Die Trends des Hochseekreuzfahrtmarktes aus Sicht der Destinationen – Chancen, Risiken und Handlungsmöglichkeiten am Beispiel der Karibischen Inseln Abbildung 1: Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Kralendijk, Bonaire Hochschule Heilbronn Bachelor Thesis Stephanie Reiser (173051) Studiengang: Tourismusmanagement 7. Semester Sommersemester 2013 Erstbetreuer: Prof. Dr. Ralf Bochert Zweitbetreuer: Prof. Dr. Jerzy 1 Jaworski Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis................................................................................................ I Abbildungsverzeichnis ...................................................................................... IV Tabellenverzeichnis ........................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................... VI 1 Einleitung ..................................................................................................... 1 2 Vorgehensweise und Ziel der Arbeit ............................................................ 2 3 Die Hochseekreuzfahrtbranche ................................................................... 2 3.1 3.1.1 Allgemeine Definitionen im Kontext der Kreuzfahrt ........................ 3 3.1.2 Der Begriff der Hochseekreuzfahrt ................................................. 5 3.2 4 Definitionen und Begriffserklärungen .................................................... 2 Grundlagen der Hochseekreuzfahrt ...................................................... 7 3.2.1 Schiffstypen und Konzepte ............................................................. 7 3.2.2 Routenplanung ............................................................................... 9 3.2.3 Zielgruppen und ihre Reisemotive ................................................ 10 3.3 Ursprung und Entwicklung der Kreuzfahrt........................................... 12 3.4 Der internationale Hochseekreuzfahrtmarkt in Zahlen ........................ 13 3.4.1 Marktteilnehmer ............................................................................ 14 3.4.2 Schiffe .......................................................................................... 16 3.4.3 Zielgebiete und Häfen .................................................................. 17 3.4.4 Der deutsche Hochseekreuzfahrtmarkt ........................................ 18 Grundlagen des Destinationsmanagements .............................................. 19 4.1 Der Begriff der Destination .................................................................. 19 4.2 Touristische Effekte in Destinationen .................................................. 20 4.2.1 Ökonomische Effekte ................................................................... 20 4.2.2 Ökologische Effekte...................................................................... 21 I 4.2.3 5 6 Soziokulturelle Effekte .................................................................. 22 Die Karibischen Inseln als Destination ...................................................... 22 5.1 Die Karibik........................................................................................... 22 5.2 SWOT-Analyse – Die Karibik als Urlaubsdestination .......................... 24 5.3 Karibikkreuzfahrten – Zahlen und Fakten ........................................... 25 Die aktuellen Hochseekreuzfahrttrends – Chancen und Risiken aus Sicht der Karibischen Inseln ...................................................................................... 29 7 6.1 Megaliner – Das Kreuzfahrtschiff als Zieldestination........................... 30 6.2 Sinkende Preise versus steigende Kosten .......................................... 33 6.3 Private Inseln und Strände der Reedereien ........................................ 36 6.4 Exklusive Terminals ............................................................................ 38 Handlungsmöglichkeiten der Destinationen am Beispiel der Karibischen Inseln ............................................................................................................... 40 7.1 Ziele der Destinationen ....................................................................... 40 7.1.1 Erhöhung der Gästezahlen ........................................................... 40 7.1.2 Senkung der Gästezahlen ............................................................ 42 7.1.3 Veränderung der Ausgabenstruktur der Gäste ............................. 