Wir spielen Shakespeare

Wir spielen Shakespeare
Stefan Grimm, Wir spielen Shakespeare (Leseprobe- theaterbörse GmbH )
Der vorliegende Text ist ein Ausschnitt des vollständigen Theaterstückes. Wir schicken Ihnen den Ausschnitt, damit Sie sich einen ersten Eindruck von dem Theaterstück machen können.
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Wir möchten Sie aus Fairness gegenüber den Autoren bitten, diesen Text nur
als Leseprobe zu verwenden. Sie können es selbstverständlich an Interessierte weitergeben. Wir arbeiten mit Autoren, die wie Sie mit Gruppen arbeiten und
in diesem Zusammenhang ihre Stücke entwickelt haben. Zuwiderhandlungen
werden rechtlich verfolgt.
Wir spielen Shakespeare
Stefan Grimm
(Schon seit einigen Tagen hängen vor dam Theater und im Foyer große Plakate mit der Ankündigung:
"Wir spielen Shakespeare". Darunter steht etwas kleiner: "Warnung: Zuschauer, die zu spät kommen,
müssen im Stück mitspielen und bezahlen das doppelte Eintrittsgeld. Die Vorstellung beginnt pünktlich!" Ort und Zeit der Veranstaltung werden bekannt gegeben, so dass jedermann sich das Datum in
seinen Kalender schreiben kann.
Die Besetzung des Stückes sieht ein festes Ensemble vor, das nachfolgend aufgeführt wird. Es sind die
"Personen " des Stückes, die Schauspieler, die allerdings unter Umständen um Einige zu spät kommenden Zuschauer ergänzt werden können. In diesem Fall müssen die betreffenden Zuschauer eben
solange auf der Bühne, im Parkett, in der Loge oder sonstwo aktiv mitwirken, bis sie auf ihre Plätze
geschickt werden. Das Ensemble muss dann eben einige Minuten lang improvisieren, wobei der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. So mag man die zu spät gekommenen Zuschauer beispielsweise fragen, warum sie denn zu spät gekommen sind, ob es draußen stürmt oder schneit, ob Man die Eintrittskarten verlegt hat, ob ein Stau auf der Straße war, ob die Straßenbahn Verspätung hatte und sofort,
oder ob die Dame in der Hektik des Aufbruchs den Reißverschluss ihres Kleides nicht zu bekommen
hat oder ob der Reißverschluss klemmte oder ob die Strumpfhose urplötzlich eine Laufmasche bekommen hat und gegen eine neue hat ausgetauscht werden müssen, was natürlich - der Zuschauer ist
König eben so seine Zeit braucht.) Die fest engagierten Ensemble-Mitglieder sind:
PERSONEN
MAX, der Bühnenarbeiter
FRED, der Beleuchter
DER INTENDANT
DER REGISSEUR
DIE KULTUSMINISTERIN
FRAU SCHABER-NACK, ihre Sekretärin
HAMLET
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT
DER WITZIGE ZUSCHAUER, dar neben ihr sitzt
DER ANDERE ZUSCHAUER
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER
SONJA, seine Begleiterin
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DIE NEUGIERIGE DAME, eine Zuschauerin
WILLIAM SHAKESPEARE
SHAKESPEARES FRAU
DIE ERSTE PUTZFRAU
DIE ZWEITE PUTZFRAU
DIE DRITTE PUTZFRAU
DER FEUERWEHRMANN
DIE SOUFFLEUSE
DIE REQUISITEURIN
TONI, der Inhaber von "Toni 's Pizzeria"
DER SCHAUSPIELER, DER DEN HUNGRIGEN ZUSCHAUER SPIELT
DIE SCHAUSPIELERIN, WELCHE DIE ROLLE DER "SONJA' SPIELT
SQUENZ, dar Zimmermann
ZETTEL, der Viabar
SCHNOCK, der Schreinar
FLAUT, dar Bälgenflickar
SCHNAUZ, der Kesselflicker
SCHLUCKER, der Schneider
DIE MASKENBILDNERIN
DROLL, ein Elfe
TITANIA, die Tochter der Kultusminister in
(Der Zuschauerraum ist erleuchtet. Das Publikum nimmt seine Plätze ein und macht es sich bequem.
Bekannte werden begrüßt, es wird halblaut getuschelt, einige Erwartungsvolle schauen gespannt auf
die Uhr. Es ist bereits an der Zeit. Der Vorhang ist noch geschlossen.
MAX, der Bühnenarbeiter, im Blaumann, tritt von links auf die Rampe und macht sich mit einer Zange
an einem Bodenscheinwerfer zu schaffen. Dabei verständigt er sich durch Handzeichen mit FRED,
dem Beleuchter. Einige Scheinwerfer flammen auf und lassen den Vorhang in allen Farben des Regenbogens leuchten. DER INTENDANT tritt von rechts auf die Rampe, gefolgt vom REGISSEUR,
DER KULTUSMINISTERIN und deren Sekretärin, FRAU SCHABERNACK.)
DER REGISSEUR (zur KULTUSMINISTERIN, ohne dabei den Bühnenarbeiter zu beachten):
Wissen Sie, Frau Minister, was mir an Shakespeare so ungemein gefällt, ist die Tatsache, dass er nicht mehr lebt.
DIE KULTUSMINISTERIN (bestürzt): Ach, der Ärmste!
