Landtag von Baden-Württemberg Mitteilung

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7791
15. Wahlperiode
30. 11. 2015
Mitteilung
der Landesregierung
Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags;
hier: Entschließung zu Einzelplan 05 – Justizministerium –
im Rahmen der Zweiten Beratung des Staatshaushaltsplans 2015/2016 bezüglich rechtlicher, organisatorischer, finanzieller und personeller Rahmenbedingungen
für den Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen
– Drucksache 15/6055-4
Landtagsbeschluss
Der Landtag hat am 11. Dezember 2014 folgenden Beschluss gefasst (Drucksache
15/6055-4):
Die Landesregierung zu ersuchen,
neben der Erarbeitung von Leitlinien für den Umgang mit psychisch auffälligen
Gefangenen die rechtlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen des Justizvollzugs in Baden-Württemberg insgesamt zu überprüfen. Die Vorfälle in Bruchsal und Adelsheim geben Anlass, insbesondere der
Sicherheit der Bediensteten im Justizvollzug, der personellen Ausstattung, den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie der Attraktivität der Berufsbilder im
Justizvollzug besonderes Augenmerk zu schenken. Sächliche und personelle Mehrbedarfe sollen dann in einem Nachtragshaushalt gegebenenfalls berücksichtigt
werden.
Bericht
Mit Schreiben vom 30. November 2015, Az.: I-0451.1, berichtet das Staatsministerium wie folgt:
I.Unabhängige Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen
Gefangenen
Das Justizministerium hat am 24. November 2014 eine hochrangig besetzte,
unabhängige Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen
Gefangenen eingesetzt. In ihr waren neben den Strafvollzugsbeauftragten der
Landtagsfraktionen erfahrene Praktiker aus dem Justizvollzug, Fachleute aus
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Eingegangen: 30. 11. 2015 / Ausgegeben: 01. 12. 2015
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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dem Bereich der Psychiatrie, die Personalvertretungen und der Bund der Strafvollzugsbediensteten sowie Vertreter aus dem Justiz- und Sozialministerium
vertreten. Die Kommission hat ab Dezember 2014 in insgesamt neun Sitzungen getagt, am 11. Mai 2015 einen Zwischenbericht zur personellen Ausstattung erstattet und am 14. September 2015 ihren umfangreichen Abschlussbericht vorgelegt. Im Herbst 2016 soll die Kommission zur Evaluation nochmals
zusammenkommen, um die Umsetzung der Empfehlungen und gegebenenfalls
neu hinzugekommene Gesichtspunkte zu erörtern.
II.Leitlinien für den Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen
Die Expertenkommission hat wegweisende Leitlinien zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen erarbeitet. Diese Leitlinien stellen die Grundlagen, den normativen Rahmen und die Gestaltungsgrundsätze dar und beziehen
sich auf Gefangene, Mitarbeiter im Justizvollzug und die Institution „Justizvollzug“. Das Justizministerium und die Vollzugspraxis werden sich in ihren
Entscheidungen im Einzelfall und hinsichtlich der Struktur des Strafvollzuges
an diesen Leitlinien orientieren.
Aufgrund einer weiteren Empfehlung der Expertenkommission werden die Behandlungs- und Betreuungsangebote für psychisch auffällige Gefangene in den
Justizvollzugsanstalten des Regelvollzugs ausgebaut und standardisiert. Darüber hinaus werden geeignete Formen der Steuerung entwickelt. Dazu zählt
auch die Implementierung eines Ethikkomitees, um ethisch relevante Einzelfallentscheidungen und allgemeine Fragen zur Berufsethik im Justizvollzug zu
erörtern.
III. Rahmenbedingungen des Justizvollzugs
1. Rechtlicher Rahmen
Im Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg (Justizvollzugsgesetzbuch – JVollzGB) vom 10. November 2009 (GBl. 2009, S. 545),
geändert durch Gesetz vom 14. November 2012 (GBl. 2012, S. 581), sind die
Untersuchungshaft, der Strafvollzug an Erwachsenen, der Jugendstrafvollzug und der Vollzug der Sicherungsverwahrung umfassend geregelt.
Hinzu kommt das Gesetz über die Gestaltung und Durchführung des Jugendarrestes in Baden-Württemberg (Jugendarrestgesetz – JArrG) vom 25. November 2014 (GBl. 2014, S. 582), das auf soziales Training und Nachsorge
setzt und einen modernen Jugendarrest ermöglicht.
