Johanna Lessmann arnoldsche ISBN 978-3-89790-386-9 ITALIENISCHE MAJOLIKA AUS GOETHES BESITZ ITALIENISCHE MAJOLIKA AUS GOETHES BESITZ Als heitere Botschafter der Renaissance schätzte Johann Wolfgang von Goethe seine italienischen Majoliken. Die mit biblischen, mythologischen und historischen Themen in leuchtenden Farben bemalten, zinnglasierten Keramiken boten ihm Genuss und Belehrung gleichermaßen. Schon zu Lebzeiten in seinem Wohnhaus am Frauenplan in Weimar präsentiert, ist ein großer Teil der vollständig überlieferten Sammlung dort heute noch zu sehen. Die insgesamt 98 Majoliken werden erstmals umfassend publiziert. Überraschend erscheint die Provenienz der von Goethe zwischen 1800 bis 1830 erworbenen Stücke: Keine der italienischen Majoliken wurde in Italien gekauft. Johanna Lessmann arnoldsche Johanna Lessmann ITALIENISCHE MAJOLIKA AUS GOETHES BESITZ Bestandskatalog Klassik Stiftung Weimar Goethe-Nationalmuseum Mit Beiträgen von Christiane Holm und Susanne Netzer arnoldsche Die Geschichte der Erwerbungen Johann Wolfgang von Goethe beginnt erst in seiner zweiten Lebenshälfte, italienische Majolika zu sammeln (Abb. 12). Die Entstehung seiner Sammlung lässt sich überwiegend gut verfolgen. Der große Ankauf 1817 und einige spätere Akquisitionen sind außergewöhnlich umfangreich dokumentiert. Von einigen Erwerbungen kennen wir allerdings nur den Zeitpunkt, wissen jedoch nicht, um welche Objekte es sich gehandelt hat.1 Dass Goethe Majoliken besitzt, erfahren wir zum ersten Mal im Sommer 1804, als er gemeinsam mit Johann Heinrich Meyer einen Aufsatz für die Jenaische Allgemeine Literaturzeitung vorbereitet.2 Die in diesem Zusammenhang entstandenen Zeichnungen und Aquarelle Meyers erlauben die Identifizierung von zwei Exemplaren, die noch heute in Goethes Wohnhaus vorhanden sind: die Teller mit der Geburt des Adonis beziehungsweise den Zwei stürzenden Frauen (Abb. 13, Kat. Nr. 98 und 85). Goethe besaß damals bereits eine Reihe von Majoliken, die er offenbar als Ensemble präsentieren wollte: Am 20. Juni erhielt er die Rechnung eines Glasers für einen «neuen Glaskasten über den Camin im Saal».3 Dabei dürfte es sich um den allseitig verglasten Hängeschrank handeln, der sich noch heute an seinem ursprünglichen Ort im Gelben Saal im Haus am Frauenplan in Weimar befindet. In einer zu jener Zeit üblichen dichten und sich überschneidenden Aufstellung ließen sich darin etwa zehn bis 20 Majo liken versammeln (Abb. 14).4 Diese ersten Stücke der Sammlung – eine genaue Zahl ist nicht überliefert – stammten sehr wahrscheinlich aus dem Besitz von Hans-Albrecht von Derschau in Nürnberg, den Goethe persönlich kannte.5 Während seiner Aufenthalte in Nürnberg 1790 und 1797 hat er den berühmten Sammler sicher besucht und die Majoliken möglicherweise direkt bei ihm gekauft. Aus den 24 mit dem Thema enthält.6 Bis in die letzten Jahre seines Lebens gab es immer wieder Ankäufe. Zum ersten Mal ist Goethes Wunsch, italienische Majoliken zu erwerben, im Frühjahr 1816 fassbar. Im April erkundigte er sich in einem Brief bei Thomas Seebeck, ob «man nicht gemahlte Fensterscheiben» und «Majolica in Nürnberg zum Verkauf finden» könne.7 Mit Seebeck hatte Goethe seit dessen Zeit in Jena eine lebhafte Korrespondenz zu Fragen der Naturwissenschaft und der Farbenlehre geführt; seitdem der Physiker 1812 nach Nürnberg übergesiedelt war, vermittelte er Goethe auch Kunstwerke. Jetzt informierte er Goethe: «Majolika und Glasmalerei sind hier noch zu finden, doch nur wenig recht gute Sachen und sehr teuer».8 Er erwähnte das Verzeichnis von Majoliken «der Madame», deren Name ihm nicht präsent sei, und das er noch nicht erhalten habe; schließlich verwies er auf die «schönste Sammlung solcher Schüsseln», die ein Goethe «wohlbekannter Herr von Derschau» besitze. Der preußische Offizier Hans-Albrecht von Derschau, 1754 in Königsberg geboren, hatte sich zwischen 1775 und 1780 nach seinem Abschied vom Militär in Nürnberg niedergelassen.9 Er war kränklich und Abb. 13 Johann Heinrich Meyer, Zwei stürzende Frauen [Zwei Töchter der Niobe], 1804, Aquarell. Klassik Stiftung Weimar, Goethe-Nationalmuseum widmete sich nun seiner