Schütze hat Modell-Kanone selbst gebaut Von unserem Mitarbeiter Hans-Peter Wagner Alle Bilder anzeigen Deutscher Meister: Kanonenschütze Horst Deckert beim Wettkampf in Benndorf (Sachsen-Anhalt). © Fundus Horst Deckert KÜLSHEIM/TAUBERBISCHOFSHEIM. Wohl jeder kennt Sportarten, in denen es Deutsche Meister gibt. Deutsche Meisterschaften im Kanonenschießen sind jedoch allgemein eher weniger bekannt. Hier hat es Horst Deckert, der in Tauberbischofsheim lebt und Mitglied im Kleinkaliber-Schützenverein Külsheim ist, heuer zu solchen Meisterehren gebracht. Das Kanonenschießen ist in Deutschland organisiert beim "Verband Deutscher Schwarzpulver Kanoniere" (VDSK), der seinerseits Mitglied der Deutschen Schießsport Union ist. Der VDSK sieht sich als Verband zur Pflege des Brauchtums der alten Büchsenmeister. Zweck des Verbands sind laut dessen Homepage auch Förderung und Pflege des sportlichen Schießens mit Schwarzpulver-Modellkanonen entsprechend dem Waffengesetz der Bundesrepublik Deutschland. Dass ein Schießen mit Kanonen in der Größe, wie diese Jahrhunderte lang in Gebrauch waren, heutzutage nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Die heutigen Kanoniere sind also auf Modelle angewiesen. Horst Deckert ist 73 Jahre alt, hatte bereits in frühester Jugend Interesse an der Jagd und nahm vor einigen Jahren mit einem Bekannten als Zuschauer an einem Wettbewerb im Kanonenschießen teil. Sein Interesse war schnell geweckt "und schon ist es rundgegangen", erzählt er. Es ist bei den Schützen guter Brauch, sich seine Kanonenmodelle selbst zu bauen. Das macht auch Deckert, der seine Ausbildung in der Gießerei Faber (Tauberbischofsheim) verbrachte. Dort hat er genügend gelernt, um einen Rohling so zu bearbeiten, dass damit geschossen werden kann. Auch alles andere, was eine formschöne Kanone ausmacht, baut Deckert selbst. Wenn nötig, macht er sich vorher umfassend kundig. Deckert: "Aus einem Eichenbrettle wird eine Lafette und aus einem Stück Metall ein brauchbares Kanonenrohr." Letzteres wird entweder gegossen oder aus dem Vollen gedreht. Für die Lafette verwendet er verschiedene Hölzer, die besten für den jeweiligen Zweck. "Es muss schon Hartholz sein" für die stabilisierenden Teile. Für die Räder bevorzugt er Eichenholz und Robinie, Esche für die Speichen. Deckert fertigt in detaillierter Kleinarbeit auch winzige Muttern. Doch, sagt er: "Ich will nicht wissen, wie viel Zeit für eine Kanone verbraucht wird." Ein halbes Jahr sei schon anzusetzen, bis ein Exemplar äußerst präzise verarbeitet fertig ist. Auf Stunden wird im Hobbyraum nicht geachtet. Das Regelwerk des Verbands gibt vor, dass eine Vorderlader-Modellkanone einem Vorbild entsprechen muss. Für die von Deckert erfolgreich geschossene Klasse 5 (Distanz 50 Meter, ohne Visier, mit glattem Lauf) hatte für sein Modell ein spanisches Schiffsgeschütz aus der Mitte des 15. Jahrhunderts gewählt. Das Schießen mit solchen Modellen ist nur möglich, wenn sie von Amts wegen geprüft und mit einem Beschusszeichen versehen sind. Geschossen werden kann dann nur auf zugelassenen Schießständen, so wie in Külsheim auf dem neuen 100-Meter-Stand des Kleinkaliber-Schützenvereins. Verwendet wird Schwarzpulver - ähnlich wie vor Jahrhunderten. Vor einem Wettbewerb wird zu Hause einige Male trainiert. Die einzelnen Abläufe mit der Modellkanone müssen stimmen. Im Prinzip ist es die gleiche Handhabe wie früher bei den großen Kanonen. Beim Wettkampf selbst hat der Schütze zehn Minuten Zeit für den Aufbau. Die Kanone kommt auf den Tisch, der Lauf wird gewischt, Pulver gerichtet, ebenso Schusspflaster, Kugel und Zündschnur. Für zehn Schuss sind 45 Minuten festgesetzt, das reicht üblicherweise aus. Erst nach Freigabe durch die Schießaufsicht darf die Kanone geladen, dann die Lunte gezündet werden. Ein lautes "Achtung!" des Schützen gilt als Hinweis, dass gleich ein Schuss bricht. "Das Wichtigste ist die Sicherheit", erläutert Deckert. Wenn der Pulverdampf verzogen ist, überprüft der Schütze den Erfolg des Schusses, korrigiert gegebenenfalls und macht sich bereit für den nächsten Versuch. Sind alle zehn Schuss abgefeuert, erfolgt die Auswertung durch zwei Schützenkollegen. Begeisterung und Übung sind ebenso vonnöten wie Geschick beim Wettkampf, um bei Meisterschaften erfolgreich zu sein. Bei den Deutschen Meisterschaften am 10. Juli in Benndorf (Sachsen-Anhalt) war Deckert in der Klasse 5 mit einer Ringzahl von 800 knapp vor der Konkurrenz aus Berlin und Strehla siegreich. Der Mann vom KKS Külsheim überzeugte durch sehr konstant gute Schüsse und hatte keinen Ausreißer nach unten. Dadurch konnte Horst Deckert seinen bereits im Vorjahr errungenen Meistertitel verteidigen. Bereits im Jahr 2006 war der Tauberbischofsheimer Deutscher Meister in der Klasse 6. Hinzu kommen viele weitere Erfolge in Mannschaftswettbewerben, Pokal- und Rundenwettkämpfen. Altersklassen gibt es beim Kanonenschießen keine. Horst Deckert meint: "Je älter man wird, desto mehr braucht man ein Hobby, an dem man sich erfreuen kann." Momentan arbeitet er am Modell einer napoleonischen Kanone aus der Mitte des 19. Jahrhunderts "und dann ist Schluss mit dem Kanonenbau" - sagt er zumindest. © Fränkische Nachrichten, Samstag, 01.08.2015
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