Ausstieg aus destruktiven Bindungen

Ausstieg aus destruktiven Bindungen
Michaela Huber
www.michaela-huber.com
www.dgtd.de
2/22/2016
Copyright: Michaela Huber
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respect yourself enough
to walk away from
ANYTHING
that no longer
serves you, grows you,
or makes you
HAPPY
2/22/2016
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Aber wie geht man weg??
• Wenn man nicht weiß, was „Respekt“ und „Selbstrespekt“ eigentlich heißen?
• Wenn man als Kind schon lächerlich gemacht wurde, für einen eigenen Willen
bestraft wurde, zu Dingen gezwungen wurde, die man freiwillig nicht machen
wollte, entwertet wurde? Wenn man vielleicht sogar geschlagen wurde oder
gelernt hat, aus dem Körper rauszugehen, weil jemand anderes ihn einfach benutzt
und gequält hat?
• Wie lernt man dann „weggehen“? Innerlich weggehen hat man gelernt. Aber
äußerlich?
• Warum hat man es so schwer, sich von denen zu verabschieden, die einen gequält
haben?
2/22/2016
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Jennifer Freyd, 1996
• Das gequälte Kind hatte keine andere Chance, als sich dem
quälenden Elternteil auf der Suche nach Schutz, Trost und Hilfe
zuzuwenden.
• Das Kind muss also die Aspekte seines Selbst, die das Böse im
Elternteil entdecken können, unterdrücken.
• Das ist „Blindheit für den Verrat“.
• Dissoziation ist also nicht nur eine Abwehr der überwältigenden
Qual,
• Sondern eine wesentliche Technik, um in äußerst brutalen und
chaotischen Situationen Bindung aufrechterhalten zu können.
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Wer ein Trauma nicht realisiert …
• ist gezwungen, es zu wiederholen
• oder zu reinszenieren.
(Pierre Janet, 1902)
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Trauma, Bindung – Wiederholung?
• In mindestens 50% aller Paare lebt mindestens eine/r, der/die in der Kindheit
traumatisiert wurde durch seelische, körperliche oder sexuelle Gewalt,
Vernachlässigung, Verwahrlosung, Bindungsverluste.
• Je früher die Bindungstraumatisierung, desto sprachloser, automatisierter,
affektiver (emotional und körperlich „geladen“) die Folgen.
• Je krasser die Bindungserfahrung, desto intensiver werden die Erfahrungen
wiederholt und reinszeniert (TäterIn-Opfer-ohnmächtige ZeugIn–RetterIn…)
• Nicht wenige haben einen dissoziativen Lebensstil mit Parallel-Welten: Tätergebunden und gleichzeitig auf der Suche nach Rettung; fürsorglich und
gleichzeitig parentifizierend….
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Beziehungsmuster in vernachlässigenden und
gewalttätigen Familienstrukturen
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Despotismus und Laissez-Faire, Double-Binds
Schuldabwehr und Schuldübernahme
Bestechung, Erpressung, Nötigung
Verführung und brachiale Gewalt
Geiselnahme und Solidarisierung mit dem Mächtigen
Verrat
Kollusive Verwicklungen und Parentifizierung
Opferung
Intergenerationelle Weitergabe
Und manchmal Liebevolles, Sanftes… sehr verwirrend!
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Neurophysiologie und Bindung:
Wenn Eltern sich streiten und Gewalt ausüben
• Werden die Spiegelneurone der Kinder aktiviert.
• Und da seelischer wie körperlicher Schmerz verarbeitet wird
• Bekommen die Kinder körperliche Schmerzen, Panik, Wut, Ekel,
Scham, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Hass-Attacken.
• Da die Bindungspersonen mit sich beschäftigt sind, erhält das Kind
zudem keinen Schutz.
• (Quelle: Brisch 2013; Bildquelle: Spiegel.de)
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Für ein Viertel der Kinder/Jugendlichen ist Gewalt HEUTE alltäglich
Fast ein Viertel (22,3 Prozent) aller Kinder und Jugendlichen in
Deutschland wird von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen; 28
Prozent davon sind Kinder ab sechs Jahren, etwa 17
Prozent Jugendliche. Dabei gibt es seit 13 Jahren in Deutschland ein
gesetzlich verankertes Recht auf eine gewaltfreie Erziehung.
