Inflammatorische Ulzera verursacht durch - Phlebologie

261
Übersichtsarbeit
Inflammatorische Ulzera
verursacht durch Vaskulitiden und
Vaskulopathien
Wichtige Differentialdiagnosen bei der Ursachenklärung
eines Ulcus cruris
S. Lutze; E. S. Kaisermayer; G. Daeschlein; M. Jünger
Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten Universitätsmedizin Greifswald
Schlüsselwörter
Vaskulitis, Vaskulopathie, Ulcus cruris
Zusammenfassung
Neben den klassischen vaskulären Ursachen
von Ulzerationen an den Unterschenkel wie
einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und der chronisch venösen Insuffizienz
sind es vor allem die Vaskulitiden und Vaskulopathien, die sowohl diagnostisch als auch
therapeutisch oft zu einer Herausforderung
werden. Die Erkrankungsgruppe rangiert in
der Häufigkeitsverteilung der Ursachen eines
Ulcus cruris mit <10 % eher im Bereich selten, ist aber von der Pathogenese, vom klinischen Bild, dem Verlauf und der Therapie oft
wesentlich komplexer.
Die in 2012 überarbeitete internationale
Chapel Hill Consensus Conference (CHCC)
Nomenklatur der Vaskulitiden gibt einen ersten Eindruck über die Mannigfaltigkeit dieser
Erkrankungsgruppe und macht deutlich wie
wichtig hierbei die Anamnese zur Diagnosefindung ist. In die CHCC-Kategorisierung flossen die Ätiologie, die Pathogenese, das Kaliber des Gefäßes, der Entzündungstyp, die
Korrespondenzadresse
Dr. med. Stine Lutze
Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten, Universitätsmedizin Greifswald
F.-Sauerbruch Straße, 17489 Greifswald
E-Mail: [email protected]
hauptsächlich betroffenen Organe, die klinische Manifestation, genetische Prädisposition
und demografische Parameter mit ein.
Mit dieser Revision der ersten CHCC-Nomenklatur von 1994 fand eine wichtige Adaptierung an die neusten Erkenntnisse statt. Die
Gruppe der Vaskulitiden wird spezifischer eingeteilt, dies erleichtert den Umgang mit dem
Krankheitsbild im klinischen Alltag.
Die Vaskulopathien stellen eine weitere seltene Randgruppe innerhalb der Ursachen eines
Ulcus curis dar. Diese Erkrankungen sind oft
ebenso komplex wie eine Vaskulitis und müssen bei schwierig zu behandelnden Ulcera immer als Differentialdiagnose mit herangezogen werden.
Keywords
Vasculitis, vasculopathy, ulcer cruris
Summary
In addition to traditional vascular causes ulceration of the lower leg as peripheral arterial
disease and chronic venous insufficiency, it is
Zitierweise des Beitrages/Cite as:
Inflammatory ulcera caused of vasculitides and
vasculopathy
Important differential diagnoses in causal review
of an ulcus cruris
Phlebologie 2015; 44: 261–269
http://dx.doi.org/10.12687/phleb2280-5-2015
Eingereicht: 14. August 2015
Angenommen: 24. August 2015
primarily the vasculitis and vasculopathies,
often are both diagnostically and therapeutically to a challenge.
The disorder group ranked in the frequency
distribution of the causes of a leg ulcer with
<10% rarely in the area, but is much more
complex of the pathogenesis, the clinical picture, the course of therapy and often much
more complex.
The revised International in 2012 Chapel Hill
Consensus Conference (CHCC) Nomenclature
of vasculitis is a first impression of the diversity of this group of diseases and makes it
clear how important the medical history for
diagnosis is.
In the CHCC- categorizing the etiology, pathogenesis, the caliber of the vessel, the inflammatory type, the organs mainly affected,
the clinical manifestation, genetic predisposition and demographic parameters were included.
With this revision of the first CHCC nomenclature of 1994 took place an important
adaptation to the latest findings. The group
of vasculitis is divided specific, this facilitates
the handling of the disease in clinical practice.
The vasculopathies represent another rare
fringe of the causes of an ulcer curis. These
disorders are often as complex as a vasculitis
and must be always used in difficult to treat
ulcers in the differential diagnosis.
