Gesundheitsund Fürsorgedirektion des Kantons Bern Direction de la santé publique et de la prévoyance sociale du canton de Berne Sozialamt Office des affaires sociales Konzeption Unterstützung und Förderung der Elternbildung im Kanton Bern 1. Grundlagen Die Aufnahme der Aktivitäten im Bereich der Elternbildung in der GEF stützt sich primär auf das Konzept frühe Förderung (2012), insbesondere Handlungsfeld 7 „Elternbildung im Frühbereich stärken“, sowie die vom Grossen Rat ergänzend eingebrachte Planungserklärung: Der Kanton Bern nimmt seine Rolle in der Elternbildung mit besonderem Fokus auf den Frühbereich aktiv wahr und schafft kantonale Rahmenbedingungen, eine gesetzliche Verankerung der Elternbildung und geeignete Strukturen, welche eine Neuausrichtung der derzeit unübersichtlichen Angebotslandschaft ermöglichen. Insbesondere niederschwellige Angebote für bildungsferne Familien sollen gefördert werden. Organisationsform und Handlungsfelder orientieren sich an den Ergebnissen des interdirektionalen Projekts der Neuausrichtung der Elternbildung im Kanton (BFH 2012: Positionierung der Elternbildung im Kanton Bern – Grundlagen für die Konzeption der zukünftigen Fachstelle Elternbildung. Schlussbericht zuhanden des Auftraggebers), wobei sich die Abteilung Familie gegen die Schaffung einer formalen Fachstelle entschieden hat und Elternbildung als regulären Aufgabenbereich der Abteilung bearbeiten wird. 2. Ziel Sowohl das Familienkonzept (2009) wie auch das Konzept frühe Förderung zeigen auf, dass Familien wichtige Funktionen zukommen. Insbesondere als primärer Ort der Sozialisierung und Erziehung der Kinder werden durch die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten wichtige Grundsteine für die Entwicklung und Orientierung der Kinder gelegt. Entsprechend wichtig erscheinen Bemühungen, alle Eltern, insbesondere aber solche mit durch Risikofaktoren erhöhtem Bedarf, in ihren Ressourcen zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Eltern zu befähigen und zu stärken, um individuellen und gesellschaftlichen Nachteilen durch ungünstige Entwicklungsverläufe vorzubeugen. Der Definition durch Elternbildung Schweiz folgend wird als Ziel der Elternbildung demnach aufgefasst, Eltern in ihren Erziehungs- und Beziehungskompetenzen zu stärken. 3. Erwägung Handlungsspielraum Der Schlussbericht zum Projekt der Neuausrichtung der Elternbildung hält fest, dass die Steuergruppe „von einer Definition eines bedarfsgerechten Angebots bzw. der Festlegung von inhaltlichen Schwerpunkten“ abgesehen habe, die „Vervollständigung und fortlaufende Aktualisierung der Bestandesaufnahme sowie die Definition der strategischen Ausrichtung soll […] eine der Kernaufgaben der zukünftigen Fachstelle Elternbildung darstellen“ (BFH 2012, S. 46). Das kantonale Engagement im Bereich der Elternbildung kann personell durch rund 50 Stellenprozente in der Sachbearbeitung (2014 von der JGK an die GEF übertragen) sowie durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter mit insgesamt 90 Stellenprozent für die beiden Themengebiete Elternbildung und frühe Förderung geleistet werden. Für Sachkosten und finanzielle Unterstützung stehen nach der Kompensation der durch die für die Schaffung der letztgenannten Stelle gebundenen Mittel noch rund 70‘000.- Franken des im Rahmen des Konzeptes frühe Förderung gesprochenen Budgets zur Verfügung. Im Bereich niederschwellige Elternbildung stehen zudem für die Jahre 2016 und 2017 je 143'000.- Franken aus den KIP-Geldern sowie je 100‘000.