Ferrexpo hält Zürcher Anwalt auf Trab

28 WIRTSCHAFT
Neuö Zürcör Zäitung
Mittwoch, 23. September 2015
Ferrexpo hält Zürcher Anwalt auf Trab
Nationalratskandidat Wolfram Kuoni sieht sich wegen der Probleme des Eisenerzförderers nicht im Nachteil
DOMINIK FELDGES
Wolfram Kuoni, Zürcher Wirtschaftsanwalt und SVP-Nationalratskandidat,
ist zurzeit pausenlos unterwegs. Mitten
im Wahlkampf, den der gebürtige Bündner und Göttibub des verstorbenen Altbundesrats Leon Schlumpf begleitet von
einer auffallend kostspieligen Werbekampagne betreibt, ist er auch mit einer
grossen geschäftlichen Herausforderung
konfrontiert.
Tiefer Fall
Der Börsenwert des ukrainischen Eisenerzförderers, dessen Hauptsitz Kuoni
2007 nach Baar geholt hat, ist seit dem
vergangenen Donnerstag um die Hälfte
gesunken. Am Dienstag war der Konzern am Londoner Aktienmarkt nur
noch knapp 190 Mio. £ wert. Auf dem
Höhepunkt des Rohstoffbooms 2011
hatte er eine Marktkapitalisierung von
2,2 Mrd. £ erreicht und vorübergehend
als eines der hundert wertvollsten in
London kotierten Unternehmen dem
FTSE-100-Index angehört.
Auslöser des jüngsten Kurssturzes ist
nicht der schwächelnde Rohstoffmarkt,
obwohl die Notierungen von Eisenerz
besonders stark unter Druck stehen. In
Aufruhr versetzt hat die Anleger die
Nachricht, dass die Hausbank von Ferr-
expo, die Bank F&C, von der ukrainischen Zentralbank für insolvent erklärt
worden ist. Laut Kuoni, der seit dem Zuzug von Ferrexpo in die Schweiz dem
Verwaltungsrat der Firma angehört,
kam der Entscheid völlig überraschend.
Bankenpleiten sind in der krisengeschüttelten Ukraine indes keine Einzelfälle (vgl. Zusatz). Problematisch für
Ferrexpo ist, dass der Konzern mit
174 Mio. $ mehr als 60% seiner zurzeit
vorhandenen liquiden Mittel bei der
Bank F&C deponiert hat. Wie viel er davon noch freibekommt, lässt sich im
Moment nicht abschätzen.
Bleiben die Gelder ganz oder teilweise blockiert, riskiert Ferrexpo, die
mit anderen Finanzinstituten ausgehandelten Bedingungen für deren Kreditvergabe zu verletzen. Laut den Analytikern von Credit Suisse verpflichtete sich
die Firma dazu, dass die Nettoverschuldung höchstens das Dreifache des Betriebs-Cashflows (Ebitda) beträgt. Ende
Juni wies Ferrexpo, basierend auf einem
KEYSTONE/PD
Der Zürcher SVP-Nationalratskandidat Wolfram Kuoni hat
den Hauptsitz von Ferrexpo in
die Schweiz geholt. Nun steckt
die ukrainische Bergbaufirma in
einer akuten Finanzkrise.
Wolfram Kuoni
Verwaltungsrat
Ferrexpo
Konstyantyn Zhevago
Mehrheitsaktionär
Ferrexpo und Bank F&C
Ebitda von 176 Mio. $, eine entsprechende Kennziffer von 1,9 aus. Ohne
Berücksichtigung der zurzeit bei der
Bank F&C parkierten Gelder hätte aber
eine Nettoverschuldung in Höhe bereits
des 2,4-Fachen des Ebitda resultiert.
