Auch die Stadt war Opfer der Täuschung

Landkreis, Krumbach und Umgebung
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Mittwoch, 19. November 2003
MN · Nummer 266
MN
„Auch die Stadt war Opfer der Täuschung“
Buchautor Sven Keller stellt vor großem Publikum im Forum am Hofgarten sein Buch „Günzburg und der Fall Josef Mengele“ vor
Von unserem Redaktionsmitglied
Rebekka Jakob
Günzburg
Der dichte Nebel, der das Forum am Hofgarten umschloss, passte fast schon zu perfekt
zu dem, worum es in den Mauern der Stadthalle gerade ging: Wie viel haben die Günzburger tatsächlich gewusst von Josef Mengele und seiner Flucht quer durch Südamerika? Haben die Bewohner der Stadt zu wenig
in dem Nebel des Vergessens gestochert, den
die Familie des KZ-Arztes um ihren Angehörigen produzierte?
Autor Sven Keller hat in seinem Buch
„Günzburg und der Fall Josef Mengele“ diese
und weitere Fragen detailliert untersucht
(MN berichtete). Mitten am „Ort des Geschehens“ stellte er nun sein Werk und seine Forschungsergebnisse vor.
Große Anerkennung zollten Keller in ihren
einführenden Worten Oberbürgermeister
Gerhard Jauernig, Mengele-Biograf Ulrich
Völklein und Professor Dr. Andreas Wirsching (Universität Augsburg), der die Arbeit
betreut hatte.
Was also ist dran am „Günzburg-Mythos“,
den Keller in seinem Buch beschreibt? Gab es
wirklich eine „Verschwörung alter Nazis, an
der mehr oder weniger die ganze Stadt beteiligt sei“ (Keller) in der beschaulichen Klein-
stadt? Fundiert – und bei aller historischen
Genauigkeit spannend und kurzweilig – erklärte der Historiker, weshalb es so nicht gewesen sein könne. „Das Halbwissen der
Günzburger erschöpfte sich in Gerüchten, sie
wussten auch nicht mehr und nicht weniger
als die Medien, die in der Sache recherchierten“, so Keller.
Die Familie, damals noch der größte Arbeitgeber in der Region, habe auch den Mitbürgern gegenüber auf eine Politik der Desinformation und Blockade gesetzt. Zudem sei es
den Günzburgern schwer gefallen, den „Beppo“, den sie nur als Kind und Jugendlichen
kannten, als den mordenden KZ-Arzt zu sehen. Mengele sei „weder ein SS-Schläger
noch ein verwirrter Psychopath“ gewesen,
was es noch schwerer gemacht habe, dessen
Gräueltaten zu verstehen. Journalisten und
Opfer dagegen hätten den grausamen Mengele von Auschwitz vor Augen gehabt, „sie
konnten die Geschichten der Günzburger
vom Musterknaben Mengele nicht glauben.“
Diese aufeinander prallenden Sichtweisen
hätten in den Medien zu der Annahme geführt, dass es eine Verschwörung in der Stadt
gebe mit dem Ziel, Mengele zu decken. „Die
Stadt und ihre Bürger waren nicht Teil der
Verschwörung, sie gehörten zu den Getäuschten – auch wenn sich manche allzu gerne täuschen ließen.“
Einer aber blieb besonders hartnäckig: Alt-
OB Dr. Rudolf Köppler. „Er fuhr eine Strategie der offensiven Verteidigung“, so Keller.
Köppler war es auch, der das Thema im Jahr
2000 bei der Universität Augsburg anregte, wo
es Keller 2001 für seine Magisterarbeit aufgriff. Mit dem Buch kommt ein Stück weit
Licht in das Dickicht von Gerüchten über den
KZ-Arzt Mengele und den „monströsen
Schatten über der Stadt“, den OB Köppler
1983 in einer Rede ansprach. Abgeschlossen
sei die Sache mit seinem Buch nicht, so Autor
Sven Keller. Er wolle es eher verstanden haben als Beitrag, damit dieser Teil Günzburger
Geschichte nicht vergessen werde.
Historiker Sven Keller
(links) und Günzburgs Alt-Oberbürgermeister Dr. Rudolf
Köppler sind entsetzt
über einen Beitrag,
der am Freitagabend
auf 3-Sat über Kellers
Buch „Günzburg und
der Fall Josef Mengele“ berichtete.
Bild: Ulrich Wagner
Werkausschuss tagt
Günzburg (one). Im Sitzungssaal des Landratsamtes findet am Montag, 24. November,
um 14 Uhr eine alleinige Sitzung des Werkausschusses statt. Anschließend beginnt gegen 14.30 Uhr eine gemeinsame Sitzung des
Werks- und Kreisausschusses sowie im Anschluss daran eine alleinige Sitzung des Kreisausschusses.