English version available at:
www.phlebologieonline.de
© Schattauer 2015
Phlebologie 5/2015
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S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
„Inflammatio“ – die Entzündung, sie stellt
eine Aktivierung des Immunsystems dar,
verursacht durch unterschiedlichste Reize,
u.a. physikalischer und chemischer Natur,
durch verschiedene Allergene, Autoallergene und Erreger. Nahezu jedes Ulcus cruris
zeigt in einer Phase seines Bestehens eine
entzündliche Komponente.
Die definitionsgerechten inflammatorischen Ulzera sind jedoch mit unter 10 % in
der Häufigkeitsstatistik eines Ulcus cruris
eher selten und werden z.T. direkt durch eine Gefäßentzündung verursacht. Sie haben
einen raschen Verlauf, anfänglich treten oft
eher unscheinbare Hautveränderungen
auf, denen schnell Nekrosen folgen und
dann ausgedehnte, tiefreichende Ulzera
mit starker Schmerzhaftigkeit und inflammatorischen Rändern. Sie lassen sich übergeordnet in die zwei großen Gruppen der
Vaskulitiden und der Vaskulopathien einteilen.
In der folgenden Darstellung sollen typische Vaskulitis- und Vaskulopathievertreter als Ursache von Ulcera cruris und ihre Abgrenzung von den klassischen Ulcera
bei CVI oder pAVK vorgestellt werden (1).
Vaskulitiden
In die 2012 überarbeitete internationale
Chapel Hill Consensus Conference
(CHCC)-Nomenklatur der Vaskulitiden
(2) flossen die Ätiologie, die Pathogenese,
das Kaliber des Gefäßes, der Entzündungstyp, die hauptsächlich betroffenen Organe,
die klinische Manifestation, genetische
Einteilungd er Vaskulitiden 2012 CHCC (2)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Large vessel vasculitis (LVV)
Medium vessel vasculitis (MVV)
Small vessel vasculitis (SVV)
Variable vessel vasculitis (VVV)
Single organ vasculitis (SOV)
Vasculitis associated with systemic
disease
7. Vasculitis associated with probable
etiology
Prädisposition und demografische Parameter mit ein.
Mit dieser Revision der ersten CHCCNomenklatur von 1994 fand eine wichtige
Adaptierung an die neusten Erkenntnisse
statt. Die Gruppe der Vaskulitiden wird
übersichtlicher und spezifischer eingeteilt,
dies erleichtert den Umgang mit dem
Krankheitsbild im klinischen Alltag.
Das erste Kategorisierungslevel bezieht
sich auf das Gefäßkaliber, das von der Entzündung betroffen ist. So wird die erste
Unterteilung in große Gefäße, mittelgroße
Gefäße und kleine Gefäße vorgenommen.
Daneben wird eine weitere Gruppe die
Vaskulitis der variablen Gefäße gestellt,
welche jedes Gefäß-Kaliber betrifft.
Neben der klassischen Größenzuordnung steht in der neuen CHCC 2012 eine
so genannte „Ein-Organ-Vaskulitis“, wobei
definitionsgemäß nur ein Organ von der
Vaskulitis ergriffen wird. Weiter existiert
Abb. 1 Kutane Manifestation einer Polyarteriitis nodosa, einhergehend mit ulzerierten Knoten und
einer Livedo racemosa.
Phlebologie 5/2015
jetzt eine Gruppe an Vaskulitiden, die mit
Systemerkrankungen assoziiert ist und ein
Gruppe, deren Vertreter an eine spezifische
Ätiologie gebunden ist (▶ Kasten).
Vaskulitis der großen Gefäße
(Large vessel vasculitis – LVV)
Die Vaskulitis der großen Gefäße betrifft
definitionsgemäß überwiegend große Gefäße wie die Aorta und ihre Abgänge, kleinere Gefäßkaliber werden jedoch nicht
ausgespart. Die Gruppe ist mit ihren zwei
Vertretern, der Riesenzellarteriitis und der
Takayasu-Arteriitis, eher übersichtlich und
spielt für die Differenzialdiagnose der Genese des Ulcus cruris keine Rolle. Entzündungen der A. temporalis können bei
schweren Verläufen zu Nekrosen und Ulzerationen führen.
