Köpfe - Tagesspiegel-Magazin

MACHER
ALTE AUTOS,
NEUES GELD
Beim Pitch in der »GARAGE DU PONT«
kommen regelmäßig Unternehmen
und Investoren zusammen. Ein Besuch
TEXT Rita Nikolow
58 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
A
uch wenn er an diesem Nachmittag aus
privaten Gründen verreisen musste: Irgendwie ist Kai Desinger doch immer
dabei. Denn fast jeder, den man fragt, weshalb er
heute in die »Garage Du Pont« nach Potsdam gekommen ist, nennt eine Erklärung, die mit dem
49-Jährigen zu tun hat: Man sei mit ihm befreundet, gut bekannt oder habe von Desinger schon
einige interessante Empfehlungen bekommen.
Wer den freitäglichen Verkehrswahnsinn in
Potsdam bezwungen hat, durch den Gastraum
geht, die Treppe hinaufsteigt und dann rechts
abbiegt, lernt in den nächsten Stunden einiges
über die Chirurgie, über Yoga, ein neues Modell zur Immobilienvermittlung und – Craft Beer.
»Garagen Pitch« nennt sich die Veranstaltung,
die Kai Desinger gemeinsam mit der Weberbank
ausrichtet. Und für die er einige Investoren aus
Berlin nach Potsdam gelockt hat. Im Publikum
sitzt zum Beispiel Florian Langenscheidt.
Timo Krüger macht den Anfang. Sein Unternehmen Fiagon entwickelt Navigationssysteme
für die Chirurgie. Navis gibt es in diesem Bereich
zwar schon seit Jahrzehnten, doch ihre Einrichtung vor jeder Operation war so aufwendig, dass
sie nur selten genutzt wurden. Krüger hat lange
an der Charité gearbeitet, sich über den seltenen
Einsatz der Orientierungshelfer geärgert – und
beschlossen, ein benutzerfreundlicheres System
zu entwickeln. Damit irgendwann gefragt wird:
»Warum machen wir das nicht?« Und nicht
mehr: »Warum sollten wir damit anfangen?«
Gegründet hat Krüger Fiagon 2007, vor einem
Jahr hat er nach China expandiert, gerade erst
in die USA. »Wir sind auf einem schönen Weg,
wenn Sie uns begleiten wollen, sind Sie herzlich
willkommen.« Das Publikum hat konzentriert
zugehört, die Gäste wirken deutlich entspannter als auf ähnlichen Veranstaltungen in Berlin.
Vielleicht, weil man eben nicht in zehn Minuten
zum nächsten Termin hetzen muss. Wer hier ist,
hat an diesem Freitagnachmittag nichts anderes
mehr vor. Ein Investor aus dem Publikum meldet
sich. Er habe Fiagon schon vor Jahren unterstützt
und stehe gerne für Fragen zur Verfügung.
Paulus Neef ist das bekannteste Gesicht unter
den Pitch-Teilnehmern, weil er Anfang der 90er
Jahre das Unternehmen Pixelpark gegründet
hat. Nach einem Bandscheibenvorfall vor sechs
Jahren entschied er sich gegen eine riskante
Operation und für einen neuen Lebensstil – inklusive Yoga. Mit seinem Team hat Neef Unyte
entwickelt, ein Konzept, das diese Technik der
breiten Masse zugänglicher machen soll: »Wenn
Sie mehr als drei Yoga-Studios betreiben, sind
FOTOS Promo, Thilo Rückeis
Lässt andere
von seinen
Kontakten
profitieren:
Kai Desinger
Sie die größte Yoga-Kette Europas«, sagt Neef. In
den USA und Asien gebe es ähnliche Ketten bereits. Das erste Studio von Unyte soll im Oktober
in Berlin eröffnen, die Nutzung aller Angebote
59 Euro im Monat kosten. »Die Öffnungszeiten
der kleinen Anbieter fand ich immer schwierig,
unsere Studios sind von 6 bis 23 Uhr geöffnet«,
sagt Neef. Und rund 800 Quadratmeter groß.
