Die vierte industrielle Revolution kommt!

MAGAZIN
1/2015
Industrie 4.0:
Die vierte industrielle Revolution kommt!
Noch sind es kühne Visionen und hohe Erwartungen, die das Bild einer digitalisierten
Produktion prägen. Die Verschmelzung von Industrie und Informatik aber wird kommen
und kein Gebiet eines Technologiekonzerns unberührt lassen.
Ende des 18. Jahrhunderts machten Wasserkraft und Dampfmaschine eine
mechanische Produktion möglich. Dann folgte im 19. Jahrhundert mit dem
Fliessband die Massenproduktion. Mitte der 1970er-Jahre begann die Au­
to­matisierung, als Computer und Roboter Einzug in die Fabriken hielten.
Die vierte industrielle Revolution startete mit dem Durchbruch des Internets. Die Einführung von Internetfunktionen in der Produktion ermöglichte
völlig neue Dimensionen: Physische und virtuelle Systeme konnten miteinander verbunden werden. Vernetzte Systeme lassen Maschinen miteinan­
der kommunizieren, selbstlernende Software optimiert komplexe Abläufe.
Wachstumsschub
Von Science-Fiction zur Wirklichkeit
Friedemann Mattern, Informatikprofessor an der ETH Zürich
Industrie 4.0 ist das Schlagwort für diesen Wandel, der bereits mit aller
Wucht eingesetzt hat. Der Begriff stammt aus Deutschland und wurde
2011 als Teil der Hightechstrategie der Deutschen Bundesregierung einge­
führt. In Amerika oder Asien ist dieser Begriff – nicht aber die technologische Stossrichtung – völlig unbekannt. In der Schweiz kennt ihn nur jeder
Zehnte. Sechzig Prozent haben noch nie etwas davon gehört.
Dank Vernetzung aller Systeme ist das Optimierungspo­
tenzial im Unternehmen hoch. Riesig, wenn man Pricewaterhouse Coopers glaubt. Diese gehen in einer Studie
von zweistelligen Wachstumsraten für die Industrieunternehmen aus.
Zu Industrie 4.0 gibt es mehr als hundert Definitionen.
Industrie 4.0 steht für eine vollständig digitalisierte Abbildung der Wertschöpfungskette einer Firma. Geräte,
Ma­schinen und Materialien kommunizieren miteinander
und ermöglichen so einen reibungslosen Ablauf.
«Schweizer Betriebe müssen anfangen,
sich mit der Industrie 4.0 zu beschäftigen»
Einheitliche Sprache
für Geräte
Werkplatz 4.0
Was haben Herr und Frau Schweizer von In­
dustrie 4.0? Unter anderem eine Normierung
der Gerätesprache. Die drei europäischen
Smart-Home-Initiativen Agora, Energy@home
und EEBus haben die Entwicklung einer
einheitlichen Sprache für die Geräte-Kom­
munikation vereinbart.
Das internationale Beratungsunternehmen Deloitte verfasste 2014 eine
Studie über die digitale Zukunft des Standorts Schweiz – «Werkplatz 4.0».
Deloitte versteht darunter sowohl die vertikale Vernetzung intelligenter
Produktionssysteme (Smart Factories) als auch die horizontale Integration
globaler Wertschöpfungsketten, die Kunden und Lieferanten mit einbezieht. In der Studie heisst es unter anderem, dass Industrie 4.0 besonders
auch für KMU interessant sei. «KMU haben das Potenzial, neue Prozesse
von Grund auf aufbauen zu können.» Sprich: Gerade kleine und mittlere
Unternehmen können neue IT-Strukturen mit absehbarem Aufwand aufbauen und so viel flexibler auf diesen Schritt eingehen. Für Deloitte sind des­
­halb die KMU die grossen Gewinner dieser Technologie. Bei multinatio­na­
len Grossunternehmen ist die Komplexität der Datenintegration weit höher.
Kampf der Kulturen
In der smarten Welt von morgen wird alles einfacher
sein: Der Kühlschrank bestellt Lebensmittel, der Back­
ofen schlägt Gerichte vor, die Heizung analysiert die
Wetterprognosen, und intelligente Stromverbraucher
nutzen für ihre Dienste den Niedertarif. Damit diese
Vision funktioniert, müssen sich die Geräte verstehen, sie müssen also alle die gleiche Sprache sprechen.