Mit der Verwaltungsvorschrift zum Justizvollzugsgesetzbuch (VV-JVollzGB)
vom 8. März 2010, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 1. August 2013, wurden eingehende untergesetzliche Vorschriften zur Selbstbindung der Justizvollzugsverwaltung erlassen.
Das Justizministerium erarbeitet auf Empfehlung der Expertenkommission derzeit eine eigenständige vollzugsrechtliche Eingriffsgrundlage für
Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Bereits im September 2014 hat das Justizministerium veranlasst, dass jeder
Fall von Einzelhaft unabhängig von der Zeitdauer zu berichten ist. In den
zustimmungspflichtigen Einzelhaftfällen sind die Justizvollzugsanstalten
gehalten, einen ausführlichen Sachbericht zu erstatten, der auch Ausführungen zur gegenwärtigen Unterbringungssituation, zu den sozialen Kontakten
sowie zur körperlichen und seelischen Verfassung des Betroffenen enthalten muss. Eine wirksame Kontrolle der Berichtspflichten ist durch ein überarbeitetes Wiedervorlagesystem gewährleistet. Darüber hinaus wurde eine
Arbeitsgruppe „Einzelhaft“ unter Beteiligung der Vollzugspraxis gebildet,
die eine am 1. August 2015 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift zur
Einzelhaft erarbeitet hat. Sie regelt Anordnung, Überwachung und Durchführung der Einzelhaft. Parallel hierzu wurden in der Fachanwendung „ISVollzug“ Anpassungen vorgenommen, die den Bediensteten die Möglichkeit
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geben, sich – bezogen auf jeden Gefangenen – innerhalb kürzester Zeit einen
Überblick über die angefallenen Einzelhaftzeiten im maßgeblichen Jahreszeitraum zu verschaffen. Neben diversen Auswertungsmöglichkeiten enthält
das neue System auch eine Erinnerungsfunktion, um sicherzustellen, dass in
zustimmungspflichtigen Einzelhaftfällen die erforderliche aufsichtsbehördliche Zustimmung rechtzeitig eingeholt wird.
Auf eine Empfehlung der Expertenkommission sollen Anfang des Jahres
2016 weitere Berichtspflichten im Bereich Zwangsmedikation und Zwangsernährung eingeführt werden.
2. Organisatorischer Rahmen
a) Haftplatzentwicklungsprogramm und bauliche Maßnahmen
Mit dem Haftplatzentwicklungsprogramm 2015 war durch die Schaffung
von Vollzugsschwerpunkten bei Aufgabe kleinerer Einrichtungen eine
Optimierung des baden-württembergischen Justizvollzugs in wirtschaftlicher, personeller und behandlerischer Hinsicht verbunden. In diesem Zuge
wurden zum 1. Mai 2015 die Außenstellen Crailsheim, Klein-Komburg
und Sachsenheim geschlossen. Damit folgte das Justizministerium auch
einer Anregung des Rechnungshofes Baden-Württemberg. Nach Schließung der Außenstelle Crailsheim wird seit 1. Mai 2015 der bewährte Vollzug mit jungen, ehemals drogenabhängigen Gefangenen in der Außenstelle
Oberndorf der Justizvollzugsanstalt Rottweil fortgesetzt. Zum 1. Dezember 2015 soll die Außenstelle Heidelberg geräumt werden. Die dort inhaftierten weiblichen Untersuchungsgefangenen sollen in der Justizvollzugsanstalt Mannheim untergebracht werden. Mit Fertigstellung des Anbaus
in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn soll die Außenstelle Ellwangen zum
31. März 2016 geschlossen werden. Infolge des Rückgangs von jungen
Gefangenen im Jugendstrafvollzug war es dem Justizministerium möglich, die Jugendstrafanstalt Pforzheim aufzugeben und dem Innenministerium zu übergeben, damit in Pforzheim ab dem 1. April 2016 Abschiebungshaft vollzogen werden kann. Gerade vor dem Hintergrund der stark
steigenden Zahl von nach Deutschland kommenden Flüchtlingen kommt
der Einrichtung einer Abschiebehafteinrichtung hohe Priorität zu. Mit
Blick auf die Entwicklung der Gefangenenzahlen hat die Landesregierung
im Zuge der Entscheidung für den Neubau der Justizvollzugsanstalt Rottweil festgelegt, auf vorgesehene Erweiterungen in den Justizvollzugsanstalten Adelsheim, Mannheim und Ravensburg zu verzichten. In Rottweil
soll eine moderne Justizvollzugsanstalt des geschlossenen Vollzugs mit
