Artikel als PDF - Federnwerk Bischoff

Know-how – Blattfedern instand setzen
Krumme
Dinger
Spätestens, wenn der Wagen schief steht oder die
Bodenfreiheit bei der geringsten Beladung gen Null
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verrät, wie man müde Blattfedern munter macht…
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„Hast Du etwa zugenommen?“ ruft die
Liebste, als sie von hinten auf das Auto
schaut. „Der hängt auf Deiner Seite ganz
schön durch.“ Tatsächlich steht der kernige Roadster ziemlich schief auf der
Straße, neigt seine Fahrerseite verdächtig
dem Asphalt entgegen. Schon auf der
ersten Fahrt nach der Winterpause fühlt
sich der MGTD nicht mehr knackig an, das
sonst straffe Fahrwerk wirkt lasch. Eine
Wippprobe am hinteren Kotflügel bestätigt: Das Auto ist „weich“ geworden. Ein
Blick unter den Roadster liefert die Erklärung. Bei unbelastetem Fahrzeug hängen
die Federn so stark durch wie früher in
belastetem Zustand – im Laufe der Jahre
sind die Stahlpakete ermüdet.
„Kein Problem, das kriegen wir wieder
hin“, ermutigt Frank Ritter vom Federn-
werk Bischoff in Staßfurt, einem Traditionsbetrieb für Fahrzeugfedern aller Art.
1853 gründete August Bischoff eine
Schmiede mit Wagenbau und stellt seit
mehr als 100 Jahren Federn in allen Varianten selbst her. Heute reicht das Angebot von kleinen technischen Exemplaren bis hin zu schweren Blattfedern für
die Eisenbahn. Seit jeher gehört die
Instandsetzung und Anfertigung von
Fahrzeug-Blattfedern zum Angebot.
Blattfedern sind oft verkannte Bauelemente. Mancher hält sie für überholt,
gar vorsintflutlich. Dabei übernehmen
die aus dem Kutschenbau stammenden
Elemente nicht nur Federungs-, sondern
auch Führungsaufgaben. Gut gemachte
Blattfederfahrwerke sind einer Schraubenfederaufhängung nahezu ebenbür-
Sprengung: Das Maß
der Linie zwischen
den Mitten der
Federaugen und der
Hauptlage wird
gemessen. Bei
unseren erlahmten
Federn liegt es 15
Millimeter unter
dem Sollwert
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Blattfedern instand setzen – Know-how
In die Zange
genommen: Der
Spanntisch hält die
Federlagen bei der
Montage zusammen
Aufbiegen: Per Spezialzange
wird die Federklammer geöffnet
Flach eingespannt lässt
sich der Herzbolzen lösen,
der die Federblätter zentriert
Ohne Druck: Die entspannten Federlagen
sind unterschiedlich stark erlahmt, ein
Aufrichten auf die Sollmaße ist nötig
So lassen sich die einzelnen Federblätter begutachten.
Hier gibt es weder Risse noch eingelaufene Bereiche
tig, in Sachen Reparaturfreundlichkeit sogar weit überlegen.
Spezialist Dirk Bringmeier nimmt das
Federnpaket des MG TD sorgfältig in
Augenschein. Keine Brüche, lediglich
die Silentbuchsen in den Federaugen
sind ausgeschlagen. Das Problem
zeigt sich erst auf der Prüfmaschine:
Beide Federn haben ihre ursprüngliche
Vorspannung verloren und sind zudem
völlig unterschiedlich in ihrer Federkurve. Die zeigt sich in einer genauen
Anzeige des Federwegs und der dabei
anliegenden Last. Jede zehn Millimeter liest der Fachmann die Last ab und
notiert den Wert auf einem Messblatt.
Besonders am Anfang biegen sich die
Federn zu stark und ungleichmäßig
durch. Und noch eine Überraschung
bringt die Prüfmaschine ans Licht:
Die Federn haben eine höhere Tragfähigkeit als die Serienteile und wurden wohl von irgendeinem Vorbesitzer
zur Erhöhung der Tragfähigkeit in das
Fahrzeug eingebaut.
Ein klarer Fall für die gute alte Flex: Die Schleifscheibe schruppt
den ausgedienten Nietkopf der Federklammer ab
Werksseitige Vorgaben zur Feder sind
ein Glücksfall und ersparen aufwendige Probiererei. Beim MG sind die
Daten vorhanden, würden sie fehlen,
bringt auch das den Federnmacher
nicht aus der Ruhe: „Wir haben unsere langjährigen Erfahrungen und
können die Federn gut einschätzen.
Gibt es ein Datenblatt, liefert das natürlich diverse wichtige Vorgaben.“
Eine dieser Vorgaben ist die Sprengung. Das Maß wird bei unbelasteter
Feder zwischen einer gedachten Linie in der Mitte der
Federaugen und der oberen Federlage gemessen.
MG schreibt für die Sprengung ein Maß von 104
Millimetern vor, tatsächlich sind es bei unseren alten Exemplaren gerade noch 89 Millimeter. Das
Federpaket hat sich also im Laufe der
Jahre um 15 Millimeter gesetzt. Ein
Wert, den die Spezialisten problemlos
korrigieren können.
