MINT-Lehrkräfte blicken über den Tellerrand Beim Science on Stage-Festival in London wird der europäische Gedanke greifbar Chemie im Alltag oder das Universum zum Anfassen: Auf dem neunten europäischen Science on Stage Bildungsfestival präsentierten mehr als 400 Lehrkräfte aus ganz Europa und Kanada außergewöhnliche Ideen und Konzepte für den naturwissenschaftlichen Unterricht über Ländergrenzen hinweg. London. Die Queen Mary University of London gehört zu den britischen Eliteuniversitäten. Allein sechs Nobelpreisträger lehrten bisher auf dem Campus in Mile End, am idyllischen Regent’s Kanal, im Osten von London. Ein nahezu idealer Ort also für das mittlerweile neunte Science on Stage Festival – das größte europäische Bildungsevent für Lehrkräfte der Mathematik und Naturwissenschaften. Mehr als 400 Lehrer aus 24 europäischen Ländern und Kanada präsentierten dort an vier Tagen herausragende Ideen und Konzepte für einen spannenden naturwissenschaftlichen Unterricht. Darunter Ute Eckhof und Frank Walter vom Christian-von Dohm-Gymnasium in Goslar, die von einer internationalen Jury mit dem European Science Teacher Award ausgezeichnet wurden. Sie zeigten, wie sich Metallkunde im Chemieunterricht mit regionalem Bergbau verbinden lässt. „Wir gehen mit den Schülern raus in die Natur und suchen alte Bergwerke auf“, sagt Chemielehrer Walter, „schauen, wie die Bergleute dort gearbeitet haben, sammeln Proben und dann geht es zurück in die Schule.“ Hier würden die Schüler dann beispielsweise erfahren, was mit den Metallen alles gemacht werden kann, wo die in Computern, Laptops oder Mobiltelefonen eingesetzt werden. „Dabei lernen sie überhaupt erst mal wieder ihre Umgebung kennen“, sagt Walter, „und sie lernen auch, dass natürliche Ressourcen wie Metalle, Kohle und weitere lokal vorhanden waren und früher abgebaut wurden.“ Das sei weit mehr als nur Chemieunterricht. Erstmals Joint Projects ausgezeichnet Es waren jedoch nicht nur die Inhalte, die das Projekt der beiden Goslarer Pädagogen so interessant machte. Vielmehr erhielten sie auch den Preis für das beste „Joint Project“. Der wurde erstmals vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall ausgelobt, der das Festival seit vielen Jahren im Rahmen seiner Initiative „think ING.“ maßgeblich unterstützt. Dabei geht es darum, dass Lehrkräfte aus mindestens zwei Ländern gemeinsam an Unterrichts-Projekten arbeiten. Für Ute Eckhof und Frank Walter begann das vor zwei Jahren bei dem europäischen Festival in Slubice in Polen. Damals kam Márta Gajdosné Szabó aus Budapest (Ungarn) auf die beiden zu, fand das Projekt sehr spannend, meinte jedoch, dass es in ihrer Schule nicht ginge, da kein Bergwerk in der Nähe sei. Über den Hinweis, dass das auch mit „anderen lokalen Ressourcen“ möglich sei, kam es zu gegenseitigen Besuchen, aus denen sich eine regelrechte Freundschaft entwickelte. „Es ist nicht nur ein Austausch auf Lehrerebene“, sagt Walter voller Überzeugung, „sondern es sind ganze Familien, die da zusammenkommen.“ Man habe bei den Besuchen dann geschaut, was es in Ungarn gibt. „Und da gibt es zum Beispiel Bauxit, Aluminium und Kohle“, so der Pädagoge. „und jetzt haben wir unser Projekt gespiegelt und es findet unter dem Thema Bauxit und Aluminium in Ungarn statt. Und so könnten wir das in jeder anderen Stadt in Europa oder auf der Welt genauso machen.