zunächst 400 Haftplätzen zur Unterbringung von Untersuchungs- und
Strafgefangenen aus den Zuständigkeitsbereichen der Landgerichte Rottweil, Hechingen, Konstanz und Waldshut entstehen. Im Gegenzug sollen
weitere kleine und nicht entwicklungsfähige Vollzugseinrichtungen in
Waldshut, Rottweil, Villingen-Schwenningen, Hechingen und Tübingen
aufgegeben werden. Nach einem umfangreichen Beteiligungsprozess in
Rottweil und Meßstetten entschied die Landesregierung am 21. Juli 2015,
eine Justizvollzugsanstalt im Rottweiler Gewann Esch zu errichten. Neben
dem Wunsch der Stadt Rottweil spielten vor allem vollzugliche Belange
wie heimatnahe Unterbringung, Transportwege, zentrale Lage im Suchdreieck und eine sozialverträgliche Weiterbeschäftigung der Bediensteten
eine maßgebliche Rolle für die Standortfrage. Auch die Bürgerinnen und
Bürger von Rottweil sprachen sich am 20. September 2015 mittels eines
Bürgerentscheids für den Standort Esch aus. Bauliche Gestaltung und Einfügung in die Umgebung soll in einem Architektenwettbewerb von Frühjahr 2016 bis Ende 2016 sichergestellt werden. Dabei soll auch die Frage
berücksichtigt werden, wie sich durch die bauliche Gestaltung Aspekte
eines modernen Strafvollzugs und der Resozialisierungsgedanke optimal
verwirklichen lassen. Die Auslobung wird derzeit mit dem Ministerium
für Finanzen und Wirtschaft und der Stadt Rottweil unter Einbindung der
Bürgerinnen und Bürger vor Ort vorbereitet. Bei gutem Verlauf ist mit
einem Baubeginn im Jahr 2019 und einer Bauzeit von drei Jahren zu rechnen.
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Die auf diesen Grundlagen mögliche Weiterentwicklung des Haftplatzentwicklungsprogramms mit einem neuen Schwerpunkt auf strukturelle
Überlegungen, bezogen auf die unterschiedlichen Vollzugsformen, die
Gesundheitsfürsorge der Gefangenen und die Strukturierung der Behandlungsangebote durch Errichtung von Behandlungszentren befindet sich in
der Planung. Dabei wird entsprechend der Empfehlung der Expertenkommission auf die Errichtung einer Sonderanstalt für psychisch auffällige
Gefangene verzichtet.
b) Aufsicht, Nachschau und Berichtswesen
Die zeitintensiven und hohen fachlichen Anforderungen auf Planungs-,
Steuerungs- und Aufsichtsebene erfordern eine nachhaltige personelle
Verstärkung des medizinischen Dienstes, um die von der Expertenkommission empfohlene Durchführung regelmäßiger medizinischer Nachschauen durch das Justizministerium als Aufsichtsbehörde weiterhin zu
gewährleisten.
Das Justizministerium standardisiert die Nachschauberichte mit einem
Schwerpunkt auf der Achtung der Grund- und Menschenrechte der Gefangenen und hat den Kriminologischen Dienst beauftragt, ein Konzept
zu erarbeiten, mit dem psychische Auffälligkeiten von Gefangenen im Informationssystem Vollzug eingehend nach wissenschaftlich anerkannten,
operationalisierten und vollzugpraktisch relevanten Kriterien dokumentiert werden können.
Seit dem Jahr 2010 veröffentlicht der Kriminologische Dienst bei der
Justizvollzugsschule Baden-Württemberg einen bundesweit beachteten
Strukturbericht über den Jugendstrafvollzug in Baden-Württemberg. Erstmals 2014 enthält der Bericht kriminologisch relevante Daten zum Entwicklungsfortschrift der jungen Gefangenen zwischen ihrem Zugang in
der Jugendstrafanstalt Adelsheim und ihrer Entlassung. Dies ermöglicht
die Analyse der einzelnen Vollzugsverläufe und Maßnahmen zur Qualitätssicherung bzw. Qualitätsverbesserung.
c) EDV
Durch Einführung einer elektronischen Gesundheitsakte in den Justizvollzugsanstalten wird eine Qualitätsverbesserung bei der Dokumentation,
Optimierung und Vereinheitlichung der Arbeitsprozesse sowie Verbesserung des Datenschutzes eintreten. Nach Abschluss der Programmierungsarbeiten wurde die elektronische Gesundheitsakte ab November 2014 von
den Bediensteten zweier Pilotanstalten auf Funktionalität und inhaltliche
Vollständigkeit geprüft und von März bis Juli 2015 in der Praxis erprobt.