Vaskulitis der mittelgroßen Gefäße
(medium vessel vasculitis – MVV)
Die zwei typischen Vertreter dieser Gruppe
stellen die Polyarteriitis nodosa (PAN) und
das Kawasaki-Syndrom (KD) dar. Während das Kawasaki-Syndrom keine Assoziation mit einem Ulcus cruris hat, stellt
die Polyarteriitis nodosa (▶ Abb. 1) eine
Vaskulitis dar, die mit Ulzerationen einhergeht. Diese sind vor allem an den Waden
lokalisiert, ebenso an den Unterarmen und
im Bereich viszeraler Organe.
Die Häufigkeit liegt bei 5 : 100 000, es
zeigt sich das Bild einer nekrotisierenden
Arteriitis der mittelgroßen oder kleinen
Arterien ohne nachweisbare Glomerulonephritis und ANCA (antineutrophile cytoplasmatische Antikörper). Die klinischen
Symptome manifestieren sich in Form von
perlschnurartig angeordneten inflammatorischen Knoten, die im Krankheitsverlauf
hämorrhagische Blasen aufweisen und ulzerieren. Umgeben werden die Läsionen
von einer Livedozeichnung (Livedo racemosa) und im Verlauf kommen Hyperpigmentierungen hinzu.
Klassische systemische Begleiterscheinungen sind der Gewichtsverlust ≥4 kg, der
nicht auf andere Ursachen zurückgeführt
werden kann, Schmerzen oder Druckempfindlichkeit der Hoden, die nicht auf andere Ursachen zurückgeführt werden können, Schwäche und Muskelschmerzen,
© Schattauer 2015
S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
Abb. 2 Kutane Manifestation einer Polyarteriitis nodosa, einhergehend
mit ulzerierten Knoten und einer Livedo racemosa.
Abb. 3 Pyoderma gangraenosumartige Ulcera bei einem Patienten mit
einer gesicherten Wegnerschen Granulomatose.
Mono- oder Polyneuropathie und eine arterielle Hypertonie. Ätiopathogenetisch
werden chronische Infektionserkrankungen wie die Virushepatitiden B und C und
HIV diskutiert (▶ Abb. 2 ).
Vaskulitis der kleinen Gefäße
(small vessel vasculitis – SVV)
Klassische Vertreter dieser Gruppe sind die
antineutrophil cytoplasmic antibody (ANCA) -assoziierten Vaskulitiden (AAV): Wegener’sche Granulomatose (Granulomatosis with polyangiitis) (GPA), Mikroskopische Polyangiitis (Microscopic polyangiitis
– MPA) und das Churg-Strauss-Syndrom
(Eosinophilic granulomatosis with polyangiitis (Churg-Strauss) (EGPA)). Es existieren ANCA mit diffusem zytoplasmatischen
Färbemuster (c-ANCA), diese reagieren
überwiegend mit der Proteinase 3. Die perinuklear anfärbbaren ANCA werden
p-ANCA genannt, diese reagieren überwiegend mit der Myeloperoxidase (MPO).
ANCA assoziierte Vaskulitiden sind
schwere Erkrankungen, sie gehen mit reduziertem Allgemeinzustand und Fieber einher. Neben der Haut sind weitere Organe,
vor allem der Atemwegstrakt (NNH und
Lunge), beteiligt. Die GPA geht mit einer
granulomatösen Entzündung im Bereich
der Atemwege, einer nekrotisierenden Vaskulitis und einer nekrotisierenden Glomerulonephritis einher. In der Haut treten zunächst knotige Hautveränderungen auf, die
im Verlauf zu Pyoderma gangraenosum© Schattauer 2015
c
a
b
Abb. 4 Leukozytoklastische Vaskulitis, hier als kutane Verlaufsform (a–d) im Sinne einer Single Organ Vasculitis (SOV) mit Primäreffloreszenzen und sekundären Ulzera.
d
Abb. 5
Lupus-assoziierte Vaskulitis mit akralen Ulzera im Rahmen eines
Sjögren-Syndroms.
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S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
b
a
Abb. 6 a–c.
