Biografie⃰⃰⃰Friedrich Schröder

Biografie⃰⃰ Friedrich Schröder-Sonnenstern (1892 – 1982)
⃰ Die Zitate stammen von einem eigenhändig verfassten Lebenslauf des Künstlers aus dem
Jahre 1959.
1892 Geboren am 11. September in Kuckerneese bei Tilsit als zweites von dreizehn Kindern
Sohn eines Postillons wuchs ich zwischen 13 Kindern auf als fanatischer Außenseiter
(dickköpfig), als ironisches schwarzes Schaf kritisch, fast krankhafter Denker (autoritär?).
Von Kindheit an bin ich isoliert; niemand will mit mir spielen. Wenn die Mädchen sonntags
mit ihren Kavalieren aus dem Wald zurück kommen, treibe ich die Eulenspiegelei so weit,
daß ich auf die Bäume klettere, um - im Halbdunkeln - Pipi auf ihre schönen Hüte und
Kleider zu machen. Resultat: Schläge von allen Seiten.
1906 Erziehungsanstalt wegen Diebstahls der mütterlichen Ersparnisse
1908 Gärtnerlehre abgebrochen
1909 Lehre in einer Meierei abgebrochen; Erziehungsanstalt
1910 Landstreicherei, arbeitet in einem Zirkus und als Landarbeiter.
Flucht; ein wenig Erholung zu Hause, dann Landstreicherei. Ein herumfahrender Zirkus stellt
mich als Stalljunge ein. Man entdeckt in mir ein Komödiantentalent, und man übt mir einige
Komikerrollen ein. Selbständig geworden, produziere ich mich in Kabaretts. Mein Geld
ausgegangen, erhalte ich Arbeit auf einem Bauernhof. Eines Tages wird der Knecht zu
zärtlich, durch zu viel Schnaps. Ich springe aus dem Fenster. Drei Tage später kommt er mit
dem Bauern in mein Zimmer: man findet sein Portemonnaie versteckt unter meinem
Strohsack. ich reagiere aufs Heftigste. Beim Eintreffen der Polizei greife ich nach dem
Käsemesser. Man knebelt mich mit einer Wäscheleine: Irrenanstalt, Zwangsjacke.
1912 Fünf Monate Aufenthalt in der Irrenanstalt Allensberg, Diagnose „Dementia praecox“
(heutige Bezeichnung für Schizophrenie)
1915 Einige Tage Militärdienst, dann wieder Irrenanstalt
Man erklärt mich für fähig für den Militärdienst an der Front. Ich protestiere insofern als ich ja
ein geistig Irrer bin, also unfähig den Krieg mitzumachen. (…) Nach vier Wochen
wissenschaftlicher Untersuchung läßt man mich wieder frei, da man mich für einen
unschädlichen und unheilbaren Irren hält.
1917- 19 Hilfsbriefträger und Schmuggler, danach wieder Irrenanstalt. Am 24.10.1918
Entmündigung
1919 - 28 Nach seiner Entlassung installiert Schröder sich in Berlin als Astrologe und
magnetopatischer Heiler unter dem Namen „Gustav Gnass“, gründet eine eigene Sekte, die
zeitweise über 2000 Anhänger hat. Er nennt sich jetzt „Eliot I., Fürst von Sonnenstern“. Er
verteilt säckeweise Brötchen an hungernde Kinder und wird als „Schrippenfürst von
Schöneberg“ stadtbekannt.
1920 Gründet er auch in München einen spiritistischen Zirkel
1930 Sechs Wochen verhaftet wegen Gaunerei. Erneut Einweisung in die Irrenanstalt, wo er
den Maler Hans Ralfs kennenlernt.
Dort mache ich die Bekanntschaft eines „Irren-Malers“, dem ich bei der Arbeit zuschaue. Auf
seinen Rat beschaffe ich mir Material und beginne zu zeichnen.
1933 Ist als Vertreter von Heilsalzen in den Badeorten der Ostseeküste unterwegs, erneut
Gefängnis und danach wieder Irrenanstalt in Neustadt. Hier entstehen die ersten
Sternzeichnungen.
1937 Berlin, Fürsorge-Empfänger und dann Arbeit als Kontrolleur eines Luftwaffendepots
1942 Flucht nach Berlin, wo er mit Martha Möller – genannt „Tante Martha“ - , von nun an
seine Lebenspartnerin, zusammenlebt.
1945 Nach dem Kriege wieder in Berlin. Verkauf von Brennholz, das er in den Ruinen
sammelte
1947 - 49 Hunderte von kleinen Farbzeichnungen entstehen
1949 Zu der Zeit erinnere ich mich an den „Irrenmaler“, der mir Mut gemacht hatte; ich
begebe mich in den Zustand, der mir bis dahin unbekannt war. Die Galerie Springer kauft
meine zwanzig besten Zeichnungen und unterstützt mich. Die meisten Professoren der
Kunstakademie Berlin-West behandeln mich mit Verachtung.
1954 Beginn der eigenhändigen Kopien seiner Bildwerke mit Pauspapier
1955 Der Sammler Siegfried Poppe entdeckt Bilder von Sonnenstern in der Galerie Springer
und macht diese Arbeiten bei Jean Dubuffet, Max Ernst, Hans Bellmer u. a. bekannt.
1958 Mithilfe von Edeltraud Gorsky beim Zeichnen, neue Motive entstehen kaum mehr.
1959 Finale: Ihr habt meine Hoffnung zerbrochen, meinen Geist geknebelt, meine Seele
gemartert, und jetzt, stinkende Brut, wollt ihr, daß ich für Euch stimme - ich stimme für mich
selbst.
1961 erste Einzelausstellung in der Galerie Brockstedt in Hamburg, weitere Ausstellungen im
In- und Ausland
1964 Tod von Martha Möller. Sonnensterns Welt gerät aus den Fugen: Zunehmender
Alkoholmissbrauch, starke Gewichtsabnehme, Verwahrlosung. Ende der Mitarbeit an seinen
Zeichnungen, die er nur noch signiert und betitelt. Mitarbeiter in der Werkstatt sind nach dem
Ausscheiden von Edeltraud Gorsky u. a. Wolfgang Simon, Hartmut Menzel, Peter Josef
Zinke, Jes Petersen und Adelheid Sickrodt.
1968 Einweisung in die Bonnhöfer-Nervenklinik in Berlin wegen Alkoholismus und
Verwahrlosung. Seine Mitarbeiter beginnen ohne sein Wissen Zeichnungen anzufertigen.
1973 Retrospektive in der Kestner-Gesellschaft Hannover.
1982 stirbt der Künstler am 10. Mai in Berlin