Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!

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Fotos (5): Rudi Clemens
Baumaschinen
Andersfarbige Sicherheitskennzeichnung auf Baumaschinen mit selbsterklärenden Piktogrammen zeigen mehr Wirkung.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!
Sicherheitskennzeichnung an Baumaschinen
Bewegliche Baumaschinen stellen ein signifikant erhöhtes Risiko für Menschen in Ihrem Arbeitsbereich dar.
Das zeigen die immer wieder schrecklichen Unfälle mit Baumaschinen auf Baustellen. Herr Rudi Clemens,
Sicherheitsfachkraft, Geprüfter Polier und Betriebsratsvorsitzender arbeitet seit 40 Jahren auf Baustellen und
setzt sich seit Jahren für die Sicherheit bei der Arbeit mit Baumaschinen ein. Im Interview mit Herrn Clemens
schildert er uns seine Arbeit.
SiGeKo Bau: Herr Clemens, Sie engagieren sich seit Jahren für die Sicherheit im
Umgang mit Baumaschinen auf Baustellen.
Wie erleben Sie die Arbeitssicherheit auf
Baustellen und welche Unfälle passieren
hier?
Rudi Clemens: Die meisten Unfälle passieren im Straßen- und Tiefbau durch Bau-
maschinen. Oft ist es mangelnde Sicht des
Maschinenführers, wodurch Bauarbeiter
von der meist rückwärtsfahrenden Maschine erfasst, überrollt oder eingequetscht
werden, oder durch herabfallende Arbeitseinrichtungen, wie sich lösende Baggerschaufeln, oder angehängte Lasten erschlagen werden. In diesem Jahr sind mir
schon 11 Unfälle bekannt – in den letzten
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Baumaschinen
zwei Wochen fünf Unfälle – bei denen auf
diese Weise oft auch junge Menschen ihr
Leben lassen mussten. Die letzten Unfälle
geschahen am 29. April im Moritzburger
Ortsteil Reichenberg (Sachsen), wo ein
28-jähriger von einer Baggerschaufel erschlagen wurde und am 6. Mai in Bochum,
wo ein 33-jähriger Mann aus Dortmund von
einem rückwärtsfahrenden Bagger getötet
wurde, als er seinen stehenden Lkw reinigte. Am 12.05. wurde auf einem Wertstoffhof in Worms ein Mann von einem Radlader erfasst und getötet. Der Mann aus der
Verbandsgemeinde Grünstadt-Land hatte
nach dem Entladen neben seinem Lastwagen gestanden. Am 13. Mai wurde ein
32-jähriger Mann in München-Geretsried
von einer Straßenwalze überollt.
SiGeKo Bau: Wie können Ihrer Meinung
nach solche Unfälle verhindert werden?
Rudi Clemens: Es gibt einige Maßnahmen, die dringend umgesetzt werden müssen, um solche Unfälle zu verhindern. Die
wichtigste bezüglich Sicht und herabfallender Lasten, ist sicherlich die Vermeidung
von Personen im Gefahrenbereich. Wenn
niemand hinter dem Bagger steht, kann
der Baggerfahrer auch niemanden anfahren. Genauso, wenn niemand unter einer
Baggerschaufel steht, kann diese auch
nicht auf einem Menschen fallen, sondern
höchstens auf die Erde. Auf großen Baustellen bewegen sich Baumaschinen über
weite Strecken mit Geschwindigkeiten bis
zu 40 km/h – auch rückwärts, wie z. B. Radlader. Die Praxis zeigt, dass es in der Regel
oft gar nicht möglich ist, den kompletten
Gefahrenbereich abzusperren.
Aus diesem Grund bekommt beispielsweise die Sicherheitskennzeichnung an
Baumaschinen eine ganz besondere Bedeutung und allerhöchste Priorität. Bei fast
allen Baumaschinen – ich vermute weit
über 90 % – ist die Sicherheitskennzeichnung entweder nicht in Ordnung oder nicht
vorhanden und findet keine Beachtung,
weil sie zu klein ist und meist in Gelb genau wie die Maschine. Sie wird auch nicht
kontrolliert.
SiGeKo Bau: Was sollte getan werden, um
solche Gefahrenquellen zu vermeiden?
