PRODUKTE & TECHNIK Hollywood in der Bildbearbeitung CGI ó 3D-Konstruktionsdaten sind nicht nur für den 3D-Druck entscheidend. Selbst bei der Bildproduktion für Kataloge gewinnen sie inzwischen gegenüber der klassischen Produktfotografie an Bedeutung. Die Technologie Computer Generated Imagery (CGI) ist – zumindest für diese Bereiche der Medienproduktion – „the next big thing“. CGI: Erstellung fotorealistischer 3D-Bilder am Computer, meist auf Basis der Konstruktionsdaten eines Produkts, wie hier in diesem Artikel an den Beispielbildern aus dem Hause Meyle+Müller ersichtlich. ó Der Fotografie und Bildbearbeitung für bestimmte Medienproduktionen (wie etwa Kataloge und deren digitale Ableger) steht ein Paradigmenwechsel bevor. Die CGI-Technologie (Computer Generated Imagery), also das vollständige Erzeugen von fotorealistischen Bildern in 3D am Computer (meist auf Basis von CAD-Konstruktionsdaten), steht an der Schwelle zur breiten StandardAnwendung für die Medienproduktion. Seine Anfänge nahm die Technologie schon vor längerer Zeit in der Filmindustrie bei digitalen Effekten für Kinoproduktionen wie Matthias Langner etwa „Matrix“ oder heute „Avatar“ und „Die Tribute von Panem“. Nachdem die Industrie, vor allem der Automotive-Sektor, die Technologie zunächst für die Werbefilmproduktion adaptiert hatte, steht nun die Ausweitung auf den Druck und somit die endgültige Demokratisierung der Technologie an. Der Ablauf einer CGI-Produktion im groben Überblick. 26 Entsprechende 3D-Animationssoftware aus der Produktentwicklung steht zur Verfügung und wurde bereits auf die Bedürfnisse weiterer Medienkanäle hin angepasst. WARUM WIRD DAS JETZT INTERESSANT? Was vor zehn Jahren mit der Bildsynthese begann, damals aber visuell meist noch als „Fake“ erkennbar war, ist jetzt durch ausgefeiltere Software und bessere Technik deutlich realistischer visualisierbar. Durch Sampling zum Beispiel werden reelle Muster direkt in das computergenerierte Motiv eingearbeitet, wie Matthias Langner, gelernter Fotograf und „CGI-Papst“ erklärt: „CGI eröffnet der Medienbranche ein riesiges Kreativpotenzial! Produkte lassen sich kreieren, noch bevor man sie herstellen muss. Samples, zum Beispiel zahlreiche Close-up-Fotos, die zu einem „Gemälde“ gemorpht werden, sind für gelungenes CGI enorm wichtig. Und Gerätschaften zum Erfassen solcher „Fotos“ sind inzwischen breit verfügbar, zum Beispiel Laserscanner oder Panoramakameras (mit gesamtem Lichtraum), damit die Konstruktions- daten oder Samples richtig mit Lichtsituationen interagieren (Stichwort: Verschattung). Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Materialvermessung, sprich: Welche Eigenschaften hat ein Material in der Interaktion mit Licht? Präzise Sampeln heißt: Ich hole mir die Realität bestmöglich in den Rechner, um nachher im Bild möglichst gute Ergebnisse zu erzielen.“ Die Software für den fotografischen CGI-Bereich ist, aus dem klassischen CAD-Bereich für die Konstruktion kommend, heute schon unheimlich anwenderfreundlich. Im 3D-Programm stehen konfigurierbare Kameras zur Verfügung mit definierbarer Chipgröße und Brennweite für „unendlich große“ virtuelle Fotostudios (keine physikalischen Begrenzungen). Es ist quasi nichts unmöglich, um perfekte 3D-Fotos zu „konstruieren“. WARUM CGI? Gegenüber der herkömmlichen Fotografie bietet CGI eine ganze Reihe von unbestrittenen Vorteilen: ó Kosten sparen/profitabler arbeiten: Die Betriebskosten für ein Fotostudio inkl. Personal entfallen. Aufbauten ohne Flächenwechsel machten reguläre Fotostudios sowieso unflexibel. ó Niedrige Logistik- und Transportkosten (meist komplett wegfallender Logistikprozess). ó Weitaus größere kreative Möglichkeiten bei radikal sinkenden Kosten. ó Hochwertige Printdaten erzeugen. ó Präsentation eines Produkts noch VOR der Markeneinführung (Production-on-Demand von Marketingmaterial). Kürzeste Time-toMarket! ó Nachträgliche Veränderung von Produktmerkmalen. ó Wiederverwendung vorhandener Daten (Reproduzierbarkeit von Studio-Situationen). Schritt 1: „Greyshade“ zur Perspektivabstimmung (aus 3D-Konstruktionsdaten). Deutscher Drucker | Nr. 8 | 23.4.2015 | print.de PRODUKTE & TECHNIK Schritt 2: Zuweisung der Materialien/Texturen. Wirtschaftliche Bildvarianten. Nutzung unterschiedlichster