Polizei-Report
Nach Zusammenstoß
beide Fahrer verletzt
Günzburg (one). 9 000 Euro Sachschaden
sind das Ergebnis eines Zusammenstoßes
zweier Autos auf der B16 bei Deffingen. Wie
die Polizei mitteilt, war die Autofahrerin von
Günzburg kommend unterwegs und wollte
nach links Richtung Deffingen abbiegen. Ein
weiterer Autofahrer fuhr ebenfalls auf der B16
von Ichenhausen kommend in Richtung
Günzburg.
Bauinnung berät
Leipheim (zg). Die Bauinnung GünzburgKrumbach hält ihre Versammlung am Samstag, 22. November, um zehn Uhr im Leipheimer Zehentstadel ab. Auf der Tagesordnung
stehen unter anderem der Bericht von Obermeister Werner Nitzlader, ein Referat zum
Thema „Das Handwerk heute“ und die Ehrung und Verabschiedung eines langjährigen
Vorstandsmitglieds.
Grün an der Ampel
Beide Fahrzeuge hatten an der Ampel grün,
wobei der Mann jedoch Vorfahrt hatte, da er
geradeaus fahren wollte. Die Fahrerin bog
trotzdem nach links ab und die Wagen stießen
zusammen. Dabei verletzten sich beide Fahrer
leicht.
Sekten auf dem Vormarsch?
Ichenhausen (pm). Der Religionspädagoge
Willi Röder als Vorsitzender einer Elterninitiative in Kempten informiert am Mittwoch,
19. November, um 14.30 Uhr im Gasthof
Hirsch in Ichenhausen zur Frage „Sekten auf
dem Vormarsch?“. Die Veranstaltung der
Hanns-Seidel-Stiftung ist öffentlich und kostenfrei.
Bei Verkehrskontrolle
Einbrüche aufgeklärt
Landkreis (one). Diebesgut aus insgesamt
vier Einbrüchen in Leipheim, Bubesheim und
Bibertal haben Beamte der Rosenheimer Polizei bei einer Verkehrskontrolle im Kofferraum eines Autos gefunden.
Wie die Polizei mitteilt, waren Ende Oktober in drei Firmen und eine Wohnung im
Landkreis eingestiegen worden. Die beiden
Insassen des in Nürnberg gemeldeten Wagens
sind Brüder aus Rumänien.
Weitere Einbrüche?
Die beiden 21- und 28-Jährigen wurden
festgenommen und die Polizei prüft nun überdies, ob sie an weiteren Einbrüchen beteiligt
waren.
Tagung in Günzburg: Notfallseelsorger helfen auch den Helfern
Wie in den Landkreisen Günzburg, Neu-Ulm,
Dillingen und Immenstadt steht die Notfallseelsorge vielerorts auf festen, ökumenischen
Fundamenten. Ist bei Verkehrsunfällen ebenso zur Stelle wie nach plötzlichem Kindstod
und Suizid, hilft Betroffenen und geschädigten Helfern – so die Beobachtung beim Jahrestreffen in der Firma Günzburger Steigtechnik. Die Günzburger Vertreter Hermann Gien-
ger und Joachim Böhm (2. und 3. von links) berichteten über jährlich 15 Einsätze, meist bei
Unfällen auf der Straße. Heute zu neunt in wöchentlich wechselnden Bereitschaftsdiensten
arbeitend, freuten sie sich, dass der Rotaryclub Günzburg 1997 ihre Ausrüstung stiftete,
und sie hoffen auch in der Zukunft auf private
und gewerbliche Sponsoren für ihre schwere,
psychisch belastende Tätigkeit. Auf Diözesan-
ebene stehen dem Leiterteam Pater Ulrich C.
Keller, Diakon Günther Mayer und Dr. Edgar
Grumpen 120 Geistliche beider Konfessionen
zur Seite. Die Karte der Diözese Augsburg
(Bildmitte) mit 35 Dekanaten zeige allerdings
leider noch zwölf weiße Flecken auf, wo bislang keine Notfallseelsorge eingerichtet wurde, bedauerten die Teilnehmer der Günzburger Tagung.
Text/Bild: Paul
r
Frauen am Mittwoch, 10. Dezember, angeboten in Zusammenarbeit mit der Katholischen
Landvolkbewegung im Dekanat Krumbach.
Leiter des Einkehrtages ist Hochwürden Herr
Pater Provinzial der Pallottiner Fritz Kretz aus
Friedberg. Er wird zu dem Thema „Warum gerade ich? - Gerufen im Leid“ sprechen. Es
geht um die Frage des Leids (Schicksalsschläge etc.) in unserem Leben, was es bedeutet
und wie wir heilsam damit umgehen. Der
Preis wird für die Busfahrt 8,50 Euro, für das
Mittagessen, Kaffee und Kuchen 13,50 Euro
betragen. Anmeldungen sind erbeten im
Pfarramt Neuburg, Tel.: 08283/322.