie erfordern vergleichsweise geringe Investitionen, wie etliche Mitverbrennungsversuche vor allem in den Niederlanden gezeigt hatten. Beimischungen von bis zu 70 % Torrpellets in Großanlagen hatten gute Ergebnisse gebracht. Ein riesiges Potenzial, um Treibhausgase zu vermeiden, tat sich auf. „Wir waren anfangs total euphorisch“, erinnert sich Wild. „Wir dachten, übertrieben formuliert, damit würden wir die ganze Kohle der Welt aus den Kraftwerken verdrängen.“ Jede Konferenz, jede Fachzeitschrift war voll des Lobes für Torrefizierung. C all for for Papers: Call 9. Oktober Okto 9. 2015 D Die ie g größte rö jährliche Pelletskonferenz P elletsk weltweit! weltweit! WWW WWW.WSED.AT .WSED.AT Markt und Trends 05-15 pellets 33 Co-Firing & Torrefizierung Daraufhin nahmen die Entwicklungen an Fahrt auf, vor allem in den Niederlanden, aber auch in Österreich. Es entstanden eine Menge Laboranlagen und die eine oder andere Demonstrationsanlage. Doch die Vorgaben der Klimagesetzgebung zum Co-Firing entwickelten sich nur im Schneckentempo. Damit fehlte der politische Druck für die Umstellung auf Biomasse. Auch die Herstellung der Torrpellets war ins Stocken geraten. Angekündigte Mengen wurden nicht geliefert. Die Hoffnungen, die in den torrefizierten Brennstoff gesetzt worden waren, wurden schwer erschüttert. Ein Börsianer würde sagen: „Da ist eine Blase geplatzt.“ Ein Strohfeuer, aus dem sich die gebrannten Kinder zurückzogen. Wo steht die Branche heute? Die Technik ist nach Expertenmeinung ausgereift und funktioniert im industriellen Maßstab. Dennoch hält die Zurückhaltung bei einigen Beteiligten an. So haben sich unter anderem die Erwartungen des österreichischen Anlagenherstellers Andritz nicht erfüllt. Ganz umsonst war sein Engagement dennoch nicht. „Wir haben wertvolle Erfahrungen gesammelt und Knowhow, das wir auch für andere Anwendungen nutzen können“, kommentiert Produktmanager Klaus Trattner. Neue Initiativen entstehen Marktanalysten stoßen bei ihrer Suche nach Antworten zur Zurückhaltung beim Aufbau von Produktionskapazitäten auf das „Henne-Ei-Problem“. Die Nachfrage vonseiten der Kraftwerksbetreiber ist gering. Die europäischen Energieriesen sind unsicher, ob der Markt schnell große Mengen in gleichbleibender Qualität hergeben kann, um die Kohlekraftwerke ausreichend zu bedienen. Das Interesse sei dennoch sehr groß, wie Wild betont. Aber die ökonomischen Spielräume seien momentan eng und es gäbe wenig freie Kapazität am Markt. Aufseiten der Hersteller wiederum weiß man nicht, ob die Nachfrage nach veredelten Pellets über längere Zeit verlässlich vorhanden sein wird. Ein Dilemma, aus dem die Beteiligten nur schrittweise herauskommen. „Schritt für Schritt werden die schwarzen Pellets die weißen im Kraftwerksbereich ergänzen“, beschreibt Verbandschef Wild die erwartete Entwicklung. Neben der konkurrenzlos billigen Kohle führen Branchenkenner die politischen Rahmenbedingungen als Grund an, warum die Torrefizierung auf der Stelle tritt. Klimaschutzmaßnahmen sollten ausdrücklich die energetische Nutzung von Biomasse vorsehen, lautet ihre Forderung. Das OFI zum Beispiel will keine weiteren Forschungsaktivitäten starten, solange Signale ausbleiben, etwa bei den Strom- oder Wärmeeinspeisetarifen für Biomasse oder dem Handel mit Emissionszertifikaten. Aus Sicht des IBTC-Präsidenten stehen die Zeichen dennoch auf Neuanfang. Es gäbe nach wie vor seriöse Initiativen, die sich entwickeln und zur Veränderung beitragen würden. Große Unternehmen beginnen, sich zu engagieren und zu investieren, wie zum Beispiel Solvay. Der belgische Chemieriese hat im Joint Venture mit New Biomass Energy seine Kapazitäten zur Torrpelletsherstellung im US-Bundesstaat Mississippi von 80.000 auf 250.000 t/a erweitert. Wen die neu gegründete Solvay Biomass Energy beliefert, will das Unternehmen nicht sagen. Nur so viel: Solvay will sich mit neuen Produkten und Technologien auf das Biomassefeld wagen. Eine solide Kapitalisierung und Erfahrungen mit großen Industrieanlagen bringt das Unternehmen mit. „Das ist ein neuer Impuls, der in diesen Sektor kommt“, sagt Wild. Neue Einsatzmöglichkeiten tun sich auf Die Anwendungsmöglichkeiten für torrefizierte Biomasse lassen sich nach Ansicht der Fachleute ausbauen. Neben der Mitverbrennung in Kohlekraftwerken bestehen in