Sammelleidenschaft und seinen kunstgeschichtlichen Studien.10 Eine Besich tigung seines bemerkenswerten Kunstbesitzes war für den gebildeten Besucher der alten Reichsstadt Nürnberg Pflicht. Die Kunstobjekte Derschaus waren zum Teil von ausgezeichneter Qualität und mit Abb. 12 Friedrich Bury, Johann Wolfgang von Goethe, 1800, schwarze Kreide. Klassik Stiftung Weimar, Goethe-Nationalmuseum f olgenden Jahren sind keine weiteren Erwerbungen überliefert. Erst 1816 begann Goethe, seinen kleinen Majolikabestand zu einer eindrucksvollen Sammlung auszubauen. Er selbst dokumentiert das in einer Akte mit der Aufschrift «Majolica», die neben einigen der wichtigsten Briefe aus den Jahren 1816 und 1817 auch Meyers Aufsatz und andere Zeugnisse seiner Beschäftigung Abb. 14 Gelber Saal in Goethes Wohnhaus in Weimar. Klassik Stiftung Weimar, Goethe-Nationalmuseum 25 Majoliken · Urbino 5 Schale auf niedrigem Fuß · coppa Venus erhält die Nachricht von der Verletzung Amors Urbino, Werkstatt der Fontana, um 1545 Inv. Nr. GKg/Sch.II.354,340.11 Provenienz: unbekannt2 Form 12. Der Scherben hellrötlichbeige. Die Engobe auf der Rückseite grünlich. Malerei in tiefem Blau, Schwarzblau, Grün, Gelb, Ockerorange, Olivgrau, Grau, Weiß; mit Weißhöhungen. Die Konturen blau. Die gelbe Lippe blau abgesetzt. − Venus gleitet auf zwei Delphinen über das Meer, begleitet von Nereiden und Tritonen. Eine weiße Möwe flüstert ihr zu, dass Amor verletzt worden ist. Unter dem Abendhimmel am Ufer des Meeres eine Stadt vor turmartigen Bergen. − Auf der Rückseite sechs breite, ockerorange und gelbe konzentrische Kreise. − Die Lippe bestoßen. − D. 25,9 cm, H. 6,8 cm. Die Königstochter Psyche ist so unvergleichlich schön, dass sie von aller Welt verehrt wird. Von Eifersucht getrieben bittet deshalb Venus, die Göttin der Schönheit und der Liebe, ihren Sohn Amor, Psyche zu töten. Amor jedoch verliebt sich in die Königstochter und verbringt seine Nächte mit ihr, ohne sich ihr zu erkennen zu geben. Aus Neugier betrachtet Psyche trotz Amors Verbot heimlich den Schlafenden; überrascht, in ihm den Liebesgott zu sehen, verletzt sie ihn versehentlich mit dem Öl ihrer Lampe. Venus stellt ihr eine Reihe nahezu unerfüllbarer Aufgaben, muss ihr aber verzeihen, nachdem sie alle gelöst hat: Die Götter nehmen sie als Gemahlin Amors und einzige Sterbliche in den Olymp auf. Das Märchen von Amor und Psyche ist eine Erzählung innerhalb des Romans Der goldene Esel des römischen Dichters Apulejus (Apulejus, Der goldene Esel, V. 28, 2−5). Durch die italienische Übersetzung von Agnolo da Firenzuola fand es in der Renaissance große Verbreitung. Die berühmteste Liebesgeschichte der Antike blieb bis ins 19. Jahrhundert hinein ein Stoff, der in verschiedenen Künsten und mehrfachen Deutungen große Wirkung entfaltete. Der Majolikamaler hat die Figuren aus dem Kupferstich des ‹Meisters mit dem Würfel› nach einer Illustration Raffaels zum Märchen des Apulejus vollständig übernommen (Abb. 5.1).3 Schon zu ihrer Entstehungszeit fand die Ausmalung der Loggia in der Villa des Bankiers Agostino Chigi, der Villa Farnesina in Rom, größte Bewunderung. Obwohl die Ausstattung wohl zur Vermählung Chigis abgeschlossen sein sollte, blieb sie unvollendet. Nur die Deckengemälde und ein Wandfresko wurden 1517 bis 1519 aus geführt.4 Glücklicherweise hat der ‹Meister mit dem Würfel› Entwürfe Raffaels, die wahrscheinlich für die Wände der Loggia bestimmt waren, überliefert. Dazu gehört auch das Motiv auf der Schale Goethes. Der Stich war Goethe bekannt, auch wenn er ihn nicht selbst besaß, so war er doch in der herzoglichen Sammlung vorhanden.5 Mehrere nach diesem Stich bemalte Majoliken aus verschiedenen Werkstätten sind erhalten: aus Venedig zwei im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig,6 ein Teller des ‹Eloquentia-Malers› 7 sowie eine Schale 1976 im Kunsthandel.8 Goethes Schale entstand in der Werkstatt der Fontana in Urbino und stammt von einem Künstler, der mehrere Kannen der Apotheke im Kloster der Casa Santa in Loreto bemalte.9 Charakteristisch sind die intensiven Farben, die Model lierung der Figuren, die teilweise starken blauen Konturen, vor allem in der Zeichnung der etwas puppenhaften Gesichter und der Frisuren.10 Teller und Schalen von demselben Maler in Braunschweig tragen Jahresangaben und geben nicht nur einen Hinweis auf die Datierung der Weimarer Schale, sondern auf diesen stilistischen Komplex in Loreto: Eine Schale mit Diana und Aktäon ist datiert 1544, ein Teller mit Alexander und Diogenes 1545, eine Schale mit den Töchtern des Minyas 1547.11 7Emden 1908, Nr. 36 und Taf. 4. 