Wie Kuoni ausführt, wird die Ferrexpo-Gruppe, die ebenso wie die Bank
F&C vom erst 40-jährigen ukrainischen
Oligarchen und Politiker Konstyantyn
Zhevago kontrolliert wird, nun das Gespräch mit den Gläubigerbanken su-
chen. Für Vertrauen dürfte sorgen, dass
der Konzern mit seinen beiden ukrainischen Minen zu den effizientesten Produzenten von Eisenerzpellets zählt und
ausschliesslich ausländische Kunden,
darunter führende Stahlkonzerne wie
Voestalpine, ThyssenKrupp und Nippon Steel, beliefert. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen in der
Ukraine war das Unternehmen bisher
nicht tangiert. Die beiden Minen befinden sich rund 400 km nordwestlich der
Kampfgebiete.
Schweizer Steuerzahler
Kuoni glaubt derweil nicht, dass die Probleme von Ferrexpo mit der Hausbank
seine Wahlchancen beeinträchtigen. Er
hofft, seine Erfahrung, die er aus der
Ansiedelung dieser Firma gewonnen
hat, in den Nationalrat einbringen zu
können. Laut Kuoni hat Ferrexpo seit
dem Börsengang 2007 über 100 Mio. Fr.
Gewinnsteuern in der Schweiz bezahlt.
Aufräumen im ukrainischen Bankensektor
mbe. Wien Das Vorgehen der ukraini-
in der Ukraine seit den Maidan-Umwälzungen von Anfang 2014. Das Bankensystem war seit längerem schwachbrüstig und überbevölkert gewesen. Im Zuge
der wirtschaftlichen und finanziellen
Turbulenzen stellten sich dann viele
Institute als nicht überlebensfähig heraus. Den Geschäften die Grundlage entzogen etwa der Wirtschaftseinbruch, die
Währungsverwerfungen, ein hoher Anteil an notleidenden Krediten, eine
schwache Kapitalisierung sowie mangelnde Liquidität. Ein grundlegendes
schen Nationalbank (NBU) gegenüber
der Ferrexpo-Hausbank F&C stellt beileibe keinen Einzelfall dar. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat die
NBU über 50 von einst rund 180 ukrainischen Banken geschlossen. Das Team
rund um Notenbankchefin Gontareva
zeigt dabei ein entschlossenes Vorgehen. Es schreckt auch vor oligarchischen Interessen nicht zurück.
Das Aufräumen im Bankensektor
gilt als einer der grössten Reformerfolge
Problem im ukrainischen Bankensektor
stellt allerdings auch die Kreditvergabe
an nahestehende Parteien dar. Viele
Banken dienen vor allem als erweiterte
Finanzabteilungen ihrer Eignerfirmen
und vergeben vorab Kredite an diese
(«pocket banks»). Die NBU zählt auch
F&C dazu. Im Zuge einer besseren
Regulierung des Sektors hat die Notenbank begonnen, solche Praktiken einzuschränken. Ebenfalls sollen die Transparenz der Eigentümerstrukturen und der
Einlegerschutz verbessert werden.
Sunrise baut massiv Stellen ab
Die geplante Zusammenlegung zweier Einheiten trifft den Standort Zürich hart
Sunrise nimmt eine
Restrukturierung vor, von der
fast jeder zehnte Mitarbeiter
betroffen ist. Der Abbau von
Doppelspurigkeiten soll jährlich
Kosten im zweistelligen
Millionenbereich einsparen.
eingliederung gewisser Bereiche verantwortlich, wie beispielsweise des Kundenservices in der Romandie und eines
Teams für die strategische Netzplanung
von Huawei.
Nach Salt will nun auch Sunrise einen Personalschnitt vornehmen
Die drei Schweizer Mobilfunkbetreiber im Vergleich
Umsatz 2014
In Mrd. Fr.
Vollzeitstellen
Swisscom Schweiz¹
18 828
Hauptsitz stark betroffen
Swisscom Schweiz¹
18 000
9,586
JÜRG MÜLLER
Nachdem Sunrise bei der Präsentation
der Halbjahreszahlen vor einem Monat
die Anleger enttäuscht hatte, wurden
am Dienstag nun die Mitarbeiter geschockt: Das Telekomunternehmen will
bis zu 165 Vollzeitstellen kürzen – und
dies bereits in den nächsten Monaten.
Der geplante Stellenabbau soll bis Ende
des laufenden Quartals umgesetzt werden und betrifft gut 8% der 1890 Mitarbeiter. Mit der Restrukturierung will
Sunrise jährlich 22 Mio. Fr. einsparen.