Der Pitch geht in die Pause. Gelegenheit, ein
wenig mehr über den Standort zu erzählen, die
Garage Du Pont, eine historische Tankstelle, die
in den 1930er Jahren gebaut wurde. »OldtimerFans kann diese Location nicht kalt lassen«, sagt
Kai Desinger einen Tag später, als der Pitch längst
vorbei ist. Als die Immobilie zum Verkauf stand,
habe er nicht lange gezögert. Heute ist die Garage Du Pont eine Mischung aus Restaurant, Café,
Museum – und eben einem Ort, an dem Unternehmer und Investoren zusammenkommen.
Desinger hat Maschinenbau studiert und
promoviert. 1999 gründet er Celon, ein Unternehmen für Medizintechnik, das er später an
Olympus Medical verkauft. Er ist Honorarprofessor an der TU Berlin, Vorsitzender der Caldona Vermögensverwaltung – und Businessangel.
Sein Interesse an Gründungen und Gründern hat
er schnell auch in die Garage Du Pont gebracht,
die er 2012 eröffnete. »Wir haben einen sehr se- Auf die drei offiziellen Pitchteilnehmer folgt eine
lektiven Zugriff auf die Entwicklung von mehr sogenannte »Preview«, die aber eigentlich ein
als 500 Start-ups bundesweit«, sagt Desinger, der vierter (Mini)-Pitch ist: Vorgestellt wird Bierauch dem Investitionskomitee des High-Tech- Deluxe. Das Unternehmen vertreibt in Europa
Gründerfonds in Bonn vorsitzt. Daher könne internationale Craft-Biere – und will Brauereien
eine internationale Vermarktungsman den privaten Investoren ein
»spannendes Potpourri« bieten.
»OLDTIMER- plattform bieten. »Als wir das
vor zwei Jahren kennen
Weitere Argumente für die Fahrt
FANS KANN Projekt
nach Potsdam sieht er im »besonlernten, haben wir im KollegenDIESE
deren Format und dem Flair«. Er
kreis geschmunzelt«, erinnert sich
biete »eine kleine, exklusive Runde
Sebastian Bertram von der InvestiLOCATION
mit besonderen Menschen für betionsbank des Landes Brandenburg
NICHT KALT (ILB). Damals sei ihm klar geworsondere Unternehmen«.
LASSEN«
Zurück in den Saal: Nachdem
den, dass Bier nicht gleich Bier sei.
Karl-Heinz Land von der StrategieCraft Beer wird in sogenannten
KAI DESINGER
beratung Neuland etwas ausschweiMikrobrauereien handwerklich
Veranstalter
fend über die Folgen der Digitalisiegebraut. Markus Zürn von Bierrung gesprochen hat, kämpft Axel
Deluxe verteilt ein paar Flaschen
Winckler ein bisschen gegen die
im Publikum. Eine Viertelstunde
Zeit – und gegen die allmählich aufsteigende später stehen er und alle anderen Teilnehmer
Müdigkeit im Publikum. Winckler hat früher unten in der großen Halle – und unterziehen das
für Zalando gearbeitet, 2013 gründete er Real- Craft Beer dem Praxistest. Axel Winckler von
best, ein Unternehmen, das Bauträger, Projekt- Realbest wird sofort von drei Investoren umentwickler und private Immobilienverkäufer mit ringt. Auch Timo Krüger, der mit seinen Navis
Immobilienmaklern, Vermittlern und Käufern drüben an seinem Infostand wartet, hatte schon
zusammenbringt. Der komplette Kaufprozess einige interessante Investorengespräche. Wie er
soll online ablaufen – und »alle Teilnehmer dazu eigentlich hierher kam? »Kai Desinger war 2010
motivieren, die Prozesse effizient abzuwickeln«. unser erster Privatinvestor.«
Brauchen Geld, bieten
Entspannung: PixelparkGründer Paulus Neef
und Projektmanagerin
Julia Gleisberg wollen
eine Yogastudio-Kette
aufbauen.
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