43 7.1.4 Steigerung des Bekanntheitsgrades und Verbesserung des Images.. ..................................................................................................... 44 7.2 Strategische Möglichkeiten und Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele… .......................................................................................................... 44 7.2.1 Lenkung der Art und Anzahl der Kreuzfahrtschiffe ....................... 45 7.2.2 Erfüllung der Anforderungen als Wechselhafen ........................... 46 7.2.3 Lenkung der Landausflüge ........................................................... 47 7.2.4 Nutzung der Kreuzfahrtschiffe als Marketingmaßnahme .............. 48 7.3 8 Exkurs: Fallbeispiele anderer Destinationen ....................................... 49 Fazit und Zukunftsausblick ........................................................................ 50 II Quellenverzeichnis ........................................................................................... 52 Eidesstattliche Erklärung .................................................................................. 60 Anhang ............................................................................................................. 61 Deckblatt Abbildung 1: Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Kralendijk, Bonaire Quelle: eigene Aufnahme 2011 III Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Kralendijk, Bonaire ..................... III Abbildung 2: Karte der Karibik.......................................................................... 23 Abbildung 3: SWOT-Analyse Urlaubsdestination Karibik ................................. 24 IV Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Top 10 - die größten Cruiseliner der Welt........................................ 16 Tabelle 2: Neue Hochseekreuzfahrtschiffe 2013.............................................. 17 Tabelle 3: Anteil der Kreuzfahrt am Incoming-Tourismus der Karibischen Inseln 2012 ................................................................................................................. 26 Tabelle 4: Tagesausgaben der Incoming-Touristen auf Jamaika (2012) und den Cayman Islands (2011) .................................................................................... 27 Tabelle 5: Errechnung des Gesamtumsatzes durch Stop-Over Touristen auf Jamaika (2012) und den Cayman Islands (2011)............................................. 28 Tabelle 6: Errechnung des Gesamtumsatzes durch Kreuzfahrtgäste auf Jamaika (2012) und den Cayman Islands (2011)............................................. 28 Tabelle 7: Die Privatinseln und Privatstrände der Reedereien 2013 ................ 36 Tabelle 8: Wirkung einer Ausgabenerhöhung bei Kreuzfahrtgästen am Beispiel der Bahamas .................................................................................................... 43 V Abkürzungsverzeichnis ACA Asia Cruise Association ACE Association of Cruise Experts BRZ Bruttoraumzahl CDF Croisière de France CEO Chief Executive Officer CLIA Cruise Lines International Association CTO Caribbean Tourism Organization DRV Deutscher ReiseVerband ECC European Cruise Council FCCA Florida-Caribbean Cruise Association GfK Gesellschaft für Konsumforschung HAPAG Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Aktien-Gesellschaft HGB Handelsgesetzbuch KYD Cayman Island Dollar Ltd Limited Company MSC Mediterranean Shipping Company plc Public limited company PSA Passenger Shipping Association S.A. Société Anonyme (Aktiengesellschaft) UK United Kingdom (Großbritannien) USA United States of America USD United States Dollar VDR Verband Deutscher Reeder VI 1 Einleitung Die Schifffahrt fasziniert und begeistert die Menschen schon seit Jahrtausenden. Mit einem Blick auf die zahlreichen Einsatzbereiche der Schiffe wird deutlich, wie wichtig sie immer waren und es auch in Zukunft weiterhin sein werden. Unabhängig davon, ob es sich um Handel, Verteidigung oder Entdeckungsreisen handelt, sind Schiffe seit langer Zeit nicht mehr aus dem alltäglichen Leben wegzudenken. Heutzutage werden über 90 % des Welthandels mit großen Frachtschiffen auf dem Seeweg abgewickelt. Aber schon im alten Ägypten waren Schiffe genauso unerlässlich wie zu Zeiten der weltbekannten Entdecker Christoph Kolumbus oder Vasco da Gama. Sie alle hätten ihre Erfolge wohl niemals ohne ihre Schiffe feiern können. Früher war die Seefahrt jedoch mit zahlreichen Gefahren und Entbehrungen verbunden und hatte kaum Gemeinsamkeiten mit dem heutigen