DER REGISSEUR:
Tja, Frau Minister, Sie sollten einmal dabei sein, wenn ein zeitgenössischer
Autor hier den Proben seines eigenen Stückes beiwohnt. Da lässt sich nichts inszenieren. Andauernd quatschen einem diese jungen Schnösel ins Zeug, wissen alles besser,
kommen mit abstrusen Ideen daher und haben vom Theater überhaupt keine Ahnung.
Und ich als anerkannter Regisseur habe das Nachsehen, wenn ich auf diese Nachwuchstalente eingehe und lauter Verrisse riskiere. Ich sage Ihnen, Frau Minister, es ist
eine Katastrophe! Da lobe ich mir Shakespeare. Mit seinen Stücken kann ich machen,
was ich will.
DER INTENDANT (wagt einen Scherz):
"Was Ihr wollt!" Haha! (Alle lachen.)
HAMLET (wankt ziellos durch den Zuschauerraum. Unterm Arm trägt er einen Totenschädel. Er ist
sichtlich verwirrt):
Wo hab ich heute bloß meinen Kopf?! Wo hab ich heute bloß
meinen Kopf!? (Er verschwindet irgendwo.)
DIE KULTUSMINISTERIN: Wer war denn das?
DER REGISSEUR:
Das war unser Hamlet. Er ist zur Zeit etwas zerstreut und kopflos.
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT: Ich frage mich nur,
ob ich zuhause das Bügeleisen ausgesteckt habe.
DER WITZIGE ZUSCHAUER, der neben ihr sitzt:
Wenn nicht, können Sie warm sanieren,
wenn Sie gut versichert sind.
DER ANDERE ZUSCHAUER: Seht! Ich glaube das Stück hat schon begonnen!
DER WITZIGE ZUSCHAUER: Sie, Fräulein, da fällt mir ein guter Witz ein. Also. Kommt ein Mann
zum Arzt und sagt, Sie, Herr Doktor, ich habe ein Bügeleisen verschluckt. Sagt der
Arzt...
DER ANDERE ZUSCHAUER: Seht! Das Stück hat schon begonnen.
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DIE KULTUSMINISTERIN (zum INTENDANTEN):
Was nun die Fördermittel für Ihr Theater betrifft, Herr Intendant...
DER INTENDANT (erwartungsvoll): Ja?
DIE KULTUSMINISTERIN: ...so ist der Landtag übereingekommen...
FRAU SCHABER-NACK (ereifert sich):
Gegen die Stimmen der Republikaner!
DIE KULTUSMINISTERIN: ... dass Ihnen fünfhunderttausend jährlich bewilligt werden...
DER INTENDANT (mit erhobenen Händen): Fünfhunderttausend! Jährlich!
DIE KULTUSMINISTERIN: ... vorausgesetzt (sie nimmt den INTENDANTEN beiseite und spricht
etwas leiser zu ihm)... vorausgesetzt, Sie bringen meine Tochter davon ab, Schauspielerin werden zu wollen.
MAX (winkt dem Beleuchter mit seiner Zange): So isses gut, Fred, das Miststück funktioniert wieder!
(Er geht ab.)
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER (zu SONJA): Was machen wir nach der Vorstellung? Gehn wir
Pizza essen? Drüben bei "Toni's" trifft man immer ein paar von den Schauspielern,
ungeschminkt.
SONJA:
Schauspielerinnen, wolltest du wohl sagen, ich kenn dich doch.
DIE KULTUSMINISTERIN: Verstehen Sie mich nicht falsch, meine Herren. Ich habe nichts gegen
die Schauspielerei, aber für die Tochter der Kultusministerin... Sie wissen doch, seinen Ruf verliert man nur einmal. Und in einem halben Jahr sind wieder Wahlen.
DER INTENDANT (schwärmt):
Fünfhunderttausend aus der Staatskasse, das ist wie ein Lottogewinn!
FRAU SCHABER-NACK (macht sich wichtig): Zu Lasten des Steuerzahlers!
FRED(ungeduldig):
Können wir anfangen?!
DER REGISSEUR (schaut auf seine Uhr):
Verdammt, es ist ja schon an der Zeit!
DIE KULTUSMINISTERIN (interessiert):
Was geben Sie heute Abend?
DER REGISSEUR (etwas gereizt):
Irgendwas. Am besten "Wir spielen Shakespeare".
DIE KULTUSMINISTERIN: Der kürzlich verstorben ist?
DER REGISSEUR (noch gereizter) :
Ja ja, wenn man so will. (Er drängt die Ministerin, ihre Sekretärin und den INTENDANTEN von der Rampe. Alle ab.)
(Es wird dunkel im Zuschauerraum, nur der Souffleurkasten wird von einem Scheinwerfer angestrahlt.
Für eine Weile ist es ruhig, dann hört man verhaltenes Stöhnen und obszöne Geräusche aus dem
Souffleurkasten. Nach einer Weile fliegt ein schwärzer Büstenhalter aus dem Souffleurkasten und landet vom Scheinwerfer beschienen vor dem Vorhang. Es folgt ein schwarzer Damenschuh und ein ebenfalls schwarzer Seidenstrumpf. Erotische Geräusche sind alles, was man hört. Der Souffleurkasten
wackelt ein wenig. DIE NEUGIERIGE DAME aus der ersten Reihe steht auf und nähert sich dem
Souffleurkasten. Sie reckt sich und schaut hinein, während das animalische Stöhnen anhält. DIE
NEUGIERIGE DAME schüttelt etwas verlegen den Kopf, als werde sie Zeugin einer peinlichen Szene.