Typische akral lokalisierte
Ulzera im Rahmen
einer systemischen Sklerodermie.
c
Abb. 7
Vaskulitis im Rahmen
einer Rheumatoidarthritis mit amputationsgefährdeten Extremitäten bei großflächigen und tiefreichenden Hautdefekten.
a
Abb. 8
artigen Ulzera zerfallen (▶ Abb. 3). Hier
werden c-ANCA positiv. Bei der mikroskopischen Polyangiitis treten keine Granulome auf, serologisch lassen sich p-ANCA
nachweisen. Auch hier präsentiert sich das
Bild einer nekrotisierenden Vaskulitis neben einer Glomerulonephritis und pulmonalen Beteiligung. Beim Churg-StraussSyndrom sind es weniger die serologisch
nachweisbaren typischen ANCA, sondern
die Eosinophilie ist richtungsweisend.
Auch hier zeigen sich an der Haut zunächst
Knoten und Papeln und im Verlauf entstehen ausgedehnte nekrotisch belegte Ulzerationen.
Weitere Vertreter der Gruppe der SVV
sind die Immunkomplex SVV, die renal begrenzte Glomerulonephritis (Anti–glomerular basement membrane (anti-GBM) Erkrankung, die Kryoglobulinämische Vaskulitis (CV) die IgA-Vaskulitis (HenochSchönlein) (IgAV) und die Hypokomplementämische urtikarielle Vaskulitis (HUV)
b
a., b. Hepatitis-B-Virus-assoziierte Vaskulitis – Bsp. Chronische Hepatitis B unter Therapie mit Lamivudin (Zeffix®).
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S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
a
Abb. 9
b
a., b. Drug-associated immune complex vasculitis nach Einnahme von Arcoxia® (Etericoxib).
(anti-C1q vasculitis). Außer bei der Kryoglobulinämischen Vaskultitis, bei welcher
kleinere Ulzerationen auftreten können,
sind bei den zuletzt genannten Vertretern
der SVV Ulcera an den Beinen eher die
Ausnahme.
Vaskulitis mit variablem
Gefäßbefall (VVV)
Beim Morbus Behçet’s (BD) treten
Schleimhautulzera auf, das Cogan’s Syndrom (CS) wird vor allen durch Symptome
im Bereich der Ohren und Augen manifest.
Beide Erkrankungen spielen für die Differenzialdiagnose eines Ulcus cruris keine
Rolle.
4). Die LcV stellt oft die erste klinisch sichtbare Manifestation eines anderen Typs von
Vaskulitis dar, hier müssen dann weitere Organmanifestationen intensiv eruiert werden.
Mit Systemerkrankungen assoziierte Vaskulitis
Hierbei handelt es sich um die so genannten sekundären Vaskulitiden, klassisches
Beispiel sind hier die Vaskulitiden im Rahmen der Kollagenosen, vor allem die typi-
sche Lupusvaskulitis der Haut aber auch
die Ulzera bei einer systemischen Sklerodermie. Ulzera im Rahmen einer Lupuserkrankung sind häufig hochakut und stark
entzündlich, sie beginnen unter dem Bild
einer klassischen LcV (▶ Abb. 5). Ulzera
bei einer systemischen Sklerodermie tauchen häufig zuerst an den Akren auf, im
Verlauf auch im Bereich des Vorfußes und
der Knöchel (▶ Abb. 6). Bei einem Patien-
Ein-Organ-Vaskulitis (Single organ
Vasculitis – SOV)
Hierbei stellt die kutane leukozytoklastische Vaskulitis (LcV) den wohl bedeutsamsten Vertreter der Gruppe dar. Weitere
Vertreter sind die kutane Arteriitis, die primäre ZNS-Vaskulitis und die isolierte Aortitis.
Die kutane leukozytoklastische Vaskulitis ist eine der häufigsten Vaskulitiden
überhaupt. Die Genese ist mannigfaltig, Infektionen und Medikamente werden diskutiert, aber auch die paraneoplastische Genese ist in diesem Kontext bedeutsam.
Es handelt sich um eine äußerst akut verlaufende Erkrankung; sie zeigt eine klassische Klinik in Form von zunächst kleinen
petechialen Makulae, welche mit zunehmender Infiltration tastbar werden und im
Verlauf konfluieren und ulzerieren (▶ Abb.
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a
Abb. 10
mie).
b
Tumor-assoziierte Vaskulitis – z.B. Myeloproliferatives Syndrom (Essenzielle Thrombozythä-
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S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
ten mit V.a. ein vaskulitisches Ulkus sollte
immer eine Serologie hinsichtlich der
ANA-Titer mit ENA-Screen erfolgen.