8 VK Sotheby’s, London 1976, Nr. 17. 9Topfmeier 1958, Kat. Nr. 84, hatte die Schale einer Gruppe von Majoliken zugeordnet, die sie nach der auffallenden Form der Berge im Hintergrund «Werkstatt der Turmberge» nannte und zutreffend Venedig zuschrieb. Beispiele solcher Majoliken auch in Braunschweig; Lessmann 1979, Kat. Nr. 582−588. 10Colapinto/Grimaldi/Bettini 1994: Abb. 25 (Nr. 110), Abb. 47 (Nr. 157), Abb. 48 (Nr. 181), Abb. 50 (Nr. 153), Nr. 51 (Nr. 139). 11Lessmann 1979, Kat. Nr. 180, 181 und 183. Auch Kat. Nr. 182 und 184 dürften von diesem Maler stammen. Literatur: Schuchardt 1848/1849, Bd. 2, S. 354f., Kat. Nr. 340.1 (Anhang, dort als Kat. Nr. 340 a); Topfmeier 1958, Kat. Nr. 84. 1 5.1 Meister mit dem Würfel, Venus erhält die Nachricht von der Verletzung Amors, Kupferstich nach Raffael. Klassik Stiftung Weimar, Schlossmuseum 62 Die letzte Ziffer der Inventarnummer folgt dem Eintrag in der Museumsdatenbank der Klassik Stiftung Weimar. Schuchardt hatte stattdessen «a» und «b» verwendet. 2Topfmeier 1958, Kat. Nr. 84, glaubte die Schale im Auszug Derschaus aus seinem Katalog aufgeführt; siehe Derschau 1817 (Anhang). Vermutlich hat sie sie als Kat. Nr. 4 identifiziert. 3 Illustrated Bartsch 29, S. 210, Nr. 54-II (218), Blatt 16 der Folge. 4 Ausgeführt wurden die Fresken von den Künstlern Giulio Romano, Giovanni Francesco Penni und Giovanni da Udine; siehe Dussler 1971, S. 99. 5Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlung, Inv. Nr. IK 4672. Für diese Information danke ich Margarete Oppel, Klassik Stiftung Weimar. 6Lessmann 1979, Kat. Nr. 582 und 583, mit Venus allein. 63 Majoliken · Urbino 11Schale mit Fuß · coppa Der R aub der Europa Urbino, Werkstatt der Fontana, um 1560–1570 Inv. Nr. GKg/Sch.II.357,363 Provenienz: 1817 erworben aus dem Besitz von Hans-Albrecht von Derschau, Nürnberg, vermittelt durch Thomas Seebeck, Nürnberg; 1774 von Derschau in Italien gekauft1 Form 13. Die Engobe auf der Rückseite graustichig, stark verunreinigt und teils grünlich. Zwei Brandkegelspuren an der Lippe. Bemalung in Blau, Grün, Orange, Ocker und Gelb, Grau, Weiß, Violett (blasig), Braun und Schwarz; mit Weißhöhungen. Die Konturen blau. Die gelbe Lippe blau abgesetzt. − Lebhaft gestikulierende, klagende Frauen stehen zwischen den Rindern des Agenor und deren Hirten vor einem See, über den Jupiter in Gestalt eines Stieres Europa entführt. In seiner wahren Gestalt erscheint Jupiter, Blitzesbündel in den Händen, im geöffneten Himmel links oben am Rand. − Auf der Rückseite in Blau die Inschrift «Como gioue simuto in / toro erapi Europa [Come gioue si mutò in / toro e rapì Europa]».2 An der Lippe zwei gelbe konzentrische Kreise. – Ein ca. 3 cm langer Haarriss an der Lippe bei 1.30.3 – D. 25,8 cm, H. 5 cm. Der Raub der Europa ist eine der häufig dargestellten Liebschaften Jupiters. Goethe besaß ein zweites Exemplar mit dem Thema (Kat. Nr. 19). In Gestalt eines Stieres mischt sich Jupiter unter die Rinderherde von Europas Vater Agenor, um die Königstochter zu verführen. Durch Zutraulichkeit verlockt er sie dazu, sich auf seinen Rücken zu setzen. Dann entführt er sie über das Meer (Ovid, Metamorphosen II, 835–875). Für Europa und Jupiter griff der Maler auf den Holzschnitt von Bernard Salomon in der ersten in Lyon erschienenen italienischen Ovid-Ausgabe als ikonographisches Vorbild zurück (Abb. 11.1).4 Die übrigen Figuren entstammen einer bisher unbekannten Vorlage. Stilistisch vergleichbare Majoliken sind zum Beispiel je eine Schale mit dem Urteil des Paris in Privatbesitz5 sowie ein Exemplar mit dem Raub der Europa in Braunschweig.6 Literatur: Schuchardt 1848/1849, Bd. 2, S. 357 f., Kat. Nr. 363 (Anhang); Topfmeier 1958, Kat. Nr. 12; Reissinger 2000, erwähnt unter Kat. Nr. 4 und 19. 