Dann wendet sie sich dem Damenschuh zu, der auf der Rampe liegt. Sie begutachtet ihn mit Kennermiene, riecht in ihn hinein, wobei sie sich absichernd nach allen Seiten umblickt, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtet. Dann zieht sie ihren eigenen Schuh aus und schlüpft in das Fundstück. Sie geht einige Schritte vor der Rampe auf und ab. Man hört nur ihr Trippeln und die erotischen
Geräusche. Ein zweiter Damenschuh fliegt aus dem Souffleurkasten, gefolgt von einer Männerhose.
Da erhellt sich das Gesicht der neugierigen Dame. Sie grapscht nach dem zweiten Schuh auf der
Rampe, zieht ihn sich an und stellt ihre eigenen Schuhe ordentlich neben den Souffleurkasten. Danach
geht sie auf ihren Platz zurück. Kaum eine Sekunde später springt sie auf, trippelt zur Rampe, nimmt
die ordentlich abgestellten Schuhe und wirbelt sie durch die Luft, dass sie krachend neben oder auf
den Souffleurkasten niederprasseln und unordentlich liegen bleiben. DIE NEUGIERIGE DAME nickt
zufrieden und nimmt wieder Platz. Die Lustgeräusche klingen ab, der Scheinwerfer wird dunkler.)
DER ANDERE ZUSCHAUER (mit Kennermiene):
Das hat noch nicht zum Stück dazugehört,
das war nur improvisiert.
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER (besserwisserisch): Nein, das war bestimmt bloß eine Panne.
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT: Es lässt mir halt
doch keine Ruhe mit meinem Bügeleisen. Aber ich hab's ganz sicher ausgesteckt. Oder doch nicht? Also, ich hab die Bluse gebügelt, hab das Eisen aufs Gitter gestellt,
bin ins Badezimmer gegangen, hab die Bluse angezogen... Aber hab ich den Stecker
auch wirklich gezogen? Teufel noch mal, mein Gedächtnis!
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HAMLET (wie oben, stolpert über die halbdunkle Rampe):
Wo hab ich heute bloß meinen
Kopf?! Wo hab ich heute bloß meinen Kopf?! (Ab.)
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT: Ausgesteckt oder
nicht, das ist hier die Frage.
(Es wird ganz dunkel. Man hört, wie sich der Vorhang öffnet. Auf der Bühne ist ein alter Schreibtisch
zu sehen, an dem ein stattlicher Mann bei Kerzenlicht mit einer Feder schreibt. Die Bühne ist zusätzlich kaum erhellt. Der Mann ist WILLIAM SHAKESPEARE, der an einem seiner Werke arbeitet. Alles
ist ruhig und friedlich, bis man plötzlich von hinter der Bühne ein lautes Poltern vernimmt. Es ist
SHAKESPEARES FRAU.)
SHAKESPEARES FRAU (hinter der Bühne): Dieser Mann bringt mich noch um, dieser elende
Nichtsnutz! (Sie poltert auf die Bühne und baut sich vor ihrem verdutzt aufblickenden
Gatten auf. In der Hand schwingt sie drohend eine lange Herrenunterhose.) Mein lieber William Shakespeare, das ist das letzte Mal, dass ich eine von deinen beschmutzten Unterhosen unter Deinem Bett hervorhole! Gib sie ordentlich in die Wäsche und
genier Dich nicht so. Andere Leute haben auch Hämorrhoiden, das kommt vom vielen
Sitzen, wenn man den Hintern nicht hochbekommt. Und eine Luft ist das hier in Deinem Zimmer! Man könnte grade meinen, Du würdest Dich nicht waschen.
WILLIAM SHAKESPEARE (mit den Gedanken ganz woanders):
Shall I compare thee to a
summer's day?
SHAKESPEARES FRAU (kopfschüttelnd):
Wo du bloß wieder Deinen Kopf hast?
(Sie geht von der Bühne. WILLIAM SHAKESPEARE vertieft sich erneut in seine Arbeit. Auftreten
DER REGISSEUR, DIE KULTUSMINISTERIN und ihre Sekretärin, FRAU SCHABER-NACK.)
DIE KULTUSMINISTERIN (deutet auf SHAKESPEARE):
Und wer ist das?
DER REGISSEUR:
Das ist William Shakespeare, der große englische Dramatiker.
DIE KULTUSMINISTERIN (verwundert):
Sagten Sie nicht, der sei tot? Ein wenig blass ist er ja
schon.
FRAU SCHABER-NACK (tritt an Shakespeares Schreibtisch): How do you do?
WILLIAM SHAKESPEARE (verärgert aufblickend): Lass mir mei Ruh!
FRAU SCHABER-NACK (achselzuckend zu den anderen):
Ich dachte, vielleicht versteht er kein
Deutsch.
(Hinter der Bühne hört man, wie ein Staubsauger angeschaltet wird. Von nun an agieren die Personen
auf der Bühne tonlos, da man ab jetzt kein Wort mehr versteht. DIE ERSTE PUTZFRAU kommt auf
die Bühne und beginnt dort staubzusaugen. SHAKESPEARES FRAU tritt hinzu und wischt nass auf.
