SCHRIFTEN ZUR TECHNISCHEN KOMMUNIKATION 20 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.) Gesetze, Urteile, Normen, Richtlinien Bei diesem PDF-Dokument handelt es sich um Band 20 der Reihe tekom Schriften zur Technischen Kommunikation „Gesetze, Urteile, Normen, Richtlinien“, das von dem Nutzer ausschließlich gemäß den Regelungen der tekom-Lizenzbedingungen zu Band 20 „Gesetze, Urteile, Normen, Richtlinien“ (http://www.tekom.de/publikationen/dokumente.html) genutzt werden darf. Bitte lesen Sie vor der Nutzung die Lizenzbedingungen sorgfältig durch. tekom-Jahresgabe Dezember 2015 tekom SCHRIFTEN ZUR TECHNISCHEN KOMMUNIKATION | Band 20 Gesetze, Urteile, Normen, Richtlinien Regelungen für die Technische Kommunikation herausgegeben von Jörg Hennig und Marita Tjarks-Sobhani Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-944449-39-5 © Verlag tcworld GmbH, Stuttgart 2015 www.tekom.de Redaktion und Lektorat: Elisabeth Gräfe, Jörg Michael Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Die Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien ist untersagt. Inhalt Einleitung7 Dagmar Gesmann-Nuissl Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick11 Jens-Uwe Heuer-James / Claudia Klumpp Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation30 Jens-Uwe Heuer-James Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation41 Abraham de Wolf Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation53 Jens-Uwe Heuer-James Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation60 Roland Schmeling Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA71 Gerhard Lierheimer Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland81 Roland Schmeling Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation91 5 Inhalt Annette D. Reilly Normung für Softwaredokumentation 104 Torsten Gruchmann E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation115 Jan Dyczka Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas125 Matthias Schulz Risikobeurteilung und Technische Kommunikation135 Horst-Henning Kleiner Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation148 Peter Ebenhoch Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation157 Die Autoren: Biografische Notizen171 Index174 tekom SCHRIFTEN ZUR TECHNISCHEN KOMMUNIKATION178 tekom HOCHSCHULSCHRIFTEN180 Weitere tekom-Publikationen183 6 Einleitung Der vorige Band dieser Schriftenreihe war einem Trend in der Technischen Dokumentation gewidmet, der durch technische Innovationen verursacht ist. Dieses Mal geht es um Einflüsse, die eine lange Tradition haben und grundlegenderer Natur sind: Gesetze, Urteile, Normen und Richtlinien. In ihnen spiegeln sich die auch sonst be kannten Funktionen des Rechts wider, insbesondere Ordnungs-, Friedens- und Schutzfunktionen. Die Herausgeber versuchen das Gesamtthema des Bandes durch die Einzelthemen möglichst vollständig abzudecken. Dabei werden schon durch den Umfang des Bandes Grenzen gesetzt. Außerdem gelingt es nicht in jedem Fall für jedes wünschbare Thema ebenso kompetente Autorinnen oder Autoren zu finden, wie sie hier versammelt sind. So war es nicht möglich, die Betrachtung von wichtigen Exportregionen über die beiden hier abgehandelten hinaus auszuweiten. Auch über die Reihenfolge der Themen könnte man streiten. Innerhalb der im Bandtitel angedeuteten Themenblöcke haben wir uns bemüht, jeweils vom Allgemeinen zur Spezifizierung fortzuschreiten. • Dagmar Gesmann-Nuissl gibt in ihrem einleitenden Beitrag einen Überblick über die Rechts- und Verordnungsgebiete, die Vorgaben für die Technische Kommunikation machen. Dafür nimmt sie eine Dreiteilung vor in zwingendes Gesetzesrecht, privatautonom gestaltbares Privatrecht und Ausgestaltung und Konkretisierung durch die Rechtsprechung. Beim Gesetzesrecht widmet sie sich vor allem dem Produktsicherheitsrecht. Neben den Gestaltungsmöglichkeiten des Vertragsrechts, insbesondere in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zeigt sie dessen Grenzen auf. • Der Beitrag von Jens-Uwe Heuer-James und Claudia Klumpp ist von besonderer Aktualität: Er beschäftigt sich mit der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU, deren Verabschiedung bevorsteht; sie soll die bislang geltende Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG ablösen. Die Autoren stellen die Verordnung dar als Teil des neuen Produktsicherheits- und Marktüberwachungspakts der EU. Bei der Beschreibung der Änderungen gegenüber der alten Richtlinie geht es um die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation mit der Erweiterung der Pflichten der Wirtschaftsakteure und der Verschärfung der Marktüberwachung. • Jens-Uwe Heuer-James sieht in dem Bemühen um eine zuverlässige Kundenbeziehung die Motivation, sich mit dem Vertragsrecht zur Technischen Dokumentation auseinanderzusetzen. In einem ersten Teil klärt er die Rolle der Technischen Dokumentation als Teil des Produkts. Er lenkt dann die Aufmerksamkeit auf die Informationspflicht als Teil der vertraglichen Nebenpflichten im 7 Einleitung • • • • • • • 8 Zusammenhang mit Technischer Dokumentation und geht dann auf die Rechtsfolgen schlechter Technischer Dokumentation ein. In zwei weiteren Abschnitten betont er die Notwendigkeit detaillierter Vorgaben im Zusammenhang mit vertraglichen Regelungen von Technischer Dokumentation. Abraham de Wolf behandelt ein oft unbeachtetes Spezialgebiet, das Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation. Dabei geht es ihm vor allem darum, „wie die Nutzung von Software zur Übersetzung von Texten und das Urheberrecht miteinander verflochten sind“. Er untersucht den Kernsatz des Urheberrechts „Der Autor eines originellen Werkes hat das alleinige Recht, die Nutzung zu bestimmen“ nach seinen Bestandteilen und verbindet damit die Diskussion der Möglichkeiten, die Übersetzungssoftware bietet. Die Fortschreibung des Rechts zur Technischen Kommunikation geschieht durch Gerichtsentscheidungen. Jens-Uwe HeuerJames erläutert, wie dies geschieht und gibt einen Überblick über wegweisende Urteile. Seine Beispielsammlung ordnet er nach den wichtigsten einschlägigen Gesetzen. Roland Schmeling befasst sich vorrangig mit dem US-amerikanischen Produkthaftungsrecht und gibt so einen informativen Überblick über Recht und Urteile zur Technischen Kommunikation in der wichtigen Exportregion USA. Er betont für in den USA vertriebene Produkte die Bedeutung einer kompetenten Risikobeurteilung. Er sieht hier Defizite bei in Deutschland entstandenen Dokumentationen. Die Besonderheiten von rechtlichen Regelungen zur Technischen Kommunikation in Russland und Ländern der umgebenden Zollunion beschreibt Gerhard Lierheimer. Er geht insbesondere auf die Bereiche Produkthaftung, Produktsicherheit und Informationspflicht ein und sieht Ähnlichkeiten zu Regelungen in der EU. Bedeutung und Reichweite des Rechtsbegriffs der „anerkannten Regeln der Technik“ geht Roland Schmeling nach. Er beschreibt die drei bekannten Technikklauseln („Stand von Wissenschaft und Technik“, „Stand der Technik“ und „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“) in ihrer Relevanz für die wichtigsten Gesetze zur Technischen Kommunikation. Die „Regeln der Technik“ erläutert er mit einer Reihe von prägnanten Beispielen. Der Normung in einem wichtigen Spezialbereich widmet sich Annette D. Reilly. Sie bezieht sich auf internationale Normen zur Softwaredokumentation und betont deren Bedeutung für alle Beteiligten am Softwareprozess und auch für die Softwareanwender. Wir drucken den Beitrag in einer deutschen Übersetzung ab. Der durch eine EU-Verordnung eröffneten alternativen Möglichkeit einer elektronischen Publikation der Gebrauchsanweisung für die Einleitung Hersteller von Medizinprodukten geht Torsten Gruchmann nach. Er stellt die daraus resultierenden Verpflichtungen und die Vor- und Nachteile des E-Labelings für Hersteller und Verbraucher dar und diskutiert die Auswirkungen auf die Arbeit Technischer Redakteure. • Jan Dyczka widmet sich in seinem Beitrag einschlägigen Normen für Technische Redakteure. Er zeigt auf, welche Recherchemöglichkeiten es gibt und wie mit Nomen umzugehen ist. Er konzentriert sich dabei auf die Märkte EU, USA, China und Russische Föderation. • Matthias Schulz stellt zunächst die Frage, warum die Risikobeurteilung von so großer Bedeutung ist, und stellt dabei den Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit als Qualitätsziel für jedes Produkt heraus. In dem Hauptteil seines Beitrags beschreibt er verschiedene Methoden zur Risikobeurteilung und widmet sich in einer abschließenden Betrachtung der Rolle der Technischen Redakteure bei der Risikobeurteilung. • Horst-Henning Kleiner thematisiert die Bedeutung von Arbeits schutz- und Unfallverhütungsvorschriften für Technische Dokumentation. Nach einer allgemeinen Betrachtung des Arbeitsschutzes in Deutschland widmet er sich der Betriebssicherheitsverordnung und anderen Unfallverhütungsvorschriften. Sein Fazit ist, dass „Verweise in Anleitungen auf die Betreiberpflichten völlig überflüssig sind“. Er betont, „dass die Qualität des Arbeitsschutzes auch von der Qualität der Anleitungen abhängt.“ • Peter Ebenhoch klärt, welche Bedeutung technische Compliance für die Technische Dokumentation hat. Nach einer Betrachtung aktueller betrieblicher Abläufe und Rahmenbedingungen widmet er sich verschiedenen Facetten des Begriffs „Compliance“. Er führt den Begriff der „materiellen Compliance“ ein, den er der formellen Compliance gegenüberstellt. Für die Umsetzung von Compliance-Regeln hält er „die interne Wertschätzung und Anerkennung der Technischen Redaktion“ für unerlässlich. Wie bei allen Bänden gehen die Herausgeber davon aus, dass niemand das Buch linear von vorn bis hinten durchliest. Die Leserinnen und Leser werden sich den Beiträgen zuwenden, die für sie von Interesse sind und von denen sie einen Nutzen haben. Inhaltliche Überschneidungen zwischen den Beiträgen sind in einem thematisch fokussierten Sammelband unvermeidlich; eigentlich sind sie sogar notwendig, da erst durch sie die Verbindung der verschiedenen Regelungsgebiete hergestellt werden kann. Für die gerade in formalen Dingen sehr kritische Zielgruppe dieser Reihe muss auch an dieser Stelle wieder ein Vorbehalt zum Layout gemacht werden: Allen Autorinnen und Autoren werden bindende Vorgaben gemacht; das betrifft z.B. die Form des Literaturverzeichnisses oder den Nachweis von Internetquellen. In diesen 9 Einleitung Punkten sollte Einheitlichkeit in allen Beiträgen herrschen. Andere Vorgaben sind lediglich Empfehlungen, z.B. Marginalien oder die Möglichkeit der Hervorhebung durch graue Unterlegung. Einige Autoren sehen keinen Gewinn für ihre Leser durch Marginalien oder lehnen sie sogar ab, z.B. mit der Begründung, ihr Beitrag sei durch Zwischenüberschriften ausreichend gegliedert und bedürfe keiner Marginalien, die den Lesefluss nur stören könnten. In solchen Fällen haben die Herausgeber es aufgegeben, sich zugunsten eines einheitlichen Erscheinungsbildes gegen die Autoren durchzusetzen. Alle Autoren bemühen sich um eine angemessen distanzierte, nach Möglichkeit objektive Darstellung ihres Themas; häufig geht es aber auch um die Anwendung von Gesetzen und Normen mit interpretatorischem Spielraum. Aufmerksamen Leserinnen und Lesern werden da möglicherweise kleinere Differenzen auffallen. Sie seien an die alte Volksweisheit erinnert: Zwei Juristen – drei Meinungen. Wir gehen davon aus, dass die Zielgruppe auch dieses Bandes überwiegend aus professionell mit Technischer Kommunikation befassten Fachleuten besteht, die zumindest in Ansätzen mit den rechtlichen Grundlagen ihrer Tätigkeit vertraut sind. Trotzdem ist uns klar, dass es Probleme mit der einschlägigen juristischen Fachsprache geben kann, wie sie in unterschiedlicher Ausprägung in den Beiträgen dieses Bandes verwendet wird. Fachsprache, auch die juristische, dient der eindeutigen und möglichst ökonomischen Verständigung über fachliche Inhalte. Deshalb ist der Grad der Fachsprachlichkeit dort besonders hoch, wo besonders viel fachlicher Inhalt auf vergleichsweise wenig Platz dargestellt wird. Zwar gehört heute ein Index zur Standardausstattung eines Fachbuches. Seine Nützlichkeit hängt stark davon ab, was er bietet. Der Index dieses Bandes besteht weitgehend aus Vorschlägen der Autorinnen und Autoren, die im Manuskript vermerken, welche Wörter oder Ausdrücke sie in ihrem Beitrag für ‚suchenswert‘ halten. Aufgabe der Herausgeber ist es darauf zu achten, dass der Index einen vertretbaren Umfang nicht überschreitet. Deshalb tauchen einige zentrale Stichwörter und Ausdrücke nicht im Index auf. Die Verweise zu „Technische Dokumentation“ z.B. würden möglicherweise eine halbe Druckseite füllen. Aufgabe dieses Bandes ist es, eine Bestandsaufnahme zum Recht der Technischen Kommunikation zu bieten. Die Beiträge sollen aber auch zur Übersicht und Orientierung für die Arbeitspraxis beitragen. Möglicherweise kann der sachkundige Verweis auf rechtliche Vorgaben auch dazu dienen, den Stellenwert der Technischen Dokumentation zu erhöhen. Hamburg und München, im Oktober 2015 Jörg Hennig und Marita Tjarks-Sobhani 10 Dagmar Gesmann-Nuissl Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick 1 Technische Kommunikation – Begriffsverständnis Unter den Begriff der Technischen Kommunikation (abgeleitet vom Begriff der Technischen Dokumentation 1) subsumiert man heute den Austausch sämtlicher Daten und Informationen zu Produkten, die während eines Produktlebenszyklus für die mit dem Produkt befassten oder mit ihm in Berührung kommenden Dritten – etwa einen Hersteller, Händler, Nutzer/Verbraucher, Zerleger, Wiederverwerter oder Entsorger – relevant werden können. 2 Die Weitergabe des spezifisch-technischen Produkt-Know-hows sowie bestimmter produkthistorischer Informationen in Form von z.B. Betriebs-, Service-, Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen, Bauteile- und Zutatenlisten, Schaltplänen, Schnittstelleninformationen, Qualitätsprüfberichten, Softwarehandbüchern, Warn-, Zerlege- und Entsorgungshinweisen bis hin zum E-Labeling sollen dabei in erster Linie einem fachgerechten, komfortablen und effizienten sowie störungsfreien und gefahrlosen Umgang mit dem Produkt in seinen diversen Lebensphasen und Einsatzbereichen dienen. Die Technische Dokumentation/Kommunikation ist daher ein wesentlicher Bestandteil eines Produkts. 3 Ob und inwieweit die Technische Dokumentation/Kommunikation auch rechtlich abgefordert wird, d.h. von wem, unter Bezugnahme auf welches Recht und in welchem Umfang, soll nachfolgend überblickartig dargestellt werden. Dies ist allerdings keine einfache Aufgabe, da schon aus der Vielfalt der o.g. Dokumentationstypen, die ihrerseits an verschiedene inner- und außerbetriebliche Anwenderkreise und Zielgruppen gerichtet sein können (z.B. Bediener/Anwender, Administratoren, Servicetechniker, Recycling-Unternehmen, Patentanwälte usw.) und dabei die unterschiedlichsten Produkte betreffen (z.B. Maschinen, Technische Kommunikation Systematisierung 1 Juhl (2005), 15 f.; Kothes (2011), 2 f. 2 Schäfer (2011). 3 Heuer (2006), 21. 11 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick Protagonisten Elektrogeräte, Medizin- oder Bauprodukte), erkennbar wird, dass auch die rechtlichen Anknüpfungen in unterschiedlichen Rechtsgebieten mit durchaus differenzierten (Regelungs-)Zuständigkeiten zu finden sind. Insofern liegt die Herausforderung einer solchen Darstellung in deren Systematisierung. In einer groben Einteilung lassen sich die rechtlichen Grundlagen für die Technische Dokumentation/Kommunikation dem allgemeingültigen, zwingenden Gesetzesrecht einerseits sowie dem zwischen Vertragsparteien privatautonom gestaltbaren Vertragsrecht andererseits entnehmen. Ferner sorgt die Rechtsprechung, u.a. bei der Auslegung des Gesetzesrechts, der Begrenzung privatautonomen Handelns sowie bei der Ausgestaltung produktbezogener Verkehrspflichten (hier insbesondere der Instruktionspflicht) dafür, die Anforderungen an eine „ordnungsgemäße Produktdokumentation/-kommunikation“ auszugestalten und zu konkretisieren. 2 Gesetzesrecht, insbes. Produktsicherheitsrecht Die produktbezogene Technische Dokumentation/Kommunikation wird heute zu einem erheblichen Teil durch gesetzliche Bestimmungen gefordert. Dabei sind entsprechende Verpflichtungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zu finden; im internationalen Vergleich besteht gerade im europäischen Rechtskreis eine Regelungsdichte, die ihresgleichen sucht und im Wesentlichen dem europäischen und nationalen Produktsicherheitsrecht geschuldet ist. 4 2.1 Produktsicherheitsrecht in der Europäischen Union 2.1.1 Funktionsweise des europäischen Produktsicherheitsrechts Zielsetzung New Approach New Legislative Framework Der europäische Gesetzgeber ist seit jeher bestrebt, eine möglichst hohe Rechtsangleichung beim Inverkehrbringen von Produkten im Binnenmarkt zu erzielen (Art. 114, 34 AEUV). Hierfür erließ er schon frühzeitig einheitliche Regelungen, welche die Sicherheit von Produkten zum Schutz der europäischen Verbraucher erhöhen und dabei die Interessen der Wirtschaft an einem freien und ungehinderten Warenverkehr unterstützen sollen. Wurden hierfür anfänglich noch Detailregelungen geschaffen, die jedoch aufgrund ihrer hohen Komplexität keine Akzeptanz in den zur Umsetzung verpflichteten Mitgliedstaaten fanden, verfolgte der europäische Gesetzgeber seit Mitte der 1980er-Jahre den sog. New Approach. Nach diesem Regelungsansatz – der durch das 4 Es ist darauf hinzuweisen, dass auch andere Gesetze, die nicht dem originären Produktsicherheitsrecht zugeordnet werden, Pflichten zur Technischen Kommunikation vorhalten, z.B. § 18 BatterieG; § 35 WaffenG; § 7 ElektroG. Auch dort dienen die Regelungen im Wesentlichen der Sicherheit der Verbraucher/Nutzer. 12 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick „New Legislative Framework“ (NLF) 5 und insbesondere durch den Beschluss 768/2008/EG im Jahr 2010 ein ‚Facelift‘ erfahren hat 6 – werden in den Europäischen Harmonisierungsrichtlinien 7 (und -verordnungen 8) nur das Schutzziel und die wesentlichen Anforderungen im Hinblick auf die Sicherheit der Produkte statuiert und der freie Verkehr dieser Produkte im Binnenmarkt angeordnet, sofern die dort genannten Anforderungen erfüllt werden (Art. 3 Abs. 1 Beschluss 768/2008/EG). Die Konkretisierung der wesentlichen Anforderungen, insbesondere der technisch-organisatorischen Spezifikationen erfolgt anschließend in harmonisierten Europäischen Normen, die im Auftrag der Kommission (sog. Mandatierung) durch europäische Normungsorganisationen geschaffen und von den nationalen Normungsorganisationen (in Deutschland das Deutsche Institut für Normung „DIN“) in gleichlautende nationale Normen überführt werden. 9 Die Einhaltung dieser harmonisierten Europäischen Normen bleibt für die Wirtschaftsakteure freiwillig, löst jedoch im Befolgungsfall eine Vermutung für die (Richtlinien-)Konformität eines Produkts aus, d.h., bei Einhaltung der harmonisierten Europäischen Norm wird vermutet, dass das Produkt die wesentlichen Anforderungen der Harmonisierungsrichtlinie einhält (Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Anh. I R 8 Beschluss 768/2008/EG), das Produkt sicher ist und frei im Binnenmarkt zirkulieren kann. Der Wirtschaftsakteur kann aber ebenso Spezifikationen aus nicht-harmonisierten Normen zugrundelegen oder völlig eigene Lösungen generieren, dann allerdings ohne die Konformitätsvermutung. Gleichgültig, welchen Weg der Hersteller oder sein Bevollmächtigter wählt, ist er dazu aufgerufen, die Konformität des Produkts mit den wesentlichen Anforderungen der einschlägigen Harmonisierungsrichtlinie vor Inverkehrgabe festzustellen (sog. Konformitätsverfahren, Art. 4 i.V.m. Anh. II Beschluss 768/2008/EG). 10 Dabei hat er sich ggf. einer benannten 5 Das Regelungspaket des „New Legislative Framework“ besteht aus drei Rechtsakten: VO (EG) Nr. 764/2008, dem Beschluss Nr. 768/2008/EG sowie der VO (EG) Nr. 765/2008. 6 Gesmann-Nuissl/Ensthaler/Edelhäuser (2011), 25 ff.; Kapoor/Klindt (2008), 649; Kapoor/ Klindt (2009), 134; Schucht (2014), 848. 7 Beispiele sind u.a. Maschinen-RL 2006/42/EG; Niederspannungsgeräte-RL 2006/95/EG; Spielzeug-RL 2009/48/EG; ElektromagnetischeVerträglichkeit-RL 2004/108/EG; Medizinprodukte-RL 2007/47/EG; Funkanlagen und TK-Einrichtungen-RL 99/5/EG. Weitere siehe unter: www. newapproach.org. 8 Z.B. BauprodukteVO 305/2011/EU; demnächst: MedizinprodukteVO COM(2012) 542 final. 9 Eine harmonisierte Norm ist nach dem Begriffsverständnis des NLF „eine Norm, die von einem der in Anh. I der Richtlinie 98/34/EG … anerkannten europäischen Normungsgremien (CEN, CENELEC, ETSI) auf der Grundlage eines Ersuchens der Europäischen Kommission nach Art. 6 jener Richtlinie erstellt wurde“. DIN-, VDE-, ISO-Normen sind folglich nicht ohne weiteres „harmonisierte Normen“, können indes Umsetzungsakte inhaltsgleicher harmonisierter europäischer Normen sein. In einem solchen Fall ist das durch die Bezeichnung „EN DIN …“ oder „ISO EN …“ erkennbar. 10 Der europäische Gesetzgeber entwickelte hierfür ein richtlinienspezifisches „Baukastensystem“. 13 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick RL 2001/95/EG (RaPS) Marktüberwachung nach VO 768/2008/EG (bzw. notifizierten) Stelle zu bedienen, sofern dies in der jeweiligen Harmonisierungsrichtlinie angeordnet ist, anderenfalls genügt die Selbstzertifizierung. Schließlich bringt der Hersteller mittels der CEKennzeichnung auf dem Produkt nach außen zum Ausdruck (sog. Konformitätserklärung), dass sein Produkt den Anforderungen der einschlägigen Harmonisierungsrichtlinie genügt (Art. 5 i.V.m. Anh. II Art. R 11 ff. Beschluss 768/2008/EG). Nachgeordnete Wirtschaftsakteure (Einführer, Händler), die diesen Prozess nicht selbst steuern können, müssen ihn zumindest kontrollieren oder garantieren (Anh. I Art. R 4 u. R 5 Beschluss Nr. 768/2008/EG). Die vorgenannten Rechtsangleichungsmaßnahmen der Gemeinschaft sind i.d.R. produktgruppenspezifisch (d.h. sektoral) angelegt und relativ gleichförmig aufgebaut. Sie sollen auch künftig nach den nunmehr noch präziser gefassten Vorgaben aus dem Beschluss 768/2008/EG demselben einheitlichen Muster folgen. 11 Für den gesamten Bereich von Waren, Stoffen und Zubereitungen, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden sind (Produkte), sowie für Verbraucherprodukte werden die Harmonisierungsrichtlinien strukturell überlagert durch die Allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG (RaPS), welche zunächst eine allgemeine Forderung dahingehend aufstellt, dass nur „sichere Produkte“, die keine Gefahr für Leben, Gesundheit oder wesentliche Rechtsgüter darstellen, auf den Markt gebracht werden dürfen (Art. 1 RL 2001/95/EG), und Regelungen enthält (Art. 5 ff. RL 2001/95/EG), die diese Zielsetzung unterstützen. Dabei hat die RaPS dort, wo Produkte bereits speziellen sektoralen Harmonisierungsrichtlinien unterfallen (z.B. Maschinen, Spielzeuge, Niederspannungsgeräte) nur noch eine Auffangfunktion; ihre Anforderungen sind auf der anderen Seite erfüllt, wenn die einschlägigen sektoralen Harmonisierungsrichtlinien eingehalten werden. Dass der Hersteller und die nachgelagerten Wirtschaftsakteure den wesentlichen Anforderungen aus den Harmonisierungsvorschriften bzw. den Verpflichtungen aus der RaPS tatsächlich nachkommen, muss auf mitgliedstaatlicher Ebene durch eine funktionierende Marktüberwachung sichergestellt werden. Sie muss im Anschluss an die Eigendeklaration die Einhaltung der Anforderungen der europäischen Harmonisierungsrichtlinien bzw. die Einhaltung der Pflichten aus der RaPS überwachen, stichprobenartig kontrollieren und das Inverkehrbringen gefährlicher Produkte verhindern bzw. einschränken. 12 Seit 2010 sind die grundlegenden Anforderungen hierzu in einer Europäischen Verordnung (VO 765/2008/EG) manifestiert, die 11 Mit der SpielzeugRL 2009/48/EG wurde erstmals eine Harmonisierungsrichtlinie nach dem Vorbild des Beschlusses Nr. 768/2008/EG erlassen. Die Anpassung von neun weiteren Richtlinien ist vorgesehen (Alignment Package). 12 Zur Marktüberwachung auch allgemein Gesmann-Nuissl (2014), 34 ff. 14 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick unmittelbar, d.h. ohne Umsetzungsakt, in allen Mitgliedstaaten gilt (Art. 288 Abs. 2 AEUV). Nach einem Vorschlag der Kommission vom 13.02.2013 soll es in Kürze weitere Veränderungen in der bisherigen Architektur des europäischen Produktsicherheitsrechts geben. Mit dem sog. Produktsicherheits- und Marktüberwachungspaket 13 soll insbesondere die RL 2001/95/EG aufgehoben und durch eine Produktsicherheitsverordnung ersetzt werden, die unmittelbare Gültigkeit in den Mitgliedstaaten beanspruchen würde. Ferner sollen alle bestehenden Marktüberwachungsregelungen aus den Harmonisierungsrichtlinien, der VO 765/2008/EG und der RL 2001/95/EG in einer einzigen Marktüberwachungsverordnung zusammengeführt werden. Damit würde die derzeit bestehende Vermengung von produktbezogenen Sicherheitsanforderungen und Anforderungen betreffend die Marktüberwachung in den Rechtsakten vermieden und klarer voneinander abgegrenzt. Produktsicherheits- und Marktüberwachungspaket 2.1.2 Regelungen zur Technischen Dokumentation/Kommunikation Wie bereits erwähnt, gibt der Beschluss 768/2008/EG die politische Richtung vor, die bei der Konzeption zukünftiger Harmonisierungsrechtsvorschriften eingeschlagen werden soll, und vereinheitlicht zentral produktsicherheitsrechtliche Bestimmungen, die bereits durch den zuvor gültigen Beschluss 93/465/EWG (auch als „Modulbeschluss“ bekannt) in den bisherigen Harmonisierungsrichtlinien angelegt waren. Nach Anh. I Art. R 2 Abs. 2 Beschluss 768/2008/EG sind die Hersteller dazu verpflichtet, die technischen Unterlagen zu erstellen, anhand derer die Konformitätsbewertung durchgeführt werden kann. Sie sind ferner gemäß Art. R 2 Abs. 7 Beschluss 768/2008/EG verpflichtet, die Sicherheitsinformationen beizufügen, welche für die Nutzer eines Produkts relevant werden können. Während die technischen Unterlagen in erster Linie für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erstellt und bereitgehalten werden, sind die Sicherheitsinformationen für die Käufer und Abnehmer bestimmt. Insofern kommt den technischen Unterlagen ein Dokumentationszweck zu, während die Sicherheitsinformationen, für deren Vorliegen auch der Einführer (Art. R 4 Abs. 4 Beschluss 768/2008/EG) und der Händler (Art. R 5 Abs. 2 Beschluss 768/2008/EG) einzustehen haben, eher einem Kommunikationszweck dienen. Daher sollte man die Verpflichtungen zu Sicherheitsinformationen als Regelungen zur Technischen Kommunikation (im engeren Sinne) begreifen, die im Rahmen dieses Gesamtwerks von Interesse sind. In nahezu allen Harmonisierungsrichtlinien, die nach dem Re 13 Vorschlag für eine Verordnung über die Sicherheit von Verbraucherprodukten vom 13.02.2013, COM(2013) 74 final sowie Vorschlag für eine Verordnung über die Marktüberwachung von Produkten vom 13.02.2013, COM(2013) 77 final. Technische Unterlagen Technische Kommunikation in Harmonisierungs richtlinien 15 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick gelungskonzept des New Approach geschaffen und durch das NLF (insbesondere den Beschluss 768/2008/EG) fortgeschrieben wurden, finden sich solche Regelungen zur produktbezogenen Technischen Kommunikation. Allerdings können hier nicht alle diese Regelungen dargestellt werden. Vielmehr werden drei herausgegriffen, um die dort eingeschlagene Regelungssystematik – die sich, wie gesagt, in den anderen Harmonisierungsrichtlinien wiederholt – aufzuzeigen: • MaschinenRL 2006/42/EG 14 Die MaschinenRL ist wohl die am häufigsten zum Einsatz kommende Harmonisierungsrichtlinie und gilt allgemein für alle privat und gewerblich genutzten Maschinen, auswechselbare Ausrüstungen, Sicherheitsbauteile, Lastaufnahmemittel, Ketten, Seile, Gurte, abnehmbare Gelenkwellen und unvollständige Maschinen, sofern keine Ausnahme greift (Art. 1 MaschinenRL). In deren Art. 5 Abs. 1 ist geregelt, dass der Hersteller oder sein Bevollmächtigter vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme der Maschine sicherstellen muss, „dass die in Anhang VII Teil A genannten technischen Unterlagen verfügbar sind“ (lit. b = Dokumentation). Ferner – und hier von Interesse –, dass der Hersteller die „erforderlichen Informationen, wie die Betriebsanleitung, zur Verfügung zu stellen“ hat (lit. c = Kommunikation). In Nr. 1.7 des Anhangs 1 der MaschinenRL finden sich sodann die grundlegenden Anforderungen zu den in Art. 5 Abs. 1 lit. c benannten „erforderlichen Informationen“. Dabei werden zunächst verschiedene Informationstypen aufgelistet (u.a. Warnhinweise, Warnung vor Restrisiken, Betriebsanleitungen), anschließend die jeweils erforderlichen und verpflichtenden inhaltlichen Angaben benannt (u.a. Firmenname, Bezeichnung der Maschine, allgemeine Beschreibung der Maschine usw.) sowie die Art und Weise der Informationsweitergabe (u.a. direkt an der Maschine, mit oder ohne Übersetzung, Benutzerbezogenheit) geregelt. Ergänzend werden an anderer Stelle spezielle, darüber hinausgehende Anforderungen für bestimmte Maschinentypen (z.B. zur Verarbeitung von Nahrungsmitteln) normiert. Beispiel Beispiel „Betriebsanleitung“: Anhang I 1.7 Informationen 1.7.4 Betriebsanleitung: Es folgt die begriffliche Eingrenzung. 1.7.4.1 Allgemeine Grundsätze für die Abfassung der Betriebsanleitung: Es folgen Hinweise zur richtigen Sprachfassung, zur Vermeidung vorhersehbarer Fehlanwendung und zur Rücksicht 14 ABl. EG Nr. L 157/24 vom 09.06.2006; dazu: Leitfaden für die Anwendung der MaschinenRL 2006/42/EG, abrufbar unter: http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsschutz/Meldungen/ maschinenrichtlinie-leitfaden.html. 16 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick nahme auf die Verständnisfähigkeit des Adressaten. 1.7.4.2 Inhalt der Betriebsanleitung: Es folgen ausführliche Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung, beginnend beim Firmennamen des Herstellers (lit. a) über Installations- und Montagevorschriften zur Verhinderung von Lärm (lit. j) bis hin zum Erfordernis, Angaben über die von der Maschine ausgehende Strahlung zu machen (lit. v). 2.1.2–2.2.2.2 Es folgen ergänzende Anforderungen für bestimmte Maschinentypen: Nahrungsmittelmaschinen und Maschinen zur Verarbeitung kosmetischer und pharmazeutischer Erzeugnisse. 3.6.3.1–3.6.3.2 Mobile Maschinen 4.4.1–4.4.2 Es folgen ergänzende Lastenaufnahmemittel und Maschinen zum Heben von Lasten. Betrachtet man die dort abgeforderten „erforderlichen Informationen“ näher, so muss man feststellen, dass hier recht detaillierte Vorgaben getätigt werden, die auf den gesamten Lebenszyklus der Maschine ausgerichtet sind, beginnend bei der Beschreibung der Maschine, über die Hinweise zur bestimmungsgemäßen Verwendung und Warnhinweise in Bezug auf Fehlanwendungen, bis hin zu Anweisungen zum sicheren Einrichten und Warten. Sofern in der MaschinenRL die Angabe bestimmter, messbarer Werte z.B. in Betriebsanleitungen abgefordert ist (z.B. Schwingungsgesamtwert bei Vibration), wird darauf verwiesen, dass Näheres in harmonisierten Normen geregelt sein kann – jedoch nicht muss und der Anwender sich ggf. selbst zu kümmern hat. Beispiel „Betriebsanleitung“: 2.2.1.1 Betriebsanleitung: Die Betriebsanleitung von handgehaltenen oder handgeführten tragbaren Maschinen muss folgende Angaben über die von ihnen ausgehenden Vibrationen enthalten: – den Schwingungsgesamtwert, dem die oberen Körpergliedmaßen ausgesetzt sind, falls der ermittelte Wert 2,5 m/s² übersteigt. […], – die Messunsicherheiten. Diese Werte müssen entweder an der betreffenden Maschine tatsächlich gemessen oder durch Messung an einer technisch vergleichbaren, für die geplante Fertigung repräsentativen Maschine ermittelt worden sein. Kommen keine harmonisierten Normen zur Anwendung, ist zur Ermittlung der Vibrationsdaten nach der dafür am besten geeigneten Messmethode zu verfahren. Die Betriebsbedingungen der Maschine während der Messung und die Messmethode sind zu beschreiben oder es ist die zugrunde liegende harmonisierte Norm genau anzugeben. Beispiel 17 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick • MedizinprodukteRL 93/43/EWG 15 und MedizinprodukteVOEntwurf 16 Die MedizinprodukteRL ist das wichtigste Regelungsinstrument zum Nachweis der Sicherheit und der medizinisch-technischen Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten, u.a. von Instrumenten, Apparaten, Vorrichtungen, Stoffen oder anderen Gegenständen. Das schließt die für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzte Software ein, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen zur Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, Verletzungen, Behinderungen, zu Untersuchung, Ersatz oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs sowie zur Empfängnisregelung im Europäischen Wirtschaftsraum eingesetzt werden (Art. 2 lit. a MedizinprodukteRL). In Art. 3 MedizinprodukteRL wird allgemein statuiert, dass die „Produkte die grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang I erfüllen“ müssen, wobei Angaben und Informationen nach Wunsch der Mitgliedstaaten auch in der Landessprache zur Verfügung zu stellen sind (Art. 4 Abs. 4). In Abschnitt 13 des Anhangs I wird sodann die „Bereitstellung von Informationen durch den Hersteller“ abgefordert (= Kommunikation), die nach Nr. 13.1 aus „Kennzeichnung“ und „Gebrauchsanweisung“ bestehen. Zu beiden Informationstypen werden im Anschluss die Mindestinhalte – Nr. 13.3 zur Kennzeichnung und Nr. 13.6 zur Gebrauchsanweisung – ausführlich aufgelistet. Dabei beziehen sich die vom Hersteller zu kommunizierenden Inhalte auf den gesamten Produktlebenszyklus, von der Herstellung (z.B. 13.6 lit. b) über die Anwendung (z.B. 13.6 lit. e ff.) bis hin zur Entsorgung (z.B. 13.6 lit. n). Ergänzend werden an anderer Stelle spezielle Anforderungen für bestimmte Medizinprodukte normiert. Beispiel Beispiel „Gebrauchsanweisung“: Anhang I 13 Bereitstellung von Informationen durch den Hersteller 13.1 Informationen bestehen aus Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung 13.6 Inhalt der Gebrauchsanweisung: Es folgen ausführliche Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung, beginnend mit dem Erfordernis, alle kennzeichnenden Angaben aus 13.3 aufzuführen, u.a. Herstellerangaben, Anwenderkreis, Vorsichtsmaßnahmen (lit. a) über Leistungsdaten (lit. b), Angaben zur Installation/ Implementation und zu auftretenden Risiken (lit. d, e) bis hin zum 15 ABl. EG Nr. L 169 vom 12.07.1993, zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/47/EG, ABl. L 247 vom 21.09.2007. 16 COM(2012) 542 final. 18 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick Ausgabedatum der Gebrauchsanweisung (lit. q). 11.4 Es folgen ergänzende Anforderungen für Medizinpro dukte, die Strahlung aussenden. Die sich derzeit im Entwurf befindliche MedizinprodukteVO, die demnächst die Richtlinie ablösen wird (deshalb soll darauf eingegangen werden), folgt bereits dem Leitbild des NLF (Beschluss 768/2008/EG). Sie nimmt den Hersteller 17 gemäß Art. 8 Abs. 2 MedizinprodukteVO einerseits zur Bereitstellung der Technischen Dokumentation in die Pflicht, deren Elemente sich aus dem Anhang II des VO-Entwurfs ergeben (= Dokumentation), sowie andererseits zur Bereitstellung von (Sicherheits-)Informationen, deren Inhalte in Anhang I Abschnitt 19 „Anforderungen an die mit dem Produkt gelieferten Informationen“ näher bestimmt werden (Art. 8 Abs. 7 MedizinprodukteVO = Kommunikation). In diesem Anhang I Abschnitt 19 wird dann weiter differenziert zwischen Allgemeinen Anforderungen (19.1), Etikett (19.2) und Gebrauchsanweisung (19.3) und die jeweils erforderlichen Mindestangaben werden detailliert aufgelistet, wobei dabei erneut alle Phasen des Produktlebenszyklus berücksichtigt sind. Beispiel „Gebrauchsanweisung“: Anhang I 19.1 Allgemeine Anforderungen an die vom Hersteller gelieferten Informationen: Es folgen Informationen insbesondere zur Gestaltung, Sprache sowie Rücksichtnahme auf die Verständnisfähigkeit des Adressaten. 19.3 Angaben in der Gebrauchsanweisung: Es folgen ausführliche Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung beginnend beim Namen des Produkts (lit. a) über die Zweckbestimmung (lit. b), Restrisiken (lit. d), Kompatibilität (lit. m) bis hin zur Angabe der mitgliedstaatlichen Meldestelle bei Produktfehlern (lit. t). Beispiel • NiederspannungsRL 2014/35/EU Etwas kürzer gehalten sind die Anforderungen in der NiederspannungsRL, die aktuell ergangen ist und ebenfalls dem NLF vollumfänglich folgt. Sie gilt für elektrische Betriebsmittel innerhalb der Spannungsgrenze von 50 und 1.000 V für Wechselstrom und zwischen 75 und 1.500 V Gleichstrom. Nach Art. 6 Abs. 2 der NiederspannungsRL erstellen die Hersteller die technischen Unterlagen nach Anhang III der Richtlinie (= Dokumentation) und sie gewährleisten nach Art. 6 Abs. 7 Nieder 17 Die anderen Wirtschaftsakteure gewährleisten (Importeure: Art. 11 Abs. 2 lit. c) oder überprüfen (Händler: Art. 11 Abs. 2 lit. c) das Vorliegen der Technischen Dokumentation. 19 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick Technische Kommunikation in der RL 2001/95/EG (RaPS) spannungsRL, dass dem elektrischen Betriebsmittel eine Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen beigefügt sind, die in einer vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Sprache, die von den Verbrauchern und sonstigen Endnutzern leicht verstanden werden kann, verfasst sind. Weitere, konkretisierende Angaben enthält diese Harmonisierungsrichtlinie dann nicht mehr. In ähnlicher Weise – je nach Entstehungs- und Überarbeitungszeitpunkt – regeln auch alle anderen europäischen Harmonisierungsrichtlinien die Technische Kommunikation. Sie stellen zumindest teilweise recht konkrete Anforderungen an die Verpflichtung zur Bereitstellung von (Sicherheits-)Informationen (= Kommunikation), die für den mit dem Produkt befassten oder mit ihm in Berührung kommenden Dritten bestimmt sind. Sofern die Produkte nicht den Harmonisierungsrichtlinien unterfallen, aber dennoch dem Anwendungsbereich der Allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG (RaPS) zugeordnet werden können, leitet sich die herstellerseitige Informationspflicht aus Art. 5 Abs. 1 RaPS ab. Danach ist der Hersteller verpflichtet, „dem Verbraucher einschlägige Informationen zu erteilen, damit er die Gefahren, die von dem Produkt während der üblichen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Gebrauchsdauer ausgehen und die ohne entsprechende Warnhinweise nicht unmittelbar erkennbar sind, beurteilen und sich dagegen schützen kann.“ Hierzu gehören insbesondere die Herstellerangabe und die Produktkennzeichnung (Art. 5 Abs. 1 S. 4 lit. a). 2.2 Produktsicherheitsrecht in Deutschland 2.2.1 Funktionsweise des nationalen Produktsicherheitsrechts Zentrale nationale Vorschrift zur Sicherheit von Produkten in Deutschland ist das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), welches die europäischen Vorgaben umsetzt. Es findet auf nahezu alle Produkte/Produktgruppen 18 Anwendung (die wenigen Ausnahmen werden in § 1 Abs. 3 ProdSG benannt) und definiert hierfür die „allgemeinen Produktanforderungen“. Danach dürfen nur „sichere Produkte“ auf dem Markt bereitgestellt werden (§ 3 ProdSG), d.h. Produkte, welche die Sicherheit und Gesundheit von Personen bzw. besonders geschützter Rechtsgüter nicht gefährden. Sofern es sich um Produkte handelt, die bereits durch Rechtsverordnungen besonderen Anforderungen unterworfen wurden (§ 8 Abs. 1 ProdSG), sind diese einzuhalten (§ 3 Abs. 1 ProdSG). Da alle EG-Harmonisierungsrichtlinien über die vorgenannte Verordnungsermächtigung eins zu eins in nationales Recht umgesetzt wurden (sog. europäisch-harmonisierter Produktbereich), sind deren grundlegende Sicherheitsanforderungen zwingend zu beachten, wobei der europäische Rechtsakt nach allgemeiner 18 § 2 Nr. 22 und Nr. 26 ProdSG = Art. 15 Abs. 4 VO 765/2008/EG. 20 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick Auffassung sowohl den Mindest- als auch den Höchststandard festlegt. 19 Für Produkte, die nicht einer EG-Harmonisierungsrichtlinie zugeordnet werden können (sog. nicht europäisch-harmonisierter Produktbereich) ist die Unbedenklichkeit zur Bereitstellung auf dem Markt vom Hersteller explizit festzustellen und es gelten hierfür die Anforderungen des § 3 Abs. 2 ProdSG oder etwaiger Spezialgesetze (z.B. § 1 Abs. 4 ProdSG i.V.m. dem AMG). Im Übrigen ist die Regelungssystematik der europäischen angepasst: Die herstellerseitige Unbedenklichkeitsprüfung orientiert sich an den allgemeinen Anforderungen des § 3 Abs. 2 ProdSG. Dabei kann der Hersteller Pflichten konkretisierende Normen und technische Spezifikationen beiziehen (§ 5 Abs. 1 ProdSG), wobei nur die herstellerseitige Befolgung solcher Normen eine Vermutungswirkung für die Einhaltung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Absatz 2 ProdSG auslöst, die der nationale Ausschuss für Produktsicherheit (AfPS) zuvor ermittelt und im Ministerialblatt bekannt gegeben hat (§§ 5 Abs. 2, 4 Abs. 3 ProdSG). 20 Ist die Unbedenklichkeit festgestellt, kann die Konformität erklärt und das CE-Kennzeichen angebracht werden. 2.2.2 Regelungen zur Technischen Dokumentation/Kommunikation Das ProdSG stellt – neben den Anforderungen zur Technischen Dokumentation/Kommunikation, die sich aus den Rechtsverordnungen ergeben und dabei, wie erwähnt, den Harmonisierungsrichtlinien entsprechen – auch für die nicht-harmonisierten Produkte Bereitstellungsbedingungen zur anforderungsgerechten Benutzerinformation auf (§ 3 Abs. 2 ProdSG) und ordnet ergänzende Pflichten für Verbraucherprodukte an (§ 3 Abs. 3 und Abs. 4 ProdSG sowie § 6 ProdSG), die ebenfalls die Technische Kommunikation betreffen. Zum einen normiert § 3 Abs. 3 ProdSG für Produkte, die aufgrund ihrer Bauart ihren vollen Sicherheitsstatus erst dann erreichen können, wenn sie aufgestellt sind, dass die Nutzer auf diesen Umstand hinzuweisen und ggf. über zusätzlich notwendige Maßnahmen, die eine unbedenkliche Inbetriebnahme ermöglichen, aufzuklären sind. Zum anderen fordert § 3 Abs. 4 ProdSG generell das Mitliefern von Gebrauchsanleitungen. Bei Verbraucherprodukten (§ 2 Nr. 26 ProdSG) haben die Wirtschaftsakteure (Hersteller, Bevollmächtigte und Einführer) überdies sicherzustellen, dass der Verwender die Informationen erhält, die er benötigt, um die Risiken, die mit einem Verbraucherprodukt verbunden sind, erkennen und beurteilen zu können (Informationspflicht, Nr. 1). Daneben ist eine Verpflichtung zur Hersteller- und Produktkennzeichnung 21 vorgesehen (Nr. 2). Und 19 Wilrich (2012), 5. 20 Eine Auflistung aller nationalen Normen und technischen Spezifikationen, die eine Vermutungswirkung entfalten, findet sich auf der Homepage der BAuA: http://www.baua.de/ de/Produktsicherheit/Produkt/Normenverzeichnisse.html. 21 Während das ProdSG keine Vorgaben macht, inwieweit die Kennzeichen/Hinweise mit dem 21 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick schließlich werden in § 6 Nr. 3 (Kommunikations-)Pflichten angeordnet, die erst nach Inverkehrgabe eines Produkts relevant werden (wie z.B. das Beschwerdemanagement, die Händlerinformation). Auch sie sind der Verpflichtung zur Technischen Kommunikation im Rahmen des Produktlebenszyklus zuzurechnen. Sicherstellen der „formalen Konformität“ über Normen 2.3 Normen zur Technischen Dokumentation/Kommunikation Im Ergebnis ergeben sich sowohl aus dem europäischen als auch aus dem nationalen Produktsicherheitsrecht Verpflichtungen zur Technischen Dokumentation/Kommunikation. Dabei sind die inhaltlichen Vorgaben zu den technischen Unterlagen (= Dokumentation) und den produktbegleitenden (Sicherheits-)Informationen (= Kommunikation) zum Teil recht präzise (insbesondere in den Harmonisierungsrichtlinien), während sie an anderer Stelle eher abstrakt bleiben (insbesondere RaPS und ProdSG) und daher für einen gewissen Auslegungs- und Gestaltungsspielraum sorgen, der gerade für Technische Redakteure unbefriedigend sein kann. Denn am Ende entspricht ein eigenerstelltes, als „Gebrauchsanleitung“ deklariertes Dokument ggf. nicht (mehr) den Erwartungen des europäischen oder nationalen Gesetzgebers mit der daraus folgenden Konsequenz, dass das Produkt wegen der „formalen Nichtkonformität“ 22 vom Markt genommen und weitere Marktüberwachungsmaßnahmen angeordnet werden können. Insofern besteht aufseiten der Verantwortlichen ein berechtigtes Interesse daran, möglichst rechtssicher die Vorgaben des Produktsicherheitsrechts zur Technischen Dokumentation/Kommunikation umzusetzen. Hierbei kommt nun die Unterstützung von Normen zur Technischen Dokumentation/Kommunikation ins Spiel. Sie geben konkrete Informationen, wie die eher allgemein gehaltenen Anforderungen in den Harmonisierungsrichtlinien und Gesetzen praktikabel umgesetzt werden können. Handelt es sich dabei um harmonisierte Europäische Normen oder vom AfPS im Bundesanzeiger bekanntgegebene Normen, wird mit deren Befolgung den Erwartungen des Gesetzgebers entsprochen (Vermutungswirkung), sodass die formale (Produkt-) Konformität gegeben wäre. 2.3.1 DIN EN ISO 82079-1 DIN EN ISO 82079-1 Neben einer beachtlichen Reihe von harmonisierten Europäischen und nationalen Normen zur Technischen Dokumentation, deren Ausführungen sich häufig auch auf Begleitunterlagen beziehen 23 (u.a. Produkt verbunden sein müssen, ist dies in anderen Gesetzen z.T. detaillierter vorgegeben. Relevant wird dies u.a., wenn ein Verbraucherprodukt (z.B. ein elektronisches Gerät) auch in den Anwendungsbereich eines Spezialgesetzes fällt und dieses die „dauerhafte Kennzeichnung am Produkt“ fordert (z.B. ElektroG). 22 Siehe z.B. Art. 22 Abs. 1 lit. f NiederspannungsRL; § 26 Abs. 2 ProdSG. 23 Eine Auflistung findet sich auf der Homepage der BAuA: http://www.baua.de/ de/Produktsicherheit/Produkt/Normenverzeichnisse.html. 22 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick zur Sicherheit von Maschinen: DIN EN 12100-2, DIN EN 62061, DIN EN 15038, DIN EN 60204-1, DIN EN ISO 13849-1), ist im August 2012 mit der ISO/IEC 82079-1 nun die erste weltweit gültige Norm für die Erstellung von Anwenderinformationen, also für die Technische Kommunikation erschienen, zunächst in englischer und französischer Sprache und im Juni 2013 als DIN EN 82079-1 auch in deutscher Sprache. 24 Sie löst die zuvor gültige Norm DIN EN 62079 „Erstellen von Anleitungen“ ab und definiert u.a. allgemeine Prinzipien, wie Vollständigkeit, Verständlichkeit, Konsistenz und Transparenz, beschreibt die Inhalte von Anwenderdokumentationen sowie die Art und Weise ihrer Darstellung. Dabei weist sie einen sehr hohen Detaillierungsgrad bezüglich der möglichen Gestaltung und Formulierung von produktbegleitenden Anleitungen aller Arten auf (u.a. sicherheitsbezogene Informationen, wie Sicherheits- und Warnhinweise, Instandhaltungshinweise, Demontage- und Entsorgungshinweise, Gebrauchsanleitungen usw.). Durch ihre breite Ausrichtung kann sie für sämtliche Produkte zugrunde gelegt werden – von der Farbdose bis hin zu schlüsselfertigen Anlagen. DIN EN 82079-1 (VDE 0039-1):2013-06 (Auszug) 1. Anwendungsbereich 2. Normative Verweisungen 3. Begriffe 4. Prinzipien 5. Inhalt von Gebrauchsanleitungen, u.a. sicherheitsbezogene Informationen: Sicherheitshinweise und Warnhinweise, Übereinstimmung mit dem Produkt, Aufbewahrung, Gebrauchsvorbereitung, Produktbetrieb, Instandhaltung, Zubehör/Ersatzteile, Reparatur, Hinweise zu Demontage, Recycling und Entsorgung 6. Gestaltung von Gebrauchsanleitungen, u.a. Verständlichkeit, Leserlichkeit, visuelle Darstellung und unterstützender Text, grafische Symbole und Zeichen, Tabellen, Hervorhebungen, Farben, geeignete Dokumente einschließlich elektronischer Medien 7. Bewertung der Konformität mit diesem Teil der Normenreihe 82079. Anhänge Hieran sollten sich Hersteller bzw. Technische Redakteure zunächst einmal orientieren. Die Norm spiegelt den derzeit auch international gültigen Stand der Technik für die Technische Kommunikation DIN EN 82079-1 zumindest „Stand der Technik“ 24 Titel: Erstellen von Gebrauchsanleitungen – Gliederung, Inhalt und Darstellung – Teil 1: Allgemeine Grundsätze und ausführliche Anforderungen (IEC 82079-1:2012); Deutsche Fassung EN 82079-1:2012. 23 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick wider, wenngleich sie keine uneingeschränkte Vermutungswirkung entfaltet, wie der nachfolgende Auszug aus der Auflistung des AfPS Stand Juli 2015 zeigt. 2.3.2 Richtlinien und Leitfäden Hilfen zur Ausgestaltung produktbegleitender Information Gesetzliche Anknüpfungen außerhalb des Produktsicherheitsrechts Neben der angesprochenen international vereinheitlichten Norm gibt es weitere Standards und Handlungsanleitungen privater, normbegleitender Organisationen, die eine zuverlässige Hilfestellung beim Erstellen der Technischen Kommunikation sein können: • ISO/IEC Guide 37 „Instructions for use of products of consumer interest“ (1995) • VDI Richtlinienreihe 4500, insbesondere Blatt 1 (2006) und Blatt 4 (2011) • tekom-Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise (2014) • DIN-Fachbericht 146 (2006). 2.4 Sonstige relevante Gesetze Im Wesentlichen haben sich die bisherigen Ausführungen auf die Darstellung des Produktsicherheitsrechts beschränkt. Dies ist in Anbetracht seiner herausgehobenen Stellung auch legitim. Dennoch sollen im Anschluss und in der gebotenen Kürze weitere wichtige Gesetze außerhalb des Produktsicherheitsrechts benannt werden, die Aspekte der Technischen Dokumentation/Kommunikation direkt aufnehmen oder die relevant werden (können), sofern die formalen Anforderungen aus dem Produktsicherheitsrecht nicht beachtet werden: • § 434 BGB: Bedienungsanleitung/Montageanleitung Eine fehlerhafte Bedienungs- oder Montageanleitung stellt einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 dar (Beschaffenheitsmangel) und begründet Gewährleistungsrechte (Nacherfüllung, Rücktritt oder Schadensersatz). 25 Der Haftungsausschluss des § 434 Abs. 2 S. 2 BGB (Haftungsausschluss bei ordnungsgemäßem Aufbau) bezieht sich nur auf die Montageanleitung. 25 Westermann/Krüger (2006), MüKo-BGB, § 434 Rn. 42. 24 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick • § 3 ProdHaftG/§ 823 BGB: (Instruktions-)Fehler Ein Produkt hat nach § 3 Abs. 1 ProdHaftG einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Um stände berechtigterweise erwartet werden kann. Die nach § 3 Abs. 1 ProdHaftG maßgeblichen Sicherheitserwartungen beurteilen sich grundsätzlich nach denselben objektiven Maßstäben wie die Verkehrspflichten des Herstellers im Rahmen der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein haftungsbegründender Instruktionsfehler im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. a ProdHaftG vor, wenn der Hersteller nicht oder nur unzureichend über die Art und Weise der Verwendung und die damit verbundenen Gefahren aufklärt. Die Fehlerhaftigkeit kann sich dabei sowohl aus dem gänzlichen Fehlen einer Anweisung oder Gebrauchsanleitung sowie aufgrund inhaltlicher Mängel der gelieferten Gebrauchsanleitung ergeben. 26 Insofern führt die Missachtung anforderungsgerechter Benutzerinformationen bei vorhersehbarer Verwendung nicht selten zur Produkt-/Produzentenhaftung. • § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG: Bedienungs-/Gebrauchsanleitung Die Bedienungs- oder Gebrauchsanleitung stellt in ihrer Gesamtheit ein schutzfähiges Schriftwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG dar. Sofern sich darin Fotografien befinden, unterliegen sie außerdem einem Schutz nach § 72 UrhG. 27 Eingriffe in den Urheberschutz können zu Schadensersatzansprüchen führen. • § 11 Abs. 4 UWG: Marktverhaltensregel Produktbezogene Informationspflichten (Kennzeichnungspflichten, Warnhinweise usw.) dienen zumeist auch der Sicherung einer rationalen Verbraucherentscheidung und stellen daher Marktverhaltensregeln dar, deren Verletzung als unlauteres Verhalten im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG gilt. 28 Verstöße gegen Marktverhaltensregeln können zugleich den Tatbestand der Irreführung gemäß § 5 UWG erfüllen. Abmahnung, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sind die daraus folgende Konsequenz. 3 Privatautonom gestaltbares Vertragsrecht Die Rechtsbeziehungen im unternehmerischen Alltag werden regelmäßig von Rechtsgeschäften, insbesondere Verträgen, begleitet. Dabei gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Er umschreibt die dem Privatautonomie 26 OLG Nürnberg, Urteil vom 20.05.2014 – 4 U 206/14 (Mountainbike). 27 OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.05.2015 – Aktenzeichen 11 U 18/14 (Bedienungsanleitung). 28 Köhler/Bornkamm (2015): Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG, § 4 Rn. 11.117 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 16.05.2013 – 4 U 194/12 (Warnhinweis bei Spielzeug); OLG Celle, Urteil vom 21.11.2013 – 13 U 84/13 (Kennzeichnung durch Klebefähnchen). 