Die „Gewaltstudie 2013“ der Universität Bielefeld ist repräsentativ für
die deutsche Bevölkerung. (Quelle: http://xn--kinderfoerderung-
1pb.bepanthen.de/de/kinderarmut/index.php )
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Wenn sie uns auffallen…
• Jungen: hyperaktiv, dissozial, bindungs-phobisch; teils depressiv,
teils explosiv; leicht kränkbar (hat mich komisch angeguckt…,
mich ungerecht behandelt…); in Clique, bes. alkoholisiert,
gefährlich; gehen auf Schwächere (Mädchen u. Frauen,
schwächere Jungen/Männer, Behinderte, anders Aussehende...);
• Mädchen: äußerlich oft ängstlich, dissoziativ (Gedächtnislücken,
Entfremdungsgefühle), überangepasst, verletzen sich selbst; teils
depressiv, teils implosiv, gelegentlich explodierend; gehen auf
Schwächere (Kinder, jüngere Mädchen), mobben „Andersartige“,
wiegeln Jungs auf, verwickeln sich in missbräuchliche
Beziehungen, liefern sich immer wieder Menschen aus, die ihnen
schaden wie destruktiver Mutter, (Stief-)Vater, „Freund“,
„Beschützer“ etc.…
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Geschlechtsspezifische Unterschiede:
Andere Traumata – andere Folgen
• Jungen und Männer erleiden mehr
„Kampftraumata“
• Wenn sexuelle Gewalt, dann oft
nicht engste Bindungspersonen
• Hauptaffekte: Sich gedemütigt
fühlen, unterdrückte Angst, offene
Wut und Rachegefühle
2/22/2016
• Frauen und Mädchen erleiden mehr
Verrats- und Bindungstraumata
• Eher sexuelle Gewalt und eher enge
Bindung an den Täter
• Hauptaffekte: Todesangst, Scham,
Entsetzen, Schuld-gefühle,
„Schlecht und schmutzig sein“
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Der gequälte Junge lernt, was Macht macht…
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Und macht das dann u.U. mit Schwächeren
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Ergebnisse der „Frauenstudie“ (2)
• 58 % haben unterschiedliche Formen von sexueller Belästigung
erlebt
• 42 % berichten von psychischer Gewalt (v. Einschüchterung bis
Psychoterror/Stalking)
• 25 % erlebten oder erleben derzeit körperliche und/oder sexuelle
Gewalt in der Partnerschaft.
2/22/2016
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Ergebnisse der „Frauenstudie“ (3)
• Frauen, die in Kindheit und Jugend bereits körperliche oder
sexuelle Gewalt erlebt haben, sind 3x so häufig von Gewalt
in Paarbeziehungen betroffen.
• Frauen, die sexuelle Gewalt in der Familie erlebt hatten,
werden 4x so häufig Opfer sexueller Gewalt nach dem 16.
Lebensjahr.
2/22/2016
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Wenn man Gewalterfahrungen
nicht verarbeiten kann
• .. Ist man gezwungen, (in einem Teil der Persönlichkeit) depressiv zu
werden (depremere, lat: unterdrücken)
• … und/oder aggressiv zu werden (man kämpft wie um sein Leben
und gibt anderen die Schuld)
• … oder ständig auf der Flucht zu sein…
• … oder eine Sucht zu bekommen (Alkohol, Drogen, Medikamente…)
als Selbst-Medikation
• … oder sich in die Arbeit zu stürzen (man redet, schuftet… um sein
Leben)
• Oder starr, rigide und unbeweglich – und schweigsam zu werden.
• Ungetröstet und untröstlich zu sein. Und voller Sehnsucht.
• Aber man kann laufen, so weit die Füße tragen, das Unbewältigte
holt einen immer wieder ein.
2/22/2016
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Du kannst vor
allem davon
laufen, was
hinter dir her
ist, aber was in
dir ist, holt
dich immer
wieder ein
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Wenn Hilfe zu spät oder gar nicht kommt…
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Männer, die Frauen (versuchen zu) töten
• Sind meist selbst Kindheits-traumatisiert.