16000
14000
12000
Salt
1,316
10000
Permanenter Preisdruck
Das Geschäft beim Börsenneuling läuft
derzeit harzig; seit der Bekanntgabe der
jüngsten Zahlen büssten die Aktien bis
zu einem Viertel ihres Wertes ein. Die
Preissenkung des Konkurrenten Swisscom bei den Roaming-Tarifen hat Sunrise zugesetzt und dazu geführt, dass die
Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr nach unten korrigiert werden mussten. Im vergangenen Monat
hat schliesslich auch der Mitstreiter Salt
die Mobilfunktarife gesenkt.
In einer Telefonkonferenz betonte
Firmenchef Libor Voncina, dass der
Stellenabbau keine unmittelbare Folge
der jüngsten Preissenkungen der Konkurrenz sei. Es ist aber wohl unbestritten, dass der zunehmende Druck auf der
Ertragsseite eine erhöhte Kostendisziplin bedingt. Dessen ungeachtet ist die
Anzahl Mitarbeiter über die Jahre stetig
gewachsen (vgl. Grafik). Dafür war
unter anderem jedoch auch die Wieder-
Sunrise
8 000
2,084
6 000
4 000
2 000
Sunrise
Salt
1889
1725³
901
0
2010–2015 2. Q.
2010–2015 1. Q.¹
2010–2015 2. Q.
¹ Ohne Fastweb; ² Salt hat keine Halbjahreszahlen veröffentlicht; ³ Vollzeitstellen bei vollständiger Umsetzung der geplanten
Restrukturierung.
QUELLEN: GESCHÄFTSBERICHTE SALT, SUNRISE UND SWISSCOM
NZZ-Infografik/tcf.
Mit dem am Dienstag angekündigten
Stellenabbau will Sunrise pro Quartal
5,5 Mio. Fr. einsparen. Ziel ist es, mit der
Zusammenlegung der beiden Einheiten
Privat- und Geschäftskunden Synergien
zu schaffen. Dass diese Segmente sich in
sehr unterschiedlichen Geschäftsfeldern
bewegen, ist man sich bei Sunrise durchaus bewusst. Voncina betont daher, dass
sich bei der Kundenbeziehung nichts
ändern soll; sowohl beim Kundenservice
als auch bei den Shop-Mitarbeitern soll
es zu keinen Kürzungen kommen. Zusammengelegt werden in erster Linie
rückwärtige Bereiche und die Führungsebenen, weshalb auch die meisten Stellen am Hauptsitz gestrichen werden.
Nach Angaben von Giorgio Pardini,
Leiter des Sektors Telekom bei der Gewerkschaft Syndicom, soll es sich am
Standort Zürich um ungefähr 145 Personen handeln.
Für die betroffenen Mitarbeiter besteht laut Sunrise ein Sozialplan, und die
Personalvertreter sowie Syndicom sind
frühzeitig in den Prozess involviert worden. Die Kosten der geplanten Restrukturierung belaufen sich auf rund 21 Mio.
Fr. Davon würden rund 75% auf Gehälter entfallen: Pro gekürzte Stelle macht
dies rund 95 000 Fr. aus.
Der finanzielle Ausblick bleibt derweil unverändert, und es wird auch weiterhin an einer Dividende von mindestens 135 Mio. Fr. (3 Fr. pro Aktie) festgehalten. An der Börse wurde die geplante Restrukturierung positiv aufgenommen: Während der Swiss-Performance-Index rund 3,3% verlor, gingen
die Sunrise-Aktien mit einem Plus von
gut 1% aus dem Handel.
