Zürich 19 Tages-Anzeiger – Donnerstag, 24. September 2015 Das Ende der Zürcher Zweisamkeit Lange konnten die Bürgerlichen damit werben, dass man sie zu zweit in den Ständerat schicken müsse – sonst seien die Zürcher Stimmen verschenkt. Heute könnten das andere behaupten. Marius Huber Es war einmal eine Formel, die den Bürgerlichen viel Erfolg in den Ständeratswahlen brachte: die «ungeteilte Standesstimme». Die Idee, dass es nicht sehr sinnvoll sei, ein Duo in die Kammer der Kantone zu schicken, das sich in wichtigen Fragen dauernd neutralisiert. Dass es vielmehr zwei brauche, die ähnlich ticken – und das hiess im Kanton Zürich traditionell: zwei Bürgerliche. Bloss gilt das heute nicht mehr; das führen neue Analysemethoden vor Augen. Die Macher der Onlinewahlhilfe Smartvote haben für den TA die Antworten aller Aspiranten auf 75 Sachfragen ausgewertet. Dabei wird klar: Ruedi Noser (FDP) und Hans-Ueli Vogt (SVP) sind politisch weiter voneinander entfernt als andere mögliche Ständeratspaare. Und sie verfehlen deutlich jenen Wert, der laut Politikwissenschaftler Daniel Schwarz von Smartvote auf eine «relativ grosse bis sehr grosse Übereinstimmung» hinweist. Das liegt vor allem an unterschiedlichen Haltungen in Fragen der Aussenpolitik, der Migration und der Sicherheit. Vogt würde gern mit Noser Namentlich die Zürcher SVP mag die alte Formel trotzdem nicht loslassen. Hans Hofmann, ihr letzter Vertreter in der kleinen Kammer, sagte zum Auftakt des Wahljahres, die ungeteilte Standes stimme sei «von absolut zentraler Bedeutung» für den Kanton Zürich. An dieser Haltung hat sich nichts geändert, ob- wohl die FDP die Einladung zur Zusammenarbeit ausschlug. Der aktuelle SVPKandidat Hans-Ueli Vogt sagte erst Anfang Woche am TA-Podium, dass es für ihn nur einen Partner gebe, mit dem er gemeinsam nach Bern möchte: Ruedi Noser von der FDP. Der Bruch kam mit Maurer Der laufende Wahlkampf weist jene Konstellation auf, für die der Kampfbegriff erfunden wurde. Als dieser in Zürich vor rund 85 Jahren erstmals auftauchte, ging es den Bürgerlichen darum, einen Wahlerfolg der aufstrebenden Sozialdemokraten zu verhindern. Diese hatten mit Emil Klöti, Stadtpräsident des roten Zürich, einen ähnlich aussichtsreichen Kandidaten wie jetzt mit Daniel Jositsch. Die Wähler aus der politischen Mitte sollten diszipliniert werden. Das verfing bei den Wählern zwar nicht, aber das Argument war trotzdem nicht totzukriegen. 1979 prangte die ungeteilte Standesstimme sogar als Motto auf den Plakaten der Bürgerlichen. Es galt, die eingemittete SP-Frau Emilie Lieberherr zu verhindern. Das ging erneut daneben, aber es sollte für lange Zeit das letzte Mal sein: Von den Achtzigerjahren an zog die Formel plötzlich. Namentlich der damalige Zürcher SVP-Präsident Christoph Blocher propagierte sie immer wieder, paradoxerweise in einer Phase, in der sich die SVP unter seiner Ägide inhaltlich zunehmend von der FDP entfernte. Von der Fixierung auf die ungeteilte Standesstimme profitierte in den Neun- zigern sogar Monika Weber vom LdU – obwohl sie selbst die Idee ablehnte. Bürgerliche Kommentatoren hielten ihr aber zugute, dass sie «in wichtigen Fragen» fast immer mit ihrem FDP-Kollegen Riccardo Jagmetti gestimmt habe, und trugen so zu ihrer Wiederwahl bei. Letztmals stach das Argument 2003, als die Stimmberechtigten lieber Trix Heberlein (FDP) und Hans Hofmann (SVP) nach Bern schickten als den prominenten SP-Kandidaten Josef Estermann, den früheren Zürcher Stadtpräsidenten. Als die SVP beim nächsten Mal Ueli Maurer brachte, überspannte das die Formel: Der Parteipräsident war so oft auf den Freisinnigen herumgetrampelt, dass viele von ihnen am Wahltag keine gemeinsame Basis sahen und ihm die Unterstützung versagten – trotz FDPWahlempfehlung. Das Spiel wiederholte sich vier Jahre später mit Christoph Blocher. Verena Diener von den Grünliberalen profitierte. Das