Die vaskulitischen Ulzera im Rahmen
einer Rheumatoidarthritis nehmen aktuell
an Häufigkeit deutlich zu. Sie zeigen oft
lange, therapieresistente Verläufe, die zusätzlich durch eine Vaskulopathie auf
Grund von jahrelanger Einnahme von
MTX, der chronischen Entzündung im
Körper, der Gelenkfehlstellung und der reduzierten lokalen Abwehr mit bakteriellen
Superbesiedlungen aggraviert werden. Die
Befunde imponieren in Form von amputationsgefährdeten Extremitäten mit großflächigen und tiefreichenden Hautdefekten
(▶ Abb. 7). Häufig lässt sich der Rheumafaktor in diesen Fällen nachweisen.
a
Vaskulitis assoziiert mit einer vermutlichen Ätiologie
c
b
Abb. 11 a–c. Livedovaskulopathie – Ulzerationen, die zu Rezidiven neigen und in Form einer Atrophie blanche abheilen.
a
Abb. 12
Zu dieser neuen Gruppe an Vaskulitiden
zählen Gefäßentzündungen im Rahmen einer Hepatitis C (Kryoglobulinämische Vaskulitis) und B (▶ Abb. 8), die Syphilis-assoziierte Aortitis, die Medikamenten-assoziierte Immunkomplexvaskulitis (▶ Abb. 9)
und die Medikamenten-assoziierte ANCAassoziierte Vaskulitis. Die Medikamentenassoziierte Immunkomplexvaskulitis wird
unter anderem durch Antibiotika, TNFBlocker, Psychopharmaka verursacht. Die
Trias aus: typischer Klinik, Medikament als
Agens und ANCAs (unspezifisch – sog.
x-ANCAs) läßt die Diagnose einer Drugassociated ANCA-associated Vaskulitis zu.
b
a., b. Antiphospholipidsyndrom mit bizarr konfigurierten Ulzera.
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S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
Ebenso wurde die Tumor-assoziierte
Vaskulitis (▶ Abb. 10) dieser Gruppe zugeordnet. Diese Gruppe ist besonders schwierig zu diagnostizieren, da auch unter vielen
Zytostatika (z.B. Hydroxyurea bei hämatologischen Neoplasien) Ulzerationen auftreten können. Hierbei eine Tumor-assoziierte Vaskulitis sicher abzugrenzen gelingt nur
selten. Ulzerationen im Rahmen einer Tumorerkrankung verlaufen schwer und zeigen sich oft therapieresistent.
Vaskulopathien
Unter den Vaskulopathien versteht man eine Gruppe von Gefäßerkrankungen, die
primär keine entzündliche Genese haben.
Die Ursachen sind verschiedentlich, es
kommt zu einem teilweisen oder vollständigen Verschluss des Gefäßes, es resultiert
eine Nekrose und damit einhergehend treten Ulzera auf.
Livedovaskulopathie
Dieses Krankheitsbild ist das klassische
Beispiel einer Vaskulopathie, typischerweise tritt zunächst eine Livedo racemosa auf
als Zeichen der Minderdurchblutung infolge einer prokoagulatorischen Gerinnungsstörung, gefolgt von schmerzhaften, protrahiert heilenden Ulzerationen, die zu Rezidiven neigen und in Form einer Atrophie
blanche abheilen (▶ Abb. 11). Der klinische Endbefund ist von einer Atrophie
blanche der chronisch venösen Insuffizienz
abzugrenzen. Diagnostisch ist es bedeutsam nach einer Gerinnungsstörung zu suchen. Es kann zu thrombembolischen
Komplikationen sowohl im arteriellen als
auch venösen Gefäßsystem kommen.
