1 0 / / FA C H B E I T R Ä G E / / S O N D E R A U S G A B E K R A N K E N H A U S / / MIET-/PACHTMODELLE · MARKTVERGLEICHSVERFAHREN · SCHÄTZVERFAHREN Was sind angemessene Mieten? Wie bei Pflegeeinrichtungen finden sich auch im Klinikmarkt zunehmend Miet-/Pacht- oder Sale-and-lease-backModelle für die Klinikimmobilien. Gerade durch die erforderlichen Reinvestitionen in den letzten Jahren zeigen rund 20 Prozent der Rehakliniken in Deutschland eine Trennung zwischen Betrieb und Besitz. Sei es innerhalb einer Konzernstruktur oder zwischen fremden Dritten – die Ermittlung einer angemessenen Miete stellt eine wiederkehrende Herausforderung dar. Die Frage der Angemessenheit von Mieten kann sich im Gesundheits- und Sozialwesen in verschiedenen Sachzusammenhängen stellen: • Immobilienbewertung von Spezialimmobilien • Beurteilung angemessener Unterkunftskosten im Sozialhilferecht (SGB II) • Umlagefähigkeit investiver Kosten im Rahmen des § 82 SGB XI • Leistungen unter Verstoß gegen § 57 Abs. 1 AktG • Problematik der verdeckten Gewinnausschüttung bei überhöhten Mietzahlungen • Grundmieterhöhung nach §§ 558–558 e BGB • Verstoß gegen § 138 BGB Die besondere Herausforderung liegt in der Frage, wie die Angemessenheit der Mieten im Sonderfall von Spezialimmobilien beurteilt werden kann. Der BGH hat im Rahmen seiner Rechtsprechung zu sittenwidrigen Pachtverträgen für Gewerbeimmobilien die Auffassung vertreten, dass die ortsübliche Marktmiete vorrangig als Vergleichsmiete zu bestimmen ist, d. h. durch Vergleich mit den erzielten Mieten für vergleichbare Mietobjekte. Die Marktmiete ist hierbei die Bezeichnung für die bei Neuvermietungen durchschnittliche erzielbare Miete. Wenn dies ausnahmsweise mangels vergleichbarer Objekte nicht möglich sein sollte, könnten andere Erfahrungswerte herangezogen werden. Auch im Falle abgeschotteter Märkte, innerhalb derer nur wenige Vergleichsdaten ermittelbar sind, ist der Sachverständige nicht davon entbunden, die Marktmiete gegebenenfalls mit einer erheblichen Bandbreite zu schätzen. Vergleichswertmethoden fraglich Um eine Vergleichswertmethode anwenden zu können, müssen insgesamt zwei Voraussetzungen erfüllt sein: • Existenz eines Marktes mit einem freien Spiel von Angebot und Nachfrage • Verfügbarkeit vergleichbarer Mietobjekte Das ordnungspolitische Prinzip, wonach die Mietpreisbildung im freien Wechselspiel von Angebot und Nachfrage am Markt erfolgt, gilt allerdings nicht im Bereich der Betreiberimmobilien bzw. im vorliegenden Fall der Spezialimmobilien. Im Bereich von Reha-Kliniken stehen allgemein nur wenige Daten zu Vergleichszwecken zur Ermittlung der Marktmiete zur Verfügung, da die Klinikimmobilien aufgrund ihrer individuellen Beschaffenheit und Nutzung sowie der gesetzlich vorgegebenen sozialversicherungsrechtlichen Strukturen generell nicht vergleichbar sind und somit die zweite Voraussetzung für die Durchführung eines Vergleichswertverfahrens ebenfalls nicht erfüllt ist. Vor diesem Hintergrund ist es nicht möglich, die Angemessenheit der Mieten von gemieteten Reha-Kliniken anhand eines Marktvergleichs zu beurteilen. Bei Betreiberimmobilien handelt es sich um Spezialimmobilien, bei denen zwischen der erzielbaren Miete und dem Erfolg des Betreibers eine Abhängigkeit besteht. Die Marktmiete stellt bei Spezialimmobilien die nachhaltig erwirtschaftbare Pacht bei angemessenem Betreibergewinn dar. Die Wirtschaftlichkeit des Klinikbetriebs (und somit der Marktwert der Klinik) ist eng mit der Gesundheitspolitik verbunden. Grundsätzlich setzt sich das Tagepflegegeld bei Pflegeheimen im Bereich des SGB XI aus den Komponenten Pflege, Unterkunft und Verpflegung (U+V) sowie dem Entgelt für Investitionsaufwendungen zusammen. Anders als bei Pflegeeinrichtungen werden diese Teilbereiche jedoch bei Reha-Kliniken nicht