“ Der europäische Gedanke belebt das Festival Ein weiteres länderübergreifendes Joint Project mit deutscher Beteiligung zeigten Heidrun Boll und Christa Müller vom Schülerforschungszentrum Südwürttemberg zusammen mit Isabel Borges aus Portugal. Gefunden hatten sich die Lehrerinnen ebenfalls auf dem Festival vor zwei Jahren in Polen. Bei beiden Projekten ging es darum, das Planetensystem ausschließlich mit greifbaren Dingen darzustellen. Während Isabel Borges das speziell für Sehbehinderte entwickelt hatte, richteten sich die Mitmachexperimente der deutschen Kolleginnen an Grundschüler. „Und so sind wir nach Portugal gefahren“, erzählt Heidrun Boll, „haben dort Workshops für portugiesische Lehrer gegeben, und umgekehrt wurde Isabel dann mit ihrer Kollegin nach Berlin eingeladen. Und da war dann klar, spätestens jetzt müssen wir was zusammen machen.“ Das Ergebnis ist ein länderübergreifendes Lehrmodell, das Astronomie mit einfachsten Mitteln und ohne riesige Zahlenangaben begreifbar macht. „Ich glaube, mittelfristig können die Joint Projects vielleicht die erfolgreichste und wesentlichste Facette des gesamten Festivals werden“, betont Wolfgang Gollub, Leiter Nachwuchssicherung bei Gesamtmetall. „Das bewirkt einfach eine ganz enge, über die Ländergrenzen hinweglaufende Zusammenarbeit, die das Netzwerk insgesamt stärkt.“ Und natürlich auch den europäischen Gedanken. Die Nachhaltigkeit weiter fördern Das sieht auch Stefanie Schlunk, Geschäftsführerin von Science on Stage Deutschland so: „Jetzt gilt es, diese europäischen Ideen, die man hier gesammelt hat, weiterzutragen, und sie im jeweils eigenen Land den Kollegen in der Stadt in der Region und im ganzen Land weiterzugeben.“ Eine solche europaweite Nachhaltigkeit sei schließlich eines der vorrangigen Ziele von Science on Stage. „Und vor diesem Hintergrund haben wir uns eigentlich als nächste strategische Aufgabe vorgenommen“, sagt Gollub, „in Kontakt mit der EUKommission zu schauen, inwieweit da sinnvoll mit europäischen Mitteln die Nachhaltigkeit noch weiter erhöht werden kann.“ Um Nachhaltigkeit bei den Inhalten ging es auch bei dem zweiten deutschen Beitrag, der in London mit einem European Science Teacher Award ausgezeichnet wurde. Gregor von Borstel vom Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Bornheim und Andreas Böhm vom Peter-Joerres-Gymnasium in Bad Neuenahr präsentierten das Projekt „LebensNaherChemieUnterricht“. Die Idee: Schüler untersuchen spannende Alltagsprodukte wie Taschenwärmer oder sich selbst erhitzende Outdoor-Mahlzeiten auf ihre chemischen Eigenschaften hin. Das Urteil der internationalen Jury: „Ein exzellentes Projekt, das Schüler an Schlüsselprinzipien der Chemie heranführt.“ Nach dem Festival wird auch dieses Unterrichtskonzept über Fortbildungen und Unterrichtsmaterialien in europäischen Klassenzimmern Verbreitung finden. Und wer weiß, vielleicht entwickelt sich daraus ja auch ein neues Joint Project für das nächste europäische Science on Stage-Festival in zwei Jahren in Ungarn? Ansprechpartnerin: Science on Stage Deutschland Stefanie Schlunk Tel: 030 – 40 00 67 40 [email protected] Fotos zum Artikel Ganz im Sinne der Veranstaltung: Wissenschaft auf der Bühne Bei Holger Bach aus Celle geht es um Ionenantriebe Preisträger Gregor von Borstel erklärt das Chemie-Unterrichtsmodell Die Doppelpreisträger Frank Walter und Ute Eckhof mit Márta Gajdosné Szabó aus Ungarn Dichtes Gedränge an den deutschen Ständen herrschte am Publikumstag Wissenschaft richtig präsentiert, kann selbst die Jüngsten begeistern Fotos: Gesamtmetall/Pit Junker Die Bilder können Sie auf unserer Internet-Seite (www.gesamtmetall.de, Presse → Veröffentlichungen → Unternehmensreportagen) herunterladen.
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