TEXTILPLUS Vereine SENIORENFLASH: Gustav Schütze Ein Interview mit Gustav Schütze in Trin hat sich vor 50 (!) Jahren Piero Buchli beim gemeinsamen Besuch der Textilfachschule Zürich mit Gustav, noch nicht vorstellen können. Auf meiner Fahrt nach Trin spiegelte sich die Gemütlichkeit der Gegend in der Antwort des Postautochauffeurs in Chur auf meine Frage, wann wir denn in Trin eintreffen werden: «Wir sind dann oben, wenn wir oben sind…» Gustav Schütze wurde am 9.6.1946 geboren und verbrachte eine glückliche Jugend im schönen, geräumigen Elternhaus mit Garten in Zürich-Höngg. Die Familie Schütze war damals beteiligt an der Färberei Schütze & Co. AG an der Limmatstrasse in Zürich 4. Gustav und seine drei Geschwister kannten die Gustav Schütze meisten MitarbeiterInnen, ein typischer Familienbetrieb. Es herrschte Plötzlich wurde man vom Schweizer Thurgauer Wollfärberei in Bürglen Ordnung im Hause Schütze; zuerst Markt, der bis anhin seine Stoffe aus keine Wende zum Bessern brachte. Drei musste die Gartenarbeit erledigt wer- dem Ausland importiert hatte, ernst Viertel des Fabrikgeländes wurden der den, bevor die Kinder zum Spielen durf- genommen und hatte auch allerhand Stadt Zürich verkauft – und liegen ten. Dass Gustav diese Gartenarbeit mit neue Stoffarten auszurüsten und zu heute noch brach – und auf einem Vier- ganzem Herzen liebte, hat ihn bis auf färben. In den folgenden Jahrzehnten tel führte eine Generalbau-Firma eine den heutigen Tag geprägt. arbeitete man sehr erfolgreich, konnte Überbauung durch. massvoll investieren und beschäftigte Schütze & Co. AG in den Glanzzeiten bis zu 300 Mitarbei- Dr. rer. nat. Gustav Schütze Diese Wollstückfärberei wurde 1893 terInnen. Die Ausbildung von Gustav Schütze Globalisierung sponsert im Hinblick auf eine spätere als Firma Weidmann, Schütze + Dittmar aus der Taufe gehoben, die erste wurde von seinem Vater grosszügig ge- Schweizerische Färberei für Wollge- Später, mit der einsetzenden Globalisie- Mitwirkung in Familienunternehmen. webe, nachdem man bis dahin für den rung, gingen die Aufträge stark zurück, Auch leistete Gustav in seiner Freizeit Bezug gefärbter Wollstoffe vom Aus- die Lage der gesamten Textilindustrie und in den Ferien immer wieder land abhängig war. Die Färberei färbte verschlechterte sich allgemein. Billige Einätze in der elterlichen Fabrik, wo und appretierte die in der Schweiz ge- Importe von Textilien aus Ländern mit ihm die Verarbeitung der Wollgewebe wobenen Wollstoffe im Lohn haupt- niedrigen Löhnen, niedrigen oder gar ans Herz zu wachsen schien. Nach dem sächlich für die grossen Schweizer We- keinen Sozialabgaben und vor allem Besuch der Textilfachschule 1964/65 bereien, die ihre feinfädigen Gewebe die Diskrepanz zwischen den Umwelt- absolvierte Gustav vorerst von 1967– damit gefärbt exportieren konnten. vorschriften in unseren Breitengraden 1970 die Ingenieurschule für Textilwe- Der Ausbruch des Weltkrieges 1914–18 und diejenigen im fernen Ausland, sen in Aachen und anschliessend 1970– veränderte mit einem Schlag die Lage zwangen schliesslich die Firmenlei- 1977 die Technische Hochschule in der Firma, die inzwischen unter dem tung 1978 zur Aufgabe, nachdem auch Aachen(Fachrichtung Chemie), wo er Namen Schütze & Co. AG fungierte. eine kurze Zusammenarbeit mit der seine Diplomarbeit und später auch 40 Ausgabe 07/08-2015 TEXTILPLUS Vereine seine Dissertation bei Prof. H. Zahn – duktion zur Herstellung von thermo- lärste, das