Die Putzbeleuchtung auf der Bühne und im Zuschauerraum geht an. DIE BEIDEN ANDEREN PUTZFRAUEN kommen zu den Eingängen herein und wischen im Zuschauerraum nass auf. Das Motorgeräusch des Staubsaugers übertönt alles. Irgendwann ist einigermaßen sauber rausgeputzt.)
DIE DREI PUTZFRAUEN (stellen sich in Positur und deklamieren wie ein antiker Chor, allerdings
in einem hundsmiserablen English):
When shall we three meet again?
WILLIAM SHAKESPEARE (hebt den Kopf): Das kenn ich von irgendwoher!
DER REGISSEUR:
Das ist von Shakespeare.
DIE KULTUSMINISTERIN: Der kürzlich verstorben ist.
DER REGISSEUR (am Rande eines Nervenzusammenbruchs): Ja ja, wenn man so will.
FRAU SCHABER-NACK (tut's dem INTENDANTEN gleich): "Was Ihr wollt", haha!
DIE FRAU, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT:
Wenn ich doch nur mit Sicherheit wüsste, ob ich mein Bügeleisen...
SHAKESPEARES FRAU (ins Publikum rufend):
Meine Dame, schon in der Bibel steht "Sorget euch nicht um den morgigen Tag". Ihr Bügeleisen wird schon keinen Brand entfachen.
DER FEUERWEHRMANN (tritt auf und wendet sich an die Dame im Publikum):
Gesetzt den
Fall, gnädige Frau, Sie haben Ihr Bügeleisen tatsächlich nicht ausgesteckt, so kann für
gewöhnlich nicht viel passieren. Denn für gewöhnlich stellt die geübte Hausfrau das
heiße Eisen nach dem Bügelvorgang zurück auf das dafür vorgesehene Metallgitter
rechts außen am Bügelbrett. Dort kann für gewöhnlich nichts anbrennen, denn Metall
kann nicht brennen, es schmilzt allenfalls. Doch dafür wiederum reicht die Temperatur eines Bügeleisens nicht aus, wenn Sie verstehen. Das Schlimmste, und ich sage
ausdrücklich das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass es Ihnen daheim die Si5
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cherung raushaut, wenn die Leitung überlastet ist.
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT (erleichtert):
Ist
das auch wirklich wahr?
DER FEUERWEHRMANN (galant): Sie können mir glauben, Gnädigste, ich lasse nichts anbrennen. Für gewöhnlich. Ich sage ausdrücklich für gewöhnlich. Denn wie man weiß, bestätigen Ausnahmen nur stets die Regel.
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT (enttäuscht):
Ach.
FRAU SCHABER-NACK (zur KULTUSMINISTERIN): Jetzt wird es schlüpfrig. Haben Sie gehört,
was er gesagt hat, "die Regel" hat er gesagt.
DIE KULTUSMINISTERIN (versteht nicht ganz):
Und?
FRAU SCHABER-NACK:
Ach nichts, ich dachte nur...
DIE NEUGIERIGE DAME (betrachtet begeistert den Feuerwehrmann): Was für eine hübsche Uniform! Und diese strammen Stiefel. Einfach männlich. Ohne Stiefel ist ein Mann kein
richtiger Mann!
DER REGISSEUR (aufgebracht):
Das hat sie geklaut, das stammt nicht von ihr, das ist aus
Tiecks "Gestiefeltem Kater"!
WILLIAM SHAKESPEARE: Ja ja, die deutsche Romantik!
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER (zu SONJA): Ich glaube, der Feuerwehrmann ist eine Anspielung
auf Ionescos "Kahle Sängerin".
SONJA (ungläubig): Meinst Du?
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Ganz bestimmt. Es ist nämlich ein Schlüsselstück.
SONJA:
"Die kahle Sängerin"?
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Nein, "Wir spielen Shakespeare" von Grimm.
SONJA:
Das Stück, das wir gerade sehen?
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Nein, das Stück, das wir gerade spielen.
SONJA:
Komisch.
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Das muss so sein. Es steht so geschrieben.
SONJA:
Wo?
DER REGISSEUR (zieht ein Buch aus der Tasche und klopft darauf): Hier drinnen stehts geschrieben. In diesem Buch hier steht das ganze Drama drin.
DIE NEUGIERIGE DAME:
Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.
SHAKESPEARES FRAU (zum REGISSEUR): Von wem ist das Buch?
DER REGISSEUR:
Es gehört mir.
SHAKESPEARES FRAU:
Das meine ich nicht. Ich möchte wissen, wer es geschrieben hat.
DER REGISSEUR:
Nun, William Shakespeare.
SHAKESPEARES FRAU (entreißt ihm das Buch):
Dann gehört es uns! (Sie bringt das Buch ihrem Gatten und zeigt es ihm): Sieh nur, Bill, ein Buch von dir,
WILLIAM SHAKESPEARE (schroff): Ich verleihe keine Bücher, es kann kein Buch von mir sein!
DIE NEUGIERIGE DAME (entzückt über den FEUERWEHRMANN): Diese galante Uniform, dieser glänzende Helm, diese goldenen Knöpfe!