• Studien an und Interviews mit Mördern wie Männern, die eine Tötung der Partnerin
(nur) versucht haben, ergaben:
• Die meisten hatten als Kind körperliche und/oder sexuelle Gewalt selbst erlebt und
• Die meisten waren Zeuge geworden, wie ihr Vater(ersatz) ihr Mutter misshandelt
hatte.
• Gewalt wird nicht nur gelernt, sondern auch als Abwehr gegen Trauma-Erinnerungen
eingesetzt.
•
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Lit. U.a.: Adams, D. (2009): Predisposing childhood factors for men who kill their intimate partners, in: Victims and Offenders, Vol. 4 (3), ss. 215-229
Huber, M. (2013): Der Feind im Innern. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt. Paderborn: Junfermann
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Frauen, die in mehreren Partnerschaften
misshandelt wurden
• Sind mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Kindheit sexuell
misshandelt worden
• Wurden Zeuginnen elterlicher Gewalt
• Haben besonders häufig für Ältere bzw. Erwachsene bereits als Kind
sorgen müssen (Parentifizierung)
•
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Lit.: Alexander, P.C. (2009): Childhood trauma, attachment, and abuse by multiple partners, in: Psychological
Trauma Theory,, Research, Practice, and Pollicy, Vol 1 (1), S. 78-88
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Täternetzwerke
• Manchmal ist es mehr als ein Täter. Sondern die Herkunftsfamilie plus (deren)
PartnerInnen oder FreundInnen.
• Manchmal werden Kinder weitergereicht an andere TäterInnen.
• Manchmal glauben Frauen, dass Promiskuität oder gar Prostitution eine
Lösung sei – und erleben noch mehr Gewalt; Stalking….
• Manchmal werden Kinder in eine Sekte oder einen destruktiven Kult
hineingeboren oder gehen als Jugendliche oder später Erwachsene hinein und
erleben Schlimmes.
• In jedem Fall gilt: Täter etablieren Schweigegebote, um sich das Opfer gefügig
zu halten. Todesdrohungen, Erpressung, Einschüchterung sind an der
Tagesordnung.
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Ausstiegsplan bei hartnäckiger Gewalt
• Rückzug vom Täter/von den Tätern (Wegweisung, Frauenhaus, FreundInnen, Klinik…). ES GIBT VIEL
ZUWENIG FLUCHTWOHNUNGEN UND UNTERSTÜTZERiNNEN!
• Nicht mehr aktiv den Kontakt aufnehmen (sehr schwer, da Sehn-Sucht!)
• Wohnung , Telefon, Konto und Briefkasten (auch Email) schützen (Schlupflöcher?)
• Ggf. neue Wohnung, neues Türschloss, neues Konto, neue Briefkasten-Adresse etc., Sperrvermerke
(„Kommt er dann unberechenbarerweise?“)
• Auch Kontakte zu Geschwistern und Bekannten der TäterIn überprüfen und ggf. abbrechen („Aber
die brauchen mich doch!“)
• Auftauchende Täter oder deren Kontaktpersonen abweisen (gilt auch für Th.!)
• In allen Stadien zentral sind Bindungsthemen: Zerstörerische Beziehungen bemerken und beenden,
gesunde Beziehungen aufbauen.
• Ebenfalls in allen Stadien: Innen-Arbeit mit täterloyalen und täteridentifizierten
Persönlichkeitsanteilen (mit Geduld und Respekt!)
• Rechtzeitig Beratung und Hinterlegung von „brisanten Daten“ beim Anwalt; Kontakt zur Polizei wo
möglich und sinnvoll (auch „nur mal so“ zum Abbau von Hürden!)
2/22/2016
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Was hilft?
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Äußere Distanz zu Triggern, auch den TäterInnen!
Hilfe holen! Das Schweigen brechen!
Früh eingreifen. Kindeswohl schützen.
Trauma in einer Psychotherapie prozessieren (wenn Kl. in Sicherheit und
introspektionsfähig und -willig).
• Bei Tätern: Rekonstruktion und Verstehen von Tat(zusammenhäng)en.
Veränderung von Tatphantasien und Tat-anbahnendem Verhalten.
• Kein Umgang, wenn TäterIn sich nicht verändert hat – was eine
Persönlichkeitsveränderung bedeutet!
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Viel Schönes tun und
Zusammenhalt und liebe
Menschen suchen – DAS hilft
sehr!
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