1 Derschau 1817, Nr. 15 (Anhang) sowie S. 26. 2Text der Inschrift: Wie Jupiter sich in einen Stier verwandelte und Europa raubte. 3 Derschau 1817, Nr. 15 (Anhang): «Ist gebraucht worden». 4 La vita et metamorphoseo d’Ovidio, Lyon 1559, S. 50, Nr. 38. Die Inschrift der Majolika wandelt den Titel des Holzschnittes etwas ab. Dieses Vorbild für Europa auf dem Stier ist immer wieder, zum Teil mit anderen Darstellungen der Gefährtinnen und des Hirten, verwendet worden, so zum Beispiel auf Tellern in der W. A. Clarke Collection: Watson 1986, Kat. Nr. 60; in den Musei Civici, Pesaro: Giardini 1996, Kat. Nr. 122 und 137; in Braunschweig: Lessmann 1979, Kat. Nr. 212, 213 u. a. 5 Gardelli 1987, Kat. Nr. 34. 6Lessmann 1979, Kat. Nr. 210. 11.1 Bernard Salomon, Der Raub der Europa, Holzschnitt aus: La vita et metamorphoseo d’Ovidio, Lyon 1559. Germanisches National museum, Nürnberg 72 73 Majoliken · Urbino 14 Flasche · fiasca Moses lässt die silbernen Trompeten blasen − Die Kundschafter kehren aus dem Gelobten Land zurück Urbino, Werkstatt der Fontana, um 1550–1560 Inv. Nr. GKg/Sch.II.361,392 Provenienz: 1825 oder später erworben aus dem Nachlass von Hans-Albrecht von Derschau, Nürnberg1 Enghalsflasche mit abgeflachter Wandung auf ovalem Fuß. An dessen Schmalseiten ist jeweils eine trapezförmige Öffnung ausgeschnitten; da rüber sind an der Schulter in Modeln geformte Satyrmasken aufgesetzt, deren Hörner runde Ösen bilden. Der Scherben hellrötlich (unter Bleiglasur). Die Malerei in Blau, Grün, Ockerorange, Gelb, Violett, Braun, Braunschwarz; mit Höhungen in Weiß und Gelb. Die Konturen blau, violett und grau. – Vor einem Zeltlager schreitend spricht Moses zu den Söhnen Aarons, von denen einer Trompete bläst. Auf der Gegenseite die Rückkehr der Kundschafter aus Kanaa mit der übergroßen Weintraube. Am Hals ein nicht identifiziertes Wappen mit reichem Zaddelwerk. Der Flaschenhals oben abgearbeitet. 1848 wurde eine vergoldete hölzerne Eichel als Verschluss als verloren erwähnt.2 Die Eichel ist zwar später ersetzt worden, inzwischen jedoch verschollen.3 1956 von Richard Seyffarth, Dresden, restauriert, der ein ausgebrochenes Stück ergänzte.4 Am Hals und am Fuß jeweils ein kleiner Ausbruch, Masken und Schlangenhenkel geringfügig bestoßen. – D. 23 bzw. 12,7 cm, H. 30 cm. Flaschen aus Majolika wurden vermutlich mit dem Aufkommen von Services etwa um 1525 bis 1530 entwickelt. Der Formtypus ist abgeleitet von Pilgerflaschen und war seit dem Mittelalter in verschiedenen Materialien, in Edelmetall, Zinn und Keramik als Tafelgerät geläufig. Von daher stammen die Ausschnitte im Fuß und die Ösen an der Schulter, durch die ursprünglich ein Trageband gezogen wurde, damit der Pilger das Gefäß am Gürtel tragen konnte. Aus Majolika kennen wir mehrere Varianten, die sich in den Proportionen und der Form der Ösen unterscheiden. Das früheste erhaltene Exemplar mit Satyrmasken als Ösen scheint eine Flasche aus Urbino in der Wallace Collection, London, zu sein, datiert um 1545 bis 1550.5 Aus Urbino, vor allem aus der Werkstatt der Fontana, sind mehrere Exemplare bekannt, die kaum voneinander differieren .6 Eine solche Flasche mit der Anbetung des Goldenen Kalbes nach der Vorlage Behams, wohl von demselben Maler wie das Exemplar in Weimar, war 1992 im Mailänder Kunsthandel.7 Auf Gottes Befehl lässt Moses für den Auszug aus Ägypten silberne Trompeten anfertigen, durch deren Signale die Söhne Aarons, Eleasar und Itamar, die Israeliten zur Versammlung rufen und ihnen ankündigen, welcher Stamm aufbrechen soll (4. Mose 10, 1−10). Auf der Gegenseite kehren die von Moses ausgesandten Kundschafter aus Kanaa mit der großen Weintraube als Zeichen der Fruchtbarkeit des Landes zurück (4. Mose 13, 23−28). Die Szenen sind einge- 78 14.1 Hans Sebald Beham, Moses lässt die silbernen Trompeten blasen, Holzschnitt aus: Biblicae Historiae, Frankfurt a. M. 1533. Bayerische Staatsbibliothek, München bettet in eine das gesamte Gefäß einschließlich des Fußes umziehende Landschaft. Beide Figurenszenen basieren auf den Holzschnitten aus den Biblicae Historiae von Hans Sebald Beham (Abb. 14.1 und 14.2).8 Das