DER ANDERE ZUSCHAUER: Frauen mögen Uniformen, das ist psychologisch erwiesen. Frauen
sind schuld an jedem Krieg!
FRAU SCHABER-NACK (entrüstet): Schämen Sie sich, Sie wissen ja nicht, was Sie reden!
DER ANDERE ZUSCHAUER (beharrlich):
Aber ich habe recht!
WILLIAM SHAKESPEARE (starrt versonnen auf die Flamme der Kerze auf seinem Schreibtisch):
Und sie bewegt sich doch!
SHAKESPEARES FRAU (bestürzt):
Das darfst Du nicht sagen, Bill, das ist nicht von Dir. Denk an
das Copyright und wie teuer das werden kann!
HAMLET (wie oben, stürzt auf die Bühne):
Wo hab ich heute bloß meinen Kopf?!
SHAKESPEARES FRAU:
Sind Sie angemeldet?
HAMLET (verdutzt): Bei wem?
SHAKESPEARES FRAU:
Bei meinem Bill.
HAMLET:
Nee.
WILLIAM SHAKESPEARE: Lass nur, Liebling, der Junge interessiert mich. Vielleicht kann ich
was aus ihm machen. Wie heißt Ihr, Junker?
HAMLET:
Die Mutter rief mich Hamlet.
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DER REGISSEUR (greift ein): Neinneinnein! So kann man das doch nicht spielen! "Die Mutter rief
mich Hamlet", das ist doch absurd. So stellt sich vielleicht Parzival vor, aber doch
nicht ein dänischer Prinz.
WILLIAM SHAKESPEARE (notiert mit der Feder auf einem Blatt):
Dä-ni-scher Prinz. Interessant. Aber wo liegt das Problem?
DER REGISSEUR (außer sich):Neinnein, um Gottes willen, Billy, Sie ruinieren mir die ganze Aufführung!
DIE ERSTE PUTZFRAU (auf der Bühne, zum REGISSEUR): Sollen auch die Souffleurkast sauber
mach?
DIE SOUFFLEUSE (erschrocken aus dem Souffleurkasten):
Um Himmels willen nein, bloß nicht.
(Etwas leiser): Verdammt, Herr Intendant, wo sind denn bloß meine Strümpfe?!
DER ANDERE ZUSCHAUER (händereibend): Dacht ich mir's doch. Der Intendant und die Souffleuse. Das gibt einen handfesten Skandal, wenn nicht ein Wunder geschieht.
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT: Ein Wunder, das ist
es. Ein Wunder wird meine Wohnung retten. Mein Bügeleisen...
DER WITZIGE ZUSCHAUER: Sie, Fräulein, da fällt mir ein guter Witz ein. Also. Kommt ein Mann
zum Arzt und sagt, sie, Herr Doktor, wundern Sie sich nicht, ich habe...
(Plötzlich wird es ganz dunkel, nur Shakespeares Kerze flackert noch munter vor sich hin.)
DIE KULTUSMINISTERIN (erschrocken) :
Was ist jetzt passiert?
FRAU SCHABER-NACK:
Ein Stromausfall?
FRED, der Beleuchter: Keine Panik! Sicherlich nur eine Sicherung.
MAX, der Bühnenarbeiter (kommt hammerschwingend auf die Bühne): Das hamm wir gleich! (Er
nähert sich bedrohlich dem Souffleurkasten. )
DIE SOUFFLEUSE (schreit entsetzt) : Nein, nicht!
DER ANDERE ZUSCHAUER: So versucht man, Skandale zu vertuschen!
DIE KULTUSMINISTERIN: Entsetzlich, einfach entsetzlich!
DER REGISSEUR:
Der Autor dieses Stückes muss momentan völlig betrunken sein!
HAMLET:
Was schreibt er hier bloß für einen Käse!
DER INTENDANT (im Souffleurkasten) :
Ich habe für alles eine Erklärung, ich habe für alles
eine Erklärung!
DER FEUERWEHRMANN: Gott sei dank steht die Kerze nicht unmittelbar beim Vorhang!
DIE NEUGIERIGE DAME:
Diese Uniform! (Nach einer kurzen Pause): Aber etwas eng sind die
Schuhe ja schon.
DER INTENDANT (aus dem Souffleurkasten): Vorhang! Sabotage! Vorhang!
(Der Bühnenarbeiter lässt den Hammer sinken, gleichzeitig fällt der Vorhang. Die Notbeleuchtung
geht an.)
DER FEUERWEHRMANN (tritt vor den Vorhang):
Es ist alles in Ordnung, bleiben Sie ruhig auf
ihren Plätzen sitzen, wir haben alles im Griff!
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Das reinste Chaos!
SONJA:
Ob das zum Stück gehört?
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT: Es lässt mir halt
doch keine Ruhe! (Sie steht auf und zwängt sich an den neben ihr Sitzenden vorbei
zum Ausgang): Ich muss jetzt doch nachhause gehn und nach meinem Bügeleisen
schaun. Hier verpass ich ja doch nichts. Das Stück ist der reinste Rein fall! (Sie verlässt das Theater.)
(Es wird wieder dunkel, der Vorhang öffnet sich. Auf der Bühne steht silbrig glänzend, wie vom Mondschein beschienen, ein Bügeltisch. Das daraufstehende Bügeleisen ist ausgesteckt. DIE
ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT - jetzt mit Mantel und Hut - tritt
auf. Sie erblickt den Bügeltisch.)