Antiphospholipidsyndrom (APS)
Dieses Krankheitsbild geht mit einer pathologischen Antikörperproduktion von
Antiphospholipidantikörpern einher. In
diesem Zusammenhang kommt es ähnlich der Livedovaskulopathie zu einer Hyperkoagulabilität. Klinisch zeigen sich
auch hier thrombembolische Ereignisse
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Abb. 13
Pyoderma gangraenosum mit geröteten
pustulösen Herden, die
einschmelzen.
im arteriellen und venösen System. Klassischerweise tritt hierbei eine erhöhte Rate
an Schwangerschaftsmorbidität auf. Zusätzlich können kardiale (Herzklappenvitien) und neurologische Symptome auftreten. Das APS tritt häufig sekundär im
Rahmen von Autoimmunerkrankungen
(Lupus erythematodes) auf. Klinisch zeigen sich eine Livedo reticularis, bizarr
konfigurierte Ulzera vor allem an den Unterschenkeln (▶ Abb. 12).
Zusammenfassend stellen die Vaskulitiden und Vaskulopathien in der Genese eines Ulcus cruris eine seltene Diagnose dar.
Wenn sich jedoch keine chronisch venöse
Insuffizienz und periphere arterielle Verschlusskrankheit als Ursache nachweisen
lässt, sollte an diese beiden Diagnosegruppen gedacht werden. Eine Übersicht bietet
▶ Tab. 1.
Sonderstellung Pyoderma
gangraenosum
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Hierbei handelt es sich um ein chronisch
verlaufendes herdförmiges „Hautgangrän“
unbekannter Ursache an beliebiger Lokalisation. Es wird eine Zuordnung zu den
neutrophilen Dermatosen vorgenommen,
die Zytokine der Neutrophilen werden ursächlich diskutiert, ebenso wie eine unzureichende Proteaseinhibitorwirkung. Dieses Krankheitsbild ist häufig mit inneren
Erkrankungen assoziiert (chronisch entzündliche Darmerkrankungen, hämatologischen Neoplasien z.B. Plasmozytom und
rheumatoide Arthritis)
Die typische Klinik zeigt zunächst gerötete pustulöse Herde, die einschmelzen und
dann flächenhafte Ulzerationen mit „düsterrotem unterminiertem zerfressenem
Randsaum“ ausbilden (▶ Abb. 13). Die
pustulösen Veränderungen sind steril. Der
Verlauf ist oft langwierig und von starken
Schmerzen begleitet.
Interessenkonflikt
Ethische Richtlinien
Für diesen Beitrag wurden keine Studien
an Menschen oder Tieren durchgeführt.
Literatur
1. Sunderkötter C. Vasculitis und Vasculopathie. In:
Plewig G, Landthaler M, Burgdorf W, Hertl M, Ruzicka Th. (Hrsg). Braun Falco’s Dermatologie,
Venerologie und Allergologie. Berlin, Heidelberg:
Springer, 6. Aufl. 2012.
2. Jennette JC et al. 2012 Revised International Chapel
Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis & Rheumatism 2013; 65 (1): 1–11.
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S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
Tab. 1 Übersicht der Vaskulitiden und Vaskulopathien, welche mit Ulzerationen an den Beinen einhergehen, als Differentialdiagnose zu vaskulär verursachten Ulzera.
Vaskulitis/Vaskulo- Spezifika der Ulzera
pathie
Polyarteriitis nodosa
Lokalisation:
vor allem an den Waden, aber auch an
den Armen und inneren Organen
Klinik:
perlschnurartig angeordnete inflammatorische Knoten, die später ulzerieren
Wegnersche
Granulomatose
Lokalisation:
Generalisiert
Klinik:
knotige Hautveränderungen, die im
Verlauf zu Pyoderma gangraenosumartigen Ulzera zerfallen
Mikroskopische
Polyangiitis
Lokalisation:
Generalisiert
Klinik:
Pyoderma gangraenosum-artige Ulzera
ohne vorhergehende Granulome
Churg-StraussSyndrom
Lokalisation:
Generalisiert
Klinik:
zunächst Knoten und Papeln und im
Verlauf entstehen ausgedehnte nekrotisch belegte Ulzerationen
Kutane leukozytoklastische Vaskulitis
(LcV)
Lokalisation:
Beginn an den Beinen, im Verlauf Übergang auf den Stamm und auch an den
oberen Extremitäten