Werk erschien 1533 in Frankfurt am Main und wurde bis 1557 sieben Mal aufgelegt.9 Die querformatigen Graphiken wurden als friesartige Komposition angelegt, die Landschaft ist in einem knappen Ausschnitt angedeutet. Auf der Flasche sind die Figuren etwas weniger gedrungen und die Landschaft wurde erweitert, um die Bemalung den verschiedenen Formen anzupassen. Besonders geschickt wurde das bei dem Motiv der Rückkehr der Kundschafter umgesetzt: Dort erhebt sich in der Mitte ein hoher Fels mit Bäumen, deren Kronen am Hals hoch hinauf wachsen. Die Darstellung der Gegenseite ist inhaltlich verändert: Der Weißbärtige bläst nicht Trompete und er hat durch das Fehlen des Instruments einen Redegestus erhalten. Diese Szene Behams ist vollständig, mit kleinen Varianten, auch jeweils auf einem Teller aus derselben Werkstatt im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg,10 im Nationalmuseum Krakau11 und im Kunstgewerbemuseum in Dresden12 zu sehen. Die geschickte Anpassung des ikonographischen Vorbildes an die Form, die ausgewogene farbige Wirkung der differenzierten Malerei, wie zum Beispiel die raffinierte Farbigkeit der Kleidung des Voranschreitenden, lassen das hohe künstlerische Niveau des Majolikamalers erkennen. Sein Stil findet sich bei einer Gruppe der berühmten Gefäße in der Apotheke der Casa Santa in Loreto, in der im Übrigen zwei prachtvolle zweihenklige Vasen dieselben Szenen nach den gleichen Vorlagen zeigen.13 Autorschaft, Datierung und Auftraggeber dieses bedeutenden, nicht einheitlichen Bestandes sind nicht dokumentiert. Stilistisch lassen sich drei Komplexe unterscheiden. Dem zweiten gehören unter anderem die 79 Majoliken · Urbino 24 Rippenschale auf niedrigem Fuß · coppa Moses schlägt Wasser aus dem Felsen Urbino, Werkstatt mit dem Dreieckszeichen oder Venedig (?), um 1570 Inv. Nr. GKg/Sch.II.358,370 Provenienz: unbekannt Schale auf niedrigem Fuß mit erhabenem Fond, 30-fach gerippt, am Rand zwei Reihen gegeneinander versetzter, konkaver Formen, die Lippe gezackt. Der Scherben hellrötlichbraun (unter der Bleiglasur sichtbar). Die Glasur bzw. Engobe auf beiden Seiten etwas graustichig und rückseitig körnig, ungleichmäßig aufgetragen, mit kleinen Löchern. Malerei in den Farben Blau, Ocker, Gelb, Grün, Schwarz und Weiß; Weißhöhungen. Die Konturen violettbraun und grau. Die gelbe Lippe blau abgesetzt. – Moses weist in Begleitung von drei Männern auf einen Fels, aus dem ein kräftiger Wasserfall stürzt. Im Vordergrund kniet eine Frau mit einem Kind, daneben wohl ein junger Mann. Im Hintergrund eine Stadt vor Bergen. – Auf der Rückseite zwei konzentrische gelbe Kreise am Rand. – Ein Haarriss (4 cm) in Kopf und Schulter des Kindes. Der Fuß teilweise abgeschliffen. Die Lippe bestoßen. – D. 29,7 cm, H. 5,5–7 cm. Das Quellwunder des Moses ist oft dargestellt worden (1. Mose 17, 1–6). Allein in der Sammlung Goethes sind zwei weitere Exemplare erhalten: Kat. Nr. 59 und Kat. Nr. 71. Das Modell der Schale ist in der umfangreichen Gruppe von Majoliken, deren Inschriften fast immer von einem dreiecksartigen Zeichen eingeschlossen sind, selten. Ein kleineres Exemplar, allerdings mit gewelltem Rand, besitzt das Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig.1 Aus derselben Werkstatt und von demselben Maler ist eine Schale sehr ähnlicher Form mit der Vergöttlichung des Aeneas in Stuttgart erhalten.2 Topfmeier sah die Weimarer Schale in Venedig in der ‹Werkstatt mit dem Drachenvogel› entstanden.3 Inzwischen hat die Forschung diese Werkstatt als Unternehmen von Ludovico und Angelo Picchi in Castel Durante identifizieren können.4 Topfmeiers Zuschreibung ging vom Typus der Rippenschale, weniger vom Stil der Malerei aus. Für die Picchi-Werkstatt sind die dünnwandigen, leichten Rippenschalen charakteristisch, wie es sie auch in der Sammlung Goethes gibt (Kat. Nr. 56 bis 58). Dass die Form der Schale mit dem Quellwunder des Moses in Weimar eine andere ist, spricht nicht prinzipiell dagegen, weil in einer Werkstatt durchaus recht unterschiedliche Töpferware hergestellt wurde. Dieses Modell findet sich jedoch auch in Urbino, vor allem aber in Venedig. Die Farbpalette und die Malerei entsprechen stilistisch den vorangegangenen Majoliken Kat. Nr. 17 bis 23. Die Diskussion zur Zuschreibung unter Kat. Nr. 17. 