Anschließend reichen meistens ein paar kräftige
Hammerschläge, um die Klammer zu entfernen
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Know-how – Blattfedern instand setzen
Gezielter Druck mit
der Presse bringt die
Hauptlage in die alte
Form zurück. Die
Härte im Federblatt
ist gut, der Arbeitsgang erfordert kein
Erhitzen
Kontrollmessung: Die Hauptlage wird so weit aufgerichtet,
bis das Werksmaß für die Sprengung stimmt
Under Pressure:
Reichlich Druck
formt den Niet
zur unlösbaren
Verbindung der
neuen Klammer
Zur Demontage spannt Dirk Bringmeier das Federpaket in einen
Spanntisch. Mit einer speziellen
Zange öffnet er die Klammern, die
die einzelnen Lagen zusammenhalten. Dann dreht er das Federpaket um 90 Grad, spannt es ein
und entfernt den Herzbolzen, der
die Lagen zentriert. Das Paket
lässt sich nun in seine einzelnen
Blätter zerlegen. Per Flex werden
die Klammern aus der Klammerlage entfernt, auf dem Amboss
schlagen die Profis die Reste der
Niete aus dem Blatt.
Per rotierender Drahtbürste entfernt Bringmeier Rost und Dreck,
dann kümmert er sich um die
Hauptlage, das obere Federblatt
mit den beiden Halteaugen. Der
Spezialist misst noch einmal die
Sprengung, dann wandert das
Blatt unter die Presse. Die mächtige 150-Tonnen-Presse verlangt
Fingerspitzengefühl und Routine,
um dem Blatt mit gezieltem Druck
mehr Sprengung zu verpassen.
Federspezialisten nennen diesen
Vorgang „Aufrichten“. Die gleichmäßige Druckverteilung zeigt
Wirkung, bald ist der werksseitig
vorgegebene Wert von 104 Millimetern erreicht. Die fertig ausgeformte Hauptlage ist Maß für
alle folgenden Lagen. Die formt
Dirk Bringmeier so, dass sie mit
einigen Millimetern „Luft“ zur
jeweils nächsten Lage anliegen.
Je kürzer die Lage, desto geringer
fällt der Luftspalt aus.
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Nachdem alle Federlagen in Form
gebracht sind, nietet der Techniker
neue Klammern an die Lage. Die
Silentlager in der Hauptlage werden auf der Presse ausgedrückt und
gegen Neuteile ersetzt. Als das
neue Lager durchrutscht, bleibt
Dirk Bringmeier gelassen: Auf dem
Amboss schlägt er die Federaugen
ein wenig enger, bis die Passung
stimmt. Die Presse drückt die Lager
in die Federaugen.
Jetzt werden die angepassten Lagen sortiert und mit Grafitfett
eingestrichen. Diese Fettpackung
reicht viele Jahre zur Schmierung,
in diesem Punkt sind Blattfedern
äußerst anspruchslos.
Auf dem Spanntisch wird das Federpaket mit dem neuen Herzbolzen zusammengespannt und mit
einer Sicherungsmutter verschraubt. Dann noch die Klammern,
die die Stützlagen mit der Hauptlage verbinden, umschlagen – und
die Feder ist im Rohbau fertig.
Auf der Prüfpresse wird das gute
Stück zunächst etwas überlastet,
dabei „setzt“ es sich. Anschließend fährt Dirk Bringmeier den
Prüfl auf: Wieder wird in Zehnmillimeterschritten der Druck gemessen und notiert, diesmal mit eindeutig knackigeren Werten. Die
Druckkurve steigt gleichmäßig an,
in der Endlage (die Sprengung ist
auf Null gedrückt, die Feder also
104 Millimeter vorgespannt) drückt
die Maschine mit 289 Kilo auf das
Federpaket. MG schreibt im Mess-
Wer gut schmiert
der gut fährt: Eine
ordentliche Schicht
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Schmierung für
viele Jahre
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Rost und Gammel: Bei
diesem Exemplar war
es höchste Zeit für
einen Wechsel des
Silentlagers
Rausdrücken:
Über ein Druckstück
treibt die Presse das alte
Lager aus dem Federauge
Hat Luft: Das Federauge
ist zu groß für das neue Lager,
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noch Nacharbeit erforderlich
Schön stramm: Der
Presssitz für das
Silentlager ist wieder
hergestellt, die Presse
drückt es hinein
Voll aufs Auge: Ein
paar kräftige Schläge
rollen das Federauge
minimal stärker ein und
verengen so die Bohrung
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blatt 227 Kilo vor, die
Einfädeln: Ein
überholten Federn
Dorn zentriert die
sind also deutlich
Federblätter, dann
wird der Herzboltragfähiger.
zen eingesetzt. Der
Jetzt widmet sich das
Spanntisch drückt
Team der zweiten Fealles zusammen
der. Es folgen die gleichen Arbeitsgänge,
wieder dient die
Hauptlage als Maß für
weitere Arbeitsschritte. Dirk Bringmeier
braucht nicht jedes
einzelne Blatt zu messen, sie werden wie
bei der ersten Feder
an die Hauptlage angepasst. Aufeinandergelegt entspricht alles dem bereits
reparierten Pendant. Nachdem Herzbolzen und Klammern montiert sind, geht
auch dieses Exemplar auf den Prüfstand.