war der Bruch. Jositsch passt zu Girod Wenn heute jemand mit der ungeteilten Standesstimme werben wollte, müssten das andere Kandidaten sein als diejenigen von SVP und FDP. Solche, die im Duopack allerdings beschränkte Wahlchancen haben. Zum Beispiel Daniel Jositsch und Bastien Girod von den Grünen. Sie haben die höchste Übereinstimmung, vor allem in Sachen Umweltschutz, Steuern und in gesellschaftspolitischen Fragen. Keine zweite Gotthardröhre, kein Autobahnausbau, Moratorien für Gentech und neue Bauzonen. Relativ einmütig wäre laut Smartvote auch eine Kombination aus dem politischen Zentrum, das noch dazu mit dem Ausgleich zwischen den Geschlechtern trumpfen könnte: Martin Bäumle von den Grünliberalen und CVP-Frau Barbara Schmid-Federer. Sie würden Zürich in aussenpolitischen Angelegenheiten und in Steuerfragen oft mit einer Stimme vertreten: keine strikte Neutralität, klares Bekenntnis zu den Bilateralen. Was hingegen die Kernressorts ihrer Parteien angeht, die Gesellschaftspolitik und den Umweltschutz, würden sie sich häufiger im Weg stehen als nicht. Jene zwei Kandidaten, die laut einer TA-Umfrage die besten Chancen haben, stehen als Tandem bezüglich Nähe und Distanz im Mittelfeld: Daniel Jositsch und Ruedi Noser würden Zürich zwar oft mit ungeteilter Stimme vertreten, wenn es um Sicherheit geht und um Aussenpolitik. Aber in anderen Fragen würden sie sich oft neutralisieren – vor allem in der Wirtschaftspolitik, die den Bürgerlichen ein zentrales Anliegen ist. Wenn man nur auf diesen Aspekt schaut und die Differenzen ausblendet, müsste Noser im Wahlkampf mit Vogt zusammenspannen. Aber das scheint nicht möglich. Oder wie sagte der FDPKandidat am TA-Wahlpodium mit Blick auf die Bilateralen? «Vogt versteht nicht, wie die Wirtschaft funktioniert.» Grafik Welche Kandidaten für den Ständerat passen zusammen? distanz.tagesanzeiger.ch «Es braucht die Vielfalt» So stimmten Diener und Gutzwiller Der Kanton Zürich wird seit acht Jahren im Ständerat von Verena Diener (GLP) und Felix Gutzwiller (FDP) vertreten. Verena Diener, die wie Gutzwiller im Herbst aufhört, schätzt, dass sie gesamthaft in 60 Prozent der Themen mit Kollege Felix Gutzwiller einig gewesen war und bloss in 40 Prozent der Abstimmungen die Zürcher Standesstimme aufgeteilt und somit neutralisiert wurde. Die Forderung nach einer ungeteilten Standes stimme findet Diener unnötig. «Die Standes vertretung soll vielmehr ein möglichst breites Meinungsspektrum der Kantonsbevölkerung abdecken und nicht bloss ein einzelnes Lager.» In früheren Jahren war Zürich im Stöckli meist nur durch die bürgerliche Mehrheit vertreten. «Bei Vorlagen, die für den Kanton Zürich von zentraler Bedeutung sind, haben wir uns immer abgesprochen», sagt Diener – zum Beispiel beim Finanzausgleich (NFA) oder bei Bahnprojekten wie der Durchmesserlinie. Deckungsgleich waren Diener und Gutzwiller meistens auch in gesellschaftspolitischen Themen, einer liberalen Asylpolitik und einer gut bemessenen Entwicklungshilfe. Differen zen gabs hingegen im ökologischen Bereich (vorübergehende Unterstützung der Wasser kraft, ökologische Steuern). Diener hat konsequent für eine ökologische Steuerre form gekämpft. Abweichungen gabs auch bei medizinischen Themen, etwa bei der Trans plantationsmedizin. Gutzwiller stimmte eher forschungsgläubig, während Diener ethische Vorbehalte hatte. (rba) Auf zu alten Ufern: Arboretum wird für 5 Millionen renoviert Ausnahme der imposanten Flügelnuss beim Steg zum Seebad Enge. Die Wurzeln dieses Baumes beeinträchtigen zwar die Stabilität der Ufermauer. Dennoch bleibt der grüne Riese erhalten. «Dies macht aufwendige Sanierungsmassnahmen mit einer baumpflegerischen Begleitung nötig», so Handschin. Neu soll in diesem Bereich des Arboretums zudem eine Kiesvorschüttung die ursprüngliche, strandähnliche Ufergestaltung wieder herrichten. Von der Sanierung nicht tangiert