96 Literatur: Schuchardt 1848/1849, Bd. 2, S. 358, Kat. Nr. 370 (Anhang); Topf meier 1958, Kat. Nr. 72. 1Lessmann 1979, Kat. Nr. 380. 2Landesmuseum Württemberg, Inv. Nr. Maj 288. Auch hier ist der Fond gewölbter, der Rand wie bei dem Stück in Weimar im Wechsel gezackt und geschweift. 3Topfmeier, Kat. Nr. 72. 4Siehe dazu Kat. Nr. 54. 97 Majoliken · Urbino 31Schale auf hohem Fuß · alzata Cäsar empfängt die Gesandten der Moriner Urbino, Fontana- oder Patanazzi-Werkstatt, vielleicht Antonio Patanazzi, um 1570–1580 Inv. Nr. GKg/Sch.II.350,308 Provenienz: 1817 erworben aus dem Besitz von Hans-Albrecht von Derschau, Nürnberg, vermittelt durch Thomas Seebeck, Nürnberg; 1774 von Derschau in Italien gekauft1 Form 14. Gegenstück zu Kat. Nr. 32. Der Scherben hellrötlich. Der Fuß mit Bleiglasur befestigt, innen Verunreinigungen. Die Glasur der Schale auf beiden Seiten im Drehen aufgetragen. Bemalung in den Farben Ocker, Braun, Gelb, Blau, Violett und Grauschwarz. Die Konturen blau. – Cäsar thront unter einer Draperie und empfängt eine Gesandtschaft älterer Männer, die vor ihm niederknien. An den Stufen des Thrones links im Vordergrund ein römischer Krieger, leicht aus der Rückenansicht zu Cäsar gewandt, neben ihm und hinter den Knienden vier Soldaten. Die Szene wird von einem umlaufenden Groteskenfries gerahmt, der an der Lippe mit einer Art Zahnschnittornament, gegen den Fond von einem Perlband in Gelb und Ocker eingefasst ist. – Auf der Unterseite der Schale in dunkelblauen Majuskeln die Inschrift «AMBASCIADOR DI MORINI ARRENDVTI».2 Der profilierte Fuß ornamental, der Schaft im Anstieg mit Grotesken bemalt, der Ansatz der Schale durch einen mit blauem Blattkranz bemalten Karnies zwischen profilierten, ockerfarbigen Ringen dekoriert. An der Lippe ein Kordelmotiv, auf der Wandung ein Groteskenfries wie auf der Schauseite. – 1848 war «ein ganz kleines Stückchen ausgesprungen».3 1956 von Richard Seyffarth, Dresden, restauriert. Kleine Retuschen am Schalenrand. – D. 23,5 cm, H. 8,8 cm. 110 Cäsar als Feldherr empfängt auf einem mit einer Sphinx geschmückten Thron unter einer Draperie vier würdevolle Abgesandte der Moriner, die von seinen Kriegern umstellt werden. Der Stamm der Moriner lebte im Gebiet der Gallia Belgica und kämpfte lange um seine Unabhängigkeit. Seine Unterwerfung war jedoch eine Voraussetzung für Cäsars Eroberung Englands. Die Komposition geht auf eine verschollene Entwurfszeichnung von Taddeo oder Federico Zuccaro zurück. Das Motiv wiederholt sich auf einem Teller mit Groteskenbor düre in der Sammlung Kuckei in Berlin.4 Im Auftrag des Herzogs von Urbino, Guidobaldo II. della Rovere, schuf Taddeo unter Mitarbeit seines Bruders in Rom um 1560 Vorlagen für ein Service mit Szenen aus dem Leben Cäsars, das der Herzog als Geschenk für König Philipp II. von Spanien anfertigen ließ.5 Das Programm hatte Annibale Caro entwickelt, die Inschriften der Sekretär des Herzogs, Girolamo Muzio Giustinopolitano, verfasst. Die Werkstatt der Fontana, die künstlerisch bedeutendste in Urbino, führte das sogenannte Spanische Service aus.6 Die Formen und ihre plastischen Elemente gehen vielleicht auf den in den Marken tätigen Stuckateur, Bildhauer und Architekten Federico Brandani zurück. Orazio Fontana selbst dürfte die qualitätvollsten Majoliken bemalt haben. Aus dem 1563 nach Spanien übersandten Ensemble scheinen keine Majoliken erhalten zu sein. Clifford, der sich nach Gere 1991 und zuletzt 2012 mit dem Thema beschäftigt hat, konnte fast 50 Zeichnungen für 111 Majoliken · Faenza 68 Buckelschale · crespina Der Evangelist Markus Faenza, Werkstatt von Virgiliotto Calamelli, um 1550 Inv. Nr. GKg/Sch.II.359,372 Provenienz: unbekannt Schale auf niedrigem Fuß, die Wandung in einer Model mit radial angeordneten Muscheln, zum Rand hin mit Eicheln und Satyrmasken geformt. Der Scherben hellbeige. Der Fuß verzogen, auf der Lippe zwei Brandkegelspuren. Die Bemalung in Blau, Ockerorange, Grün, Gelb, Schwarz und Weiß; mit Weißhöhungen. Im Gelb des Himmels grünliche Partien. Bleiglasur. Die