Sachverhalt und Lösung Hoher Verbrauch

Hoher Verbrauch
Der Autohersteller X wirbt in diversen Automagazinen mit dem Slogan:
„Der neue Gepardo. Verbraucht auf 100 km außerorts (bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h) nur 6, 9 Liter.“
Y sucht seit geraumer Zeit ein neues Fahrzeug und wendet sich, von der obigen Werbung angetan, an den Verkäufer Z, der die Pkw-Fabrikate der Marke
X als EU-Neuwagen Reimport bezieht. Nach sehr zügigen Vertragsverhandlungen, in denen weder Y noch Z auf den Verbrauch des Pkw der Marke X
Gepardo eingehen, entscheidet sich Y für den Kauf eines solchen Kraftwagens.
Bereits zwei Monate nach der Anlieferung des betreffenden Pkw entdeckt Y,
dass das Fahrzeug auf 100 km außerorts bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h 7, 5 Liter verbraucht. Unverzüglich wendet sich Y an den
Händler Z und verlangt die Lieferung eines Neuwagens, der die betreffenden
Verbrauchsangaben einhält. Z wendet ein, dass eine Reparatur anhand einer
Vergaser-Neueinstellung lediglich Kosten in Höhe von 250,-- € verursachen
würde. Überdies müsse er, da sich die Lage auf dem europäischen Neuwagenimportmarkt verschlechtert habe, anstatt 18.000,-- € nun 18.500,-- € für
das betreffende Fabrikat bezahlen. Schließlich habe der Pkw des Y durch die
Zulassung einen Wertverlust in Höhe von 3.000,-- € erlitten.
Hat Y gegen Z einen Anspruch auf Neulieferung?
Abwandlung
Y verlangt von Z anstatt der Neulieferung Nachbesserung. Da die Werkstatt
des Z 100 km vom Wohnort des Y entfernt ist, entstehen Y, der nach Absprache mit Z den Wagen selbst vorbeibringt, Wegekosten in Höhe von 150,-- €.
Wer trägt diese Wegekosten?
(Bearbeitervermerk: Bei der Abwandlung ist keine gutachterliche Prüfung erforderlich).
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Lösung:
Y könnte gegen Z gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf
Neulieferung eines Kfz der Marke „X Gepardo“ haben.
I. Anspruch entstanden
Dies setzt voraus, dass ein solcher Anspruch wirksam entstanden ist.
1. Kaufvertrag
Dazu müsste zunächst ein wirksamer Kaufvertrag vorliegen. Laut Sachverhalt entschloss sich Y zum Kauf eines „X Gepardo“. Mithin wird man davon
ausgehen können, dass zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag
vereinbart worden ist.
2. Sachmangel
Des Weiteren müsste der Kaufgegenstand einen Sachmangel aufweisen.
Das Vorliegen eines Sachmangels setzt generell voraus, dass die Istbeschaffenheit der Sache hinter der geschuldeten Sollbeschaffenheit zurückbleibt.
Fraglich ist, ob der Verbrauch eines Autos unter den Beschaffenheitsbegriff
fällt. Das Gesetz enthält keine Definition der Beschaffenheit. Unstreitig fallen
aber alle physikalischen Eigenschaften der Sache unter den Beschaffenheitsbegriff, also typische Qualitätsmerkmale wie Unversehrtheit, Frische,
Motorkraft und auch der vorliegend problematische Energieverbrauch.
Y und Z haben laut Sachverhalt keine bestimmte Beschaffenheit vereinbart (§
434 Abs. 1 S. 1 BGB).
Hinweis: Man könnte hier kurz thematisieren, dass ein bestimmter Verbrauch
eines Autos nur bei einer sehr speziellen Vertragsabrede als Verwendungsvereinbarung in Betracht kommt.
Fraglich ist, ob hier ein Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BGB vorliegt. Danach liegt ein Sachmangel vor, wenn der Kaufgegenstand
sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet.
Der Unterschied zwischen der Verwendungsvereinbarung nach § 434 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 BGB und einer vorrangigen Beschaffenheitsvereinbarung nach
§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB bemisst sich danach, ob sich die Vereinbarung unmittelbar auf konkrete Eigenschaften der Sache oder lediglich allgemein
auf eine bestimmte Wirkungsweise des Gegenstandes bezieht. Da der
Spritverbrauch eines Pkw keine bestimmte Wirkungsweise, sondern lediglich
eine physische Eigenschaft darstellt, liegt hier auch kein Sachmangel
i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB vor.
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Schließlich könnte hier jedoch ein Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
BGB vorliegen. Danach ist eine Kaufsache mangelhaft, wenn sie sich nicht für
die gewöhnliche Verwendung eignet oder eine Beschaffenheit nicht aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach
der Art der Sache erwarten kann.
§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB zählt zu den Beschaffenheitskriterien von § 434 Abs. 1
S. 2 Nr. 2 BGB auch solche Eigenschaften, die die Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Herstellers erwarten kann, insbesondere aufgrund von Aussagen in der Werbung. Vorliegend hatte der Hersteller X mit einem Slogan geworben, der einen Spritverbrauch des „X Gepardo“ außerorts
(bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 120 km/h) von 6, 9 Liter suggerierte. Tatsächlich verbrauchte der Pkw des Y 7, 5 Liter bei gleichen Parametern. Eine Ausnahmetatbestand im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB liegt
hier nicht vor.