Bild einer Schiffsreise. Dies änderte sich erst mit der Etablierung der Passagierschifffahrt, die den Grundstein für die heutige Kreuzfahrt legte. Auf einem Schiff zu reisen, vermittelt meist ein Gefühl von Freiheit, Erholung, Spaß und Unterhaltung. Die Gründe, eine Kreuzfahrt zu unternehmen, sind daher so vielfältig wie die unterschiedlichen Kreuzfahrtschiffe, die auf den Weltmeeren unterwegs sind. Besonders in den letzten Jahren erfreute sich diese Urlaubsart zunehmender Beliebtheit. Das daraus resultierende Streben der Kreuzfahrtkonzerne nach steigenden Gewinnen, rasant wachsenden Umsatzund Gästezahlen und immer besseren, größeren Schiffen scheint zu einem regelrechten Wettlauf mit der Zeit und der Konkurrenz geworden zu sein. Zweistellige Wachstumszahlen sind in der Branche, die scheinbar keine Grenzen kennt, keine Seltenheit mehr. Die langfristigen Folgen dieser Entwicklung sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum abzuschätzen. In den Medien wird regelmäßig spekuliert und die Perspektive der Kreuzfahrtunternehmen von allen Seiten beleuchtet. Die Position der Destinationen hingegen wird viel zu selten beachtet. Für sie bringen die Entwicklungen der Kreuzfahrtbranche nämlich nicht nur Vorteile mit sich. Die Destinationen haben oft zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen, um mit dem scheinbar unaufhörlichen Wachstum umzugehen. Ob sie Hilfe von den großen Konzernen erwarten können, bleibt fraglich. Daher 1 müssen sie eine durchdachte, langfristig angelegte Strategie entwickeln, um mit den Chancen und Risiken des Kreuzfahrttourismus umgehen zu können. 2 Vorgehensweise und Ziel der Arbeit Ziel dieser Bachelor Thesis ist eine Analyse der aktuellen Kreuzfahrttrends im Hinblick auf die damit in Verbindung stehenden Chancen und Risiken aus Sicht einer Destination. Des Weiteren sollen die Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die einer Destination zur Verfügung stehen, um diese Trends zu nutzen oder ihnen entgegen zu wirken. Die Chancen, Risiken und Handlungsmöglichkeiten werden am konkreten Beispiel der Karibischen Inseln dargestellt, da sie in besonders hohem Maße von diesen Trends betroffen sind. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Bachelor Thesis ausschließlich mit den Aspekten der Hochseekreuzfahrtbranche. Wird im Folgenden der Einfachheit halber von Kreuzfahrt gesprochen, bezieht sich die getroffene Aussage nur auf den Teilmarkt der Hochseekreuzfahrt und schließt andere Teilmärkte wie den Flusskreuzfahrtmarkt aus. Dennoch besteht die Möglichkeit, einige Annahmen, Aussagen und Ergebnisse auch auf andere Bereiche der Branche übertragen zu können. In Kapitel 3 wird zuerst die Hochseekreuzfahrtbranche vorgestellt. Es werden die wichtigsten Begriffe erläutert, die Grundlagen des Marktes dargestellt und die aktuelle Situation der Branche analysiert. In Kapitel 4 wird dann das Grundlagenwissen im Bereich des Destinationsmanagements vermittelt. Im darauf folgenden Kapitel wird die Karibik als Urlaubs- und Kreuzfahrtdestination untersucht. Kapitel 6 stellt dann die aktuellen Hochseekreuzfahrttrends mit den jeweiligen Chancen und Risiken für die Destination dar, bevor in Kapitel 7 die Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die Bachelor Thesis wird mit einem Zukunftsausblick und Fazit in Kapitel 8 abgeschlossen. 3 3.1 Die Hochseekreuzfahrtbranche Definitionen und Begriffserklärungen Im folgenden Kapitel sollen die wichtigsten Definitionen und Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der Hochseekreuzfahrtbranche erläutert werden. Dabei wird zuerst auf allgemeine Definitionen eingegangen, die im Zusammenhang 2 mit dieser Arbeit von Bedeutung sind. Anschließend wird der Begriff der Kreuzfahrt näher definiert. Neben einer Abgrenzung des Begriffes zählt hier ebenfalls die Einordnung der Kreuzfahrt selbst in den Kontext ihres Gesamtsystems dazu. Hier werden auch die unterschiedlichen Interessengruppen berücksichtigt, die an dem gesamten Leistungserstellungsprozess beteiligt sind. 3.1.1 Allgemeine Definitionen im Kontext der Kreuzfahrt Dienstleistung Eine Kreuzfahrt erfüllt die folgenden Merkmale und lässt sich somit eindeutig als Dienstleistung identifizieren. Aus Vermarktungssicht sind daher sowohl von den Reedereien als auch von den externen Partnern einige Besonderheiten zu beachten. Die Immaterialität stellt eine entscheidende Eigenschaft der Kreuzfahrt in Bezug auf den Dienstleistungsbegriff dar. Die Kreuzfahrt an sich ist für den Gast nicht greifbar. Es wird kein materielles Gut erworben, sondern eine Leistung, also ein immaterielles Gut, konsumiert. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 1) Eine Kreuzfahrt kann außerdem nicht aufbewahrt werden. Sie erfüllt somit das Kriterium der Verderblichkeit. Die Produktion und der Konsum finden gleichzeitig statt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 1) Die Integration des externen Faktors ist ein weiteres Merkmal der Kreuzfahrt. Der Gast wird in die Leistungserstellung mit einbezogen und kann somit das Ergebnis teilweise beeinflussen. Auf diese Weise kann die Leistung in gewissem Maße an die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Gastes angepasst werden. (vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 265) Die Eigenschaft des wahrgenommenen Kaufrisikos lässt sich aus den bereits genannten Merkmalen ableiten. Das Risiko beim Erwerb einer Dienstleistung ist für den Gast größer als beim Erwerb eines materiellen Gutes, da sie nicht greifbar ist und erst dann erstellt wird, wenn sie vom Gast nachgefragt wird. Die Qualität und die Leistungsmerkmale von Dienstleistungen sind somit vor der Kaufentscheidung schwieriger zu überprüfen als bei anderen Produkten. Außerdem stellt die Integration des externen Faktors eine Herausforderung in Bezug auf die Vereinheitlichung der Qualität dar. (vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 265; Schulz/Auer 2010, S. 2) 3 Pauschalreise Eine Kreuzfahrt kann sowohl als klassische Pauschalreise als auch in individualisierter Form des dynamic packagings angeboten werden. Während die klassische Pauschalreise vom Veranstalter vorab geplant und dann meist in einem Katalog beworben wird, kann die Pauschalreise als dynamic packaging nach den Wünschen und Angaben des Kunden individuell konzipiert und zusammengestellt werden. (vgl. Pompl 2011, S. 63) Generell ist eine Pauschalreise eine Kombination mehrerer Dienstleistungen, die von einem Anbieter oder auch von unterschiedlichen Anbietern stammen können. Der Veranstalter der Pauschalreise übernimmt für den Kunden größtenteils die zeitaufwändige Organisation, Planung und schließlich auch die Kombination der einzelnen Teilleistungen. Der Kunde erhält somit ein fertig geschnürtes Leistungsbündel. (vgl. Pompl 2011, S. 63) Der Reisepreis der Pauschalreise wird als Gesamtpreis angegeben und beinhaltet alle Leistungen. (vgl. Pompl 2011, S. 64) Für den Veranstalter bedeutet das Anbieten einer Pauschalreise auch gleichzeitig die Übernahme verschiedener Risiken. Er kann beispielsweise bei auftretenden Mängeln der einzelnen Leistungsbestandteile zur Verantwortung gezogen und haftbar gemacht werden. Außerdem geht der Reiseveranstalter in vielerlei Hinsicht ein finanzielles Risiko ein. Nachfrageschwankungen können oft durch unerwartete Ereignisse ausgelöst werden, da sie das Buchungsverhalten der Kunden stark beeinflussen. Sie sind meist schwer im Voraus einzuschätzen und stellen daher eine Herausforderung in Bezug auf die wirtschaftliche Planung der Reiseveranstalter dar. (vgl. Pompl 2011, S. 65) Reederei Eine Reederei ist ein Unternehmen, das im Bereich des Schiffsverkehrs aktiv ist. (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 2013, S. 1) Sie betreibt Verkehrsmittel auf Wasserverkehrswegen, deren hauptsächliches Ziel die Veränderung des Aufenthaltsortes von Personen oder Gütern, aber auch von Nachrichten ist. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 1) Das am 25.04.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Seehandelsrechts brachte einige Änderungen mit sich. (vgl. Deutscher Bundestag 2013, S. 4 1) Aktuell wird ein Reeder nach §476 HGB als „Eigentümer eines von ihm zum Erwerb durch Seefahrt betriebenen Schiffes (Bundesministerium der Justiz 2013, S. 143)“ definiert. Trend Der Begriff des Trends wird heutzutage in vielen Situationen und Zusammenhängen verwendet. Je nachdem auf welchen Bereich sich der Ausdruck bezieht, kann er auf unterschiedliche Weise definiert und interpretiert werden. Der deutsche Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx beschreibt einen Trend als einen Wandlungsprozess, der sich prinzipiell in eine Richtung entwickelt. Der Begriff wird unter anderem sowohl in der Politik als auch in der Mathematik oder der Wirtschaft verwendet. Anhand unterschiedlicher Kriterien kann ein Trend in den jeweiligen Kontext eingeordnet werden. (vgl. Horx 2010, S. 1 ff) Im Zusammenhang mit dieser Arbeit wurde der Begriff des Trends als Branchentrend