Konturen blau, ebenso die Lippe. – Der Evangelist Markus sitzt auf Wolken im Himmel. Er liest in einem Buch, das er in den Händen hält. Neben ihm der geflügelte Löwe. – Die Wandung außen in Blau, Gelb und Ocker mit bogenförmigen, groben Pinselstrichen bemalt. Im Fuß in Blau die Inschrift «S. Marcho evangelist». – Ein Haarriss bei 9, ca. 2,5 cm lang. Die Lippe und der Standring etwas bestoßen. – D. 26,5 cm, H. 8,3 cm. Dazugehörige Schalen mit den drei anderen Evangelisten sind nicht bekannt. Die einheitliche Gesamtwirkung der Farben, die Malerei der Vegetation und die deutliche, dunkle Konturierung weisen das Stück einer Gruppe von Majoliken aus der Werkstatt des Virgiliotto Calamelli in Faenza zu. Die Zuschreibung basiert auf der Nähe zu der «VR AF» signierten Buckelschale mit der Stigmatisation des Hl. Franziskus im Petit Palais, Paris.1 Wohl von demselben Maler sind große, von derselben Hand beschriftete Teller mit Szenen aus dem Märchen von Amor und Psyche 2 sowie Schalen und Vasen in Braunschweig.3 Sie dokumentieren, dass in der Werkstatt Calamellis gleichzeitig mit den Bianchi, die das Bild der Produktion nach 1550 zunehmend bestimmten, auch polychrome Istoriato-Majoliken angefertigt wurden. Wilson schließt eine Entstehung in Urbino nicht aus, was der Verfasserin nicht überzeugend erscheint.4 Denkbar ist, dass der weich und farblich raffiniert modellierende Maler der Weimarer Schale in Urbino geschult wurde; das Formmodell, die Motive und die grobe Bemalung der Rückseite sind aus Urbino nicht bekannt. Im Übrigen entspricht die Farbpalette mit der Dominanz von dunklem Blau und dunklem Grün sowie von Gelb- bis Ockertönen nicht der Farbigkeit Urbinos. 190 Literatur: Schuchardt 1848/1949, Bd. 2, S. 359, Kat. Nr. 372 (Anhang); Topfmeier 1958, Kat. Nr. 94. 1So Lessmann 1979, S. 106. Die Schale in: Barbe/Ravanelli Guidotti 2006, Kat. Nr. 25. 2Aus einer Serie großer Platten sind drei Exemplare erhalten: Thornton/ Wilson 2009, Bd.1, Kat. Nr. 107; dort wird auch ein weiterer, zugehöriger Teller im Fine Arts Museum in San Francisco genannt; Lessmann 1979, Kat. Nr. 44. 3Lessmann 1979, Kat. Nr. 34–46. 4 Im Gegensatz zu Thornton/Wilson 2009, Bd. 1, Kat. Nr. 107, ist die Verfasserin der Ansicht, dass die Beschriftungen von derselben Hand stammen. 191 Majoliken · Venedig 73 Kanne · brocca Mucius Scaevola Venedig, um 1550−1560 Inv. Nr. GKg/Sch.II.353,328 Provenienz: unbekannt Literatur: Schuchardt 1848/1849, Bd. 2, S. 353, Kat. Nr. 328 (Anhang); Wahl 1919, Abb. 1 (Urbino zugeschrieben); Topfmeier 1958, Kat. Nr. 88. 1Schuchardt 1848/1849, Bd. 2, S. 353, Nr. 328 (Anhang). 2Ebenda. 3 Der Zustand 1919 bei Wahl 1919, Abb. 1. 4Topfmeier 1958, Kat. Nr. 88. 5Lessmann 1979, Kat. Nr. 559 und 560. Schuchardt beschrieb die Kanne als eine «urnenförmige Vase mit engerem Hals und breitem, etwas gewundenem Ausguß. Am untern Ansatz des Henkels befindet sich eine Maske in Relief. Auf der vordern Seite ist Mucius Scävola, wie er sich die Hand verbrennt, ihm gegenüber Porsenna, mit landschaftl. Grunde».1 Der Scherben sehr hell rötlich (unter der Bleiglasur sichtbar), die Glasur am Fuß schlecht deckend. Die Farben teilweise verlaufen. Die Malerei in hellem Blau, Gelb, Ockerorange, Weiß, Grau, Grün, Gelb, Schwarz und wenig Violett, das in der Rüstung Mucius Scaevolas als Akzent, in der des Tyrannen changierend eingesetzt wurde. Die nicht abgesetzte Lippe gelb. – Mucius Scaevola steht vor Porsenna und hält die Hand mit dem Dolch, mit dem er Porsenna zu töten versuchte, über das Feuer. Hinter ihm stehen zwei Krieger. Das gesamte Gefäß überzieht eine umlaufende Landschaft mit Bäumen, Felsen und einem See vor Bergen. – 1848 fehlten der Henkel und ein Teil des Ausgusses.2 Nach Topfmeier waren Fuß und Korpus gekittet, ebenso der Henkelansatz und der Ausguss.3 1956 von Richard Seyffarth, Dresden, restauriert.4 Dabei wohl große Teile des Gefäßkörpers, besonders auf der Rückseite, ergänzt, der Henkel mit dem Maskaron und der Hals frei neu gestaltet. Große Retuschen. Der Fuß etwas bestoßen. – D. max. 11 cm, H. 28,6 cm. Die Legende von der Feuerprobe des Gaius Mucius Scaevola war in der Antike wie in der