Rudi Clemens: Die Praxis auf den Baustellen zeigt, dass bei fast allen Maschinen
keine Betriebsanweisung für die Maschine selbst sowie für den Gefahrenbereich
und für den Schnellwechsler beim Bagger
erstellt werden und damit auch nicht vorhanden sind. Deshalb sind die Beschäftigten nicht für das Thema Sicherheit bzw.
Arbeitssicherheit sensibilisiert. So wird
beispielsweise auch die Helmpflicht im
Bereich von eventuell herabfallenden Gegenständen ständig ignoriert. Es gibt gar
keine oder nur unzureichende Sicherheitskennzeichnung schon durch die Hersteller
auf den Baumaschinen. Es ist auf Baustellen Gang und Gäbe, dass sich Personen im
Gefahrenbereich der Baumaschinen aufhalten. Dies abzustellen kostet so gut wie
nichts, nur Überzeugungsarbeit. Der Unternehmer, der eine Baumaschine kauft, sieht
auf der Baumaschine das CE Zeichen und
ein Prüfsiegel, das für ihn die „Sicherheit“
zertifiziert. Somit verlässt er sich auf den
Hersteller und führt deshalb keine eigene
Gefährdungsbeurteilung mehr durch, die
Baumaschinen
ihm aber die Betriebssicherheitsverordnung vorschreibt.
SiGeKo Bau: Wird denn die Einhaltung der
Arbeitssicherheit nicht von offiziellen Stellen kontrolliert?
Rudi Clemens: Die Aufsichtspersonen,
insbesondere beim Staat, sind zahlenmäßig soweit heruntergefahren worden oder
mit anderen zusätzlichen Aufgaben betraut
worden, dass eine ausreichende Kontrolle
teilweise gar nicht mehr möglich ist. Aber
das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, Arbeitsschutz ist Ländersache. Und das Personal richtet sich nach der
Kassenlage.
SiGeKo Bau: Woran machen Sie das fest?
Rudi Clemens: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz analysiert Meldungen über
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gefährliche technische Produkte und gibt
dazu jährlich einen Bericht heraus. Die Fakten besagen, dass technische Produkte im
Jahr 2012 an 140 tödlichen Arbeitsunfällen
beteiligt waren. 2009 wurden insgesamt 33
tödliche Unfälle auf Baustellen gemeldet,
an denen ein Produkt beteiligt war. Im Jahr
2011 waren es 63 Unfälle mit Todesfolge.
Das ist fast eine Verdoppelung innerhalb
von 2 Jahren. 45 % aller tödlichen Arbeitsunfälle in 2011, die der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
zur Kenntnis gelangten, sind auf Baustellen passiert. In einem Kommentar in dem
BAuA-Bericht schreiben die Autoren bemerkenswerterweise: „Eine konsequentere Kontrolle der tatsächlichen Umsetzung
der Ergebnisse einer dokumentierten Gefährdungsbeurteilung und ähnlicher (Management-)Maßnahmen durch Marktüberwachungs- und Arbeitsschutzbehörden
erscheint nötig. Die Präsentation „schöner
Ordner“ ersetzt keine Betriebsbegehung.“
SiGeKo Bau: Sie haben soeben die Sicherheitskennzeichnung auf Baumaschinen
angesprochen. Werden denn die Baumaschinen nicht vom Hersteller bereits mit
Sicherheitskennzeichnung ausgeliefert.
Dass dieses Warnzeichen nur in Verbindung mit einem
Zusatzzeichen angewendet werden darf, das die Gefahr
konkretisiert, wird sogar von Weltmarktführern unter den
Baumaschinenherstellern ignoriert.
Rudi Clemens: Ja, aber auf Warnschilder
für spezielle Gefahren wird teilweise meist
verzichtet. Sie sind sicher nicht durch eine
Gefahrenanalyse entstanden, die der Hersteller schon in der Bauphase erstellen
muss. Der Einfachheit halber wird nur ein
Zeichen für „Gefahr“ verwendet, das ist
das allgemeine Warnzeichen (Anm. d.