werden dagegen die vier Kleinbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie stehen unter Denkmalschutz. Die Sanierungsarbeiten kosten fünf Millionen Franken und dauern voraussichtlich elf Monate. Rechtzeitig zur Sommersaison und zum Züri-Fäscht vom 1. bis 3. Juli 2016 ist das Arboretum wieder durchgehend zugänglich. Das Arboretum, die historische Parkanlage mit exotischen Gehölzen am See, wird so hergerichtet, wie es vor 130 Jahren gedacht war. Martin Huber «Seeuferweg aufgrund Bauarbeiten gesperrt. Bitte Hauptwege benutzen», heisst es auf Infotafeln beim Arboretum in der Enge. Dort müssen Fussgänger derzeit Umwege in Kauf nehmen, Drahtgitter versperren den Zugang zum See. Grund für die Sperrung ist die vor kurzem angelaufene Sanierung der Uferanlagen im 130-jährigen Arboretum. Die beliebte Parkanlage mit ihrer Baumsammlung (Arboretum) und den grossen Wiesenflächen wurde 1887 eröffnet und ist Teil der Zürcher Quaianlagen. Sie gilt als bedeutendes Gartendenkmal. In die Jahre gekommene Bäume Bessere Sicht auf See und Alpen Das Arboretum hat sich in den letzten 130 Jahren dank der intensiven gärtnerischen Pflege gut gehalten, wie Lukas Handschin, Sprecher von Grün Stadt Zürich, erklärt. Allerdings befinden sich die Uferbefestigungen und ufernahen Flächen in einem schlechten Zustand und müssen instand gesetzt werden. Zudem ist die ursprüngliche Gestaltungsidee, eine Aussicht auf den See und die Glarner Alpen zu schaffen, in den letzten Jahrzehnten durch diverse nachträgliche Einbauten und aufgewachsene Pflanzen verändert worden. Das soll sich durch die Sanierung ändern: «Die ursprüngliche Gestaltungsidee soll wieder erlebbar werden», sagt Handschin. Bedeutendes Gartendenkmal: Das Arboretum am Mythenquai im Engequartier, um 1900. Foto: PD Konkret ist geplant, an der Uferpartie zwischen dem Zürcher Yacht Club und der Grossen Kanzel die Hecken zu entfernen und neue Sitzbänke im Promenadenbereich zu installieren. Die Ahornreihe entlang der Uferzone wird ersetzt. Handschin: «Die Bäume standen in zu kleinen, stark verdichteten Baumscheiben und konnten nicht in die Tiefe wurzeln, die Wurzeln drückten stattdessen den Asphalt in die Höhe.» Die neuen Bäume kommen in grössere Baumscheiben, und der Uferweg in diesem Abschnitt wird nicht mehr asphaltiert. Auch im Bereich zwischen der Grossen Kanzel und dem Hafen Enge wird der Uferweg gemäss ursprünglicher Konzeption wiederhergestellt: auf der Mauerkrone unmittelbar am Wasser. Laut Handschin wird dafür die Vegetation im seeseitigen Bereich entfernt, mit Das Arboretum entstand im Rahmen der Aufschüttungsarbeiten zum Bau der Quaianlagen. Ursprünglich war ein konventioneller Park geplant. Doch kurz vor Baubeginn unterbreitete eine Gruppe von Botanik- und Geologieprofessoren der verantwortlichen Quaidirektion Vorschläge zur Bereicherung des Parkkonzepts: Eine Baumsammlung mit fremdländischen Gehölzen, eine Gesteinssammlung und ein die nahen Berge erklärendes Alpenpanorama sollten den Zürchern etwas Bildung auf dem Sonntagsspaziergang vermitteln, wie es auf der Website des Tiefbaudepartements heisst. Für die Gestaltung der Anlage zeichneten die Landschaftsarchitekten Evariste Mertens und Otto Froebel verantwortlich. Anzeige Nationalrat: Liste 2. Daniel Jositsch in den Ständerat www.spzuerich.ch | PC 80-18149-9 JACQUELINE BADRAN Unternehmerin, Biologin, Staatswissenschafterin HSG, 53, Zürich (bisher) MARtIN NAEF Jurist, Bereichsleiter und Personalverantwortlicher, 44, Zürich (bisher) DANIEL FREI Politikwissenschafter, Präsident SP Kt. ZH, Kantonsrat, Gemeinderat, 36, Niederhasli pIA hoLENStEIN WEIDMANN Publizistin, 60, Affoltern ALAN DAVID SANGINES Berufsbeistand, Gemeinderat, 29, Zürich FüR SAChLIChkEIt IN DER ASyLpoLItIk. pAtRICk hADI hUBER Projektmitarbeiter Non-Profit Stiftung, Präsident HAZ, Gemeinderat, 35, Zürich
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