25 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick Grenzen … … des Produkt sicherheitsrechts Einzelnen durch die Rechtsordnung gewährte und verfassungsrechtlich (Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG) gesicherte Möglichkeit, die Regelung seiner Lebensverhältnisse innerhalb der geltenden Rechtsordnung durch Rechtsgeschäfte, insbesondere durch Verträge, selbst zu bestimmen und auszugestalten (§ 311 Abs. 1 BGB). Er selbst entscheidet, ob und mit wem er Verträge schließen will (sogenannte Abschlussfreiheit) und wie deren Inhalt ausgestaltet sein soll (sogenannte Gestaltungsfreiheit). Demzufolge können auch die Vorstellungen der Vertragsparteien zur Technischen Dokumentation/Kommunikation Gegenstand von vertraglichen, zumeist bilateralen Regelungen werden. Sie können dabei eine nur begleitende Rolle als Bestandteil des Kauf- oder Werkvertrags einnehmen (Wie soll die verkaufte Maschine gewartet oder instand gehalten werden?) oder aber zur zentralen Leistungsverpflichtung werden, sofern der Hersteller einen externen Dienstleister (z.B. einen Technischen Redakteur) damit beauftragt, die (Sicherheits-)Informationen zu verfassen, die sich der Hersteller anschließend zu eigen macht. Je nachdem, ob Kauf-/Werkvertrag oder Dienstvertrag 29 vorliegt, werden unterschiedliche Anforderungen an die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zu stellen sein. 30 Ferner bestimmt sich das Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht sodann nach unterschiedlichen Vorschriften: Kauf – die Technische Kommunikation nimmt dann Einfluss auf die vertraglich geschuldete Beschaffenheit des Kaufgegenstands (§§ 434 ff. BGB, 474 ff. BGB); Dienstvertrag – die Technische Kommunikation ist die geschuldete Leistung selbst (§ 280 Abs. 1 BGB, § 620 ff. BGB). Allerdings – und dies darf nicht unbeachtet bleiben – unterliegt auch die privatautonome Ausgestaltung von Verträgen rechtlichen Grenzen. Die Gestaltungsfreiheit wird dort eingeschränkt, wo sie zu Lasten Dritter missbraucht werden könnte oder gegen gesetzliche Vorgaben zum Schutz Einzelner und der Allgemeinheit verstößt (§§ 134, 138, 242 BGB). Verträge, die darauf gerichtet sind, einen Verstoß gegen das Produktsicherheitsrecht zu befördern, sind nichtig. Im Übrigen kann sich der durch das Produktsicherheitsrecht verpflichtete Wirtschaftsakteur nicht über einen Vertrag seinen Verpflichtungen entziehen bzw. diese uneingeschränkt abbedingen oder für verzichtbar erklären. Jedenfalls bleibt die öffentlich-rechtliche Pflicht – gegenüber dem Staat (!) – bestehen. Ohnehin ist die zivilrechtliche Wirkung eines „Beiseiteschiebens“ zweifelhaft. So ist z.B. – wie dargestellt – die Zurverfügungstellung einer den grundlegen 29 Inwieweit die redaktionelle Leistung dem Dienstvertragsrecht oder auch dem Werkvertragsrecht zuzurechnen ist, hängt von den Leistungen ab, die der Redakteur zu erbringen hat. Da die Einordnung nicht immer einfach ist, sollten möglichst zahlreiche Aspekte im zugrundeliegenden Vertrag geregelt werden. 30 Heuer (2006), 15 ff. 26 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick den Anforderungen entsprechenden Betriebsanleitung nach Anh. I der MaschinenRL Grundlage für die Bereitstellung der Maschine im Markt und zugleich eine Verpflichtung des Herstellers. Dieser kann er sich nicht entledigen. Selbst wenn er seine Verpflichtung innerorganisatorisch bzw. extern auf andere delegiert (z.B. die Übersetzung oder die redaktionelle Ausgestaltung) – dies wäre vertraglich gestaltbar –, würde er natürlich die Letztverantwortung für die rechtskonforme, den Anforderungen des Produktsicherheitsrechts genügende Technische Dokumentation/Kommunikation behalten; eine Inanspruchnahme – gerade auch zivilrechtlich – könnte er wegen §§ 278, 276 BGB (Einstehen für den Erfüllungsgehilfen) nicht abwenden. 31 Dazu passt die folgende Äußerung der EG-Kommission zur Frage: „Can the manufacturer (or seller) and the user agree that the instructing manual will be written only in the language of the manufacturer?“ Darauf antwortete die Working Group Machinery: „A private agreement between the manufacturer and the user cannot take the place of legislation. In the event of an accident due to lack of comprehension on the operator’s part, the manufacturer or his representative might be liable.“ 32 Ein ebenso zu beachtender Aspekt ist schließlich, wo genau die produktbegleitende Technische Kommunikation im Vertragskontext platziert wird. Gerade beim Verkauf von Verbraucherprodukten wird sie sehr häufig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) mit verarbeitet. Dabei ist problematisch, dass aus produktsicherheitsrechtlicher Sicht „sichergestellt werden muss“, dass die produktbegleitenden (Sicherheits-)Informationen den Verbraucher erreichen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 ProdSG). Davon kann allerdings nicht mehr ausgegangen werden, wenn sie in AGB zwischen einer Vielzahl anderer Informationen zur Vertragsabwicklung versteckt sind. Werden sie hingegen hervorgehoben, sodass sie für den Verbraucher augenfällig werden, sollten sie produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen genügen. 33 Nimmt die (Sicherheits-)Information einen eigenständigen Platz ein (z.B. Gebrauchs- oder Instandhaltungshinweise) und wird sie als solche einer Vielzahl von Verträgen (z.B. Kaufverträgen) beigefügt, mutiert sie selbst zur Allgemeinen Geschäftsbedingung, welche sodann an den gesetzlichen Regelungen der §§ 305 ff. BGB zu messen ist und einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalten muss. Dabei spielen dann mitunter nicht nur produktsicherheitsrechtliche … des Rechts zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen 31 In ähnlicher Form Wilrich (2012), Rn. 407 ff. 32 Q und A, Approved by Working Group Machinery of the Committee 98/37/EC, in: Useful Facts in Relation to the Machinery Directive, Implementation of Council Directive 98/37/EC. 33 Zu Recht Klindt (2015), ProdSG, § 1 Rn. 54. 27 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick Erwägungen eine Rolle, sondern auch sonstige vertragsbegleitende Aspekte. Insofern sollten die produktbegleitenden Informationen vor Inverkehrgabe stets auch einer „schuldrechtlichen Überprüfung“ unterzogen werden. 4 Rolle der Rechtsprechung Auslegung und Konkretisierung Eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Ausgestaltung der Pflichtenlage im Zusammenhang mit der Technischen Dokumentation/ Kommunikation nimmt die Rechtsprechung ein. Sie ist es, die im Zweifel festlegt, wann die produktbegleitende Information den – zum Teil abstrakten – produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen genügt oder wo sie eben ihre Zielsetzung verfehlt hat und dies rechtliche Konsequenzen für die Wirtschaftsakteure nach sich zieht. Neben Vertriebsverboten oder der Feststellung, dass ein Warnhinweis in der gewählten Form unzulässig ist, begründet die Rechtsprechung regelmäßig ihre Einschätzung sehr dezidiert und liefert zugleich wichtige Anhaltspunkte dafür, an welchen Stellen der Wirtschaftsakteur bei der Gestaltung der produktbezogenen Informationen künftig nachjustieren muss. Als Beispiel mag ein Urteil des VG Köln 34 dienen, in welchem das Betreiben eines medizinischen Lasergeräts untersagt wurde. Untersagungsgrund war die unzureichende Gebrauchsanleitung mit ihren wenig anforderungsgerechten Benutzerinformationen. Hierzu führt das Gericht u.a. aus: „Für die Beurteilung der Anforderungen, die an die sachgerechte Handhabung des fraglichen Lasergeräts zu stellen sind, ist in erster Linie auf die Angaben des Herstellers in der Gebrauchsanleitung abzustellen.“ […] „Zu dem Umstand, dass der Antragsteller nicht ausreichend über die Gefahren von Laserstrahlung informiert ist, tritt die Gefahr, dass er – infolge Fehlens einer medizinischen Ausbildung – nicht hinreichend in der Lage ist, abzuschätzen, wann eine Laserbehandlung kon traindiziert ist.“ Hieraus kann nun geschlussfolgert werden, dass eine medizinische Abbildung – z.B. ein Piktogramm, welches die Gefahr für Auge und Haut verdeutlicht hätte – den Mangel in der Gebrauchsanweisung an dieser Stelle beseitigt hätte. Hier erfolgte sonach ein klarer Hinweis des Gerichts, wie die abstrakten produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen praktisch (konkretisierend) umzusetzen sind. 34 VG Köln, Beschluss vom 18.07.2008 – 7 L 721/08 (Vertriebsverbot Medizinprodukt). 28 Wer regelt was mit welchem Recht für die Technische Kommunikation? Ein Überblick 5 Zusammenfassung Die Technische Dokumentation/Kommunikation wird von allen rechtsstaatlichen Ebenen beeinflusst, in erster Linie vom europäischen und nationalen Gesetzgeber, der durch das Produktsicherheitsrecht die Basis für die produktbegleitende (Sicherheits-)Informationen schafft. Da die Anforderungen aber eher abstrakter Natur sind, nicht jeden Einzelfall (jedes einzelne Produkt) abbilden können, bleibt ein Handlungsspielraum für die zur Gestaltung verpflichteten Wirtschaftsakteure, der unter Berücksichtigung der Inhalte der DIN EN 82079-1 verdichtet werden kann. Ferner sind die Grenzen des Privatrechts und der Judikatur bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen. 6 Literatur Gesmann-Nuissl, Dagmar / Ensthaler, Jürgen / Edelhäuser, Rainer (2011): KANStudie 47, Akkreditierung von Konformitätsbewertungssstellen. Bonn: KAN. Gesmann-Nuissl, Dagmar (2014): Weiterentwicklung des BAuA-Produktsicherheitsportals: Internethandel und Produktsicherheit. Dortmund: BAuA. Heuer, Jens-Uwe (2006): Vertragsrecht der Technischen Dokumentation. Aachen: Shaker. Heuer-James, Jens-Uwe / Schmeling, Roland / Schulz, Matthias (2014): Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise. Stuttgart: tekom. Juhl, Dietrich (2005): Technische Dokumentation: Praktische Anleitung und Beispiele. 2. Auflage. Berlin/Heidelberg: Springer. Kapoor, Arun / Klindt, Thomas (2008): „New Legislative Framework“ im EU-Produktsicherheitsrecht – Neue Marktüberwachung in Europa? In: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW), 649–655. Kapoor, Arun / Klindt, Thomas (2009): Die Reform des Akkreditierungswesens im Europäischen Produktsicherheitsrecht. In: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW), 134–138. Klindt, Thomas (2015): ProdSG Kommentar. 2. Auflage. München: C. H. Beck. Kothes, Lars (2011): Grundlagen der Technischen Dokumentation. Anleitungen verständlich und normgerecht erstellen. Berlin/Heidelberg: Springer. Köhler, Helmut / Bornkamm, Joachim (2015): Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: UWG. 33., neu bearbeitete Auflage. München: C. H. Beck. Moritz, Dirk / Geiß, Joachim (2012): Das Produktsicherheitsgesetz. 2., komplett überarbeitete Auflage. Berlin: VDE-Verlag. Westermann, Harm Peter / Krüger, Wolfgang (2012): Münchener Kommentar zum BGB. Band 3: Schuldrecht – Besonderer Teil I, §§ 433–610. 6. Auflage. München: C. H. Beck. Schäfer, Gregor (2011): Der Stellenwert der Technischen Kommunikation. In: technische kommunikation 6, 1. Schucht, Carsten (2014): Die neue Architektur im europäischen Produktsicherheitsrecht nach New Legislative Framework und Alignment Package. In: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW), 848–853. Wilrich, Thomas (2012): Das neue Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Leitfaden für Hersteller, Importeure und Händler. Berlin: Beuth. 29 Jens-Uwe Heuer-James / Claudia Klumpp Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation 1 Einleitung Die Europäische Kommission hat am 13.02.2013 den Entwurf für eine neue Produktsicherheitsverordnung als Teil eines Produktsicherheits- und Marktüberwachungspakets vorgelegt. Geplant war, dass dieses Paket bereits zum 01.01.2015 Geltung erhalten und die bislang geltende Produktsicherheitsrichtline 2001/95/EG ablösen sollte. Zu einer Verabschiedung der Verordnung ist es jedoch wegen einer politischen Auseinandersetzung noch nicht gekommen. Dies betrifft ein Randthema, nämlich die Frage, ob Angaben zum Ursprungsland des Produkts verbindlich sein sollen. Da es sich wie ausgeführt um ein Randthema handelt, soll der Verordnungsentwurf ungeachtet dieser Auseinandersetzungen vorgestellt und im Hinblick auf seine Auswirkungen auf die Technische Kommunikation näher beleuchtet werden. 2 Der gegenwärtige Rechtsrahmen für Produktsicherheitsrecht und Marktüberwachung in Europa 2.1 Vom New Approach zum New Legislative Framework Seit 1985 stand der New Approach für die Beseitigung technischer Handelshemmnisse im Europäischen Binnenmarkt und für ein einheitliches Niveau bei Produktsicherheit und Verbraucherschutz. Wesentlich war dabei die Einführung der CE-Kennzeichnung von Produkten. Die auf der Grundlage dieses Konzepts entstandenen Produkt richtlinien zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass sie nur allgemein gehaltene, grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für ihren jeweiligen Produktbereich regeln und die Konkretisierung der Anforderungen durch harmonisierte Normen erfolgt. 30 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation Die Anwendung dieser harmonisierten Produktnormen ist freiwillig. Ausschlaggebend ist, dass das Produkt den grundlegenden Anforderungen der Richtlinie genügt. Wer als Hersteller jedoch sein Produkt entsprechend den harmonisierten Normen konzipiert und vertreibt, kann gegenüber den nationalen Marktüberwachungsbehörden anführen, dass das normkonforme Produkt den Anforderungen der Richtlinie genügt (sog. Vermutungswirkung). Seit 1987 traten über 20 solcher Produktrichtlinien in Kraft. Dies führte mit der Zeit zu Uneinheitlichkeiten in Bezug auf allgemeine Anforderungen, Konformitätsbewertungsverfahren, Kennzeichnungspflichten, rechtliche Definitionen usw. Bis auf die Produktsicherheitsrichtlinie, die auch einen Rechtsrahmen zur Marktüberwachung für Verbraucherprodukte enthält und der wir das RAPEX-System zu verdanken haben, war die Marktüberwachung von Nicht-Verbraucherprodukten souveräne Angelegenheit der Mitgliedsstaaten und damit unterschiedlich streng. Von einer einheitlichen Produktüberwachung in Europa konnte keine Rede sein. Die Uneinheitlichkeit des Regelwerks und die unterschiedliche Verwaltungspraxis in den Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union im Jahr 2008 veranlasst, mit dem New Legislative Framework die Grundlagen für einen vereinheitlichten Rechtsrahmen für Anforderungen an Produkte sowie die Grundlagen für eine einheitliche Produktüberwachung in Europa zu schaffen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass dies zu einer Verschärfung der Anforderungen an die Produktsicherheit und der Marktüberwachung geführt hat. 2.2 New Legislative Framework und Alignment Package Das Jahr 2008 brachte das New Legislative Framework in Form der „Europäischen Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zur Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 339/93“ und des „Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates Nr. 768/2008/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung des Beschlusses 93/465/EWG des Rates“. Die Verordnung stellt horizontale Rahmenbestimmungen für die mit dem Vollzug der Binnenmarktrichtlinien befassten nationalen Behörden auf. Dabei hat sich der Gesetzgeber der bereits bekannten und bewährten Strukturen der Marktüberwachung für Verbraucherprodukte aus der noch geltenden Produktsicherheitsrichtlinie bedient. Hinsichtlich der Marktaufsicht gab die Europäische Union nun den nationalen Marktüberwachungsbehörden die Möglichkeit, unter harmonisierte Rechtsvorschriften fallende Produkte nicht nur im Hinblick auf die Richtlinienkonformität bei bestimmungsgemäßer Verwendung, sondern – wie bei der Produktsicherheitsrichtlinie auch 31 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation – im Hinblick auf die Fälle von „vorhersehbarer Fehlanwendung“ zu überprüfen. Die Berücksichtigung der „vorhersehbaren Fehlanwendung“ wurde damit ausgedehnt von ursprünglich nur unter die Produktsicherheitsrichtlinie fallenden Verbraucherprodukten auf alle B2BProdukte, die unter harmonisierte Produktrichtlinien fallen. Musterbestimmungen für Harmonisierungsrechtsvorschriften Ziele Der Beschluss enthält kurz gesagt prinzipielle Grundsätze und Definitionen der wichtigsten Rechtsbegriffe (z.B. Hersteller, Bereitstellung auf dem Markt, Inverkehrbringen), die zukünftig bei der Erstellung oder Überarbeitung von produktsicherheitsrelevanten Harmonisierungsvorschriften berücksichtigt werden sollen, sozusagen ein Strickmuster. Weitere Ziele des New Legislative Framework sind: • Klare Pflichtenkataloge für die Wirtschaftsakteure, z.B. hinsichtlich CE-Kennzeichnung oder Rückverfolgbarkeit der Produkte. • Die Möglichkeit für die Wirtschaftsakteure, den Marktüberwachungsbehörden Informationen zum Konformitätsnachweis mit der Hilfe elektronischer Mittel zur Verfügung zu stellen. Änderungen in Folge des New Legislative Framework: • Im Jahr 2011 wurde das deutsche Geräte- und Produktsicherheitsgesetz durch das an die Vorgaben des New Legislative Framework angepasste Produktsicherheitsgesetz abgelöst. 1 • 2014 wurde das Alignment Package verabschiedet. Dies ist kurz gesagt die Überarbeitung von acht Richtlinien 2 nach dem Strickmuster des New Legislative Framework. Alle überarbeiteten Richtlinien werden zum 20.04.2016 in Kraft treten. • Die alte Produktsicherheitsrichtlinie aus dem Jahr 2001 fällt aus dem Rahmen des New Legislative Framework und bedarf einer Überarbeitung. Der ‚dritte Streich‘ wird folglich das neue Produktsicherheits- und Marktüberwachungspaket mit einer Anpassung der Produktsicherheitsrichtlinie sein. 1 Heuer 2011. 2 Es handelt sich um folgende Richtlinien: 2014/28/EU (Explosivstoffe für zivile Zwecke) 2014/29/EU (Druckbehälter) 2014/30/EU (EMV) 2014/31/EU (nichtselbsttätige Waagen) 2014/32/EU (Messgeräte) 2014/33/EU (Aufzüge) 2014/34/EU (ATEX) 2014/35/EU (Niederspannung). 32 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation 3 Die neue Produktsicherheitsverordnung als Teil des neuen Produktsicherheits- und Marktüberwachungspakets Der Entwurf für die neue Produktsicherheitsverordnung konzen triert sich grob auf drei Kernthemen: Änderungen in Folge des New Legislative Framework • Ein einheitliches Sicherheitsgebot (Kapitel I, Art. 4) mit einheitlichen Vorgaben • Einheitliche Bewertungskriterien (Kapitel I, Art. 6) • Pflichtenkataloge für die Wirtschaftsakteure (Kapitel II). In ihrer Pressemeldung zur Vorstellung des neuen Produktsicherheits- und Marktüberwachungspakets kündigt die Kommission stolz die Schaffung von eindeutigen, kohärenten und für den gesamten Binnenmarkt geltenden Vorschriften zur Durchsetzung einer wirksameren Marktüberwachung und einer verbesserten Rückverfolgbarkeit der Produkte zum Wohle von Verbrauchern, Wirtschaftsakteuren und der Marktüberwachung an. 3 In den Erwägungen der Gesetzesvorlage, 4 wie auch in der das gesamte Paket begleitenden Mitteilung, 5 gibt die Kommission dann freilich zu, dass Überschneidungen bei den Bestimmungen für die Marktüberwachung und bei den Auflagen für die Wirtschaftsakteure, die in der Produktsicherheitsrichtlinie einerseits und in den Richtlinien nach dem New Legislative Framework andererseits enthalten sind, zunehmend bei Herstellern, Einführern und Händlern wie auch der Marktüberwachung für Verwirrung gesorgt haben. Mit anderen Worten: Eine Überarbeitung zur Angleichung an die Vorgaben des New Legislative Framework war dringend notwendig. Wie schon die acht im Rahmen des Alignment Package überarbeiteten CE-Richtlinien orientiert sich dementsprechend auch der Entwurf für die Produktsicherheitsverordnung an den Musterbestimmungen für Harmonisierungsrechtsvorschriften des Beschlusses 768/2008. Das zeigt sich sowohl an der neuen Begriffsdefinition wie auch an den konkreten Pflichtenkatalogen für die einzelnen Wirtschaftsakteure. 3 Europäische Kommission, Press Release IP/13/111 vom 13.02.2013, 1. 4 COM(2013) 78 final. 5 COM(2013) 74 final, „3.1 Einfacher, klarer und besser“. 33 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation 4 Was wird sich konkret ändern? 4.1 Verordnung statt Richtlinie Kommen wir zunächst zum augenfälligsten Unterschied: Aus der Richtlinie wurde eine Verordnung. Warum? Und was ist der Unterschied zwischen Richtlinie und Verordnung? Mit einer Richtlinie gibt die EU ein zu erreichendes Ergebnis in Form von Anforderungen an die Mitgliedsstaaten vor. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, die Anforderungen der Richtlinie umzusetzen. Wie sie das machen, ist ihre Sache. Die Verordnung bildet ein anderes Instrumentarium. Sie ist primäres Gemeinschaftsrecht und entfaltet ohne einen Umsetzungsakt unmittelbare Rechtswirkung direkt in den Mitgliedsstaaten. Mit anderen Worten: Durch die Verordnung sind die Wirtschaftsakteure unmittelbar betroffen; die Marktüberwachung stützt etwaige Maßnahmen direkt auf die Verordnung und nicht auf nationales Recht. Erwartungsgemäß brauchen einige Mitgliedsstaaten länger mit der Umsetzung als andere. Auch haben die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung unterschiedliche Wege eingeschlagen. Das ist dann auch die Begründung der Kommission dafür, dass zu einer Verordnung gegriffen wurde: „Eine Verordnung ist das geeignete Rechtsinstrument, da sie klare und ausführliche Bestimmungen enthält, die keinen Raum für eine abweichende Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten lassen. Mit einer Verordnung ist dafür gesorgt, dass rechtliche Bestimmungen ab einem bestimmten Zeitpunkt überall in der Union gelten.“ 6 Die Verordnung gilt direkt in allen Mitgliedsstaaten Die Produktsicherheitsverordnung muss nicht erst in deutsches Recht umgesetzt werden. Sie gilt direkt in allen Mitgliedsstaaten. 4.2 Geltungsbereich Beim Geltungsbereich muss unterschieden werden zwischen dem der gesamten Verordnung und dem weiter gefassten Geltungsbereich des Allgemeinen Teils, welcher das allgemeine Sicherheitsgebot enthält. 4.2.1 Geltungsbereich der gesamten Verordnung Der Verordnungsentwurf sieht einen weiteren Geltungsbereich als bei der aktuell noch geltenden Produktsicherheitsrichtlinie vor: Die noch geltende Produktsicherheitsrichtlinie legt den Geltungsbereich fest für alle Produkte, die auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung • für Verbraucher bestimmt sind • unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden könnten, selbst wenn die Produkte nicht für Verbraucher bestimmt sind 6 COM(2013) 78 final. 34 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation • entgeltlich oder unentgeltlich im Rahmen einer Geschäftstätigkeit geliefert oder zur Verfügung gestellt werden, unabhängig davon, ob sie neu, gebraucht oder wiederaufgearbeitet sind. Im Entwurf der Produktsicherheitsverordnung ist der Geltungsbereich noch erweitert auf sämtliche Produkte, die Verbraucher im Rahmen einer den Verbrauchern erbrachten Dienstleistung nutzen. Unter die neue Produktsicherheitsverordnung fällt nun auch B2Bvertriebenes professionelles Dienstleistungszubehör, welches von Verbrauchern zwar nicht genutzt werden kann, dem Verbraucher jedoch im Rahmen der Dienstleistung ausgesetzt sind, unabhängig davon, ob sie das Produkt selbst nutzen oder nicht. Generell nicht vom Geltungsbereich erfasst sind z.B. Lebens- und Futtermittel, Arzneimittel für Mensch und Tier, Pflanzenschutzmittel und Beförderungsmittel, in denen Verbraucher sich fortbewegen oder reisen und die im Rahmen einer Dienstleistung bedient werden. Das deutsche Produktsicherheitsgesetz umfasst über Verbraucherprodukte hinaus zum Beispiel auch Zulieferprodukte oder Fahrzeugersatzteile, für deren Einbau, Austausch oder Handhabung die Kenntnisse von Fachkräften notwendig sind. Diese Erweiterung ging schon 2011 über die Produktsicherheitsrichtlinie hinaus und bleibt auch im Hinblick auf die Produktsicherheitsverordnung überobligatorisch. 7 4.2.2 Geltungsbereich des Allgemeinen Teils (Kapitel I) Der Geltungsbereich des Allgemeinen Teils (Kapitel I) ist weitergehend: Die dortigen Bestimmungen gelten für alle Produkte, die auch bereits einer produktspezifischen Richtlinie (z.B. Medizingeräte) unterfallen (vertikale Harmonisierung). Die Verordnung schließt Produktbereiche, für die sie keine Geltung entfalten soll, explizit aus. Das Kapitel I der geplanten neuen Produktsicherheitsverordnung regelt • den Gegenstand • den Geltungsbereich • Begriffsbestimmungen • das allgemeine Sicherheitsgebot • die Sicherheitsvermutung • Kriterien und Elemente für die Beurteilung der Sicherheit von Produkten • die Verpflichtung zur Ursprungsangabe (höchst umstritten). Es soll grundsätzlich für alle Produkte gelten, die bereits einer produktspezifischen Richtlinie unterfallen, soweit sie nicht explizit vom Geltungsbereich ausgeschlossen sind. Erweiterter Geltungsbereich für Kapitel I 7 Hierzu mit weiteren Nachweisen: Deutelmoser, NVwZ-Extra 16/2013, 2. 35 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation 4.3 Bekannte und neue Begriffsbestimmungen Wie bereits erwähnt, hat die Kommission bei der Konzeption der neuen Produktsicherheitsverordnung auf das Strickmuster und die Begriffe des New Legislative Framework, insbesondere auf den Beschluss 768/2008/EG zurückgegriffen, 8 welcher auch den im Rahmen des Alignment Package überarbeiteten Richtlinien zugrunde lag. 4.3.1 Wirtschaftsakteure Der Wirtschaftsakteur ist nun auch im Entwurf der Produktsicherheitsverordnung legal definiert. Wirtschaftsakteure sind Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler, welche ebenfalls im Entwurf legal definiert sind. 4.3.2 „Sicheres Produkt“ Nach dem aktuellen Entwurfsstand definiert sich „sicheres Produkt“ als „jedes echte Produkt, das den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union im Bereich Gesundheit und Sicherheit entspricht; falls es eine solche Rechtsvorschrift nicht gibt, bezeichnet der Ausdruck jedes Produkt, das unter für das betreffende Produkt normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen, was auch die Verwendungsdauer sowie ggf. die Anweisungen für die Inbetriebnahme, die Installation, die Wartung, die Schulung und die Überwachung einschließt, keine Risiken oder nur die der Verwendung entsprechenden minimalen Risiken birgt, die als vertretbar und mit einem hohen Gesundheitsschutz und Sicherheitsniveau von Personen vereinbar gelten;“ (Art. 3 Ziff. 1 Produktsicherheitsverordnung (E)). Die Definition scheint noch nicht abschließend geklärt zu sein. Als letztes ist die Maßgabe „echtes Produkt“ in die Definition aufgenommen worden, wobei ein „echtes Produkt“ im Sinne von „kein Plagiat“ zu verstehen ist. Das bedeutet, dass Plagiate per se schon keine sicheren Produkte im Sinne der Verordnung sein können. Anzumerken ist noch, dass die Definition des Entwurfs von „minimalen Risiken“ und nicht wie die Produktsicherheitsrichtlinie von „geringen Gefahren“ spricht. Dies ist allerdings auf die Angleichung an das New Legislative Framework zurückzuführen. Hinweise darauf, dass hiermit eine inhaltliche Änderung beabsichtigt war, gibt es nicht. 4.3.3 „Mit einem (ernsten) Risiko verbundene Produkte“ Was ein „mit einem Risiko verbundenes Produkt“ und ein „mit einem ernsten Risiko verbundenes Produkt“ ist, wird in Art. 3 der Markt 8 COM(2013) 74 final, 4 f. 36 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation überwachungsverordnung (E) legal definiert. Nach Art. 13 Ziff. 3 dieses Entwurfs sind die Marktüberwachungsbehörden dank der Vermutungswirkung nur zu einem Eingreifen befugt, wenn „neue Erkenntnisse dafür sprechen, dass mit dem Produkt trotz der Konformität oder Übereinstimmung ein Risiko verbunden ist“. 4.4 Kriterien und Elemente für die Beurteilung der Sicherheit von Produkten Art. 6 des Entwurfs nennt unter a) und c) u.a. auch • Anweisungen für Zusammenbau, Installation und Wartung • Warn- und Bedienungshinweise • Anweisungen für die Entsorgung • sonstige produktbezogene Angaben und Informationen als maßgebliche Kriterien und Elemente für die Beurteilung der Sicherheit von Produkten. Das bedeutet, dass all diese Angaben und Dokumente in den Fokus der Marktüberwachung fallen können. Die Vorschrift ist allerdings subsidiär. Das bedeutet, dass die Kriterien und Elemente für die Beurteilung der Sicherheit von Produkten nach Art. 6 des Verordnungsentwurfs nur dann zum Tragen kommen, wenn es keine • spezielleren Kriterien und Elemente für den Produktbereich in harmonisierten europäischen Normen gibt • Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen in dem Mitgliedsstaat gibt, auf dessen Markt das Produkt bereitgestellt werden soll. 4.5 Neufassung und Erweiterung der Pflichten der Wirtschaftsakteure Das Kapitel II der Verordnung enthält ausschließlich Pflichtenkataloge für die einzelnen Wirtschaftsakteure, sprich Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler. Damit folgt die Verordnung auch hier den Musterbestimmungen für Harmonisierungsrechtsvorschriften (Anhang 1 zum Beschluss Nr. 768/2008/EG). Die Pflichtenkataloge sind recht detailliert und stellen die größte Neuerung der Verordnung dar. 4.5.1 Anweisungen und Sicherheitsinformationen Nach Art. 8 Ziff. 8 des Entwurfs müssen die „Hersteller gewährleisten, dass ihrem Produkt Anweisungen und Sicherheitsinformationen in einer Sprache beigefügt sind, die von den Verbrauchern leicht verstanden werden kann und die der Mitgliedsstaat festlegt, in dem das Produkt bereitgestellt wird.“ Der Einführer muss gewährleisten, dass die erforderlichen Unterlagen beigefügt sind, während der Händler sich der ordnungsgemäßen Erfüllung vergewissern muss. Diese Formulierung ist im Ergebnis nicht ganz glücklich. Sie gibt nämlich Anlass, darüber zu spekulieren, was wohl die Sprache 37 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation sein könnte, die „der Mitgliedsstaat festlegt“. Dem Wortlaut nach könnten die Mitgliedsstaaten sich also für eine der Hauptsprachen wie Englisch entscheiden und diese z.B. in Spanien ausreichend für Bedienungsanleitungen sein lassen. Diese Überlegung geht jedoch höchstwahrscheinlich an der Realität vorbei. Mit der oben genannten Formulierung dürfte insbesondere im Hinblick auf Verbraucherprodukte die jeweilige Amtssprache gemeint sein. Darauf deutet auch ein erster Entwurf zur Umsetzung der neuen Druckgeräterichtlinie hin, der eine identische Formulierung enthält. Hier entscheidet sich der deutsche Gesetzgeber klar für die deutsche Sprache. Ein klärendes Wort der Kommission zu dieser Formulierung wäre wünschenswert. 4.5.2 Identifikationspflicht Identifikationspflicht Die Kommission ist der Ansicht, dass zur Gewährleistung eines besseren Verbraucherschutzes eine bessere Identifikation und Rückverfolgbarkeit der Produkte notwendig ist. Hersteller haben nach dem Verordnungsentwurf zu gewährleisten, dass ihre Produkte eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes für Verbraucher leicht erkennbares und lesbares Kennzeichen zu ihrer Identifikation tragen. Einführer haben ebenfalls ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnahmen oder ihre eingetragene Handelsmarke und ihre Kontaktanschrift auf dem Produkt selbst oder auf der Verpackung oder einer dem Produkt beigefügten Unterlage anzugeben. Dabei darf ihre zusätzliche Etikettierung natürlich keine obligatorischen oder sicherheitsbezogenen Herstellerinformationen überdecken (Entwurf mit angenommenen Änderungen, Kapitel II, Art. 10 Ziff. 3). Die Praktikabilität dieser Anforderung ist zu bezweifeln (Gauger 2015, 374). Insbesondere die Angabe des Einführers dürfte eine logistische Herausforderung sein, wenn die Ware über eine Vielzahl von Importeuren nach Europa gelangt. Hier müssten dann die Importeure selbst Kapazitäten zur Kennzeichnung der Produkte vorhalten. 4.5.3 Risikoanalyse und Dokumentationspflicht Hersteller sollen zukünftig auch in Bereichen, die nicht bereits durch produktspezifische Richtlinien geregelt sind, zur Erstellung sog. technischer Unterlagen verpflichtet sein, die zehn Jahre lang bereitzuhalten und auf Verlangen den Marktüberwachungsbehörden vorzulegen sind. Diese technischen Unterlagen umfassen • eine allgemeine Beschreibung des Produkts und seiner wesentlichen Eigenschaften, die für die Beurteilung der Sicherheit des Produkts relevant sind • eine Analyse der möglichen mit dem Produkt verbundenen Risiken und der gewählten Lösungen zur Abwendung oder Verringerung dieser Risiken, einschließlich der Ergebnisse von Tests, die der Hersteller durchgeführt hat oder von einem Dritten hat durchführen lassen 38 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation • ggf. ein Verzeichnis der europäischen Normen, der Gesundheitsund Sicherheitsbestimmungen im Recht des Mitgliedsstaats, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird. Diese Pflicht bringt nicht nur einen erheblichen formellen Dokumentationsaufwand mit sich, sondern auch die Durchführung formeller Analysen. Hersteller, die dieser Verpflichtung neu unterfallen, sollten sich frühzeitig mit der Implementierung der notwendigen Prozesse beschäftigen. Bei der Erstellung der Dokumentation sollte ggf. berücksichtigt werden, dass bei Produkthaftungsprozessen in den USA die gegnerische Seite im Discovery-Verfahren Zugriff auf diese Unterlagen nehmen kann (Deutelmoser 2013). Die Bereithaltungsdauer ist mit zehn Jahren ab dem Inverkehrbringen angegeben. Bei Serienprodukten ist davon auszugehen, dass hierfür auf das Inverkehrbringen des letzten Serienprodukts abzustellen ist. Ebenfalls richtungsweisend ist, dass nachträglich im Entwurf gestrichen worden ist, dass die technischen Unterlagen „ggf.“ umfassen. Das zeigt, dass hier kein Spielraum für Argumentation bestehen soll. Des Weiteren wurde im Entwurf nachträglich ergänzt, dass die technischen Unterlagen für die Marktüberwachungsbehörden in Papierform oder elektronischer Form bereitgehalten und auf berechtigtes Verlangen vorzuzeigen sind. Dies ist ein Indiz dafür, wie die Zukunft aussehen wird: Wie aus Punkt 5.3 der Vision für den Binnenmarkt für Industrieprodukte der Europäischen Kommission vom 22.01.2014 hervorgeht, soll die Einhaltung der Harmonisierungsvorschriften der Union zukünftig am besten elektronisch und in mehreren Sprachen nachgewiesen werden, z.B. durch digitale Etikettierung (E-Labeling). Festzuhalten bleibt: Nicht nur in dieser Vision, sondern auch im Entwurf für die neue Produktsicherheitsverordnung wurde die Chance verpasst, die Frage zu klären, unter welchen Bedingungen die elektronische Bereitstellung von Produktinformationen auch für Verbraucher zulässig sein soll. Die Verordnung sieht eine Risikoanalyse nebst erheblicher Dokumentationspflicht gegenüber den Marktüberwachungsbehörden vor. Dem zu erwartenden ‚Papierkrieg‘ soll zumindest Einhalt geboten werden, indem die Informationen den Marktüberwachungsbehörden auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. Es bleibt abzuwarten, wie dies genau vonstatten gehen soll. Bereithaltung technischer Unterlagen Elektronische Bereitstellung der Konformitätserklärung 39 Auswirkungen der neuen Produktsicherheitsverordnung der EU auf die Technische Kommunikation 5 Fazit Das letzte Wort ist über die Produktsicherheitsverordnung noch nicht gesprochen. Auch wenn noch kleinere Änderungen vorgenommen werden sollten, wird es dabei bleiben, dass die Marktüberwachung erheblich verschärft wird. Die Produktsicherheitsverordnung wird durch ihren erweiterten Geltungsbereich eine höhere rechtliche Relevanz haben. Die für Marktüberwachung bereitzuhaltenden technischen Unterlagen und die ihnen zugrunde liegenden Risikoanalysen können zu einer erheblichen Belastung für Hersteller werden. Die Möglichkeit, die Informationen in elektronischer Form den Marktüberwachungsbehörden zur Verfügung stellen zu dürfen, tröstet hier wenig. Positiv zu vermerken ist, dass die Anforderungen an die Wirtschaftsakteure nun wesentlich klarer und einheitlicher sind. Ob im Ergebnis die Konformitätskosten wie geplant sinken werden, scheint in Anbetracht der neuen Risikoanalyse und Dokumentationspflicht eher fraglich. 6 Literatur Deutelmoser, Ralf (2013): Auf dem Weg zur nächsten Stufe des europäischen Produktsicherheitsrechts. In: NVwZ 6, 1 ff. Gauger, Dörte (2015): Produktsicherheit und staatliche Verantwortung. Das normative Leitbild des Produktsicherheitsgesetzes. Berlin: Duncker & Humblot (= Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Bd. 99). Heuer, Jens-Uwe (2011): Das neue Produktsicherheitsgesetz. In: technische kommunikation 6, 53–56. 40 Jens-Uwe Heuer-James Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation Im Schwerpunkt dieses Beitrags geht es nicht um die Frage, unter welchen Umständen sich aus Technischer Kommunikation ein Haftungsrisiko ergeben könnte. Die Frage des Haftungsrisikos wird zudem häufig nicht als relevant eingestuft, weil nach der festen Überzeugung des Herstellers die Produkte selbstverständlich alle Sicherheitsstandards einhalten und selbstverständlich in der langen Unternehmensgeschichte noch niemals ein Haftungsfall stattgefunden hat. Diese feste Überzeugung des deutschen mittelständischen Unternehmens mag zuweilen durch ‚dumme Zufälle‘ erschüttert werden, in denen es dann doch einmal zum Haftungsfall kommt – mit weniger gravierenden oder gar existenzbedrohenden Folgen für das Unternehmen. Häufig unterschätzt wird dagegen die simple Wahrheit, dass Technische Kommunikation natürlich auch Gegenstand der Kundenbeziehung ist. Aus rechtlicher Sicht bildet sich die Kundenbeziehung in den zum Verkauf der Produkte abgeschlossenen Verträgen ab. Unter dem Stichwort „Vertragsrecht“ geht es für die Technische Dokumentation wesentlich darum, dass die Kundenbeziehung gelingt und es nicht zu Unfällen kommt, die sich im Vertragsrecht in „Vertragsstörungsfällen“ niederschlagen. Es sind also weniger die spektakulären Haftungsfälle, die es zu vermeiden gilt, als vielmehr die zuverlässige Kundenbeziehung, die Motivation sein sollte, sich mit dem Vertragsrecht in Bezug auf die Technische Dokumentation auseinanderzusetzen. Im Folgenden soll dabei zunächst ein Überblick über Grundlagen des Vertragsrechts gegeben werden, woran sich eine Darstellung der verschiedenen Aspekte, unter denen die Technische Dokumentation vertragsrechtlich zu behandeln ist, anschließt. Insbesondere sind die Rechtsfolgen schlechter Technischer Dokumentation darzustellen. Weiter bleibt anzusprechen, wie Verträge zu behandeln sind, die den Rahmen abbilden für die Dienstleister mit Bezug zur Erstellung der Technischen Dokumentation. Den Abschluss bildet ein Überblick über die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere unter Einbeziehung des Rechts über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht). 41 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation 1 Überblick: Grundlagen des Vertragsrechts Ganz wesentlich für das Verständnis von Vertragsrecht ist es, dass in Deutschland, wie auch in allen Rechtsordnungen der Europäischen Union, der Grundsatz der Vertragsfreiheit besteht. Dies bedeutet: Es ist Sache der Vertragsparteien, ihr Vertragsverhältnis zu regeln. Der Gesetzgeber nimmt sich ganz bewusst zurück und beschränkt sich darauf, für den Fall, dass die Vertragsparteien keine Regelungen getroffen haben, ersatzweise Regelungen zur Verfügung zu stellen. Es gilt der Vorrang der Individualabrede. Die gesetzlichen Regelungen haben daher nur dann Relevanz, wenn es keine individualvertragliche Regelung zu dem Thema gibt. Nur höchst ausnahmsweise greift der Gesetzgeber in die Vertragsfreiheit ein, indem er Regelungen, die gegen Treu und Glauben verstoßen (§ 242 BGB), für unwirksam erklärt bzw. vertragliche Regelungen, die gegen gesetzliche Bestimmungen wie z.B. die Regelungen zur CE-Kennzeichnung verstoßen, als nichtig betrachtet (§ 138 BGB). In der Praxis sind derartige Fälle allerdings selten. Mit dem Argument, es handle sich um eine ‚unattraktive‘ vertragliche Regelung, wird man in der Regel nicht gehört. Hier ist es Sache der Vertragsparteien, für sich selber zu sorgen und zu verhindern, dass ein Vertrag zu unattraktiven Bedingungen abgeschlossen wird. In der Praxis spielt an dieser Stelle allerdings auch die Verhandlungsmacht eine Rolle. Es gilt, stets sehr bewusst in Vertragsverhandlungen einzutreten und sich das Risiko zu vergegenwärtigen, dass die Gegenseite möglicherweise aufgrund ihrer Verhandlungsmacht in der Position wäre, unattraktive Vertragsbedingungen durchzusetzen. Wenn dies im Gesamtergebnis sich als echtes Risiko darstellt, wäre im Zweifelsfall auch die Entscheidung zu treffen, von einem Vertragsabschluss abzusehen. In Bezug auf die Technische Dokumentation ist das Vertragsrecht unter unterschiedlichen Blickwinkeln von Bedeutung. Zum einen kann die Technische Dokumentation selbst Vertragsobjekt sein, d.h. Gegenstand vertraglicher Regelungen. Zum anderen gehört die Technische Dokumentation insbesondere in Gestalt von Bedienungsanleitungen oder anderen Hinweisen am Produkt zum Produkt selbst hinzu und bildet damit einen regelungsbedürftigen Bestandteil für den Verkauf von Produkten. Darüber hinaus besteht auch die vertragsrechtliche Nebenpflicht, den Vertragspartner umfassend zu informieren und aufzuklären. Auch in diesem Zusammenhang ist die Technische Dokumentation von Bedeutung. 1.1 Technische Dokumentation als Vertragsobjekt Aus Sicht des Juristen wäre es stets wünschenswert, wenn die Vertragsparteien die Technische Dokumentation als regelungsbedürftigen Gegenstand klar erkennen und sich entsprechend eindeutig dazu 42 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation positionieren würden. Wäre durch entsprechende vertragliche Regelungen festgelegt, was und in welcher Qualität von der Technischen Dokumentation verlangt werden kann, wären viele Problemfälle gelöst. Dies ist jedoch in der Praxis nur selten der Fall. Ein Beispiel für explizite vertragliche Regelungen in Bezug auf die Technische Dokumentation findet sich häufig in Anlagebauverträgen größeren Umfangs. Hier wird i.d.R. explizit festgelegt, welche Dokumente vom Anlagenersteller an den Kunden bereitzustellen sind. Dabei handelt es sich häufig nicht nur um Bedienungsanleitungen, sondern auch um Zeichnungen oder Konstruktionsunterlagen, wie etwa die Risikoanalyse. Dies geht über die Anforderungen aus Anhang I, Ziffer 1.7 der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42 hinaus. Weiter finden sich im Anlagenbau häufig Regelungen zur Sprache der Technischen Dokumentation, wie auch zur Form. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass sich die Vertragsparteien, jedenfalls soweit es sich um Vorgaben des Inverkehrbringensrechts handelt, wie z.B. der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42, nicht in Widerspruch zu diesen Regelungen setzen dürfen. Selbst wenn also die Vertragsparteien sich einig sind, dass die Bedienungsanleitung in englischer Sprache zu liefern ist, wäre bei einem Endverbleibsort Italien in jedem Fall auch eine Bedienungsanleitung in italienischer Sprache zu erstellen. Ansonsten riskiert der Anlagenbauer Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörde. Fehlt es an solchen expliziten Regelungen, so bleibt, wie nachfolgend darzustellen sein wird, auf die gesetzlichen Regelungen zurückzugreifen. 1.2 Technische Dokumentation als Teil des Produkts In dem Moment, in dem ein Produkt sich nicht mehr selbst erklärt, wie z.B. ein iPhone, stellt sich die Herausforderung, die Nutzbarkeit des Produkts durch Technische Dokumentation sicherstellen zu müssen. Hier setzen nun die gesetzlichen Hilfestellungen an: Gemäß § 434 BGB schuldet der Verkäufer ein Produkt, welches in der Lage ist, zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck genutzt werden zu können. Damit ist ein einfacher Maßstab formuliert. Alle Informationen, die also erforderlich sind, um das Produkt im vertraglichen Sinn gebrauchen zu können, müssen mit dem Produkt zur Verfügung stehen. Besonders griffig hat dies der Gesetzgeber in der sog. IKEA-Klausel nach § 434 Abs. 2 BGB formuliert. Demnach benötigen Produkte, die als Bausatz geliefert werden, eine taugliche Montageanleitung. Liegt eine solche Montageanleitung nicht vor, kann der vertraglich vorausgesetzte Zweck, nämlich das Erstellen eines fertigen Produkts aus einem Bausatz, nicht sichergestellt sein. Insofern ist es also beim Bausatz erforderlich, um den vertraglich ausgesetzten Zweck zu erzielen, eine Montageanleitung beizufügen. 43 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation Mit dieser Formel fangen allerdings häufig die Auslegungsschwierigkeiten an. Es geht nämlich schlicht um die Frage, welchen Umfang an Information der Vertragspartner verlangen kann. Dies wird nur im konkreten Fall zu entscheiden sein und hängt naturgemäß davon ab, wie die Vorkenntnisse beim Vertragspartner sind. Wenn die Vertragsparteien dies nicht ausdrücklich feststellen, fängt die Vertragsauslegung an und die Juristen deuten aus den äußeren Umständen des Vertragsabschlusses, auf welchen Kenntnisstand der Verkäufer möglicherweise hätte schließen können. Dies ist in der Praxis mit Unwägbarkeiten verbunden und führt häufig zu Ergebnissen, die mindestens eine der beiden Vertragsparteien nicht zufriedenstellen, weil sie dies so nicht gesehen oder erwartet hat. Ein weiteres Kriterium stellt der Gesetzgeber mit der „üblichen Beschaffenheit“ zur Verfügung. Geschuldet wird ein Produkt, welches eine übliche Beschaffenheit aufweist. In Bezug auf die Technische Dokumentation wäre also zu fragen, was vergleichbaren Produkten an Informationen üblicherweise beigegeben wird. An dieser Stelle spielt auch das Inverkehrbringensrecht eine Rolle. Es liegt auf der Hand, dass Regelungen, wie z.B. in der EGMaschinenrichtlinie 2006/42, eine übliche Beschaffenheit von Bedienungsanleitungen für Maschinen definieren. Schwierig wird die Situation für einen Verkäufer, der ein hoch innovatives Produkt veräußert. Hier lässt sich dann nur mit Mühe eine übliche Beschaffenheit oder auch ein „Stand der Technik“ ermitteln. In der forensischen Praxis führt dies dann dazu, dass im Gerichtsprozess letztlich ein Sachverständiger bestimmt, was als üblich zu gelten hat. Aus der Erfahrung heraus sind die auf diese Weise gewonnenen Ergebnisse häufig als zweifelhaft zu bezeichnen und nicht selten beschleicht die Beteiligten an einem Gerichtsprozess der Eindruck, dass ein Sachverständiger hier mehr oder weniger nach eigener Auffassung urteilt. Dies gilt leider erst recht für die Technische Dokumentation, da dort qualifizierte Sachverständige, die sich auf diese Themen spezialisiert haben, nur allzu selten zu finden sind. In Bezug auf die Fragestellung Technische Dokumentation „als Teil des Produkts“ bleibt auch noch ein anderer Aspekt des Vertragsrechts zu erörtern. Die vertraglich geschuldete Beschaffenheit ergibt sich nämlich aus allen vom Verkäufer publizierten Äußerungen. Daraus folgt weiter: Verkaufsunterlagen oder auch eine Bedienungsanleitung als Teil der Technischen Dokumentation können Gegenstand solcher Äußerungen sein. Wird eine Bedienungsanleitung bereits bei Vertragsverhandlung einbezogen, so kann aus den Angaben hierzu eine vertraglich geschuldete Beschaffenheit abgeleitet werden. Auf der Hand liegt dies ohne Weiteres bei originär als Verkaufsunterlagen zu bezeichnender Technischer Dokumentation, wie etwa Prospekten, Katalogen oder 44 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation auch der Internetdarstellung. Mit aller Deutlichkeit bleibt darauf hinzuweisen, dass derartige Technische Dokumentation keineswegs sich im Bereich des Ungefähren und Unverbindlichen bewegt. Der häufig auch in Bedienungsanleitungen enthaltene Satz, dass „technische Änderungen vorbehalten“ sind, um damit eine Unverbindlichkeit herzustellen, ist kritisch zu bewerten. Rechtlich würde es sich nämlich um eine allgemeine Geschäftsbedingung handeln, die aber dem gesetzlichen Modell der Verbindlichkeit öffentlicher Äußerungen widerspricht und damit nach § 307 BGB als unwirksam zu bewerten wäre. 1.3 Technische Dokumentation als Teil vertraglicher Nebenpflichten Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen vertraglichen Hauptpflichten und vertraglichen Nebenpflichten. Bezogen auf Produkte stellt die Lieferung der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit entsprechender Produkte die Hauptpflicht dar. Davon zu unterscheiden bleiben sog. vertragliche Nebenpflichten, die im Ergebnis dazu dienen sollen, dass die Interessen des anderen Vertragspartners gewahrt bleiben. Dazu gehört u.a., dass der Vertragspartner umfassend informiert wird. Diese Informationspflicht ist von der Rechtsprechung entwickelt worden und basiert auf dem Grundgedanken, dass der Verkäufer i.d.R. einen Know-how-Vorsprung hat gegenüber dem Käufer und dieser Vorsprung möglicherweise zu einer unangemessenen Situation führen könnte. Bildlich gesprochen soll verhindert werden, dass der Verkäufer den Käufer sehenden Auges in eine Situation laufen lässt, in der der Käufer ein möglicherweise für ihn untaugliches Produkt erwirbt. Aufgabe der Technischen Dokumentation ist es an dieser Stelle, dem Käufer alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die dieser benötigt, um umfassend bewerten zu können, ob das Produkt, das er zu kaufen beabsichtigt, tatsächlich seinen Wünschen entspricht bzw. geeignet ist, seine Bedürfnisse zu befriedigen. An dieser Stelle schlägt für die Technische Dokumentation gewissermaßen die Sternstunde der Produktinformation, die zur Vertragsanbahnung eingesetzt wird. Gelingt an dieser Stelle keine umfassende Information, so können sich im Weiteren Schadensersatzansprüche ergeben. Erwirbt z.B. ein Industrieanlagenbetreiber Schalldämpfer für den industriellen Einsatz in einem Klärwerk, die zwar der vereinbarten Beschaffenheit entsprechen, sich jedoch als ungeeignet erweisen für die mechanische Beanspruchung in einem Klärwerk, so könnte er Schadensersatzansprüche gegen den Verkäufer geltend machen, wenn ihm im Vorfeld der Vertragsanbahnung vorgespielt worden wäre, dass die Schalldämpfer für den Einsatz in einem Klärwerk geeignet wären. 45 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation 2 Rechtsfolgen schlechter Technischer Dokumentation Für das Thema Vertragsrecht und Technische Dokumentation ist es naturgemäß wichtig, auch einschätzen zu können, wie sich möglicherweise schlechte Technische Dokumentation am Ende auswirkt. Die Grundformel hierfür ist denkbar einfach: Rechtsfolgen drohen immer dann, wenn die Technische Dokumentation nicht der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit entspricht. Es handelt sich dann um eine sog. Schlechtleistung, für die der Gesetzgeber das sog. Mängelgewährleistungsrecht vorsieht. Dieses Risiko der Schlechtleistung gilt es zu vermeiden, um nicht den im Gesetz festgelegten Rechtsfolgen für den Fall der Schlechtleistung ausgesetzt zu sein. Nochmals bleibt an dieser Stelle allerdings darauf hinzuweisen, dass die Vertragsparteien frei sind, auch abweichende Regelungen von der gesetzlichen Grundlage zu treffen. Dabei verhält es sich in der Praxis so, dass nur individuelle oder vertragliche Absprachen wirksam sind. Der Versuch, über Allgemeine Geschäftsbedingungen das gesetzliche Gewährleistungsrecht auszuhebeln oder aber zum eigenen Vorteil wesentlich zu verändern, scheitert häufig am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht). § 307 BGB stellt dazu nämlich die allgemeine Regel auf, dass AGB nicht vom gesetzlichen Grundmodell abweichen dürfen. 2.1 Mechanik des Gewährleistungsrechts Der erste Schritt der Thematik Mängelgewährleistung ist die Prüfung, ob hier die vertraglich geschuldete Beschaffenheit erfüllt wurde. Bezogen auf die Technische Dokumentation wäre dies die Frage, ob zum einen explizite Festlegungen zur Technischen Dokumentation nicht erfüllt wurden. Zum anderen bleiben die beiden gesetzlichen Tatbestände der „Erfüllung des vertraglich vorausgesetzten Zwecks“ und der „üblichen Beschaffenheit“ zu prüfen. Kommt jetzt der Jurist zu dem Ergebnis, dass unter diesen drei Aspekten die vertraglich geschuldete Beschaffenheit nicht erbracht wurde, stellt sich als Nächstes die Frage der Rechtsfolge. Grundprinzip bleibt dabei die zweite Chance für den Verkäufer. Dem Gesetz nach hat er zweimal die Möglichkeit der Nacherfüllung, entweder durch Nachbesserung oder Nachlieferung. Bezogen auf die Technische Dokumentation würde dies bedeuten, dass er die Chance hat, durch die Lieferung einer ordnungsgemäßen Technischen Dokumentation Weiterungen zu verhindern. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass häufig beim Verkäufer entweder eine fehlende Einsicht in die Fehlerhaftigkeit der Technischen Dokumentation vorherrscht oder aber schlicht nicht die Fähigkeiten bestehen, die misslungene Technische Dokumentation durch eine ordnungsgemäße zu ersetzen. 