Klinik:
Oft hochakuter Beginn mit kleinen petechialen Makulae, welche mit zunehmender Infiltration tastbar werden und
im Verlauf konfluieren und ulzerieren
Sekundäre Vaskulitis Lokalisation:
bei RheumatoidAn den Beinen, vor allem an den Unterarthritis
schenkeln
Klinik:
oft lange, therapieresistente Verläufe
mit amputationsgefährdeten Extremitäten mit großflächigen und tiefreichenden Hautdefekten
Sekundäre Vaskulitis Lokalisation:
bei LE
Häufig an den Akren und Extremitäten
Klinik:
hochakut und stark entzündlich, sie beginnen unter dem Bild einer klassischen LcV
Sekundäre Vaskulitis Lokalisation:
bei PSS
häufig zuerst an den Akren (Rattenbissnekrosen), im Verlauf auch im Bereich
des Vorfußes und der Knöchel
Klinik:
Atrophe bizarr konfigurierte Ulzera
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Wichtige Begleitsymptome
Klinisches Bild
• Livedo racemosa
• Hyperpigmentierungen
• Gewichtsverlust ≥4 kg
• Schwäche und Muskelschmerzen
• Mono- oder Polyneuropathie
• arterielle Hypertonie
• granulomatöse Entzündung im Bereich
der Atemwege
• nekrotisierende Glomerulonephritis
• c-ANCA positiv
• Glomerulonephritis
• pulmonale Beteiligung
• p-ANCA positiv
• Eosinophilie
• oft die erste klinisch sichtbare Manifes-
tation eines anderen Typs von Vaskulitis
• Rheumafaktor positiv
• Problemkeimbesiedlung
• Positiver ANA-Titer (ENA-Screen)
• Häufig beim Sjögren-Syndrom
• Positiver ANA-Titer mit Scl70 im ENAScreen
• sklerodermes Hautbild
• Nagelfalzkapillarauffälligkeiten
• Beugekontrakturen der Finger und Zehen
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S. Lutze et al.: Inflammatorische Ulzera durch Vaskulitiden und Vaskulopathien
Tab. 1
Fortsetzung
Vaskulitis/Vaskulo- Spezifika der Ulzera
pathie
Vaskulitis bei Hepati- Lokalisation:
tis B
Disseminiert am gesamten Integument
Klinik:
Pyoderma gangraenosum-artige Ulzera
Medikamentenassoziierte Vaskulitis
Lokalisation:
Disseminiert am gesamten Integument
Klinik:
Primär kleine hämorrhagische Areale
mit umgebender Rötung und Ödem,
Übergang in Nekrosen
Tumorassoziierte
Vaskulitis
Lokalisation:
Häufig an den Unterschenkel und Vorfüßen, oft bds.
Klinik:
Ausgedehnte stark schmerzhafte Ulzera mit Ödem und starken Belägen, oft
wirken die Ulzera avital am Wundgrund
Livedovaskulopathie
Lokalisation:
Im Bereich der Knöchel und am Vorfuß
Klinik:
Sehr schmerzhafte, protrahiert heilende
Ulzerationen, die zu Rezidiven neigen
und in Form einer Atrophie blanche abheilen
Antiphospholipidsyndrom
Lokalisation:
Beliebig, häufig an den Unterschenkeln
Klinik:
Livedo reticularis
Bizarr konfigurierte Ulzera mit Nekrosen
Pyoderma
gangraenosum
Lokalisation:
Beliebig, häufig an den Unterschenkeln
Klinik:
gerötete pustulöse Herde, die einschmelzen und dann flächenhafte Ulzerationen mit „düsterrotem unterminiertem zerfressenem Randsaum“ ausbilden, stark schmerzhaft, langwieriger
Verlauf
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Wichtige Begleitsymptome
Klinisches Bild
• Hepatitis B
• Oft unter laufender Therapie Besserung
• Medikamentenanamnese – zeitlicher Zusammenhang
• Ggf. x-ANCA positiv
• Tumorerkrankung und -therapie
• Medikamentöse Tumortherapien (Hydroxyurea)
• Livedo racemosa
• prokoagulatorische Gerinnungsstörung
• thrombembolische Komplikationen so-
wohl im arteriellen als auch venösen Gefäßsystem
• Kombination von Klinik (Thrombemboli-
sche Ereignisse, Schwangerschaftsmorbidität, Herzvitien und neurologischen
Symptomen) und Paraklinik (Lupus Antikoagulanz, Antiphopholipid-Antikörper)
• Häufig mit internistischen Erkrankungen
u.a. Tumorerkrankungen assoziiert
• Sterile Pusteln
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