Medienformate (von einem Datensatz aus, im identischen „Look & Feel“). ó Verborgene Produktvorteile abbilden (zum Beispiel Funktion eines Getriebes in Animation oder Querschnitt). ó Geheimhaltung (3D-Objekt wird nicht mehr vor Ort fotografiert, sondern nur noch in eine fotografierte Szene integriert). Schritt 3: Look & Lighting. WIE GEHT DAS? Für Fotografie benötigt man ner Artikel/Materialien, deren Texturen/Lichtverhältnisse einfach zuweisbar sind. ó Perspektiven-Definition: Frei definieren und iterativ an Kundenwunsch annähern oder Orientierung an einem Referenzbild. ó Look/Lighting: Fotograf hilft mit seiner Erfahrung bei der Ausleuchtung oder Adaption von vorgegebenen Looks. ó Rendering: Bildberechnung, vergleichbar mit dem Abdrücken beim Fotoapparat. ó Post Production: Nachbearbeitung in Photoshop, Verstärkung des Realitätsgrads. Produkte, für CGI nicht (und auch keine physikalische Kamera). Aber eben einen leistungsstarken Rechner, 3D-Software, einen Operator („3D-Artist“) und die CAD-Daten. Ein typischer Produktionsablauf beim Dienstleister sieht in etwa so aus: ó Datenbereitstellung/Briefing: Geometriedaten bereits vorhanden oder Einscannen des Originals (Gitterliniennetz „Wireframe“ entsteht aus der Punktwolke eines 3D-Laserscans) oder Objekt digital nachmodellieren anhand eines Produkt-Scribbles. Letztlich entsteht stets ein „nacktes“ 3D-Greyshade des Produkts. ó Datenaufbereitung (Materialzuweisung): Materialien werden definiert, Farbe und Materialeigenschaften werden zugeordnet. Danach: Daten-„Entkernung“ auf die sichtbaren Teile. Datenbank mit Materialien/Korrelationen für Kunden aufbaubar (für Wiederholbarkeit von „Sets“). Zudem gibt es im Internet Portale zum Kauf von 3D-Daten verschiede- STAND DER DINGE. Derzeit ist der Aufwand mit CGI, insbesondere personell, noch höher als mit der traditionellen Produktfotografie. Allerdings ist dies hart gegenzurechnen mit den umfassenden Einsparungen (Zeit/Geld) durch eine etwaig wegfallende Prototypherstellung und Pre Production (inkl. Logistik!). Grundregel: Je mehr Varianten desselben Bildes benötigt werden, desto lohnender das neue Verfahren! Für Spezialisten im Bereich Katalogproduktion ist das Beschäftigen mit dem Thema sicher ein Muss. Der Aufbau von 3D-Kompetenz schadet aber auch anderen nicht, insbesondere wenn man zukünftig das Geschäftsfeld „Daten-Dienstleister für den 3D-Druck“ im Blick hat. Eine „Bremse“ für CGI bleibt derzeit noch die lange Renderingzeit. Für das Bild der hier im Artikel abgebildeten Automobile muss man zeitlich schon mal eine ganze Nacht einplanen (Datenmenge ca. 10 GB), ó ó Schritt 4: Post Production (klassisch, zum Beispiel mit Photoshop). Deutscher Drucker | Nr. 8 | 23.4.2015 | print.de abhängig von Größe und Rechenleistung der eingesetzten Render-Farm. Deutlich mehr Aufwand für ein hohes Realitätsempfinden ist dann vor allem bei organischen Dingen oder beweglichen Stoffen (Faltenwurf) reinzustecken. Dies sind die zukünftigen Herausforderungen und Einsatzgebiete der Technologie, ebenso wie die Visualisierung von Menschen (schwierig hier: die Hauttöne ...). FAZIT. Natürlich sind derzeit noch keine 8 000 Artikelfotos pro Jahr für Kataloge auf diese Weise darstellbar. Aber einige Artikel aus einem Sortiment bieten sich sicher an. Ähnlich lief es anfangs auch in der Vorreiter-Branche Automotive. Heute ist hier alles CGI und es werden über die Software beim Dienstleister zum Beispiel alle Konfigurationen eines PKW automatisiert rausgerendert. Man sollte mit Katalogprodukten beginnen, bei denen sich saisonübergreifend wenig verändert und sich Änderungen leicht digital durchführen lassen (z.B. gleichbleibende Schnitte bei Klamotten). Als Dienstleister sollte man den Kunden klar machen: Die Technologie steht an der Schwelle zur Pilotanwendung mit höheren Einstiegs- und kleinen Änderungskosten – der klassische LongtailEffekt. Und für beide – Dienstleister wie Kunde – gilt: Wer die Lernkurve heute schon durchläuft, ist morgen, wenn es darauf ankommt, Kenner der Materie und erster Ansprechpartner! Ein detaillierter Bericht über CGI in der Praxis folgt demnächst hier in Deutscher Drucker. Michael Schüle Völlig problemlos möglich: zusätzliche Perspektiven. 27
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