Der Wettbewerb wird mittelfristig sicher schärfer werden.

INTERVIEW
„Der Wettbewerb wird mittelfristig
sicher schärfer werden.“
Interview mit Dr.-Ing. Andreas Huppertz, Geschäftsführung der CLAAS GUSS GmbH,
und Dr.-Ing. Christine Bartels, Product Engineering der CLAAS GUSS GmbH
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Herr Dr. Huppertz, wo sehen Sie als Geschäftsführer einer mittelständischen
Eisengießerei die großen Herausforderungen, denen sich Eisengießereien
heute stellen müssen?
Huppertz: Zwar geht es der deutschen Gießereiindustrie derzeit sehr gut, man sollte angesichts der momentan komfortablen
wirtschaftlichen Lage jedoch nicht verkennen, dass mitteleuropäische Eisengießereien heute unter starkem Konkurrenzdruck stehen. Dabei ist der Wettbewerb
aus Niedriglohnländern nur ein Aspekt.
Auch konkurrierende Fertigungsverfahren oder neue Werkstoffentwicklungen,
sowie sich ändernde Anforderungen an
Bauteile sollten nicht aus dem Blickwinkel verloren werden. Der Wettbewerb aus
unterschiedlichen Richtungen wird sich
mittelfristig sicherlich eher verschärfen,
als nachlassen.
Woher nehmen Sie angesichts dieser
Situation die Überzeugung, dass das
Verfahren Gießen langfristig eine Zukunft hat?
Huppertz: Kein anderes Fertigungsverfahren lässt Konstrukteuren eine so weitreichende Gestaltungsfreiheit wie das Gießen. Dieses Potential droht heutzutage etwas in Vergessenheit zu geraten. Viele
Konstrukteure stehen vor äußerst komplexen Aufgabenstellungen, so dass niemand mehr erwarten kann, dass das Detailwissen über einzelne Fertigungsverfahren so präsent ist, wie es einmal der
Fall war. Daher ist es wichtig, seitens der
Gießereiindustrie hier an breiter Front ein
offensives Marketing zu betreiben, um die
Möglichkeiten des Verfahrens Gießen
deutlich zu machen.
Damit wird zwar der Bekanntheitsgrad
des Verfahrens gefördert. Mit welchen
Strategien können deutsche Gießerei-
unternehmen aber dem Preisdruck aus
Niedriglohnländern heute begegnen?
Huppertz: Dem Preisdruck aus Niedriglohnländern kann eine deutsche Gießerei
nicht nur durch Schnelligkeit, Flexibilität
Welchen Vorteil hat der Kunde davon,
bereits sehr früh im Produktentstehungsprozess Kontakt zu seinem späteren Lieferanten aufzunehmen?
Bartels: Die Frage, ob ein Bauteilentwurf
„Die Newcast ist ein geeignetes Forum, um
Kunden und Interessenten die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der Gießereiindustrie aufzuzeigen.“
und Qualität begegnen, sondern vor allem
durch einen umfassenden Service. Dieser
Service beginnt bei uns häufig bereits
während der Produktentwicklungsphase.
Bei CLAAS GUSS kümmert sich in dieser
Phase unser Product Engineering Team,
dem auch Frau Dr. Bartels angehört, um
die Belange des Kunden.
Dr.-Ing. Andreas Huppertz,
Studium der Metallurgie und Werkstofftechnik an der RWTH Aachen mit der
Vertiefungsrichtung Gießereikunde, Zusatzstudium Umweltwissenschaften
und Sicherheitstechnik, Promotion an
der TU Bergakademie Freiberg. Seit
1992 ist er für die CLAAS GUSS GmbH
tätig, zunächst als Assistent im Bereich
Produktion, dann als Qualitätsstellenleiter, Produktionsleiter, Qualitätsmanagementbeauftragter, Technischer Leiter und seit 2003 als Geschäftsführer
der CLAAS GUSS GmbH.
so wie er ist, sinnvoll als Gussteil umzusetzen ist, sollte frühzeitig gestellt werden,
damit es noch möglich ist, Anpassungen
an den Fertigungsprozess zu machen, ohne nachfolgende Prozessschritte umstellen zu müssen. Je früher festgestellt wird,
dass Änderungen am Bauteildesign notwendig sind, desto kostengünstiger ist es,
diese Änderungen umzusetzen.