«Reflexe», Seite 36
Vattenfall bietet
Braunkohle feil
Zwist um deutsche Grubensparte
I. M. Stockholm Der staatliche schwedi-
sche Energieriese Vattenfall macht
Ernst mit dem Ausstieg aus der umstrittenen Braunkohle in Deutschland. Am
Dienstag hat er die Sparte mittels eines
Inserats in der Zeitung «Financial
Times» offiziell zum Verkauf ausgeschrieben. Die vier Kraftwerke Boxberg, Jänschwalde, Schwarze Pumpe
und eine Einheit von Lippendorf sowie
fünf zugehörige Kohlegruben sollen
integral verkauft werden; bei Interesse
können auch zehn Wasserkraftwerke,
die in der Nähe der Gruben liegen, dazu
erworben werden. Nicht zum Verkauf
stehen die übrigen Aktivitäten in
Deutschland wie etwa Fernwärme,
Stromübertragung und Windkraft.
Mit dem Abstoss der deutschen
Braunkohle käme Vattenfall seinem
Ziel, auch ausserhalb Schwedens nachhaltige Energie zu produzieren, einen
Schritt näher. Der Verkauf ist jedoch
umstritten. Die Grünen, die seit Jahresfrist als Juniorpartner in der Regierung
sitzen, hatten ihren Wählern eine Stilllegung der «schmutzigen» Gruben versprochen. Umweltministerin Åsa Romson meinte am Dienstag, dass ein Verkauf der Braunkohle kaum zu stoppen
sei, verwies im Übrigen aber auf den
sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Michael Damberg, auf dessen Tisch
das Geschäft liegt. Damberg seinerseits
verneinte, dass die Regierung einem
Verkauf bereits zugestimmt habe. Vielmehr werde man Stellung beziehen, sobald ein konkretes Angebot auf dem
Tisch liege. Neben wichtigen Vertretern
der Grünen will auch der Chef der
Linkspartei, Jonas Sjöstedt, dafür kämpfen, dass die Kohle unter der Erde bleibe
und «Schwedens Regierung ihre Glaubwürdigkeit in Klimafragen» behalte.
Der Vattenfall-Konzernchef Magnus
Hall gab sich verschwiegen zum Verkaufsprozess und machte keine Angaben zum Buchwert der Aktivitäten.
Analytiker bezweifeln, dass der früher
auf bis zu 30 Mrd. sKr. (3,5 Mrd. Fr.) geschätzte Verkaufserlös aus der Braunkohle noch realistisch sei. Einerseits sind
die Energiepreise massiv gefallen, anderseits hat Deutschland kürzlich beschlossen, dass Teile der Kohleproduktion zu den Reserven gelegt und mittelfristig abgewickelt werden sollen. Dass
Vattenfall die deutsche Sparte trotz früheren Verkaufsbemühungen nun öffentlich ausschreibt, zeugt nicht von einem
grossen Interesse potenzieller Käufer.
Wien düpiert
Heta-Gläubiger
Sukkurs für das Land Kärnten
mbe. Wien Die österreichische Regie-
rung hat zwei Pflöcke eingeschlagen, um
die verfahrene Lage rund um die ExHypo-Alpe-Adria zu lösen. Einerseits
hat Wien den Weg für die Schaffung
einer Zweckgesellschaft geebnet, um
ausstehende Anleihen der Hypo-Nachfolgerin Heta mit einem Abschlag zurückzukaufen. Damit soll sich Kärnten
aus seinen Landeshaftungen für die
Heta befreien können. Das Bundesland
garantiert noch rund 10 Mrd. €; die
Gläubiger können diesen Betrag im
Prinzip nach dem geplanten Heta-Schuldenschnitt bei Kärnten einfordern. Aber
nun ist vorgesehen, dass der Abschlag
bei allen Anleihegläubigern durchgesetzt werden kann, wenn zwei Drittel
der Gläubiger einer Vereinbarung zustimmen. Die Rückkaufslösung dürfte
deshalb noch für Kontroversen sorgen.
Die Neuregelung wird wohl etwa
Hedge-Funds sauer aufstossen.
Anderseits hat Wien die gesetzlichen
Voraussetzungen dafür verabschiedet,
dass mit der deutschen Landesbank
BayernLB ein Vergleich in Sachen ExHypo geschlossen werden kann. Bereits
im Juli hatte man sich grundsätzlich geeinigt. BayernLB soll demnach mindestens 1,2 Mrd. € erhalten, im Gegenzug
werden alle Verfahren eingestellt.