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT: Gott sei dank, es ist
ausgesteckt!
DER ANDERE ZUSCHAUER (lauthals):
Das musste ja so kommen, ein billiger Witz! Wir sollen jetzt wohl denken, die Frau da oben sei zuhause bei ihrem Bügeleisen, aber so
blöde kann ja gar niemand sein. Das ist doch alles bloß Theater und gespielt!
DER REGISSEUR (steckt seinen Kopf auf die Bühne): Sie da oben, spielen Sie gefälligst Ihre Rolle
und entfachen Sie keine Meuterei!
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DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT (zum REGISSEUR) :
Weg da, weg! Das ist meine Szene! Reden Sie mir gefälligst nicht dazwischen! (Zum
Publikum):
Also, wie Sie sehen, bin ich jetzt daheim...
DER ANDERE ZUSCHAUER (dazwischen): Illusion, alles Illusion!
DER REGISSEUR (lugt noch einmal auf die Bühne und zischt in den Zuschauerraum): Ich
warne
Sie, Herr... (Name des Schauspielers, der DEN ANDEREN ZUSCHAUER spielt), halten Sie sich zurück!
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGLEISEN DENKT:
Also, dann fang ich
eben noch mal vor vorne an. Also, wie Sie sehen, bin ich jetzt daheim. Das Bügeleisen
ist ausgesteckt, Gott sei dank!
DER REGISSEUR (aus der Seitenkulisse):
Das müssen Sie viel erleichterter Sagen, Frau... (Name der Schauspielerin, welche DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR
BÜGELEISEN DENKT, spielt), so glaubt Ihnen das ja keiner. Denken Sie bloß, Sie
sind nur mit knapper Not einer Katastrophe entgangen, einem Zimmer-, einem Haus-,
einem Stadtviertelbrand!
DIE ZUSCHAUERIN, DIE UNENTWEGT AN IHR BÜGELEISEN DENKT: Es ist ja nur ein Bügeleisen. Und außerdem hat der Feuerwehrmann gesagt...
DER REGISSEUR (dazwischen):
Papperlapapp! Dem dürfen Sie nicht vertrauen, der ist doch
auch bloß gespielt!
DER ANDERE ZUSCHAUER (höhnisch):
Ist wenigstens das Bügeleisen echt?
DIE REQUISITEURIN (tritt auf):
Und ob das echt ist! Seitdem ich hier die Requisiten besorge,
ist alles echt!
DER ANDERE ZUSCHAUER (triumphierend): Das erklärt wohl auch den spektakulären Mord an
Desdemona!
DER REGISSEUR (verzweifelt):
Der war doch bloß gespielt! Schluss jetzt mit diesem Theater,
man sabotiert mir den ganzen Abend! Schluss, sage ich, Schluss! Vorhang, Vorhang,
Vorhang!
(Der Vorhang fällt, das Licht geht aus, nur die Rampe bleibt spärlich erleuchtet. DER REGISSEUR
öffnet den Vorhang ein wenig und schiebt sich hinaus auf die Rampe, wo er erst einmal tief Luft holt,
als belaste ihn ein schrecklicher Alpdruck. Es ist fast ein aus der Seele kommendes Stöhnen. Er kramt
in seinem Jackett nach einer Zigarette und zündet sie an. Wieder atmet er tief ein und bläst den Rauch
sorgenvoll in die Luft. Er ist unschlüssig und geht einige Schritte rauchend auf der Rampe auf und ab.
Nervös kaut er von Zeit zu Zeit an seinen Fingernägeln und zupft und reibt sich die Nase. Da, ganz
unvermittelt, scheint ihm ein Gedanke, eine Idee zu kommen. Er setzt sich auf den Rand der Rampe,
lässt die Beine in den Zuschauerraum baumeln und platziert sich direkt vor DIE NEUGIERIGE
DAME, die in der ersten Reihe ihm gegenüber sitzt.)
DER REGISSEUR (zur NEUGIERIGEN DAME, wie beiläufig): Mögen Sie Pirandello?
DIE NEUGIERIGE DAME (überrascht):
Wollen Sie mich etwa zum Essen einladen?
DER REGISSEUR (stutz):
Wie kommen Sie bloß darauf, Fräulein?
DIE NEUGIERIGE DAME:
Wegen Pirandello. Das sind doch diese gefüllten italienischen Nudeln.
DER REGISSEUR (lacht herzhaft und verschluckt sich am Rauch seiner Zigarette):
Ach so, Sie
meinen Tortellini. Neinnein, Pirandello ist was ganz anderes. Aber egal. Ich werde Sie
zum Essen einladen, das ist eine gute Idee. Italienisch?
DIE NEUGIERIGE DAME:
Gerne, warum nicht. Kommen Sie herunter.
DER REGISSEUR (verdutzt): Herunter? Sie müssen herauf!
DIE NEUGIERIGE DAME:
Warum? Zum Italiener geht's doch da entlang (sie zeigt zum Ausgang.)
DER REGISSEUR (winkt ab): Aber nein, Fräulein, selbstverständlich speisen wir auf der Bühne.
DIE NEUGIERIGE DAME:
Auf der Bühne? Vor allen Leuten?
DER REGISSEUR:
Aber ja doch, Fräulein, kommen Sie nur.