46 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation Der Gesetzgeber kennt darüber hinaus aber auch Situationen, in denen der Käufer eine Nacherfüllung nicht zu dulden braucht. Dies betrifft im Wesentlichen zwei Kategorien: Entweder sind die Fehler so gravierend, dass offensichtlich auch eine Nacherfüllung keine Besserung bringt. Ein anderer Fall ist der, in dem der Käufer selbst z.B. aufgrund von Weiterverkauf in die Gefahr einer Vertragsverletzung kommt und es ihm daher nicht zuzumuten ist, erst langjährige Nacherfüllungsmaßnahmen des Verkäufers zu dulden. Schlägt die Nacherfüllung fehl oder verweigert sich der Verkäufer der Nacherfüllung bzw. ist die Nacherfüllung dem Käufer nicht zuzumuten, so greifen die weiteren Mängelgewährleistungsrechte. Der Gesetzgeber sieht hierzu das Recht der Minderung, d.h. der Herabsetzung des Kaufpreises vor. In der Praxis wird hiervon allerdings mit Bezug auf die Technische Dokumentation kaum Gebrauch gemacht, da nur schwer greifbar sein dürfte, wie unter Herabsetzung des Kaufpreises dennoch der Kaufgegenstand mit der fehlerhaften Dokumentation, z.B. der fehlerhaften Bedienungsanleitung, akzeptiert werden könnte. Häufige Folge ist dann die Ultima Ratio, nämlich der Rücktritt vom Vertrag. In diesem Fall wird das Vertragsverhältnis rückabgewickelt, d.h. gegen Rückgabe des Kaufgegenstands ist der Kaufpreis zurückzuzahlen; etwa bereits gezogene Nutzungen sind dem Verkäufer auszugleichen. In der Realität bedeutet dies den wirtschaftlichen Super-GAU für den Vertrag, da der Vertrag insgesamt fehlschlägt. Dies kann gerade bei größeren Anlagenbauverträgen zu ganz erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen, da der zurückgegebene Kaufgegenstand, wie z.B. eine Anlage, sich kaum weiterver äußern lässt und mithin ein Totalverlust entsteht. Größter Streitpunkt in Bezug auf den Rücktritt ist in der Regel die Frage, ob tatsächlich ein so wesentlicher Mangel vorliegt, dass er zum Rücktritt berechtigt. Bezogen auf die Technische Dokumentation wird zuweilen die Ansicht vertreten, dass dies doch eher nicht der Fall sei. Dem ist jedoch insbesondere dann entgegenzutreten, wenn es sich um solche Mängel an der Technischen Dokumentation handelt, die auch sicherheitsrelevant sein können. Ohne Frage liegt auch ein wesentlicher Mangel dann vor, wenn durch die schlechte Technische Dokumentation gar keine Ingebrauchnahme im vertraglich vorausgesetzten Sinne des Kaufgegenstands möglich wäre. 2.2 Besonderes Risiko: Mangelfolgeschäden Unabhängig von der Thematik der Nacherfüllung und der Frage von Rücktritt oder Minderung besteht für den Verkäufer das besondere Risiko des sog. Mangelfolgeschadens. Dabei handelt es sich darum, dass sich der vorhandene Mangel zu einem Schaden weiterentwickelt. Dies klingt auf den ersten Blick abstrakt. Gerade in Bezug auf eine fehlerhafte Technische Dokumentation ist der Schritt zum 47 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation Mangelfolgeschaden jedoch geradezu naheliegend, weil ja durch die fehlerhafte Technische Dokumentation auch eine Fehlbedienung des Kaufgegenstands wahrscheinlich ist. Führt diese Fehlbedienung dann zu Folgeschäden, d.h. zu Vermögensmehraufwendungen auf Seiten des Verkäufers, liegt ein Mangelfolgeschaden vor. Konkret können dies Konstellationen sein, in denen z.B. der fehlerhaft bediente Kaufgegenstand andere Gegenstände, z.B. in einer Fertigungsstraße, zerstört oder eingesetztes Produktionsmaterial vernichtet wird. Weiterhin kann auch der Nutzungsausfall selbst schon einen Schaden darstellen. Problematisch sind auch Konstellationen, in denen es zum Gesamtverlust des Auftrags kommt, weil der Kunde eines Großanlagenvertrags insgesamt vom Anlagenvertrag zurücktritt. Dann wäre der dadurch dem Anlagenbauer entgangene Gewinn vom Verkäufer der Verkaufskomponente, die sich als fehlerhaft erwiesen hat, als Mangelfolgeschaden zu ersetzen. Mangelfolgeschäden wären auch durch Verzögerung entstandene Mehraufwendungen etwa dadurch, dass der Endkunde einen Vertragsstrafenanspruch geltend macht. Es liegt auf der Hand, dass durch den Mangelfolgeschaden erhebliche Weiterungen entstehen können, die auch im Verhältnis zum Aufwand für die Technische Dokumentation möglicherweise unverhältnismäßig sind. Mit aller Deutlichkeit bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bewusst diese Unverhältnismäßigkeit in Kauf nimmt und gerade keine von Gesetzes wegen vorgesehene Haftungsbegrenzung aufgenommen hat. Es obliegt vielmehr den Vertragsparteien, individuelle Haftungsbegrenzungen zu verhandeln. In größeren Verträgen im Bereich des Anlagenbaus ist dies auch gängige Praxis. Erfahrungsgemäß gehört dies jedoch zu den sensiblen Gegenständen einer Vertragsverhandlung und lässt sich zuweilen in der Praxis nur schwer durchsetzen. 3 Verträge zur Erstellung der Technischen Dokumentation Neben der Konstellation der Bedeutung der Technischen Dokumentation als Annex zum Produkt beim Veräußerungsvertrag mit Bezug zum Produkt ist die Technische Dokumentation naturgemäß auch Gegenstand von Vertragsbeziehungen zur Erstellung der Technischen Dokumentation. Hier ist häufig davon die Rede, dass eine „Dienstleistung“ erbracht wird. Diese Begrifflichkeit erscheint dem Juristen jedoch unzutreffend. Der Dienstvertrag würde nämlich lediglich bedeuten, dass der Verpflichtete seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Dies dürfte in der Regel nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entsprechen. Diese gehen nämlich dahin, durch den 48 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation Vertrag zur Erstellung einer Technischen Dokumentation auch eine solche in nutzbarer Form zu erhalten. Dies bedeutet jedoch, dass es sich in Wahrheit um einen Werkvertrag zur Erbringung einer geistigen Leistung handelt. Es wird ein Erfolg, nämlich ein taugliches Werk in Gestalt einer Technischen Dokumentation, z.B. eine Bedienungsanleitung, geschuldet. 3.1 Grundlegende Aspekte Wie eingangs ausgeführt, sind Verträge zur Erstellung einer Technischen Dokumentation als Werkverträge zu qualifizieren. Das gesetzliche Werkvertragsrecht entspricht im Wesentlichen dem Kaufrecht. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass diese abstrakten gesetzlichen Regelungen häufig kaum tauglich sind, genau zu beschreiben, was eigentlich Leistungsgegenstand sein soll. Ein gesetzliches Modell für Verträge zur Erbringung Technischer Dokumentation gibt es nicht. Daraus folgt: Die vertragsschließenden Parteien und insbesondere die „Dienstleister“ der Technischen Dokumentation sind in der Not, sich selbst durch vernünftige vertragliche Regelungen den rechtlichen Rahmen für die Erbringung der Leistung schaffen zu müssen. In der Praxis erfolgt dies auch zunehmend. Als Hilfsmittel zur Gestaltung der vertraglichen Beziehung stehen dabei neben ausdrücklichen vertraglichen Regelungen, z.B. in Form eines Rahmenliefervertrags, auch ein weniger rechtlich anmutendes Instrumentarium zur Verfügung. Häufig lässt sich eine ausreichende Konkretisierung schon durch sorgfältig gestaltete Angebote erreichen. Leider wird noch allzu häufig keine besondere Sorgfalt hierauf gelegt, sondern im Wesentlichen auf den Betrag geachtet, den das Angebot schließlich als Preis ausweist. Bereits hier wird es allerdings problematisch, weil sich dann nämlich die Frage stellt, welchen Leistungsumfang der Auftraggeber hierfür eigentlich erhält. Z.B. wäre naturgemäß schon festzulegen, ob und in welchem Umfang Vorrecherche vom Auftragnehmer zu betreiben ist oder ob er schlicht auf der Informationsbasis des Auftraggebers arbeitet. 3.2 Haftungsrecht Aus Sicht der Dienstleister stellt sich naturgemäß die Frage, wie die Haftungssituation zu verstehen ist. Grundsätzlich gilt dabei, dass für viele Bereiche einer Technischen Dokumentation der Dienstleister auch in Regress genommen werden kann. Dies setzt allerdings voraus, dass ein Mangel vorliegt, d.h. die Technische Dokumentation, wie bereits oben ausgeführt, nicht der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit entspricht. Der Regress läuft dann über den Anspruch auf Ersatz eines Mangelfolgeschadens. Vergegenwärtigt man sich Aufgabenstellungen im Industriebereich insbesondere aus dem Feld des Anlagenbaus, so wird deutlich, 49 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation dass sich hier ein relativ hohes Haftungsrisiko für den Dienstleister ergeben kann. Es liegt daher in seinem Interesse, die Haftung entsprechend zu begrenzen. Die sorgfältige Verhandlung solcher Haftungsklauseln kann daher ‚überlebenswichtig‘ sein. Allerdings bleibt auch festzuhalten, dass in der Praxis der Dienstleister häufig in einer schwachen Position zur Verhandlung von Haftungsbegrenzungsklauseln ist. Aufgrund des faktisch bestehenden Haftungsrisikos sollte daher bei besonders sensiblen Bereichen, wie etwa der Luftfahrt, schon überlegt werden, ob tatsächlich in ausreichendem Maße Gewähr dafür besteht, dass letztendlich die vertraglich geschuldete Beschaffenheit geleistet werden kann. Sollten sich auch nur leise Zweifel daran ergeben, so ist es letztendlich eine wirtschaftliche Entscheidung, ob ein Risiko in Kauf genommen wird oder vernünftigerweise von der Annahme besonders riskanter Aufträge abgesehen wird. Die Hoffnung, dass im Ernstfall ein gesetzliches Hilfsmittel zur Verfügung steht, bleibt jedenfalls zu zerstören. Wie ausgeführt, ist eine gesetzliche Begrenzung des Haftungsschadens nicht vorgesehen. 3.3 Urheberrecht Ein Regelungsgegenstand für die Verträge zur Erbringung der Technischen Dokumentation ist auch das Urheberrecht. Technische Dokumentation unterliegt dem Urheberrecht. Der Auftragnehmer erteilt dem Auftraggeber eine Lizenz, das geschaffene Werk zu nutzen. Im Weiteren bleibt dann allerdings auszugestalten, wie diese Lizenz aussieht. Insbesondere bei längeren Lieferbeziehungen gibt es immer wieder Konstellationen, in denen der Auftragnehmer feststellen muss, dass der Auftraggeber freimütig seine sorgsam erstellte Anleitung vielfach kopiert und – ohne jede vertiefte Sachkenntnis – für alle möglichen Produkte verwendet. Derartig unerfreuliche Situationen gilt es zu verhindern und deutlich zu machen, dass die Lizenz nur für die produktspezifische Anwendung erteilt wird. Weitere Fragen, die es über eine Lizenz abzubilden gilt, sind solche der Verwendung der Technischen Dokumentation, insbesondere der Bedienungsanleitung als Schulungsunterlage, oder die Publikation im Internet. Aus Sicht des Auftragnehmers wären derartige Regelungen möglichst restriktiv zu formulieren, aus Sicht des Auftraggebers ist das Gegenteil wünschenswert. Beides bleibt individuell zu verhandeln und zu gestalten. 4 Vertragliche Gestaltung im AGB-Recht Vielfach wurde bereits vorstehend auf die Bedeutung der Vertragsverhandlung hingewiesen. An dieser Stelle soll nochmals kurz auf 50 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation die Hintergründe eingegangen werden: In Deutschland wurde mithilfe der Rechtsprechung ein umfassendes Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelt. Dies hat auch seine gesetzliche Grundlage zunächst im AGB-Gesetz und seit 2002 in den §§ 305 ff. BGB gefunden. Das AGB-Recht kommt ursprünglich aus dem Verbraucherschutzgedanken und soll verhindern, dass mit vorformulierten Bedingungen der häufig in einer sehr schwachen Verhandlungsposition befindliche Verbraucher ‚überfahren‘ wird. Faktisch hat insbesondere die Rechtsprechung jedoch viele der eigentlich aus dem Verbraucherschutzgedanken heraus formulierten Regelungen auch für die Verträge unter Unternehmern für anwendbar erklärt. Grundgedanke ist dabei, dass die Vertragsparteien faire Regelungen treffen sollen. Eine unfaire Regelung über eine allgemeine Geschäftsbedingung wäre damit als unwirksam anzusehen. Darüber hinaus entfalten sog. intransparente Regelungen, d.h. schwer oder missverständliche Vertragsregelungen, keine Wirksamkeit. Ferner enthalten die §§ 308, 309 BGB sog. Klauselverbote, in denen bestimmte Tatbestände explizit für unwirksam erklärt werden. Im Ergebnis führt dies zu Folgendem: AGB, in denen vom gesetzlichen Gewährleistungsrecht massiv abgewichen wird, dürften als unwirksam anzusehen sein. Ferner gilt dies für alle Regelungen, die versuchen, die Haftung stark einzuschränken oder auszuschließen. Dies gilt insbesondere für Fälle von Körperverletzung oder gar vorsätzlicher oder fahrlässiger Handlung. Auch eine pauschale Haftungsbegrenzung wird von der Rechtsprechung als kritisch gewertet. Nochmals ist also darauf hinzuweisen, dass eine vernünftige Haftungsbegrenzung sich nur durch individualvertragliche Verhandlung durchsetzen lässt. Der Einsatz von AGB führt in der Praxis dann häufig zu der Situation von sog. widerstreitenden AGB. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die AGB sich gegenseitig aufheben und dann das Gesetzesrecht gilt. Häufig ist dies auch das Argument, überhaupt eigene AGB zu verwenden, um so geschützt zu sein vor der Verwendung anderer AGB, die wesentlich unattraktiver erscheinen. Abseits der Frage der Verwendung von AGB gilt allerdings auch nach wie vor die folgende Goldene Regel: Der Kern einer vernünftigen vertraglichen Regelung liegt darin, präzise zu beschreiben, was überhaupt Gegenstand der vertraglichen Leistung ist. Dies gilt naturgemäß auch für die Technische Dokumentation. Die eingangs beschriebene Situation, dass die Technische Dokumentation mit wenig Sorgfalt behandelt wird, ist vor diesem Hintergrund als äußerst kritisch zu betrachten. 51 Die Bedeutung des Vertragsrechts, insbesondere die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Technische Kommunikation 5 Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Technische Dokumentation und Vertragsrecht ein komplexes Thema sind. Die Technische Dokumentation ist Vertragsobjekt in dem Sinne, in dem sie Teil des Produkts ist und Gegenstand vertraglicher Nebenpflichten. Wünschenswert wären hier detaillierte vertragliche Vorgaben insbesondere auch unter dem Aspekt, dass in der Praxis Formulierungen in AGB häufig keine oder nur begrenzte Wirkung haben. Besonders wichtig erscheinen dabei detaillierte vertragliche Vorgaben, mit denen die Vertragsparteien beschreiben, was sie von der Technischen Dokumentation erwarten. Tendenzen wie z.B. im Anlagenbau lassen durchaus hoffen, dass die Vertragsparteien sich zunehmend dieser Situation bewusst sind. Auf diesem Weg sollte weiter vorangegangen werden. 52 Abraham de Wolf Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation Der Beitrag untersucht, wie die Nutzung von Software zur Übersetzung von Texten und das Urheberrecht miteinander verflochten sind. „Wem gehört was?“, ist eine nicht unwichtige Frage, wenn es um die Anreicherung eines Translation-Memory-Systems geht, beim Ausbau einer Terminologiedatenbank und nicht zuletzt dann, wenn die WebAnwendung Google Translator genutzt wird. Darstellungen zu dieser Thematik sind selten und nur in US-amerikanischen Zeitschriften zu finden. Leider verfolgen sie meist einen bestimmten Zweck, um etwa die Weiterverwendung von Kundentexten beim Ausbau eines eigenen Translation Memorys oder einer Terminologiedatenbank zu rechtfertigen, ohne sich ernsthaft mit dem Urheberrecht auseinandersetzen zu müssen. Dabei werden wesentliche Aspekte des Urheberrechts ignoriert oder so oberflächlich betrachtet, dass die Schlussfolgerungen schlichtweg falsch sind. 1 Grundsätze Urheberrecht Die Antwort auf die Frage „Wem gehört was?“ setzt unbedingt eine sorgfältige Betrachtung der wesentlichen technischen Einzelheiten und der sehr gut nachvollziehbaren Grundsätze des Urheberrechts voraus. Es lässt sich eindeutig klären, dass diese Antwort sowohl nach dem Urheberrecht in Deutschland als auch in anderen europäischen Staaten und in den USA gilt. Die Antwort gilt auch für China, zumindest juristisch. Der Staat ist der „Berne Convention for the Protection of Literary and Artistic Works“ (Berner Konvention) beigetreten, zudem der Welthandelsorganisation (WTO) und damit dem „Agree ment on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights“ (TRIPS). Das Urheberrecht ist zwar immer als nationales Gesetz geregelt, aber die Grundsätze sind von Land zu Land ähnlich, wenn auch in den Details der juristischen Argumentation teilweise verschieden. Da aber unsere Frage zur Nutzung von Übersetzungssoftware bei allen relevanten Urhebergesetzen zum gleichen Ergebnis führt, sind die feineren Punkte der juristischen Diskussion akademisch interessant, aber nicht entscheidend für die Praxis. Der Beitrag richtet sich daher an alle Leser, die Übersetzungssoftware geschäftlich selbst 53 Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation nutzen oder Fachübersetzer beauftragen, Übersetzungssoftware für Kundenaufträge einzusetzen. 2 Urheberrecht und Patentrecht Das Urheberrecht regelt Fragen des geistigen Eigentums an Texten, Bildern, Software, Musik, Film und Architektur. Das geistige Eigentum wird zusätzlich durch Patente und das Markenrecht geschützt, allerdings jeweils auf eigene Weise. Im Patentrecht werden Ideen geschützt, im Urheberrecht der Ausdruck dieser Ideen. Ein Beispiel kann dies veranschaulichen: Ein Text über eine technische Kons truktion eines Flugzeugteils ist als Text durch das Urheberrecht geschützt, die Konstruktion selbst (nicht die Zeichnung im Text) unter bestimmten Bedingungen durch ein Patent. Wer den Text ohne Erlaubnis kopiert, verletzt das Urheberrecht. Wer die Konstruktion ohne Erlaubnis baut, verstößt gegen das Patentrecht. Ein wichtiger Unterschied ist, dass beim Patent ein Antrag gestellt werden muss und vom Patentamt die technischen und juristischen Bedingungen in langjährigen und teuren Verfahren geprüft werden. Das Urheberrecht dagegen schützt den Text automatisch, sobald er entsteht, also niedergeschrieben wird – auch digital. Deshalb ist das Urheberrecht so wichtig und unausweichlich, denn der Schutz entsteht, ohne dass der Autor des Textes überhaupt an das Urheberrecht denkt. Früher musste in den USA ein Text bei der Library of Congress, der amerikanischen Nationalbibliothek, angemeldet werden, um Schutz durch das Urheberrecht zu erhalten. Nach der Registrierung musste dem Text ein Zeichen beigefügt werden, um bei einer Veröffentlichung den Schutz geltend zu machen: das berühmte „c im Kreis“ als Zeichen für Copyright. Seit 1989 gilt in den USA wie in Europa automatisch das Urheberrecht bei der Entstehung des Werkes. Das Copyright-Zeichen wird in den USA trotzdem noch verwendet, um bei einer Verletzung des Copyrights beim Täter einen Vorsatz zu belegen und damit höhere Schadensersatzansprüche zu begründen. 3 Genauer beleuchtet Der Kernsatz des Urheberrechts lautet: „Der Autor eines originellen Werkes hat das alleinige Recht, die Nutzung zu bestimmen.“ Der Satz legt dar, was Eigentum bedeutet. Der Kernsatz enthält viele Informationen. Um die Auswirkungen des Urheberrechts bei der Nutzung von Übersetzungssoftware zu verstehen, muss der Satz genau verstanden werden. • „Der Autor“: Es kann sich auch um Ko-Autoren handeln, wenn 54 Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation • • • • mehr als einer beteiligt war. Ko-Autoren besitzen die gleichen Rechte. Sie müssen sich einigen und sorgfältig über die Nutzung abstimmen. Jeder Ko-Autor hat einen Anspruch, bezahlt zu werden oder am Gewinn beteiligt zu sein. „Eines originellen Werkes“: Das Urheberrecht verlangt ein Minimum an Kreativität. Kreativität gilt als menschliche Eigenschaft, deshalb kann eine Firma oder ein Tier nicht Autor sein. Wenn ein Affe im Zoo ein Bild malt, so gilt der Affe nicht als Eigentümer, denn das Urheberrecht schützt nur die Kreativität von Menschen. Wenn es zumindest eines Minimums an menschlicher Kreativität bedurfte, um ein Werk zu schaffen, ist ein originelles Werk entstanden. Ein „Werk“ erfordert einen gewissen Umfang, was nicht unbedingt leicht zu bestimmen ist, vor allem in der Musik. Mittlerweile sind sogar Klingeltöne als Werk anerkannt. Aber bei Texten herrscht ein Konsens. Ein Satz, ein Wort oder ein Begriff gilt nicht als Werk, und zwar völlig unabhängig davon, wie kreativ das Wort oder der Satz ist. Hier schützt nicht das Urheberrecht die Kreativität des Autors, sondern möglicherweise das Markenrecht. „Alleiniges Recht“: Nur der Autor (oder zusammen mit den Ko-Autoren) kann Nutzungsrechte an seinem Werk auf andere übertragen, etwa auf eine Firma. Diese Übertragung geschieht durch einen Vertrag, in dem ausdrücklich die Übertragung vereinbart wird. Wenn diese Übertragung nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde, bleibt das Urheberrecht beim Autor, auch wenn der Kunde, für den der Text geschrieben oder übersetzt wurde, diese Arbeit bezahlt. Die Zahlung alleine reicht nicht für die Übertragung des Urheberrechts – ein Fehler, den Unternehmen sehr häufig machen. „Nutzung“: Die Nutzungsrechte erlauben, ein Werk zu verkaufen, zu vermieten, zu veröffentlichen, im Radio oder Fernsehen zu senden, Änderungen vorzunehmen oder auch zu übersetzen. Ein Werk darf sogar zerstört werden. Ohne die Zustimmung des Autors darf ein Text nicht übersetzt werden, und der Autor bestimmt auch, wer die Übersetzung vornehmen darf. Dazu gehört auch die Nutzung von Texten als Teil eines Pools von Texten, um mit statistischen Methoden Textmuster zu erkennen und für eine maschinelle Übersetzung zu verwenden. 4 Im Internet übersetzen Wer das Internet auf Texte durchsucht und sie einsammelt, um sie in einen riesigen Topf für eine statistisch basierte maschinelle Übersetzung zu verwenden, der verstößt gegen das Urheberrecht. Voraus55 Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation gesetzt natürlich, er hat nicht jeden Autor um Zustimmung zu dieser Nutzung vorher gefragt. Die Praxis von Google Translate (Google Übersetzer) verstößt deshalb gegen das Urheberrecht, denn sicherlich ist bei der Unmenge an Texten aus dem Internet nicht systematisch um eine Nutzungserlaubnis gebeten worden. Zusätzlich ist bei Übersetzungen von Texten zu beachten, dass wegen der Vielfalt von Übersetzungsmöglichkeiten und des Sprachgefühls bei einer guten Übersetzung eine Übersetzung als kreativer Akt verstanden wird. Damit ist die Übersetzung eines Textes ein originelles Werk. Der Übersetzer gilt als Autor und damit Eigentümer der Übersetzung. Dieser Schutz besteht unabhängig davon, ob der Autor des Quelltextes seine Erlaubnis zur Übersetzung gegeben hat. Wer als Auftraggeber nicht will, dass der Übersetzer Eigentümer der Übersetzung wird, muss eine vertragliche Regelung treffen. Ansonsten gilt das Gesetz. 5 Maschinelle Übersetzung Den Kernsatz des Urheberrechts anzuwenden, bedeutet für maschinelle Übersetzungssysteme, dass die Übersetzung keinen Autor hat. Die Software erzeugt die Übersetzung und nicht der Mensch. Das gilt unabhängig davon, ob die Software „rule-based“ funktioniert oder unter Millionen von vergleichbaren Texten nach Sprachmustern mit statistischen Methoden sucht, wie es bei Google Translate der Fall ist. Die Software wendet Regeln an, grammatikalische oder statistische, die vom Programmierer in den Softwarecode eingegeben wurden, ohne eine konkrete Kenntnis des jeweiligen Textes zu haben, der irgendwann später zu übersetzen ist. Die Software wendet diese Regeln nach den Instruktionen im Code an, ohne dass der Übersetzer, der die Software nutzt, Einblick in die mehreren Millionen Code-Zeilen hat. Damit ist die Nutzung nicht vergleichbar mit einer Schreibmaschine oder einem PC und dessen Texterfassung, denn der Nutzer der Übersetzungssoftware hat kaum Entscheidungsmöglichkeiten. Bei manchen Übersetzerprogrammen hat der Nutzer einen bestimmten Spielraum, etwa zwischen gleichwertigen Begriffen. Er ist aber vergleichsweise gering, gemessen am Textumfang. Damit fehlt es an Autorenschaft und Kreativität, denn eine Maschine kann nicht kreativ sein. 6 Urheberrecht gilt Erst durch das Post-Editing, also die Überarbeitung der maschinellen Übersetzung (Rohübersetzung) durch einen Übersetzer oder Technischen Redakteur, entsteht ein Werk mit einem Autor – und damit ein 56 Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation Werk mit Urheberrecht. Dieses Eigentumsrecht umfasst das endgültige Werk, ohne zwischen den Textteilen zu unterscheiden, die von der Software stammen, und den Teilen, die der Mensch eingefügt oder geändert hat. Der Übersetzer oder der Technische Redakteur hat den gesamten Text überprüft und als seinen übernommen. Damit sind die maschinellen Anteile vom menschlichen Denkprozess aufgenommen worden, das Eigentum des Autors erstreckt sich in der Endfassung auf den gesamten Text. Wenn zwei Personen eine Übersetzung bearbeiten, eine Person kümmert sich z.B. um die Rohübersetzung, die zweite Person bringt den Text in ihre endgültige Form, dann vermengt sich die Rohübersetzung mit den Änderungen zum Gesamttext. Beide Personen haben einen Anteil daran. Deshalb gibt es für diesen Text zwei Ko-Autoren und damit Eigentümer. Aber für die maschinell entstandene Rohübersetzung ist kein Autor vorhanden, da Software nicht menschlich ist. Es ist also derjenige der Autor des Gesamttextes, der den Text in die letzte Form bringt, denn darin ist auch die Rohübersetzung der Software enthalten. 7 Translation Memory Das Urheberrecht an der Software des Translation Memory besitzt die Herstellerfirma. Wer aber hat das Urheberrecht am Inhalt? Der Inhalt eines Translation Memorys besteht aus den Quelltexten, die übersetzt wurden, und den Übersetzungen. Das Urheberrecht an den Quelltexten haben die jeweiligen Autoren oder auch die jeweiligen Auftraggeber für die Übersetzungen. Das Urheberrecht an den übersetzten Texten liegt bei den Übersetzern, soweit sie nicht vertraglich auf die Auftraggeber übertragen wurden. Um die Texte in die Datenbank einzubringen, bedarf es der Zustimmung der Urheber. Doch diese Zustimmung ist oft nicht vorhanden, weil schlichtweg nicht daran gedacht wurde. Dabei würden Auftraggeber einer entsprechenden Klausel im Vertrag wohl zustimmen, wenn ihnen die Vorteile der Nutzung eines reichhaltigen Translation Memorys erklärt würden, anstatt den Punkt zu verschweigen. Ein Translation Memory mit Fachtexten kann bei einer Übersetzung sehr hilfreich sein, wovon der Auftraggeber profitiert. 8 Vertraulichkeit regeln Bei der rechtlichen Einordnung eines Translation Memorys geht es außer um das Urheberrecht auch um die vertragliche Verpflichtung zum vertraulichen Umgang mit Kundentexten. Typischerweise verlangen solche Vertraulichkeitsklauseln, in US-Verträgen „non-disclo57 Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation sure“ oder „confidentiality clause“ genannt, die Vernichtung sämtlicher Unterlagen nach Abschluss des Auftrags. Wer den Quelltext und die Übersetzung nach Abschluss des Auftrags in ein Translation Memory einfügt oder dort weiterhin abspeichert, verstößt gegen die Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Auftraggeber. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass der Verstoß gegen die Vertragspflicht mit einer hohen Vertragsstrafe belegt werden kann. Aber ein Translation Memory ohne Fachtexte aus vergangenen Aufträgen ist wenig wert. Dieser Aspekt muss deshalb unbedingt vertraglich geklärt und die Vorteile für den Auftraggeber offen besprochen werden. Das Thema Urheberrecht erschöpft sich nicht in den Texten, die die Grundlage eines Translation Memorys bilden, denn diese Texte bleiben nicht so, wie sie geschrieben wurden. Die Software zerlegt die Texte nach bestimmten Vorgaben, damit einzelne Teile der Quelltexte und der Übersetzungen zugeordnet werden können. 9 Mehrere Urheber Durch Zerlegen und Zuordnen entsteht ein neues Werk, bestehend aus Textteilen, die in dieser Zusammenstellung noch nicht existierten. Autor des neuen Werkes ist die Person, die die Texte eingegeben hat, da durch die Eingabe das Werk in dieser Form entstanden ist. Der Autor und damit Eigentümer des Inhalts des Translation Memorys ist also der Übersetzer. Er hat meist jedoch nicht das Urheberrecht an allen Texten, die er eingibt. Und obwohl der Inhalt des Übersetzungsspeichers ein neues Werk ist, da Textteile neu geordnet wurden, sind die Texte leicht zu identifizieren und damit wieder zu entfernen. Sie sind also nicht in dem neuen Werk aufgegangen oder verschwunden. Damit bleiben die Urheber an diesen Texten und an ihren einzelnen Teilen weiterhin die Eigentümer. Das Resultat ist, dass eine ganze Menge an Ko-Autoren existiert, die alle Urheber an den Inhalten des Translation Memorys sind. Wer einen Speicher über längere Zeit aufbaut und nicht peinlichst darauf achtet, dass eine Nutzungserlaubnis für die Verwendung jedes fremden Textes schriftlich dokumentiert wurde, wird beim Verkauf eines Translation Memorys in Teufels Küche kommen. Denn typischerweise muss ein Verkäufer von Software vertraglich gewährleisten, dass keine Rechte Dritter an der Software bestehen. Das wird für Angebote wie „TAUS“ oder diverse Universitätsprojekte eines Tages eine spannende Frage, sollten sie das Urheberrechtsproblem nicht ordentlich regeln. Je mehr Personen und Firmen zu einem Übersetzungsspeicher beitragen, desto komplizierter ist die Urheberrechtsfrage und die Beweisbarkeit der Nutzungserlaubnisse für jeden Beitrag. 58 Wer ist der Urheber? Urheberrecht bei Übersetzungen von Technischer Dokumentation 10 Terminologiedatenbank Unter Terminologie wird ein Wort oder eine kleine Anzahl von Wörtern verstanden. Alle Gerichte weltweit sind sich einig, dass ein einzelnes Wort oder eine kleine Anzahl von Wörtern kein Werk darstellt und deshalb keinen Urheberrechtsschutz genießt. Dabei geht es nicht um die Kreativität, denn neue Begriffe zu finden, verlangt oft sehr viel Kreativität. Vielmehr dreht es sich um den zu geringen Umfang, um als Werk zu gelten. Einzelne Begriffe werden deshalb, wenn sie kommerziell sehr wichtig sind, als Marke angemeldet und sind dadurch geschützt. Die Nutzung bedarf also der Erlaubnis. Bei einer Terminologiedatenbank geht es vorrangig darum, Fachbegriffe in verschiedenen Sprachen zugeordnet zu bekommen. Auch hier gilt wie beim Translation Memory: Wer Kundentexte oder Terminologielisten von Auftraggebern in die Datenbank eingeben will, benötigt die Erlaubnis der Inhaber der Urheberrechte. Und auch hier wirken die vertraglichen Vertraulichkeitspflichten mit drohenden Vertragsstrafen. Eine vertragliche Nutzungserlaubnis der Texte oder Listen für die Verwendung in einer Terminologiedatenbank ist unabdingbar. 11 Rechte regeln Es geht immer um den Kernsatz, dass der Autor eines originellen Werkes das alleinige Recht der Nutzung zu bestimmen hat. Übersetzungen sind originelle Werke. Wer nicht möchte, dass der Übersetzer die Eigentumsrechte an der Übersetzung besitzt, sollte eine vertragliche Regelung treffen. Beim Einsatz von Übersetzungssoftware, ob Google oder lizenzierte Software, ist zu beachten, dass das Post-Editing den Autor schafft, Software selbst ist kein Autor. Dies gilt auch für Übersetzungsagenturen gegenüber ihren freien Mitarbeitern. Bei Festangestellten regelt das Gesetz die Übertragung des Urheberrechts auf den Arbeitgeber. Wer mit Translation Memory und Terminologiedatenbanken arbeitet, muss sehr sorgfältig darauf achten, dass er ein vertragliches Recht erhält, Texte anderer Autoren einsetzen zu dürfen. 59 Jens-Uwe Heuer-James Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation Aus der Praxis des Verfassers insbesondere im tekom-WebForum ergibt sich das Bild, dass die Verantwortlichen in der Technischen Dokumentation sich häufig geradezu nach gerichtlichen Entscheidungen und Praxisfällen sehnen, die ihre Auffassungen bestätigen. Leider ist diese Hoffnung nicht immer erfüllbar. Dennoch spielt die Rechtsprechung eine erhebliche Rolle dafür zu verstehen, wie die Juristen Technische Dokumentation bewerten und welche Anforderungen sich daraus ergeben. Um hier einen Überblick zu geben, bleibt zunächst einmal festzustellen, wie sich tatsächlich die Fortschreibung des Rechts durch Gerichtsentscheidungen in der Praxis darstellt. Daran schließt sich ein Überblick zur Rechtsprechung mit Bezug zur Technischen Dokumentation an. Dieser behandelt die unterschiedlichen Rechtsgebiete. Bereits an dieser Stelle bleibt darauf hinzuweisen, dass es die allumfassende Gerichtsentscheidung zur Klärung aller Rechtsfragen rund um die Technische Dokumentation nicht gibt. Es ist vielmehr ein Gesamtbild aus Gerichtsentscheidungen zu unterschiedlichen Rechtsgebieten und ein buntes Mosaik aus unterschiedlichen Versatzstücken, was letztendlich das Recht zur Technischen Kommunikation prägt. Daran anschließend sollen einige Betrachtungen für die Auswirkung auf die Praxis in der Technischen Dokumentation angestellt werden. 1 Grundprinzipien der Fortbildung des Rechts Die Erwartung des Laien an rechtliche Regelungen ist häufig, dass ‚im Gesetz‘ alle relevanten Vorgaben für die Praxis gemacht werden. Diese Forderung oder auch Erwartungshaltung erweist sich jedoch als vollkommen unrealistisch. Dies würde nämlich im Ergebnis dazu führen, dass die vielfachen Fallgestaltungen sich irgendwie im Gesetzestext widerspiegeln müssen. Es liegt auf der Hand, dass dies die Regelungstiefe eines Gesetzes völlig überfordern würde. Sachlich geboten ist vielmehr eine sachgerechte Entscheidung im Einzelfall. Die Unzulänglichkeiten einer Gesetzgebung haben im Common Law zu dem sog. Case Law geführt. In diesem Regelungenkreis verzichtet man im weiten Umfang auf gesetzliche Vorgaben 60 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation und Regelungen und setzt stattdessen auf Einzelfallentscheidungen, aus denen dann rechtliche Regelungen herausgearbeitet werden, um sie bei der nächsten Fallkonstellation wieder zum Einsatz zu bringen. Der deutsche Gesetzgeber folgt stattdessen der sog. römischen Rechtstradition, die es vorzieht, sachgerechte Ergebnisse über die Formulierung abstrakter Regeln zu erreichen. Der Ansatz ist hier, im Gesetz abstrakte Tatbestände zu formulieren, die dann für den jeweiligen Einzelfall zur Anwendung kommen sollen. Aufgrund der Vielzahl der Fallgestaltungen und der Tatsache, dass bei Beginn der Formulierung eines Rechtssatzes noch nicht abgesehen werden kann, wie dieser sich tatsächlich in der Praxis auswirkt und ob er dann in der vom Gesetzgeber angedachten Form eine angemessene Lösung darstellt, hat der Gesetzgeber jedoch eine zweite Regelungsebene eingezogen. Durch die Rechtsprechung soll zur Rechtsfortbildung beigetragen werden. Der Gesetzgeber verlangt also von der Rechtsprechung, die von ihm vorformulierten abstrakten Rechtssätze zu interpretieren und auf den konkreten Einzelfall anzuwenden. Ein besonders gutes Beispiel dazu ist der § 823 BGB, der mit einem äußerst schlichten Text den Grundtatbestand für das sog. Deliktsrecht bildet. Aus diesem Grundtatbestand hat die Rechtsprechung dann das Produkthaftungsrecht entwickelt, welches im Bereich der Instruktionsverantwortung für die Technische Dokumentation von großer Bedeutung ist. Dem Laien mag es etwas suspekt erscheinen, dass eine derartige Rechtsfortbildung Praxis ist. Es stellt sich dann nämlich die Frage, ob nicht hier eine gewisse Willkür der Richter erfolgen könnte. Dafür hat der Gesetzgeber jedoch Vorkehrungen getroffen. Zum einen gilt es, vor deutschen Gerichten strikte Verfahrensregeln einzuhalten und auch Grundregeln der Gesetzesinterpretation zu folgen. Diese Grundregeln sind in der Rechtstheorie über eine lange Tradition entwickelt worden und gelten auch gemeinhin als unumstößlich. Die Richter werden in der Beherzigung dieser Grundsätze und Denkprinzipien ausgebildet, sodass von daher bereits eine gewisse Qualität der Entscheidungen gewährleistet ist. Zum anderen ist in der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch den sog. Instanzenzug sichergestellt, dass Gerichtsentscheidungen auch überprüft werden. Ab einem Streitwert von 5.000,01 Euro gehen Streitfälle zum Landgericht. Urteile des Landgerichts wiederum werden durch die Oberlandesgerichte überprüft. Als weitere Instanz steht dann der Bundesgerichtshof zur Verfügung. Dessen Aufgabe ist es, durch die Revision von Entscheidungen der Oberlandesgerichte zu Rechtsfragen, wie z.B. zur Frage der Ausgestaltung von Warnhinweisen, Stellung zu nehmen. Aufgabe ist es dabei, für eine gewisse Rechtsvereinheitlichung Sorge zu tragen. Dies bedeutet: Ein Großteil der Entscheidungen des BGH nimmt 61 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation stets die Diskussion verschiedener in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Rechtsauffassungen ein. Der Bundesgerichtshof teilt dann mit, welcher der Auffassungen er zu folgen beabsichtigt, oder er kreiert aus den unterschiedlichen Auffassungen seine eigene Auffassung hierzu. Trifft der BGH einmal eine Entscheidung, so haben die Oberlandesgerichte und Landgerichte zur Wahrung der Einheit der Rechtsprechung dieser Ansicht zu folgen. Es ist ihnen dann verwehrt, abweichende Entscheidungen zu treffen. Dieses Prinzip der Instanzenentscheidung und der Rechtsvereinheitlichung über den Bundesgerichtshof hat sich in der Vergangenheit bewährt. Insbesondere in der Produkthaftung hat sich dadurch eine abgesicherte Rechtssituation entwickelt, bei der aus Sicht der anwaltlichen Beratung dem Mandanten präzise Rat gegeben werden kann, wie er seine Technische Kommunikation zu gestalten hat, um nicht in eine Haftungssituation hineinzugeraten. Ausgehend hiervon bleibt allerdings noch auf einen ganz grundsätzlichen Aspekt hinzuweisen: Gerichtsentscheidungen sind stets Einzelfallentscheidungen. Es kommt also darauf an, aus den Besonderheiten des jeweiligen Falls herauszufiltern, was als allgemeiner Rechtsgrundsatz entnommen werden kann. Dies sind in der Praxis häufig nur wenige Sätze der Entscheidung, die grundsätzlich aus einer ausführlichen Darstellung des sog. Tatbestandes (Darstellung der Tatsachen) besteht sowie aus einer ausführlichen Diskussion der im Verfahren durch die Beteiligten vorgetragenen Rechtsauffassungen. Es gilt dann gewissermaßen ‚die Nadel im Heuhaufen‘ zu finden, nämlich die Ausführungen des jeweilig entscheidenden Gerichts, in denen eine Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage, z.B. zum Umfang und zur Gestaltung der Technischen Kommunikation, erfolgt. Leider ist dies nur möglich, wenn gewisse Vorkenntnisse und eine juristische Ausbildung vorhanden sind. Eine rein laienhafte Interpretation birgt das Risiko, dass Ausführungen eines Gerichts missverstanden werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts in Nürnberg (Urteil vom 17.02.2014, Az. 4 U 1706/12), in der es letztlich um die Frage geht, ob unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes auf die CE-Kennzeichnung gewissermaßen blind vertraut werden kann. Hier war im Internet kolportiert worden, das Oberlandesgericht Nürnberg würde nun pauschal das CEKennzeichen als nicht aussagekräftig bewerten. Was jedoch in der Darstellung vergessen wurde, war den Gesamtzusammenhang darzustellen. Das OLG vertrat nämlich diese Aussage im Zusammenhang mit dem hier vorliegenden Fall, in dem der Verstoß gegen eindeutig bestehende Sicherheitsanforderungen geradezu offenkundig war. In diesem Zusammenhang führte dann das OLG Nürnberg aus, der Betreiber einer Anlage könne nicht blind auf die CE-Kennzeichnung 62 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation vertrauen. Das Gericht hat sicherlich nicht beabsichtigt, hier gegen die CE-Kennzeichnung zu sprechen und ihr jeglichen Aussagegehalt zu nehmen. Dies läge auch außerhalb der Kompetenz eines Oberlandesgerichts, da es ja hier um eine Frage des Inverkehrbringensrechts und damit des öffentlich-rechtlichen Gesichtspunktes geht, der nicht Gegenstand einer Entscheidung eines Zivilgerichts sein kann. 2 Überblick zur Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation Wie eingangs dargestellt, stellt sich die Rechtsprechung mit Bezug zur Technischen Kommunikation als buntes Mosaik aus unterschiedlichen Rechtsgebieten dar. Entsprechend den unterschiedlichen Ausprägungen des „Rechts der Technischen Kommunikation“ bleibt zu unterscheiden zwischen der Rechtsprechung zum Vertragsrecht, zum Produkthaftungsrecht, zum Produktsicherheitsrecht und schließlich zum Wettbewerbsrecht in Form des Rechts zum unlauteren Wettbewerb. Letzteres ist eine insbesondere in letzter Zeit zunehmende Sparte der Rechtsprechung, in der es darum geht, unter Bezugnahme auf die Regeln zum Inverkehrbringen von Produkten Wettbewerber, die diesen Geboten zuwiderhandeln, aus dem Wettbewerb zu weisen bzw. sie zu regelkonformem Verhalten anzuhalten. Insgesamt lässt sich feststellen, dass nicht über Quantensprünge in der Rechtsprechung zu sprechen bleibt, sondern dass sich Grundzüge der Rechtsprechung stetig verfestigen. Es lässt sich allerdings ein wesentlicher Trend feststellen: Seit der Schuldrechtsreform 2002 gibt es zunehmend Fälle, in denen es darum geht, dass in der Technischen Kommunikation, insbesondere in Bedienungsanleitungen, Zusagen über die Beschaffenheit von Produkten gemacht werden, die von den Gerichten auch als Zusagen im vertragsrechtlichen Sinne gewertet werden. Der Unverbindlichkeit von Informationen, insbesondere bei der Vertragsanbahnung, bleibt also letztlich endgültig eine Absage zu erteilen. Es lässt sich mit einigem Nachdruck festhalten, dass im besten Sinne des Wortes jedes Wort ‚auf die Goldwaage‘ gelegt werden muss, welches der Hersteller im Zusammenhang mit seinen Produkten an die Öffentlichkeit bringt. Dazu sei angemerkt, dass es nicht nur in größeren Unternehmen teilweise inzwischen zur geübten Praxis gehört, vor Freigabe von Dokumenten für die breitere Öffentlichkeit mindestens im Groben eine Prüfung der Aussagen auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt vorzunehmen. Dass ein Qualitätsmanagement für die Technische Kommunikation vor diesem Hintergrund als unabdingbar erscheint, drängt sich als Erkenntnis geradezu auf. 63 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation 2.1 Rechtsprechung zum Vertragsrecht Die Rechtsprechung hat sich, wie bereits erwähnt, seit 2002 insbesondere damit auseinandergesetzt, inwiefern Angaben aus den produktbegleitenden Informationen oder auch der Bewerbung des Produkts dazu herangezogen werden können, eine bestimmte vertraglich geschuldete Beschaffenheit abzuleiten. Ansatzpunkt hierfür ist § 434 BGB, auch wenn er davon spricht, dass aus öffentlichen Äußerungen eine vertraglich geschuldete Beschaffenheit hergeleitet werden kann, soweit die öffentliche Äußerung im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss steht. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Gesetzgeber hier für die in Anspruch genommenen Verkäufer die Hürde erstellt, dass diese in der Beweislast sind nachzuweisen, dass derartige öffentliche Äußerungen relevant für den Vertragsabschluss waren. Bereits auf den ersten Blick scheint diese Beweishürde schwer zu nehmen zu sein. Bezeichnenderweise sind bisher auch kaum Entscheidungen bekannt, die sich mit dieser Beweishürde auseinandersetzen. Es dürfte daher davon auszugehen sein, dass, wenn der Käufer schlüssig darlegen kann, dass bestimmte Informationen zum Gegenstand auch der Vertragsverhandlungen gemacht worden sind, die Gerichte dem folgen und davon ausgehen, dass dann eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung gegeben ist. Auffällig geworden sind insbesondere Verbrauchsangaben in Produktinformationen für Automobile. Hier scheint es tatsächlich der Fall zu sein, dass die Automobilhersteller teilweise nicht ganz präzise die tatsächlichen Verbräuche bzw. die Verbräuche, wie sie nach den einschlägigen technischen Landesvorgaben berechnet werden, in den Produktprospekten wiedergegeben haben. Nach zwischenzeitlich auch anderen Entscheidungen geht die Tendenz der Gerichte dabei eindeutig dahin, solche Angaben grundsätzlich als werbende Äußerung im Sinne von § 434 BGB zu verstehen und bei Nichtübereinstimmung zwischen der tatsächlichen Beschaffenheit des Fahrzeugs und der Angabe in den produktbegleitenden Dokumenten den Käufern Mängelgewährleistungsansprüche zuzugestehen. Da eine Nacherfüllung in aller Regel ausscheidet, wird dem Käufer ein Rücktrittsrecht zugesprochen. So hat beispielsweise das Landgericht Hagen (Urteil vom 29.07.2011, Az. 2 O 50/10) entschieden, dass Angaben zum Ölverbrauch, die deutlich voneinander abweichen, in jedem Fall auch einen wesentlichen Mangel darstellen und zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigen. Beschaffenheitsangaben lassen sich dabei nicht nur aus expliziten Angaben herleiten. Vielmehr kann auch ein unzutreffendes Bild von dem Produkt durch unzutreffende Informationen dazu geeignet sein, eine vertraglich geschuldete Beschaffenheit anzunehmen. Ein Beispiel hierzu ist die Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 64 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation 20.02.2013, Az. 13 U 162/09), in der es um die Batteriekapazität einer Autobatterie geht. Der Kläger verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrags, weil ihm ein Fahrzeug mit nur einer unzureichenden Batteriekapazität für den Betrieb der Standheizung verkauft worden sei. Die Standheizung führe bei mehrmaligem Betrieb dazu, dass sich die Batterie vollständig entleere. Das OLG setzt sich in diesem Fall mit der Bedienungsanleitung auseinander und stellt dazu fest, dass hier nur davor gewarnt werde, die Standheizung zweimal hintereinander einzuschalten. Daraus ließe sich jedoch folgern, dass alle anderen Fälle unproblematisch seien, wenn nur ein zweimaliges kurz hintereinander folgendes Einschalten vermieden werde. Der hinzugezogene Sachverständige stellte jedoch fest, dass sich die Entladung bei Betrieb einer Standheizung grundsätzlich nicht vermeiden lasse. In diesem Falle erzeugt also die Darstellung in der Bedienungsanleitung ein unzutreffendes Bild von der Realität. Der Verkäufer erzeugt damit sowohl bei der Vertragsanbahnung eine Fehlvorstellung beim Käufer, wie auch die Situation, in der das erworbene Gut – Automobil mit Standheizung – nicht zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck, nämlich dem Betrieb der Standheizung, in der Lage ist. Aus beiden Argumentationssträngen ergibt sich eine Abweichung von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit, mithin ein Rücktrittsanspruch des Käufers. Die Rechtsprechung hat sich weiter mit der Thematik beschäftigt, inwieweit eine unzureichende Technische Dokumentation verhindert, dass der vertraglich vorausgesetzte Zweck erreicht werden kann. Ein schönes Beispiel hierfür sind die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Rostock (Urteil vom 31.07.2006, Az. 3 U 160/05) in Bezug auf eine Solarheizungsanlage. Der Verkäufer hatte diese damit beworben, dass eine solche Solarheizungsanlage auch durch den Laien errichtet werden könne. Tatsächlich erhielt der Käufer jedoch statt einer ausführlichen Anleitung nur technische Zeichnungen, die allenfalls einen professionellen Heizungsinstallateur in die Lage versetzt hätten, die Solarheizungsanlage zu montieren. Die Gerichte sahen darin ein Abweichen von der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit unter dem Gesichtspunkt, dass der vertraglich vereinbarte Zweck, nämlich die Montage der Heizungsanlage, nicht erreicht werden könne. Beide Gerichte gingen darüber hinaus sogar noch einen Schritt weiter und sahen in einer solch gravierenden Abweichung eine arglistige Täuschung, die zur Anfechtung des Kaufvertrags nach § 123 BGB berechtige. Angemerkt sei hierzu, dass eine solche Argumentation auch den Einstieg in eine strafrechtliche Bewertung erlaubt, nämlich unter dem Gesichtspunkt des sog. Eingehungsbetrugs (§ 263 StGB). 65 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation 2.2 Die Rechtsprechung zur Produkthaftung Spätestens seit den berühmten „Kindertee-Entscheidungen“ ist die Instruktionshaftung ein Klassiker im Bereich der Produkthaftung. Die unzureichende Informationen über drohende Gefährdung beim Produktgebrauch, insbesondere in Form von Warn- und Sicherheitshinweisen, stellt sicherlich einen Schwerpunkt in der Rechtsprechung zur Produkthaftung dar. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass dies insbesondere deswegen der Fall ist, weil sich die Instruktionshaftung auch relativ einfach aus der Perspektive von Juristen beurteilen lässt, gewissermaßen aus eigener Anschauung. Klassiker in diesem Zusammenhang sind sicherheitsbezogene Hinweise, die nicht vollständig und umfassend sind. Ein schönes Beispiel hierzu ist die Entscheidung des OLG Nürnberg (Urteil vom 20.05.2014, Az. 4 U 206/14) zu einem Mountainbike. Hier war es zu einem folgenschweren Sturz gekommen, weil bei der Durchführung von Kunststücken das Mountainbike nicht den Belastungen standhielt und mehr oder weniger auseinanderbrach. Der Hersteller argumentierte hier mit Missbrauch. Das Oberlandesgericht hielt dem entgegen, dass dies mitnichten der Fall sei. Der Hersteller gebe nämlich zwar Warnhinweise zum Gebrauch, bzw. schränke den Gebrauch seiner Mountainbikes teilweise ein. Dies erfolge allerdings in einer derart unverständlichen Art und Weise, dass dem Nutzer anhand der Bedienungsanleitung nicht deutlich werde, in Bezug auf welchen Fahrradtyp sich die Einschränkung verstände. Aufgrund dieser unpräzisen Formulierung über die bestimmungsgemäße Verwendung seien die gegebenen Instruktionen damit insgesamt gegenstandslos und somit sei der Hersteller seiner Instruktionspflicht nicht nachgekommen. Der Vorwurf unzureichender Instruktion bewegt sich dabei stets an der Grenze zum Vorwurf unzureichender Konstruktion. Plastisch formuliert treten beide Fehlergruppen gerne gemeinsam auf. Dabei gilt nach wie vor der in der Maschinenrichtlinie 2006/42 zum Ausdruck gebrachte Grundsatz, dass die konstruktiven Maßnahmen grundsätzlich Vorrang vor instruktiven Maßnahmen haben und eine unzureichende Konstruktion nicht durch eine Instruktion geheilt werden kann. Schwierig sind auch solche Fälle, in denen durch die Instruktion ein Bild vermittelt wird, welches durch die Konstruktion schlicht nicht zu erfüllen ist. Instruktiv ist hierzu etwa eine Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 20.03.2012, Az. 21 U 144/09) zu einer sog. Handlaufkatze, die als Arbeitsmittel für Arbeiten unter Tage zum Einsatz kommt. Strittig war hier, ob, nach Auffassung des Klägers, der Eindruck vermittelt worden war, die Handlaufkatze verfüge über eine Verzögerungsbremse oder ob, nach dem Hersteller, vermittelt worden war, die Handlaufkatze verfüge allenfalls über eine Haltebremse und sei 66 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation dementsprechend einzusetzen. Der Unfall war hier dadurch entstanden, dass die Arbeiter gerade nicht die Handlaufkatze unter der Annahme einer Haltebremse einsetzten, sondern unter der Annahme einer Verzögerungsbremse. Der Sachverständige stellte dann nach Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung fest, dass hier tatsächlich die Erwartung einer Verzögerungsbremse erzeugt worden war. Aufgrund dieser Fehlvorstellung sah das Gericht einen Instruktionsfehler als erwiesen an (und damit letztendlich auch eine für den Anwendungsfall untaugliche Konstruktion) und dies hatte eine Haftung des Herstellers zur Folge. Kritisch ist im Zusammenhang mit den Instruktionsfehlern immer wieder die Konstellation, in der es um den Produktfehlgebrauch bzw. Missbrauch geht. Häufig argumentiert der in Anspruch genommene Hersteller damit, dass hier kein Instruktionsfehler vorliege, da es sich in der konkreten Fallkonstellation um einen Missbrauch handele. An dieser Stelle bleibt mit aller Deutlichkeit auf Folgendes hinzuweisen: Grundsätzlich hat sowohl die Konstruktion wie auch die Instruktion zu berücksichtigen, dass es einen Fehlgebrauch von Produkten geben kann. Erst wenn dieser einen Bereich erreicht, der weder vorhersehbar noch in irgendeiner Weise nachvollziehbar erscheint, spricht die Rechtsprechung von einem Missbrauch. In der Praxis wird von der Herstellerseite viel zu häufig ein Missbrauch angenommen. Ein schönes Beispiel für das Fehlschlagen der Argumentation mit dem Missbrauch sind die sog. „Bioethanol-Kamin-Fälle“. Hier geht es um die mit Bioethanol betriebenen kleinen Tischfeuerstellen. Bei diesen hat es häufiger Fälle gegeben, in denen die Nutzer in die noch warmen Tischfeuerstellen wieder Brennstoff aufgefüllt hatten und es aufgrund der noch vorhandenen Restwärme zu einem explosionsfähigen Gemisch kam. Wenn dieses dann gezündet wurde, kam es zu teils schweren Explosionen. Die Gerichte (z.B. LG Göttingen, Urteil vom 02.03.2011, Az. 2 O 218/09) haben einhellig das Nachfüllen von Brennstoff in einen noch warmen Tischkamin nicht als Missbrauch eingestuft, sondern als Fehlgebrauch, den der Hersteller zu berücksichtigen habe. Hierzu sei angemerkt, dass es in der Praxis vor allem auf den Tatbestand „vorhersehbar“ ankommt. Wenn es dem Hersteller gelingt, das Gericht davon zu überzeugen, dass weder in der Branche noch dem Hersteller selbst aufgrund des Reklamationsmanagements Umstände bekannt waren, die auf den fallgegenständlichen Gebrauch hätten hindeuten können, mag es gelingen, sich auf einen Produktmissbrauch zu beziehen. Die Fälle in der Rechtsprechung, in denen tatsächlich ein Produktmissbrauch angenommen wurde, sind allerdings nur sehr vereinzelt und betreffen in der Tat Fallkonstella tionen, in denen sich der tatsächliche Produktgebrauch in einem völlig anderen Bereich bewegte als der vom Hersteller intendierte Gebrauch. 67 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation Das klassische Beispiel hierzu ist der Gebrauch von Klebstoff als Rauschmittel durch Einatmen der entstehenden Dämpfe. Ein weiteres Beispiel dazu ist der plastische Fall des LG Köln (Urteil vom 27.01.2011, Az. 24 O 198/10). In diesem war ein Flachbildschirm nach zehnstündiger Dauernutzung in Brand geraten. Der Hersteller argumentierte damit, dass eine zehnstündige Nutzung eines Fernsehgeräts eindeutig einen Missbrauchsfall darstelle. Das LG Köln folgte dem nicht. Es argumentierte damit, dass in dem Missbrauch mindestens auch ein Fehlgebrauch liege, sich jedoch in der Bedienungsanleitung keinerlei Hinweise auf einen Fehlgebrauch aufgrund übermäßiger Nutzung des Fernsehgeräts befänden. Eine zehnstündige Dauernutzung sei zwar ungewöhnlich, aber eben auch nicht völlig unwahrscheinlich. In der Praxis kommt häufig eine Vielzahl von Ursachen für den Schaden in Betracht. Konstruktionsmängel und Instruktionsmängel gehen hierbei gewissermaßen Hand in Hand. Hinzu kommen Verstöße gegen das Produktsicherheitsrecht. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung des LG Stuttgart (Urteil vom 10.04.2012, Az. 26 O 466/10) zu einer Klebemaschine. Diese lief im Tipp-Betrieb zu schnell und hatte zu Quetschungen an der Hand des Maschinenbedieners geführt. Das Gericht beauftragte einen Sachverständigen mit der Analyse des Sachverhalts. Dieser stellte neben konstruktiven Mängeln fest, dass keinerlei Gefährdungs- bzw. Risikoanalyse durch den Hersteller vorgenommen worden sei und keine ausreichenden Hinweise in der Anleitung auf die Handhabung für den Tipp-Betrieb gegeben worden seien. Insgesamt bliebe nur festzustellen, dass in schwerwiegender Weise gegen die Regelungen der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42 verstoßen worden sei. Das Gericht bejahte daraufhin ohne weitere Erörterung das Vorliegen von Konstruktions- und Instruktionsmängeln und sprach dem Kläger einen Anspruch zu. 2.3 Die Rechtsprechung zum Produktsicherheitsgesetz Leider liegen trotz vieler klärungsbedürftiger Fragen noch nicht allzu viele Entscheidungen zum Produktsicherheitsrecht nach Übergang vom GPSG zum ProdSG vor. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass ein verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz nur allzu häufig so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass er den Betroffenen nicht attraktiv erscheint und daher eher das Gespräch mit der Verwaltungsbehörde gesucht wird. Ein instruktiver Fall ist hierzu sicherlich die Entscheidung des VG Hamburg zum Az. 10 K 1128/09 (Urteil vom 28.09.2010). In dieser Sache ging es um die Einfuhr von sog. Big-Bags aus China. Die Einfuhr dieser Big-Bags war angegriffen worden, weil diese angeblich nicht in ausreichendem Maße reißfest seien. Die Verwaltungsbehörde und das VG Hamburg setzten sich dann mit der einschlägigen 68 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation Norm DIN EN ISO 21898 auseinander und stellten darüber hinaus fest, dass keine neuen Sicherheitsanweisungen seitens des Herstellers an den Produkten erfolgt seien. Auch sei tatsächlich nachgewiesen, dass keine ausreichende Reißfestigkeit bestehe. Der Hersteller habe es zudem dann trotz entsprechender Aufforderung seitens der Marktüberwachung versäumt, eine Risikoanalyse zu seiner Entlastung vorzulegen. In diesem Falle war ein Vertriebsverbot seitens der Marktüberwachung verhängt worden, welches das VG Hamburg dann bestätigt hat. 2.4 Recht des unlauteren Wettbewerbs Immer häufiger stellen Unternehmen fest, dass die Inverkehrbringensregeln, insbesondere die Regeln zur CE-Kennzeichnung von Produkten, einen Fall unlauterer Werbung darstellen können. Halten Marktteilnehmer nicht das einschlägige Inverkehrbringensrecht ein, so handeln sie wettbewerbswidrig. Ein Beispiel für eine solche Argumentation ist der Fall des OLG Düsseldorf, entschieden durch ein Urteil vom 11.02.2014, Az. I-20 U 188/13. In der Sache ging es um die Thematik einer Staubabsaugungsanlage. Hier war behauptet worden, sie halte nicht die einschlägige Maschinenrichtlinie ein und verstoße damit gegen die Regelung zur CE-Kennzeichnung. Insbesondere sei eine Betriebsanleitung im Sinne von Anhang I Ziff. 1.7.4 EG-Maschinenrichtlinie 2006/42 nicht beigefügt worden. Das angerufene OLG kam in einer summarischen Prüfung – wie es in wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahren häufig der Fall ist – zu dem eindeutigen Ergebnis, dass das einschlägige Inverkehrbringensrecht in Gestalt der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42 nicht eingehalten werde und daher eine Bewerbung dieses Produkts gegen § 4 Nr. 10 UWG verstoße. Das Unterlassen der Bewerbung könne daher völlig zu Recht verlangt werden. Wie bereits eingangs festgestellt, gelangt diese Fallgruppe zu einer immer größeren Popularität. 3 Auswirkungen auf die Praxis Die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Technischen Dokumentation scheint zuweilen sehr übersichtlich. Dies darf nicht zu der Schlussfolgerung verleiten, man könne sich nicht im Einzelnen mit dieser Rechtsprechung auseinandersetzen. Dies bleibt ohne Weiteres möglich. Es empfiehlt sich allerdings, eine Vorklärung vorzunehmen. Es erscheint sicherlich hilfreich, einschlägige Entscheidungen mit einem irgendwie gearteten Bezug zur eigenen Tätigkeit zu recherchieren. 69 Fortschreibung des Rechts durch die Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation 4 Zusammenfassung In der Zusammenfassung bleibt festzuhalten, dass die Rechtsprechung mit Bezug zur Technischen Kommunikation für den Alltag brauchbare Leitbilder enthält. Gewisse Grundregeln lassen sich den ergangenen Entscheidungen durchaus entnehmen. Allerdings empfiehlt sich eine gewisse Skepsis vor allzu undifferenzierter Verwendung von Gerichtsentscheidungen als vermeintlich maßgebliche Entscheidungen. Wesentlich ist eine sachkundige Interpretation und das Lesen ‚zwischen den Zeilen‘. 70 Roland Schmeling Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA Das Bild vom Rechtsraum USA aus der Sicht von Produktherstellern ist geprägt vom Produkthaftungsrecht und seinen hohen finanziellen Risiken. Dieser Artikel befasst sich vorrangig mit dem US-amerikanischen Produkthaftungsrecht aus dem Blickwinkel der Technischen Kommunikation. Einige Bemerkungen betrachten darüber hinaus das Inverkehrbringensrecht. Hinsichtlich weiterer Aspekte wie Vertragsrecht und Urheberrecht sei auf die Literatur verwiesen. 1 Fehlergruppen in der Produkthaftung: Wann ist ein Produkt fehlerhaft? Vergleichbar mit der Rechtsprechung, die sich im Rahmen der deliktischen Produzentenhaftung (§ 823 BGB) in Deutschland herausgebildet hat, wird auch im US-Produkthaftungsrecht (Restatement of the Law, Third, Torts, § 2) zwischen den folgenden Fehlergruppen unterschieden: • Konstruktionsfehler (design defects) • Produktionsfehler (manufacturing defects) • Instruktionsfehler (warning defects). Seit Jahren weisen verschiedene Industrieversicherer darauf hin, dass die Instruktionsfehler die größte Fehlergruppe in US-Produkthaftungsfällen bilden. Dies liegt u.a. daran, dass Instruktionsfehler für die Anwälte von Klägern besonders leicht nachzuweisen sind: Anleitungen, Warnhinweise, Angaben im Internet oder Verkaufsunterlagen sind leicht verfügbar und können vom Anwalt selbst beurteilt werden, ohne dass z.B. kostspielige Laboratorien oder Prüfinstitute hinzugezogen werden müssen. Zudem ist durch technischen Fortschritt und Gesetzgebung (z.B. Maschinenrichtlinie) die technische Produktsicherheit insgesamt gestiegen. Auch in der Technischen Kommunikation wurden Fortschritte gemacht, dennoch bieten Produkte bei den Anleitungen nach wie vor die größte Angriffsfläche. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anleitungen und Hinweise zu einem Produkt als Bestandteil des Produkts gelten; eine fehlerhafte Anleitung 71 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA begründet damit direkt die Fehlerhaftigkeit des gesamten Produkts. Es liegt damit nahe, sich speziell aus dem Blickwinkel von Anleitungen mit dem US-Produkthaftungsrecht auseinanderzusetzen. 2 Zum Einstieg: Produkthaftungsfälle und urbane Legenden Katze in der Mikrowelle Coffee Spill Case 72 Der angebliche Fall, der häufig zuerst genannt wird, wenn es um USamerikanisches Produkthaftungsrecht geht, ist „Die Katze in der Mikrowelle“ (Ryan/Wenglorz). Dieser Fall ist jedoch höchstwahrscheinlich dem Bereich der urbanen Legenden zuzuordnen, ebenso wie der Fall des Wohnmobils, dessen Fahrer bei eingeschalteter Geschwindigkeitsregelanlage den Fahrersitz verlassen haben soll. Hingegen ist der Fall der Verbrühung mit heißem Kaffee (Coffee Spill Case) belegt, einschließlich eines Dokumentarfilms von 2011 (Hot Coffee) und eines 12-minütigen „Retro Report“ der New York Times von 2013. U.a. hat dieser Fall die Debatte um eine Reform des Haftungsrechts verstärkt. Vor allem jedoch zeigt dieser Fall, dass die Darstellung von Haftungsfällen in den Medien stark verkürzt wird. So wird z.B. selten erwähnt, dass die Klägerin S. Liebeck Verbrennungen dritten Grades hatte, welche Hauttransplantationen erforderlich machten und die Klägerin dauerhaft gesundheitlich beeinträchtigten. Auch die berichteten Schadensersatzsummen in Millionenhöhe wurden nie realisiert. Was der Klägerin von der letztlich gezahlten Kompensation (über die McDonald’s und die Klägerin Stillschweigen vereinbart haben) nach Abzug von Anwalts-, Behandlungs- und Pflegekosten und Verdienstausfällen tatsächlich geblieben ist, darüber kann nur spekuliert werden. Als sichere Einnahmequelle kann das US-amerikanische Produkthaftungssystem bestenfalls für die Anwälte gelten, nicht aber für die Geschädigten. Die dokumentierten Fälle zeigen, dass es sich lohnt, sich nicht von teilweise irreführenden Pressemeldungen leiten zu lassen, sondern sich mit dem US-amerikanischen Haftungsrecht vorurteilsfrei und sachlich auseinanderzusetzen, um dann im eigenen Produktumfeld emotionslos die passenden Maßnahmen zu ergreifen. Insgesamt ändert sich jedoch die Haftungssituation in den USA allmählich zugunsten von Unternehmen, Herstellern und Importeuren. In einzelnen Staaten sind bereits Reformen des Produkthaftungsrechts vorgenommen worden, in anderen Staaten wird dies möglicherweise noch geschehen. Inwieweit sich das zu erwartende Freihandelsabkommen auf die Haftungssituation und damit auch auf die Anforderungen an die Technische Kommunikation auswirken wird, bleibt abzuwarten. Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA 3 Ausgewählte Besonderheiten des Rechtssystems Zu den Besonderheiten des Rechtssystems in den USA gehören u.a.: • Die Betonung des Fallrechts • Uneinheitliche Rechtssituation • Die gerichtliche Voruntersuchung (pre-trial discovery) • Die Jury im Gerichtsverfahren • Die Kostensituation für Beklagte • Der Strafschadensersatz (punitive damages). Ferner gibt es einige Behörden und Organisationen, die je nach Produktbereich für das Inverkehrbringen von Produkten in den USA wichtig sind. 3.1 Fallrecht Fallrecht (englisch: case law) ist eine Rechtsordnung, bei der die gerichtlichen Entscheidungen nicht primär auf generellen Gesetzen ber uhen (wie im kontinentaleuropäischen Recht), sondern sich die Rechtsfindung primär auf die frühere Rechtsprechung zu vorangegangenen vergleichbaren Fällen stützt (Präzedenzfälle). Dies führt zu einer gewissen Unübersichtlichkeit und Unsicherheit bei der Einschätzung von Haftungsrisiken. Im US-Haftungsrecht liegt zwar eine häufig referenzierte Sammlung von Rechtsprinzipien vor (Restatement of the Law, Third, Torts), die jedoch auch kritisiert wird und an die Gerichte bei der „Suche nach der Wahrheit“ und einem „gerechten Urteil“ nicht zwingend gebunden sind. 3.2 Uneinheitlichkeit Hinzu kommt, dass das Recht in den USA nicht einheitlich geregelt ist. Die Gerichte sind in 94 „federal judicial districts“ aufgeteilt, die sich auf zwölf Regionen verteilen und in denen durchaus unterschiedliche Verfahrensregeln gelten können (http://www.fjc.gov/ federal/courts.nsf [26.07.2015]). Je nach Produkt und abhängig vom Ort, wo ein Produkt in Verkehr gebracht oder betrieben wird, müssen also die Anforderungen speziell recherchiert werden. So können z.B. in einzelnen Staaten besondere Warnungen vor bestimmten Gefahrstoffen erforderlich sein. 3.3 Gerichtliche Voruntersuchung Die gerichtliche Voruntersuchung (pre-trial discovery) ist ein Bestandteil des US-amerikanischen Prozessrechts zur Beweisaufnahme und hat zum Ziel, den ‚wahren‘ Sachverhalt zu ermitteln. Das Verfahren stattet einen Kläger mit weitreichenden Rechten hinsichtlich des Zugriffs auf Personen und auf interne Dokumente eines beklagten Unternehmens aus. Es dürfte sehr wahrscheinlich sein, dass Unterlagen Unübersichtlichkeit Gerichte in zwölf Regionen Zugriff auf interne Informationen 73 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA Interne Dokumentation wie Risikobeurteilungen, Besprechungsprotokolle und Testergebnisse im Rahmen der Voruntersuchung zugänglich werden. Diese Beweisaufnahme ist zudem nicht auf den aktuellen Fall beschränkt, sondern kann ein Unternehmen auf breiterer Basis durchleuchten. Die gerichtliche Voruntersuchung umfasst Beweismaterial (requests), Vorlage von Fragen zur Beantwortung (interrogatories) und die außergerichtliche Partei- und Zeugenvernehmung (deposition). Speziell beim sog. e-discovery werden auch E-Mails, Chats usw. erfasst. Um Haftungsrisiken zu senken, ist es daher auch erforderlich, die gesamte schriftliche Kommunikation im Unternehmen geeigneten Kommunikationsregeln und der erforderlichen Sorgfalt zu unterwerfen. Der umfassenden Offenbarungspflicht wird sich ein Unternehmen angesichts erheblicher Sanktionsmöglichkeiten der Gerichte kaum widersetzen, auch wenn Konflikte zwischen den Offenbarungspflichten und den Datenschutzbelangen dabei nicht selten sind. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen darauf achten, dass alle internen Unterlagen im Zusammenhang mit der Produktsicherheit vollständig, durchgängig und lückenlos vorliegen, insbesondere E-Mails und Protokolle stets die Sicherheit der Produkte vor wirtschaftliche Erwägungen stellen, und Verantwortliche im Unternehmen professionell auf Vernehmungen vorbereitet sind. 3.4 Jury Die Entscheidung über die Schuld in einem US-Gerichtsverfahren trifft nicht der Richter, sondern eine Jury, die sich aus der Bevölkerung zusammensetzt. Für die Anwälte bedeutet dies, dass sie besondere Kompetenzen im Umgang mit der Jury und in ihrer Überzeugung benötigen, um erfolgreich zu sein. Bei der Argumentation muss zudem berücksichtigt werden, für welche Argumente und auch Emotionen eine derartige Jury empfänglich ist und welchen Argumenten eine Jury eher nicht folgt. Wirtschaftliche Erwägungen über die Sicherheit von Produktnutzern zu stellen ist dabei regelmäßig problematisch. Keine Kostenerstattung 74 3.5 Kostensituation Anwalts- und Gerichtskosten können sich – nicht nur in den USA – im Verlauf eines Falls zu einer beträchtlichen Summe kumulieren. Bereits in der gerichtlichen Voruntersuchung können erhebliche Kosten entstehen. Diese Kosten hat ein beklagtes Unternehmen in der Regel selbst zu tragen, selbst wenn die Klage erfolgreich abgewehrt wurde; die Erstattung der Gerichtskosten oder gar der Anwaltskosten durch den (unterlegenen) Kläger ist in der Regel nicht vorgesehen. Dies führt häufig dazu, dass beklagte Unternehmen frühzeitig eine (oft günstigere) vorgerichtliche Einigung mit dem Kläger an- Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA streben und eine Kompensation anbieten, selbst bei weitgehend aussichtslos erscheinenden Klagen. Auf der anderen Seite ist eine Klage für einen US-Anwalt ein Geschäft, welches sich lohnen soll. Der Geschädigte geht bei einer Klage zunächst kein finanzielles Risiko ein, sondern einigt sich mit dem US-Anwalt auf eine Beteiligung des Anwalts an der erstrittenen Summe: Der US-Anwalt investiert in eine Klage mit Aussicht auf einen Gewinn. Die hohen Verteidigungskosten einerseits und die für den Kläger weitgehend risikolose Möglichkeit einer Klage andererseits vor verbraucherorientierten Jury-Gerichten tragen wesentlich zu den hohen Kosten der US-Produkthaftung und von entsprechenden Versicherungen bei. Eine professionelle anwaltliche Vertretung sollte bereits vor einem ersten Haftungsfall aufgebaut werden, auch um im Fall einer Klage schnell und professionell zu reagieren und ggf. die Chancen zu nutzen, ein Gerichtsverfahren durch eine vorgerichtliche Einigung oder besser: eine Abwehr zu vermeiden. 3.6 Strafschadensersatz Der Strafschadensersatz (punitive damages) ist eine Form von Schadensersatz, der vom Kläger zusätzlich zum ausgleichenden Schadensersatz (compensatory damages) aufgrund einer verwerflichen Handlungsweise geltend gemacht werden kann. Er dient – ähnlich wie eine Strafe – der Vergeltung oder Abschreckung und kann ein Vielfaches des ausgleichenden Schadensersatzes ausmachen. Dahinter verbirgt sich der wirtschaftsethische Gedanke, dass sich die verwerfliche Handlungsweise für ein Unternehmen nicht ‚lohnen‘ soll, z.B. ein fehlerhaftes Produkt weiter zu vertreiben, weil ein Rückruf des fehlerhaften Produkts teurer wäre als eine Kompensation in den zu erwartenden Schadenfällen (https://en.wikipedia. org/wiki/Ford_Pinto#Design_flaws_and_ensuing_lawsuits). Die Wahrscheinlichkeit, dass Strafschadensersatz zugesprochen wird, ist jedoch gering und liegt nach einer Studie des US-Justizministeriums lediglich im einstelligen Prozentbereich (Rinne/Ziegler 2014). 3.7 Behörden und produktspezifische Regeln Nicht unmittelbar mit dem Produkthaftungsrecht, sondern zum einen beim Inverkehrbringen und zum anderen bei Produktbeobachtung und Rückrufen können je nach Produkt bestimmte Behörden eine Rolle spielen. Dies sind insbesondere die mächtige FDA (Food and Drug Administration, www.fda.gov, für Lebensmittel, Arzneimittel und Medizinprodukte), die CPSC (Consumer Products Safety Commission, www.cpsc.gov, für Verbraucherprodukte) und NHTSA Klage als Geschäft Hohe Verteidigungskosten Schnelle Reaktion gefragt punitive damages FDA CPSC 75 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA Recherche im Einzelfall erforderlich (National Highway Traffic Safety Administration, www.nhtsa.gov, für den Automobilbereich). Um den Weg durch die behördlichen Vorschriften zu bahnen, bieten Agenten ihre Dienste für Unternehmen an, die ihre Produkte im US-Markt in Verkehr bringen wollen. Für weitere Branchen und Produktarten können weitere Regeln relevant sein, z.B. der NEC (National Electrical Code, NFPA 70), der Standards für elektrotechnische Installationen enthält. Auch Industrieverbände bringen teilweise nützliche Informationen heraus, die helfen können, anerkannte Regeln der Technik einzuhalten. So hat z.B. die CEMA (Conveyor Equipment Manufacturers Association) eine Broschüre mit branchentypischen Warnschildern herausgegeben (Safety Label Brochure), die sich weitgehend an den Gestaltungsregeln der ANSI Z535 orientiert. Für viele Produkte ist ein Inverkehrbringen praktisch nur mit bestimmten UL-Zertifikaten möglich (UL = Underwriters Laboratories), die nach erfolgreicher und kostenpflichtiger Prüfung gegen entsprechende UL-Normen vergeben werden. Diese Normen enthalten häufig Anforderungen an die Kennzeichnungen auf Produkten und an die Texte in Anleitungen (markings, labeling). Auch wenn die Normen oft nur die sinngemäße Wiedergabe bestimmter Texte verlangen, kann es schwierig sein, ohne wörtliche Wiedergabe der Normentexte in der Anleitung das gewünschte Zertifikat zu erlangen. Leitend sollte jedenfalls stets die Informationsqualität vor der Normenkonformität sein. Nicht zuletzt sei auf den Code of Federal Regulations verwiesen, speziell Titel 29 „labour“, in dem u.a. Regeln des Arbeitsschutzes kodifiziert sind. Z.B. sind hier Regeln für Gefahrenkennzeichnungen zu finden (29 CFR „Specifications for accident prevention signs and tags“ – 1910.145). Medizinproduktehersteller haben zudem mit Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit von Arzneimitteln zu tun, die aus dem Titel 21 (21 CFR „Food and Drugs“, Part 11) hervorgehen. Diese Beispiele zeigen, dass produktspezifisch eine sehr genaue Recherche der Anforderungen im Einzelfall erforderlich ist, denn die Kenntnis der anerkannten Regeln ist eine Voraussetzung für ihre Einhaltung und damit für die wirksame Reduktion von Haftungsrisiken. 3.8 ANSI Z535 Eine lange Geschichte verbirgt sich hinter der 6-teiligen Normenreihe ANSI Z535 für Sicherheitskennzeichnungen, Sicherheitsfarben, Piktogramme, Warnschilder, Sicherheits- und Warnhinweise. Die Einhaltung der Gestaltungsvorgaben dieser Normenreihe ist dringend geraten (vgl. tekom-Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise). 76 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA 4 Maßnahmenbereiche für die Technische Kommunikation Die Besonderheiten des komplexen US-amerikanischen Rechts umfassend darzustellen, kann im Rahmen dieses Artikels nicht geleistet werden. Andererseits gibt es jedoch klare Akzente, die für die Technische Kommunikation und hier insbesondere für das Erstellen von Anleitungen zu in den USA vertriebenen Produkten von herausragender Bedeutung sind und die hier genannt sein sollen: • Die haftungsminimierende Wirkung von Informationsqualität und Verständlichkeit einschließlich der korrekten Sprachen • Die sachgerechte Durchführung von Risikobeurteilung und Zielgruppenanalyse • Die sorgfältige Recherche und Anwendung der relevanten Gesetze und Normen • Die sorgfältige Qualitätssicherung • Die konsistente Kundenkommunikation, die Vertrieb, Marketing, Verträge und Schulungen genauso berücksichtigt wie Warnschilder und Anleitungen • Die vollständige und sorgfältige interne Dokumentation. Diese Maßnahmen sind weder überraschend noch US-spezifisch, sie gewinnen jedoch vor dem Hintergrund der hohen finanziellen Haftungsrisiken in den USA ein besonderes Gewicht. Insofern wirkt der US-Markt wie ein „Vergrößerungsglas“ für die oft vernachlässigten Maßnahmen zur Haftungsminimierung. Über die genannten Maßnahmen sollte jede Technische Redakteurin und jeder Technische Redakteur Bescheid wissen, und zwar nicht nur, wenn die fraglichen Produkte direkt in den USA vertrieben werden; ein Produkt kann durchaus im Laufe seines „Produktlebens“ in die USA gelangen und einen Haftungsfall auslösen, auch wenn dies bei der ersten Inverkehrgabe nicht beabsichtigt war, aber wenn z.B. ein Weiterverkauf billigend in Kauf genommen wird. Im Folgenden sollen einige der Maßnahmenbereiche genauer betrachtet werden. 4.1 Übersetzungen Anleitungen in Textform sind die Regel und gelten als Teil des Produkts. Dies gilt selbstverständlich auch für die übersetzte Anleitung, für die der Hersteller voll haftet; keinesfalls kann sich der Hersteller aus der Haftung für Übersetzungsfehler mit dem Verweis befreien, dass er die Zielsprache nicht beherrsche oder dass ein Übersetzungsfehler nicht von ihm, sondern von dem jeweiligen Übersetzer oder Übersetzungsunternehmen zu verantworten sei. Der Hersteller haftet für Übersetzungsfehler in gleichem Maße wie für jede andere Komponente seines Produkts. US-Haftung als „Vergößerungsglas“ Haftung 77 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA US-Englisch, Spanisch, Französisch Zielgruppenanalyse, Schulungsangebote, Vertriebsaufgaben Verbraucherprodukte 78 Dabei kann eine unverständliche Anleitung bereits den Produktfehler darstellen, der die Haftung in einem Produkthaftungsfall begründet. Für Unternehmen, die ihre Produkte im US-Markt (und generell in fremdsprachigen Märkten) in Verkehr bringen, bedeutet dies: • Übersetzer müssen mit Sorgfalt und Blick auf ihre hohe Kompetenz gewählt werden. • Übersetzungen müssen qualitätsgesichert werden. • Es muss die richtige Sprachvariante gewählt werden. Grundlage ist US-amerikanisches Englisch, das nicht mit British English verwechselt werden darf; hier können sprachliche Abweichungen zu Missverständnissen führen und damit das Haftungsrisiko erhöhen. Angesichts großer Spanisch sprechender Bevölkerungsanteile ist speziell in den südlichen Staaten eine spanische Sprachversion unabdingbar. Im Norden und in Kanada sollte zusätzlich eine französische Anleitung zur Verfügung stehen oder zumindest angeboten werden. Anhaltspunkte für geeignete Übersetzungsprozesse liefert die aktuelle internationale Norm ISO 17100:2015. 4.2 Zielgruppen Höhere Anforderungen an Anleitungen in den USA sind in der Regel durch besondere Zielgruppeneigenschaften motiviert. Im Investitionsgüterbereich muss der Produkthersteller dabei sorgfältig und im Einzelfall die Eigenschaften der Zielgruppen recherchieren und ggf. geeignete Schulungen anbieten und dokumentieren. Dabei kennzeichnen zwei Faktoren den Arbeitsmarkt in den USA im Vergleich zum mitteleuropäischen Markt: Schnelle und häufige Jobwechsel (hire and fire) ohne ausführliche Schulungen und Unterweisungen und das weitgehende Fehlen vereinheitlichter technischer Ausbildungen, die mit dem „Techniker“ in Deutschland vergleichbar wären. Wo möglich, sollte bereits der Vertrieb eng mit dem Kunden die Ausbildungssituation erörtern und klären, wie auch bei Personal mit geringer Kompetenz die Produktsicherheit gewährleistet werden kann. Die Haftungsrisiken bei Verbraucherprodukten sind vor allem von der Situation im Produkthaftungsrecht geprägt, die es Verbrauchern vergleichsweise leicht macht, bei einem vermeintlichen Produktfehler gegen den Hersteller weitgehend risikolos vorzugehen; mit Jury-Gerichten, die geneigt sind, den Argumentationen von Verbrauchern eher zu folgen als den Betrachtungsweisen von Unternehmen. Hier sind weniger Zielgruppenrecherchen ausschlaggebend als vielmehr die Recherche marktüblicher Produktverwendungsarten und die Produktbeobachtung auch von Wettbewerbsprodukten, um hinsichtlich der Produktsicherheit nicht hinter marktüblichen Standards zurückzubleiben. Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA 4.3 Risikobeurteilung Eine zentrale Voraussetzung ist die Risikobeurteilung. In einem Produkthaftungsfall wird es dabei nicht einfach um das Vorhandensein einer Risikobeurteilung gehen, sondern um ihre inhaltliche Belastbarkeit. Insbesondere wird die Frage zu klären sein „Hätte der Hersteller die Gefahr kennen müssen?“ (Gusy/Schmeling 2015, 8). Meine persönliche Erfahrung mit zahlreichen Risikobeurteilungen in der deutschen Industrie zeigt, dass viele Risikobeurteilungen die Kriterien von Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Detailliertheit nicht erfüllen, die für die Gewährleistung der Produktsicherheit und damit für eine wirksame Reduktion von US-Haftungsrisiken erfüllt sein müssten. 5 Ist-Situation Die Praxis in vielen deutschen Unternehmen steht in besonders eklatantem Widerspruch zu dieser Erkenntnis: Technische Redaktionen werden häufig noch als ‚fünftes Rad am Wagen‘ betrachtet, redaktionell qualifiziertes Personal ist (noch) keine Selbstverständlichkeit, Qualitätssicherung findet nicht ausreichend statt. Nicht selten sogar sind Redaktionen nicht korrekt in die Informationsflüsse und Produktentwicklungsprozesse eingebunden, sodass z.B. prozessual nicht gewährleistet ist, dass Änderungen am Produkt auch in die Dokumentation einfließen. Die Folge sind z.B. unzutreffende Anleitungen, die ein erhebliches Haftungsrisiko bergen. Die Aussage, dass ja „bisher alles gut gegangen sei“, lässt sich nicht in die Zukunft extrapolieren, da die Haftungsrisiken durch Verschärfungen insgesamt tendenziell steigen und bereits ein einzelner Haftungsfall für ein Unternehmen mit Kosten und nachfolgenden Image- und Marktverlusten ein Desaster sein kann. Während für das Produkt im engeren Sinne (das Produkt ohne seine Anleitung, die ja Teil des Produkts ist) qualitätssichernde Maßnahmen eine Selbstverständlichkeit geworden sind, arbeiten Technische Redaktionen vielfach ohne eine geeignete Qualitätssicherung. Zwar werden Anleitungen häufig von Technikern je nach deren zeitlichen Möglichkeiten auf sachliche Richtigkeit geprüft, eine Prüfung auf Kriterien der Verständlichkeit (Satzbau, Terminologie, Text-BildBezüge, Gliederung usw.) findet in der Regel nicht statt. Erstaunlicherweise scheinen sich viele Redaktionen mit diesem Zustand abgefunden zu haben und fordern entsprechende Ressourcen nicht oder nicht mehr ein. 79 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen I: USA 6 Literatur Conveyor Equipment Manufacturers Association (Ed.) (2006): Safety Label Brochure No. 201. 2nd edition. Naples, FL: CEMA. Goodden, Randall L. (2000): Product Liability Prevention: A Strategic Guide. Milwaukee, WI: ASQ Quality Press. Gusy, Martin F. / Schmeling, Roland (2015): Erstellen von Instruktionen für den USMarkt – Minimierung der Haftungsrisiken. Praxisleitfaden. Frankfurt/Main: VDMA. (Die Publikation ist exklusiv für VDMA-Mitglieder.) Henderson, James A. / Twerski, Aaron D. (1998): Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability. St. Paul, MN: American Law Institute. Heuer-James, Jens-Uwe / Schmeling, Roland / Schulz, Matthias (2014): Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise. Stuttgart: tekom. Ottley, Bruce L. / Lasso, Rogelio A. / Kiely, Terrence F. (2013): Understanding Products Liability Law. 2nd edition. Danvers, MS: Matthew Bender/LexisNexis. Owen, David G. / Phillips, Jerry J. (2015): Products Liability in a Nutshell. 9th edition. St. Paul, MS: West Academic. Robinson, Patricia A. (2009): Writing and Designing Manuals and Warnings. 4th edition. Boca Raton, FL: CRC Press. Schmeling, Roland (2013): Checkliste Produkthaftung USA. http://www.schmelingconsultants.de/de/nc/publikationen/?fd=Massnahmenliste_Produkthaftung_USA_01.pdf. Wenglorz, Georg / Ryan, Patrick S. (2003): USA: „Die Katze in der Mikrowelle?“, Anmerkungen zum US-amerikanischen System der punitive damages. In: Recht der internationalen Wirtschaft (RIW), Heft 8, 598–610. Wise, Aaron N. / Rinne, Thomas (2007): Amerikanische Produkthaftung. Ein Leitfaden für deutsche Unternehmen. 2., ergänzte und modifizierte Auflage. Bremen: v. Einem & Partner. http://www.een-bayern.de/een/inhalte/UnserService-fuer-Sie/Auslandsmarkterschliessung/Laender/Anhaenge/Produkthaftung-in-den-USA_2.pdf [25.07.2015]. Ziegler, Tobias F. / Rinne, Thomas (2014): Produkthaftung in den USA. Worauf deutsche Unternehmen achten sollten. 3. Auflage. Frankfurt/Main: v. Einem & Partner. http://www.gdblaw.com/images/doc/AmericanProduct_ Ger_2ndEdition.pdf [25.07.2015]. ANSI/NEMA Z535.3.-2011 „Criteria for Safety Symbols“. ANSI/NEMA Z535.4-2011 „Product Safety Signs and Labels“. ANSI/NEMA Z535.6-2011 „Product Safety Information in Product Manuals, Instructions, and Other Collateral Materials“. https://en.wikipedia.org/wiki/Tort_reform [28.07.2015]. Video (12’14’’) der New York Times (2013) zum McDonald’s Hot Coffee Case: http:// www.nytimes.com/video/us/100000002507537/scalded-by-coffee-thennews-media.html?playlistId=100000002148738. 80 Gerhard Lierheimer Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland 1 Das Land Russland 1 ist das größte Land der Erde. Es verfügt über eine Fläche von über 17 Millionen Quadratkilometern, was etwa der Größe von Europa und Australien zusammen entspricht. Russland grenzt an mehrere Meere und an 14 Staaten. Die Einwohnerzahl des Vielvölkerstaates beträgt über 143 Millionen (mit Krim 146 Millionen). Neben Russen, die mit knapp 80 % die Mehrheit der Bevölkerung darstellen, leben noch nahezu 100 andere Völker in dem Land. Da runter sind sogar knapp 1 % Deutsche. Der russische Vielvölkerstaat strebt an, im Jahre 2020 zu den fünf größten Volkswirtschaften der Welt zu gehören. Im Jahr 2014 rangierte das Land bereits auf Platz sechs. Um das angekündigte Ziel zu erreichen, hat Russland einen Fünfjahresplan aufgelegt, der dem Land einen Modernisierungsschub geben soll. Außerdem will Russland mit Milliardeninvestitionen neue Technologien ins Land holen. Besonders gerne gesehen werden Investitionen aus dem Westen und speziell aus Deutschland, da hier traditionell starke wirtschaftliche und kulturelle Bindungen bestehen. Dadurch soll eine geringere Abhängigkeit von den Rohstoffen Öl und Gas erreicht werden. Der Beitritt zur World Trade Organization (WTO) erfolgte nach einem knapp zwanzigjährigen Verhandlungsmarathon am 22.08.2012 durch Ratifizierung des WTO-Beitrittsabkommens als 156. Vollmitglied. Damit wurde das WTO-Regelwerk auch für Russland verbindlich. Die Mitgliedschaft wurde zwar bereits 1993 beantragt, aber u.a. Gesetze im Automobilsektor (Lokalisierungsvorschriften) und Zollerhöhungen bzw. Handelsbeschränkungen, die insbesondere nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 eingeführt wurden, haben den WTO-Beitritt Russlands immer wieder verzögert. Im Rahmen der Größtes Land der Erde Modernisierungsschub WTO 1 Russische Föderation („Rossijskaja Federacija“) und Russland („Rossija“) sind gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verfassung vom 12.12.1993 gleichbedeutende Staatsbezeichnungen. Das Land ist nach Art. 1 in Verbindung mit Art. 65 der Verfassung ein demokratischer föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform, der aus 83 Föderationssubjekten („subjekty federacii“) besteht. 81 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland Zuverlässiger Wirtschaftspartner Abb.: Karte Russland Beitrittsverhandlungen wurden die nationalen Regeln an die multilateralen Handelsregelungen der WTO angepasst, wobei Übergangsregelungen von bis zu acht Jahren dazu führen, dass z.B. die Senkung von Importzöllen nicht sofort spürbar sein wird. Insgesamt wird jedoch erwartet, dass insbesondere Deutschland zukünftig von der Marktöffnung profitieren wird. Das russische Haftungs- und Gewährleistungsrecht ähnelt vielfach deutschen Bestimmungen. Für die deutsche Wirtschaft ist Russland, trotz der erheblichen wirtschaftlichen Einschränkungen durch die Ukraine-Sanktionen, nach wie vor von großer Bedeutung und ein in der Zukunft immer interessanter werdender – und historisch gesehen immer zuverlässigerer – Wirtschaftspartner. 2 Das russische Rechtssystem – ein Überblick Russisches Zivilrecht 82 Das russische Zivilrecht schützt insbesondere Verbraucher und deren Interessen an sicheren Waren, Werk- und Dienstleistungen. Das Verbraucherrecht ist im „Grazhdanskiy Kodeks“, dem russischen Zivilgesetzbuch (ZGB) sowie im Verbraucherschutzgesetz (VerbrSG)in seiner Neufassung vom 23.11.2009 festgeschrieben. Die Haftung umfasst Mängel an Waren sowie unzureichende Informationen. Sowohl Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland der Hersteller als auch der Verkäufer und der Importeur haften gemäß Art. 13 Verbraucherschutzgesetz. Eine verschuldensunabhängige Produkthaftung wird gemäß Art. 14 Verbraucherschutzgesetz sowie Art. 1095 ZGB kodifiziert. Darüber hinaus sind deliktische Ansprüche in Art. 1064 ff. ZGB normiert. Die Anspruchsvoraussetzungen entsprechen dabei im Wesentlichen dem deutschen § 823 I BGB, wobei der Geschädigte zumeist ein Verschulden nicht nachweisen muss. Vielmehr muss der Schädiger für mangelndes Verschulden den Beweis führen. Es kommt insoweit zu einer faktischen Beweislastumkehr. Analog dem deutschen § 254 BGB berücksichtigt der russische Art. 1083 ZGB jedoch ein Mitverschulden des Geschädigten. Ebenfalls im „Grazhdanskiy Kodeks“ finden sich die Vorschriften zur Gewährleistung bei Kaufverträgen. Die Regelungen sind denen des deutschen Rechts durchaus ähnlich. So gilt grundsätzlich, dass die Kaufsache bereits vor Gefahrübergang mangelhaft gewesen sein muss, die Mängel sich aber auch erst später herausstellen können. Wie im deutschen Recht ist hier geregelt, dass der Mangel innerhalb von zwei Jahren erkenntlich sein und beanstandet werden muss. Entsprechend können dann Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden. Beweisführung für Verschulden Gewährleistungs ansprüche 3 Die Staatsgewalt Die Staatsgewalt wird ausgeübt von dem Präsidenten, dem aus den beiden Kammern (Staatsduma und Föderationsrat) bestehenden Parlament („Föderale Versammlung“), der Regierung sowie den Gerichten (Art. 11 Verfassung). Die Verfassung steht an der Spitze der Normenhierarchie. Die anerkannten Prinzipien des Völkerrechts und völkerrechtliche Verträge Russlands sind Bestandteil des russischen Rechtssystems (Art. 15 Abs. 4 Verfassung). Unter diesen rangieren die föderalen Gesetze. Daneben sind Gesetze der Föderationssubjekte zu beachten, die allerdings auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung gegenüber den föderalen Gesetzen nachrangig sind. Außerhalb der ausschließlichen Gesetzgebung der Russischen Föderation und der konkurrierenden Gesetzgebung gehen die Gesetze der Föderationssubjekte vor. Ferner darf die Rechtssetzung durch den Präsidenten der Russischen Föderation in Form von Dekreten und Verfügungen erfolgen, die für ganz Russland gelten, im Rang aber den föderalen Gesetzen nachstehen; zusätzlich sind u.a. Regierungsverordnungen zu beachten. Die Gesetze treten zehn Tage nach deren Veröffentlichung in Kraft, soweit im Gesetz kein abweichendes Datum für das Inkrafttreten vorgesehen ist. Russisches Rechtssystem 83 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland 4 Die Gesetze Gesetzgebungs verfahren Das Recht zur Gesetzesinitiative haben gemäß Art. 104 Verfassung der Staatspräsident, die obere Parlamentskammer (Föderationsrat), Abgeordnete der unteren Parlamentskammer (Staatsduma), die Regierung sowie die Gesetzgebungsorgane der Föderationssubjekte. Es dürfen ferner das Verfassungsgericht, das Oberste Gericht und das Oberste Wirtschaftsgericht in ihren Kompetenzangelegenheiten Gesetzentwürfe ins Parlament einbringen. Das Gesetzgebungsverfahren beinhaltet drei Lesungen in der Staatsduma. Grundsätzlich ist die einfache Mehrheit, d.h. mehr als die Hälfte aller Abgeordneten der Staatsduma (226 Stimmen), ausreichend. Föderale Verfassungsgesetze benötigen eine qualifizierte Mehrheit von 2/3 aller Stimmen. Abschließend wird das Gesetz innerhalb von fünf Tagen dem Staatspräsidenten zugeleitet, der das Gesetz binnen 14 Tagen zu unterzeichnen und zu verkünden hat. Der Staatspräsident ist befugt, innerhalb von 14 Tagen sein Veto gegen ein Gesetz einzulegen. Das Veto hat keine absolute, sondern aufschiebende Wirkung und kann durch eine qualifizierte Mehrheit (jeweils 2/3 der Duma-Abgeordneten und Mitglieder des Föderationsrats) überwunden werden. 5 Die Produkthaftung Verbraucherschutz 5.1 Der Verbraucher Das Qualitätsbewusstsein russischer Kunden ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Statistiken belegen, dass Verbraucher immer öfter Mängel bei Waren und Dienstleistungen geltend machen. Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich mit den Anforderungen der russischen Gesetzgebung zum Verbraucherschutz genauer vertraut zu machen. Viele deutsche Unternehmen, die Waren nach Russland liefern, stehen daher vor der Notwendigkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen des Verbraucherschutzes in der Russischen Föderation einer genauen Prüfung zu unterziehen und ein gut funktionierendes System für den Umgang mit Klagen russischer Verbraucher zu schaffen. Nachfolgend wird die deliktische Haftung des Herstellers (Lieferanten) nach russischem Recht für Schäden erörtert, die Verbrauchern durch mangelhafte Waren zugefügt wurden. 5.2 Der Verbraucherschutz Das Russische Verbraucherschutzrecht ist primär im Zivilgesetzbuch („Grazhdanskiy Kodeks“) und im Föderalen Gesetz Nr. 2300-I „Über den Verbraucherschutz“ vom 07.02.1992 in der Fassung vom 02.07.2013 enthalten. 84 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland Hierbei ergänzt das Verbraucherschutzgesetz das Zivilgesetzbuch in allen den Punkten, in denen das ZGB nicht konkret genug wird oder das ZGB explizit auf das VerbrSG verweist. Im Mittelpunkt des VerbrSG stehen vor allem das Recht der Verbraucher auf sichere Waren, Werk- und Dienstleistungen und die entsprechenden Informationspflichten von Hersteller und Verkäufer. Seit der Änderung vom 21.12.2004 erstreckt sich die Haftung für Mängel der Ware oder unzureichende Informationen außer auf Hersteller und Verkäufer auch auf den Importeur (Art. 13 VerbrSG). Vertragsklauseln, die gegen die gesetzlichen Mindeststandards des Verbraucherschutzes verstoßen, sind nach Art. 400 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 VerbrSG unwirksam. Artikel 1095 ZGB und Art. 14 VerbrSG normieren den verschuldensunabhängigen Produkthaftungstatbestand. Zur Geltendmachung dieser Ansprüche ist ein Vertragsverhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten nicht erforderlich. Die Haftung entfällt bei Umständen höherer Gewalt und bei Verstoß gegen die Regeln der Produktnutzung und -lagerung seitens des Geschädigten. Eine Schuldbefreiung unter Berufung auf den Stand der Technik ist somit ausgeschlossen. Ansprüche aus Produkthaftung sind gemäß Art. 1097 ZGB in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 VerbrSG innerhalb der vom Hersteller festgelegten Gebrauchs- und Nutzungsdauer, ansonsten innerhalb von zehn Jahren nach Übergabe der Ware möglich. In bestimmten Fällen (Art. 14 Abs. 3 VerbrSG) ist eine unbefristete Geltendmachung zulässig, z.B. bei Nichtfestlegung der gesetzlich erforderlichen Gebrauchs- und Nutzungsdauer oder unzureichender bzw. unzutreffender Verbraucherinformation darüber. Gemäß Art. 1083 ZGB wird das Mitverschulden des Geschädigten berücksichtigt. Mit der Angabe der vom Hersteller festgelegten Gebrauchs- und Nutzungsdauer und deren erheblicher rechtlicher Relevanz wird hier eine Besonderheit der russischen Produkthaftung dargestellt, die wir im deutschen Rechtssystem so nicht oder nicht so ausgeprägt kennen. 5.3 Schadensersatz Ein Schaden ist zu ersetzen, wenn er innerhalb der festgelegten Haltbarkeitsdauer (Betriebsdauer bei technischen Waren oder Waren mit langer Nutzung) einer Ware eintritt und, falls eine solche Frist nicht festgelegt ist, innerhalb von zehn Jahren ab dem Tag der Herstellung der Ware. Der Ersatz von Schäden erfolgt unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung in drei Fällen: • Wenn entgegen einer zwingenden gesetzlichen Anforderung das Haltbarkeitsdatum (Betriebsdauer) nicht festgelegt wurde • Wenn der Käufer nicht über erforderliche Handlungen bei Ablauf der Haltbarkeitsdauer (Betriebsdauer) und mögliche Folgen beim Unterlassen dieser Handlungen in Kenntnis gesetzt wurde Sichere Waren, Werkund Dienstleistungen Schuldbefreiung ausgeschlossen Haltbarkeitsdauer 85 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland Bestimmungen verbraucherfreundlich • Wenn dem Käufer keine vollständigen und wahrheitsgetreuen Informationen über die Ware zur Verfügung gestellt wurden. Die Vorschriften des russischen Rechts über den Verbraucherschutz können damit sowohl auf den Import von Waren in die Russische Föderation als auch auf in Russland produzierte Waren Anwendung finden. Da die Bestimmungen klar verbraucherfreundlich ausgerichtet sind, ist es unabdingbar, den Umgang mit den Verbrauchern sorgfältig zu organisieren und alle Informationspflichten einzuhalten, damit die Geltendmachung von Ansprüchen weitgehend ausgeschlossen werden kann oder zumindest die mit der Geltendmachung von solchen Ansprüchen verbundenen Risiken so weit wie möglich verringert werden. 6 Die Produktsicherheit Gesetz über technische Vorschriften Die wichtigsten Regelungen betreffend Produktsicherheit finden sich in Russland im Föderalen Gesetz über technische Vorschriften Nr. 184-FZ vom 27.12.2002, in Kraft getreten am 01.07.2003. Alle Vorschriften, die andere Rechtsnormen enthalten, müssen diesem Gesetz entsprechen. Produktsicherheitsregeln sind zusätzlich zum VerbrSG im föderalen Gesetz Nr. 29-F3 vom 02.01.2000 über die Qualität und Sicherheit der Nahrungsmittel, im Föderalen Gesetz Nr. 52-F3 vom 30.03.1999 über das sanitär-epidemiologische Wohlergehen der Bevölkerung sowie in einer Reihe von Ausführungsgesetzen bzw. technischen Reglements der Zollunion enthalten. In Bezug auf die Waren, für die die technischen Reglements noch nicht gelten, sind die technischen Vorschriften der Russischen Föderation gültig. 7 Die Informationspflicht Zollunion Begriff Maschine 86 Die Pflicht, alle Informationen für ein Produkt bereitzustellen, fußt u.a. auf einem mit den EU-Richtlinien vergleichbaren Richtlinienkonstrukt. Für die Sicherheit von Produkten und damit auch für die Erstellung von Produktinformationen hat die Zollunion von Russland, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan und Armenien (Beitritts abkommen) technische Reglements erlassen, die wir in Europa als Maschinen-, Niederspannungs- oder auch EMV-Richtlinie u.a. recht gut kennen. 7.1 Die Richtlinie „Sicherheit von Maschinen und Anlagen vom 15.02.2013“ Betrachtet man die Maschinenrichtlinie (TR CU 010/2011) der Zollunion genauer und geht auf das ein, was zur Technischen Dokumen- Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland tation gesagt wird, kommt viel Bekanntes zum Vorschein. Allein der Begriff Maschine aus dem Artikel 2 der TR CU 010/2011 kann seine europäischen Wurzeln nicht verheimlichen. Maschine nach EU-Maschinenrichtlinie: Eine mit einem anderen Antriebssystem als der unmittelbar eingesetzten menschlichen oder tierischen Kraft ausgestattete oder dafür vorgesehene Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Vorrichtungen, von denen mindestens eines bzw. eine beweglich ist und die für eine bestimmte Anwendung zusammengefügt sind. Maschine nach TR CU 010/2011: Gesamtheit miteinander verbundener Teile oder Baugruppen, von welchen mindestens ein Teil durch entsprechende Antriebswerke, Steuerungsketten, Energiequellen betrieben wird, die für konkrete Anwendungszwecke (Bearbeitung, Verarbeitung, Transport oder Verpackung von Werkstoffen) zu einer Einheit montiert sind. 7.2 Wichtige Artikel der Richtlinie Die folgenden Auszüge zeigen eine Zusammenfassung der englischen Übersetzungen der russischen Originaltexte. Der Artikel 4 der Richtlinie „Provision of safety of machines and (or) equipment at the stage of design“ geht noch genauer auf das ein, was an Dokumentation zum Produkt gefordert ist. Aufzählungspunkt 8 des Artikel 4: Development of operation manuals (instructions) is an integral part of design (construction) of a machine and (or) equipment. Operation manuals (instructions) shall include: • Information on design principle of operation, characteristics (properties) of machines and (or) equipment; • Instructions on installation and assembly, setting up and adjusting, technical maintenance and repair of a machine and (or) equipment; • Instruction on use of a machine and (or) equipment and safety measures to follow at operation stage of a machine and (or) equipment, including commissioning, use for intended purpose, technical maintenance, all types of repair, periodic diagnosing, testing, transportation, packaging, conservation and storage conditions; • Intended characteristics (intended storage period and service life and (or) intended life) depending on design features. Upon expiration of intended characteristics (intended storage, service and life cycle) a machine and (or) equipment shall be withdrawn from operation and a decision shall be taken on their repair, disposal, checking and fixing new intended characteristics (intended storage service and life cycle). • List of critical failures, possible faulty actions of personnel, which Dokumentation zum Produkt Operation manuals 87 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland Take account of knowledge Sprache/n Informationspflicht 88 may result in incident or breakdown; • Actions of personnel in case of incident, critical failure or breakdown; • Criteria of limiting states; • Instructions on withdrawal from operation and disposal; • Information on competences of service staff. Aufzählungspunkt 9 des Artikel 4: Where a machine and (or) equipment are intended for use by non-professional operators, operation manuals (instructions) shall take account of knowledge, skills and experience of such operators. Artikel 5 „Provision of safety of machines and (or) equipment at the stages of manufacture, storage, transportation, operation and disposal“ beschreibt die Informationen zu den einzelnen Lebensphasen, die geforderte/n Sprache/n und die Art der Dokumentation. • The manufacturer of a machine and (or) equipment shall provide machines and (or) equipment with operation manuals (instructions). • Machine and (or) equipment shall have a legible and indelible identification inscription containing the following: –– name of a manufacturer and (or) his trade mark; –– name of product and/or designation of machine and/or equipment (type, trade make, model); –– month and year of manufacture. • The information of identification shall be included in the manuals on use. In additional, the manuals on use must include: –– name and location of a manufacturer, his contact information; –– name and location of a person authorized by the manufacturer, his contact information. • The manuals on use shall be prepared in the Russian language and in the national language (languages) of a Member State(s) of the Customs Union. • The manuals on use shall be on paper with the attached set of electronic disks. The manuals on use being a part of nonhousehold machine and (or) equipment may be provided only in electronic form. Zusammen mit den beiden Normen • GOST Standard 2.601-2006 „Operational Documentation“ • GOST Standard 2.610-2006 „Guidelines for Preparation of Operating Documents“ ergibt sich dann ein recht genaues Bild dessen, was in Russland oder auch in der Zollunion unter Technischer Dokumentation – und damit unter der Informationspflicht auf der Basis des Verbraucherschutzgesetzes, aber auch anderer Gesetze – zu verstehen ist. Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland Sollten diese Forderungen nach Information nicht eingehalten werden, setzen ähnlich den EU-Richtlinien nach Artikel 13 der TR CU 010/2011 „Safeguard clause“ folgende Hemmnisse ein: „The Member States of the Customs Union must undertake all measures to restrict or ban placing on the market of machines and (or) equipment in the customs territory of the Customs Union as well as withdrawal from the market of machines and (or) equipment failing to comply with the requirements of this Technical Regulation.“ Withdrawal from the market 8 Die Rechtsprechung Die Rechtsprechung zu Produkthaftungsfällen ist in der Russischen Föderation nicht sehr ausgeprägt. Als heranzuziehendes Beispiel, das im Zusammenhang mit vertraglicher Mängelhaftung genannt werden kann, soll folgender Fall dargestellt werden: Eine natürliche Person hatte bei einem russischen Automobilhersteller einen PKW erworben. Bei der Verwendung des Fahrzeugs zeigten sich zahlreiche Mängel. Der Käufer forderte daraufhin den Verkäufer auf, das Auto zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten, was der Verkäufer ablehnte. Der Rechtsstreit führte bis zum Obersten Gericht der Russischen Föderation, das die Entscheidung des Gerichts der ersten Instanz bestätigte. Nach dieser Entscheidung wurde der Verkäufer zur Rückzahlung des Marktwerts des Fahrzeugs in Höhe von umgerechnet ca. 6.400,00 Euro, zur Zahlung der gesetzlichen Konventionalstrafe in Höhe von ca. 1.100,00 Euro, zur Zahlung immaterieller Schäden in Höhe von ca. 20,00 Euro und zur Erstattung des Aufwands für den Gutachter in Höhe von 60,00 Euro verurteilt. Beispiel Mängelhaftung 9 Fazit Der erste Satz des Beitrags, dass Russland das größte Land der Erde ist, lässt fast schon vermuten, dass nicht immer alle Gesetze und Richtlinien überall im Land zur gleichen Zeit mit gleichem Stand bekannt sind. So werden schon einmal vertraglich englische Dokumente festgelegt, obwohl auf Basis der Gesetzeslage russische Dokumente geliefert werden müssten. Auch werden Maschinen schon mal im Zoll festgehalten, weil das richtige Zertifikat zum Nachweis der Konformität nicht vorhanden ist – oder der Zollinspektor dem vorhandenen nicht traut. In der Summe unterscheidet sich die russische Gesetzgebung im Rahmen der Produkthaftung und speziell im Rahmen der Erstellung von technischen Dokumenten nicht sehr von den hier bekannten Regeln. Der Vorteil der Vergleichbarkeit der beiden Rechtssysteme Vergleichbarkeit der Rechtssysteme 89 Besonderheiten von Recht und Rechtsprechung zur Technischen Kommunikation in wichtigen Exportregionen II: Russland macht es den europäischen Lieferanten einfach, mit dem russischen Rechtssystem zurechtzukommen. Nicht zuletzt hat auch die russische Seele ein Gerechtigkeitsempfinden, das dem unseren sehr nahesteht. 10 Literatur BITKOM e.V. (Hrsg.) (2014): Vertragsgestaltung im Auslandsgeschäft – Russland. Leitfaden. Version 2.0. Berlin: BITKOM. https://www.bitkom.org/ Publikationen/2014/Leitfaden/Vertragsgestaltung-AuslandsgeschaeftRussland/140219-Vertragsgestaltung-im-Auslandsgeschaeft-Russland-2-0.pdf [15.12.2015] Germany Trade & Invest (2013): Recht kompakt Russland. Bonn. http://www.gtai. de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Recht-Zoll/Wirtschafts-und-steuerrecht/ recht-kompakt,t=recht-kompakt--russland,did=1315314.html [15.12.2015] HDI-Gerling (2011): Haftpflicht-Fachinformation Russland. Russland auf neuen Wegen. Hannover: HDI-Gerling. https://www.hdi-gerling.de/docs/industrie/fachinformationen/hdi-gerling_fachinfo_russland_endf.pdf [15.12.2015] Rödl & Partner (Hrsg.) (2014): Handbuch internationale Produkthaftung. Produktsicherheit in den wichtigsten Märkten weltweit. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Köln: Bundesanzeiger Verlag. Tischendorf, Falk / Bezborodov, Alexander (2011): Wegweiser Business Guide Deutschland Russland 2011. Die Produkthaftung des deutschen Herstellers nach russischem Recht. Moskau: BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft. 90 Roland Schmeling Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation Die Anwendung anerkannter Regeln der Technik hat produkthaftungsrechtlich, vertragsrechtlich und produktsicherheitsrechtlich eine hohe Bedeutung. Dabei ist jedoch eine differenzierte Betrachtung erforderlich, da die anerkannten Regeln der Technik nicht einfach deckungsgleich sind mit z.B. den Normen des jeweiligen Fachgebiets. Dieser Artikel betrachtet daher zunächst die Frage, was sich hinter den Technikklauseln „Regeln der Technik“, „Stand der Technik“ und „Stand von Wissenschaft und Technik“ verbirgt und was ihre Bedeutung ist. Anschließend wird mit Beispielen dargestellt, wie die Regeln der Technik ermittelt werden. Abschließend soll erörtert werden, wie es sich mit Zweifelsfällen verhält und wie verfahren werden kann, wenn bei neuen Technologien noch keine hinreichenden Regeln der Technik verfügbar sind, so wie dies bei mobilen und multimedialen Dokumentationen der Fall ist. 1 Was sind „Regeln der Technik“? Unter dem Begriff „anerkannte Regeln der Technik“ kann man technische Regeln verstehen, welche für den Entwurf sowie die Ausführung von technischen Produkten und Anlagen relevant sind und folgende Voraussetzungen erfüllen: • Die Regeln werden wissenschaftlich theoretisch als richtig angesehen. • Die Regeln sind technischen Experten in der Praxis bekannt. • Die Regeln haben sich aufgrund praktischer Erfahrung bewährt. Damit eine Regel der Technik auch den „Stand der Technik“ widerspiegelt, muss sie sich nicht bewährt haben. Damit ist der „Stand der Technik“ in größerem Maße zeitabhängig. Der Stand von Wissenschaft und Technik hingegen muss technischen Experten in der Praxis (also in gewisser Weise ‚vielen‘ Experten) noch nicht einmal bekannt sein; es genügt, wenn die Regel wissenschaftlich theoretisch als richtig angesehen wird; der Praxistransfer der wissenschaftlichen Erkenntnis muss noch nicht zwingend geleistet sein. Anders ausgedrückt: Was gestern Stand von Wissenschaft und Technik war, ist heute technischen Experten in der Praxis bekannt und damit Stand 91 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation der Technik; und wenn sich die entsprechende Regel bewährt, wird sie in Zukunft zur anerkannten Regel der Technik. Abb.: Die drei Technikklauseln 2 Bedeutung der Technikklauseln Maschinenrichtlinie 92 Die Unterscheidung zwischen den drei genannten Technikklauseln kann hilfreich sein, z.B. um bestehende Regeln der Technik und damit letztlich Produkteigenschaften in den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt einzuordnen. Die Technikklauseln dienen vor diesem Hintergrund dazu, die Erwartungen an ein technisches Produkt auf einer allgemeinen Ebene einzugrenzen, ohne dass über die Regeln im Einzelnen entschieden werden muss. Daher finden sich unterschiedliche Technikklauseln in Gesetzen, z.B. in der Maschinenrichtlinie, im Atomgesetz oder im Produkthaftungsgesetz. (Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) war die Technikklausel „Regeln der Technik“ im Rahmen des Werkvertragsrechts ebenfalls vor einigen Jahren noch zu finden, ist dort aber wieder entfallen, da sich die Regelung nicht bewährt hat.) • Die Maschinenrichtlinie spricht vom „Stand des Wissens und der Technik“ und nimmt dabei Bezug auf den Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe einer Maschine, der über die bereits bewährten Regeln der Technik hinausgehen kann. Dies kann z.B. bedeuten, dass ein Maschinenhersteller durchaus prüfen muss, ob eine neu auf den Markt gekommene Schutztechnik zur Minderung des Risikos geeignet ist, auch wenn entsprechende Erfahrungswerte noch nicht vorliegen. • Der Begriff „Stand von Wissenschaft und Technik“ findet sich Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation z.B. im Atomgesetz, wo aufgrund der hohen Risiken der Technologie auch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden, z.B. bei Transport und Lagerung von Kernbrennstoffen. Auch in der Rechtsprechung wurde wiederholt auf Technikklauseln Bezug genommen, z.B. wenn in Produkthaftungsfällen ein gewisser Stand der Technik bei der Sicherheit eines Produkts nicht gegeben war oder Normen als Regeln der Technik nicht befolgt wurden, was in der Regel die Haftung des Produktherstellers verschärft. Im Produkthaftungsrecht besteht hinsichtlich der Einhaltung von Normen (insbesondere sicherheitsbezogener Normen) die Auffassung, dass Normen anerkannte Regeln der Technik oder auch im Einzelfall den Stand der Technik widerspiegeln können. Deren Einhaltung befreit aber nicht von der Haftung. Hersteller müssen ggf. hinsichtlich der Produktsicherheit über die in Normen formulierten Anforderungen hinausgehen, um die Sicherheit zu gewährleisten, die berechtigterweise erwartet werden kann. Im Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG, §1 Abs. 2) ist die Technikklausel folgendermaßen formuliert: Produkthaftung Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn […] 5. der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. Ein Hersteller kann sich also nicht aus der Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz befreien, indem er die anerkannten Regeln der Technik oder sogar den Stand der Technik berücksichtigt und anwendet. Er kann jedoch durch die Berücksichtigung der Regeln seine Haftungsrisiken reduzieren. Insofern sind die anerkannten Regeln der Technik haftungsrechtlich ein Mindestmaß, welches der Hersteller eines Produkts jedenfalls kennen und berücksichtigen muss, über das er aber nach Abwägung insbesondere der Sicherheit im Einzelfall hinausgehen muss. Kaufvertragsrechtlich muss, sofern vertraglich nichts anderes festgelegt ist, die Sache (der Kaufgegenstand) eine Beschaffenheit aufweisen, „die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann“ (§ 434 BGB, Abs. 1). Hier ist ein Zusammenhang zur Anwendung der anerkannten Regeln der Technik naheliegend: Es liegt nahe, dass bei Sachen der gleichen Art auch dieselben anerkannten Regeln der Technik üblich sind und angewendet werden und dass der Käufer die Anwendung dieser Regeln erwarten kann. Dazu ein Beispiel: Es ist zweifellos eine anerkannte Regel der Technik, dass eine umfangreiche Anleitung ein Inhaltsverzeichnis hat Vertragsrecht, Kaufvertrag 93 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation (vgl. EN 82079-1), welches alle wesentlichen Gliederungspunkte aufführt und den Zugriff auf die entsprechenden Inhalte ermöglicht. Wenn ein Inhaltsverzeichnis fehlt, kann dies aus vertragsrechtlicher Sicht einen Sachmangel an der gekauften Sache insgesamt, also z.B. an der Maschine oder dem Gerät, begründen. 3 Ermitteln der Regeln der Technik Die Regeln der Technik in Disziplinen wie in der Technischen Kommunikation sind nicht allgemein kodifiziert; es gibt also in der Regel kein allgemeines Kompendium, in dem die anerkannten Regeln der Technik ohne Weiteres nachgelesen werden könnten. Vielmehr muss je nach Fachgebiet und im Einzelfall der fachliche Diskurs, Curricula von Ausbildungen, Normen und verbreitete Lehrbücher, Expertenmeinungen und dergleichen berücksichtigt werden, um festzustellen, ob eine technische Regel der Technik anerkannt ist und sich bewährt hat. 3.1 Sind Normen allgemein anerkannte Regeln der Technik? Normen gelten im Allgemeinen als anerkannte Regeln der Technik: Normen kommen – im Gegensatz zu Monographien – über speziell festgelegte und bewährte Prozesse zustande, welche die Auswahl von Experten, Diskussionen in den Fachgremien und die Veröffentlichungen für Einsprüche vorsehen. Die Regeln, die es in eine Norm schaffen, sind damit vergleichsweise gut ausdiskutiert. Ob demzufolge Normen stets nur wissenschaftlich anerkannte Regeln enthalten, ist im Rahmen der Normung zwar wahrscheinlich, aber keineswegs sichergestellt. Insbesondere sind Normen Kompromissdokumente mit festlegendem Charakter, denen der wissenschaftliche Ansatz des Diskurses fehlt. Insbesondere dürfte fraglich sein, ob die normativen Regeln und Anforderungen empirisch bestätigt sind. Den Regeln in Normen darf deshalb eine gewisse Skepsis entgegengebracht werden. Mit der Veröffentlichung der Norm sind die entsprechenden Regeln den Experten in der Praxis zugänglich und sollten diesen nach einer angemessenen Zeit auch bekannt sein und bei hinreichend aktuellen Normen damit den Stand der Technik wiedergeben. Wenn es sich darüber hinaus um bewährte Regeln handelt, kann man auch von anerkannten Regeln der Technik sprechen. In der Praxis dürften insbesondere ältere Normen jedoch auch Regeln enthalten, die berechtigterweise kritisiert werden, z.B. weil sie sich nicht bewährt haben. Daher kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass alle in Normen formulierten Regeln der Technik sogleich auch allgemein anerkannte Regeln der Technik darstellen. 94 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation Die für die Technische Kommunikation sicherlich bedeutendste Norm ist die IEC 82079-1:2012/DIN EN 82079-1:2013 „Erstellen von Anleitungen“. Insbesondere Regeln, die bereits in der Vorgängernorm IEC 62079:2001 enthalten waren, dürften als bewährt gelten und damit anerkannte Regeln der Technik widerspiegeln. 4 Beispiele für Regeln der Technik Die folgenden Beispiele stellen ausgewählte Regeln der Technik dar und begründen, weshalb sie als anerkannte Regeln der Technik gewertet werden sollten. 4.1 Anerkannte Regeln für die Gestaltung von Technischer Dokumentation Die folgenden Beispiele illustrieren anerkannte Regeln der Technik und erheben weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Gewichtung. Bei der Betrachtung der Beispiele stellt sich heraus, dass sich leicht übergeordnete oder allgemeine Regeln der Technik für die Gestaltung von Technischer Dokumentation finden lassen, die andererseits größere Spielräume in der Umsetzung zulassen: Je konkreter die Regel, desto unwahrscheinlicher scheint es zu sein, dass es sich um eine anerkannte Regel der Technik handelt. 4.1.1 Beispiel: Schriftgröße Nachdem in verschiedenen Zusammenhängen die Frage der Lesbarkeit auch gerichtlich beurteilt wurde, gilt heute eine Schriftgröße von 6 Punkt als Mindestschriftgröße. Dies wird auch von der IEC 820791:2012 entsprechend empfohlen unter dem Hinweis, dass diese zugegeben sehr kleine Schrift für nicht-sicherheitsbezogene Texte auf Produkten gilt, die über einen entsprechend begrenzten Platz auf der Produktoberfläche verfügen. Schriftgrößen auf gedruckten Anleitungen sollen danach mindestens 9 Punkt betragen. Aus Sicht der Lesbarkeitsforschung ist Lesbarkeit nicht nur eine Funktion der Schriftgröße. Hier spielen mindestens Schriftart, Kontrast, Zeilenlänge, Zeilenabstand, Layout, Leseabstand und die vorhersehbaren Lesebedingungen hinein. Die IEC 82079-1 gibt dementsprechend Empfehlungen für die Schriftgröße, die unter Berücksichtigung der weiteren Faktoren abgewogen werden müssen. Diese differenzierte Regel für die Schriftgröße ist gewissermaßen wissenschaftlich gedeckt, unter Experten bekannt und mit Blick auf typische Anleitungen für technische Produkte auch bewährt. Sie kann damit als anerkannte Regel der Technik gelten. Ein Hersteller, der sein Produkt mit einem Text deutlich unter 6 Punkt beschriftet (wie der Warnhinweis auf meinem Laserpointer der Faktoren der Lesbarkeit 95 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation Marke L.), wird sich jedoch kaum auf die Anwendung anerkannter Regeln der Technik berufen können. Die Produktbeschriftung könnte daher im Haftungsfall als „nicht gegeben“ gewertet werden. 4.1.2 Beispiel: Hervorhebung von Warnhinweisen Rechtsprechung ANSI Z535 96 Warnhinweise dienen dazu, Anwender vor einer Gefährdung im Zusammenhang mit dem Produkt zu warnen, um möglichen Schaden abzuwenden. Es ist daher von besonderer Bedeutung, dass Anwender Warnhinweise wahrnehmen. Wissenschaftlich betrachtet besteht kaum Zweifel daran, dass in gewissen Grenzen hervorgehobene Informationen eher wahrgenommen werden als nicht hervorgehobene Informationen. Es ist daher üblich und hat sich insoweit bewährt, Warnhinweise gegenüber dem umgebenden Text hervorzuheben. Die Technik ist unter Experten weithin bekannt; in einschlägigen Normen werden Mittel der Hervorhebung für Warnhinweise mehr oder weniger detailliert beschrieben. Die Regel, Warnhinweise hervorzuheben, scheint demnach eine anerkannte Regel der Technik zu sein. Auch die Rechtsprechung schließt sich der Hervorhebungsregel an. So hat der Bundesgerichtshof im Rahmen der Urteile, die zu den „Kindertee-Fällen“ ergangen sind, Leitsätze für Gefahrenhinweise formuliert. Unter anderem wurde dabei festgestellt, dass Gefahrenhinweise nicht versteckt sein dürfen, z.B. zwischen Garantieaussagen. Zudem müssen Gefahrenhinweise deutlich gegeben werden. Unterschiedliche Auffassungen gibt es jedoch sowohl über die Art und Gestaltung der Hervorhebung als auch über ihre Intensität. Eine der führenden Normen für die Gestaltung von Warnhinweisen, die US-amerikanische ANSI Z535, merkt an: „Because embedded safety messages must be integrated with the surrounding information, they may be presented without any special formatting. When special formatting is used to differentiate embedded safety messages, care should be taken to ensure that the formatting does not unnecessarily interfere with the user reading the information.“ (ANSI Z535.6:2011, 14) Die ANSI Z535 lässt im Kontext handlungsanleitender Informationen ausdrücklich Warnhinweise ohne wesentliche typografische Hervorhebung zu, sofern der Sicherheitsbezug aus dem Kontext klar hervorgeht. Bei der Entscheidung über die möglichen Mittel der Hervorhebung soll zudem berücksichtigt werden, ob der Inhalt des Warnhinweises schon in einem vorangehenden Hinweis erschienen ist. Außerdem sollen die Bedeutung des Inhalts für die Sicherheit sowie die Zahl und Länge der Hinweise berücksichtigt werden. Diese Empfehlungen stehen in einem gewissen Widerspruch zur generellen Hervorhebungsregel wie auch in Widerspruch zu den Prinzipien der Standardisierung, weil Inhalt und Umfang einzelner Hinweise für die Gestaltung maßgeblich gemacht werden. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass eine zu starke Hervorhebung von Warnhinweisen Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation das Gegenteil bewirken kann, so dass Leser den Textfluss nicht mehr erkennen oder verleitet werden, die Warnhinweise gezielt zu überspringen. Auch die DIN EN 82079-1:2013 verlangt lediglich, dass Warnhinweise „mindestens genauso auffällig angegeben“ sein müssen wie andere Instruktionen. Ein klares Votum für die Hervorhebung lässt sich hier nur bedingt erkennen. Ein spezielles Mittel der Hervorhebung von Warnhinweisen sind Signalwörter; hier gibt es unterschiedliche Empfehlungen in verschiedenen Normen (ANSI Z535, ISO 3864-2, SEMI S1), die teilweise auch sprachlich nicht korrekt sind. Ähnlich unterschiedlich sind Regeln zur Verwendung von Schriftgrößen, Farben, Symbolen und Linien zur Hervorhebung von Warnhinweisen, die größere Spielräume für eine konkrete Umsetzung der Hervorhebungsregel in einem konkreten Layout bieten. An der Gültigkeit der grundlegenden Hervorhebungsregel ändert dies jedoch nichts. Anmerkung: Es muss klar zwischen Warnhinweisen und Sicherheitshinweisen unterschieden werden. Während Warnhinweise in Handlungsabläufe integriert sind, bilden Sicherheitshinweise in der Regel einen eigenen Teil eines Dokuments (Sicherheitskapitel), das ausschließlich Sicherheitshinweise enthält. Daraus folgt, dass die Hervorhebung von Sicherheitshinweisen nicht im Vordergrund steht oder zumindest anderen Regeln folgt, denn: Wenn alle Hinweise (im Sicherheitskapitel) hervorgehoben sind, wo ist dann noch die Hervorhebung? (Beispielsweise verlangt die EN 60335 „Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke“ eine Mindestschriftgröße, die sich jedoch nicht auf Warnhinweise, sondern auf Sicherheitshinweise bezieht.) 4.1.3 Beispiel: Ergänzende Verwendung von Text und Bild Die Beobachtung, dass sich bestimmte Informationen besser bildlich darstellen lassen als andere, ist gut belegt. Räumliche Informationen und Bezugnahmen auf reale Gegenstände lassen sich in der Regel gut visualisieren. Kausalzusammenhänge oder bestimmte Qualitäten von Handlungen („fest andrücken“) und Zeitangaben („zweimal kurz hintereinander“) lassen sich hingegen deutlich besser textuell darstellen. Ebenfalls gut belegt ist, dass individuelle Bildauswertungen durch beim Bild stehende Texte stark gesteuert werden. Dies kann in der Technischen Kommunikation sehr gut genutzt werden, um die Aufmerksamkeit von Lesern und ihre Bildinterpretation gezielt zu lenken. Eine entsprechende technische Regel der Technischen Kommunikation lautet, Text und Bild zusammen zu verwenden. In der DIN EN 82079-1:2013 ist diese Regel im Abschnitt 6.3 „Visuelle Darstellungen und unterstützender Text“ folgendermaßen formuliert: 97 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation „Sofern dienlich, müssen Text und visuelle Darstellungen zusammen angewendet werden, einander unterstützend, um die Gebrauchsanleitung verständlicher zu machen. Wenn visuelle Darstellungen erklärende Texte benötigen, müssen sie beieinander stehen, so dass sie gemeinsam wahrgenommen werden […].“ Textfreie Anleitungen Die Regel, Text und Bild gemeinsam zu verwenden, ist also wissenschaftlich theoretisch anerkannt, bei Experten hinreichend bekannt und hat sich zudem in der Praxis bewährt. Sie ist damit eine „anerkannte Regel der Technik“. Anleitungen, die auf Bilder verzichten, obwohl sie sinnvoll wären, oder auch auf Text verzichten, wo dieser sinnvoll wäre, entsprechen demnach nicht den anerkannten Regeln der Technik. Dies bedeutet nicht, dass textfreie Anleitungen an sich unakzeptabel wären; textfreie Anleitungen sollten jedoch nicht leichtfertig produziert werden. Speziell bei sicherheitsrelevanten Informationen sollten gewichtige (und nicht rein wirtschaftliche) Gründe vorliegen, bevor auf Text (resp. sinnvolle Bilder) verzichtet wird. 4.1.4 Beispiel: Schritt-für-Schritt-Anleitung Eine Anleitung muss die durchzuführenden Schritte in der handlungslogischen Reihenfolge präsentieren. An diesem Grundprinzip besteht wohl kaum ein Zweifel. Anleitungen, aus denen ein Anwender selbst mühsam die Handlungsschritte aus dem Prosatext herauspräparieren und in die sinnvolle Reihenfolge bringen muss, entsprechen sicher nicht den anerkannten Regeln der Technik. 4.1.5 Beispiel: Überschriften und identifizierende Titel Überschriften und gliedernde Titel – allgemein die Strukturiertheit eines Textes – haben eine hohe Bedeutung für die Verständlichkeit. Dies belegen u.a. die Untersuchungen von Schulz von Thun und anderen. Die Regel, Texte hinreichend mit Überschriften zu gliedern, ist unter Experten weithin bekannt, wird in einschlägigen Ausbildungen vermittelt und hat sich in der Praxis bewährt. Es handelt sich damit ohne Zweifel um eine anerkannte Regel der Technik. Hingegen wird die Frage, ob und wie Überschriften nummeriert werden und wie viele Überschriftebenen es geben darf, kontroverser diskutiert. Wenn ein Dokument aufgrund ungeeignet gestalteter und zu tief verschachtelter Überschriften nicht mehr hinreichend übersichtlich ist, wird sicherlich eine Grenze überschritten. Jenseits dieser Grenze wird kaum eine Fachperson von einem ‚guten‘ Dokument sprechen wollen. 4.1.6 Beispiel: Inhaltsverzeichnis Die Frage, ab wann ein Text ein Inhaltsverzeichnis erfordert, wird von der DIN EN 82079 1:2013 im Abschnitt 5.15.3 „Inhaltsverzeichnis“ konkret folgendermaßen beantwortet: 98 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation „Gebrauchsanleitungen, die vier Seiten überschreiten, müssen ein Inhaltsverzeichnis enthalten, es sei denn, es kann dargelegt werden, dass dies nicht notwendig ist. Überschriften und Seitenzahlen, die im Inhaltsverzeichnis erscheinen, müssen mit denen im Text identisch sein.“ Die Schwelle von vier Seiten, ab denen die Norm ein Inhaltsverzeichnis fordert, wirkt zunächst beliebig. Andererseits ist eine auf Papier gedruckte Anleitung mit vier Seiten bei handlichem Papierformat noch ein leicht zu überschauendes Faltblatt, ab der fünften Seite immerhin entweder ein Leporello oder eine Broschüre, die nicht mehr so leicht zu überblicken ist. Die ‚4-Seiten-Schwelle‘ ist also nachvollziehbar. Zudem ist diese Regel spätestens durch die Normveröffentlichung bekannt. Dass sich Inhaltsverzeichnisse grundsätzlich bewährt haben, steht außer Frage. Auch hier wird es ein Hersteller schwer haben, eine Anleitung ohne Inhaltsverzeichnis zu rechtfertigen. 4.1.7 Beispiel: Funktionale Gestaltung und Formulierung Wissenschaftlich anerkannt ist, dass jede sprachliche Äußerung – auch diejenigen in Technischer Dokumentation – eine Funktion hat. Die Regel, dass die Formulierung und Gestaltung von Anleitungen die Textfunktionen berücksichtigt, ist mit der Methode Funktionsdesign® seit über 25 Jahren erfolgreich praktiziert und Experten hinreichend bekannt. Auch die DIN EN 82079-1:2013 fordert, dass die Formulierungen in Anleitungen die jeweiligen Textfunktionen widerspiegeln. Die funktionale Gestaltung von Anleitungen ist demnach klar eine anerkannte Regel der Technik. 4.2 Anerkannte Regeln für den Inhalt von Technischen Dokumentationen Auch für den Inhalt von Anleitungen bestehen Regeln, z.B. für Maschinen in der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Anhang I, Abschnitt 1.7.4.2 und in zahlreichen meist sicherheitsbezogenen Normen. Zwei grundlegende inhaltliche Forderungen sind hier zu nennen: • Eine Beschreibung des Produkts einschließlich gewisser technischer Angaben; • Alle erforderlichen Anleitungen über den Produktlebenszyklus, z.B. vom Transport bis zur Entsorgung. Welche Informationen im Einzelfall genau gegeben werden müssen, wird dabei teilweise in produktspezifischen Normen konkretisiert oder grundlegender auf den Informationsbedarf von Zielgruppen bezogen (DIN EN 82079-1:2013, ISO IEC IEEE 26514 „Informationstechnik – Software und System-Engineering – Anforderungen an Designer und Entwickler von Benutzerdokumentationen“). Um ein paar Beispiele zu nennen: EN 60745 „Handgeführte motorbetriebene Elektrowerkzeuge – Sicherheit“, EN 1041 „Bereitstellung von 99 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation Informationen durch den Hersteller von Medizinprodukten“, EN 809 „Pumpen und Pumpenaggregate für Flüssigkeiten – Allgemeine sicherheitstechnische Anforderungen“ usw. Dass für die bestimmungsgemäße und sichere Verwendung eines Produkts in vielen Fällen bestimmte Informationen erforderlich sind, ist aus wissenschaftlich-theoretischer Sicht nicht fraglich. Sofern sich inhaltliche Anforderungen an Anleitungen also in (produktspezifischen) Normen befinden, sind diese Anforderungen den Experten bekannt. Ob sich die inhaltlichen Anforderungen auch in jedem Fall bewähren, ist jedoch fraglich. Zumeist nehmen Hersteller normativ geforderte Inhalte in Anleitungen auf, um mögliche Haftungsrisiken zu vermeiden und ggf. Forderungen von Zertifizierern nachzukommen. Dieses System funktioniert besonders gut, wenn Normersteller und Zertifizierer in einer Person zusammenfallen, auch wenn die normativ geforderten Inhalte aus Anwendersicht unnötig sind. Hinsichtlich der Bewährung der inhaltlichen Anforderungen muss also unterschieden werden zwischen dem Erfolg eines Unternehmens, sein Produkt in Verkehr zu bringen, und der Nützlichkeit der Informationen in einer Anleitung für den Anwender. In der Regel wird man jedoch davon ausgehen, dass die anerkannte Regel der Technik für die Mindestinhalte einer Anleitung zum einen die normativ geforderten Mindestinhalte und zum anderen die vom Anwender tatsächlich benötigten Inhalte fordert. 4.3 Anerkannte Regeln des Erstellungsprozesses 4.3.1 Beispiel: Übersetzerische Kompetenz Dass die Qualität von Übersetzungen stark von der Kompetenz des Übersetzungspersonals abhängt, wird wohl kaum bestritten. Die Regel, für Übersetzungen von Anleitungen kompetentes Personal einzusetzen, ist zudem in Expertenkreisen hinlänglich bekannt und hat sich in der Praxis bewährt. Damit dürfte diese Regel ebenfalls als anerkannte Regel der Technik gelten. Schwieriger wird es bei der Konkretisierung der konkreten Kompetenzen, über die Übersetzungspersonal verfügen muss. Anhaltspunkte bieten einerseits die ISO 17100:2015 „Übersetzungsdienstleistungen“ und andererseits die DIN EN 82079-1:2013, Abschnitt 4.8.3.3. „Qualität von Übersetzungen“: „Wenn die Gebrauchsanleitungen von der Originalsprache in andere Sprachen übersetzt werden, müssen Fachübersetzer oder Spezialisten für die Übersetzung einschließlich Überprüfung und Korrekturlesen verantwortlich sein. Diese Fachübersetzer oder Spezialisten müssen: • grundlegende Kommunikationskompetenzen, speziell in technischer Kommunikation, haben 100 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation • mit dem Fachgebiet vertraut sein • fließend die Ausgangssprache und Zielsprache beherrschen und vorzugsweise Muttersprachler in der Zielsprache sein.“ Auch bei dieser Konkretisierung dürfte es schwierig sein, im Einzelfall zu entscheiden, ob eine konkrete Übersetzung einer Anleitung die genannten Anforderungen erfüllt. Ein Unternehmen, welches jedoch Anleitungen rein auf Preisbasis ohne Hinterfragen der vorhandenen Kompetenz übersetzen lässt, wird sich nicht auf die anerkannten Regeln der Technik berufen können. Da ein Produkthersteller auch für die von ihm gelieferten Übersetzungen seiner Anleitungen voll haftbar ist, verbirgt sich hinter unprofessionellen Übersetzungsprozessen ein nicht unerhebliches Haftungsrisiko. 4.3.2 Beispiel: Qualitätssicherung Die Qualitätssicherung von Technischer Dokumentation ist zweifellos eine anerkannte Regel der Technik: Neben der wissenschaftlichtheoretischen Anerkennung ist die Qualitätssicherung den Experten in der Praxis bekannt und hat sich in allen Fällen bewährt. Unternehmen, die ihre Anleitungen nicht qualitätssichern, gehen demnach ein hohes Risiko ein. Die DIN EN 82079-1:2013 spezifiziert dabei, dass die Qualitätssicherung sich keineswegs nur auf die inhaltliche Richtigkeit bezieht, sondern auch auf die Überprüfung der in einem Redaktionsleitfaden angegebenen Regeln. 4.3.3 Beispiel: Terminologiemanagement Dass die konsistente Terminologie für das Verständnis Technischer Dokumentation ein wichtiger Faktor ist, ist theoretisch unbestritten und durch zahllose Usability-Tests belegt. Experten ist dies bekannt. Auch hat sich Terminologiemanagement in vielen Unternehmen bewährt. Damit zählt auch das Terminologiemanagement zu den anerkannten Regeln der Technik in der Technischen Kommunikation – auch wenn diese Einsicht erstaunlicherweise in vielen Unternehmen schwer zu vermitteln ist. Dabei lassen sich auch die wirtschaftlichen Vorteile eines Terminologiemanagements klar aufzeigen. 4.3.4 Beispiel: Risikobeurteilung Ohne die Analyse möglicher Risiken ist es nicht möglich, ein sicheres Produkt zu gewährleisten. Diese bestechend einfache Einsicht ist den Experten in der Praxis auch hinreichend bekannt. Unternehmen, die regelmäßig und methodisch-systematisch mit der Risikobeurteilung arbeiten, können zudem bestätigen, dass sich die Risikobeurteilung auch bewährt. Die Durchführung von Risikobeurteilungen ist damit eine anerkannte Regel der Technik mit allen Konsequenzen für Unternehmen, die diese Regel nicht mit der nötigen Sorgfalt befolgen. 101 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation 5 Zweifelsfälle Ebenso interessant wie die Frage, was anerkannte Regeln der Technik für die Technische Kommunikation sind, ist die Frage, welche verbreiteten Regeln eher nicht den anerkannten Regeln zuzuordnen sind oder wo zumindest berechtigte Zweifel bestehen, ob die jeweiligen Regeln ohne Weiteres den anerkannten Regeln der Technik zuzurechnen sind. Zudem stellt sich die Frage, wie bei neuen Technologien vorgegangen werden kann, wo es aufgrund mangelnder Erfahrung anerkannte Regeln der Technik noch nicht in hinreichendem Maß gibt. Daher wollen wir uns nun einigen derartigen Zweifelsfällen zuwenden. Dabei müssen wir stets berücksichtigen, dass diese Zuordnung dem bereits erwähnten zeitlichen Wandel unterworfen ist. 5.1 Beispiel: Neue Kommunikationstechnologien Neue Kommunikationstechnologien ermöglichen Anleitungen als Apps auf mobilen Endgeräten, die Verknüpfung und Filterung von Informationen mit Sensordaten (z.B. Sprache abhängig vom Nutzer, Information abhängig vom Standort oder Filter abhängig vom eingescannten Produktcode), die Verbindung von Live-Kommunikation, das Einbetten von Videos und Animationen, die Sprachsteuerung von Anleitungen usw. Hier betritt die Technische Kommunikation vielfach Neuland, für das noch keine hinreichenden Erfahrungswerte vorliegen. Welche anerkannten Regeln der Technik sind hier anwendbar? Erstens sollten die aus der konventionellen Technischen Dokumentation bekannten anerkannten Regeln der Technik soweit möglich angewendet oder übertragen werden. Z.B. lassen sich die Regeln der Lesbarkeit und die Regel der Hervorhebung von Warnhinweisen durchaus anwenden, wenn auch mit geeigneten Änderungen in der Umsetzung, z.B. bezüglich der geeigneten Schrifttypen oder hinsichtlich des Farbeinsatzes. Zweitens sollte die Forschung und Entwicklung genau beobachtet werden. So widmet sich z.B. das Forschungsprojekt „Multimediales Funktionsdesign“ an der Hochschule Furtwangen University der Frage, welches geeignete Regeln für multimediale Technikkommunikation sind. Drittens gewinnen angesichts fehlender Regeln der Technik für neue Technologien die Prozessaspekte an Bedeutung. Ein Beispiel eines Prozessbausteins für die Entwicklung von Anleitungen in neuen Medien ist die Durchführung von Usability-Tests. 5.2 Beispiel: Usability-Tests Die Durchführung von Usability-Tests für Anleitungen ist ein klarer Fall des Stands von Wissenschaft und Technik. Wissenschaftlich-theoretisch (und auch praktisch) ist der Nutzen von Usability-Tests für 102 Inhalt und Bedeutung anerkannter Regeln der Technik für die Technische Kommunikation die Qualität von Anleitungen gut belegt und nicht zu bestreiten. Auch unter Experten ist der Nutzen von Usability-Tests durchaus bekannt und in vielen einschlägigen Ausbildungen für Technische Redakteure zu finden. In den Fällen, wo Usability-Tests durchgeführt werden, haben sie sich zudem in der Regel bewährt. Gemäß den Kriterien fällt damit die Durchführung von Usability-Tests für Anleitungen klar in den Kanon der anerkannten Regeln der Technik, auch wenn diese in der Breite der redaktionellen Praxis in den Unternehmen noch relativ selten zu finden sind. Die Antwort auf die Frage „Warum?“ besteht überwiegend aus wirtschaftlichen und teilweise auch terminlichen Argumenten. Man stelle sich jedoch die Verlegenheit eines Verteidigers in einem Produkthaftungsfall vor, der von der Anklage gefragt wird: „Und warum haben Sie die Verständlichkeit der Anleitungen niemals getestet?“ 5.3 Beispiel: Redaktionssysteme Gelegentlich wird die Arbeit mit einem Redaktionssystem als „Stand der Technik“ bezeichnet. Viele Anwender von Redaktionssystemen werden zudem feststellen, dass sich die Arbeit mit einem Redaktionssystem auch bewährt hat. Ob man jedoch durchgängig davon sprechen kann, dass die Arbeit mit einem Redaktionssystem eine anerkannte Regel der Technik ist, ist fraglich. Schließlich gibt es eine Reihe von Faktoren, von denen abhängt, ob sich der Einsatz eines Redaktionssystems lohnt. Bevor also Redaktionen als „nicht auf dem Stand der Technik“ stigmatisiert werden, die nicht mit einem Redaktionssystem arbeiten, sollten die Rahmenbedingungen genauer betrachtet werden. 103 Annette D. Reilly Normung für Softwaredokumentation Übersetzung aus dem Englischen von Philipp Windgassen 1 Zweck und Anwendungsbereich Normen für die Softwaredokumentation dienen dem Zweck, Anforderungen und Leitlinien für Informationsprodukte und für die Prozesse des Softwarelebenszyklus zu definieren, z.B. in Bezug auf das Informationsmanagement. Bei Normen für Informa tionsprodukte wie die Softwaredokumentation werden im Allgemeinen Inhalt, Aufbau und Format der Dokumentation beschrieben. Diese Normen legen allgemeine Anforderungen im Hinblick auf den Zweck und die vorgesehene Zielgruppe fest oder setzen diese voraus. Normen bieten einen Mehrwert sowohl für diejenigen, die während des Softwarelebenszyklus am Softwareprozess beteiligt sind, als auch für die Anwender der Software. Dieser Überblick über die einzelnen Normen soll potenziellen Verwendern bei der Evaluierung, Auswahl und Anwendung der entsprechenden Normen helfen. Dabei wird auf international geltende Normen Bezug genommen, insbesondere auf Normen der ISO (International Organization for Standardization) und des IEEE (Institute for Electrical and Electronics Engineers) sowie der IEC (International Electrotechnical Commission). Es handelt sich dabei um freiwillig anwendbare Normen, denen eine Organisation oder ein Projekt folgen kann, oder die dem eigenen Bedarf entsprechend angepasst werden können. Sie enthalten normative Anforderungen und setzen gewisse Vorkenntnisse bei der Anwendung voraus; bei Normen handelt es sich weder um Anleitungen noch um Lehrbücher. Die Verwendung bestimmter eigener Tools für die Softwareentwicklung, -dokumentation oder das Informationsmanagement wird in diesen Normen nicht vorgeschrieben. International geltende ISO-, IEC- und IEEE-Normen für die Informationstechnologie (IT) werden in der englischen Sprache veröffentlicht und von verschiedenen nationalen Normungsorganisationen angeboten, wobei sie zum Zweck der besseren Verständlichkeit ins Deutsche oder in andere Sprachen übersetzt werden. 104 Normung für Softwaredokumentation Neben den hier vorgestellten Normen gibt es etablierte und neue Normen für diverse Bezeichnungen in der Dokumentation von Software; darunter fallen Flussdiagrammsymbole, Symbole, Softwarelizenz-Tags (ISO/IEC 19770), Programmiersprachen und Webprotokolle. Einige weitverbreitete Normen für das Dokumentations-Markup sind speziell auf die Anwenderdokumentation für Software ausgerichtet: die Darwin Information Typing Architecture (DITA) von OASIS, DocBook-Spezifikationen und die ältere Spezifikation S1000D für Luftfahrtanwendungen. Des Weiteren gibt es nationale oder regionale (EU-)Normen, De-facto-Industrienormen, Normen für lernende Systeme sowie Styleguides und Formatvorlagen für bestimmte Sprachen, Industriezweige oder Organisationen; für bestimmte Arten von Software (z.B. für Medizingeräte, Kernkraftwerke, Endverbraucherprodukte, Schienenfahrzeuge) gibt es eigene Normen oder regulatorische Anforderungen. Weitere Normen in ähnlichen Einsatz bereichen 2 Verwendungszwecke für Normen in der Softwaredokumentation Da durch Normen für die Softwaredokumentation einheitliche Prozesse und Produkte definiert werden sollen, die Anwender einer Software in ihrer Arbeit unterstützen, ist es wichtig, die Gründe für die Verwendung der Softwaredokumentation zu verstehen und zu wissen, welche Art von Anwendern diese Dokumentation verwenden möchten. Bei der Softwaredokumentation handelt es sich um ein Hilfsprodukt – nur ein Auditor hätte Interesse daran, die Dokumentation ohne die Software zu betrachten. Da Software über keine greifbaren Produktmerkmale verfügt, benötigen Anwender die Dokumentation in den Fällen, in denen die Benutzeroberfläche (in den Augen einiger Anwender) unzureichende Informationen für die Anwendung der Software zur Erfüllung einer Aufgabe bietet. Warum verwenden Anwender die Software dokumentation? Es gibt drei grundsätzliche Herangehensweisen an die Verwendung von Softwaredokumentation: • Konzeptionell: für das bessere Verständnis von Zielen, Grundsätzen und Methoden, die für die Erledigung einer Aufgabe erforderlich sind • Anleitend: um zu lernen, wie ein Vorgang abgeschlossen werden kann • Referenziell: für die Suche nach Details, wenn etwas vergessen wurde oder wenn etwas Unerwartetes passiert (Fehlerbehebung). 105 Normung für Softwaredokumentation Wer sind die Softwareanwender? 106 Softwareanbieter möchten, dass ihr Produkt verwendet werden kann. Diese sogenannte Usability ist das „Ausmaß, in dem ein System, Produkt oder Dienst vom Anwender eingesetzt werden kann, um in einem definierten Anwendungskontext festgelegte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“ (basierend auf ISO/IEC 25064:2013). (Die Usability für ein softwarebasiertes Spiel kann beinhalten, dass dem Anwender nicht zu viel darüber verraten wird, wie das Spiel gewonnen werden kann – bei einem medizinischen Gerät wird die Usability allerdings völlig anders definiert.) Daher sind Softwarehersteller dazu verpflichtet, Anwender davor zu warnen, dass die Software unter bestimmten Bedingungen eine gefährliche Situation verursachen kann, und Anwender ebenfalls darüber in Kenntnis zu setzen, dass eine unsachgemäße Verwendung der Software zu unerwünschten Ergebnissen führen kann. Die Normen ISO/IEC 26514 und IEC 82079-1 (Benutzeranleitungen) für die anwenderorientierte Softwaredokumentation enthalten Informationen darüber, wie dies auf konsistente und sinnvolle Weise umgesetzt werden kann. Die prozess- und produktbezogene Softwaredokumentation unterstützt diverse am Softwarelebenszyklus beteiligte Parteien in ihrer Arbeit. Dazu gehören neben den Kunden auch das leitende Management, das Projekt- und Organisationsmanagement, Informationsund Content-Manager; Softwareingenieure und -architekten, für Software und Dokumentation verantwortliche Entwickler und Designer, Software- und Dokumentationstester, Anbieter sowie all diejenigen, die Software und die entsprechende Dokumentation warten, integrieren, anpassen, übersetzen und lokalisieren, darunter auch Lieferanten. Normen für die Softwaredokumentation fördern ein einheitliches Verständnis von Modellprozessen und Informationsinhalten für die Dokumentation. Heutzutage ist die Unterscheidung zwischen Softwareanwendern und Systemanwendern (und damit auch die Unterscheidung zwischen Softwaredokumentation und Systemdokumentation für Anwender) kaum noch möglich. Beinahe jedes komplexe System, von Automobilen bis hin zu Thermostaten, ist für die Steuerung und die Ausführung seiner Funktionen auf Software angewiesen. Die Softwaredokumentation für Anwender richtet sich im Allgemeinen an Endanwender (Endverbraucher oder Benutzer mit bestimmten Rollen und Aufgabengebieten). Dabei handelt es sich entweder um Einsteiger oder um regelmäßige Benutzer, die unter Umständen in die Verwendung der Software eingewiesen wurden, jedoch weitere Referenzinformationen benötigen. Andere Kategorien von Softwareanwendern haben besondere Interessen oder spezielle Aufgaben zu erfüllen, z.B. System-, Sicherheits- oder andere Administratoren. Genauso wie die Software und die dazugehörige Anwender dokumentation an die Bedürfnisse der Zielgruppen angepasst sein Normung für Softwaredokumentation sollen, gibt es auch eine Reihe von Normen mit der Bezeichnung ISO/IEC/IEEE 2651N, die sich an den Bedürfnissen der einzelnen Gruppen orientieren, die an der Dokumentation beteiligt sind (Tabelle 1). Der Rest dieses Artikels behandelt diese und andere einschlägige Normen für die Softwaredokumentation. ISO/IEC/IEEENorm-Nummer Bezug zur Anwenderdokumentation 26511 Manager 26512 Ankäufer und Lieferanten 26513 Prüfer und Gutachter 26514 Designer und Entwickler (Autoren und Grafiker) 26515 Teammitglieder in einem agilen Umfeld Tabelle 1: Zielgruppen orientierte Normen für die Software dokumentation für Anwender 3 Gestaltung und Entwicklung von Softwaredokumentation für Anwender Die Norm ISO/IEC 26514:2008 ist die umfangreichste Norm in Bezug auf Entwicklung und Design von Anwenderdokumentation. Sie bezieht sich sowohl auf das Prozess- als auch das Dokumentationsprodukt (Inhalt, Aufbau und Format) und enthält außerdem einen Anhang, in dem auf die Inhalte von Styleguides eingegangen wird, sowie einen weiteren, der sich mit Schreibstil und Ausdruckstechniken in der englischen Sprache befasst. Das Kapitel über Prozesse enthält eine Auswertung von Zielgruppenprofilen, Aufgaben und Usability-Zielen, wobei auch ein wenig auf das Lebenszyklus-Management und Review-Aufgaben eingegangen wird, was jedoch in den Normen 26511 und 26513 detaillierter ausgeführt ist. Die Norm ISO/IEC/ IEEE 26514 beinhaltet eine umfangreiche Erörterung über die Zielgruppenanalyse als Teil des Dokumentationsdesigns. Davon abhängig ist die Auswahl der Funktionen, die bei der Entwicklung eines Sets von Dokumentationen für bestimmte Benutzergruppen dokumentiert werden müssen. Die Kapitel über den Aufbau der Dokumentation beschreiben die korrekte Platzierung von Informationen für Anweisungen, Referenzinformationen und von kritischen Informationen wie Warnhinweise. Mit dieser Norm werden Komponenten eines Dokuments definiert, wie zum Beispiel Verpackungsetiketten oder Deckblätter, die Inhaltsangabe, das Betriebskonzept, Abläufe, Fehlermeldungen mit Problembehebung, Navigationsmerkmale sowie Index- und Suchfunktionen. Normen für Designer und Entwickler von Software dokumentation 107 Normung für Softwaredokumentation Entwicklung von Benutzer dokumentation in einem agilen Umfeld 108 Die Kapitel über den Informationsgehalt von Anwenderdokumentation ermöglichen die Anwendung eines minimalistischen Ansatzes: Darin wird festgelegt, dass kritische Softwarefunktionen dokumentiert werden müssen („Software, die im Falle einer Fehlfunktion sicherheitsrelevante Risiken nach sich ziehen oder große finanzielle oder soziale Verluste verursachen könnte“), jedoch nicht sämtliche Funktionen. Der Inhalt von Softwaredokumentation muss bestimmte Qualitätsansprüche im Hinblick auf die Vollständigkeit und Genauigkeit erfüllen. Es gibt detaillierte Anforderungen in Bezug auf den Inhalt und den Aufbau von Abläufen (Anweisungen). Des Weiteren enthält die Norm Anforderungen an den Inhalt von Fehlermeldungen und Warnhinweisen (entscheidende Sicherheitsinformationen – „critical safety information“). Was das Format anbelangt, war die Norm 26514 die erste internationale Norm, die sowohl auf gedruckte als auch auf elektronische Dokumentation angewendet werden konnte. Darin wird auf die Auswahl des entsprechenden Mediums eingegangen und es wird erklärt, wie in einem bestimmten Format entsprechende Funktionen für den Anwender umgesetzt werden können. Beispielsweise wird in einem Kapitel über die Navigation in der Dokumentation umfassend auf die Verwendung von Navigationsmerkmalen eingegangen: Stellen finden, Positionierung innerhalb eines Themas, die Reihenfolge der Themen sowie das Zurückkehren zu einem Thema, sei es auf einer gedruckten Seite oder in einem Bildschirmtext. Mit dieser Norm wurde auch erstmals festgehalten, dass bestimmte Themen (wie z.B. die Softwareinstallation) außerhalb der Software in gedruckter Form angeboten werden müssen. In dieser Norm werden auch die Formate für Abbildungen sowie das Seitendesign behandelt. Die Norm ISO/IEC/IEEE 26515:2011 behandelt die speziellen Anforderungen an die Vorbereitung der Anwenderdokumenta tion in einem agilen Umfeld, in dem in kurzen Sprints innerhalb eines sich wiederholenden Lebenszyklus gearbeitet wird. Informationsentwickler stehen oftmals vor einer Herausforderung, wenn es darum geht, mit verschiedenen Teams zusammenzuarbeiten, die nicht zu einem agilen Umfeld zusammengefasst werden. Als Mitglieder des Teams können sie neben der Entwicklung und dem Design der Anwenderdokumentation auch andere Aufgaben wahrnehmen: Sie können Entwicklungspläne und Benutzererfahrungen aufzeichnen, zum Design der Benutzeroberfläche beitragen, sich ändernde Anforderungen verwalten, Usability-Tests organisieren oder durchführen und die Fortschritte innerhalb einzelner Sprints festhalten. Auch wenn einige Organisationen die Strategie verfolgen, dass die Dokumentation ein bis zwei Sprints hinter der Softwareentwicklung zurückliegen sollte, wird in dieser Norm empfohlen, dass die Dokumentation vor dem Abschluss eines Sprints abgeschlossen und getestet wird. Normung für Softwaredokumentation Webseiten bieten schnellen Zugriff auf Informationen, eine Möglichkeit, Wissen und Konzepte auf zugängliche Weise abzurufen und auszuwerten, sowie die Möglichkeit, Informationen und Meinungen innerhalb der Anwender-Community auszutauschen. Mit der Norm ISO/IEC/IEEE 23026:2015 verfolgt man das Ziel, die Usability von technischen Informationen, die auf einer Webseite angeboten werden, zu verbessern. Diese Norm bezieht sich weniger auf die Verbesserung von Hilfesystemen und technischen Informationen, die als Teil einer Software mitgeliefert werden. Sie enthält Anforderungen an die Strategie- und Planungsprozesse für technische Informationen sowie daran, wie technische Informationen designt, entwickelt, evaluiert, getestet und wie Webseiten mit technischem Inhalt längerfristig betrieben werden sollten. Beim Webseiten-Management werden die Lebensdauer der Webseite berücksichtigt sowie die darin enthaltenen Informationen, die Konfigurationssteuerung und die geschätzten Ressourcenanforderungen für den Betrieb der Seite. Die Designstrategie für Webseiten bezieht sich auf die Trennung von Inhalt und Präsentation, die Verwendung eines einheitlichen Designs, die Trennung von Marketing und Informationen, den Einsatz bestimmter Multimedia-Optionen, die Berücksichtigung der Leistung sowie die speziellen Überlegungen im Hinblick auf Lokalisation und Übersetzung einer Seite. Besonders die Anforderungen an Suchfunktionen und die Seitennavigation sowie Datenschutzrichtlinien werden gesondert erwähnt. Dabei wird auch erwähnt, dass die Sicherheit von technischen Informationen einer Seite, von Nutzerdaten und IT-Ressourcen gewährleistet sein muss. (Die Normenserie ISO/IEC 27000 enthält die primären Normen für die Informationssicherung.) Design und Verwaltung für Webseiten mit Software dokumentation 4 Dokumentation für Softwareorganisationen und -projekte Mit standardisierten Informationen über den eigenen Software lebenszyklus können Organisationen strategisch besser planen, ihre Ergebnisse kontrollieren, ihre Interessengruppen informieren und Prozesse optimieren, was insgesamt zu einer Verbesserung ihrer Softwareprodukte führt. 4.1 Die Anwendung generischer Arten der Softwaredokumentation ISO/IEC/IEEE 15289 ist die wichtigste Norm für die Dokumentation des Lebenszyklus (Informationsprodukte). Sie spezifiziert den Inhalt von Informationsprodukten von verschiedenen Standpunkten aus: 109 Normung für Softwaredokumentation • Zweck und allgemeiner Inhalt für typische Informationsprodukte (generische Typen) • Spezieller erforderlicher Inhalt für verschiedene Lebenszyklus prozesse • Datentypen, die als Aufzeichnungen in Datenspeichern und zur Verwendung in Dokumenten gesammelt werden sollten. Als generische Typen werden Richtlinien, Pläne, Abläufe, Beschreibungen, Spezifikationen, Anfragen und Berichte genannt. Theoretisch wäre es möglich, jeden dieser Dokumenttypen für jeden Prozess innerhalb eines Projekts vorzubereiten. In der Praxis sollten die für ein bestimmtes Projekt produzierten Informationsprodukte jedoch auf die Produkte beschränkt werden, die für die relevanten Akteure von Interesse sind, wobei diese Informationen innerhalb eines Softwareportfolios wiederverwendet und umfunktioniert werden können. Somit legt die Norm 15289 keine Vorgaben in Bezug auf Titel, Format, Aufbau oder genauen Inhalt fest, sondern besagt nur, dass der erforderliche Inhalt in der einen oder anderen Form vorhanden sein muss. 4.2 Prozess- und Produktdokumentation im Softwarelebenszyklus Bis vor 20 Jahren wurden in den Normen für die Softwareentwicklung hauptsächlich die zu liefernden Dokumentationsprodukte definiert (Datenelementbeschreibungen), insbesondere Modellpläne für diverse Prozesse der Softwareentwicklung. Die Verbreitung agiler Verfahren in der Softwareentwicklung stellte eine Revolution gegen die schwerfällige Dokumentation detaillierter Softwarepläne, -designs und -prozesse dar, wie im sogenannten Agile Manifesto zu lesen ist: „Funktionierende Software mehr als umfassende Dokumentation. Reagieren auf Veränderung mehr als das Befolgen eines Plans.“ In zunehmendem Maße werden die Details der Softwaredokumentation in integrierten, automatischen Softwareentwicklungs-Tool-Suites zusammengefasst statt in ausgefeilten formell geschriebenen Artefakten. Aktuelle und kürzlich aktualisierte Normen und Leitlinien für die Softwareentwicklung enthalten nach wie vor Beispielübersichten für Pläne, während genauer auf die Prozesse und Aktivitäten der Planungs- und Supportprozesse eingegangen wird. Tabelle 2: Normen für die Dokumentation von Software-Lebenszyklusprozessen 110 ISO/IEC/IEEE Norm-Nummer Softwareprozess- und -planungsdokumente 730 Qualitätssicherung 828 Konfigurationsmanagement 1016 Softwaredesign-Beschreibung Normung für Softwaredokumentation 1228 Planung von Softwaresicherheit 15939 Software-Engineering – Messverfahren für Software 16085 Risikomanagement 16326 Projektmanagement 24774 Prozessbeschreibung 24848-5 (in Vorbereitung) Planung für die Softwareentwicklung, Softwareerstellung, Softwaremanagement 42010 Architekturbeschreibung 4.3 Überprüfen und Testen der Dokumentation Mit der Norm ISO/IEC 26513:2009 (wird aktuell revidiert) werden die Verfahren näher erläutert, mit denen die Softwaredokumentation für Anwender verbessert werden kann, insbesondere durch Überprüfen (Reviews) und Testen. Darin wird speziell auf die Planung von Reviews für verschiedene Zwecke (wie z.B. technische Genauigkeit oder redaktionelle Korrektheit) an verschiedenen Punkten des Software- und Dokumentationslebenszyklus eingegangen. Die Norm beschreibt, wie die Ausgabe von Reviews verwaltet und wie während der Tests oder Reviews entdeckte Probleme gelöst werden können. Des Weiteren werden verschiedene Zwecke für das Testen von Dokumentation beschrieben, darunter auch ein Systemtest, mit dem die Konsistenz von der Arbeit der Software und der Dokumentation geprüft wird, sowie weitere Tests, mit denen die Barrierefreiheit und Lokalisierung oder die Usability untersucht werden. Als Teil einer Serie, die sich mit dem Testen von Software befasst, wird mit der Norm ISO/IEC/IEEE 29119-3:2013 die Dokumentation festgelegt, die zum Zweck des Testens produziert werden kann und dabei Übersichten und Beispiele enthält. Darin sind Test richtlinien, Testpläne, Testdesign-Spezifikationen, Testfall-Spezifika tionen, Testablauf-Spezifikationen und weitere genauere Anforderungen und Berichte über die Ausführung der Tests enthalten. Mehrere Normen in der Serie ISO/IEC 2506N enthalten Standardvorlagen (Common Industry Format – CIF) für Berichte über die Usability von Softwareprodukten, einschließlich der Softwaredokumentation. Ziel dabei ist es, trotz unterschiedlicher UsabilityTechniken und -Verfahren eine einheitliche Berichterstellung über Evaluationen zu erreichen. In ihrer aktuellen Fassung behandeln diese Normen die früh und spät auftretenden Aspekte der UsabilityAnalyse wie z.B. einen Bericht über die Nutzeranforderungen, eine Nutzungshintergrund-Beschreibung und einen Bericht für UsabilityTests. Norm für die Dokumentation von Testverfahren Normen für das Testen der Usability 111 Normung für Softwaredokumentation 5 Normen für Informationsmanagement und Content-Management Normen für Manager in der Software dokumentation Norm für ContentManagement-Prozesse und -Systeme 112 Die grundsätzlichen Anforderungen an Zweck und Ergebnisse des Informationsmanagementprozesses (einschließlich des Dokumentationsmanagements) sind inzwischen in den einschlägigen Systemen und den entsprechenden Normen für die Softwareentwicklung ISO/ IEC/IEEE 15288:2015 (System-Engineering) und ISO/IEC/IEEE 12207 (neue Ausgabe 2016 in Vorbereitung) identisch verfasst: „Der Zweck des Informationsmanagementprozesses ist die Erstellung, Erlangung, Bestätigung, Umwandlung, Bewahrung sowie der Abruf von Informationen und die Verbreitung dieser an die entsprechenden Zielakteure.“ Spezialisierte Normen bieten weitere Informationen darüber, wie Dokumentation und Inhalte verwaltet werden und wie Dokumentationsprodukte und -dienstleistungen zu beschaffen sind. Die Norm ISO/IEC/IEEE 26511 kann von Managern in der Software- und Systemanwenderdokumentation angewendet werden. Diese Norm beschreibt verschiedene Situationen, angefangen beim Management eines einzelnen Dokumentationsprojekts bis hin zur Organisation und Planung eines laufenden Workflow- und Dokumentationsportfolios einschließlich der Bildung eines Teams mit spezieller Aufgabenverteilung, der Beschaffung von InfrastrukturRessourcen und der Einrichtung einer Managementkontrolle durch Messverfahren. Es wird darin auch kurz darauf eingegangen, wie kompliziert es sein kann, die erforderlichen Ressourcen für ein Dokumentationsprojekt einzuschätzen. Es wird vorgeschlagen, Faktoren wie Dokumentationsprodukte, Produktivität, Qualität und Maße für die Prozessoptimierung zu messen und es werden Vorschläge angeboten, wie die Kosten für Übersetzungen gesenkt und ihre Qualität erhöht werden kann. Die Norm enthält außerdem Anforderungen an einen Managementplan für die Anwenderdokumentation und einen Dokumentationsplan. Die Norm ISO/IEC/IEEE 26531 kann dabei helfen, Anwender davor zu bewahren, ein Content-Management-System zu erwerben, bevor entschieden wurde, wie dies verwendet werden soll. Darin werden Anforderungen und empfehlenswerte Verfahren dargestellt, mit denen eine Content-Management-Strategie entwickelt, ein Business-Case für das Content-Management vorbereitet, ein Content-Management-Workflow definiert und somit die Auswahl der erforderlichen Funktionen des Content-Management-Systems getroffen werden können. Es werden außerdem zahlreiche Aktivitäten genannt, die vom Content-Management betroffen sind, wie die Definition eines Informationsmodells für die strukturierte Inhaltserstellung, die Entwicklung von Leitlinien für die Inhaltserstellung, die Einigung auf eine Strategie dafür, wie Inhalte aufbewahrt und Normung für Softwaredokumentation wiederverwendet werden sowie die Umsetzung des Qualitätsmanagements durch die Überprüfung und Bestätigung von Inhalten. In der Norm werden auch spezielle Anforderungen an ein komponentenbasiertes Content-Management-System genannt: Aufbewahrungsmanagement, Content-Objekt-Management, Systemadministration, Inhaltserstellung, Workflow-Steuerung, Ausgabe für die Veröffentlichung, Management für Lokalisierung und Übersetzung und SystemInteroperabilität. In der Norm ISO/IEC/IEEE 26512 wird auf die Einigungsprozesse eingegangen, die beim Ankauf oder der Lieferung von Dokumentationsprodukten und -dienstleistungen auftreten; dabei wird auf die Standpunkte des Ankäufers (Kunde) und des Lieferanten (Auftragnehmer für das Outsourcing) eingegangen. Sie ist sowohl innerhalb von Organisationen als auch auf externe Lieferanten anwendbar und bietet Informationen darüber, was in einer Ausschreibung und in einem Angebot enthalten sein sollte. Auch Empfehlungen dazu, wie die Vereinbarung überwacht und verwaltet wird und wie mit Änderungen umgegangen wird, die während der Arbeit entstehen, sind enthalten. Die Norm beschreibt im Detail, was in den Anforderungen an die Anwenderdokumentation, in den Spezifikationen für die Nutzerdokumentation und in der Leistungsbeschreibung enthalten sein sollte. Normen für Ankäufer und Lieferanten von Software dokumentation 6 Literatur Agile Manifesto [auf Deutsch] http://www.agilemanifesto.org/iso/de/. Darwin Information Typing Architecture (DITA) Version 1.2, http://docs.oasisopen.org/dita/v1.2/os/spec/DITA1.2-spec.html. IEEE Std 1016:2009, IEEE Recommended Practice for Software Design Descriptions.1 IEEE Std 1228:1994 (R2010), IEEE-Norm für die Planung von Softwaresicherheit. IEEE Std 730-2014, IEEE Standard for Software Quality Assurance Processes.1 IEEE Std 828-2012 IEEE Standard for Configuration Management in Systems and Software Engineering.1 ISO/IEC 15939:2007, Software-Engineering – Messverfahren für Software. ISO/IEC 25062:2006, Software-Engineering – Qualitätskriterien und Bewertung von Softwareprodukten (SQuaRE) – Gemeinsames Industrieformat (CIF) für Berichte über Gebrauchstauglichkeitsprüfungen. ISO/IEC 25063:2014, System und Software-Engineering – Anforderungen und Bewertung der Produktqualität bei Systemen und Software (SQuaRE) – Allgemeines Industrieformat (CIF) für Bedienbarkeit: Beschreibung des Verwendungskontext. ISO/IEC 25064:2013, System- und Software-Engineering – Qualitätskriterien und Bewertung von Softwareprodukten (SQuaRE) – Common Industry Format (CIF) für Bedienbarkeit: Bericht der Anwenderanforderungen. ISO/IEC 25066 (Norm-Entwurf), System- und Software-Engineering – Qualitäts- 113 Normung für Softwaredokumentation kriterien und Bewertung von Softwareprodukten (SQuaRE) – Common Industry Format (CIF) für Bedienbarkeit – Evaluationsberichte. ISO/IEC 26513:2009, System und Software-Engineering – Anforderungen an Prüfer und Gutachter von Benutzeranleitungen. ISO/IEC 26514:2008, Informationstechnik – Software und System-Engineering – Anforderungen an Designer und Entwickler von Benutzerdokumentationen. ISO/IEC 27001:2013, Informationstechnik – IT-Sicherheitsverfahren – Informationssicherheits-Managementsysteme – Anforderungen.2 ISO/IEC TR 24774:2010, System- und Software-Engineering – Lifecycle-Management – Leitfaden zur Prozessbeschreibung. ISO/IEC/IEEE 15288:2015, System- und Software-Engineering – System-Lebenszyklus-Prozesse. ISO/IEC/IEEE 15289:2015, System und Software-Engineering – Inhalt von Lebenszyklus-Informationsprodukten (Dokumentation). ISO/IEC/IEEE 16085:2006, System und Software-Engineering – Lebenszyklusprozesse – Risikomanagement. ISO/IEC/IEEE 16326:2009, Software-Engineering – Leitfaden für die Anwendung von ISO/IEC 12207 beim Projektmanagement. ISO/IEC/IEEE 23026:2015, System- und Software-Engineering – Engineering und Management von Websites für Systeme, Software und Informationsdienstleistungen. ISO/IEC/IEEE 24748-5 (in Vorbereitung) Systems and software engineering – Life Cycle Management – Part 5, Software Development Planning.1 ISO/IEC/IEEE 26511:2012, System-und Software-Engineering – Anforderungen für Manager von Benutzerdokumentation. ISO/IEC/IEEE 26512:2011, System-und Software-Engineering – Anforderungen für Ankäufer und Lieferanten der Benutzerdokumentation. ISO/IEC/IEEE 26515: 2011, System-und Software-Engineering – Entwicklung von Benutzerdokumentation in einem agilen Umfeld. ISO/IEC/IEEE 26531:2015, System- und Software-Engineering – Content-Management für Produktlebenszyklus-, Benutzer- und Service-ManagementDokumentation. ISO/IEC/IEEE 29119-3 Software-und Systemengineering – Software-Test – Teil 3: Testdokumentation. ISO/IEC/IEEE 42010:2011, System-und Software-Engineering – Architekturbeschreibung. ISO/IEC/IEEE 82079-1 (in Revision), Erstellen von Gebrauchsanleitungen – Gliederung, Inhalt und Darstellung – Teil 1: Allgemeine Grundsätze und ausführliche Anforderungen.2 Moore, James W. (2014): IEEE and ISO/IEC Standards supporting the Software Engineering Body of Knowledge (SWEBOK). In: Bourque, Pierre / Fairley, Richard E. (Dick): SWEBOK® V3.0: Guide to the Software Engineering Body of Knowledge, IEEE Computer Society, via www.swebok.org. OASIS DocBook Spezifikation zu finden auf https://www.oasis-open.org/committees/tc_home.php?wg_abbrev=docbook. S1000D Spezifikation zu finden auf http://www.s1000d.net. 1 Diese Norm besitzt keinen offiziellen deutschen Titel. 