Der Euro und die Krise

26.04.2015
Der Euro und die Krise
Prof. Dr. Ulrich Brasche
Economics / European Integration
FH Brandenburg
[email protected]
Fragen zur Krise
Vortrag
 Vorab: Was wissen und verstehen wir?
 Wie kam es zur Krise?
 Wo stehen wir jetzt?
 Ist dies eine Euro-Krise?
 Welche Lösungen sind denkbar?
 Wird die nächste Krise kommen?
Diskussion, Fragen
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26.04.2015
Vorab: Was wissen und verstehen wir?

Die Fachwissenschaft (Economics)

Hat diese Krise nicht vorher gesehen

Benutzte Modelle ohne
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



Einige „Außenseiter“ haben gewarnt
Kreditbeziehungen, Schulden
Finanzsektor
Ging / geht vom „homo oeconomicus“ aus
Wurde / wird von einigen „Schulen“ (Chicago-Boys) und „Moden“
(De-Regulierung) dominiert
„Abweichler“ wurden / werden zur Seite geschoben (Minsky, Keen,
Roubini, Koo etc.)
Die Geschichte ist voll von (ähnlichen) Krisen
(Kindleberger)
Es gibt keine konsistente „Theorie der Krise“, sondern
ein „Narrativ“ – und Varianten davon
 Es gibt wenig gesichertes Wissen
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Wie kam es zur Krise?


Zyklus: Mania-Panic-Crash (Minsky; Kindleberger)
Kredit – Blase (Mania)

Kredit-Angebot (Finanzindustrie)



„Innovative“ Finanzprodukte seit 1980er (De-Regulierung)
Liquiditätsschwemme nach „Internet-Blase“ 2001 (Zins niedrig)
Kredit-Nachfrage



Haushalte (Immobilien, Konsum, Gold, Aktien, … )
Unternehmen (optimistisch in die Zukunft)
Staat und Sozialversicherungen (Wohltaten für Wähler/Innen)
 Über-Schuldung – noch scheinbar „solide“


Panic: Alle verkaufen  Kurse / Preise stürzen ab
Durch den Crash




Finanzsystem voll „fauler“ Kredit und beschädigt
Reale Wirtschaft in die Rezession
Staat überschuldet: Keine Lokomotiven-Funktion für die Nachfrage
Zusammenbruch von Banken, Staaten und Unternehmen
 Über-Schuldung – offensichtlich nicht tragbar
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Brasche, 2013
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Verschuldung (Relation zum BIP) 2011
Griechenland
Italien
Portugal
Irland
Belgien
Frankreich
Deutschland
Öffentlich
Privat
Österreich
Spanien
Niederlande
Finnland
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50
100
150
200
250
300
350
400
450
EUROSTAT, Datenbankabfrage, 30.10.12, tipsgo10
Brasche, 2013
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Die Sehnsucht nach der einfachen Erklärung


Die Krise ist das Resultat komplexer Einflüsse und voll
von Widersprüchen
Die Materie ist kaum durchdringbar
 cognitive dissonance
(Eine simple Erklärung wäre entlastend)

Aber …


Es gibt nicht einen „Sündenbock“
Es gibt nicht „die Guten“ und „die Bösen“: Die Krise ist nicht das
Ergebnis unmoralischen Handelns


Einzelner (Madoff etc.)
einer Gruppe („Böse Banker“)
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Wo stehen wir jetzt?

Über - Schuldung



Tragfähigkeit der Schulden kritisch



Stagnierende oder rückläufige Einkommen bzw. Steuereinnahmen
Kreditwürdigkeit sinkt (auf Null)
Finanzsystem ist krank




Private Haushalte
Öffentliche Haushalte (Explizit + Implizit)
Re-Finanzierung (=Verlängerung) bestehender Schulden kritisch
Kreditnehmer werden zahlungsunfähig
Kreditgeber müssen abschreiben und gehen unter
(Capital Ratio, Leverage)
Ansteckung, Folgeschäden, Rückkopplungen



„Ein fauler Apfel steckt alle guten Äpfel an“
Ohne Finanzierung leidet die (reale) Wirtschaft
Extrem niedrige Zinsen gefährden langfristige Anlagen
(Lebensversicherungen etc.)
 Feedback loop
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Ist dies eine Euro-Krise?