DIE NEUGIERIGE DAME (prompt und entschlossen) : Ich bin dabei!
(DER REGISSEUR reicht ihr die Hand und hilft ihr auf die Rampe. Der Vorhang öffnet sich und zeigt
die Terrasse von "Toni's Piz-zeria" im hellen Sonnenlicht. Es sind einige Gartentischchen und Stühle
zu sehen, allerdings noch keine Gäste. Die werden erst kommen, wenn es an der Zeit sein wird. DER
REGISSEUR geleitet DIE NEUGIERIGE DAME galant an einen der Tische.)
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DER REGISSEUR (charmant, während er der NEUGIERIGEN DAME einen Stuhl zurechtrückt):
Prego, signora!
DIE NEUGIERIGE DAME (lächelnd, aber in einem fürchterlichen Italienisch): Grazie!
DIE SOUFFLEUSE (aus ihrem Kasten, plötzlich und schrill): Das sind meine Schuhe! Die Frau da
hat meine Schuhe an!
DIE NEUGIERIGE DAME (schaut beschämt an ihren Beinen herab und spielt nervös mit ihren Zehen):
...
DIE SOUFFLEUSE (entfleucht brachialisch ihrem Gehäuse und wutschnaubt barfüßig und auch ansonsten nur spärlich bekleidet auf die Bühne. Sie stampft zu dem Tischchen, an dem
DER REGISSEUR und DIE NEUGIERIGE DAME sitzen. Mit einer herrischen Geste
zeigt sie auf ihre Schuhe an den Füßen der NEUGIERIGEN DAME und befiehlt):
Ausziehen, aber sofort!
DIE NEUGIERIGE DAME (hüstelt genant, denn die ganze Szene ist ihr überaus peinlich. Dann,
ganz impulsiv, streift sie die Schühchen ab und kickt sie etwas zur Seite): Die waren
mir ohnehin etwas zu eng. Besonders der rechte. (Sie lächelt den REGISSEUR verlegen an.)
DIE SOUFFLEUSE (schlüpft in ihr Eigentum und stöckelt hoch erhobenen Hauptes zurück in ihr Gehäuse wie eine Schnecke, die stolz darauf ist, den Hundertmeterlauf in weniger als zwei Tagengeschafft zu haben):
...
DER REGISSEUR (applaudiert leise der NEUGIERIGEN DAME):
Bravo, Fräulein, diese Szene
haben Sie ganz wunderbar gespielt, köstlich, einfach köstlich! (Er küsst ihre Hand.)
DIE SOUFFLEUSE (aus ihrem Kasten): Das steht nicht im Buch, Herr... (Name des Schauspielers,
der den REGISSEUR spielt), halten Sie sich gefälligst an ihren Text!
TONI (der Inhaber der Pizzeria, tritt auf und kommt an den Tisch der beiden Gäste):
Guten Tag,
die Herrschaften! (Er legt zwei Speisekarten auf den Tisch). Prego! Was darf ich zu
trinken bringen?
DER REGISSEUR (weltmännisch):
Einen Mandellikör für die Dame und für mich einen Aperitif.
TONI:
Wird gemacht! (Ab.)
(Zwei weitere Gäste betreten die Sommerterrasse und nehmen an einem freien Tischchen Platz. Es ist
ein junges Pärchen, und zwar: DER SCHAUSPIELER, DER DEN HUNGRIGEN ZUSCHAUER
SPIELT und DIE SCHAUSPIELERIN, WELCHE DIE ROLLE DER 'SONJA' SPIELT.)
DER SCHAUSPIELER, DER DEN HUNGRIGEN ZUSCHAUER SPIELT:
Mann, hab ich einen
Kohldampf!
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER (springt auf und zeigt auf die Bühne): Das sind ja wir! Die spielen
unsere Szene!
SONJA (steht ebenfalls auf):
Und wie schlecht sie und spielen, das haben wir nicht verdient!
DIE SCHAUSPIELERIN, WELCHE DIE ROLLE DER 'SONJA" SPIELT (zurück):
Besser als
Ihr spielen wir allemal. Ihr sitzt ja bloß auf den billigen Plätzen und seid neidisch,
weil wir Euch die Pizza vor der Nase wegessen.
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Unerhört, eine Frechheit ist das! Das kommt man ahnungslos
ins Theater, will sich amüsieren und seinen Spaß haben, und dann muss man sich
selbst zusehen, wie man beim Italiener auf der Sonnenterrasse sitzt.
SONJA (ebenfalls empört):
Und die Pizza essen sie einem auch noch weg!
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Und blöde angepflaumt wird man obendrein.
SONJA:
Es ist ein Skandal!
DER ANDERE ZUSCHAUER: Und nicht der erste an diesem Abend
DER REGISSEUR (steht auf und habt beschwichtigend die Hände):
Meine Herrn, ich muss doch
bitten, das alles gehört doch zum Stück. Spiel an Sie nur weiterhin Ihre Rollen. Bis
jetzt waren Sie wirklich famos, (zu SONJA) und auch Sie, meine Dame. Und ich verspreche Ihnen, nach dar Vorstellung lade ich Sie alle ein auf eine Pizza drüben bei
"Toni's", ist das ein Wort?!
DER HUNGRIGE ZUSCHAUER:
Einverstanden, Herr Regisseur, aber mit Salat and Nachtisch!