Sich daraus ergebende Änderungen wurden mittlerweile eingearbeitet,
sodass die elektronische Gesundheitsakte im 1. Quartal 2016 landesweit
eingesetzt werden kann.
3. Personeller und finanzieller Rahmen
Die Verbesserung der personellen Rahmenbedingungen ist nach dem Ergebnis
der Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen
unverzichtbare Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit des Justizvollzuges.
Die Kommission hat daher bereits mit Zwischenbericht vom 11. Mai 2015 ein
umfangreiches stellenrechtliches Maßnahmenpaket empfohlen und dieses im
Abschlussbericht um weitere stellen- und besoldungsrechtliche Empfehlungen ergänzt. Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs hat das Justizministerium bereits nach Vorliegen des Zwischenberichts in einem ersten Umsetzungsschritt ein stellenrechtliches Maßnahmenpaket im Volumen von 5 Mio.
Euro auf den Weg gebracht. Dieses enthält insgesamt 389 Stellenhebungen,
darunter 12 Hebungen für Fachärzte, 55 Hebungen für Vollzugsbedienstete
im Bereich der Krankenreviere sowie weitere 322 Hebungen für Vollzugsbedienstete im Stockwerksbereich. Das Maßnahmenpaket enthält weiterhin
30 Neustellen, die im 2. Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2015/16 zugehen
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sollen. Dies sind im Einzelnen sieben Stellen für zusätzliche Ärzte beim Justizvollzugskrankenhaus und bei den großen Anstalten, jeweils sechs Stellen
für den Psychologischen Dienst und den Sozialdienst, zehn Stellen für den
mittleren Vollzugsdienst und eine Stelle für einen zusätzlichen Referenten
in der Abteilung Justizvollzug des Justizministeriums zur Verstärkung der
Aufsicht über die Justizvollzugseinrichtungen. Hinzu kommen als weiterer
Bestandteil des Maßnahmenpakets 54,5 Stellen aus der Schließung kleiner
Außenstellen, die zu Gunsten notwendiger Personalverstärkungen den Behandlungs- und Betreuungsbereichen der Justizvollzugsanstalten zufallen
sollen.
4. Berufliche Entwicklungsmöglichkeiten und Attraktivität der Berufsbilder im
Justizvollzug
Den Herausforderungen im Justizvollzug kann nur mit engagierten Mitarbeitern erfolgreich begegnet werden. Die Rückmeldung und Meinung der Mitarbeiter zu ihrer Tätigkeit und den Rahmenbedingungen ist hierfür besonders
wichtig. Das Justizministerium hat daher im Spätjahr 2015 eine Mitarbeiterbefragung pilotiert, die im Frühjahr 2016 landesweit durchgeführt wird.
Die Ergebnisse werden sodann in die Planung zukünftiger Maßnahmen zur
weiteren Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Aufgabenerledigung
einbezogen werden.
Unbeschadet der Erkenntnisse der Mitarbeiterbefragung lassen sich bereits
jetzt Handlungsbereiche für mögliche Verbesserungen der personellen Rahmenbedingungen ausmachen. Hierzu zählen in den mittleren Laufbahnen
des Vollzugsdienstes und des Werkdienstes die Anwärtersonderzuschläge.
In beiden Laufbahnen werden vorrangig bereits lebensältere Bewerber mit
abgeschlossener Berufsausbildung bzw. mit Meisterprüfung in den Vorbereitungsdienst eingestellt. Familiäre und bisherige Verdienstsituation erfordern
hier zur Gewinnung gut qualifizierter Bewerber eine ausreichende finanzielle
Absicherung während des Vorbereitungsdienstes.