getrennt ausgewiesen, sondern zu einem Betrag verschmolzen. Die jahresbezogene Vergütung der Reha-Kliniken erfolgt in Abhängigkeit von indikationsspezifischen Fallpauschalen bzw. Tagessätzen. Diese müssen sowohl die Kosten des operativen Betriebs als auch die investiven Aufwendungen („monistische Finanzierung“) decken. Das heißt, die Vergütung beinhaltet einen exakt bestimmbaren Anteil / / S O N D E R A U S G A B E K R A N K E N H A U S / / FA C H B E I T R Ä G E / / 1 1 für Mietaufwendungen, die (teilweise) über den Tagessatz bzw. die Fallpauschalen refinanziert werden. Schätzverfahren bieten Hilfestellung In der Praxis finden unterschiedliche Schätzverfahren – je nach Verfügbarkeit der Daten – Anwendung. Die angemessene Pacht für einen Klinikbetrieb kann als prozentualer Anteil vom Gesamtumsatz (Pachtwertverfahren) berechnet werden, wenn nähere Angaben für den in den Tagepflegegeldern tatsächlich enthaltenen Anteil für die Immobilie nicht vorliegen. Zu den Schätzverfahren zählen darüber hinaus auch das Umsatzrenditeverfahren, das Pflegesatznachkalkulationsmodell sowie das Sachwertverfahren (Ableitung aus Gebäudesubstanz und kalkulatorischen Annahmen). Aufgrund der spezifischen Besonderheiten der Reha-Klinik kann bei Neuabschlüssen die marktübliche Miete im Rahmen der Pflegesatznachkalkulation, die die Besonderheiten der Reha-Kliniken beachtet und am besten abbildet, nach tatsächlichen Verhältnissen des jeweiligen Geschäftsjahres prospektiv berechnet werden. In der Fallkonstellation der retrograden Betrachtung der Vergangenheit, für die der in den Tagepflegegeldern enthaltene Anteil für die Immobilie exakt bestimmt werden kann, stellt die Pflegesatznachkalkulation das geeignetste Berechnungsverfahren dar. Die Pflegesatznachkalkulation kann in insgesamt fünf Blöcke unterteilt werden. Der sechste Block, das Ergebnis der Pflegesatznachkalkulation, gibt dann Auskunft, wie viel Miete je Klinik bzw. je Indikation aus den Tagessätzen unter Beachtung der Strukturvorgaben der Kostenträger refinanziert wird. Über die „Pflegesatznachkalkulation“ können anhand von typisierten Annahmen u. a. zur Auslastung und zur vorzuhaltenden Personalbesetzung sowie unter Beachtung von Struktur- und Leistungsvorgaben der Kostenträger objektiv und losgelöst von der individuellen Situation des Betreibers der tatsächliche Nutzenbeitrag und Marktwert der Miete der jeweiligen Immobilie zum Stichtag bestimmt werden. Folglich ist es Ziel der Pflegesatznachkalkulation, zu ermitteln, ob und in welchem Umfang Anteile der Vergütungen der Kliniken nachhaltig zur Refinanzierung investiver Kosten bzw. der Miete des Betriebs nachhaltig zur Verfügung stehen. // PFLEGESATZNACHKALKULATION Annahme indikationsspezifischer Auslastungen und entsprechender Tagessätze Erlösblock Strukturbedingte Vorgaben lt. DRV bzw. Kostenträgern Personalkostenblock Leistungsorientierte Analyse Ist-Kostenstruktur der Rehakliniken normiert Sachkosten Unterteilung in belegungsabhängige und -unabhängige Kosten Investive Kosten vor Miete Investive Ist-Kosten normiert Kalk. Unternehmerlohn Annahme 7,0 % der Umsatzerlöse Residualgröße: refinanzierte Miete aus den Tagessätzen FAZIT Ob aus rechtlicher Notwendigkeit oder zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit – immer wieder ist es erforderlich, die Angemessenheit der Mieten bei Trennung von Betrieb und Besitz zu überprüfen. Aufgrund der Besonderheiten von Spezialimmobilien sind Marktvergleichsverfahren nur eingeschränkt nutzbar. Auch wenn diese auf individuellen Annahmen beruhen, können nur Schätzverfahren wie die Pflegesatznachkalkulation im Falle der Reha-Kliniken nutzbare Ergebnisse liefern. Jan Grabow Wirtschaftsprüfer/Steuerberater [email protected] Matthias Borchers [email protected]
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