- Franken aus dem Konzept frühe Förderung bereit, wobei diese zum Zeitpunkt der Erstellung des vorliegenden Papiers teilweise bereits gebunden sind (Gesuche zum Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern Stichtag 2014 teilweise über mehrere Jahre erfolgt). Eine Fortführung des KIP nach 2017 ist vorgesehen, zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nicht definitiv. Das Subsidiaritätsprinzip nach Art. 9 SHG ist zu berücksichtigen. 4. Systematisierung und grundlegende Überlegungen Angebote unterscheiden sich zunächst nach Eigenschaften der Zielgruppen. Die Angebotslandschaft wird hier durch die zwei Dimensionen Alter des Kindes und Präventionsstufe, welche auf Merkmale der familiären Situation abstützen, aufgespannt. Dies gilt analog zur frühen Förderung und erlaubt so eine Abgrenzung schliesslich von den Kindsschutzmassnahmen, welche auf Grund des unmittelbaren Handlungsbedarfs in dem Moment keine Zeit für Änderungs- und Lernprozesse der Eltern mehr lassen. Die Präventionsstufen sind nicht immer trennscharf abzugrenzen. So haben Elternbriefe als Informationsmedium grundsätzlich alle Eltern zum Publikum, erhalten durch eine Übersetzung in häufig von Migrantengruppen gesprochene Sprachen jedoch unter einer psychosozialen Optik sekundärpräventiven Charakter. Andere Angebote, wie etwa der Elternnotruf, richten sich bewusst an die ganze Bandbreite, decken also ein Leistungsspektrum ab von der Information über konkrete Lösungsvorschläge bis hin zur Weitervermittlung in medizinische und therapeutische Settings. Altersbereiche Früherkennung von Entwicklungsrisiken, Elternbildung und Frühe Förderung Universelle Personen- Situations- und Problemspezifische Elternbildung und frühe Förderung Elternbildung und frühe Förderung Kindsschutz Universelle Angebote Selektive Angebote Indizierte Angebote Massnahmen für alle Eltern für Familien mit Eigenschaften, für Kinder/Familien mit abgeklär- zur Beendi- welche Risiko für Entwicklungs- ten/diagnostizierten Entwick- gung akuter gefährdungen erhöhen lungsauffälligkeiten Verletzung/Gefährdung Schwangerschaft, Säugling, Kleinkind (-1 bis 1) Frühe Kindheit (4 bis 6) Mittlere Kindheit MVB MVB Früherziehung (Kinder) Familienergänzende Betreu- Elterntreffs, FemmesTische Sozialpsychiatrie (Eltern ung Spezifische Elternbildungsange- und/oder Kinder) Obhut Beistand, Entzug elterlicher Elternbriefe bote Familienberatung/-therapie Elternbildungsprogramme wie Hausbesuchsprogramme wie Erziehungsberatung (Kinder und TripleP, KESS, u.a. schritt:weise, PAT, u.a. Jugendliche) Erziehungsberatung (Kinder Erziehungsberatung (Kinder und Sozialpädagogische Familien- persönlichen und Jugendliche) Jugendliche) begleitung Verkehrs (7 bis 10) Späte Kindheit Aufhebung der Sorge, Vormund Schranken des (11 bis 14) Jugendalter (ab 15) Abteilung Betriebliche Bildung Ermahnung, ABB (Beratung u.a. für Ler- Weisung, nende und Eltern), Berufsbe- Aufsicht ratung BIZ Kantonales Engagement GEF (SOA-FAM) GEF (SOA-FAM) GEF (ALBA, SPA) ERZ (EB, ABB, BIZ, AWB) ERZ (EB, AWB) ERZ (EB) JGK (KESB) Im Idealfall in Abhängigkeit dazu weisen Angebote unterschiedliche Konzepte und Vermittlungsstrategien (welche zudem mehr oder weniger standardisiert sein können) und Lernorte (z.B. bei den Eltern zu Hause oder in Lernzentren) auf. Quer dazu steht eine Unterscheidung nach behandelten Themen. Während sich zu einigen Themen wie z.B. die Ernährung in jeweils spezifischer Form durch alle Alters- und Präventionsstufen hindurch Angebote finden lassen, sind andere Themen wie z.B. Gewalt von Jugendlichen stärker spezifisch für bestimmte Altersgruppen und Präventionsstufen. Seite 2 von 5 Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern Weiter lässt sich Elternbildung in der Unterscheidung zwischen formaler, non-formaler und informeller Bildung verorten. Formales Lernen findet in dafür konzipierten Bildungseinrichtungen statt und führt zur Zertifizierung. Bei non-formaler Bildung handelt es sich ebenfalls um bewusst geschaffene Lernsettings, welche jedoch ausserhalb von staatlichen Bildungseinrichtungen angesiedelt sind. Informelle Bildung verweist dem gegenüber auf in der alltäglichen Erfahrungswelt integriertes, nicht strukturiertes Lernen. Non-Formale Bildung, welcher der Grossteil der Elternbildung zuzuordnen ist, lässt sich im Hinblick auf die (wirtschaftliche) Nachfrage unterteilen in • • • nachgefragte und wirtschaftliche rentable Angebote, nachgefragte, jedoch nicht kostendeckend betreibbare Angebote sowie nicht nachgefragte (aber allenfalls dennoch wertvolle) Angebote. Im Hinblick auf das Engagement der öffentlichen Hand lassen sich zudem grundsätzlich vier mögliche Einflussbereiche identifizieren: • • • • Angebote selber entwickeln Eigene oder fremde Bildungsprogramme aufbauen/anbieten Angebote von Dritten finanziell unterstützen Dritte methodisch/didaktisch unterstützen Zur Festlegung des kantonalen Engagements erscheinen folgende Fragen zentral: 1. Welche Themen/Fragestellungen im Rahmen der Elternbildung sind relevant bzw. geeignet, Eltern in ihrer Erziehungs- und Beziehungskompetenzen zu stärken (vgl. Ziel)? Vermittelte Inhalte können auch direkt schädlich sein (z.B. rigide Weltanschauungen) und ineffektive Angebote können indirekt vom Besuch von sinnvollen Angeboten abhalten. 2. 3. 4. 5. Welche Zielgruppen haben einen Bedarf an Angeboten zu diesen Themen? Fehlen Angebote, für welche eine wirtschaftlich rentable Nachfrage besteht? Fehlt die Nachfrage bei bestehenden, an sich wertvollen Angeboten? Fehlen Angebote, für welche keine wirtschaftlich rentable Nachfrage besteht? Ziel sollte es sein, im ganzen Kanton qualitativ gute Elternbildungsangebote vorweisen zu können und diese für den Teil der Zielgruppe mit eingeschränkter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit angemessen vergünstigen zu können. 5. Handlungsfelder, Massnahmen und Kosten Die Handlungsfelder orientieren sich an den Empfehlungen zu Leistungsbereichen des Schlussberichts zur Positionierung der Elternbildung im Kanton Bern (BFH 2012). Verzichtet wird derzeit auf den Versand eines allgemeinen Newsletters an Anbieter der Elternbildung, da Newsletter als unspezifische Information nur bedingt aufgenommen werden und hierfür derzeit ausreichend spezifische Informationen fehlen. Ebenso wird derzeit auf die Organisation von Fachtagungen und Weiterbildungen verzichtet, da noch keine Themenfelder mit entsprechendem Bedarf identifiziert werden konnten. Zudem können für die Weiterbildung bei der ERZ finanzielle Unterstützungen bezogen werden. Schliesslich wird derzeit kein Vernetzungstreffen zwischen Akteuren der Elternbildung verfolgt, da zunächst die Ergebnisse der Evaluation der regionalen Vernetzungstreffen (mit Teilnahme der EB-Akteure) abgewartet werden sollen. Einzelne Ziele sollen in leicht abgewandelter oder ergänzter Form verfolgt werden. Insbesondere wird neu das Führen einer Nachfragestatistik vorgeschlagen. Generell wird die Philosophie verfolgt, die Eigeninitiative der Anbieter zu unterstützen und nur subsidiär selber aktiv zu werden. Regionale Unterschiede in den Angeboten sollen bewusst toleriert werden, da eine regionale Verankerung und damit auch eine regional unterschiedliche Schwerpunktsetzung