2 Diese Norm ist auch in deutscher Sprache verfügbar. 114 Torsten Gruchmann E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation Unter den Begriff Medizinprodukt fällt eine Vielzahl von Apparaten, Instrumenten oder anderen Gegenständen, die in der Medizin eingesetzt werden. Sie wirken am Körper (z.B. Pflaster, Blutdruckmessgeräte) oder im Körper (z.B. künstliche Hüftgelenke, Herzschrittmacher), ohne dabei pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch einzugreifen, wie z.B. Medikamente. Medizinprodukte werden vorwiegend diagnostisch oder therapeutisch in folgenden möglichen Anwendungssituationen eingesetzt: • Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten • Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen • Untersuchung, Ersatz oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs • Empfängnisregelung. Die enorme Bandbreite der Medizinprodukte, die vom einfachen Fieberthermometer bis zum hochkomplexen Röntgengerät reicht, wird in vier Risikoklassen unterteilt. Die Klasse I ist dabei die niedrigste Risikoklasse, in die z.B. Lesebrillen, Verbandmaterial oder Rollstühle eingestuft werden. Hier wird zusätzlich noch differenziert, ob die Produkte steril sind oder eine Messfunktion aufweisen. In die Klasse IIa (mittleres Risikopotential) sind u.a. Hörgeräte, Zahnfüllungen, in die Klasse IIb (hohes Risikopotential) Infusionspumpen, Dialyseund Röntgengeräte eingruppiert. Die Klasse III umfasst schließlich die Medizinprodukte mit sehr hohem Risikopotential, etwa solche, die unmittelbar am Herzen oder Gehirn angewendet werden. Dazu zählen externe Herzschrittmacher oder Herz-Lungen-Maschinen, aber auch Hüftprothesen oder Brustimplantate. Zudem wird differenziert zwischen aktiven und nicht-aktiven Medizinprodukten. Aktive Medizinprodukte werden mit Hilfe einer externen Energiequelle (Strom, Akku, Batterie, thermische oder kinetische Energie oder Gasdruck) betrieben; nicht-aktive Medizinprodukte sind passiv oder werden mit Muskel- oder Schwerkraft betrieben. Definition eines Medizinprodukts Risikoklassen für Medizinprodukte Aktive und nicht-aktive Medizinprodukte 115 E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation 1 Zulassungen von Medizinprodukten Konformitätsbewertungsverfahren für Medizinprodukte EU-Richtlinien und grundlegende Anforderungen Abhängig von der Risikoklasse muss in Europa jedes Medizinprodukt vor dem Inverkehrbringen und der Inbetriebnahme zunächst ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. In diesem Zulassungsverfahren muss der Hersteller generell nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die im Verwendungszweck beschriebenen technischen und medizinischen Leistungen erfüllt. Diese grundlegenden Anforderungen werden in den sog. EU-Richtlinien beschrieben. Dazu zählen die • 90/385/EWG für aktive implantierbare Medizinprodukte • 98/79/EG für In-vitro-Diagnostika und • 93/42/EWG für sonstige Medizinprodukte. Durch sog. Änderungsrichtlinien können diese ergänzt oder geändert werden. Zuletzt wurde die 93/42/EWG im Jahr 2007 durch die 2007/47/EG aktualisiert. Sind die grundlegenden Anforderungen erfüllt und wurde das für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt, erhält das Produkt die CE-Zulassung. Die EU-Richtlinien beziehen sich auf die Sicherheit, Leistungsfähigkeit, das Design und die Produktion eines Medizinprodukts. Sie enthalten u.a. auch zahlreiche Vorgaben für die Erstellung von Gebrauchsanweisungen. In jedem Land der Europäischen Union und in den assoziierten Ländern werden die EU-Richtlinien über nationale Gesetze umgesetzt. In Deutschland regelt das Medizinproduktegesetz (MPG) den Umgang mit Medizinprodukten. Zusätzliche Unterstützung bei der Umsetzung des komplexen Regelwerks für Medizinprodukte bieten die (nicht verbindlichen) Leitfäden der EU, die in Form der MEDDEV-Guidelines vorliegen. 2 E-Labeling bei Medizinprodukten Rechtlich gesehen kann die Gebrauchsanweisung bei Medizinprodukten als Bestandteil des Geräts angesehen werden. Somit können unsachgemäße Erläuterungen in der Gebrauchsanweisung, die ein Risiko darstellen können, z.B. schon zu einem Rückruf des Medizinprodukts führen. Dementsprechend gelten für die Erstellung von Gebrauchsanweisungen, neben den bereits erwähnten EU-Richtlinien, zahlreiche weitere Standards und Richtlinien, die beachtet werden müssen. Zu nennen sind an dieser Stelle stellvertretend die IEC 82079-1 oder die EN 1041. Dabei sind nicht nur die Gestaltung und der Inhalt, sondern auch die Art und Weise, wie die Gebrauchsanweisung zur Verfügung gestellt wird, ein reguliertes Thema. 116 E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation Mit Veröffentlichung der Europäischen Guideline MEDDEV 2.14/3 REV 1 „Supply of instructions for use and other information for in-vitro diagnostic medical devices“ ermöglichte die europäische Kommission im Jahr 2007 erstmals Herstellern von In-vitro-Diagnostika die elektronische Veröffentlichung von Gebrauchsanweisungen anstelle von gedruckten Anweisungen. Voraussetzung dafür ist, dass diese ausschließlich für den professionellen Gebrauch bestimmt sein müssen. Seit dem 01.03.2013 dürfen auch Hersteller von Medizinprodukten ihre Produkte alternativ mit einer elektronischen Gebrauchsanweisung ausliefern. Grundlage hierfür ist die EU-Verordnung Nr. 207/2012 vom 09.03.2012, die sich auf die entsprechenden EURichtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG stützt. Lange wurde vorher diskutiert, ob die sichere Anwendung des Produkts durch die Möglichkeit des E-Labelings beeinträchtigt wird und Anwender überhaupt über die notwendige Infrastruktur verfügen, die elektronischen Informationen zeitnah zu bekommen, zu öffnen und zu benutzen. Letztendlich führten die Sicherheitsbedenken zu der Einschränkung der Gültigkeit der EU-Verordnung hinsichtlich der Medizinprodukte und der Anwender. Artikel 3 der EU-Verordnung Nr. 207/2012 beschränkt die Verwendung von E-Labeling auf einzelne Produktkategorien: • Aktive implantierbare Medizinprodukte und Zubehör im Sinne der Richtlinie 90/385/EWG, das ausschließlich zur Implantation oder Programmierung eines bestimmten aktiven implantierbaren Medizinprodukts bestimmt ist • Implantierbare Medizinprodukte und Zubehör im Sinne der Richtlinie 93/42/EWG, das ausschließlich zur Implantation eines bestimmten implantierbaren Medizinprodukts bestimmt ist • Fest installierte Medizinprodukte, die in den Geltungsbereich der Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG fallen • Medizinprodukte und Zubehör gemäß den Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG, in die ein System zur Anzeige der elektronischen Gebrauchsanweisung eingebaut ist • Eigenständige Software gemäß Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG. Beispiele für unter die EU-Verordnung fallende Medizinprodukte sind Zahnimplantate, Herzschrittmacher, Stents, künstliche Kniegelenke, Beatmungsgeräte mit Display und integrierter Gebrauchsanweisung, implantierbare Defibrillatoren sowie PACS (Picture Archiving and Communication System) und diagnoseunterstützende Software. In-vitro-Diagnostika sind ausgeschlossen. Zudem ist in Artikel 3 der Verordnung geregelt, dass die mit elektronischen Gebrauchsanweisungen ausgestatteten Medizinpro- Europäische Guideline EU-Verordnung Nr. 207/2012 117 E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation dukte und das Zubehör ebenfalls ausschließlich für die Verwendung durch professionelle Nutzer bestimmt sein müssen. Doch was bedeutet E-Labeling eigentlich genau? Unter E-Labeling versteht man die Bereitstellung von Gebrauchsanweisungen in elektronischer anstelle von gedruckter Form. Dabei kann die elektronische Gebrauchsanweisung entweder auf einem zusätzlichen Speichermedium (DVD, USB-Stick usw.), auf einer Webseite oder im Produkt selbst, z.B. über das integrierte Display, zur Verfügung gestellt werden. Die neue Verordnung schafft damit allerdings nicht die Papierversionen ab. Der Hersteller kann die neue Variante nutzen, ist aber nicht dazu verpflichtet. 3 Verpflichtungen der Hersteller Konkrete Vorgaben und Verpflichtungen Veröffentlichung von Information auf einer Webseite 118 Die EU-Verordnung Nr. 207/2012 der europäischen Kommission gibt konkrete Informationen zu den Vorgaben und Verpflichtungen, die erfüllt werden müssen, damit ein Hersteller seine Produkte mit einer elektronischen Gebrauchsanweisung ausliefern darf. Wesentlich ist dabei, dass der Hersteller vorab Angaben darüber macht, dass eine elektronische Gebrauchsanweisung anstelle der Papierversion zur Verfügung gestellt wird. Außerdem muss er erläutern, in welcher Form (z.B. auf einem zusätzlichen Speichermedium, einer Webseite usw.) die elektronische Gebrauchsanweisung vorliegt und wie der Nutzer an die entsprechenden Informationen gelangen kann. In geeigneten Produktinformationsmedien muss der Anwender zusätzlich über die Hard- und Softwarevoraussetzungen zur Anzeige der elektronischen Gebrauchsanweisung informiert werden. Hierzu sind auf jeder einzelnen Verpackung deutliche Hinweise anzubringen. Weitere Pflichthinweise sind die Kontaktdaten des Herstellers sowie die direkte Referenz auf die gültige Version, bzw. deutliche und nachvollziehbare Informationen zum Auffinden und Auswählen der gültigen elektronischen Gebrauchsanweisung. Für ein Produkt, dessen Gebrauchsanweisung in elektronischer Form zur Verfügung gestellt wird, muss diese auch in jedem Fall auf einer direkt zugänglichen und vor unbefugtem Zugriff und Ausfall geschützten Webseite abrufbar sein. Dort muss die Gebrauchsanweisung, inkl. der früheren Versionen mit dem jeweiligen Veröffentlichungsdatum, in einem allgemein verwendeten Format vorliegen, das mithilfe frei verfügbarer Software gelesen werden kann. Es muss auf der Webseite auch angegeben sein, in welchen Amtssprachen die elektronische Gebrauchsanweisung vorliegt. E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation Abb. 1: Label eines Medizinprodukts mit dem Verweis auf den Zugang zur elektronischen Gebrauchsanweisung über einen Zugangscode. Abb. 2: Hinweis eines Medizinprodukte herstellers zum Umgang mit E-Labeling.* * Printed with the approval of Dentsply. Dentsply excludes any liability for the correctness of such example of an e-labeling. Every user has to safeguard a correct e-labeling on its own. Ein entscheidender Punkt bei der Einführung des E-Labelings ist die Erweiterung des bestehenden Risikomanagementprozesses. Die Risikoanalyse muss um die Aspekte möglicher Gefährdungen bei Ausfall der elektronischen Systeme für die Anzeige der Gebrauchsanweisungen ergänzt werden. Dabei sind auch denkbare medizinische Notfallsituationen zu berücksichtigen, in denen dem Anwender Informationen in gedruckter Form zur Verfügung stehen müssen. Ferner muss dem Anwender eine alternative Bezugsquelle für die Papierversion genannt werden. Diese muss dem Anwender auf Verlangen und nach Anforderung spätestens innerhalb von sieben Tagen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Erweiterung des Risikomanagements 119 E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation Gleichwertiges Sicherheitsniveau zur Papierversion Die Risikobetrachtung muss zu dem Ergebnis führen, dass ein mindestens gleichwertiges Sicherheitsniveau der elektronischen Gebrauchsanweisung gegenüber der Papierversion erreicht wird. 4 Vorteile für Hersteller Vorteil Kosten einsparungen Einfluss auf die Umwelt Integration von Multimedia 120 Trotz der umfangreichen Anforderungen an den Hersteller bietet die neue Verordnung auch einige Vorteile. Ein wesentlicher Vorteil sind die Kosteneinsparungen, die durch E-Labeling erzielt werden können. Der Druck von Gebrauchsanweisungen ist relativ teuer. Mehrfarbige Drucke erhöhen die Kosten und zusätzlich beinhalten die Anleitungen häufig zahlreiche Sprachversionen. Auch die Tatsache, dass Gebrauchsanweisungen immer mehr zur juristischen Exkulpation der Hersteller werden und eine Vielzahl von Warn- und Sicherheitshinweisen enthalten, trägt dazu bei, dass die Seitenzahl stetig ansteigt und damit auch die Druckkosten in die Höhe gehen. E-Labeling reduziert gleichzeitig auch die Kosten für die Verpackung und den Versand. Aber auch der Umweltaspekt ist nicht unerheblich. Für den Druck von Gebrauchsanweisungen wird eine Menge Papier und Energie verbraucht. Gerade hier spielt das Thema multilinguale Gebrauchsanweisung auch eine entscheidende Rolle. Unzählige Tonnen Papier werden verbraucht für Informationen, die niemals gelesen werden. Beispielsweise werden für eine Gebrauchsanweisung eines Herzschrittmachers, die mit einem Umfang von 350 Seiten an ca. 600.000 Anwender ausgeliefert wird, rund 25.000 Bäume gefällt, um 1.000 Tonnen Papier zu produzieren. Neben dem wirtschaftlichen Faktor und dem Umweltaspekt gibt es zahlreiche weitere Punkte, die offensichtlich für das E-Labeling sprechen. Dazu gehören z.B. schnellere Realisierungsprozesse für die Erstellung einer Gebrauchsanweisung und die daraus resultierende Aktualität. Erforderliche Anpassungen können direkt umgesetzt werden und die aktualisierte Version der Gebrauchsanweisung kann dem Anwender, z.B. im Fall einer sicherheitsrelevanten Änderung, unmittelbar online zur Verfügung gestellt werden. Elektronische Gebrauchsanweisungen bieten zudem den Vorteil, dass ergänzende multimediale Formen zum Informationstransport benutzt werden können, die den Informationsgehalt und damit die Effektivität bei der Anwendung erhöhen. Videosequenzen oder grafische Animationen können Anwendungsszenarien realitätsnah visualisieren und z.B. beschreiben, wie Zuleitungssets bei Autotransfusions- oder Dialysegeräten eingelegt werden müssen. Textinformationen, die der Risikominimierung dienen und für eine sichere Anwendung des Medizinprodukts relevant sind, müssen allerdings E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation denen der Papierversion entsprechen, um eine Konsistenz zwischen den Dokumenten zu gewährleisten. Nicht zu vergessen ist dabei der psychologische Faktor. Textdominante Gebrauchsanweisungen in kleiner Schriftgröße erschweren dem Leser die Informationsaufnahme. Multilinguale Ausgaben verstärken diesen Effekt noch. Wird dem Anwender jedoch eine individuelle, ausschließlich in Muttersprache verfasste Gebrauchsanweisung zur Verfügung gestellt, so steigt die Chance, dass die Anweisung zu Rate gezogen wird. Zusätzliche Animationen oder Videosequenzen steigern die Wahrscheinlichkeit der Nutzung und fördern die Anwenderfreundlichkeit durch bessere Nachvollziehbarkeit. Gleichzeitig sinkt damit das Risiko für Anwendungsfehler. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Medizinprodukte-Industrie durch Kosteneinsparungen verbessert wird, die Umweltbelastung reduziert wird und gleichzeitig das Sicherheitsniveau bei der Anwendung von Medizinprodukten angehoben wird. 5 Vorteile für Anwender Gesetzlich sind alle Anwender von Medizinprodukten verpflichtet, sich mit der korrekten Benutzung auseinanderzusetzen, bevor sie die Produkte im Alltag anwenden. Elektronische Gebrauchsanweisungen haben für den Anwender den Vorteil, dass die notwendigen Informationen zum Produkt mit multimedialen Inhalten verständlicher und interessanter aufbereitet werden können. Das digitale Format bietet dem Leser z.B. die Integration von kontextsensitiven Hilfefunktionen, Suchfunktionen, Textvergrößerungen und die Verwendung von Verlinkungen zu weiterführenden Informationen an. Bei professionellen Anwendern zeigt sich ein Trend zur Nutzung von Smartphones und Tablets im Alltag. Sie können sich ggf. über einen am Gerät angebrachten QR-Code Zugang zur elektronischen Gebrauchsanweisung im Internet verschaffen und diese dann auf ihrem mobilen Gerät speichern. Dies garantiert dann einen uneingeschränkten Zugriff. Innerhalb einer Organisation besteht auch die Möglichkeit, die elektronischen Gebrauchsanweisungen in einem zentralen Ordner im lokalen Netzwerk zu speichern und innerhalb des Netzwerks, über die lokalen Zugangsregelungen, den notwendigen Zugriff möglich zu machen. Elektronische Gebrauchsanweisungen, die z.B. auf einem Tablet installiert sind, bieten zudem den Vorteil der Nutzung unter sterilen Bedingungen. Noch größer ist der Nutzen bei elektronischen Gebrauchsanweisungen, die direkt im Produkt integriert sind. Auf Vorteile elektronischer Gebrauchsanweisung für Anwender 121 E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation diese Informationen hat der Anwender dann unmittelbaren Zugriff, z.B. in Form von kontextsensitiven Hilfefunktionen, sobald diese benötigt werden. 6 Nachteile des E-Labelings Risikomanagement nach ISO 14971 Internationalisierung 122 Zunächst ist festzuhalten, dass jeder Hersteller ein dokumentiertes Risikomanagementsystem für seine Produkte gemäß ISO 14971 durchführen muss, unabhängig davon, ob er das Format der elek tronischen Gebrauchsanweisung nutzt oder nicht. Durch den Einsatz elektronischer Gebrauchsanweisungen ergeben sich jedoch weitere Anwendungsszenarien. Auf solche Änderungen muss der Hersteller reagieren, eine erneute Risikobetrachtung durchführen und die Maßnahmen ggf. anpassen. Ein Hersteller, der seine Produkte in anderen Ländern auf den Markt bringen möchte, muss sich vorher informieren, welche lokalen Zulassungsvoraussetzungen gelten und erfüllt werden müssen. Sollten diese Länder, in denen das Produkt verkauft werden soll, keine elektronischen Gebrauchsanweisungen erlauben, so ist der Hersteller verpflichtet, dem Anwender die Gebrauchsanweisung in Papierversion zur Verfügung zu stellen. Sind elektronische Gebrauchsanweisungen in diesen Ländern erlaubt, so sind auch hier alle in der EU-Verordnung Nr. 207/2012 genannten Anforderungen durch den Hersteller zu erfüllen. Diese Anforderungen können von der Europäischen Verordnung abweichen. Deshalb ist hier eine genaue Prüfung notwendig. Neben dem erweiterten Risikomanagementprozess muss der Hersteller ggf. interne Prozesse anpassen oder neue Prozesse einführen und umsetzen, bevor er von der Möglichkeit des E-Labelings Gebrauch machen kann. Dies kann z.B. Prozesse für die Änderung, Freigabe und Rückverfolgbarkeit in Bezug auf die Aktualität und das Ausgabemedium der einzelnen Endkunden betreffen. Zusätzlicher Programmierungsaufwand für die Umsetzung der elektronischen Gebrauchsanweisung im Produkt selbst, z.B. bei Integration von Animationen, kontextsensitiven Hilfefunktionen oder Videosequenzen, kann zu Zusatzkosten in der Produktentwicklung führen. Zudem müssen hierfür eventuell neue Lieferanten ausgewählt, qualifiziert und freigegeben werden. Nach Einführung des E-Labelings muss ein unmittelbarer Support bei Anfrage einer gedruckten Version der Gebrauchsanweisung gewährleistet sein. Prozesse zur Marktüberwachung und des Meldesystems müssen an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation 7 Auswirkungen für Technische Redakteure Vor der Realisierung einer elektronischen Gebrauchsanweisung sollten Technische Redakteure in einem interdisziplinären Team, z.B. mit Vertretern aus dem Produktmanagement, dem Qualitätsmanagement, dem IT-Bereich und der Entwicklung, die Vorteile und Nachteile diskutieren. Nach einer ausgewogenen Risiko-Nutzen-Analyse kann dann entschieden werden, ob E-Labeling für das entsprechende Produkt gewinnbringend und zielführend ist. Dabei sollte der Grad der Anpassung in Bezug auf die internen Prozesse und das Dokumentenmanagement, die Visualisierung sowie die erweiterte Risikobetrachtung zentrales Thema sein. Ist die Entscheidung für die Einführung und Umsetzung des E-Labelings gefallen, müssen Technische Redakteure die geänderten Anforderungen der EU-Verordnung in die Umgestaltung einfließen lassen. Werden Produkte sowohl vom professionellen Anwender als auch direkt vom Patienten genutzt, so bedeutet dies eine besondere Herausforderung für die Technischen Redakteure. E-Labeling darf nur dann angewandt werden, wenn die Gebrauchsanweisung für professionelle Anwender gedacht ist. Somit darf der Technische Redakteur mit der elektronischen Gebrauchsanweisung ausschließlich Fachanwender ansprechen, wohingegen die gedruckte Version gleichzeitig für den Laienanwender, aber auch den Fachanwender verfügbar sein muss. Dabei ist sicherzustellen, dass beide Versionen im Textteil den gleichen Informationsgehalt und die gleichen Begrifflichkeiten aufweisen. Ergänzende Informationen sind auf Richtigkeit zu prüfen. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen, besteht darin, zwei unterschiedliche Varianten des Medizinprodukts für die beiden Anwendergruppen deutlich zu produzieren und diese dann entsprechend entweder mit einer Papierversion für die Laienanwender oder einer elektronischen Gebrauchsanweisung für die Fachanwender auszuliefern. Bei der Auslieferung des Geräts muss beachtet werden, für wen das individuelle Produkt bestimmt ist und ob es die aktuellste und der Anwendergruppe entsprechende Version der Gebrauchsanweisung enthält. Letztendlich bedeutet die Einführung von E-Labeling nicht nur für den Hersteller eines Medizinprodukts die Umstellung seiner Prozesse, sondern erfordert auch erhöhte Aufmerksamkeit bei den Technischen Redakteuren. Entscheidungsfindung im internationalen Team Professionelle versus Laien-Anwendung 123 E-Labeling für Medizinprodukte und die Auswirkungen auf die Technische Kommunikation 8 Literatur Bundesministerium für Gesundheit (o. J.): Poster „Marktzugangsregelungen Medizinprodukte im Vergleich zu Arzneimitteln“. www.bmg.bund.de/fileadmin/ dateien/Downloads/M/Medizinprodukte/Poster_Medizinprodukte_111124. pdf [30.07.2015]. Definition Medizinprodukt. https://de.wikipedia.org/wiki/Medizinprodukt. EU-Verordnung Nr. 207/2012. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/? qid=1438180399891&uri=CELEX:32012R0207 [30.07.2015]. MEDDEV Guideline 2.14/3 REV 1. „Supply of Instructions For Use (IFU) and other information for In-vitro Diagnostic (IVD) Medical Devices“ http:// ec.europa.eu/growth/sectors/medical-devices_old/documents/guidelines/ files/meddev/2_14_3_rev1_ifu_final_en.pdf [30.07.2015]. EU-Richtlinie 93/42/EWG für Medizinprodukte. http://eur-lex.europa.eu/legalcontent/EN/TXT/?uri=CELEX:31993L0042 [30.07.2015]. EU-Richtlinie 90/385/EWG für aktive implantierbare medizinische Geräte. http:// eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1990L0385:20 071011:de:PDF [30.07.2015]. EU-Richtlinie 98/79/EG für In-vitro-Diagnostika. http://eur-lex.europa.eu/ legal-content/EN/TXT/?qid=1438180453800&uri=CELEX:31998L0079 [30.07.2015]. EU-Änderungsrichtlinie 2007/47/EC. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ TXT/?qid=1438180608636&uri=CELEX:32007L0047 [30.07.2015]. 124 Jan Dyczka Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas 1 Einführung Dieser Beitrag richtet sich an Technische Redakteure mit keinen oder minimalen juristischen Kenntnissen. Vorausgesetzt wird ein DeutschMuttersprachler mit guten Englisch-Kenntnissen. Der Beitrag zeigt auf, wie weit man vom Schreibtisch aus bei der Normenrecherche in größtenteils kostenlosen Quellen kommt. Kapitel 2 steigt direkt in die Normenarbeit ein, und Kapitel 3 zeigt Recherchemöglichkeiten in Europa und wichtigen Märkten außerhalb Europas auf. Auf die Bedeutung von Normen und ihre Anwendung geht dieser Beitrag nicht ein. 2 Normenarbeit 2.1 Normen recherchieren Dieses Kapitel beschreibt allgemein die Vorgehensweise bei der Normenrecherche. Im ersten Schritt sollte man folgende Fragen beantworten: • Welche Art Erzeugnis soll dokumentiert werden, um welchen Produkttyp handelt es sich? • Für welche Zielgruppen soll die Technische Dokumentation erstellt werden (berufliche Anwender, Verbraucher, Instandhaltungspersonal …)? • Welche Tätigkeiten sollen (oder dürfen) diese Zielgruppen ausführen? • Gibt es Vereinbarungen oder Verträge mit dem Kunden, in denen anzuwendende Normen aufgeführt sind? • Welche Dokumenttypen sollen erstellt werden (Montageanleitung, Bedienungsanleitung, Instandhaltungshandbuch …)? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus den Zielgruppen und ihren Tätigkeiten sowie manchmal aus vertraglichen Anforderungen. Es empfiehlt sich, insbesondere die erste Frage in Zusammenarbeit Schritt 1: Was soll dokumentiert werden? 125 Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas Schritt 2: Normen recherchieren und beziehen Nomenklatur von Normen Schritt 3: Irrelevante Normen und Anforderungen aussortieren 126 mit technischen Fachleuten wie Entwicklern und Produktmanagern zu beantworten: • Fachleute können Normen nennen, nach denen sie selber arbeiten. Man darf sich jedoch nicht darauf verlassen, dass die Normenliste der Fachleute vollständig ist. • Jede Norm nennt den Anwendungsbereich, für den sie gilt. Hier werden häufig technische Parameter und Grenzen angegeben, innerhalb derer die Norm gilt, oder Ausschlusskriterien genannt für Produktklassen, für die die Norm nicht gilt. Ohne gute Produktkenntnis kann man nicht entscheiden, ob eine recherchierte Norm tatsächlich relevant ist oder nicht. Die Antworten auf die Fragen in Schritt 1 liefern Stichwörter für die Suche nach potenziell relevanten Normen. Wo und wie man potenziell relevante Normen recherchiert und bezieht, ist in Kapitel 3 nach Märkten aufgeschlüsselt. Tipp: Heutzutage empfiehlt sich der Bezug von Normen in elektronischer Form, z.B. als PDF, weil man diese effizienter durchsuchen kann als ein Papierdokument. Um eine Norm einordnen zu können, ist es hilfreich zu wissen, wie sich die Nummer einer Norm zusammensetzt: • Abkürzung, anhand derer sich der Herausgeber erkennen lässt • Laufende Nummer • Ggf. Teil (von der laufenden Nummer durch Bindestrich getrennt) • Ausgabedatum (von laufender Nummer/Teil durch Doppelpunkt getrennt). Wenn eine Norm mehrere Herausgeber durchlaufen hat, werden die zugehörigen Abkürzungen vorne angehängt und ggf. das Ausgabedatum angepasst. Beispiel: • Internationale Norm: ISO 28927-5:2009 • Europäische Fassung dieser Norm: EN ISO 28927-5:2009 • Nationale Fassungen dieser Norm: DIN EN ISO 28927-5:201005 (Deutschland), NF EN ISO 28927-5:2010-08-01 (Frankreich), BS EN ISO 28927-5:2009 (Großbritannien) … Meist sind nicht alle potenziell relevanten Normen tatsächlich für den eigenen Anwendungsfall zutreffend. Also wertet man zunächst folgende Kapitel aus (die genannten Kapitel-Titel orientieren sich an deutschen Normen; in anderssprachigen Normen muss man analog verfahren): • „Anwendungsbereich“ und „Definitionen“: Bereits hier wird häufig die Frage beantwortet, ob die Norm zu Produkt, Zielgruppe(n) und deren Tätigkeiten passt. Schon nach dem Lesen dieser meist überschaubaren Kapitel kann man häufig einige recherchierte Normen beiseite legen, weil sie z.B. für einen elektrischen Spannungsbereich gelten, in dem das zu dokumentierende Erzeugnis nicht arbeitet. Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas • Kapitel mit Titeln wie „Hinweise zum Gebrauch“, „Benutzerinformation“, „…anleitung“ u.Ä. liefern Informationen darüber, was die Technische Dokumentation mindestens enthalten muss. Da nicht genormt ist, wie Technische Dokumentation in Normen bezeichnet wird, muss man in dieser Hinsicht die Normen kreativ durchsuchen. Unter Umständen enthalten nicht alle recherchierten Normen Anforderungen an die Technische Dokumentation. Aus den in Schritt 2 recherchierten Normen kann man auf diese Weise meist einige Normen wieder aussortieren. Die in Schritt 3 übrig gebliebenen Normen enthalten Hinweise für eine Nachrecherche: • Das Kapitel „Normative Verweise“ liefert möglicherweise weitere Normen, die man noch nicht gefunden hatte. • ISO-Normen haben einen sog. ICS-Code (International Classification for Standards), mit dem die Normen in Klassen eingeteilt sind. Diejenigen Klassen zu durchsuchen, in denen man bereits relevante Normen gefunden hat, kann weitere Treffer liefern. Mit den so gefundenen weiteren Normen verfährt man wie in Schritt 3. Schritt 4: Nachrecherchieren 2.2 Normen anwenden In den relevanten Normen wertet man nun gründlich diejenigen Anforderungen aus, die die Technische Dokumentation betreffen. Zu beachten ist, dass Normen abbilden, und zwar • die allgemein anerkannten Regeln der Technik • für eine große Spannbreite von Anwendungsfällen • zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Der konkrete Dokumentationsauftrag kann anders geartete oder in der Norm nicht genannte Maßnahmen erforderlich machen. Anwenden einer Norm bedeutet also nicht, den Normentext sklavisch zu erfüllen. Vielmehr muss man Inhalt und Absicht der Norm verstehen und auf den eigenen Dokumentationsauftrag sinnvoll und begründbar übertragen. 2.3 Normen verwalten Mit dem erstmaligen Recherchieren und Anwenden der relevanten Normen ist die Arbeit nicht getan. Danach sollte man Antworten auf folgende Fragen finden: • Anforderungsmanagement: Wie verwaltet und pflegt man die identifizierten Anforderungen? • Systematische Umsetzung: Wie verankert man die Anforderungen im Prozess und in der Qualitätssicherung, sodass sie zukünftig systematisch berücksichtigt werden und ihre Umsetzung geprüft wird? • Normenbeobachtung: Wie verfolgt man kontinuierlich die weitere Entwicklung der relevanten Normen? Normen können aktuali127 Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas siert werden, neue relevante Normen können herausgegeben werden und vorhandene Normen zurückgezogen und damit ungültig werden. 3 Märkte 3.1 Europa (EU) 3.1.1 Grundlagen EU-Richtlinien 128 In der EU beginnt eine Normenrecherche auf Gesetzesebene. Das klingt eigenartig, ergibt sich aber aus Folgendem: • In den Bereichen Produkthaftung und Produktsicherheit werden die grundlegenden Anforderungen heutzutage größtenteils auf EU-Ebene vorgegeben – in Form von EU-Richtlinien und EU-Verordnungen. Diese Regelwerke haben Gesetzescharakter (Details siehe unten). • Normen zu Arbeitsorganisation, Gestaltung/Usability und Informationsvermittlung haben ihren Ursprung meist ebenfalls auf internationaler oder europäischer Ebene, aber hier finden wir auch noch rein nationale Regelwerke. Im Fall einer Norm wie z.B. der DIN 5008, die sich mit sprachspezifischen typografischen Regeln befasst, wäre eine internationale Norm ganz offensichtlich nicht sinnvoll. EU-Richtlinien sind Anweisungen an die Regierungen der EUMitgliedsstaaten, die Vorgaben der EU-Richtlinien in der jeweiligen nationalen Gesetzgebung umzusetzen. Daher sind die in den EURichtlinien genannten Anforderungen, z.B. zum Inhalt von Betriebsanleitungen, in allen Mitgliedsstaaten gültig. In jeder EU-Richtlinie ist der Zeitpunkt genannt, an dem sie spätestens als nationales Gesetz in Kraft treten muss. Es ist daher sinnvoll, sich vorausschauend mit neuen oder geänderten EU-Richtlinien zu befassen, die den eigenen Tätigkeitsbereich betreffen. Auf diese Weise kann man sich frühzeitig darauf vorbereiten, welche Vorschriften man ab einem bestimmten Zeitpunkt beachten muss. Tabelle 1 listet eine Auswahl von EU-Produktsicherheitsrichtlinien und ihre Umsetzung in deutsches Recht auf. Weitere wichtige EU-Produktsicherheitsrichtlinien findet man auf www.newapproach. org und ec.europa.eu/growth. Zu beachten ist, dass im Jahr 2014 von etlichen EU-Richtlinien neue Fassungen veröffentlicht wurden, die am 20.04.2016 als nationales Recht in Kraft treten werden (Ausnahme: Die Richtlinie über Funkanlagen, 2014/53/EU, tritt erst am 13.06.2016 in Kraft). Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas EU-Richtlinie / -Verordnung Nummer neu ab 2016 Allgemeine Produktsicherheit 2001/95/EG Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) EMV 2004/108/EG 2014/30/EU EMV-Gesetz Medizinprodukte 93/42/EWG Medizinproduktegesetz Aktive medizinische Implantate 90/385/EWG Medizinproduktegesetz Bauprodukte Verordnung 305/2011 Bauproduktegesetz; Bauverordnungen der Länder Funkanlagen (und Telekommunikationsendeinrichtungen) 1999/5/EG Wirkungsgrade von Warmwasser heizkesseln 92/42/EWG Nichtselbsttätige Waagen 2009/23/EG 2014/31/EU Eichordnung Niederspannungs betriebsmittel 2006/95/EG 2014/35/EU 1. ProdSV (Verordnung zum ProdSG) Spielzeug 2009/48/EG 2. ProdSV Einfache Druckbehälter 2009/105/EG 2014/29/EU 6. ProdSV Gasverbrauchs einrichtungen 2009/142/EG 7. ProdSV Persönliche Schutzausrüstung 89/686/EWG 8. ProdSV Maschinen 2006/42/EG 9. ProdSV Sportboote 94/25/EG 10. ProdSV Geräte in explosions gefährdeten Bereichen 94/9/EG 2014/34/EU 11. ProdSV Aufzüge 95/16/EG 2014/33/EU 12. ProdSV Druckgeräte 97/23/EG 2014/68/EU 14. ProdSV 2014/53/EU Deutsches Gesetz Tabelle 1: Ausgewählte EU-Richtlinien und Umsetzung in deutsches Recht Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen Heizungsanlagenverordnung EU-Verordnungen haben unmittelbar Gesetzescharakter in allen Mitgliedsstaaten. Es bedarf bei EU-Verordnungen nicht einer nationalen EU-Verordnungen 129 Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas Harmonisierte Normen Umsetzung. Somit sind auch die in den EU-Verordnungen genannten Anforderungen in allen Mitgliedsstaaten gültig. EU-Verordnungen, EU-Richtlinien und die daraus abgeleiteten Gesetze treffen Forderungen auf einer vergleichsweise allgemeinen Ebene. Daher beauftragt der EU-Rat die folgenden europäischen Normungsorganisationen, die Forderungen der EU-Produktsicherheitsrichtlinien in technischen Normen zu konkretisieren: • CEN (Comité Européen de Normalisation = Europäisches Komitee für Normung) • CENELEC (Comité Européen de Normalisation Électrotechnique = Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) • ETSI (European Telecommunications Standards Institute = Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen). Diese Normen werden im Amtsblatt der EU als mit der jeweiligen EU-Richtlinie „harmonisiert“ veröffentlicht. Zusätzlich gibt es Normen, die mit nationalen Gesetzen harmonisiert sind. Für die deutschen Produktsicherheitsgesetze findet man Listen der harmonisierten Normen bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA; www.baua.de: >Produktsicherheitsportal >Produktinformationen >Normenverzeichnisse). 3.1.2 Empfehlungen für die Normenrecherche Kostenlose Quellen Kostenpflichtige Quellen 130 Folgende Regelwerke muss man nach Anforderungen an den konkreten Dokumentationsauftrag untersuchen: • Für das Produkt geltende EU-Richtlinien/EU-Verordnungen und dazugehörige harmonisierte Normen • Nationale Produktsicherheitsgesetze und dazugehörige harmonisierte Normen • Sonstige EU-Richtlinien und nationale Gesetze, z.B. zur Produkthaftung • Weitere, nicht harmonisierte Normen. Als Ausgangspunkte der Recherche dienen: • Technische Fachleute wie Entwickler und Produktmanager • tekom-Normenkommentar (kostenlos für tekom-Mitglieder; www.tekom.de: >Dienste >Normenkommentar) • EU-Richtlinien: Website der Europäischen Kommission (die Website gibt es aktuell nur in Englisch; ec.europa.eu/growth: Aufklappmenü „Products“ im Bereich „Legislation and standards“) • Deutsche Gesetze im Internet (www.gesetze-im-internet.de) • Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (www.baua.de) • Normenauslegestellen (kostenlose Einsicht in Normen möglich; Liste bei www.beuth.de) • Deutsches Institut für Normung e.V. (kostenlose Grundlagenartikel zur Normung, kostenlose Suche, kostenpflichtiger Bezug von Normen; www.din.de) Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas • Beuth Verlag GmbH (kostenlose Suche, kostenpflichtiger Bezug von Normen, kostenpflichtige Normenmanagement-Tools; www.beuth.de) • Normungsorganisationen der übrigen europäischen Staaten (Übersicht auf www.cen.eu: „Members“) • Auf Normenrecherche und Normenmanagement spezialisierte Dienstleister. 3.2 USA 3.2.1 Grundlagen Das US-Rechtssystem funktioniert grundlegend anders, als es der Kontinentaleuropäer kennt: • Das US-Rechtssystem ist stark einzelstaatlich geprägt. Was in einem Bundesstaat als ausreichend akzeptiert wird, kann in einem anderen Bundesstaat ein Mangel sein. • Insbesondere an Technische Dokumentation gibt es nur wenige gesetzliche Anforderungen. • Die US-Normenlandschaft ist in über 400 konkurrierende Normenorganisationen zersplittert. Eine generell anerkannte zentrale Norm für Technische Dokumentation gab es lange Zeit nicht. Inzwischen kann man davon ausgehen, dass die Rechtsprechung mindestens die Anwendung folgender Normen erwartet: ISO/IEC 82079-1, ISO/IEC Guide 37, ANSI Z535.6. • Man wird bei einer Recherche weitere Normen finden, die Hinweise auf Technische Dokumentation geben. Es ist aber fraglich, an welchen dieser Normen sich die Rechtsprechung orientiert, sodass sie als einschlägig gelten können. • Es gibt vergleichsweise wenig sog. kodifiziertes Recht, also niedergeschriebene Gesetze. Für die juristische Aufarbeitung z.B. eines Produkthaftungsfalls vor Gericht sind Präzedenzfälle entscheidender als Normen und Gesetze. • Die Grundlagen des Haftungsrechts in den USA sind denen in Europa nicht einmal unähnlich. Aber der Ablauf der Urteilsfindung ist in den USA gänzlich anders: Die Beweisaufnahme im Vorfeld einer Gerichtsverhandlung kann sich zermürbend lange hinziehen. Die Urteilsfindung, sowohl Anspruchsgrund als auch Anspruchshöhe betreffend, geschieht durch eine Jury (Geschworene) aus Durchschnittsbürgern, die i.d.R. juristische Laien sind. • Produkthaftungsverfahren in den USA kosten den Beklagten grundsätzlich viel Geld, denn unabhängig vom Ausgang des Verfahrens trägt jede Partei ihre Anwalts- und Sachverständigenkosten selber. • Im Fall einer Verurteilung werden häufig sehr hohe Schadens ersatzsummen zugesprochen. Hinzu kommt oft noch ein Straf- Wenige einschlägige Regelwerke Hohes Gewicht der Rechtsprechung Hohe Verfahrenskosten und Schadensersatzsummen 131 Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas Andere Mentalität, niedriges Bildungs niveau und Mehr sprachigkeit schadensersatz („punitive damages“) als Sanktion für verwerfliches/rücksichtsloses Verhalten. • Es ist ratsam, von einem sehr geringen Kenntnisstand der durchschnittlichen US-Anwender ausgehen. Daher ist auch trivial Erscheinendes detailliert zu dokumentieren; es sind Sicherheitshinweise zu geben, die in Europa lapidar wirken. • In den USA ist eine Mentalität weit verbreitet, dass Produkte absolut sicher sein müssen, egal wie ungeschickt oder unvorsichtig man sich als Anwender anstellt. Die Schuld für Schäden oder Verletzungen wird daher deutlich schneller beim Hersteller gesucht als in Europa. • In den USA gibt es Bundesstaaten mit einem hohen Anteil an Bürgern, deren Muttersprache nicht Englisch ist – z.B. Latinos. Dort ist es gelebte Praxis, mindestens die Sicherheitsinformationen multilingual oder textarm anzubieten. 3.2.2 Empfehlungen für die Normenrecherche In den USA sollte man nicht ohne fachkundige Begleitung tätig werden. Es ist dringend ratsam, qualifizierte Dienstleister – ggf. vor Ort – zu beauftragen, die bei der Normenrecherche und bei der Strukturierung, Formulierung und Qualitätssicherung der Technischen Dokumentation unterstützen. 3.3 China 3.3.1 Grundlagen • Das Gewährleistungs- und Produkthaftungsrecht entspricht inhaltlich ungefähr dem europäischen Recht. Unterschieden werden Schäden an der Sache selbst sowie die schuldhafte (deliktische) und verschuldensunabhängige Produkthaftung (Gefährdungshaftung). • Hinsichtlich der für die Haftung in Frage kommenden Personen greift das chinesische Produkthaftungsrecht wesentlich weiter als das europäische. Nicht nur Händler und Hersteller können haftbar gemacht werden, sondern alle, die irgendwie mit dem Geschäft in Berührung gekommen sind, z.B. Zwischenhändler, Leasinggeber, Lizenzgeber, Vermieter. • China hat sich bei den allgemeinen Produktsicherheitsnormen eng an internationale Normen angelehnt. 3.3.2 Empfehlungen für die Normenrecherche Als Einstieg in die Normenrecherche können folgende Anbieter dienen: • Europe-China Standardization Information Platform (eu-chinastandards.eu) • Normeninformationsportal der nationalen Normungsorganisationen von China (SAC) und Deutschland (DIN e.V.) (www.standards-portal.de) 132 Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas • Chinesische Normungsorganisation SAC – Standardization Administration of PR China (www.sac.gov.cn). Hier kann man in einer Suchmaske mit englischen Begriffen suchen und erhält umfangreiche Trefferlisten chinesischer Normen. Die per Klick aufrufbaren bibliographischen Daten enthalten, sofern zutreffend, die Angabe der ISO-Norm, auf der die jeweilige chinesische Norm basiert. 3.4 Russische Föderation 3.4.1 Grundlagen • Gewährleistungs-, Produkthaftungs- und Produktsicherheitsgrundsätze scheinen den EU-Verhältnissen sehr ähnlich zu sein. Allerdings gibt es in der Russischen Föderation kein spezielles Produkthaftungs- oder Produktsicherheitsgesetz. Produkthaftungs- und produktsicherheitsrechtliche Aspekte sind in anderen Gesetzen mit geregelt. • Es gibt für viele Produkte eine Konformitätsnachweispflicht und Zertifizierungspflicht ähnlich dem CE-Prinzip der EU. • Die Russische Föderation möchte sich einerseits laut offiziellem Bekunden hinsichtlich Produktsicherheit und Produkthaftung an die EU anlehnen. Andererseits weichen die normativen Anforderungen stellenweise stark von europäischen und internationalen Normen ab. Nach EN- und ISO-/IEC-Normen erstellte Technische Dokumentation sollte man nicht ohne Anpassungen in die Russische Föderation ausliefern. 3.4.2 Empfehlungen für die Normenrecherche Als Einstieg in die Normenrecherche kann die föderale Agentur für Technische Regulierung und Metrologie ROSSTANDART dienen (www.gost.ru: >En >Standards Catalogue). Hier kann man in einer Suchmaske mit englischen Begriffen suchen und erhält umfangreiche Trefferlisten russischer Normen. Der Bezug der Normen ist wie auch in anderen Ländern kostenpflichtig. Die meisten Normen liegen ausschließlich in russischer Sprache vor. Im Internet kursieren einzelne Normen in englischer und deutscher Übersetzung, deren Übersetzungsqualität jedoch nach Aussage eines Russisch-Muttersprachlers schlecht ist. Wenn man nicht selber des Russischen mächtig ist, ist man daher auf qualifizierte Unterstützung angewiesen. Auch bei der Prüfung der Konformitätsnachweis- und Zertifizierungspflicht ist die Unterstützung durch erfahrene Dienstleister ratsam. 133 Normenrecherche zur Technischen Kommunikation in der EU und für wichtige Bereiche außerhalb Europas 4 Literatur Die genannten Webseiten (alphabetisch) und ggf. angegebene Navigationsstrukturen wurden am 02.08.2015 aufgerufen: ec.europa.eu/growth eu-china-standards.eu www.baua.de www.beuth.de www.cen.eu www.din.de www.gesetze-im-internet.de www.gost.ru www.newapproach.org www.sac.gov.cn www.standards-portal.de www.tekom.de Weiterführende Literatur: Rödl & Partner (Hrsg.) (2014): Handbuch internationale Produkthaftung. Produktsicherheit in den wichtigsten Märkten weltweit. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Köln: Bundesanzeiger Verlag. Germany Trade & Invest – Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland (verschiedene Jahrgänge). Länderberichte aus der Reihe „Recht kompakt“. Bezug über www.gtai.de/recht-kompakt. 134 Matthias Schulz Risikobeurteilung und Technische Kommunikation Für die einen ist sie in erster Linie die Quelle für Sicherheits- und Warnhinweise, für andere die (oft fehlende) Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung. Für wieder andere ist sie ein notwendiges Übel zur haftungsrechtlichen Absicherung. Gemeint ist die Risikobeurteilung. Sie begegnet uns auch unter den vermeintlichen Synonymen Gefahrenanalyse, Risikoanalyse, Risikobewertung, Gefährdungsbeurteilung usw. (zur Abgrenzung der Begriffe siehe Tabelle 1). Ohne Frage ist die Risikobeurteilung aus dem Tätigkeitsfeld des Technischen Redakteurs nicht mehr wegzudenken. Dieser Beitrag behandelt folgende Fragen: • Warum ist die Risikobeurteilung von so großer Bedeutung? • Gibt es eine optimale Methode zur Risikobeurteilung? • Welche Informationen aus der Risikobeurteilung benötigen Technische Redakteure? • Welche Rolle bei der Durchführung und Dokumentation von Risikobeurteilungen können und sollten Technische Redakteure einnehmen? Begriff Definition Risikobeurteilung Gesamtheit des Verfahrens, das eine Risikoanalyse und Risikobewertung umfasst (EN ISO 12100) Risikoanalyse Kombination aus Festlegung der Grenzen der Maschine, Identifizierung der Gefährdungen und Risikoeinschätzung (EN ISO 12100) Risikoeinschätzung Bestimmung des wahrscheinlichen Ausmaßes eines Schadens und der Wahrscheinlichkeit seines Eintritts (EN ISO 12100) Risikobewertung Auf der Risikoanalyse beruhende Beurteilung, ob die Ziele zur Risikominderung erreicht wurden (EN ISO 12100) Gefahrenanalyse Synonym zur Risikoanalyse, wird in älteren EG-Richtlinien verwendet Gefährdungs beurteilung Beurteilung von Gefährdungen und Risiken am Arbeitsplatz durch den gewerblichen Arbeitgeber. Dabei werden technische Arbeitsmittel, die Arbeitsumgebung, das Arbeitsverfahren und auch die eingesetzten Materialien berücksichtigt. Tabelle 1: Begriffsdefinitionen 135 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation Gefährdung Potentielle Schadensquelle (EN ISO 12100) Risiko Kombination der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens und seines Schadensausmaßes (EN ISO 12100) Sicherheit Freiheit von unvertretbarem Risiko (ISO/IEC Guide 37) 1 Die Bedeutung der Risikobeurteilung Die gesetzliche Forderung nach einer schriftlich dokumentierten Risikobeurteilung (früher „Gefahrenanalyse“) besteht in Europa seit etwa 1995 für Maschinen, Druckgeräte, Geräte zum Einsatz in explosionsfähiger Atmosphäre und Medizinprodukte. Durch die neuen EU-Richtlinien kommt sie als Forderung 2016 auch in die Niederspannungs- und EMV-Richtlinie. Und durch die neue Produktsicherheitsverordnung wird sie ein praktisch inhärenter Bestandteil jeder Produktentwicklung (Quellen der gesetzlichen Anforderungen siehe Tabelle 2). Tabelle 2: Quellen für die gesetzliche Forderung nach einer Risikoanalyse und -bewertung bzw. Risikobeurteilung Produkt, Branche Quelle für Anforderungen Maschinen Maschinenrichtlinie 2006/42/EG Anhang I Vorbemerkungen Druckgeräte Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU Anhang II Ziff. 2 Geräte zum Einsatz in explosionsfähiger Atmosphäre ATEX-Richtlinie 2014/34/EU Anhang III Ziff. 3 c Medizinprodukte Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG Anhang III Ziff. 3.2 c EMV-relevante Geräte EMV-Richtlinie 2014/30/EU Anhang II Ziff. 3 Geräte, die an Niederspannung betrieben werden Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU Anhang III Ziff. 2 Verbraucherprodukte Entwurf einer Produktsicherheitsverordnung COM(2013) 78 final Artikel 8 Abs. 4 b Dies ist nicht weniger als überfällig. Naturgemäß und verfassungsrechtlich ist der Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit das wichtigste Qualitätsziel, das ein Produkt erreichen sollte. Andere Überlegungen – insbesondere wirtschaftliche, aber auch funktionale – müssen hinter dieser Forderung zurückstehen. Innerhalb der EU ist zudem der Umweltschutz stärker in den Fokus der Produktentwick136 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation lung gerückt worden. Dies unterstreichen gesetzliche Regelungen wie die Änderung der Maschinenrichtlinie (2009/127/EG), in der der Umweltschutz zum sekundären Schutzziel der Richtlinie erhoben wurde, und die sog. Öko-Design-Richtlinie (2009/125/EG), mit der die EU den Energieverbrauch technischer Geräte langfristig reduzieren will. Fasst man den Umweltschaden und die Klimaveränderung als verzögerte Personenschäden auf, dann ist auch aus diesem Grund eine systematische Betrachtung von Produktrisiken erforderlich. Und genau darum geht es: Die von einem Produkt während seines gesamten Lebenszyklus ausgehenden Risiken sollen systematisch erfasst und mit Gegenmaßnahmen beseitigt oder gemindert werden. Auf diesem Hintergrund muss Risikobeurteilung als Methode zur Entwicklung sicherer Produkte aufgefasst werden, weniger als Dokument zur haftungsrechtlichen Absicherung und auch nicht lediglich als Informationsquelle für die Dokumentationserstellung. Ein Zitat aus der bekannten Maschinenrichtlinie macht dies deutlich: „Der Hersteller einer Maschine [...] hat dafür zu sorgen, dass eine Risikobeurteilung vorgenommen wird [...]. Die Maschine muss dann unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Risikobeurteilung konstruiert und gebaut werden.“ Die Richtlinie ordnet die Risikobeurteilung damit vor der Konstruktion und dem Bau der Maschine in den Produktentstehungsprozess ein. Sie verlangt somit die Erwägung von Risiken in der Konzeptions- und Entwicklungsphase. Dies ist in der Praxis zwar eine Herausforderung, sachlich jedoch korrekt; denn die Ergebnisse der Risikobeurteilung sollen die Gestaltung des Produkts beeinflussen. Darauf basiert auch die haftungsrechtliche Bewertung der Risikobeurteilung. Der Hersteller kann nur durch eine dokumentierte Risikoanalyse und -bewertung nachweisen, dass er bei der Konzeption, der Konstruktion und der Herstellung des Produkts die gebotene Sorgfalt hat walten lassen. Die Risikobeurteilung entlastet dabei sowohl in Bezug auf den Produktfehler selbst (mangelnde Sicherheit) als auch im Hinblick auf die Ursache eines solchen Fehlers (eine sog. schuldhafte Pflichtverletzung). Eine systematische Vorgehensweise ermöglicht es dem Hersteller, geeignete Maßnahmen auszuwählen, die dem Stand der Technik/Wissenschaft und der Technik genügen. Gleichzeitig entlastet die systematische Vorgehensweise ihn von dem Vorwurf, er habe den Sicherheitsaspekt leichtfertig oder verkürzt betrachtet und damit den Produktfehler verursacht. Mit welchen Methoden jedoch können diese beiden Aspekte hinreichend berücksichtigt werden? Zweck der Risiko beurteilung Haftungsrechtliche Bewertung 137 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation 2 Methoden zur Risikobeurteilung In der Fachwelt besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Risikobeurteilung fünf Grundanforderungen zu erfüllen hat: 5 Anforderungen an die Risikobeurteilung EN 31010 als Methodenkompendium • Eindeutige Definition des Produkts, seines Zwecks und seiner Grenzen • Beschreibung aller Gefährdungen, die über den gesamten Lebenszyklus auftreten können. Die Gefährdungen sollen dabei Gefährdungssituationen zugeordnet sein (z.B. einem bestimmten Handlungskontext). Das zur Gefährdung führende Gefährdungsereignis soll hinreichend beschrieben werden. • Abschätzung des Risikos, das aus einem Gefährdungsereignis erwächst (Verletzungsschwere und Eintretenswahrscheinlichkeit) • Bewertung des Risikos, d.h. Entscheidung darüber, ob und, wenn ja, welche Gegenmaßnahmen getroffen werden müssen • Dokumentation der geplanten/getroffenen Maßnahmen zur Beseitigung der Gefährdung oder Minimierung des Risikos. Mit EN 31010 „Risikomanagement – Verfahren zur Risikobeurteilung“ ist 2010 ein Kompendium der verschiedensten Methoden zur Risikobeurteilung erschienen. Einige der insgesamt 29 darin beschriebenen Methoden decken nur einen Teil der fünf o.a. Anforderungen ab. Jede der Methoden dient einem bestimmten Zweck, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Vorhandensein bestimmter Informationen) angewendet werden und jede hat spezifische Vorund Nachteile. Daher sollte die Auswahl der am besten geeigneten Methode eine Entscheidung des spezifischen Einzelfalls sein, nicht dogmatischer Standpunkte. Das Studium der EN 31010 kann dem Profi daher nur wärmstens empfohlen werden. Im Folgenden wird kurz auf drei Ansätze eingegangen, die seit vielen Jahren im Maschinenbau gängig sind. In dieser Branche sind wahrscheinlich die umfangreichsten Erfahrungen mit der Risikobeurteilung gemacht worden, weil sie sehr viele Unternehmen und eine große Diversität an Technologien umfasst. In Maschinen sind praktisch alle Phänomene anzutreffen, die Menschen gefährden können. Daher lohnt sich ein Blick auf die dort verwendeten Methoden zur Risikobeurteilung. 