SPD-Positionspapier Flüchtlingsarbeit in Herten Internationale Krisen und Konflikte zwingen heute Millionen von Menschen, dazu ihre Heimat zu verlassen. Derzeit befinden sich weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht- die höchste Zahl, die jemals vom Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) verzeichnet wurde. Über eine Millionen schutzsuchende Menschen werden in diesem Jahr in Deutschland erwartet. Sie werden in ihren Heimatländern wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität oder aus politischen Gründen verfolgt, sind auf der Flucht vor Bürgerkriegen, Krieg oder der Zerstörung ihrer Existenzgrundlage. Ihnen drohen dort Gefangenschaft, oftmals sogar Folter und Tod. Diese Menschen brauchen unsere Hilfe, ihnen gehört unsere Solidarität. Sie suchen Schutz und brauchen Zuflucht. Gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Herten tragen Verantwortung für diese Menschen. Unsere Stadt bekennt sich zu ihrer humanitären Verpflichtung und ist in hohem Maße bereit, Hilfe zu leisten. Letztendlich bedeutet das aber, dass Länder und Bund mehr investieren müssen, denn die Kommunen können die Anforderungen nicht alleine schultern. Eine so große Zahl von Asylsuchenden aufzunehmen, wird nicht konfliktfrei bleiben. Darüber müssen wir offen reden. Denn die Gefahr sozialer und kulturelle Spannungen ist nicht ausgeschlossen. Wir sind überzeugt: Die Integration von Flüchtlingen ist auch für unsere Stadt mit vielen Chancen verbunden. Die Menschen, die zu uns kommen, werden für eine längere Zeit bei uns bleiben. Dafür müssen wir den passenden Rahmen schaffen und auf bereits bewährte Strukturen in Herten weiter aufbauen. Das bedeutete konkret, dass wir für eine umfassende medizinische, psychologische und soziale Betreuung sorgen wollen. Dazu gehören für uns auch Sprach- und Integrationskurse, denn wir sind davon überzeugt, dass Sprache und Bildung Grundlage für die Integration in Herten ist. Weil wir glauben, dass Integration aber auf vielen Feldern gelebt werden muss, brauchen wir einen umfassenden Ansatz, der die Themen (gemeinnützige) Arbeit und Bildung genauso einschließt wie auch die Einbindung der Menschen in Vereine und Verbände. Wir sind der Auffassung: Die zu uns kommenden Menschen sind eine Bereicherung für unsere Stadt. Es liegt aber in unserer Verantwortung, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass diese Menschen in unserer Stadt eine Perspektive bekommen. Die große Anzahl an Asylanträgen bereits zu Beginn der 1990er-Jahre hat gezeigt, dass die Bundesrepublik und die Stadt Herten diese Herausforderungen meistern können. Allerdings wurden die damals aufgebauten Strukturen bei den Städten und Ländern durch Sparhaushalte und Personalkürzungen in den letzten Jahren leider wieder stark zurückgefahren. Unsere Ausländerbehörde, das Jugend- und Sozialamt, das Gebäudemanagement und nicht zuletzt das Jobcenter sind für die derzeitigen großen Herausforderungen nicht ausreichend ausgestattet. Hier sehen wir nicht zuletzt die Bundesregierung in der Pflicht, für entsprechende Entlastungen und eine auskömmliche Ausstattung zu sorgen. Die jüngst in Berlin beschlossenen Verbesserungen in der Finanzierung und auch im personellen Bereich sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend. Betreuungsstrukturen in Herten: Durch eine vorbildliche Zusammenarbeit der Wohlfahrtsverbände haben wir in Herten eine einzigartige Einrichtung: Das Haus der Kulturen. Alle Fragen rund um Einwanderung, Integration und gegenseitige Akzeptanz hat sich diese Einrichtung an der Vitusstraße auf die Fahnen geschrieben. Bereits in den 1990er-Jahren begannen die Bestrebungen der drei Träger AWO, Caritas und