Bis auf unwesentliche Abweichungen
entspricht das Stahlpaket in jeder Federphase der zuerst instand gesetzten, in
der Nulllage zeigt die Waage mit 290 Kilo
bei 104 Millimeter Federweg nahezu identische Werte. Zum krönenden Abschluss
erfolgt eine gründliche Reinigung, anschließend werden die Federn sorgfältig
lackiert – und ihr Besitzer darf sich auf
ein völlig neues Fahrgefühl freuen.
In Sachen Federn bieten die Staßfurter
eine breite Palette: Von der Anfertigung
einer neuen Lage bis zur Produktion eines
komplett neuen Exemplars ist (fast) alles
möglich. Höher, tiefer, straffer oder weicher – der Kunde bekommt hier seine
maßgeschneiderten Federn. Natürlich
gibt es auf Wunsch auch eine Bestandsaufnahme in Form von Rissprüfungen und
dem Erstellen der Federkennlinie.
Mit einer selbstsichernden
Mutter wird das Paket
verschraubt, die Feder
ist nun fast fertig
Abschlussmessung:
Das Aufrichten
gelang auf den
Millimeter, die Feder
entspricht in der
Sprengung genau den
Werksvorgaben
Mit Hammerschlägen
werden die Klammerbügel, die die Blätter
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die Feder gelegt
Wie im Auto: Die
Feder ruht in den
Augen, der Druck
der Prüfpresse
setzt da an, wo
später die Achse
montiert wird
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Blattfedern instand setzen – Know-how
Glänzender Abschluss:
Zum Schluss wird die
Feder gereinigt und
erhält dann eine
schützende
Lackschicht
Druck machen: Vor der abschließenden Messung
wird das Federpaket etwas überlastet. Dadurch
setzen und entspannen sich die Federblätter
Am Ende wird die
Tragfähigkeit der Feder in
Zehnmillimeter-Schritten
gemessen und protokolliert
Vorher-Nachher: Ein
Blick auf das Federauge
zeigt die Wirkung der
Verjüngungskur. Das
Lager ist ausgeschlagen,
die Feder lahm
Jetzt sieht die Feder
aus wie neu, das Auge
wartet noch auf sein
neues Lager. Das Beste
kann kein Foto zeigen:
die Fahreigenschaften!
Die Adresse
Bischoff Federnwerk und Nutzfahrzeugteile GmbH
Am Silberfeld 1, 39418 Staßfurt , Tel.: 03925-960600, www.federnwerk-bischoff.de
Die Profis formen neue Federn aus einem
speziellen Federstahl, der nach seiner Formgebung auf rund 900 Grad erhitzt, grob in
Form gebracht und in einem Spezial-Ölbad
abgeschreckt wird. Das Ergebnis ist ein glashartes und bruchempfindliches Werkstück.
Seine Elastizität bekommt der Stahl durch
das „Anlassen“. Hierbei wird der Stahl noch
einmal auf etwa 450 Grad erhitzt – und dann
an der Luft ausgekühlt. Jetzt ist das Material zäh und taugt für ein langes Federleben.
Eventuelle Nacharbeit, wozu auch das Aufrichten einer ermüdeten Feder gehört, lässt
sich kalt an der Presse oder am Amboss erledigen.
Die Augen der Hauptlage entstehen durch
das Rollen um den Dorn einer Biegevorrichtung. Zuvor wird die Lage auf rund 900 Grad
erhitzt und anschließend schräg „abgeschärft“. Die Lagen mancher Federn sind
nicht über Klammern, sondern durch „Nut
und Rippe“ miteinander verbunden. Auch
hierfür steht bei den Staßfurtern die passende Schmiedepresse bereit.
Ein Wort zur Pflege: Die bei der Montage
aufgetragene Fettpackung reicht für sehr
lange Zeit. Verschleiß ist bei Pkw-Blattfedern eine Ausnahmeerscheinung, die 60
Jahre alten MG-Exemplare zeigten keinerlei
mechanische Einlaufspuren. Ein Einstreichen mit Fett von außen empfehlen die
Feder-Spezialisten nicht, an der Schmiere
klebender schmirgelnder Dreck verursacht
mehr Schaden als Nutzen. Empfehlenswert
ist gutes Motorrad-Kettenspray. Das dringt
zwischen die Federlagen ein, trocknet äußerlich gut durch und bietet neben Schmierung ordentlichen Korrosionsschutz.
Das Überholen unserer MG-Federn hat sich
auf jeden Fall gelohnt. Der Wagen liegt
wieder straff (und waagerecht) auf der Straße und federt perfekt. Zu einem akzeptablen Preis: Die Überholung und das Aufrichten eines erlahmten Federpakets dieser
einfachen Bauart schlägt (ohne Lager) mit
80 bis 120 Euro zu Buche.
Text und Fotos: Dirk Köster
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