Die Verbindung von Industrie und Informatik in einem Unternehmen ist
kein harmonischer Prozess. Denn kulturell sind die Wurzeln völlig verschie­
den. Salopp gesagt: Informatiker sind innovativ, aber mit den extrem hohen
Anforderungen an Sicherheit und Verfügbarkeit moderner Automatisierung wenig vertraut. Traditionelle Industrievertreter dagegen gelten als vor­
sichtig und abwartend gegenüber neuen Technologien. Die Realisierung
von Industrie 4.0 wird deshalb meist vonseiten der Technologie angetrieben, die in Bezug auf dieses Thema der Industrie um Jahre voraus ist.
«One Europe, One Language,
One Smart Home!»
Interoperabilität ist das Stichwort, wenn es darum
geht, den Alltag durch benutzerfreundliche und um­
fangreiche Funktionalitäten einfacher und komfortabler zu gestalten. Plug-and-Play-Lösungen sind ge­
fragt. Die gemeinsame Vision haben die drei Ini­tia­tiven deshalb «One Europe, One Language, One Smart
Home!» getauft.
Gerade bei KMU geht es darum, das Machbare in den Dienst des Sinnvollen zu stellen. Bereits getätigte Investitionen in die Produktion gilt es
auf dem Weg zu Industrie 4.0 mitzunehmen. Dies erfordert ein schrittwei­-
«Nur eine sozio-technische Optimierung
führt zu einem Erfolg»
Prof. Dieter Fischer, Institute of Business Engineering, Fachhochschule Nordwestschweiz
Kommentar
ses, evolutionäres Vorgehen, damit die Revolution gelingt. Selbst in den
USA gibt man sich bei diesem Thema gemässigt: Der US-Technologiekon­
zern IBM empfiehlt einen dualen, evolutionären Ansatz, bei dem bestehende Maschinen und Teile erst nachträglich mit vernetzter Intelligenz
ausgerüstet werden.
Die smarte Fabrik und Sicherheitsaspekte
Mit der zunehmenden Einbindung der Produktion ins Netz – Intranet oder
Web – werden Sicherheitsaspekte akut, denn die bisherige organisatorische Trennung zwischen Büro und Fertigung wird aufgehoben. Die intelli­
gente Firma aber braucht weit mehr Abwehrmechanismen gegen aussen.
Auch die Fernüberwachung einer nie ruhenden Fabrik wird zum Thema,
denn: Nur wenn die IT-Sicherheit gewährleistet ist, wird sich Industrie 4.0
in der Fabrikautomation durchsetzen.
Industrie 4.0 – Blase oder echte Chance?
Sicherlich erinnern Sie sich an den Hype in den
1990er-Jahren rund um die Thematik «Computer
In­te­grated Manufacturing» (CIM). Die vernetzte,
com­puterisierte Produktion wurde proklamiert, es
war sogar die Rede vom papierlosen Büro. Breit angelegte, kantonale und nationale CIM-Aktionsprogramme unterstützten und forcierten dieses Thema.
Das Internet der Dinge
Die Wirtschaft der Zukunft wird im Zeichen digitaler Vernetzung und eines permanenten Informationsaustausches stehen. Wenn man physische
Objekte mit informationstechnologischen Schnittstellen ausrüstet, wird
es möglich, Fertigungsprozesse transparenter, flexibler und effizienter zu
gestalten. Diese auch als «Internet der Dinge» bezeichnete Vision eröffnet Unternehmen eine Fülle neuer Produktideen und viele Ansätze branchenübergreifender Zusammenarbeit.
«Industrie 4.0 erlaubt eine Einzelstückproduktion
mit den Mitteln der Massenfertigung»
Prof. Dr. Roland Anderegg, Institut für Automation, Hochschule für Technik, Windisch
Vom Trend zur Vernetzung werden auch die Endkunden profitieren. Von
Zahnbürsten, die das Putzverhalten optimieren, bis hin zu Haushaltsgeräten, die sich über das Mobiltelefon steuern lassen – das Internet der Dinge hält langsam Einzug im Alltag. Am schnellsten geht diese Entwicklung
wohl in der Fahrzeugbranche. Autos sind daran, sich breitflächig zu vernetzen, bis hin zum sich selbst steuernden System. Versicherungen nutzen
dies schon heute mit Crash-Systemen und Bonusanreizen für Fahrer, die
ihr Fahrverhalten (fremd) überwachen lassen. Gerade beim Auto geht der
Trend vom Besitz eines Produktes hin zu den Nutzungsrechten – schon
heute praktiziert in der sogenannten «Share Economy».