bezüglich Themen und Zielgruppen für die Erreichbarkeit der Eltern wichtig scheint. Seite 3 von 5 Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern A) Information der Zielgruppen A1 Online-Datenbank Datenbank auf dem Webportal Familie mit Angeboten der Elternbildung im Kanton Bern (und teilweise der ganzen Schweiz). A2 Veranstaltungsprogramm Periodisch einheitlich gestaltetes Programm geplanter Veranstaltungen online (pdf auf Webportal Familie und auf GEF-Webseite) und gedruckt (Auflegen bei MVB, Bibliotheken, Schulen, Kitas, etc.) A3 Druckkostenzuschuss Werbematerial Zuschuss von Fr. 200.- für den Druck von Werbematerial für nicht-kommerzielle Angebote (unter der Auflage, dass auf die kantonale Beteiligung an den Druckkosten hingewiesen wird; keine Auszeichnung als kantonal geprüftes Angebot). A4 Sensibilisierung für Nutzen von Elternbildung Mailversand mit kurzer einleitender Erläuterung des Nutzens von Elternbildungsangeboten und dem Hinweis auf die Aufschaltung und Aktualisierung der Elternbildungsdatenbank. Adressaten: KESB, MVB, Sozialdienste, Kitas, Beratungsstellen Integration und Schulen. B) Unterstützungsangebote und Beratung B1 Beratung in organisatorischen und fachlichen Fragen Die Webseite der GEF-FAM wird um einen entsprechenden Bereich erweitert (Checklisten, Good-Practice-Beispiele). Zudem besteht die Möglichkeit der Beratung per Mail/Telefon. B2 Aufbau und Dissemination von Fachwissen Informationen über Elternbildungskonzepte, insbesondere neue und innovative Ansätze, werden rezipiert und Informationen sowie Empfehlungen dazu auf der Webseite GEF-FAM publiziert. B3 Nachfrageerhebung und -auswertung Die Anbietenden von Elternbildung werden gebeten, jährlich die Teilnehmerzahlen ihrer erfassten Angebote zu berichten. Dadurch kann abgeschätzt werden, welche Angebote (Themen, Zielgruppen, Formen, etc.) welche Nachfragen generieren. Die Ergebnisse werden in anonymisierter/allgemeiner Form allen Teilnehmenden zurückgemeldet. C) Kantonale Vernetzung C1 Interdirektionaler Austausch GEF/ERZ/JGK Im Rahmen des Steuerungsausschusses zur Umsetzung des Konzepts frühe Förderung sollen die laufenden Tätigkeiten im Bereich der Elternbildung koordiniert und aktuelle Fragen diskutiert werden. Ziele: Doppelspurigkeiten eliminieren, Lücken verorten, gemeinsame Strategie sichern. C2 Teilnahme an interkantonalen Austauschtreffen u.a. Elternbildung CH D) Vernetzung und Austausch der Anbieter D1 Gemeinsame Identität und Vernetzungsgrundlage Es wird Übersicht über Anbieter von Elternbildung inkl. Mail- und Telefonkontakt geführt und aktualisiert. Diese wird jährlich zusammen mit der Aufforderung zur Eingabe der Informationen über laufende und geplante Angebote an alle Anbieter versandt. D2 Vernetzung mit anderen Angeboten der frühen Förderung Seite 4 von 5 Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern Fortführung des Einbezugs von Akteuren der Elternbildung im Rahmen der regionalen Vernetzungstreffen, soweit dies auf Grund der laufenden Bedarfserhebung angezeigt erscheint. E) Unterstützung von Angeboten von öffentlichem Interesse, die nicht wirtschaftlich rentabel betrieben werden können E1 Weiterentwicklung und Aktualisierung der Unterstützung der niederschwelligen Elternbildung Periodische Überprüfen der Kriterien für Zielgruppen, Themen und Angebotsgestaltung. E2 Initiieren von Angeboten zur Adressierung bestehender Lücken (vgl. C1) Kontaktaufnahme mit geeigneten Trägerschaften und ggf. Unterstützung bei Konzeption und Aufbau von Angeboten. Seite 5 von 5
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