2.1 Risikobeurteilung anhand einer Liste von Schutzzielen Die EG-Maschinenrichtlinie enthält in ihrem Anhang I eine Liste grundlegender Anforderungen an Sicherheit und Gesundheitsschutz. Es handelt sich um eine nicht ganz durchgängig strukturierte Liste sog. Schutzziele. Als Beispiel sei hier der Abschnitt 1.3.7 erwähnt. Darin wird gefordert, dass sich bewegende Teile, von denen Gefährdungen ausgehen können, während des Betriebs nicht erreichbar sein 138 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation dürfen. Sie müssen ggf. abgedeckt werden oder der Zugang zu ihnen muss überwacht werden. Solche Schutzziele lassen sich in Checklisten darstellen, mit denen man eine geplante oder vorhandene Maschine untersuchen kann. Diese Methodik wird in einigen EU-Staaten seit vielen Jahren eingesetzt (z.B. in Schweden). Ihre bedeutendste Schwäche liegt in der Art der Fragestellung: Enthält die Maschine ein Problem, das zu den angebotenen Lösungen (Schutzzielen) passt? Logischerweise ist diese Art ‚invertierter Logik‘ bei der Analyse eine Herausforderung. Die Methode ist daher praktisch nur für bereits nahezu fertig konzipierte Produkte (einschließlich aller Schutzeinrichtungen) geeignet. In diesem Stadium lässt sich mit ihr sinnvoll prüfen, ob die Schutzziele durch die Schutzeinrichtungen hinreichend umgesetzt werden. Eine Liste denkbarer Lösungen eignet sich jedoch kaum zur lückenlosen Erfassung aller Risiken. 2.2 Risikobeurteilung anhand einer Liste von Gefährdungen Bereits 1993 erschien für den Maschinenbau eine der ersten Normen überhaupt, die Leitsätze zur Risikobeurteilung festlegte: EN 1050. Diese Norm enthielt eine Liste aller denkbaren Gefährdungen, die von Maschinen ausgehen können. In der Folge entwickelte sich daraus eine Analysemethode, die in der Norm selbst gar nicht beschrieben war. Viele arbeiteten einfach die Gefährdungsliste ab und schrieben zu jeder genannten Gefährdung auf, ob und wenn ja, wo diese im Produkt vorhanden war. Da die Gefährdungsliste in Tabellenform in der Norm enthalten war, fügte man einfach weitere Spalten hinzu, um z.B. konkrete Gefährdungssituationen und -ereignisse sowie zugeordnete Schutzmaßnahmen aufzuzeichnen. Die hervorstechende Schwäche der Methode liegt auch hier in ihrer grundlegenden Fragestellung: Enthält die Maschine eines der Probleme, die in der Gefährdungsliste aufgeführt sind? Wenn ja, wo? Die Fragestellung führt zu einer Risikobetrachtung von innen nach außen, d.h. welche Stellen einer Maschine können die aufgelisteten Gefährdungen verursachen? Wo könnte man sich z.B. quetschen oder verbrennen? Bereits 1991 war jedoch in EN 292-1 gefordert worden, bei der Risikobeurteilung alle Phasen der Lebensdauer einer Maschine zu betrachten, d.h. den zeitlichen Ablauf ihres Gebrauchs zu berücksichtigen. Dies wurde rund ein Jahrzehnt kaum beachtet. Erst als im Jahr 2004 EN ISO 12100-1 als Überarbeitung erschien, fügten viele ihren Risikobeurteilungsberichten eine zusätzliche Spalte für die Lebensphasen hinzu. Die Lebensphase war der Gefährdung jedoch meist untergeordnet, so dass die Grundschwäche der Methodik erhalten blieb. Ein Beispiel für eine mit dieser Methode erarbeitete Risikobeurteilung enthält Abbildung 1. Stärken/Schwächen Stärken/Schwächen 139 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation Abb 1: Risikobeurteilung auf Basis einer Gefährdungsliste Die Schwächen der gefährdungslistenbasierten Risikobeurteilung sind offensichtlich: • Sie überfordert den Beurteiler, weil sie als Eingangsfrage stets ein Problem in den Raum stellt, nach dem dann im Produkt an allen Stellen und über alle Lebensphasen hinweg gesucht werden muss. Besonders bei komplexen Produkten mit verschiedenen Betriebsarten und vielen Betriebshandlungen führt dies dazu, dass Gefährdungssituationen übersehen werden oder unklar bleiben. • Da in manchen Situationen mehrere Gefährdungen auftreten können (z.B. Quetschen, Scheren und Stoß sowie gleichzeitig Lärm oder heiße Teile) wird die gleiche Situation mehrfach, aber unterschiedlich und an verschiedenen Stellen der Beurteilung erfasst und damit in Verbindung wird auch die Schutzmaßnahme wiederholt dokumentiert. Dies führt zu schier endlosen Copyand-Paste-Dokumenten, die wenig übersichtlich sind. Möglicherweise enthalten sie noch immer teilweise ungeeignete Schutzmaßnahmen, weil der Beurteiler durch die Methode daran gehindert wird, alle Gefährdungen zu erfassen, die sich in einer Situation ergeben können. Obwohl EN 1050 bereits im Jahr 2008 zurückgezogen und durch EN ISO 14121-1 (heute Kapitel 5 in EN ISO 12100) ersetzt wurde, wird die Risikobeurteilung auf Basis einer Gefährdungsliste leider noch immer von vielen angewendet. Sie ist sogar bis heute die Basis führender Softwareprodukte für die Risikobeurteilung. 2.3 Risikobeurteilung auf Basis von Lebensphasen und Aufgaben Die von 1991 bis etwa 2005 gesammelten Erfahrungen führten 2008 zur Veröffentlichung der EN ISO 14121-1 als Nachfolger von EN 1050. Hierin wurde erstmals hinreichend detailliert eine sog. 140 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation aufgabenbezogene Risikobeurteilung (task-based risk analysis) gefordert. Dabei wird das Produktleben zunächst in Lebensphasen unterteilt (Transport, Aufstellen, Inbetriebnahme, Betrieb, Wartung ...). Danach werden die Lebensphasen feiner untergliedert in sog. Aufgaben (Tasks). Eine Aufgabe ist demnach: • Ein Ablauf in einer Maschine, z.B. die Bewegung eines Teils oder eine Zustandsänderung wie Druckaufbau, Aufheizen usw. • Die Tätigkeit einer Person, z.B. Einlegen eines Teils • Eine Kombination aus beidem. Sobald der Ablauf und die Anwesenheit von Personen durch die Aufgaben beschrieben sind, lässt sich gezielt fragen, welche Gefährdungen damit verbunden sind. So ist es möglich. alle mit einer bestimmten Situation verbundenen Gefährdungen zu erfassen. Damit keine Gefährdungen übersehen werden, wird dazu häufig die Gefährdungsliste zu Hilfe genommen; sie ist im Anhang von EN ISO 12100 enthalten. Wesentlich ist jedoch, dass der Betrachtungsgegenstand auf einen recht eng umgrenzten Ort und eine bestimmte Situation reduziert wird. So wird der Beurteiler nicht überfordert, sondern kann sich ganz auf eine bestimmte Situation konzentrieren. Genau hier liegt aber auch der Nachteil dieser Methode: Der Blick für den Gesamtzusammenhang kann unter der Aufteilung in kleine Betrachtungseinheiten etwas verlorengehen. Dadurch können schlimmstenfalls Gefährdungen im Umfeld eines Produkts übersehen werden. Dies lässt sich jedoch vermeiden, indem man zusätzlich noch einmal die gesamte Gefährdungsliste abarbeitet. Ein Beispiel für eine mit dieser Methode erarbeitete Risikobeurteilung enthält Abbildung 2. Stärken/Schwächen Abb. 2: Risiko beurteilung auf Basis von Lebensphasen und Aufgaben Die aufgabenbezogene Risikobeurteilung eignet sich für praktisch jedes Produkt und es wird daher bereits jetzt in Kommentierungen der neuen EU-Richtlinien EMV und Niederspannung empfohlen, Risikoanalysen nach EN ISO 12100 Kapitel 5 durchzuführen. 141 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation Zweck der Risikoeinschätzung 2.4 Die Bedeutung der Risikoeinschätzung und -bewertung Wenn von Risikobeurteilung oder Risikoanalyse die Rede ist, denken viele sofort an die sog. Risikoeinschätzung mit den typischen Risikoelementen: • Verletzungsschwere • Häufigkeit und Dauer der Anwesenheit von Personen in der Gefährdungssituation • Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Gefährdungsereignisses • Möglichkeiten (menschlich und technisch), die Gefährdung zu erkennen und ihr dann auszuweichen. Die Risikoeinschätzung schließt sich unmittelbar an das Erkennen von Gefährdungen an. Ihr Ziel ist es, einen „Risikowert“ zu ermitteln. Darauf folgt dann die Risikobewertung, bei der entschieden wird, ob das Risiko vertretbar ist oder durch Maßnahmen gemindert werden muss und kann. Für Risikoeinschätzungen werden oft sog. Risikografiken wie die aus EN ISO 13849-1 verwendet (Abbildung 3). Weniger bekannt, aber meist genauer sind sog. hybride Methoden wie die Risikoeinschätzung nach EN 62061, die eine Risikografik mit einer Werte tabelle verknüpft. ISO TR 14121-2 und EN 31010 stellen viele weitere Möglichkeiten der Risikoeinschätzung dar. Abb. 3: Risikografik nach EN ISO 13849-1 Im Grunde ist es nicht so wichtig, welche dieser Methoden man einsetzt, da sie alle die gleichen Risikoelemente verwenden, jedoch mit unterschiedlich abgestuften Kriterien und unterschiedlicher Skalierung der Ergebnisse. Entscheidend ist vielmehr die Interpretation des Ergebnisses einer Risikoeinschätzung. Dabei sollte man zwei Grundsätze nicht außer Acht lassen: • Es handelt sich um Einschätzungen, nicht um Berechnungen, d.h., sie sind mehr oder weniger falsch und enthalten ein subjektives Element. 142 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation • Die Risikoeinschätzung dient nicht als Ersatz für die Risikobewertung, sondern zu deren Vorbereitung. Der zweite Punkt wird oft nicht beachtet. Immer wieder sieht man mehr oder weniger willkürliche Zuordnungen bestimmter Risikowerte zu erforderlichen Maßnahmen. Leider finden sich selbst in Normen Risikotabellen, in denen bestimmte Risikowerte als vertretbar (sprich Maßnahmen nicht erforderlich), andere als eingeschränkt vertretbar oder unvertretbar deklariert werden. Dies fördert einen verkürzten, eher arithmetischen Blick auf das Risiko und den Entscheidungsprozess, der der Risikoeinschätzung folgen soll. Bei der Entscheidung über Maßnahmen ist nicht allein das abgeschätzte Risiko ausschlaggebend, sondern vor allem der sog. Stand der Technik/Wissenschaft und der Technik. Es geht weniger darum, ob ein bestimmtes Risiko subjektiv betrachtet vertretbar erscheint als vielmehr darum, was gesellschaftlich akzeptiert wird. Ein gesellschaftlicher Konsens über die Vertretbarkeit von Risiken schlägt sich nieder in gesetzlichen Regeln und den Übereinkünften der betroffenen Kreise. Das wichtigste Mittel zur Darstellung solcher Übereinkünfte sind sicherheitstechnische Normen. Im Rahmen der Risikobewertung muss daher zwingend eine Normenrecherche durchgeführt werden. Dabei sind zwei Fragen zu beantworten: • Verlangen anwendbare Normen und andere technische Regeln nach einer Minderung des festgestellten Risikos oder sogar nach Beseitigung der Gefährdung? • Welche genormten Maßnahmen werden als geeignet betrachtet, eine möglichst weitgehende Risikominderung zu erreichen? Manchem Beurteiler sind solche Recherchen zu mühsam und er legt Schutzmaßnahmen daher eher nach Gutdünken fest. Daran schließt er dann eine sog. Nachher-Risikoeinschätzung an, bei der das Risiko nach Implementierung der Schutzmaßnahme abgeschätzt wird. Ist das Risiko jetzt geringer als zuvor und in einem als akzeptabel definierten Wertebereich, dann gilt die Risikominderung als hinreichend. Diese Vorgehensweise führt immer wieder zu sicherheitsbezogenen Konstruktionsfehlern (falsche Schutzmaßnahme, inadäquate Schutzmaßnahme, falsch ausgeführte Schutzmaßnahme). Verhindern lässt sich dies nur durch Recherchen und vertieftes sicherheitstechnisches Know-how. Übereinstimmend fordern alle EG-Richtlinien, dass bei der Auswahl von Maßnahmen zur Beseitigung von Gefährdungen oder zur Minderung von Risiken in der folgenden Reihenfolge vorgegangen werden muss: • Gefährdung konstruktiv beseitigen (d.h. beseitige eine Quetschstelle, soweit möglich). • Risiko durch technische Schutzmaßnahmen mindern. Diese Maß- Maßstäbe der Risikobewertung Normenrecherche zwingend erforderlich Vorgehen bei der Auswahl von Maßnahmen 143 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation nahmen werden Teil des jeweiligen Produkts, sodass z.B. persönliche Schutzausrüstungen nicht zu den technischen Schutzmaßnahmen gezählt werden. • Benutzer über Restrisiken informieren und davor warnen. Dabei müssen Angaben dazu gemacht werden, wie der Benutzer sich selbst schützen kann, z.B. durch sein Verhalten oder den Einsatz persönlicher Schutzausrüstung. Erst in Schritt 3 kommt die Benutzerinformation ins Spiel. Welche Informationen benötigen Technische Redakteure aus der Risikobeurteilung? 3 Warum Technische Redakteure die Risikobeurteilung benötigen Aspekte der sicherheitsbezogenen Information 144 Nach einem Jahrzehnt der Diskussion in der Branche hat sich her auskristallisiert, dass eine wesentliche Aufgabe der Benutzerinformation die Weitergabe von Warn- und Sicherheitshinweisen an den Benutzer ist. Der Gesetzgeber hat dies seit den frühen 1990er-Jahren mit immer stärkerer Vehemenz gefordert. Mit EN 82079-1 „Erstellen von Gebrauchsanleitungen“ wurde 2012 der künstliche Oberbegriff „sicherheitsbezogene Information“ geschaffen, der nun vier Aspekte umfasst: • Warn- und Signaleinrichtungen (akustisch, optisch, taktil); leider sind diese nicht in EN 82079-1, wohl aber in EN ISO 12100 und den Basisnormen für elektrische Haushaltsgeräte, medizintechnische Geräte usw. erwähnt. • Warn- und Hinweisschilder am Produkt (sog. Produktsicherheitslabel) • Sicherheitshinweise in einem einleitenden Abschnitt oder Kapitel der Benutzerinformation • Warnhinweise im Kontext der Benutzerinformation. Fragen, die eine Risikobeurteilung beantworten soll: • Welche Gefährdungen existieren in welchen Lebensphasen, bei welchen Abläufen und Tätigkeiten? • Welche technischen Schutzmaßnahmen wurden getroffen (Schutzeinrichtungen, Warneinrichtungen, Schilder)? • Welche Schutzmaßnahmen muss der Anwender selbst treffen? • Durch welche Verhaltensweisen kann sich der Anwender schützen, die Gefährdung meiden? • Welche persönliche Schutzausrüstung ist erforderlich? • Wie müssen die Nutzer qualifiziert sein, damit sie das Produkt sicher gebrauchen können? • Welche Normen wurden angewandt oder sind bei der Anleitungserstellung zusätzlich zu berücksichtigen? Risikobeurteilung und Technische Kommunikation All diese Fragen beantwortet eine professionell durchgeführte und dokumentierte Risikobeurteilung. Damit leistet sie einen entscheidenden Beitrag zur lückenlosen Weitergabe sicherheitsbezogener Informationen an den Benutzer. Es ist daher nicht erstaunlich, dass gerade EN 82079-1 die Durchführung einer Risikobeurteilung im Vorfeld der Anleitungserstellung verlangt (siehe Abschnitt 4.3 in EN 82079-1). Damit in Verbindung wird oft die Frage gestellt: Sollen Warnund Sicherheitshinweise in der Risikobeurteilung ausformuliert werden? Eine dogmatische Antwort ist nicht angezeigt. In aller Regel sind jedoch die Personen, die Risikobeurteilungen durchführen (oder durchführen sollten), keine Technischen Redakteure und damit keine professionellen Texter. Es ist daher wünschenswert, dass sie die geforderten Inhalte von Sicherheits- und Warnhinweisen spezifizieren, diese jedoch nicht ausformulieren. Sowohl die Entscheidung über die Platzierung in der Anleitung als auch über die Formulierung sollte dem ausgebildeten oder erfahrenen Technischen Redakteur überlassen bleiben. 4 Die Rolle des Technischen Redakteurs bei der Risikobeurteilung Eine besonders hitzige Diskussion ergibt sich seit einigen Jahren über die Frage, ob Technische Redakteure Risikobeurteilungen selbst durchführen sollten. Auch hier ist Dogmatismus nicht angezeigt. Naturgemäß gehört die Risikobeurteilung in den Produktentwicklungsprozess, da sie dazu dient, Maßnahmen festzulegen, die geeignet sind, die festgestellten Risiken zu mindern. Aus diesem Grunde sind primär Konstrukteure und Entwickler aufgefordert, Risikobeurteilungen durchzuführen. Jedoch fehlt es hier oft an der Fähigkeit, Sachverhalte, z.B. Gefährdungssituationen und -ereignisse, hinreichend klar und eindeutig zu beschreiben. Dies ist zweifelsohne eine Fähigkeit, die Technische Redakteure in ein Risikobeurteilungsteam einbringen können. Andererseits sollte die Risikobeurteilung nicht auf die Technische Redaktion abgeschoben werden. Das wäre besonders dann fatal, wenn es dem Produktentwicklungsprozess nachgelagert geschieht. Dadurch kann sich die Risikobeurteilung zur schriftlichen As-builtDokumentation der bereits gemachten sicherheitsbezogenen Konstruktionsfehler entwickeln. Problematisch ist diese Verlagerung auf die Technische Redaktion auch, weil viele Redakteure zwar Methodenkenntnisse in Bezug auf die Risikobeurteilung haben, nicht jedoch Detail-Know-how zur Sicherheitstechnik. Dass dies bei den Konstrukteuren oft kaum besser aussieht, ist ein Skandal, aber gewiss 145 Risikobeurteilung und Technische Kommunikation Qualifikationen für professionelle Risiko beurteilung Innerbetriebliche Voraussetzungen 146 keine Rechtfertigung, die Aufgabe vom Tisch des Konstrukteurs auf den des Technischen Redakteurs zu schieben. Wer als Technischer Redakteur Risikobeurteilungen durchführen und dokumentieren soll, benötigt Folgendes: • Profunde Kenntnis der in der jeweiligen Branche anzuwendenden Beurteilungsmethoden • Detailkenntnisse bezüglich der anzuwendenden Sicherheitsnormen, der Sicherheits- und Schutzmaßnahmen sowie deren korrekter Ausführung • Die Fähigkeit, sicherheitstechnische Mängel zu erkennen • Die Befugnis, im Unternehmen auf eine Korrektur hinzuwirken. Die erforderlichen Fachkenntnisse sind zwar meist nicht vorhanden, können jedoch durch Schulungen erworben werden. Wichtiger ist jedoch, dass Technische Redakteure ihren Teil des Sicherheitskonzepts korrekt umsetzen können. Dazu ist ein reibungsloser Informationsfluss aus der Konstruktion und Entwicklung zur Dokumentationsabteilung erforderlich. In vielen Unternehmen sind die Randbedingungen, unter denen sicherheitsbezogene Informationen entstehen und verarbeitet werden, alles andere als ideal. Der tekom-Leitfaden „Sicherheits- und Warnhinweise“ regt dazu an, Produktsicherheit in einem systematischen kollaborativen Prozess zu erarbeiten. Die folgenden Fragen sollten geklärt werden, um dafür die Voraussetzungen zu schaffen: • Wer soll wann und wie an der Risikoanalyse und der Entwicklung von Maßnahmen zur Risikominderung beteiligt sein? • Wie sollen Rückmeldungen und Erfahrungen aus dem Markt in die sicherheitsbezogene Konstruktion mit einbezogen werden? • Wer entscheidet letztlich über die Art der sicherheitsbezogenen Information, deren Platzierung und Darstellung? • Wer entscheidet ggf. über die Streichung bereits vorhandener Informationen, die durch Weiterentwicklungen überflüssig geworden sind? • Wer entscheidet über die Informationskanäle, in denen eine sicherheitsbezogene Information platziert (oder auch gelöscht) werden muss? • Wie werden Entscheidungsprozesse intern dokumentiert, damit sich das Unternehmen und seine Mitarbeiter im Haftungsfall gegen den Vorwurf der (groben) Fahrlässigkeit wehren können? Die Risikobeurteilung ist ein bedeutender Teilschritt in der Entwicklung sicherer Produkte. Technische Redakteure benötigen Zugriff auf die in der Risikobeurteilung enthaltenen Informationen, damit sie sachgerecht Sicherheits- und Warnhinweise in die Benutzerinformation einarbeiten können. In vielen Fällen sind durch das geduldige Nachfragen gerade von Technischen Redakteuren Verbesserungen in der Bearbeitung von Risikobeurteilungen initiiert worden. Durch Risikobeurteilung und Technische Kommunikation die Beteiligung von Redakteuren an Risikobeurteilungssitzungen sind die Beschreibungen von Risiken und Lösungsansätzen vielfach eindeutiger und verständlicher geworden. Dies kann man als Warnsignal auffassen, aber auch als Ermutigung, sich weiterhin in diesem Thema zu engagieren und dadurch letztlich das Berufsbild des Technischen Redakteurs noch interessanter und vielfältiger zu gestalten. 5 Literatur Heuer-James, Jens-Uwe / Schmeling, Roland / Schulz, Matthias (2014): Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise. Stuttgart: tekom. Mössner, Thomas (2013): Risikobeurteilung im Maschinenbau. Dortmund: BAuA http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/F2216.pdf ?__ blob=publicationFile&v=9 [14.12.2015] Schulz, Matthias (2011): Risikobeurteilung und Gefahrenanalyse: Methoden für Maschinen, Anlagen, Medizinprodukte und Apparate. Erkelenz: Sirantha. 147 Horst-Henning Kleiner Die Bedeutung von Arbeitsschutzund Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation Bei der Durchsicht einschlägiger Anleitungen findet man häufig folgende Formulierungen: „Die in der Betriebsanleitung aufgeführten Sicherheitshinweise, die bestehenden nationalen Vorschriften zur Unfallverhütung sowie eventuelle interne Arbeits-, Betriebs- und Sicherheitsvorschriften des Betreibers sind zu beachten.“ „Das mit Tätigkeiten an der Anlage beauftragte Personal muss vor Arbeitsbeginn die Betriebsanleitung und hier besonders das Kapitel ‚Grundlegende Sicherheitshinweise‘ sowie geltende Vorschriften gelesen und verstanden haben.“ „Ergänzend zur Betriebsanleitung sind allgemeingültige gesetzliche und sonstige verbindliche Regelungen zur Unfallverhütung und zum Umweltschutz zu beachten und von dem Betreiber durch interne Betriebsanweisungen zu ergänzen. Insbesondere sind aber die Betriebsanleitung und geltende Vorschriften so aufzubewahren, dass sie dem Bedien- und Wartungspersonal jederzeit zugänglich sind.“ So oder ähnlich fordern Hersteller die Betreiber von gewerblich einzusetzenden Produkten dazu auf, einschlägige Gesetzgebung, Unfallverhütungsvorschriften und sonstige Regelungen zu beachten, inklusive der Mahnung, die Anleitung den Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen und zu überwachen, dass sie verstanden und umgesetzt wird. Wie sinnvoll und hilfreich sind solche Aufforderungen? Dienen sie der Haftungsbegrenzung oder sollen sie Informationen ersetzen, die man ggf. in der Anleitung vergessen haben könnte? Anscheinend herrscht Unsicherheit, insbesondere dann, wenn die Inhalte dieser Regelungen dem Hersteller gar nicht bekannt sind. Deshalb hier ein Blick auf die Regelungen zur Betreiberseite. 1 Die europäische Ebene Ausgehend vom Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AUEV) sind sowohl für Hersteller als auch für Betreiber An148 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation forderungen in Richtlinien formuliert. Allerdings sind im EU-Recht die Regelungen zur Beschaffenheit von Arbeitsmitteln strikt von den Regelungen zu ihrer Benutzung getrennt. Für die Hersteller von technischen Arbeitsmitteln sind in den einschlägig bekannten Richtlinien zur Produktsicherheit grundlegende und bindende Anforderungen zu Sicherheit und Gesundheitsschutz formuliert. Zur technischen Umsetzung können vom Hersteller harmonisierte Normen herangezogen werden, deren Erarbeitung ebenfalls auf europäischer Ebene erfolgt. Die Architektur der Gesetzgebung zum Arbeitsschutz auf der Betreiber- bzw. Arbeitgeberseite ist ähnlich strukturiert. Auch hier werden auf der europäischen Ebene Richtlinien formuliert, die von den Mitgliedsstaaten in jeweils nationales Recht umzusetzen und zu konkretisieren sind. Abb.: Hersteller- und Betreiberpflichten in der europäischen und deutschen Gesetzgebung 1.1 Die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie Übergeordnete Grundlage für die Anforderungen auf der Betreiberseite ist auf europäischer Ebene die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG vom 12.06.1989, unter deren Dach eine Konkretisierung in weiteren 19 Einzelrichtlinien erfolgt. Sie dient der Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Vermeidung von Konkurrenzsituationen zwischen den Mitgliedsstaaten infolge der Ausnutzung wirtschaftlicher Standortvorteile auf Kosten des Arbeitsschutzes. Die Die Grundlage des europäischen Arbeitsschutzes 149 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation Rahmenrichtlinie definiert Mindestanforderungen und deckt die wesentlichen Risiken im Bereich der Arbeitsumwelt für den Sicherheitsund Gesundheitsschutz sowie die Arbeitshygiene ab. Bereits in dieser Richtlinie wird im Rahmen des allgemeinen Arbeitsschutzes, insbesondere in Artikel 10, auf die Pflicht zur Unterweisung der Arbeitnehmer, z.B. bei der Einführung neuer Arbeitsmittel, sowie in Artikel 12 auf die Pflicht der Arbeitnehmer, ihre Tätigkeiten entsprechend der Unterweisung auszuüben, hingewiesen. 1.2 Konkretisierung in Bezug auf Arbeitsmittel In der Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie 2009/104/EG als Einzelrichtlinie unter der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie sind die Mindestvorschriften für die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln formuliert. Der Artikel 8 beschreibt die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung der Arbeitnehmer: Unterrichtung als Arbeitgeberpflicht „(1) Unbeschadet des Artikels 10 der Richtlinie 89/391/EWG trifft der Arbeitgeber die erforderlichen Vorkehrungen, damit den Arbeitnehmern angemessene Informationen und ggf. Betriebsanleitungen für die bei der Arbeit benutzten Arbeitsmittel zur Verfügung stehen. (2) Die Informationen und die Betriebsanleitungen enthalten zumindest folgende Angaben in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz: a) Einsatzbedingungen des jeweiligen Arbeitsmittels; b) absehbare Störfälle; c) Rückschlüsse aus den bei der Benutzung von Arbeitsmitteln ggf. gesammelten Erfahrungen. (3) Die Informationen und die Betriebsanleitungen müssen für die betroffenen Arbeitnehmer verständlich sein.“ Betriebsanleitung als Instrument zur Unterrichtung Ein Instrument zur Unterrichtung ist hier ausdrücklich die Betriebsanleitung des Herstellers des technischen Arbeitsmittels, von der zudem Verständlichkeit in Bezug auf die jeweilige Zielgruppe gefordert ist. Die in Abschnitt (2) geforderten Mindestangaben decken sich mit den in Produktsicherheitsrichtlinien geforderten Mindestangaben zu den jeweiligen Betriebsanleitungen. 2 Arbeitsschutz in Deutschland Der deutsche Gesetzgeber hat die an die Hersteller adressierten Richtlinien entweder als Verordnungen zum Produktsicherheitsgesetz oder als Einzelgesetze in nationales Recht überführt. Allen ge150 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation meinsam ist die Forderung nach Benutzerinformationen, die mit dem Produkt zu liefern sind. Im Bereich des Arbeitsschutzes in Deutschland müssen sich Betreiber, konkreter die Arbeitgeber, und ebenso die Arbeitnehmer in der Erfüllung ihrer Pflichten an den nationalen Umsetzungen des Europäischen Regelwerks orientieren. 2.1 Das Arbeitsschutzgesetz Basis des deutschen Arbeitsschutzrechts ist das Arbeitsschutzgesetz, welches die Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG umsetzt und ihr inhaltlich entspricht. Demzufolge findet sich auch hier im § 12 die Arbeitgeberpflicht zur Unterweisung: „Die Unterweisung umfaßt Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Die Unterweisung muß bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen.“ Unterweisung als Grundlage sicherer Arbeit Da die Unterweisung auch bei der Einführung neuer Arbeitmittel zu erfolgen hat, spielen hier die Betriebsanleitungen der Hersteller der Arbeitsmittel eine Rolle, da der Arbeitgeber hieraus die zu unterweisenden Informationen entnehmen bzw. auf sie hinweisen muss. Nach § 12 sind die Beschäftigten verpflichtet, ihre Tätigkeiten entsprechend dieser Unterweisung und damit auch entsprechend den Inhalten der Betriebsanleitungen auszuführen. 2.2 Verordnungen zum Arbeitsschutzgesetz Ähnlich wie das deutsche Produktsicherheitsgesetz, das insgesamt 14 Richtlinien zur Produktsicherheit als Verordnungen in nationales Recht umsetzt, sind auch zum Arbeitsschutzgesetz die Einzelrichtlinien unterhalb der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie als Verordnungen erlassen worden. Beispielhaft seien hier angeführt: • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) • Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) • Biostoffverordnung (BioStoffV) • Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) • Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) • Verordnung zu künstlicher optischer Strahlung (OStrV). Die Bestimmungen der einzelnen Verordnungen werden durch technische Regeln konkretisiert, die von entsprechenden Ausschüssen erarbeitet werden. Verordnungen als nationale Umsetzung 151 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation 3 Die Betriebssicherheitsverordnung Aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes hat die Bundesregierung als eine Konkretisierung der Bestimmungen die Betriebssicherheitsverordnung erlassen, die in novellierter Fassung seit dem 01.06.2015 in Kraft ist. In Abschnitt 1, § 1 ist die Zielsetzung zu erkennen: Betriebsanleitung schafft Sicherheit „Diese Verordnung gilt für die Verwendung von Arbeitsmitteln. Ziel dieser Verordnung ist es, die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit von Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu gewährleisten. Dies soll insbesondere erreicht werden durch 1. die Auswahl geeigneter Arbeitsmittel und deren sichere Verwendung, 2. die für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignete Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren sowie 3. die Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.“ Bereits aus der Zielsetzung, Arbeitsmittel sicher zu verwenden, wird deutlich, dass dazu sicherlich eine entsprechende Betriebsanleitung erforderlich ist, die bezogen auf den Verwendungszweck (bestimmungsgemäße Verwendung) die notwendigen Informationen zur Sicherheit im Umgang mit dem Arbeitsmittel bereitstellt und Anforderungen an die jeweilige Qualifikation der Handelnden benennt. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, in welchen weiteren Abschnitten der Verordnung das Thema Betriebsanleitung eine Rolle spielt. Betriebsanleitung als Informationsquelle für Gefährdungs beurteilungen 3.1 Die Gefährdungsbeurteilung In Abschnitt 2, § 3 ist der Arbeitgeber aufgefordert, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen, um die bei der Verwendung der Arbeitsmittel auftretenden Gefährdungen zu ermitteln und daraus entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. In der damit verbundenen Informationsbeschaffung nach Absatz 4 spielen neben den vom Ausschuss für Betriebssicherheit erarbeiteten Regeln zur Betriebssicherheit (nach § 21) auch Herstellerinformationen eine Rolle: „(4) Der Arbeitgeber hat sich die Informationen zu beschaffen, die für die Gefährdungsbeurteilung notwendig sind. Dies sind insbesondere die nach § 21 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse, Gebrauchs- und Betriebsanleitungen sowie die ihm zugänglichen Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Der Arbeitgeber darf diese Informationen übernehmen, sofern sie auf die Arbeitsmittel, Arbeitsbedingungen und Verfahren in seinem Betrieb anwendbar sind. Bei der Informationsbe- 152 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation schaffung kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die vom Hersteller des Arbeitsmittels mitgelieferten Informationen zutreffend sind, es sei denn, dass er über andere Erkenntnisse verfügt.“ Arbeitsgrundlage für die Gefährdungsbeurteilung und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen sind also auch die Gebrauchs- und Betriebsanleitungen der Hersteller, die der Arbeitgeber entsprechend dem letzten Satz des Absatzes 4 durchaus einer kritischen Betrachtung unterziehen soll. 3.2 Der Arbeitgeber als Hersteller Arbeitsmittel müssen den für sie geltenden Gemeinschaftsrichtlinien zur Produktsicherheit entsprechen und nur dann dürfen sie verwendet, also in Betrieb genommen werden. Das bedeutet natürlich, dass sie mit einer den Richtlinienanforderungen entsprechenden Anleitung begleitet sein müssen und ohne diese nicht verwendet werden dürfen. Die Lieferung der Anleitung zu einem späteren Zeitpunkt darf also vom Arbeitgeber nicht akzeptiert werden. Eine besondere Situation für den Arbeitgeber ist immer dann gegeben, wenn er seine Arbeitsmittel selbst herstellt: Richtlinienkonforme Arbeitsmittel „§ 5 (3) Der Arbeitgeber darf nur solche Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und verwenden lassen, die den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz entsprechen. Zu diesen Rechtsvorschriften gehören neben den Vorschriften dieser Verordnung insbesondere Rechtsvorschriften, mit denen Gemeinschaftsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt wurden und die für die Arbeitsmittel zum Zeitpunkt des Bereitstellens auf dem Markt gelten. Arbeitsmittel, die der Arbeitgeber für eigene Zwecke selbst hergestellt hat, müssen den grundlegenden Sicherheitsanforderungen der anzuwendenden Gemeinschaftsrichtlinien entsprechen.“ Bei diesen Arbeitsmitteln wird er selbst zum Hersteller und unterliegt der Pflicht zur Erstellung einer Anleitung, die den Anforderungen der jeweils geltenden Gemeinschaftsrichtlinien zur Produktsicherheit entsprechen muss. 3.3 Die Pflicht zum Beachten In § 6 wird darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass die erhaltenen Informationen, also auch Anleitungen, Kennzeichnungen und Gefahrenhinweise auch tatsächlich beachtet werden. Gerade an dieser Stelle wird deutlich, dass der Hinweis in der Betriebsanleitung eines Herstellers, die darin enthaltenen Informationen zur Sicherheit zu beachten, überflüssig ist. 153 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation 3.4 Sicherheit in der Instandhaltung Die Erfahrung zeigt, dass Tätigkeiten an Arbeitsmitteln, insbesondere an Maschinen und Anlagen, die jenseits des Normalbetriebs stattfinden, oftmals mit zusätzlichen Gefährdungen und höheren Risiken einhergehen. Das betrifft vor allen Dingen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten. Wartung und Instandsetzung auf Grundlage der Betriebsanleitung „§ 10 Instandhaltung und Änderung von Arbeitsmitteln (1) Der Arbeitgeber hat Instandhaltungsmaßnahmen zu treffen, damit die Arbeitsmittel während der gesamten Verwendungsdauer den für sie geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen entsprechen und in einem sicheren Zustand erhalten werden. Dabei sind die Angaben des Herstellers zu berücksichtigen. Notwendige Instandhaltungsmaßnahmen nach Satz 1 sind unverzüglich durchzuführen und die dabei erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen. (2) Der Arbeitgeber hat Instandhaltungsmaßnahmen auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung sicher durchführen zu lassen und dabei die Betriebsanleitung des Herstellers zu berücksichtigen. Instandhaltungsmaßnahmen dürfen nur von fachkundigen, beauftragten und unterwiesenen Beschäftigten oder von sonstigen für die Durchführung der Instandhaltungsarbeiten geeigneten Auftragnehmern mit vergleichbarer Qualifikation durchgeführt werden.“ Hier wird zum einen gefordert, den sicheren Zustand des Arbeitsmittels immer wiederkehrend gegen die Herstellerinformationen zu prüfen und ggf. durch entsprechende, aus den Anleitungen abzuleitende Maßnahmen wieder herbeizuführen. Das bedeutet natürlich, dass eine Anleitung diese Informationen auch tatsächlich und umfänglich beinhaltet. Betrachtet man dazu z.B. die Mindestanforderungen zur Betriebsanleitung im Anhang I der EG-Maschinenrichtlinie, dann wird man feststellen, dass dort insbesondere auf den Bereich Wartung und Instandsetzung abgehoben wird. Inhaltliche Anforderungen aus Richtung des Arbeitsschutzes sind demzufolge nicht notwendig. Das unterstreicht nochmals die strikte Trennung der gesetzlichen Regelungen für die Hersteller- und Betreiberseite. Auch in diesem Zusammenhang wird in Abschnitt (2) auf die Pflicht zur Unterweisung verwiesen, die in § 12 der Betriebssicherheitsverordung ausführlich behandelt wird. 3.5 Die Pflicht zur Unterweisung Einen wichtigen Aspekt des Arbeitsschutzes stellt die Unterweisung der Beschäftigten dar. Zielsetzung ist, auf die Gefährdungen und Risiken sowohl im Umgang mit den Arbeitsmitteln als auch in der Ar- 154 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation beitsumgebung hinzuweisen, um damit sicherheitsgerechte Arbeitsweisen zu veranlassen. Der § 12 behandelt dieses Thema umfassend. Das zentrale Instrument zur Unterweisung ist hier die schriftliche Betriebsanweisung, die auf der Basis der ihm zur Verfügung stehenden Informationen vom Arbeitgeber in verständlicher Form und Sprache zu verfassen ist. Das ist, so gesehen, eine Aufgabenstellung, zu deren Umsetzung das in der Technischen Kommunikation bekannte Wissen herangezogen werden muss, also eigentlich eine Aufgabe auch für Technische Redakteure. Eine besondere Rolle der Betriebsanleitung, bzw. wie es dort heißt Gebrauchs- oder Bedienungsanleitung, wird in Abschnitt (2) beschrieben. Die mitgelieferten Anleitungen des Herstellers können an die Stelle der Betriebsanweisung treten, wenn sie deren notwendige Inhalte ebenfalls abdecken. „§ 12 (2) Bevor Beschäftigte Arbeitsmittel erstmalig verwenden, hat der Arbeitgeber ihnen eine schriftliche Betriebsanweisung für die Verwendung eines Arbeitsmittels zur Verfügung zu stellen. Satz 1 gilt nicht für einfache Arbeitsmittel, für die nach § 3 Absatz 4 des Produktsicherheitsgesetzes nach den Vorschriften zum Bereitstellen auf dem Markt eine Gebrauchsanleitung nicht mitgeliefert werden muss. Anstelle einer Betriebsanweisung kann der Arbeitgeber auch eine mitgelieferte Gebrauchsanleitung zur Verfügung stellen, wenn diese Informationen enthält, die einer Betriebsanweisung entsprechen. Die Betriebsanweisung oder die Gebrauchsanleitung muss in einer für die Beschäftigten verständlichen Form und Sprache abgefasst sein und den Beschäftigten an geeigneter Stelle zur Verfügung stehen. Die Betriebsanweisung oder Bedienungsanleitung ist auch bei der regelmäßig wiederkehrenden Unterweisung nach § 12 des Arbeitsschutzgesetzes in Bezug zu nehmen. Die Betriebsanweisungen müssen bei sicherheitsrelevanten Änderungen der Arbeitsbedingungen aktualisiert werden.“ Aufgabenstellung für die Redaktion Anforderungen an die Anleitung Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass es zu den Pflichten des Arbeitgebers gehört, sich mit den Inhalten von Anleitungen auseinanderzusetzen und für ihre innerbetriebliche Umsetzung zu sorgen. 4 Unfallverhütungsvorschriften Ein besonderes deutsches eigenständiges Regelwerk stellen die Unfallverhütungsvorschriften (UVVen) dar. Erlassen durch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung DGUV sind sie mit derzeit 84 Unfallverhütungs vorschriften als bindendes Regelwerk 155 Die Bedeutung von Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften für die Technische Kommunikation DGUV-Vorschriften und zahlreichen weiteren Regeln, Informationen und Grundsätzen ein umfassendes, vor allem in Richtung der DGUV-Vorschriften bindendes Regelwerk, das seinerseits auf das Arbeitsschutzgesetz und weiteres staatliches Regelwerk verweist. Sie stellen für jedes Unternehmen und für jeden Beschäftigten (Versicherten) verbindliche Pflichten bezüglich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz dar. Wie zu erwarten, ist auch hier der Verweis auf die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften in Anleitungen von Herstellern überflüssig. Denn bereits in der DGUV Vorschrift 1 wird auf die Unterweisungspflicht gemäß Arbeitsschutzgesetz und die Vermittlung der Inhalte weiterer Unfallverhütungsvorschriften verwiesen. Zudem verpflichtet der § 15 die Arbeitnehmer (Versicherten) zum Befolgen der Anweisungen, die sie vom Unternehmer (Arbeitgeber) erhalten haben. Das erstreckt sich, wie aus dem Vorhergehenden zu ersehen, auch auf Anleitungen zu Arbeitsmitteln. 5 Fazit Spätestens in der Auseinandersetzung mit der Betriebssicherheitsverordnung, die übrigens auch in den Herstellerbetrieben umzusetzen ist und damit bekannt sein sollte, wird klar, dass eingangs zitierte Verweise in Anleitungen auf die Betreiberpflichten völlig überflüssig sind. Gesetzliche Pflichten der Betreiber/Arbeitgeber und selbst der Arbeitnehmer sind auch ohne Aufforderung durch die Hersteller zwingend umzusetzen. Anleitungen sollen produktspezifische Informationen enthalten und insbesondere zu den Gefährdungen und Risiken Stellung nehmen, die im Umgang mit dem Produkt auftreten. Wie aus den zitierten Gesetzen ersichtlich, sind Anleitungen im Arbeitsbereich ein Baustein in der Unterweisungspflicht. Wenn man von der Forderung nach Verständlichkeit in Bezug auf die Zielgruppen absieht, finden sich in den oben angeführten gesetzlichen Regelungen zum Arbeitsschutz keine konkreten formalen oder inhaltlichen Vorgaben, die an die Produkthersteller gerichtet sind. Sie müssen sich an ihren Regelwerken orientieren und vor Augen haben, dass die Qualität des Arbeitsschutzes auch von der Qualität ihrer Anleitungen abhängt. 156 Peter Ebenhoch Auswirkungen von ComplianceRegelungen auf Technische Kommunikation 1 Technische Dokumentation in VUKA-Zeiten 1.1 Bedienungs- oder Managementfehler? Am 4. Februar 2015 startete in Taipeh eine ATR 72 mit 58 Personen an Bord. 37 Sekunden nach dem Start gab es eine Feuerwarnung an einem der zwei Triebwerke. Der Flugkapitän wollte es abschalten, betätigte aber den falschen Hebel und stoppte irrtümlicherweise das intakte Triebwerk. Die Maschine verlor dadurch an Höhe, drehte sich auf eine Seite, traf mit der nach unten zeigenden Tragfläche eine Brücke und stürzte schließlich ab. Der Unglückspilot starb mit 42 weiteren Menschen an Bord. Seine letzten vom Voicerekorder überlieferten Worte waren: „Wow, habe den Hebel auf der falschen Seite gezogen“. 1 Am 31. Oktober 2014 stürzte das Raumflugzeug SpaceShipTwo ab. Der Pilot hatte bei Mach 0,82, bereits 13 Sekunden nach der Raketenzündung, das Federsystem entriegelt. Das klappte sich daraufhin wegen der Luftströmung von selbst aus, obwohl dies erst 26 Sekunden nach dem Start bei Mach 1,4 hätte erfolgen sollen. Das Raumflugzeug zerbrach über der Mojave-Wüste im Westen der USA. Als Unfallursache galt deshalb ein „Pilotenfehler“, obwohl diese Beurteilung die Begleitumstände (extreme Beschleunigung, nahe Schallgeschwindigkeit, erster Testflug eines Raumflugzeugs, enges Pilotencockpit und -anzüge) außer Acht lässt. Zudem war genau diese mögliche Absturzursache drei Jahre zuvor in einer Risikoanalyse erkannt und in einer E-Mail und einer Powerpoint-Präsentation erwähnt worden. Die zuständige Luftfahrtbehörde FAA tolerierte das Problem aber, weil sie keinen Experten zur Einschätzung menschlicher Fehler hatte. 2 In beiden Fällen geht es um technische Compliance. Dieser Beitrag möchte klären, welche Rolle technische Compliance in Bezug auf die Technische Dokumentation hat. 1 http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/transasia-flugzeugabsturz-durch-pilotenfehler-verursacht-13680924.html [15.07.2015]. 2http://www.heise.de/newsticker/meldung/Pilotenfehler-fuehrte-zu-Absturz-des-Space-ShipTwo-2764544.html [30.07.2015]. 157 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation 1.2 Volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig? VUKA ist ein Akronym für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Es bezeichnet im unternehmerischen Kontext Situationen, in denen etablierte Führungsmechanismen wie Hierarchie, Planung, Macht, Kontrolle nicht mehr richtig greifen. 3 Als Ursache dafür werden Auswirkungen aktueller Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte wie Globalisierung, Digitalisierung, Wettbewerbsdruck, Diversität, disruptive Veränderungen usw. gesehen. Die von VUKA umschriebenen Umstände sind nicht per se negativ. Es zeigt sich aber immer öfter, dass diese etablierte Managementmethoden überfordern. Es werden alternative Methoden angeboten: Teamorientierung, partizipative Führung, stärkere Kundenorientierung, eine kürzere Taktung der Planungsintervalle und mehr Transparenz im Unternehmen. Strategieentwicklung war früher oft eine exklusive Angelegenheit der Geschäftsleitung und von teuer entlohnten Strategieberatern. Heute wird mehr auf eine stete, iterative und integrative Strategieentwicklung unter Mitwirkung aller Mitarbeiter gesetzt. 1.3 Agile Methoden Nicht mehr so angesagt sind auch klassische Projektmanagement methoden wie das V-Modell. 4 Es sieht vor, dass jedes Projekt vor dem Projektbeginn bis ins Detail durchgeplant wird, sodass möglichst keine Planungsänderungen notwendig sind und dass in Bezug auf die Projektdauer, auf Kosten und Risiken eine möglichst hohe Kongruenz der ursprünglichen Planung und der Umsetzungsrealität erzielt werden kann. Stattdessen sind agile Methoden wie z.B. Scrum angesagt. Diese kommen aus der Softwareentwicklung und finden im Managementkontext immer mehr Anklang (http://agilemanifesto.org/iso/de/). Anstatt ein Projekt von vornherein durchzuplanen und dann stur umzusetzen, soll unter Einbindung des Kunden im Wochentakt oder gar täglich geprüft werden, welche Erwartungen zu priorisieren sind, was seit dem letzten Treffen umgesetzt werden konnte und welche Aufgaben im nächsten Arbeitsintervall (Sprint) anstehen. 1.4 Horizontale Hierarchisierung Soziologen bezeichnen diese Veränderung als „horizontale Hierarchisierung“ (Bergknapp 2002, 277): Der Chef ist als hierarchisch übergeordnete Autorität weniger wichtig. Stattdessen wird auf einer horizontalen Ebene im Team mit Kunden und Projektbeteiligten lau 3 VUCA z.B. im Harvard Business Review: https://hbr.org/2014/01/what-vuca-really-means-foryou [15.07.2015]. 4 Das V-Modell wird vorwiegend von staatlicher Seite genutzt: http://www.cio.bund.de/Web/ DE/Architekturen-und-Standards/V-Modell-XT/vmodell_xt_node.html [31.07.2015]. 158 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation fend abgeklärt, wie mit den Erwartungen, Herausforderungen und Widrigkeiten am besten umgegangen werden soll. 1.5 Auswirkungen von Ressourcenmangel und Wettbewerbsdruck auf die Technische Redaktion Die mit VUKA umschriebenen Phänomene führen zu immer kürzeren Produktzyklen, kürzeren Reaktionszeiten, höheren Innovationserwartungen, einer größeren Variantenvielfalt, weniger Budgets für die Konzeption, Gestaltung, Übersetzung und das Lektorat. Die Technische Redaktion sieht sich dadurch häufig unternehmensintern einem immer höheren Druck ausgesetzt und wird oft um Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten beschnitten. 1.6 Texthäppchen – schwer verdaulich? Die ohne Zweifel effiziente modulorientierte Dokumentation führt nicht selten dazu, dass Technische Redakteure kontextarm und unter Zeitdruck einzelne Textfragmente erstellen müssen. Im Raster der von einer Unternehmenssoftware generierten Stückliste müssen in aleatorischer Abfolge und nicht selten unter einer quantitativen Erfolgskontrolle atomare Textmodule erstellt und angepasst werden. Es besteht kaum Einfluss auf die spätere Textkohärenz und auf die Layoutierung. Etwaige resultierende Mängel werden allerdings der Redaktion angelastet. Die Zahl der Textmodule stellt das Erfolgskriterium dar, weniger deren Qualität und Ausführlichkeit, die häufig als reiner Kostenfaktor (für Papier, Lesezeit und Übersetzungskosten) gesehen wird. 1.7 Auswirkungen von Industrie 4.0 Laut der Gartner Group, einem internationalen Technologie-Beratungsunternehmen, befindet sich das Internet der Dinge ganz oben auf dem „Hype Cycle“. Damit ist der Zeitpunkt gemeint, an dem sich ein Begriff vom Schlagwort zur technischen Alltagsrealität entwickelt (http://www.gartner.com/newsroom/id/2819918). In Deutschland wird diese neue Technologie, bei der Objekte über das Internet kommunizieren können, vorwiegend unter dem Begriff der Industrie 4.0 diskutiert und propagiert. 5 Produkte bleiben dadurch ihre ganze Lebenszeit hindurch parametrisierbar, nicht nur bis zum Zeitpunkt des Verkaufs. Industrieanlagen und Produktionsstrecken können als cyberphysikalische Systeme ‚on the fly‘ umgerüstet werden (Ebenhoch 2014b). Diese durch Software ermöglichte technische Variabilität flexibilisiert die Eigenschaften eines technischen Produkts oder einer 5 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Zukunftsprojekt Industrie 4.0. 159 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation Maschine, sodass sie sich einer statischen technischen Beschreibung weitgehend entzieht. Die Rolle der Technischen Dokumentation wird sich dadurch stark verändern. Technische Redakteure werden zunehmend dafür sorgen müssen, dass Abläufe und Rahmenbedingungen dokumentiert sind und dass die Generierung von Informationsprodukten noch stärker automatisiert wird. 1.8 Ergebnis Technische Redakteure haben es offenbar nicht leicht in VUKAZeiten: Hektik, Zeit- und Budgetknappheit, Automatisierung, Regulierung und Kundenerwartungen erzeugen einen hohen Druck und schränken die Autonomie häufig ein. Welche Rolle spielt nun Compliance in diesem Kontext? Ist sie einfach eine weitere formelle Daumenschraube oder vielleicht sogar ein Instrument zur Orientierung und zur qualitativen Unterstützung der redaktionellen Arbeit? Nach einer Einführung in Compliance wird zunächst die formelle Seite vorgestellt und anschließend das Konzept einer materiellen Compliance entwickelt, wie es zur Unterstützung und Verbesserung der Technischen Redaktionsleistungen genutzt werden kann. 2 Compliance – was ist das? Laut den Pressemeldungen hatte der Unglückspilot im Mai 2014 einen Simulatortest nicht bestanden, erst in der Nachprüfung klappte es. Sollte man in diesem Fall, wie ein Leserkommentar mit dem Titel „Pilotenfehler? Nein Managementfehler [...]“ empfiehlt, das Management vor einen Richter stellen, weil es seine Aufsichtsfunktion nicht ausgeübt hat? Dagegen spricht, dass der Pilot die Nachprüfung doch bestanden hat und er und das Luftfahrtunternehmen die Auflage somit erfüllt haben. Im zweiten Fall, dem Absturz des SpaceShipTwo, gab es gar keine behördliche Auflage, auch nicht zur technischen Verhinderung eines solchen Fehlverhaltens. Was hat es damit auf sich? Kann das Management oder gar die Behörde für ein individuelles Fehlverhalten des Piloten verantwortlich sein? Könnte auch die Technische Redaktion für die fehlerhafte Gestaltung von Trainingsunterlagen verantwortlich gemacht werden? 2.1 Herkunft: Compliance als ‚Therapietreue‘ Der Begriff der Compliance stammt aus der Medizin. Er bezeichnet die aktive Mitwirkung des Patienten bei der vom Arzt empfohlenen Therapie. 160 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation Der Patient verhält sich ‚compliant‘, wenn er sich an die vom Arzt verordneten Maßnahmen hält, die zu seiner Gesundung führen sollen: Er nimmt also die vorgeschriebenen Medikamente ein und hält sich an ärztliche Empfehlungen wie regelmäßige Bewegung, Mäßigung beim Alkoholkonsum, Verzicht auf Nikotin usw. 2.2 Compliance als Regeltreue Compliance bezeichnet ein Verhalten, bei dem man die verordneten Regeln einhält. Die Überschneidung mit dem Begriff Rechtskonformität ist offensichtlich. In der Tat wird der Begriff der Compliance auch häufig synonym zu Rechtskonformität verwendet. Ein Unterschied besteht darin, dass ein Rechtsverstoß in der Regel erst im Nachhinein rechtlich verfolgt und sanktioniert wird. Also erst dann, wenn sich ein Gefahrenpotenzial, in der Juristensprache ein „Erfolg“, aktualisiert hat, also schon etwas passiert ist. Compliance-Vorschriften hingegen zielen auf die Vermeidung von Schäden im Vorhinein. Entsprechend kann die Nichteinhaltung von Compliance-Vorschriften durch die zuständige Behörde auch rechtlich verfolgt werden, wenn noch gar kein Schaden eingetreten ist oder vielleicht sogar gar keiner eintreten würde. So werden z.B. beim RAPEX-Verfahren Produkte aus dem Verkehr gezogen, die nicht den technischen Richtlinien entsprechen, unabhängig davon, ob sie gefährlich sind oder nicht (http://ec.europa.eu/consumers/safety/ rapex/alerts). 2.3 Welchen Vorteil bieten Compliance-Regeln? So wie der Arzt dem Patienten schlecht verordnen kann, gesund zu werden, so wenig kann der Gesetzgeber einem Luftfahrtunternehmen verbieten, Flugzeuge abstürzen zu lassen. Und so einfach wie der Arzt dem Patienten Bewegung und gesunde Ernährung verordnen kann, so einfach kann der Gesetzgeber Auswahl, Schulung und das Training von Piloten festlegen. Der Vorteil für den Patienten dabei: Welche Bewegung der Patient macht und ob er Obst und Gemüse lieber am Vor- oder Nachmittag und roh, gedünstet oder durchgekocht isst, bleibt weitgehend ihm überlassen. Der Vorteil für das Luftfahrtunternehmen: Welche Pilotinnen und Piloten es auswählt, wo die Schulung stattfindet, wie es diese organisiert usw., bleibt ihm überlassen. Der Gesetzgeber tut sich zudem schwer, in technischen Detailfragen rechtliche Vorgaben zu setzen. Deshalb gibt es seit fast 100 Jahren eine Aufgabenteilung zwischen dem Recht und der Technik. Erstere regelt die verbindlichen sicherheitsbezogenen Ziele, letztere sieht technische Empfehlungen vor, wie die rechtlich geforderten Sicherheitsmaßstäbe konkret umgesetzt werden können. Compliance-Regeln bieten also den Vorteil, dass das Unterneh161 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation men selbst entscheiden kann, wie es diese ausgestaltet und welche Abläufe es vorsieht, um regeltreu zu handeln. Compliance ist demnach ein Konzept zur regulierten Selbstregulierung, das Freiräume zur innerbetrieblichen Ausgestaltung rechtlicher Vorschriften vorsieht (Ebenhoch 2009). 2.4 Compliance und Controlling Controlling ist ein innerbetriebliches Managementinstrument zur Nachprüfung, ob selbst gesetzte Ziele erreicht worden sind. Controlling wird in der Regel in im Vorhinein definierten Intervallen durchgeführt. Compliance ist ein vom Rechtssystem zwingend in Organisationen installiertes Instrument zur eigenen Entlastung und Komplexitätsreduktion, das vorbeugend wirken soll. Ganz im Sinne des Risikomanagements empfiehlt sich die proaktive Installation eines Compliance-Managements, das sich im Vor aus um die Risikoreduktion kümmert. Häufig wird die Einrichtung eines unternehmensinternen Compliance-Beauftragten und einer Compliance-Organisation aber rechtlich gefordert, insbesondere bei Banken zur Vermeidung von Geldwäsche. Dadurch wird im Unternehmen Regeltreue vorweg installiert und institutionalisiert. Im Unterschied zum Controlling wirkt eine solche institutionalisierte Compliance-Organisation also im Vorhinein. 