Diakonie, bei der Integrationsarbeit enger zusammenzuarbeiten. Die drei Träger schlossen sich zu einer ganz neuen und bis dahin in NRW einmaligen Konstellation zusammen. Der Vorteil: Alle Mitarbeiter_innen sind nach wie vor bei ihren jeweiligen Trägern angestellt, aber deutlich besser vernetzt. Das bringt unschätzbare Vorteile zum Beispiel in der Antidiskriminierungsarbeit und bei Deeskalationstrainings an Schulen, Beratungen in den Kindergärten oder von frischgebackenen Eltern, des Jugendmigrationsdienstes, der allgemeine Migrations- und Sozialberatung oder auch der Flüchtlingsbetreuung. Alle Mitarbeiter_innen sind Sozialpädagog_innen oder Sozialarbeiter_innen, die von ihrem Träger bezahlt werden. Dazu kommen Mittel von Land, Bund, EU, Kommune oder aus Stiftungen. Unter den oben genannten Gesichtspunkten, halten wir Hertener Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten den Ausbau und die Weiterentwicklung dieser Institution für sinnvoll. Das „neue Haus“ der Kulturen wollen wir mit allen Hertener Akteuren_innen weiter stärken. Zudem ist für uns eine weitere unbürokratische Unterstützung weiterer Institutionen der Flüchtlingsarbeit (wie zum Beispiel dem Deutschen Roten Kreuz) selbstverständlich. Wir sind davon überzeugt, dass es ein neues Konzept für die Flüchtlingsarbeit in Herten braucht, welches auf den bereits bestehenden Leitlinien basiert. Aus diesem Grund fordern wir die Einrichtung einer Arbeitsgruppe aus allen Trägern der Flüchtlingsarbeit in Herten unter Moderation der Stadtverwaltung. Diese Expert_innenrunde ist aus unserer Sicht am Besten dazu geeignet, die folgenden wichtigen inhaltlichen Säulen der zukünftigen Flüchtlingsarbeit in Herten zu einer Gesamtstrategie zusammenführen: 1. Die Betreuung in und die Organisation der Erst- und Notaufnahmeeinrichtungen in Herten. 2. Die Betreuung der Menschen, die eine Chance haben, dauerhaft bleiben zu können. 3. Die Betreuung der Menschen, die voraussichtlich nicht dauerhaft werden bleiben können. Ins Besondere wollen wir zudem die Arbeit in den folgenden Themenschwerpunkten voranbringen: Wohnen/Unterbringung Die Unterbringung der ankommenden Menschen ist aus unserer Sicht von großer Bedeutung. Diese sollte, wenn immer möglich, in kleinen Einheiten erfolgen. Es muss weiter der Grundsatz gelten, die Unterbringung dezentral zu organisieren. Wir brauchen zudem eine ausreichende Zahl an Ansprechpartner_innen für die Menschen vor Ort. Hier kann das große Engagement ehrenamtlicher Helfer_innen genutzt werden. In Herten haben wir mit diesem Ansatz sehr gute Erfahrungen gesammelt. Die Unterbringung in Zelten und Bunkern steht für uns nicht zur Debatte. Gesundheitsversorgung Die zu uns kommenden Menschen haben weite, körperlich aber auch psychisch, extrem belastende Fluchtwege hinter sich. In ihrer Heimat haben sie Tod, Elend und Krieg erleben müssen. Viele der Schutzsuchenden sind krank und/oder traumatisiert. Deswegen müssen sie über eine Krankenkarte oder eine vergleichbare Leistung freien, schnellen und unbürokratischen Zugang zu allen Angeboten der Gesundheitsversorgung erhalten. Zudem halten wir den Zugang zu einer psychologischen Betreuung der Menschen vor Ort in den Unterkünften für sehr wichtig. Sprache und Bildung Sprache und Bildung sind die Grundlage für ein gutes Zusammenleben in Herten. Wir wollen unsere außerschulischen Bildungseinrichtungen wie die VHS bei der Durchführung von Sprach- und Integrationskursen stärken. Genauso wollen wir unsere Kindergärten und Schulen bei der Aufnahme von Kindern aus Flüchtlingsfamilien unterstützen. Die Schulen, die so genannte Auffangklassen einrichten, benötigen zusätzliche Ressourcen und organisatorische