Die Probleme der Euro-Länder



Sind nicht durch den Euro verursacht
Könnten ohne Euro auch nicht (viel) besser überwunden werden
Der Euro ist


stabil (keine Inflation)
als Welt-Anlage-Währung gefragt ($ / €)
 Es ist eine Schuldenkrise – (noch) keine
Währungskrise

Aaber: Durch die Krise der Euro-Länder


Wird die Idee der Europäischen Integration beschädigt
Könnte der Euro beschädigt werden (Austritte, …)
 Die Schuldenkrise kann zur Euro-Krise werden
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Welche Lösungen sind denkbar? (1)

„Feuerwehr-Aktionen“




„Zeit kaufen“: Den Zusammenbruch durch Notkredite verzögern
Die früher vergebenen Kredite „heimholen“ – andere Kreditgeber
springen ein (EZB, ESM, ELA, EIB, EU, …)
Gesellschaftliche Unruhen dämpfen – soweit nötig
Mittel-, langfristig

Schulden







durch Sparen zurückzahlen (austerity)
durch Verkauf des „Tafelsilber“ zurückzahlen (Privatisierung)
erlassen oder strecken und/oder verbilligen (Restrukturierung)
durch Wachstum beherrschen
durch Inflation entwerten
durch „geliehene Bonität“ verlängern / vergrößern (Euro-Bonds, ESM,…)
Krisenursachen bekämpfen und Strukturen robuster machen


Finanzindustrie: Strengere Regulierung und Aufsicht (Banken-Union)
EU-Aufsicht über nationale Schulden und Umverteilung (Fiskal-Union)
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Welche Lösungen sind denkbar? (2)

Es gibt keine (nur) sachgerechte Lösung

Die Zukunft durch den Blick in den Rückspiegel sichern (?)



Viele Interessen und (Ohn-) Macht im Zusammenspiel




Die nächste Krise sieht anders aus
Die Rezepte der vorigen Krise müssen nicht geeignet sein
Gestalte die Rettung so, dass die anderen die Last tragen
Drohung mit dem eigenen Untergang („Bail-out blackmail“)
Privater Gewinn – gesellschaftlicher Schaden: Die Anreize richtig setzen
Aber: Regulatory Capture
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Wird die nächste Krise kommen?

Die Ursachen der jetzigen Krise könnten künftig
beherrscht werden …


Re-Regulierung der Finanzindustrie
Einschränkung der Staats- und Privatverschuldung

… aber Banken und Wähler sind dagegen

Mania – Panic – Crash


Basieren auf psychologischen Mustern, die nicht „weg-reguliert“
werden können
Sind auch nach einer strengeren Regulierung der Finanzindustrie
immer wieder möglich
Fazit:
Im Kapitalismus sind
(Finanz-) Krisen unvermeidbar
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Ich danke für Ihre Geduld
… und freue mich auf die Diskussion !
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Quellen
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Brasche, U. (2013), Europäische Integration: Wirtschaft, Erweiterung und regionale Effekte.
München.
Kindleberger, C. P. and R. Z. Aliber (2008), Manias, panics, and crashes - a history of financial
crises. Hoboken, NJ, Wiley.
Pâris, P. and C. Wyplosz (2013), To end the Eurozone crisis, bury the debt forever,
http://www.voxeu.org/article/end-eurozone-crisis-bury-debt-forever [13.10.2013 17:25:20].
Die Schuldenkrise im Euroraum – Entstehung, Entwicklung und wirtschaftspolitische
Handlungsoptionen, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 82 (2)
Gros, D. (2012b), Macroeconomic imbalances in the Euro
area: Symptom or cause of the crisis?, CEPS Policy Brief
(266).
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