3 Technische Normung als Compliance-Regeln 3.1 Entstehung der technischen Normung Vor mehr als 100 Jahren führte die industrielle Revolution zu Innovationen wie Druckkessel, Transformatoren und Eisenbahn. Dadurch entstand ein neues Gefahrenpotenzial, das sich zu Beginn dieser technischen Entwicklungen häufig realisierte. Druckkessel explodierten, Transformatoren brannten aus, Eisenbahnen stießen zusammen. Wegen der zahlreichen Unfälle wurde die Gesetzgebung auf den Plan gerufen. Natürlich wollte sie diese gefährlichen technischen Produkte, Maschinen und Anlagen regeln und kontrollieren – und zwar mit juristischen Mitteln. Dies wiederum beunruhigte die Unternehmen und ihre Ingenieure. Sie befürchteten, von technischen Laien eingeschränkt zu werden und dadurch das Potenzial dieser neuen Technologien nicht oder nicht rasch genug ausschöpfen zu können (Vec 2006). Dem wollten sie vorbeugen und gründeten firmenübergreifend Verbände, die sich um technische Sicherheit kümmern sollten. Dazu sollten Rahmenvorgaben erarbeitet werden, die als ‚Leitplanken‘ der technischen Entwicklung die notwendige Grundsi162 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation cherheit gewährleisten und dies auch der Rechtsetzung gegenüber glaubhaft gewährleisten können. Dies war die Geburtsstunde der technischen Normung. Der Plan ging auf: Schließlich war auch der Gesetzgeber erleichtert, sich nicht in diese technischen Feinheiten im Allgemeinen und im Einzelfall vertiefen zu müssen. Er kann heute einfach prüfen, ob das CE-Zeichen angebracht ist und ob das vorgesehene Verfahren dazu (z.B. eine Risikoanalyse, eine Bauartprüfung) eingehalten wird. 3.2 Funktionsweise des New Approach Möglich macht dies das Aufgreifen und die rechtliche Institutionalisierung dieses Konzepts in den 1980er-Jahren im Rahmen der Europäischen Union, um so eine einheitliche technische Normung für den gemeinsamen Markt zu schaffen. Bis dahin waren in jedem einzelnen Land der damaligen Europäischen Gemeinschaft die jeweiligen lokalen Regeln maßgeblich. Es wurden im Rahmen des New Approach europaweite Richtlinien (mit Rechtswirkung) eingeführt, an die die europäische Normung andocken konnte. Rechtlich werden dabei allgemeine sicherheitsbezogene Vorschriften festgelegt, die konzertierte Konkretisierung erfolgt durch die in Europa harmonisierte Normung. 3.3 Rechtliche Bedeutung des New Approach Rechtlich bedeutsam sind an sich lediglich die (derzeit 33) im Rahmen des New Approach verabschiedeten Richtlinien. Theoretisch bleibt es die alleinige Sache jedes Unternehmers, welche technischen Wege er geht, um diese Rechtsvorschriften einzuhalten. Im Fall des Falles, wenn also ein Schaden eintritt, muss er allerdings nachweisen, wie und warum er diese Vorgabe konkret sicherheitstechnisch umgesetzt hat. Praktisch dürfte das nicht einfach sein und vom technischen Sachverständigen, der in solchen Fällen regelmäßig vom Richter beauftragt wird, ausführlich nachgeprüft werden. Der Maßstab dafür wird in der Regel die einschlägige technische Norm sein. Die wurde ja von branchenspezifischen Fachleuten erstellt, um die rechtlichen Vorgaben zu konkretisieren. Bei einer abweichenden technischen Umsetzung müsste der Unternehmer nachweisen, dass seine Lösung ebenso sicher ausfiel wie die von den Sachverständigen in der technischen Norm vorgeschlagene. Das dürfte recht schwierig sein. 3.4 Bedeutung in der Dokumentationspraxis Rechtlich maßgeblich für die Dokumentationspraxis und normative Referenz ist und bleibt die einschlägige EU-Richtlinie nach dem New Approach. 163 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation Technische Normen erleichtern aber die Umsetzung in der Praxis und sind zudem auch eine wertvolle Unterstützung für die technische Redaktionsarbeit, einerseits als Konkretisierung der EU-Richtlinien, andererseits als legitime Argumentationshilfe für die interne Verankerung der redaktionellen Tätigkeit. 4 Formelle Compliance Formelle Compliance ist die eigentliche, rechtliche Compliance. Ihr wird im nachfolgenden Kapitel die materielle Compliance gegenübergestellt, die hier als Begriff neu eingeführt wird. 4.1 Organisationsverschulden „Wer zu einer Handlung verpflichtet ist und nicht selbst handelt, sondern seiner Verpflichtung durch den Einsatz von Hilfspersonal nachkommt, der muss für Einsatz, Anleitung und Kontrolle des Hilfspersonals sorgen.“ Diese Bestimmung des § 823 BGB ist die Grundlage für das sogenannte Organisationsverschulden. Damit ist gemeint, dass ein Geschäftsführer oder Vorstand eines Unternehmens nicht nur für sein eigenes direktes Fehlverhalten haftet, sondern auch für regelwidriges Verhalten seines Personals. Daraus lässt sich z.B. auch die Pflicht der Geschäftsführung ableiten, Vorsorge zur ordnungsgemäßen Erstellung Technischer Dokumentation gemäß den EU-Richtlinien zu treffen. 4.2 Ausdrücklichkeit und Schriftlichkeit Niemand muss grundsätzlich über sein rechtskonformes Verhalten Buch führen. Und wird Verhalten als rechtswidrig sanktioniert, so helfen Einwände dagegen nur bedingt. Wer z.B. einem anderen absichtlich ein Bein stellt, sodass dieser stürzt und sich verletzt, hat offenbar und je nach Umstand direkt den Schaden verursacht und kann wegen Körperverletzung belangt werden. Es ist hier (mehr oder weniger) offensichtlich, dass eine Rechtsvorschrift schuldhaft verletzt worden ist. Geht aber eine Maschine kaputt, weil die Wartungsanleitung unvollständig war oder das falsche Schmiermittel vorgesehen hat oder stirbt gar jemand wegen eines Bedienungsfehlers an einer Maschine, ist die Angelegenheit komplizierter. Hier hat das menschliche Verhalten nicht direkt, sondern durch das zwischengeschaltete technische Artefakt (Produkt, Maschine, Anlage) den Schaden verursacht. Es ist deshalb unklar, ob tatsächlich eine Rechtsvorschrift verletzt worden ist – auch wenn alle rechtlichen Sicherheitsvorschriften und technischen Normen beachtet worden 164 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation sind, können sich Restrisiken verwirklicht und zu Schäden geführt haben. Der einfachste Weg, um das zu prüfen, ist die Nachprüfung, ob alle von EU-Richtlinien und technischen Normen vorgesehenen Compliance-Regeln eingehalten worden sind, also vorgesehene Verfahren durchgeführt worden sind und geforderte Dokumente vorliegen. Die Einhaltung von Compliance-Vorschriften ist deshalb die eine Aufgabe, die andere, gleich wichtige, diese Einhaltung zu dokumentieren. Während für die Öffentlichkeit bestimmte Informationsprodukte in der Regel ohnehin verfügbar sein sollten, können interne Abläufe mit Hilfe von Prozessmodellierungs-Werkzeugen einfach visuell dargestellt und dokumentiert werden (Ebenhoch 2011). Aber auch firmeninterne Notizen, Memos und E-Mails können im Fall des Falles rechtsrelevant verwertet werden. 4.3 Schulungsaufgabe Aus dem oben genannten § 823 BGB ergeben sich auch die Anforderungen an die Geschäftsführung für eine adäquate Auswahl und Ausbildung der zur Technischen Dokumentation beauftragten Mitarbeiter. Argumentative Unterstützung findet sich neuerdings auch in der EN 82079-1. 4.4 Überwachung und Kontrolle Das Etablieren eines normenkonformen Prozesses ist das eine, die adäquate Ausführung und nachhaltige Sicherung der Einhaltung das andere. Überwachung und Kontrolle gehören deshalb auch zu Aufgaben, die sich aus dem Compliance-Modell ergeben. Aus Sicht der Technischen Redaktion ist das eine inhaltliche, formale und layoutbezogene Qualitätsprüfung, des Weiteren hinsichtlich terminologischer Aspekte und hinsichtlich der Übersetzungsqualität. Ein Problem, das sich daraus ergeben kann, besteht in der modulorientierten Umsetzung von Technischer Dokumentation, die häufig die frühere, dokumentenbezogene abgelöst hat. Bei vielen Systemen vermindert oder verunmöglicht dies die Ad-hoc-Eingriffsmöglichkeit Technischer Redakteure und so können durch fehlerhafte Generierungsmechanismen leicht Serienfehler entstehen. 4.5 Kennzahlen Technische Dokumentationsprozesse und auch die Einhaltung von Compliance-Vorschriften können mit Kennzahlen ergänzt werden. Die Prozessqualität wird so quantifiziert und bewert- bzw. steuerbar gemacht. 165 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation Mit Bezug auf Compliance ist dabei die Unterscheidung zwischen Kennzahlen wichtig, die zur aktiven Steuerung eines Prozesses im Vorhinein nützlich sind, und solchen, die eine Bewertung im Nachhinein erlauben (in der Fachterminologie: lead indicators vs. lag indicators). So kann ins Marketing investiert werden (lead), um die Verkäufe zu steigern und so den Gewinn zu erhöhen (lag). Die direkte Erhöhung des Gewinns hingegen ist schwierig, weil er das Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit darstellt. Der übliche Versuch, das doch hinzubekommen, besteht darin, einfach die Kosten zu senken. Das geht aber nur so lange gut, bis es den Kern der wirtschaftlichen Tätigkeit trifft. 4.6 Systeme zur Autorenunterstützung Die Ermittlung von Kennzahlen ist ihrerseits mit Aufwand verbunden. Im Bereich Technischer Dokumentation erleichtern Autorenunterstützungssysteme die automatische Gewinnung einiger relevanter Kennzahlen: Satzlänge, Zahl der verwendeten Fremdwörter, die Umsetzung regelbasierten Schreibens usw. – all dies lässt sich bei der Integration in ein Redaktionssystem automatisch ermitteln und dokumentieren. 5 Materielle Compliance Compliance wird gemeinhin lediglich als rechtlich-formelle Compliance verstanden. Im Fall des Falles, wenn also rechtliche Probleme auftauchen, zählen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens schließlich auch Fakten und Nachweise darüber, ob Compliance-Regeln eingehalten worden sind. Der Begriff einer materiellen Compliance scheint deshalb entbehrlich. In der Praxis führt dies allzu oft dazu, dass den formalen Anforderungen nur pro forma Genüge getan wird, der fachliche und handwerkliche Aspekt aber auf der Strecke bleibt. Trotz der Einführung eines Berichtswesens, von modularen Dokumentationsprozessen, von Kennzahlensystemen und der Durchführung von Schulungen kann die entstehende Dokumentation immer noch erstaunliche Mängel zeigen. Um dem entgegenzuwirken, wird deshalb hier der Begriff der materiellen Compliance etabliert und vorgestellt. 5.1 Begriff der materiellen Compliance Unter materieller Compliance wird das subjektive Bestreben von Technischen Redakteuren verstanden, die Regeltreue der erstellten Dokumentation sicherzustellen. Es geht dabei darum, „eine Arbeit 166 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation um ihrer selbst willen gut zu machen“ (Sennett 2009). Zur materiellen Compliance zählen deshalb • eine fachliche Ausbildung und Interesse an der eigenen weiteren Entwicklung • technisches Verständnis und Interesse • das Bestreben, zielgruppengerecht zu kommunizieren • terminologische Sensibilität • Neugier und Qualitätsstreben • Klarheit über den Beitrag technischer Redaktionsleistungen für die Wertschöpfung im Unternehmen • und nicht zuletzt: Selbstbewusstsein und vielleicht sogar Stolz über die Rolle als Technische Kommunikatoren. 5.2 Organisationstheoretische Aspekte materieller Compliance Die systemische Optimierbarkeit und Effizienzsteigerung technischer Redaktionsprozesse hat ihren Sinn und Nutzen, aber auch ihre Grenzen. Die Modularisierung einzelner kleiner Informationsschnipsel, die unternehmensweite Vereinheitlichung von Textblöcken für Sicherheitshinweise, die nahtlose Integration technischer Redaktionsprozesse in optimierte Konstruktions- und Fertigungsprozesse der technischen Nutzung, die zunehmende Nutzung von Maschinenübersetzungen, all das hat seine Berechtigung und führt zu Kostensenkungen. Leicht bleibt dabei aber die Flexibilität auf der Strecke und es geht der Bezug des entstehenden bzw. generierten Informationsprodukts zum dokumentierten Produkt oder zur dokumentierten Anlage verloren. Was dann oft entsteht, ist das, wofür Technische Dokumentation bei vielen Menschen bekannt ist: schwer oder gar nicht verständliche Dokumente, ohne Bezug zu den tatsächlichen Fragen, die bei der Montage, Nutzung und Wartung von technischen Artefakten auftauchen, bestenfalls ein Anlass zur Heiterkeit. Compliance ist ohne Zweifel ein guter Anlass, um dem entgegenzuwirken, aber kein Garant dafür. 5.3 Technische Dokumentation als Kulturtechnik Mit einer Anspielung auf „Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten“ von Pirsig hat Crawford diese Auswirkungen der Industrialisierung Technischer Dokumentation prägnant kritisiert. In seinem 2009 erschienenen Buch „Shop Class as Soulcraft“ beschreibt er im lesenswerten Kapitel „The Service Manual as Social Technology“ (176–179) zunächst den Wert, den ein mit Herz und Erfahrung geschriebenes Wartungshandbuch für einen Autoschrau167 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation ber haben kann, und dann die Mühsal industriell erstellter Dokumentationen, bei denen die Autoren seiner Meinung nach keinen Bezug mehr zu den von ihnen dokumentierten Objekten haben (können oder dürfen). 5.4 Beispiele für fehlende materielle Compliance • Übersetzungsqualität der DIN EN 82079-1: Die Übersetzung der EN 82079-1 ins Deutsche ist sehr mangelhaft, obwohl mit hoher Sicherheit der korrekte Übersetzungsprozess eingehalten worden ist und vermutlich alle Regeln zur Erstellung der Norm beachtet worden sind. • Getriebereparatur für einen Audi S8 (D2): Die Getriebereparatur für dieses Liebhaberfahrzeug ist offiziell gut dokumentiert. Ein Bekannter schreckte davor aber zurück, weil sie laut Vertragswerkstätte fast eine Woche gedauert hätte (>30 h), zu entsprechend hohen Kosten. Ein darauf spezialisierter Mechaniker mit entsprechend viel Erfahrung konnte das Fahrzeug auf Basis seiner handgeschriebenen Notizen locker innerhalb eines Arbeitstages (8 h) reparieren. 5.5 Materielle Compliance aus Sicht des Unternehmens Aus der Sicht des Unternehmens geht es bei der materiellen Compliance um die Auswahl fachlich begabter Mitarbeiter und um die nachhaltige und wirkungseffiziente organisatorische Verankerung im Unternehmen. Den Compliance-Regeln soll also nicht nur pro forma Genüge getan werden, sondern auch durch die interne Wertschätzung und Anerkennung der Technischen Redaktion und deren Verankerung schon früh im Wertschöpfungsprozess. Anknüpfungspunkte und quasi Einfallstor für materielle Compliance sind die schon erwähnten rechtlichen Regelungen wie das Organisationsverschulden und technische Normen wie die DIN EN 82079-1. 5.6 Zum Abschluss Bei beiden Beispielen zu Beginn wurden übrigens die erwähnten Compliance-Regeln von den Unternehmen beachtet: Im ersten Bei spiel wurde die Nachschulung des Piloten offenbar erfolgreich durchgeführt, wenn auch im zweiten Anlauf. Im zweiten Fall wurden die Ergebnisse der Risikoanalyse offenbar von der Behörde selbst nicht ernst genommen und eine Ausnahme zur Compliance-Regel zugelassen. Es fehlte dort offenbar eine Person mit materiellem ComplianceVerständnis. 168 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation 6 Zusammenfassung • Compliance ist ein Mittel zur Komplexitätsreduktion. • Die Gesetzgebung entlastet sich, indem sie nur Rahmenbedingungen und Verfahren zur Erreichung technischer Sicherheit durch die Unternehmen selber festlegt. • Umsetzungsrelevante Details werden nicht durch Rechtsnormen erzwungen, sondern in die technische Normung ausgelagert. • Formelle Compliance erfordert die Einhaltung von Verfahrensvorschriften und Abläufen (z.B. die Durchführung einer Risikoanalyse). • Mindestens so wichtig wie die Befolgung formeller compliancerelevanter Vorschriften ist die Dokumentation der Einhaltung. • Ohne innere Bezugnahme, Engagement und ein ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein erschöpft sich formelle Compliance leicht in leeren Verfahren und in Äußerlichkeiten. • Aus Sicht einer solchen materiellen Compliance geht es um die Redaktionsarbeit als Haltung und als wertschöpfende Tätigkeit zur Qualitätssicherung. • Die Regeln der formellen Compliance können als Argumenta tionsgrundlage zur Erreichung und Förderung materieller Compliance dienen. • Technische Compliance und die aktive Rolle der Technischen Redaktion zur Mitwirkung und Moderation werden im Kontext einer VUKA-Umwelt und angesichts technischer Entwicklungen (wie Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge) zunehmend stärker nachgefragt werden. 7 Literatur Artikel- und Materialsammlung zu Compliance auf der Website der tekom. http:// www.tekom.de/fachartikel/rechtliche-anforderungen.html [28.07.2015]. Baecker, Dirk (1999): Organisation als System. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Baecker, Dirk (2003): Organisation und Management. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Bergknapp, Andreas (2002): Ärger in Organisationen. Eine systemische Strukturanalyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Bundesministerium für Bildung und Forschung (2015): Zukunftsprojekt Industrie 4.0. http://www.bmbf.de/pub/Industrie_4.0.pdf, http://www.bmbf.de/ de/9072.php [28.07.2015]. Crawford, Matthew B. (2009): Shop Class as Soulcraft. New York/London: Penguin. Ebenhoch, Peter (2009): Visualisierung und Formalisierung regulierter Selbstregulierung im Wirtschaftsrecht. Universität Innsbruck: Dissertation. Ebenhoch, Peter (2011): Ein Prozessreifemodell für die Technische Dokumentation, tekom-Frühjahrstagung, Potsdam. Ebenhoch, Peter (2014a): Strategische Aspekte von Terminologiearbeit. Deutscher Terminologie Tag, edition 2/2014. 169 Auswirkungen von Compliance-Regelungen auf Technische Kommunikation Ebenhoch, Peter (2014b): Schöne neue Systemwelt. In: technische kommunikation 6, 56–61. Europäische Union: New Approach Standardisation in the Internal Market. http:// www.newapproach.org/Directives/DirectiveList.asp [28.07.2015]. Fischer, Thomas M. / Möller, Klaus / Schultze, Wolfgang (2015): Controlling. Grundlagen, Instrumente und Entwicklungsperspektiven. 2. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Gartner Group (2015): Gartner’s 2014 Hype Cycle for Emerging Technologies Maps the Journey to Digital Business. http://www.gartner.com/newsroom/ id/2819918 [28.07.2015]. Inderst, Cornelia / Bannenberg, Britta / Poppe, Sina (Hrsg.) (2013): Compliance: Aufbau – Management – Risikobereiche. Heidelberg: C. F. Müller. Kreckwitz, Stefan (2013): Eine Lücke im System. In: technische kommunikation 4, 20–23. Macho, Thomas (2008): Das Wissen der Hände. Richard Sennetts Essay über das Handwerk. Zürich: NZZ, 24.01.2008. http://www.nzz.ch/das-wissen-derhaende-1.656681 [28.07.2015]. Pirsig, Robert M. (1978): Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten. Berlin: S. Fischer. Sennett, Richard (2009): Handwerk. Berlin: Berlin Verlag. Straub, Daniela (2008): 101 Kennzahlen für die Technische Kommunikation. http:// www.tekom.de/publikationen/studien/101-kennzahlen-fuer-die-technischekommunikation.html [28.07.2015]. Vec, Miloš (2006): Recht in der Industriellen Revolution: Recht und Normierung in der Industriellen Revolution. Neue Strukturen der Normsetzung in Völkerrecht, staatlicher Gesetzgebung und gesellschaftlicher Selbstnormierung. Frankfurt/Main: Klostermann. 170 Die Autoren: Biografische Notizen Dipl.-Red. Jan Dyczka, geb. 1971, Studium der Technischen Redak tion an der Fachhochschule Hannover. Von 1998 bis 2001 Technischer Redakteur in einem mittelständischen Unternehmen in Hannover, seit 2002 Technischer Redakteur und Normenansprechpartner für TD-relevante Normen bei der Siemens AG in Braunschweig. Seit 2003 tekom-Qualifizierungsberater. Seit 2005 korrespondierendes und seit 2008 festes Mitglied im tekom-Normenbeirat. Dr. Peter Ebenhoch, PMP, CAS-HSG, geb. 1966, Studium der Rechtswissenschaften und Rechtsinformatik an den Universitäten Innsbruck und Wien, Dissertation über „Visualisierung und Formalisierung compliancebezogener Rechtsnormen“. ICTProjektmanager, Experte für nachhaltige Unternehmenskommunikation und digitale Strategieentfaltung. Seit 2015 Management Consultant für Industrie 4.0 und Smart City Development bei der effectas GmbH, Zürich. Prof. Dr. Dagmar Gesmann-Nuissl, geb. 1963, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Heidelberg. Seit 2011 Inhaberin der Professur für Privatrecht und Recht des geistigen Eigentums an der Technischen Universität Chemnitz. Zahlreiche Studien und Veröffentlichungen zum unternehmensbezogenen Innovations- und Technikrecht, Mitherausgeberin von „Technikrecht – Rechtliche Grundlagen des Technologiemanagements“ sowie der Zeitschrift „Innovations- und Technikrecht (InTeR)“. Dipl.-Ing. Torsten Gruchmann, geb. 1971, Studium der Physikalischen Technik an der Fachhochschule Münster. Bis 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Münster, Fachbereich Biomedizinische Technik. Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Use-Lab GmbH Steinfurt, ein Dienstleistungsunternehmen für Medizingerätehersteller im Bereich Usability und User-Interface Design. Prof. Dr. Jörg Hennig, geb. 1941, Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität zu Köln. Professor für Linguistik des Deutschen und für Journalistik (Medienpraxis) am Institut für Germanistik I und am Institut für Journalistik der Universität Hamburg bis 2006. 1986–88 Vizepräsident der Universität Hamburg. Seit 2007 Mitgesellschafter der Textagentur Hennig&Tjarks GbR. 171 Die Autoren: Biografische Notizen Jens-Uwe Heuer-James, geb. 1967, Studium der Rechtswissenschaft, Rechtsanwalt seit 1996, Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft; seit 1998 verantwortlich für den tekom-Rechtsdienst, Mitglied des tekom-Normenbeirats. Arbeitsgebiete: Recht der Technischen Dokumentation, Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht, Vertragsrecht sowie die Vertretung vor Gericht und gegenüber der Marktüberwachung. Horst-Henning Kleiner, geb. 1950, seit 1988 Geschäftsführender Gesellschafter der tecteam Gesellschaft für Technische Kommunikation mbH in Dortmund. Arbeits- und Beratungsschwerpunkte: rechtliche Grundlagen der Technischen Dokumentation und der CE-Kennzeichnung. Dr. Claudia Michaela Klumpp, geb. 1975, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen. Von 2006 bis 2012 Rechtsanwältin und Rechtsberaterin in Stuttgart. Nach dem Abschluss als Betriebswirtin an der Württembergischen Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie seit 2013 bei der tekom Referentin für Normen. Gerhard Lierheimer, geb. 1958, Ausbildung im Bereich Hochfrequenz- und Luftfahrttechnik. Studium der Elektro- und Energietechnik. Seit 1991 Technischer Redakteur und Redaktionsleiter, seit 2000 Inhaber und Geschäftsführer der SL innovativ GmbH. Stellvertretender Vorsitzender im RL-Ausschuss VDI 4500, Mitarbeit im AK Technische Dokumentation VDMA. Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für TD und Mitglied im Prüfungsausschuss der IHK. Dr. Annette D. Reilly, geb. 1948, Studium der Englischen Literatur an der Rice University und Brandeis University sowie Information Systems an der George Washington University. Bis 2014 Senior Staff Mitglied bei Lockheed Martin, Führungs- und Entwicklungsarbeit für ISO/IEC JTC 1/SC7/WG2, System- und Softwaredokumentation; Mitglied des IEEE Standards Association Standards Board und IEEE Computer Society Standards Activity Board; vierfache Gewinnerin des IEEE-CS Outstanding Contribution Awards. Dipl.-Phys. Roland Schmeling, geb. 1966, geschäftsführender Gesellschafter der Schmeling + Consultants GmbH, Heidelberg, Unternehmensberatung für Technische Kommunikation. Seit 1999 Berater und Trainer, Schwerpunkte Informationsqualität, Analyse und Standardisierung, Konformität, Normung und strategische Entwicklung. Seit 2004 Lehrauftrag für Qualitätssicherung. Fachzertifizierer des TÜV SÜD und Mitglied im tekom-Normenbeirat. 172 Die Autoren: Biografische Notizen Matthias Schulz, geb. 1962, staatl. geprüft. Wirtschaftsassisstent Fremdsprachen und Korrespondenz, staatl. geprüft. Übersetzer Technik. 1985–1990 Aufbau und Leitung der Abteilung Technische Dokumentation bei Arburg Maschinenfabrik, Loßburg. Seit 1990 selbständig als Technischer Übersetzer und Redakteur, Berater für CE-Kennzeichnung und Maschinensicherheit. Prof. Dr. Marita Tjarks-Sobhani, geb. 1948, Studium der Germanistik, Anglistik und Pädagogik an der Universität Hamburg. Wissenschaftliche Angestellte an der Universität Hamburg, Kommunikationsberaterin in einem Münchner Elektro-Konzern. Seit 2007 Mitgesellschafterin der Textagentur Hennig&Tjarks GbR und Professorin für Technische Redaktion und Studiengangsleiterin an der Hochschule für Angewandte Sprachen, München. Philipp Windgassen, geb. 1982, Staatlich geprüfter und beeidigter Übersetzer und Dolmetscher. Seit 2009 freiberuflicher Dolmetscher und Übersetzer für die englische Sprache. Seit 2011 Dozent für allgemeines sowie technisches Übersetzen und Dolmetschen an der Berufsfachschule und Fachakademie des SDI München; außerdem seit 2013 Dozent im Studiengang Mehrsprachige Technische Redaktion an der Hochschule für Angewandte Sprachen, München. Abraham de Wolf, geb. 1959, in den USA und Deutschland aufgewachsen, seit 1996 international als Jurist in der Softwarebranche tätig; Führungspositionen bei SAP und zwei US-Konzernen bis zur Selbständigkeit als Rechtsanwalt. Mandanten: z.B. LucySoftware (maschinelle Übersetzung, SAP Translations). Anwaltliche Schwerpunkte: Softwareverträge, Datenschutz und Urheberrecht. 173 Index A Abschätzung des Risikos............................................ 138 Agentur für Technische Regulierung........................ 133 Agile Methoden........................................................... 158 Akt, kreativer.................................................................. 56 Alignment Package........................................... 29, 31, 32 Anlagebauvertrag........................................................... 43 Anleitungen, textfreie................................................... 98 ANSI Z535............................................... 76, 96, 97, 131 App................................................................................ 102 Arbeitsmittel....... 66, 135, 150, 151, 152, 153, 154, 155 Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie............................. 150 Arbeitsschutzgesetz............................................ 151, 156 Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie............... 149, 150, 151 aufgabenbezogene Risikobeurteilung.............. 140, 141 B Berner Konvention....................................................... 53 Beschaffenheitsangabe................................................. 64 Beschaffenheit, übliche.......................................... 44, 46 Betriebssicherheitsverordnung................. 151, 152, 156 Beweislastumkehr.......................................................... 83 C Case Law......................................................................... 60 CE-Richtlinien............................................................... 33 CE-Zeichen.................................................................. 163 CE-Zulassung.............................................................. 116 Code of Federal Regulations....................................... 76 Compliance. 6, 157, 160, 161, 162, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 170 Controlling.......................................................... 162, 170 Copyright-Zeichen........................................................ 54 CPSC (Consumer Products Safety Commission)..... 75 D Datenschutz................................................................. 173 174 Deliktsrecht.................................................................... 61 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung............... 155 Deutsches Institut für Normung.............................. 130 DIN EN 82079-1....... 23, 29, 95, 97, 99, 100, 101, 168 DIN EN ISO 21898..................................................... 69 DIN EN ISO 82079-1................................................. 22 DIN-Fachbericht 146................................................... 24 Discovery-Verfahren..................................................... 39 Dokumentation, modulorientierte............................ 159 Dokumentationspflicht................................... 38, 39, 40 Druckgeräterichtlinie........................................... 38, 136 E e-discovery...................................................................... 74 EG-Maschinenrichtlinie 2006/42............ 43, 44, 68, 69 Eingehungsbetrug......................................................... 65 Einzelfallentscheidung.................................................. 61 EN 82079-1......... 23, 29, 94, 95, 97, 99, 100, 101, 144, 145, 165, 168 Endgeräte, mobile....................................................... 102 EN ISO 12100.................. 135, 136, 139, 140, 141, 144 EU-Richtlinien.... 86, 89, 116, 117, 128, 129, 130, 136, 141, 164, 165 EU-Verordnungen...................................... 128, 129, 130 EU-Verordnung Nr. 207/2012....... 117, 118, 122, 124 F Fallrecht.......................................................................... 73 FDA (Food and Drug Administration)...................... 75 Fehlanwendung....................................................... 17, 32 Formen, multimediale................................................. 120 Freihandelsabkommen................................................. 72 G Gebrauchsanweisung, elektronische....... 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123 Gefährdung.......... 66, 96, 136, 138, 139, 142, 143, 144 Index Gefährdungsbeurteilung................... 135, 152, 153, 154 Gefährdungssituation................................................. 142 Gefahrenanalyse......................................... 135, 136, 147 Gefahrenhinweis.................................................. 96, 153 Geschäftsbedingungen, Allgemeine........................... 27 Gesetz über technische Vorschriften......................... 86 Gestaltung, funktionale................................................ 99 Gewährleistung................................................. 38, 79, 83 Gewährleistungsrecht......................... 24, 26, 46, 51, 82 Guidelines for Preparation.......................................... 88 H Haftung, deliktische...................................................... 84 Haftungsbegrenzung...................................... 48, 51, 148 Haftungsbegrenzungsklausel....................................... 50 Haftungsrecht................................................... 49, 72, 73 Haftungsrisiko.................................... 41, 50, 78, 79, 101 Handlungsanleitung........................................................ 9 Herstellerinformation.................................. 38, 152, 154 I ICS-Code...................................................................... 127 Identifikationspflicht..................................................... 38 IEC 82079-1:2012/DIN EN 82079-1:2013.............. 95 IKEA-Klausel................................................................ 43 individualisiertes Informationsprodukt........................ 8 Information, sicherheitsbezogene............................ 144 Inhaltsverzeichnis....................................... 93, 94, 98, 99 Instandhaltung...................................................... 23, 154 Instanzenzug.................................................................. 61 Instruktionsfehler............................................. 25, 67, 71 Internet der Dinge............................................. 159, 169 interrogatories................................................................ 74 Inverkehrbringensrecht......................................... 43, 63 ISO 17100:2015.................................................... 78, 100 ISO Guide 37................................................................. 24 ISO/IEC 26514:2008........................................ 107, 114 ISO/IEC 27000........................................................... 109 ISO/IEC/IEEE 15289..................................... 109, 114 ISO IEC IEEE 26514.................................................. 99 ISO/IEC/IEEE 26531..................................... 112, 114 J Jury...................................................... 73, 74, 75, 78, 131 K Katze in der Mikrowelle........................................ 72, 80 Kennzahlen................................................. 165, 166, 170 Kindertee-Entscheidung.............................................. 66 Ko-Autor........................................................................ 55 Komplexitätsreduktion...................................... 162, 169 Konformitätsbewertungsverfahren................... 31, 116 Konformitätserklärung.......................................... 14, 39 Konformitätsnachweis......................................... 32, 133 Konnektivität................................................................... 8 Kosteneinsparungen.......................................... 120, 121 L Lebensphase.......................... 11, 88, 139, 140, 141, 144 Lesbarkeit.............................................................. 95, 102 Liste von Gefährdungen............................................ 139 Lizenz.............................................................................. 50 M Mangelfolgeschaden...................................................... 48 Mängelgewährleistungsrecht........................................ 47 Mängelhaftung............................................................... 89 Marktüberwachung... 14, 15, 29, 30, 31, 33, 34, 37, 40, 69, 122 Marktverhaltensregel..................................................... 25 Maschinenrichtlinie... 43, 44, 66, 68, 69, 71, 86, 87, 92, 99, 136, 137, 138, 154 MEDDEV 2.14/3 REV 1......................................... 117 Medizinprodukt................................... 28, 115, 116, 124 Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG.......... 18, 117, 136......................................................................................... N Nebenpflichten, vertragliche........................................ 45 NEC (National Electrical Code)................................. 76 New Approach.......................... 12, 13, 16, 30, 163, 170 New Legislative Framework. 13, 29, 30, 31, 32, 33, 36 Nichtkonformität, formale.......................................... 22 175 Index NiederspannungsRL.............................................. 19, 22 Nomenklatur von Normen........................................ 126 Normenrecherche. 6, 125, 128, 130, 131, 132, 133, 143 Normen, zielgruppenorientierte............................... 107 O Operational Documentation........................................ 88 Operation manuals........................................................ 87 Organisationsverschulden................................. 164, 168 P Patentrecht..................................................................... 54 Pflichtenkatalog............................................................. 39 Phasen der Lebensdauer............................................. 139 Plagiat.............................................................................. 36 Post-Editing............................................................ 56, 59 Präzedenzfall......................................................... 73, 131 pre trial discovery.......................................................... 73 Produktentwicklungsprozess..................................... 145 Produktfehlgebrauch.................................................... 67 Produkthaftungsrecht.... 61, 63, 71, 72, 75, 78, 93, 132 Produktsicherheit...... 21, 22, 29, 30, 31, 40, 71, 74, 78, 79, 86, 90, 93, 128, 129, 133, 134, 146, 149, 151, 153 Produktsicherheitsgesetz.... 20, 29, 32, 35, 40, 68, 129, 133, 150, 151 Produktsicherheitsrecht.. 12, 20, 22, 24, 26, 29, 30, 63, 68, 172 Produktsicherheitsrichtlinie. 14, 20, 31, 32, 33, 34, 35, 36 Produktsicherheitsverordnung..... 5, 15, 30, 33, 34, 35, 36, 39, 40, 136 Produzentenhaftung.............................................. 25, 71 Programmierungsaufwand......................................... 122 Q Qualitätsmanagement.......................................... 63, 123 Qualitätssicherung....... 77, 79, 101, 110, 127, 132, 169, 172, 178 Quelltext......................................................................... 57 176 R Rahmenliefervertrag..................................................... 49 RAPEX-System............................................................. 31 Redaktionssystem............................................... 103, 166 Regeln der Technik..... 5, 76, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 101, 102, 103, 127 requests........................................................................... 74 Restatement of the Law.................................. 71, 73, 80 Richtlinie...... 13, 18, 19, 24, 31, 34, 35, 86, 87, 88, 117, 124, 128, 129, 130, 136, 137, 150, 163 Risikoanalyse....... 38, 39, 40, 43, 68, 69, 119, 135, 136, 137, 142, 146, 157, 163, 168, 169 Risikobeurteilung.... 6, 77, 79, 101, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 144, 145, 146, 147 Risikobewertung......................................... 135, 142, 143 Risikoeinschätzung...................................................... 142 Risikoklasse......................................................... 115, 116 Risikomanagementsystem.......................................... 122 Rohübersetzung...................................................... 56, 57 ROSSTANDART........................................................ 133 S Sachmangel.............................................................. 24, 94 Safeguard clause............................................................. 89 Schadensersatz........................................................ 75, 85 Schlechtleistung............................................................. 46 Schriftgröße........................................................... 95, 121 Schuldbefreiung............................................................. 85 Schutzziel............................................................... 13, 137 Scrum............................................................................ 158 Sicherheitsinformation................... 15, 20, 37, 108, 132 Softwareanwender....................................................... 106 Softwaredokumentation..... 6, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 180, 182 Standardization Administration of PR China......... 133 Stand der Technik. 23, 44, 85, 91, 93, 94, 103, 137, 143 Stand von Wissenschaft und Technik................. 91, 92 T Tablet............................................................................ 121 Täuschung, arglistige..................................................... 65 Technikklausel................................................................ 91 tekom-Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise..... 24 Index Terminologiedatenbank......................................... 53, 59 Terminologiemanagement......................................... 101 Translation-Memory-System....................................... 53 U Wirtschaftsakteur....................................... 13, 26, 28, 36 World Trade Organization (WTO)............................. 81 Z Zielgruppen..................... 11, 78, 99, 106, 125, 156, 179 Überschriften.......................................................... 98, 99 Übersetzungen.... 5, 53, 56, 57, 58, 59, 77, 78, 87, 100, 101, 112 Übersetzungssoftware............................... 53, 54, 56, 59 UL = Underwriters Laboratories................................ 76 Umweltaspekt.............................................................. 120 Umweltschutz............................................. 136, 137, 148 Unfallverhütungsvorschrift.................. 6, 148, 155, 156 Unterrichtung der Arbeitnehmer.............................. 150 Urheberrecht........ 5, 50, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 71, 173 Urheberschutz................................................................ 25 Usability.. 101, 102, 103, 106, 107, 108, 109, 111, 128, 171, 179 Usability-Test............................. 101, 102, 103, 108, 111 US-Rechtssystem......................................................... 131 V VDI Richtlinienreihe 4500........................................... 24 Verbraucherrecht........................................................... 82 Verbraucherschutzgesetz................................. 82, 83, 85 Verletzungsschwere............................................ 138, 142 Verordnung..... 15, 30, 31, 34, 35, 36, 37, 39, 117, 118, 120, 122, 123, 124, 128, 129, 130, 150, 151, 152, 153 Verständlichkeit...... 23, 77, 79, 98, 103, 104, 150, 156, 178, 180 Vertragsfreiheit.............................................................. 42 Vertragsrecht.. 12, 25, 29, 41, 42, 46, 52, 63, 64, 71, 93 Vertraulichkeit................................................................ 57 VUKA......................................... 157, 158, 159, 160, 169 W Wahrscheinlichkeit des Eintretens............................ 142 Warnhinweis...................................................... 25, 28, 95 Webseite............................................................... 109, 118 Werk, originelles............................................... 54, 55, 59 Werkvertragsrecht.................................................. 26, 49 Wettbewerbsrecht.......................................................... 63 177 tekom Schriften zur Technischen K ommunikation tekom SCHRIFTEN ZUR TECHNISCHEN KOMMUNIKATION herausgegeben von Jörg Hennig und Marita Tjarks-Sobhani Band 1 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Verständlichkeit und Nutzungsfreundlichkeit von technischer Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 1999. ISBN 978-3-944449-14-2 Band 2 Carl-Otto Bauer: Rechtliche Anforderungen an Benutzerinformationen. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2000. ISBN 3-7950-0759-X Band 3 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Qualitätssicherung von technischer Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2000. ISBN 978-3-944449-15-9 Band 4 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Informations- und Wissensmanagement für technische Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2001. ISBN 978-3-944449-16-6 Band 5 Stefan Zima: Kommunikation in der Technik. Motortechnik und Sprache. Lübeck: Schmidt-Römhild, 20002. ISBN 978-3-944449-17-3 Band 6 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Lokalisierung von Technischer Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2002. ISBN 978-3-944449-18-0 Band 7 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Visualisierung in Technischer Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2003. ISBN 978-3-944449-19-7 Band 8 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Technische Kommunikation – international. Stand und Perspektiven. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2005. ISBN 978-3-944449-20-3 Band 9 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Technical Communication – international. Today and in the Future. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2005. ISBN 978-3-944449-21-0 178 tekom Schriften zur Technischen Kommunikation Band 10 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Aus- und Weiterbildung für Technische Kommunikation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2006. ISBN 978-3-944449-22-7 Band 11 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Usability und Technische Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2007. ISBN 978-3-944449-23-4 Band 12 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Terminologiearbeit für Technische Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2008. ISBN 978-3-7950-7052-6 Band 13 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Arbeits- und Gestaltungsempfehlungen für Technische Dokumentation. Eine kritische Bestandsaufnahme. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2009. ISBN 978-3-7950-7067-0 Band 14 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Multimediale Technische Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2010. ISBN 978-3-944449-24-1 Band 15 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Veränderte Mediengewohnheiten – andere Technische Dokumentation? Lübeck: Schmidt-Römhild, 2011. ISBN 978-3-944449-25-8 Band 16 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Technische Kommunikation im Jahr 2041.20 Zukunftsszenarien. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2012. ISBN 978-3-944449-26-5 Band 17 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Zielgruppen für Technische Kommunikation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2013. ISBN 978-3-944449-31-9 Band 18 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Content Management und Technische Kommunikation. Stuttgart: tcworld, 2013. ISBN 978-3-944449-34-0 Band 19 Jörg Hennig / Marita Tjarks-Sobhani (Hrsg.): Technische Kommunikation und mobile Endgeräte. Stuttgart: tcworld, 2014. ISBN 978-3-944449-36-4 179 tekom HOCHSCHULSCHRIFTEN herausgegeben von Jörg Hennig und Marita Tjarks-Sobhani Band 1 Peter Stadtfeld: Didaktische Kriterien zur Strukturierung von Bedienungsanleitungen. Eine exemplarische Analyse von Software-Bedienungsanleitungen. Lübeck: Schmidt-Römhild, 1999. ISBN 3-7950-0744-X Band 2 Anneke Bosse: Der Umgang mit Fachausdrücken in Bedienungsanleitungen für Personenkraftwagen. Darstellung und Bewertung fachexterner Vermittlungsstrategien. Lübeck: Schmidt-Römhild, 1999. ISBN 978-3-944449-28-9 Band 3 Sandra Knopp: Aufbau, Gestaltung und Struktur von Online-Hilfesystemen. Im Kontext der Mensch-Computer-Interaktion. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2000. ISBN 3-7950-0757-X Band 4 Ralf Geyer: Evaluation von Gebrauchsanleitungen. Testverfahren und ihre praktische Anwendung. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2000. ISBN 3-7950-0760-X Band 5 Martin Riegel: Technische Kurzanleitungen. Eine Entwicklungsmethodik zur nutzergerechten Gestaltung. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2001. ISBN 978-3-944449-00-5 Band 6 Christian Bartsch: Die Verständlichkeit von Software-Hilfesystemen. Eine sprachwissenschaftliche Analyse am Beispiel von Microsoft Word 2000. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2001. ISBN 978-3-944449-01-2 Band 7 Anja Edelmann: Hypertextbasierte Softwaredokumentation. Eine experimentelle Untersuchung zur Rezeption. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2003. ISBN 978-3-944449-02-9 180 tekom Hochschulschriften Band 8 Müslüm Çap: Maschinelle Übersetzung auf dem Prüfstand. Die Evaluierung von Personal Translator 2002 Office Plus Englisch. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2003. ISBN 978-3-944449-03-6 Band 9 Werner Schweibenz: Computerterminologie als Benutzungsbarriere. Eine Studie über die Benutzbarkeit von Online-Hilfeinformationen in Microsoft PowerPoint. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2004. ISBN 978-3-944449-04-3 Band 10 Cornelia Kühn: Handlungsorientierte Gestaltung von Bedienungsanleitungen. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2004. ISBN 3-7950-7008-2 Band 11 Sven Pieper: Vertrauen in Technik durch Technische Kommunikation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2004. ISBN 978-3-944449-05-0 Band 12 Clemens Schwender (Hrsg.): Technische Dokumentation für Senioren. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2005. ISBN 978-3-944449-06-7 Band 13 Viktoria Klemm: Verwendungssituation und Textgestalt. Analysen von Betriebsanleitungen für Personenkraftwagen. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2005. ISBN 978-3-944449-07-4 Band 14 Michael Fritz / Claus Noack: Die Gesellschaft für technische Kommunikation e. V. – tekom. Entstehung und Entwicklung eines Berufsverbandes. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2007. ISBN 978-3-944449-08-1 Band 15 Ulrich Bühring / Clemens Schwender: Lust auf Lesen. Lesemotivierende Gestaltung Technischer Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2007. ISBN 978-3-944449-09-8 Band 16 Jürgen Muthig (Hrsg.): Standardisierungsmethoden für die Technische Dokumentation. Stuttgart: tcworld, 2., unveränderte Auflage 2014. ISBN 978-3-944449-35-7 181 tekom Hochschulschriften Band 17 Anna Astapenko: Lokalisierung komplexer Softwaresysteme. Technik – Sprache – Kultur. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2008. ISBN 978-3-944449-11-1 Band 18 Monika Reck: Internationale Kundenanforderungen an die Technische Dokumentation von Produktionsmaschinen. Eine Studie zum erhöhten Kundennutzen durch verbesserte Betriebsanleitungen. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2008. ISBN 978-3-944449-12-8 Band 19 Sonja Broda: Mobile Technische Dokumentation. Studie zu Einsatzmöglichkeiten mobiler Endgeräte in der Technischen Dokumentation. Lübeck: Schmidt-Römhild, 2011. ISBN 978-3-944449-13-5 Band 20 Regina Janke: Anforderungen an die Terminologieextraktion. Eine vergleichende Untersuchung der Bedürfnisse von Terminologen, Technischen Fachübersetzern und Technischen Redakteuren. Stuttgart: tcworld, 2013. ISBN 978-3-944449-32-6 Band 21 Elin Judith Knoll: Barrierefreiheit von Software mittelständischer Unternehmen. Analyse und Entwicklung eines Testverfahrens. Stuttgart: tcworld, 2013. ISBN 978-3-944449-33-3 Band 22 Viktor Frei: Sprachstandardisierung in der Softwaredokumentation. Eine Untersuchung von redaktionellen Richtlinien und Schreibregeln. Stuttgart: tcworld, 2015. ISBN 978-3-944449-37-1 Band 23 Nina Baderschneider: Die Komplexität der Gebrauchsanweisung. Ein textgrammatisches Analysemodell. Stuttgart: tcworld, 2015. ISBN 978-3-944449-38-8 182 Weitere tekom-Publikationen Weitere tekom-Publikationen Stand: Dezember 2015. Das jeweils aktuelle Publikationsprogramm befindet sich auf dem tekom-WebPortal unter www.tekom.de/publikationen.html. Broschüren DITA in der Technischen Kommunikation – eine Entscheidungshilfe zum Einsatz DIN A4, 64 Seiten plus CD-ROM, geheftet, 2008. ISBN 978-3-9814055-5-2 Leitfaden Lieferantendokumentation DIN A4, 46 Seiten, geheftet, 2011. ISBN 978-3-944740-06-5 Benedikt Kraus / Klaus-Dirk Schmitz / Ilona Wallberg: Leitfaden Einkauf von Übersetzungsdienstleistungen (deutsche Ausgabe) DIN A4, 28 Seiten, geheftet, 2012. ISBN 978-3-9814055-3-8 Benedikt Kraus / Klaus-Dirk Schmitz / Ilona Wallberg: Purchase of translation services – A guide (englische Ausgabe) DIN A4, 24 Seiten, geheftet, 2013. ISBN 978-3-9814055-6-9 Leitlinie Regelbasiertes Schreiben – Deutsch für die Technische Kommunikation DIN A4, 168 Seiten, broschiert, 2., erweiterte Auflage 2013. ISBN 978-3-9814055-9-0 Michael Fritz / Jens-Uwe Heuer-James / Jörg Michael / Roland Schmeling / Matthias Schulz: Normenkommentar zur EN 82079-1 „Erstellen von Gebrauchsanleitungen“ DIN A4, 134 Seiten, broschiert, 2013. ISBN 978-3-9814055-7-6 Leitfaden Mobile Dokumentation (deutsche Ausgabe) DIN A4, 72 Seiten, broschiert, 2013. ISBN 978-3-9814055-8-3 Guide to Mobile Documentation (englische Ausgabe) DIN A4, 68 Seiten, broschiert, 2014. ISBN 978-3-944740-02-7 183 Weitere tekom-Publikationen Leitlinie Regelbasiertes Schreiben – Englisch für deutschsprachige Autoren DIN A4, 121 Seiten, broschiert, 2014. ISBN 978-3-944740-01-0 Jens-Uwe Heuer-James / Roland Schmeling / Matthias Schulz: Leitfaden Sicherheits- und Warnhinweise DIN A4, 84 Seiten, broschiert, 2014. ISBN 978-3-944740-03-4 Jens-Uwe Heuer-James / Roland Schmeling / Matthias Schulz: Leitfaden Betriebsanleitungen DIN A4, 101 Seiten, broschiert, 2014. ISBN 978-3-944740-04-1 Guideline Rule-Based Writing – English for Non-Native Writers (englische Ausgabe) DIN A4, 110 Seiten, broschiert, 2014. ISBN 978-3-944740-05-8 Michael Fritz / Jens-Uwe Heuer-James / Jörg Michael / Roland Schmeling / Matthias Schulz: Normenkommentar zur EN 82079-1 „Erstellen von Gebrauchsanleitungen“ DIN A4, 201 Seiten, broschiert, 2. Auflage inklusive Normtext, 2015. ISBN 978-3-944740-07-2 184 Weitere tekom-Publikationen Studien Michael Fritz / Michael Grau / Daniela Straub: 101 Kennzahlen für die Technische Kommunikation DIN A4, 298 Seiten, broschiert, 2008. ISBN 978-3-9812683-3-1 Klaus-Dirk Schmitz / Daniela Straub: Successful Terminology Management in Companies (englische Ausgabe) DIN A4, 311 Seiten, broschiert, 2010. ISBN 978-3-9812683-2-4 Klaus-Dirk Schmitz / Daniela Straub: Erfolgreiches Terminologiemanagement im Unternehmen (deutsche Ausgabe) DIN A4, 297 Seiten plus CD-ROM, broschiert, 2010. ISBN 978-3-9812683-1-7 Daniela Straub / Wolfgang Ziegler: Effizientes Informationsmanagement durch spezielle Content-Management-Systeme DIN A4, 350 Seiten, broschiert, 3., aktualisierte Auflage 2014. ISBN 978-3-9812683-4-8 Klaus-Dirk Schmitz / Daniela Straub: Erfolgreiches Terminologiemanagement im Unternehmen DIN A4, ca. 300 Seiten, broschiert, 2., aktualisierte Auflage 2016. ISBN 978-3-9812683-5-5 185 Weitere tekom-Publikationen Proceedings of the European Academic Colloquium on Technical Communication Proceedings of the European Colloquium on Technical Communication, Volume 1, 2012 (englisch) 17 x 24 cm, 88 Seiten, broschiert, 2013. ISBN 978-3-944449-42-5 Proceedings of the European Academic Colloquium on Technical Communication, Volume 2, 2013 (englisch) 17 x 24 cm, 84 Seiten, broschiert, 2014. ISBN 978-3-944449-43-2 Proceedings of the European Academic Colloquium on Technical Communication, Volume 3, 2014 (englisch) 17 x 24 cm, 96 Seiten, broschiert, 2015. ISBN 978-3-944449-44-9 186
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