Qualifizierte Bedienstete sind wesentliche Grundlage der erfolgreichen Arbeit des Justizvollzuges. Damit kommt der Aus- und Fortbildung besondere
Bedeutung zu. Dieser Aufgabenbereich wird durch die Justizvollzugschule
Baden-Württemberg bisher mit großem Erfolg wahrgenommen. Aufgrund
der erheblichen Erweiterung der Fortbildungsangebote im Umgang mit psychisch auffälligen und kranken Gefangenen, zu Themen der Radikalisierung
und weiteren aktuellen fachspezifischen Themen muss die Belastung im Bereich der Justizvollzugsschule beobachtet und gegebenenfalls nachgesteuert
werden.
5. Rahmen für einen resozialisierenden Justizvollzug
Da die Zuständigkeit des Strafvollzugs mit der Entlassung endet, ist die
Wiedereingliederung von Strafgefangenen ein Ziel, das der Strafvollzug
nicht allein erreichen kann, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Derzeit arbeitet das Justizministerium daran, eine Kooperationsvereinbarung zur Reintegration Strafgefangener mit dem Sozialministerium, der
Regionaldirektion Baden-Württemberg, der Bundesagentur für Arbeit, dem
Städtetag Baden-Württemberg, dem Landkreistag Baden-Württemberg, dem
Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, den Straffälligenhilfeverbänden und der Liga der freien Wohlfahrtspflege in BadenWürttemberg abzuschließen. Die Auftaktsitzung mit allen Beteiligten fand
am 27. November 2015 im Justizministerium in Stuttgart statt. Damit die
Resozialisierung in Baden-Württemberg besser gelingt, sollen darin verbindliche Vereinbarungen getroffen werden, damit zum Zeitpunkt der Entlassung
die notwendigen Rahmenbedingungen für eine geordnete Integration in die
Gesellschaft geschaffen sind. Insbesondere sollen die Voraussetzungen zur
Aufnahme der entsprechenden Sozialleistungen geklärt, die Unterkunft gesichert sein sowie eine Anlaufstelle zur beruflichen Integration feststehen.
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6. Sicherheit
Die von gewaltbereiten Islamisten ausgehenden Gefahren sind derzeit der
vorrangige Gegenstand der Fortentwicklung des Sicherheitskonzepts im
Justizvollzug. Unter Federführung von Baden-Württemberg als Vorsitzland
der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister wurde der Strafvollzugsausschuss gebeten, sich weiterhin mit dem Thema zu befassen,
insbesondere die Notwendigkeit neuer Strategien zu prüfen und wirksame
Handlungskonzepte zum Umgang mit Islamisten/Salafisten im Wege eines
Best Practice zu ermitteln. Eine zu diesem Zweck eingerichtete bundesweite Arbeitsgruppe, Umgang mit kriminellen Formen der Radikalisierung und
des politischen und religiösen Extremismus, an der auch Baden-Württemberg
teilnimmt, hat dem Strafvollzugsauschuss im September 2015 bereits einen
Zwischenbericht vorgelegt.
Parallel dazu werden die Bemühungen fortgesetzt, einer Radikalisierung im
Justizvollzug vorzubeugen. Fester Bestandteil des Präventionsprogramms
ist die Beobachtung subkultureller Strukturen innerhalb der Justizvollzugsanstalten. In die Beobachtung eingebunden sind zunächst die Bediensteten
vor Ort, die dafür sensibilisiert sind, Hinweise auf eine Radikalisierung von
Gefangenen zu melden. Diese Erkenntnisse werden von einem sogenannten
Strukturbeobachter – einem speziell geschulten Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes – bewertet und an die Anstaltsleitung weitergegeben.
Eine landesweite Arbeitsgruppe, an der die Strukturbeobachter beteiligt sind,
widmet sich anstaltsübergreifenden Aspekten.
Gemeinsam mit dem Landesamt für Verfassungsschutz wurde darüber hinaus eine Arbeitsgruppe gebildet, die die über viele Jahre gewachsene intensive Zusammenarbeit in Aus- und Fortbildung aber auch in der Beratung zu
Einzelfällen und dem gegenseitigen Informationssaustauch über das aktuelle
Thema Islamismus hinaus weiter institutionalisieren soll. Vorgesehen ist in
diesem Rahmen auch die Entwicklung einer weiteren Handreichung für die
Bediensteten des Justizvollzugs. Ein Ausbau der muslimischen Seelsorge in
den Justizvollzugsanstalten soll neben der Durchsetzung des Anspruchs auf
Glaubensfreiheit einer möglichen islamistischen Radikalisierung entgegenwirken.
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