Europa beispielsweise interessante Absatzmärkte in der Wärme- und Kälteerzeugung. Das zeigen Ergebnisse aus dem EU-Projekt SECTOR (siehe Kasten). Janet Witt, die das Projekt beim Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig leitet, sieht Einsatzmöglichkeiten in Nahwärmenetzen, die Wohnanlagen oder ganze Quartiere mit Heizwärme versorgen, oder als Brennstoff für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in Gewerbe- und Industriebetrieben. Ebenso könnten andere Regionen auf den Zug aufspringen. Ob in Afrika, Amerika oder Asien – torrefizierte Biomasse wird als Energieträger zur Kühlung interessant. Foto: ECN Zudem erwachen Aktivitäten abseits der Kohlekraftwerke. „Per Torrefizierung kann man aus nahezu allen Pflanzen Brennstoffe in einer Qualität herstellen, wie wir sie heute nur mit Holz erzeugen können“, erklärt Wild. Was er meint: torrefizierte Pflanzen oder Pflanzenreste als Holzkohleersatz für den kleinen Verbrauch. Der Bedarf an Holzkohle 34 pellets Markt und Trends 05-15 Co-Firing & Torrefizierung führt in vielen Ländern der Welt zu brutalen Abholzungen der Wälder. Zum Kochen steht in den Regionen aber bislang keine andere Energiequelle bereit. Die Torrefizierung könnte als Problemlöser dienen. „Man kann Bambus, Gras, Nussschalen, jedes Abfallprodukt aus der Lebensmittelindustrie rösten“, erläutert Wild. Mit der Torrefizierung verwandelt sich das Material in einen energetisch nutzbaren Brennstoff. Anteile von Chlor und Schwefel werden herausgelöst. Das bedeutet, dass auch stark salzhaltige Pflanzen für die Energiegewinnung interessant werden können. Vor allem in Afrika – vom Senegal über Uganda bis nach Südafrika – entstehen Initiativen, die sich um das Thema kümmern. Um die Entwicklung voranzutreiben, legt das IBTC sein Augenmerk auf die Genehmigungen in den verschiedenen Märkten. Es klärt, welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um ein neues Produkt in den Markt zu bringen und handelbar zu machen. Dabei soll eine Standardisierung der Produktqualität helfen. Wie gut oder schlecht die Aussichten für Biomasse und Torrefizierung in Zukunft sind, entscheidet aber letztendlich die weltweite Klimapolitik. Es sind Tage hoher Erwartungen, die mit der Klimakonferenz in Paris im November ins Haus stehen. Maßstäbe als Klimaheld setzt derweil USPräsident Obama, der mit neuen Klimaregeln dem CO2Ausstoß aus den US-amerikanischen Kohlekraftwerken Einhalt gebieten will. Es scheint nur eine Frage der Zeit, wann der Funke überspringt und die torrefizierte Biomasse im Strom- und Wärmemarkt Fuß fasst. I ANZEIGE i Entwicklung und Forschung: das EU-Projekt SECTOR 21 Partner aus neun europäischen Ländern haben Anfang 2012 das gemeinsame EU-Projekt SECTOR mit einem Gesamtforschungsbudget von 10 Mio. € gestartet (SECTOR: Production of Solid Sustainable Energy Carriers from Biomass by Means of Torrefaction). Als Projektbeteiligte haben sich Industrievertreter aus der Energiebranche, Mittelständler aus der Biomasseindustrie und dem Anlagenbau sowie Wissenschaftler aus Forschungsinstituten und Universitäten zusammengefunden. „Wir wollen die Zeit zur Marktimplementierung verkürzen und Forschungslücken schließen“, beschreibt Janet Witt vom Deutschen Biomasseforschungszentrum ihr gemeinsames Ziel. Die SECTOR-Partner haben die Torrefizierungstechnologie so weit entwickelt, dass sie sich großtechnisch umsetzen lässt. Die Forschungsarbeiten befassen sich mit torrefizierten Pellets zum einen aus Holz, zum anderen aus bisher kaum genutzter Biomasse, wie etwa Bagasse oder Stroh. Für die unterschiedlichen Eingangsstoffe haben die Projektbeteiligten die passenden Reaktortypen und Prozessbedingungen gefunden. Vier verschiedene Reaktortypen haben sie getestet. Für die Pelletierung haben sie Rezepte erstellt. Dreieinhalb Jahre lang haben sie Verfahren geprüft, Untersuchungen zur Lagerfähigkeit gemacht und Anwendungsbereiche durchleuchtet. „Ob in Klein- oder Großfeuerungen oder in Vergasungsanlagen – überall haben wir positive Ergebnisse erzielt“, sagt Witt. Jetzt arbeiten die SECTOR-Partner am ISOStandard mit und entwickeln dafür Testmethoden. Das Projekt endet im Dezember 2015, wenn ein Mitverbrennungsversuch für optimierte Torrpellets in Finnland abgeschlossen ist.
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