Red.: Ausrufezeichen im Dreieck). Dieses
spezielle Zeichen darf aber nur verwen-
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Baumaschinen
Die von Herrn Clemens entwickelten Aufkleber für Bagger: abgestuft nach Gefährdung,
durch Farbe und Größe deutlich sichtbarer und mit selbsterklärenden Piktogrammen.
det werden mit einem Zusatz, welcher die
Gefahr konkretisiert. Auf einem Bagger
beispielsweise werden davon vier Stück
angebracht, zwei am Heck und zwei am
Löffelstiel, jeweils rechts und links. Bei
kleineren Radladern hält man eins für ausreichend. Das ist in den letzten 10 Jahren
noch von niemandem beanstandet worden. Aber: Bei fehlender oder falscher
Kennzeichnung kann ein Bußgeld verhängt
werden – doch aufgrund mangelnder Kontrollen durch Personalmangel bei den Aufsichtsbehörden allerdings eine wirkungslose Maßnahme.
Für befremdlich halte ich, dass solche
vollkommen rechtlich unzureichend gekennzeichneten Maschinen von Prüf- und
Zertifizierungsstellen hinsichtlich der Arbeitssicherheit geprüft und auf Grundlage
der EG-2006/42/EG Maschinenrichtlinie
bzw. des ProdSG seit vielen Jahren zertifiziert werden. Meiner Meinung nach dürfte
an den Maschinen nicht einmal das CE Zeichen angebracht sein, womit der Hersteller
bestätigt, dass die Maschine der Maschinenrichtlinie entspricht.
Es muss Unternehmensphilosophie sein,
die Sicherheitskennzeichnung ernst zu neh-
men. Durch das
Anbringen von Sicherheitshinweisen auf Maschinen, kann
Gefahren und Unfällen effektiv vorgebeugt
werden. Maschinenkennzeichen machen
nicht nur auf etwaige Gefahren aufmerksam, sondern verringern das Unfallrisiko in
Arbeitsprozessen an Maschinen nachweisbar.
SiGeKo Bau: Sie haben nun einen Vorschlag für eine besser verständliche Kennzeichnung auf Baumaschinen?
Rudi Clemens: Ja, abgestuft nach Gefährdung, deutlich sichtbarer durch Farbe und
Größe und durch selbsterklärende Piktogramme verständlicher. Ich halte die Kennzeichnungen „Für Fußgänger verboten“
(ein anderes generelles Verbotsschild gibt
es nicht) oder „Für Unbefugte verboten“
für besser verständlich. Deshalb habe ich
einige Aufkleber für Baumaschinen bzw.
Bagger entwickelt und produzieren lassen,
die diese Kennzeichnungen beinhalten.
Zur Erklärung: Für die rechte Seite eines
Baggers empfehle ich ein generelles Aufenthaltsverbot, da die Sicht auf die Spiegel
rechts für den Baggerfahrer aufgrund des
Hebearms verdeckt ist. Das gilt auch für
Baumaschinen
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hinten. Es gibt keine Tätigkeit, die unmittelbar im Gefahrenbereich hinter dem Bagger
ausgeführt werden muss, bzw. die mit der
Tätigkeit des Arbeitsablaufs erforderlich
wäre. Deshalb sollte hier absolutes Aufenthaltsverbot bestehen. Das Schild wird hinten auf dem Heck jeweils rechts und links
angebracht.
tungen. Deshalb hier strengstes Aufenthaltsverbot.
Der Hinweis „Aufenthalt streng verboten.
Lebensgefahr“ soll vorne oben an beiden
Seiten des Löffelstiels angebracht werden.
Eine Vorschrift in der TRBS sagt zwar, dass
Lasten immer zu sichern sind, aber bei einem mit Schutt gefüllten Baggerlöffel ist
dies nicht möglich. In letzter Zeit kommt
es vermehrt zu abfallenden Arbeitseinrich-
SiGeKo Bau: Vielen Dank, Herr Clemens
für das Interview und Ihre Anregungen zu
mehr Arbeitssicherheit auf Baustellen mit
Baumaschinen.
Diese Aufkleber werden von mir in verschiedenen Größen angeboten. Wer sich
dafür interessiert, kann sich gerne an mich
direkt wenden oder über die Redaktion der
„SiGeKo Bau“.
Weitere Informationen unter:
www.gesunde-bauarbeit.eu
Vorschlag von Herrn Clemens: Aufkleber mit dem Hinweis „Aufenthalt streng verboten. Lebensgefahr“ für beide Seiten des
Bagger-Löffelstiels