DER REGISSEUR (generös): Mit Salat und Nachtisch!
SONJA:
Das ist ein Wort!
TONI (tritt auf und kommt an den Tisch das REGISSEURS und seiner charmanten Begleiterin): Haben Sie schon gewählt?
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Stefan Grimm, Wir spielen Shakespeare (Leseprobe- theaterbörse GmbH )
DER REGISSEUR (klappt die Speisekarte zu): Wir spielen Shakespeare! (Vorhang.)
(Es entsteht eine kurze Umbaupause bei dämmrigem Rampenlicht.)
MAX, der Bühnenarbeiter (tritt auf die Rampe und entdeckt neben dem Souffleurkasten die Hose des
INTENDANTEN, die Schuhe der NEUGIERIGEN DAME und den Büstenhalter und
den schwarzen Seidenstrumpf der SOUFFLEUSE. Er bückt sich und nimmt die Hose
des INTENDANTEN an sich): Herrje, das ist ja "Die Hose" von Carl Sternheim! Die
nehm ich mit, vielleicht passt sie mir ja sogar. Am besten, ich probier sie gleich mal
an. (Er schlüpft aus seinem Blaumann und zieht die gefundene Hose an. Er knöpft sie
zu und klopft sich mehrmals auf den Bauch): Sitzt wie angegossen! (Er bückt sich erneut): Hoppla! (Er hält den Seidenstrumpf in die Höhe): Ein Techtelmechtel! (Er
nimmt den Büstenhalter): Eine perverse Orgie! (Er riecht an beidem): Mmh! (Er
steckt die Fetische ein. Dann greift er nach den Damenschuhen und schnüffelt in sie
hinein): Bäh! (Er kickt die Schuhe in den Souffleurkasten.)
DIE SOUFFLEUSE (schreit auf):
Aua, Du Trottel, pass doch auf! MAX (brummt im Abgehen): Weiber, Ratten und's Finanzamt...
DIE SOUFFLEUSE (schreit ihm hinterher) :
Wart nur, Dich krieg ich auch noch!
(Es wird dunkel, der Vorhang öffnet sich. WILLIAM SHAKESPEARE sitzt in wohlvertrauter Weise an
seinem Schreibtisch und dichtet im Kerzenschein an einem Drama. Nur etwas Licht, wie in einem
Wald.)
WILLIAM SHAKESPEARE (zu sich selbst): Ja, das ist gut. Eine geniale Idee. Ich lass den Zettel
ganz einfach... Aber nein, das kann ich ja wegen dem Schnauz nicht. Und den blöden
Oberon lass ich am besten ganz raus. Titania muss unbedingt rein, klar, vielleicht noch
ein paar Elfchen dazu, das macht sich immer gut. Und den Droll darf ich nicht vergessen. Am besten, ich mach mir gleich ein paar Notizen. (Er kramt nach Zetteln.) Also:
(Er stockt.): Mist! Was mach ich bloß mit dem Hamlet, der passt hier ja überhaupt
nicht rein. Mist. (Überlegt. Nach einer Weile.): Aber da hab ich doch auch was. (Er
wühlt in seinen Papieren.): Ah, ja, hier. (Liest.): Hamlet, dänischer Prinz. (Blickt auf.)
Ach ja, der mit dem Schädel. Lässt sich was draus machen. Dänischer Prinz liebt holländisches Bauernmädchen » Standesdünkel, er dankt an Selbstmord oder so, schreibt
glühendheiße Liebesbriefe, die sie nicht versteht, weil sie kein Dänisch kann... Ach,
Mist, das ist doch viel zu blöde and banal. Also noch mal: kommt das holländische
Bauernmädchen jetzt rein oder nicht rain? Mh. (Er sinniert.): Rein oder nicht rein? Ja,
das ist gut, das schreib ich auf, da lässt sich vielleicht noch was draus machen. (Er notiert's und lagt den Zettel zurück.): Eine Zetteleswirtschaft ist das hier auf meinem
Schreibtisch, großer Gott, wann ich doch bloß einen Computer hätte! Es ist doch immer ein grandioses Elend, wenn man seiner Zeit einfach um Jahrhunderte voraus ist.
Zetteleswirtschaft, das ist schwäbisch, aber es bringt mich auf was. "Zettel", o du mein
geliebter Held. Schreib ich also noch ein paar Zeilen vom "Sommernachtstraum", bevor ich mich hier total verzettel. Haha! (Er lacht blöde über sich selbst.): Was bin ich
doch für ein Schelm!
SHAKESPEARES FRAU (ruft von hinter der Bühne): Das darfst du nicht sagen, Bill, das ist von
Heinz Erhard!
Hier endet der Probetext. Es handelt sich um ca. 40 % des Gesamttextes
Der vorliegende Text ist ein Ausschnitt des vollständigen Theaterstückes. Wir schicken Ihnen den Ausschnitt, damit Sie sich einen ersten Eindruck von dem Theaterstück machen können.
Die Erstellung von Vervielfältigungen für Aufführungen, Unterrichtszwecke usw. verstößt gegen das Urheberrecht. Rollensatz und Aufführungsgenehmigung bekommen
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Die endgültigen Rollensätze sind weiter gesetzt, um das Spielen zu erleichtern.
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Stefan Grimm, Wir spielen Shakespeare (Leseprobe- theaterbörse GmbH )
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