Unterstützung. Eine Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten der Flüchtlingsarbeit ist wünschenswert. Darüber hinaus wollen wir aber auch auf den nächst höheren politischen Ebenen des Kreises und des Landes für eine bessere personelle Ausstattung streiten. Arbeit Die Menschen, die aus zahlreichen Ländern zu uns kommen, sind eine Bereicherung. Sie bringen viele verschiedene Qualifikationen und Berufe mit, die wir dringend brauchen. Deshalb setzten wir uns dafür ein, dass die Menschen arbeiten gehen dürfen. Arbeit ist für das Selbstwertgefühl und das Gefühl, einen Beitrag zur Gesellschaft leisten zu können unabdingbar. Außerdem trägt sie zur sozialen Integration maßgeblich bei, auch wenn sie gemeinnützig ist. In der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ ist das Recht auf Arbeit zudem in Artikel 23 verankert. Sie ist existenziell wichtig, will man den zu uns kommenden Menschen und ihren Familien eine Zukunftsperspektive bieten. Wir brauchen aber auch, neben der sprachlichen, eine berufliche Qualifikation für die Menschen, die gänzlich ohne berufliche Ausbildung zu uns kommen. Das ist eine Aufgabe, die Jahre dauern und nicht immer zum Erfolg führen wird. Hier brauchen wir (in Anlehnung an den „Vestischen Appell“) einen subventionierten dritten Arbeitsmarkt. Wir sehen die Bundesregierung in der Pflicht, hierfür die finanziellen und personellen Ressourcen bereitzustellen. Soziale Integration / Ehrenamtliches Engagement Für die soziale Integration in unsere Stadt sind die Hertener Vereine und Verbände von zentraler Bedeutung. Sie sind Lernorte für die Übernahme von Verantwortung für die Gesellschaft. Zudem sind unsere Vereine „Brückenbauer“ zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und leisten mit ihren vielfältigen inhaltlichen Schwerpunkten einen großen Beitrag zum Gelingen unserer Stadtgesellschaft und zur interkulturellen Kommunikation. Für die Flüchtlingsarbeit können sie nicht nur Spender von Freude sein, indem sie den Menschen die zu uns kommen die Möglichkeit geben, an den Vereinsaktivitäten teilzuhaben, sondern sie leisten damit auch einen aktiven und wichtigen Beitrag zum Abbau von Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit. Hier wollen wir helfen: Unsere Vereine müssen in die Lage versetzt werden, das formulierte auch leisten zu können. Hierzu sind Schulungen von Ehrenamtlichen der Vereine ebenso entscheidend wie eine organisatorische Unterstützung. Fazit Die Erfahrungen mit Zuwanderung der vergangenen Jahrzehnte (zunächst zahlreiche Menschen aus Polen, dann Griechenland und zuletzt aus der Türkei als die größten Gruppen) bzw. aus Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg haben im Ruhrgebiet und insbesondere in Herten gezeigt, dass Einwanderung zu großen Teilen kein Problem darstellt sondern vielmehr eine Bereicherung ist. Gerade unsere Stadt ist nicht zuletzt durch Einwanderinnen und Einwanderer zu dem geworden, was sie heute ist. Deshalb macht uns die Situation im Moment keine Angst. Wir brauchen aber dennoch Verfahren und Konzepte, wie wir in Zukunft mit Einwanderung in Herten umgehen wollen und wie wir möglichem Fremdenhass begegnen und vorbeugen können. Prävention, der Abbau von Ängsten durch intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, beispielsweise in den Schulen sind aus unserer Sicht ein wichtiger Baustein für das gemeinsame Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen in unserer Stadt. Wir sollten dies als Chance begreifen und uns aktiv dafür einsetzen, dass Herten ein Ort der Gemeinschaft ist und bleibt: Herten hat keinen Platz für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
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