Kritische Stimmen fragen: Was ist davon geblieben?
Hat sich der ganze Aufwand für die Schweizer Industrie gelohnt? Haben Unternehmen davon profitiert? Fast jedes produzierende Unternehmen wird
diese Fragen sicher mit Ja beantworten können. Der
Computer ist heute ein nicht wegzudenkendes
Werk­zeug in jeder Produktion. Werkzeugmaschinen
mit Computersteuerung (CNC), vernetzt und offline
mittels ausgefeilten Computer-Aided-Ma­nu­fac­tu­
ring(CAM)-Systemen programmiert, sind Stand der
Technik. Ohne diese Technologien, die damals ange­
dacht und entwickelt wurden, wäre die Schweizer
Industrie heute nirgendwo. Und wir wissen: Der Fort­
schritt macht nicht halt. Wer nicht aufpasst, verliert
schnell den Anschluss.
Nun ist Industrie 4.0 angesagt. Industrie 4.0 heisst
nichts anderes als die konsequente Weiterentwicklung des damaligen CIM-Gedankens auf die neuen
Marktbedürfnisse. Ausgerichtet auf individuelle Mas­
­sen­­produktion mit der Losgrösse 1, stehen den Unternehmen neue Möglichkeiten in Punkto Flexibilisierung und Automatisierung zur Verfügung, um
wei­terhin an der Spitze dabei sein zu können.
Mehr Home-Office
Industrie 4.0 wird neue Arbeitsformen schaffen. Selbstregulierende Systeme und lernfähige Maschinen werden Arbeitsplätze abbauen, aber auch
neue schaffen. Bis zu zwei Drittel der Büroplätze, so schätzen die Experten von Eco (Schweizer Wirtschaftsorganisation), könnten bis 2025 wegfallen und durch Heimarbeit ersetzt werden. Wie sich die Wirtschaft der
Zukunft auf die verschiedenen Lebensbereiche auswirken wird, ist heute
noch reine Spekulation. Zweifellos wird Industrie 4.0 vielen Unternehmen
eine flexiblere, effizientere und kostengünstigere Fertigung ermöglichen.
Der digitale Quantensprung wird neue Produkte, Dienstleistungen und
Partnerschaften entstehen lassen, neue Gewinner und Verlierer schaffen.
Die AIHK und FHNW unterstützen die Aargauischen
Unternehmen aktiv bei der Entwicklung und Um­set­
­zung von Industrie-4.0-Konzepten. Gerne möchten
wir Sie ermutigen: Wagen Sie mit In­dustrie 4.0 den
Schritt in die Zukunft und sichern Sie sich damit Ihre
Wettbewerbsfähigkeit.
Markus C. Krack
Leiter Technologietransfer FITT
Fachhochschule Nordwestschweiz
Rechtsberatung der AIHK
Bei jeder vierten Anfrage
geht’s um das Thema
Kündigung
KWC – Erfolg dank Innovation
Seit über 100 Jahren sind Armaturen aus Unterkulm ein Begriff.
Mittlerweile werden die vielfach preisgekrönten Designstücke in
über 50 Länder exportiert und gelten als Paradebeispiel einer
gelebten Swissness. Dahinter steht die permanente Investition in
modernste Fertigung. Industrie 4.0 ist bei KWC mehr als nur ein
Schlagwort – das Unternehmen ist dabei, seine Prozesse neu zu
definieren, um eine «Smart Factory» zu werden.