Unsere Unterstützung hat aber auch
noch eine andere Komponente. Wir beobachten, dass einige Konstrukteure großen
Respekt vor der Konstruktion von Gussbauteilen haben. Viele wurden während
ihrer Ausbildung mit dem Begriff der
„gießgerechten Konstruktion“ konfrontiert. Die Vielzahl von Aspekten, die hierunter fallen, scheint eher zu verunsichern,
als dass das Wissen hierum bei der Konstruktion von Bauteilen konkret weiterhilft.
Dabei werden die Chancen, die das Verfahren bietet, unter Umständen nicht voll
genutzt. Einen Vorwurf kann man angesichts der stetig gewachsenen Komplexität
der Aufgaben hieraus sicherlich niemandem machen. Vielmehr ist es an der Gießerei, hier Unterstützung anzubieten.
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INTERVIEW
„Mitarbeiter sollten die Bereitschaft mitbringen,
über den Tellerrand zu schauen und sich in die
Aufgabenstellung des Kunden hineinzudenken.“
Bartels: Die Unterstützung reicht bei
CLAAS GUSS von Machbarkeitsstudien
über die Umsetzung von Schweißkonstruktionen in Gussbauteilen bis hin zur
eigenständigen Gestaltung von Gussbauteilen durch die Gießerei. Die Gestaltungsfreiheit, die das Gießen erlaubt, lässt sich
auch im Rahmen von Projekten zur Topologieoptimierung optimal nutzen. Damit
muss kein Kunde mehr davor zurückschrecken, Gussteile einzusetzen.
In einer solchen Zusammenarbeit liegen aber nicht nur Chancen, sondern
auch Risiken, nicht wahr?
Bartels: Zunächst einmal kann eine solche
Zusammenarbeit nur funktionieren, wenn
beide Seiten nicht nur offen, sondern auch
fair und partnerschaftlich miteinander umgehen und verantwortungsvoll mit dem offen gelegten Wissen des Partners umgehen.
Allerdings macht sich eine Gießerei mit
einer kritischen Bewertung eines Bauteildesigns nicht immer Freunde. In der Vergangenheit haben Kunden daraufhin durchaus auch schon den Weg zum Mitbewerber
gesucht, der nicht im Vorfeld auf mögliche
Probleme hingewiesen hat. Der Prozess des
Dr.-Ing. Christine Bartels,
studierte von 1991 bis 1996 an der
RWTH Aachen Metallurgie und Werkstofftechnik mit der Vertiefungsrichtung Metallkunde. Nach der Promotion
am Institut für Metallkunde und Metallphysik der RWTH nahm Sie 2001 ihre
Tätigkeit bei der CLAAS GUSS GmbH im
Bereich Produktentwicklung auf, Spezialistin für den Bereich Werkstoffe.
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gegenseitigen Infragestellens von Anforderungen kann schon einmal ein zähes Ringen sein, allerdings zahlt sich diese Mühe
mehrfach aus. Die Bauteile sind unter wirtschaftlichen und qualitativen Aspekten ausgereift und der Zeitaufwand beim Anlaufen
von Neuteilen wird deutlich reduziert.
Welche Voraussetzungen müssen seitens der Gießerei mitgebracht werden,
damit sie diese Dienstleistung anbieten kann?
Bartels: Sicherlich ist die Ausstattung mit
modernen Werkzeugen, wie CAD, Festigkeitsberechnungs- oder Topologieoptimierungsprogrammen eine wichtige Voraussetzung, um als Entwicklungspartner tätig
werden zu können. Daneben ist aber vor
allem wichtig, dass Mitarbeiter die Bereitschaft mitbringen, über den Tellerrand zu
schauen und sich in die Aufgabenstellung
des Kunden hineinzudenken. Bauteilentwicklungen sind heutzutage interdisziplinäre Aufgaben, denen man nur in interdisziplinär zusammengesetzten Teams begegnen kann.
Von diesem Angebot, das Sie als Gießerei machen, müssen potentielle Kunden allerdings erst einmal erfahren.
Wie machen Sie auf diese Möglichkeiten aufmerksam?
Huppertz: Marketing ist für uns in diesem
Zusammenhang natürlich wichtig. Hier
verfolgen wir unterschiedliche Ansätze,
um auf unser Angebot aufmerksam zu machen. Hierzu gehören unsere regelmäßig
stattfindenden CLAAS GUSS Konstrukteurstage ebenso wie Messeauftritte. Das
nächste Ereignis, das wir nutzen werden,
ist unsere Teilnahme an der Newcast. Diese Messe ist sicherlich ein geeignetes Forum, um Kunden und Interessenten die
Leistungsfähigkeit und Innovationskraft
der Gießereiindustrie aufzuzeigen.
FOTOS: SUSANNE FREITAG
Wie kann denn eine solche Unterstützung aussehen?