Renaissance ein Exempel für Mut und Furchtlosigkeit. Im 6. Jahrhundert v. Chr. wurde während der Belagerung Roms durch den Etruskerkönig Porsenna ein Attentat auf diesen verübt. Mucius Scaevola, als Täter verdächtigt und gefangengenommen, verbrennt vor Porsenna seine Hand anstatt die Namen der Verschwörer preiszugeben (Livius, Ab urbe condita II, 12 f.). Die wenigen originalen Partien und die unter der Bleiglasur verlaufen wirkende Malerei, zu deren Unschärfe vermutlich auch der nach den Ergänzungen aufgetragene Lack beiträgt, erschweren die stilistische Beurteilung der Kanne. Dennoch lassen sich an Venedig zugeschriebenen Majoliken eng vergleichbare Stilelemente nachweisen. Die starken Konturen, nach Violett changierende Farben in Gewändern, vor allem die lebendig strukturierten Baumstämme hinter Porsenna, das Laub der Bäume und die sich kräuselnden Wellen des Meeres verbinden die Bemalung der Kanne mit zwei Tellern in Braunschweig,5 so dass die Kanne demselben Maler zugeschrieben werden kann. 200 201 Maleremail · Limoges 103 Schale auf niedrigem Fuß · coupe Jethro trifft Moses, Zippor a und deren zwei Söhne Limoges, Werkstatt von Pierre Reymond, 1571 Inv. Nr. GKg/Sch.II.352,321 Provenienz: 1817 erworben aus dem Besitz von Hans-Albrecht von Derschau, Nürnberg, vermittelt durch Thomas Seebeck, Nürnberg; 1774 zusammen mit 20 Majoliken von Derschau in Italien gekauft1 Schale und Trichterschaft getrennt gearbeitet, Fuß auf der Unterseite mit einer Platte aus rotem Siegellack verschlossen. Grisaillemalerei auf Kupfer: Über farblosem Grundemail manganfarbener, schwarz wirkender Grund. Malerei in Weißemail, das Inkarnat der Figuren rötlich laviert. – Im Mittelpunkt tritt Jethro auf zwei demütig herbeieilende junge Männer zu, um sie zu segnen. Hinter ihm Zippora und sein Gefolge. Am Rand eine Arabeskenbordüre in Gold auf Schwarz und an der Lippe ein Flechtband in Rot auf Weiß. Unter Jethro steht «EXODE XVIII»,2 rechts davon das Monogramm der Werkstatt «P.R». – Auf der Unterseite der Schale Eierstabkränze und ein vierpassiger Volutenrahmen, darauf Löwenköpfe, Fruchtbündel und Jagdhunde sowie feine Rollranken in Gold. An Rand und Fußansatz Eierstäbe in Grisaille, am Fußrand in Rot auf Weiß. Am Schaft kleine Tafeln mit dem Monogramm «P.R» und «1571» zwischen Löwenköpfen, darüber Akanthusblätter. Die (hier nicht abgebildete) Fuß unterseite mit kleinen Sternen und Blütensternen in Gold. – Das Gold ist an einigen Stellen leicht berieben. – D. 27,8 cm, H. 10,3 cm. 266 Formgleiche Schalen befinden sich unter anderem in einem Service der Nürnberger Familie Tucher.3 Moses trifft mit seinem Schwiegervater Jethro, seiner Frau Zippora und seinen beiden Söhnen Gershom und Elieser zusammen (2. Mose 18, 1−6). Derschau nannte die Darstellung «Jethro segnet den Moses».4 Schuchardt sah in der Szene dagegen «Samuel, der den David zum König salbt Exode XVIII».5 Die biblische Quelle steht, wie meist in solchen Fällen, am unteren Bildrand, doch da die Hauptfigur fehlt, wurde das Thema nicht erkannt.6 Da Moses gewöhnlich barhäuptig gezeigt wird, muss die zentrale Figur Jethro sein. Dargestellt ist der Augenblick vor der Wiederbegegnung, die in der Bibel so nicht geschildert wird: Jethro empfängt und segnet seine Enkel, seine Tochter Zippora ruft offenbar Moses herbei. Die Abweichungen könnten durch einen Auftrag bedingt gewesen sein, was sich jedoch aufgrund mangelnder Quellen nicht klären lässt. Die Figurengruppe irritiert durch abrupte Größenwechsel und eine missverstandene Perspektive: Die Frau und die beiden jungen Männer sind schlecht in die Komposition integriert. Offenbar handelt es sich hier um ein Pasticcio aus verschiedenen graphischen Blättern. Derschau nennt als mögliche Vorlage eine Zeichnung des Florentiner Malers und Zeichners Luca Penni, vielleicht war diese schon eine 267 Anhang Formprofile 1Kat. Nr. 10 8Kat. Nr. 66 15Kat. Nr. 2 2Kat. Nr. 19 9Kat. Nr. 70 3Kat. Nr. 91 10Kat. Nr. 62 16Kat. Nr. 36 4Kat. Nr. 30 11Kat. Nr. 72 17Kat. Nr. 37 5Kat. Nr. 92 12Kat. Nr. 52 6Kat. Nr. 51 13Kat. Nr. 77 18Kat. Nr. 23 7Kat. Nr. 38 298 14Kat. Nr. 31 299
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