Die Rechtsberatung der AIHK ist beliebt. Rund 3000
Anfragen haben die drei juristischen Mitarbeiter –
Sarah Suter, David Sassan Müller und Philip Schneiter – pro Jahr. Während kurze Anfragen per Telefon
meist in 10 bis 15 Minuten erledigt werden können,
gibt es natürlich eine Vielzahl von weit aufwändige­
ren, komplexeren Fragestellungen, besonders im Be­
reich von Dokumentenprüfungen, Überprüfungen
von Reglementen und Verträgen. Hier kommt dann
oft auch das Vier-Augen-Prinzip zum Einsatz, das
heisst, zwei Juristen prüfen den «Fall» gemeinsam.
Die grösste Anzahl der Anfragen, so Rechts­be­ra­
tungs­mitarbeiterin Sarah Suter, erfolgen per Telefon,
aber auch per E-Mail werden immer häufiger Fragen
gestellt. Oft kann eine juristische Auskunft per Tele­
fon oder Mail gegeben werden, bei aufwändigeren
Fällen sind aber meist persönliche Sitzungen not­
wen­dig, um Unterlagen, Dossiers, Verträge etc. zu
sichten, zu übergeben, den Sachverhalt zu erläutern
und das weitere Vorgehen zu diskutieren. Ein Viertel aller Anfragen betrifft dabei das Thema «Kündigung», zweithäufigster Grund, die Rechtsberatung
der AIHK zu konsultieren, sind Fragen zur spezifischen Ausgestaltung von Einzelarbeitsverträgen,
dicht gefolgt von den Anfragebereichen «Lohn» und
«Krankheit / Unfall».
Die Mitgliederfirmen der AIHK profitieren von der
kos­tenlosen Beratung in vielen unternehmens­re­le­
van­ten Rechtsbereichen, insbesondere im Arbeitsund Sozialversicherungsrecht sowie im Handels- und
Gesellschaftsrecht.
Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK)
Entfelderstrasse 11 I CH-5001 Aarau
Telefon +41 (0)62 837 18 18 I [email protected]
www.aihk.ch I www.marktplatz-aihk.ch I www.ahv-aihk.ch
www.fitt.ch I www.haus-der-wirtschaft.ch
Die konsequenten laufenden Investitionen in den Produktionsprozess, in
Qualität und innovatives Design haben sich gelohnt: KWC Armaturen (seit
2013 eine Marke der Franke Water Systems AG) sind zum Inbegriff hochklassiger Intelligenz in Bad und Küche geworden. Mit nachhaltigen Technologien, erlesener Qualität und innovativem Design hat sich der führende
Schweizer Armaturenhersteller international einen Namen gemacht.
Dahinter steht eine Fertigung, die schon lange nichts mehr mit klassischem
Handwerk zu tun hat, sondern modernste Mess- und Regelungstechnik,
eine immer höhere Automation und ein digitales Modell der gesamten Her­
stellung als Grundlage einer vollautomatischen Fertigung anpeilt: auf dem
Weg zum «Cyber Physischen System» – also einer Fabrik, in der sich die rea­
le (physische) Welt mit der Cyberwelt verbindet. Im sogenannten «Internet der Dinge» ist jedem Werkstück klar, wie es aussieht und welche Pro­
zesse es bereits durchlaufen hat, und das Lager weiss selbst, wie gross es
ist. Die Produktion kann also jederzeit eine komplexe Gesamtschau aller
Abläufe darstellen.
Erste Erfolge auf diesem Weg sind da, wie Beat Zobrist, Leiter Industrial
Engineering bei KWC, betont: «Bei KWC ist ein Team von fünf Spezialisten
mit Optimierungen und Verbesserung der Abläufe beschäftigt. In Zusam­
menarbeit mit den Fachhochschulen konnten wir beispielsweise die Einrichtzeit im Bereich Schleifen / Polieren von ursprünglich acht Stunden auf
etwas mehr als eine Stunde verringern. Eine komplette Fertigungsprogrammerstellung dauert heute zehn bis fünfzehn Tage – auch hier sind wir
mit einem Projekt unterwegs. Ziel: Ein neues Programm in einem Tag.»
Das Endziel heisst absolute Flexibilität und «Losgrösse 1». Ein individuelles Produkt – ein Unikat für den Endkunden –, integriert in eine komplexe,
intelligente Automation. Eine Automation, die bei der KWC schon heute
beeindruckend ist. Ohne Fertigwarenlager wird die Produktelieferung innerhalb von maximal drei Tagen garantiert.