Färben von (Brillen)Linsen dem legendären «Woll-Zahn» – ab- plastischen Kunststoffen und Synthese- aus den im eigenen Betrieb hergestell- schloss. Aachen hatte Gustav als Pferde- fasern fand Gustav Schütze ein weites ten Grundmaterialien. freund verschiedenen engagiertes Tätigkeitsfeld, das ihn anderen Hochschulstandorten als Pfer- 1977–1997 ausfüllte und ihm die Beru- Die Patente dehochburg den Vorzug gegeben. Er fung für weitere zwei Jahre zur Ems- In- Durch seine fundierte Ausbildung und konnte denn auch seinem Hobby viele venta AG eintrug. gegenüber Praxis entwickelte sich Dr. Gustav Jahre lang frönen, und es bedeutet ihm Schütze zu einem anerkannten Exper- auch heute noch enorm viel, einmal im Die «Wanderjahre» ten für die Textilrohstoffe, Polyester, Jahr dem CSI Zürich einen Besuch abzu- Als sich die inzwischen hinlänglich be- Polyamid und Polypropylen. In seiner kannten statten. der Aktivzeit arbeitete er mit seinen Teams Schweizer Textilindustrie akzentuier- Schwierigkeiten in an der Entwicklung von nicht weniger Kein Zurück an die Limmatstrasse ten, bekleidete Gustav Schütze für ein als 8 (!) Patenten. Im heimatlichen Betrieb und in der Abteilung Verfahrenstechnik bei der Die Hobbies Textilveredlungsbranche unseres Lan- Setila AG in Widnau sowie zwei weiter In allen Lebenslagen hat sich Gustav Jahr die Position als Projektleiter in der des zogen schwarze Wolken auf, an Jahre bei der Rhodia Industrial Yarns Schütze begeistert mit Gartenarbeit be- eine Kadertätigkeit im elterlichen Un- AG in Emmenbrücke – ehemals Visco- fasst – auch heute noch. Früher war er ternehmen war nicht mehr zu denken, suisse. zudem ein engagierter Pfadi-Führer, die Firma wurde dann ja auch wenig hatte sein eigenes Pferd, «Florian» den später nach Gustavs Studienabschluss Rückkehr nach Domat/Ems hübschen (Apfel)Schimmel, und hielt geschlossen. Noch fand Gustav Schütze Gustav Schütze hatte sich 1995 nach und hält sich weiter mit Schwimmen in beim Deutschen Wollforschungsinsti- eignen Ideen sein schmuckes Haus in den benachbarten Seen, dem Cauma- tut, Aachen eine Stelle als wissenschaft- Trin-Tignuppa bauen lassen, nachdem und dem Crestasee, sowie mit Wandern licher Angestellter, schliesslich aber er zuvor in einer Mietwohnung in Do- und im Winter mit Skilaufen fit. Auch entschied er sich zu einer Rückkehr in mat/Ems gewohnt hatte. So war es denn plant er, seine Schnitzer- und Bastel- die Schweiz. naheliegend, dass er um eine Rückkehr kenntnisse zu erweitern, für die er bis- ins Bündnerland bemüht war, was ihm her nicht genügend Zeit investieren konnte. Ems-Chemie AG Domat/Ems schliesslich auch gelang, als ihm die Als Projektleiter in den Abteilungen Ems-Chemie AG wiederum gewisse Forschung und Entwicklung sowie Pro- Aufgaben übertrug, die wohl spektaku- Historisches Foto der Wollfärberei Zürich. Nach dem Gespräch ins Gustavs Haus in Trin haben wir die Nachbarin, Frau Casty, bei Gartenarbeiten getroffen. Gusti hat ihr eröffnet, dass wir zusammen vor 50 Jahren die Schulbank gedrückt haben, und ich habe ihr gesagt, sie könne selbst erraten, wer von uns damals der brävere war … Frau Casty: «Das ist nicht schwer zu erraten, Gusti ist heute noch ein Braver» … päng ! Zum Schluss eröffnete mir Gustav Schütze, dass er sich trotz seiner jahr(zehnt)elangen engagierten Tätigkeit im Synthetikbereich tief im Herz weiterhin als «Wulliger» fühlt. ■ Ausgabe 07/08-2015 41
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