Da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474
Abs. 1 S. 1 BGB handelt, kann des Weiteren nach § 476 BGB auch davon
ausgegangen werden, dass der Mangel bereist bei Gefahrübergang vorlag.
Mithin liegt hier ein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB
vor.
3. Kein genereller Ausschluss der Gewährleistung
Gründe für einen generellen Ausschluss der Gewährleistung sind nicht ersichtlich.
4. Nacherfüllungsverlangen
Schließlich setzt der Nacherfüllungsanspruch nach § 439 I BGB ein entsprechendes Nacherfüllungsverlangen seitens des Käufers voraus. Vorliegend verlangt Y Neulieferung, so dass auch diese Voraussetzung hier erfüllt ist.
Angesichts der Tatsache, dass im zugrunde liegenden Fall die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB erfüllt sind, ist der Anspruch des Y gegen Z auf Neulieferung wirksam entstanden.
Zwischenergebnis: Der Anspruch des Y gegen Z auf Nachlieferung gem. §§
437 Nr. 1, 439 BGB ist wirksam entstanden.
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II. Anspruch untergegangen
Der Anspruch des Y ist auch nicht untergegangen.
(Das wäre z.B. der Fall, wenn am gesamten Markt kein Auto mit den geschuldeten Eigenschaften (Gepardo, Verbrauch von 6,9 Liter) aufzutreiben wäre, §
275 Abs. 1 BGB.)
III. Anspruch durchsetzbar
Fraglich ist jedoch, ob der Anspruch auf Neulieferung durchsetzbar ist.
Das Nacherfüllungsverlangen des Y könnte nur unter unverhältnismäßigen
Kosten möglich sein, so dass Z ein Leistungsverweigerungsrecht nach §
439 Abs. 3 BGB zustehen könnte.
§ 439 Abs. 3 S. 1 BGB stellt allein auf „unverhältnismäßige Kosten“ bei der
vom Käufer konkret gewählten Art der Nacherfüllung als Leistungsverweigerungsrecht ab. § 439 Abs. 3 S. 2 BGB enthält konkrete Kriterien für die Prüfung unverhältnismäßiger Kosten der Nacherfüllung. Insoweit sind der Wert
der Sache in mangelfreien Zustand, die Bedeutung des Mangels für die
Sache und der Umstand zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden
könnte.
Ausgangspunkt ist der Wert des Wagens in mangelfreiem Zustand, hierfür
ist nicht der Kaufpreis, sondern der Marktwert anzusetzen. Der Wagen kostet
neu 18.500 €, daran gemessen sind 3.500 € mit knapp 19% ein erheblicher
Anteil. Sind die Kosten der Nachlieferung (3.500 €) höher als der Wert der
nachgelieferten Sache (18.500 €), ist meist eine Nachbesserung zu befürworten.1 Das ist hier nicht der Fall. Trotzdem ist es oft so, dass die Kosten der
Nachlieferung unter dem Wert der Sache, aber immer noch so weit über den
Kosten einer Nachbesserung liegen, dass eine Nachbesserung geboten ist.2
Vorliegend entstehen Z bei einer Neulieferung Kosten in Höhe von 3.500,-€, während eine Nachbesserung einen Aufwand erfordert, welcher mit 250,-€ zu beziffern ist. Dies spricht für eine Nachbesserung.3 Überdies kann hier
ohne erhebliche Nachteile des Y auf eine Nachbesserung zurückgegriffen
werden.
Demgemäß steht Z ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 439 Abs. 3
BGB zu.
1
Vgl. MüKo/Westermann, § 439, Rn. 22.
Ebd.
3
Hierbei schlägt Erman/Grunewald eine Grenze von 10 % vor, § 439, Rn. 12.
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Nach § 439 Abs. 3 S. 3 BGB beschränkt sich in diesem Fall der Nacherfüllungsanspruch auf die andere Art der Nacherfüllung, hier mithin auf die Nachbesserung.
Ergebnis:
Y hat gegen Z einen Anspruch auf Neulieferung nach §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1
BGB. Bei entsprechender Geltendmachung ist dieser Anspruch gemäß § 439
Abs. 3 BGB einredebehaftet.
Abwandlung:
Nach § 439 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung
erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und
Materialkosten zu tragen.
Mithin müsste hier Z die Wegekosten in Höhe von 150,-- €.
Anm.: Leistungsort der Nachbesserungspflicht ist h.M. der Ort der Belegenheit
der Kaufsache (sogar bei einer Holschuld!). Die Frage hat aber wg. § 439 II
BGB nur geringe Bedeutung.
Behandelte Gebiete: Kaufvertrag nach § 433 BGB; Sachmangel nach § 434
BGB, Nacherfüllungsanspruch nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB;
Berechtigte Nacherfüllungsverweigerung nach § 439 Abs. 3
BGB; Nacherfüllungskosten nach § 439 Abs. 2 BGB
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