spezifiziert. Nach Horx handelt es sich bei einem Branchentrend um eine Entwicklung, die speziell in einer Branche eintritt und deren Wirkung sich hauptsächlich auf diese Branche konzentriert. (vgl. Horx 2010, S. 3) 3.1.2 Der Begriff der Hochseekreuzfahrt Der Ursprung des Kreuzfahrtbegriffs geht auf die Zeit zurück, in der die englische Kriegsmarine schnelle, wendige Segelkriegsschiffe einsetzte, um Gebiete zu kontrollieren. Die sogenannten Cruisers kreuzten immer zu Überwachungszwecken in den zugeteilten Gewässern, ohne ein konkretes Ziel zu haben. Da bei einer Kreuzfahrt ebenfalls die Schifffahrt selbst und nicht das Ankommen an einem bestimmten Zielhafen im Mittelpunkt steht, wurde der Begriff später auch für die touristische Reiseform verwendet. (vgl. Schüßler 2005, S. 77) Die Hochseekreuzfahrt ist die bedeutendste Form der touristischen Aktivität auf See. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 194) Eine Kreuzfahrt ist eine Pauschalreise an Bord eines Schiffes, die über mehrere Tage andauert. Das Schiff fungiert hierbei als Hotel und übernimmt die Beherbergung der Kreuzfahrtreisenden, da diese meist die gesamte Reise an Bord wohnen. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 192, 194) Bei einer Kreuzfahrt geht es nicht in erster Linie um den Transport zu einem geplanten Ziel, sondern um die Reise an sich. Die genaue Route wird vor 5 Reisebeginn in Bezug auf die Dauer und die angelaufenen Häfen geplant. Sie muss neben dem Ein- und Ausschiffungshafen wenigstens einen zusätzlichen Hafen aufweisen. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 194) Daher kann eine Kreuzfahrt als Kurzreise nur drei Tage oder aber als Weltreise bis zu 150 Tage dauern. (vgl. Schüßler 2005, S. 77) Je nach Reederei und Kreuzfahrtkonzept können die im Pauschalpreis enthaltenen Leistungen stark variieren. Die Verpflegung, die Nutzung von Sport- und Freizeiteinrichtungen oder das Unterhaltungsprogramm in Form von Animation und Abendveranstaltungen sind jedoch meist im Preis inkludiert. Zusatzleistungen, wie Landausflüge, Casinobesuche oder Getränke in den Bars werden hingegen üblicherweise separat berechnet. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 194) Betrachtet man die Kreuzfahrt selbst als Teil eines Systems wird ersichtlich, dass weitere wichtige Einflussgrößen beachtet werden müssen, um eine Kreuzfahrt erfolgreich planen, anbieten und durchführen zu können. Nach Schulz/Auer kann das Gesamtsystem Kreuzfahrt in insgesamt fünf Bestandteile unterteilt werden, wobei das Kreuzfahrtereignis im Fokus steht und das übergeordnete Element darstellt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 3) Zu dem Faktor Kreuzfahrt zählen alle Aspekte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erlebnis an Bord stehen. Dazu gehören neben der betriebswirtschaftlichen Positionierung des Unternehmens auch die externen Partner, wie Fluggesellschaften oder Incoming-Agenturen. Das Schiff selbst und die Destination mit ihren Sehenswürdigkeiten und Attraktionen haben ebenfalls einen großen Einfluss auf die Kreuzfahrt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 3 ff) Die Rahmenbedingungen für eine Kreuzfahrt können sowohl Gesetze und Vorgaben als auch Abkommen und Vereinbarung darstellen. Sie werden in der Regel von Regierungen und Behörden vorgegeben oder von Verbänden und Seefahrtsunternehmen beschlossen. Themen sind meist der Schutz der Umwelt und der Mitarbeiter an Bord, allgemeine Sicherheitsbestimmungen oder wettbewerbsspezifische Regelungen. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 3) Das Marktumfeld kann von vier Elementen beeinflusst werden. Die Konkurrenzunternehmen, die sowohl andere Kreuzfahrtunternehmen als auch andere touristische Substitute sein können, stellen einen wichtigen Aspekt in Bezug auf 6 das Marktumfeld dar. Des Weiteren hängt es von den gewählten Finanzierungsmitteln des Unternehmens ab, da die Kapitalgeber in die zukünftigen Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse integriert werden wollen. Die Infrastruktur in Bezug auf Häfen, Terminals oder Hotels und die Verhandlungsposition gegenüber Lieferanten stehen ebenfalls in einem engen Verhältnis zu dem gesamten Marktumfeld des Kreuzfahrtunternehmens. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 5) Der Vertrieb einer Kreuzfahrt kann sowohl direkt als auch indirekt stattfinden. Der direkte Vertrieb, durch das Kreuzfahrtunternehmen selbst, erfolgt meist in Form von einer unternehmenseigenen Homepage mit Buchungsfunktion oder über ein Callcenter. Der indirekte Vertrieb wird über Reiseveranstalter und Reisebüros abgewickelt. Auf diese Weise ist die Reichweite größer, es fallen aber auch Provisionszahlungen für das Kreuzfahrtunternehmen an. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 5 f) Die Kunden können aufgrund ihrer vielfältigen Reisemotive und ihrer persönlichen Bedürfnisse in unterschiedliche Zielgruppen eingeteilt werden. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 6) In Kapitel 3.2.3 soll darauf näher eingegangen werden. Die Kunden komplettieren das Gesamtsystem Kreuzfahrt und sind maßgeblich am Erfolg eines Kreuzfahrtunternehmens beteiligt. Dies kann sowohl durch eine direkte Nachfrage nach einer Kreuzfahrt als auch durch eine Bewertung im Internet oder bei Familie und Freunden erfolgen. 3.2 3.2.1 Grundlagen der Hochseekreuzfahrt Schiffstypen und Konzepte Reedereien können verschiedene Strategien verfolgen, indem sie sich entweder auf einen Schiffstyp spezialisieren oder unterschiedliche Arten von Kreuzfahrtschiffen in ihrem Portfolio anbieten. Eine breitere Aufstellung in Bezug auf die Schiffe und die an Bord angebotenen Konzepte bedeutet eine bessere Ansprache verschiedener Zielgruppen, aber auch einen höheren verwaltungstechnischen und organisatorischen Aufwand. Es können drei übergeordnete Typen von Schiffen unterschieden werden. 7 Die klassischen Kreuzfahrtschiffe ermöglichen ihren Passagieren eine komfortable Art zu reisen, bei der viel Wert auf eine persönliche Betreuung der Gäste gelegt wird. Der Fokus liegt bei klassischen Kreuzfahrtschiffen auf der Entspannung an Bord und dem Besuch unterschiedlicher Länder. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 82 f) Ab einer Passagierkapazität von mehr als 2.000 Kreuzfahrtgästen spricht man in der Regel von einem sogenannten Megaliner. Diese Giganten kreuzen besonders häufig in der Karibik. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 202 f) Sie erfordern ein hohes Maß an Standardisierung und bringen zahlreiche organisatorische Herausforderungen für die Reedereien mit sich. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 83; Schulz et al. 2010, S. 203) An Bord wird den Gästen ein umfangreiches Programm mit vielfältigen Freizeit- und Unterhaltungsmöglichkeiten für jeden Geschmack geboten. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 203) Der Trend zu diesen Megalinern liegt aus Gästesicht an der generell wachsenden Nachfrage nach Kreuzfahrten und dem Wunsch nach günstigeren Reisepreisen. Aus Sicht der Reedereien ist dieser Schiffstyp aus wirtschaftlichen Gründen attraktiv. Durch die große Passagieranzahl an Bord eines Schiffes sinken die durchschnittlichen Kosten pro Kreuzfahrtgast und so können positive Skaleneffekte erzielt werden. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 83) Nischenanbieter spezialisieren sich gezielt auf ein kleineres Kundensegment, worauf sie ihre gesamten Marketingaktivitäten ausrichten. Diese Reedereien sind vor allem in den Bereichen der exklusiven Expeditions-, Segel- oder Yachtkreuzfahrten vertreten. Die kleinen Schiffsgrößen und die von den Gästen erwarteten Qualitätsstandards an Bord führen dazu, dass diese Kreuzfahrten mit hohen Kosten für die Reedereien verbunden sind, was sich wiederum im Reisepreis widerspiegelt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 84) An Bord der Kreuzfahrtschiffe wird in der Regel eines der folgenden Konzepte angeboten. Das Konzept der klassischen Kreuzfahrt ist auf Erholung und Ruhe ausgerichtet. Das exklusive Erlebnis einer Reise auf See steht dabei im Mittelpunkt. Normalerweise wird dieses Konzept an Bord der klassischen Kreuzfahrtschiffe oder der Segelschiffe und Yachten der Nischenanbieter angeboten. (vgl. 8 Schulz/Auer 2010, S. 79) Clubkreuzfahrten finden in erster Linie an Bord der Megaliner statt. Mit einem vielfältigen Freizeit- und Sportangebot sowie einem abwechslungsreichen Animations- und Abendprogramm wird das Kreuzfahrtschiff selbst zum Mittelpunkt der Reise. Die Route mit ihren Häfen wird zweitrangig. Die Clubkreuzfahrten basieren auf dem Konzept, welches Resorts und Clubanlagen an Land anbieten. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 80) Studienkreuzfahrten finden meist abseits der etablierten Kreuzfahrtdestinationen statt. Den Gästen sollen ganz exklusive Einblicke in die fremden Länder und Kulturen geboten werden. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 80) Bei Themenkreuzfahrten drehen sich die Route und das Bordprogramm um spezielle Themen, wie beispielsweise klassische Musik, Literatur oder unterschiedliche Sportarten. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 79) 3.2.2 Routenplanung Bei der Routenplanung sind zwei zentrale Aspekte zu beachten. Einerseits sollen die Routen so abwechslungsreich und interessant sein, dass sich die Gäste für eine Buchung entscheiden. Andererseits müssen sie effizient geplant sein, um neben den Kosten auch den Zeitaufwand und die zurückzulegenden Entfernungen für die Schiffe möglichst gering zu halten. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 205, 207) Im Fahrtgebiet der Karibik können die folgenden Routentypen unterschieden werden. Turnuskreuzfahrten sind Rundreisen, bei denen der Ein- und Ausschiffungshafen, die Reihenfolge der angelaufenen Häfen und die Dauer der Kreuzfahrt immer gleich sind. Das Kreuzfahrtschiff wiederholt somit dieselbe Route über mehrere Wochen oder Monate. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 205 f) Eine Turnuskreuzfahrt in der Karibik startet und endet beispielsweise in Jamaika und fährt während ihrer zweiwöchigen Dauer die Inseln der Kleinen Antillen an. Bei Schmetterlingskreuzfahrten werden zwei unterschiedliche Routen im Wechsel gefahren. Der Basishafen, an dem die Ein- und Ausschiffung der Gäste stattfindet, ist immer derselbe. Die Gäste können meistens entscheiden, ob sie beide Routen an Bord bleiben oder nur an einer der beiden Reisen teilnehmen möchten. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 206) Eine Schmetterlingskreuzfahrt in der Karibik beginnt zum Beispiel von einem Basishafen in der Dominikanischen 9 Republik und fährt in der ersten Woche die Großen Antillen an. Nach der Rückkehr zum Basishafen sind in der zweiten Woche die Kleinen Antillen das Ziel. Die Positionierungskreuzfahrt wird zur saisonbedingten Änderung des angefahrenen Zielgebietes genutzt und findet in der Regel nur einmal in der Saison statt. Die Reise beginnt und endet nicht im selben Hafen. Sie kann beispielsweise im Herbst vom Mittelmeer über die Kanarischen Inseln in die Karibik führen. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 206) Beim freien Routing wird eine einmalige Reiseroute festgelegt, bei der sich die Häfen normalerweise nicht wiederholen. Diese Form der Routenplanung wird hauptsächlich für Weltreisen gewählt, die meist mehrere Wochen oder sogar Monate dauern. Passagiere können entweder die gesamte Reise oder Teilstrecken buchen. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 206) 3.2.3 Zielgruppen und ihre Reisemotive Die Zielgruppen einer Kreuzfahrt können je nach Route, Schiffstyp und Kreuzfahrtkonzept stark variieren. Dies gilt ebenso für die Reisemotive. Die Interessenten und deren Motivationen sind beispielsweise bei einer Expeditionskreuzfahrt in die Arktis nicht dieselben wie bei einer Karibikkreuzfahrt auf einem Luxusliner. In diesem Kapitel soll daher speziell auf die wichtigsten Zielgruppen und Reisemotive einer Karibikkreuzfahrt eingegangen werden. Sie lassen sich aber auch oft auf Kreuzfahrten mit ähnlichem Programm, Konzept und vergleichbaren Destinationen übertragen. Die Generation 40 Plus wird als wichtigste Zielgruppe für Hochseekreuzfahrten angesehen. Die Einkommensverhältnisse und die Familiensituation dieser Zielgruppe machen sie aus Sicht der Leistungsträger zu einer der attraktivsten im gesamten Tourismussegment. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 116) Aktivurlauber haben besonders an Bord der Megaliner zahlreiche Freizeit- und Sportmöglichkeiten. Auch während des Landgangs kann sich diese Zielgruppe mit Ausflügen, wie Canyoning, Reiten, Radtouren oder Tauch- und Schnorchelausflügen aktiv betätigen. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 116) Anspruchsvolle Gäste bevorzugen oftmals die kleineren, luxuriöseren Kreuzfahrtschiffe oder die exklusiven Großsegler. Sie legen besonderen Wert auf ein erstklassiges Programm sowohl an Land als auch an Bord, einen qualitativ 10 hochwertigen Service und eine ausgezeichnete Küche. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 117) Bei Familien sind besonders die Schiffe mit einem abwechslungsreichen Programm für alle Altersklassen beliebt, da meist jedes Familienmitglied andere Bedürfnisse und Wünsche hat. Eine professionelle Betreuung der Kinder und Jugendlichen ermöglicht ihnen einen erlebnisreichen Urlaub und bietet den Eltern gleichzeitig die Chance, ihren eigenen Interessen nachzugehen. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 117) Die folgenden Reisemotive sind zielgruppenübergreifend. Es können ein oder mehrere Beweggründe zu einer Entscheidung für eine Kreuzfahrt führen. Eines der wichtigsten Motive für eine Kreuzfahrt ist das Kennenlernen vieler neuer Länder, Menschen und Kulturen in kurzer Zeit, ohne auf gewisse Annehmlichkeiten in Bezug auf Standards oder Qualität verzichten zu müssen. Im Vergleich zu Rundreisen mit dem Bus oder PKW hat das Schiff einen entscheidenden Vorteil. Der Gast muss nicht jeden Tag seine Koffer packen und in ein neues Hotel umziehen, sondern wohnt meist die gesamte Reise an Bord. Die Vielseitigkeit gepaart mit Bequemlichkeit ist für viele Kreuzfahrtreisende somit das entscheidende Buchungskriterium. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 114) Steht bei diesem Motiv in erster Linie die gewählte Route im Vordergrund, liegt der Fokus bei dem Motiv der Entspannung eher auf dem Schiffstyp und dem Kreuzfahrtkonzept. Es wird dabei besonderen Wert auf das Verpflegungsangebot und die Freizeit- und Wellnesseinrichtungen an Bord des Kreuzfahrtschiffes gelegt. (vgl. Mancini 2004 zitiert nach Schulz/Auer 2010, S. 112) Obwohl Kreuzfahrten in den letzten Jahren zunehmend beliebter und erschwinglicher geworden sind, wird es von vielen immer noch als Luxus angesehen, eine Kreuzfahrt zu unternehmen. Dies gilt besonders bei Kreuzfahrten in weiter entfernte Zielgebiete. Somit ist eine Kreuzfahrt auch oftmals ein Prestigeobjekt zur Darstellung eines bestimmten Images. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 111) Die Gästestruktur an Bord wird von unterschiedlichen Aspekten beeinflusst. Neben den bereits genannten Motiven sind die Route, der Preis und die Reisezeit und -dauer von Bedeutung. Während der Schulferien sind beispielsweise 11 mehr Familien mit Kindern an Bord, die das Durchschnittsalter senken. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 209 f) 3.3 Ursprung und Entwicklung der Kreuzfahrt Schiffe werden bereits seit Jahrtausenden als Transportmittel für Fracht und Personen eingesetzt. Der Handel stand dabei die meiste Zeit im Mittelpunkt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 14) 1807 wurde erstmals ein Schiff mit einer Dampfmaschine betrieben. Dies revolutionierte die Seefahrt, da mit diesem Antrieb viel kürzere Fahrzeiten möglich waren als noch mit Muskel- oder Windkraft. 1845 fand dann die Jungfernfahrt des ersten Dampfschiffes statt, welches vollkommen aus Eisen erbaut war. Diese Entwicklung lieferte den Reedereien die Grundlage, um zukünftig Linienverbindungen über den Nordatlantik anbieten zu können. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 21) Infolgedessen wurden von Regierungen und Unternehmen verstärkt regelmäßige und schnelle Schiffsverbindungen, in erster Linie für den Postverkehr, nachgefragt. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich so die Liniendampfschifffahrt mit dem Schwerpunkt der Postbeförderung. Kurze Zeit später ließ die große Auswandererwelle aus Europa in die USA die Nachfrage nach Atlantiküberquerungen weiter ansteigen. Dieses Mal allerdings mit dem vorrangigen Ziel der Personenbeförderung. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 22) Die ersten Seereisen mit Erholungscharakter initiierte Thomas Cook im Jahr 1875. Als tatsächlichen Beginn der Kreuzfahrtära wird eine 1891 stattfindende Schiffsreise von Cuxhaven ins damalige Konstantinopel mit der Augusta Victoria gesehen. (vgl. Kludas 1987 zitiert nach Schulz/Auer 2010, S. 28) Dabei entwickelte Albert Ballin, Direktor der HAPAG, die Idee für diese Art von Reisen in erster Linie, um die Schiffe in den Wintermonaten besser auslasten zu können. Aufgrund der schlechten Witterung waren die Linienfahrten über den Atlantik in dieser Zeit kaum nachgefragt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 28) Das erste Kreuzfahrtschiff, das ausschließlich für den Zweck der Kreuzfahrt erbaut wurde, konnte im Jahr 1900 unter dem Namen Prinzessin Victoria Luise in Dienst gestellt werden. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 28) In den 1970er Jahren musste die Passagierschifffahrt mit der Etablierung der Boeing 747 einen starken Nachfragerückgang der Atlantikpassagen verkraften. Um Anreize für die 12 Passagiere zu schaffen, wurden deshalb Zwischenstationen in unterschiedlichen Häfen eingeführt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 30) Einige Reedereien erkannten, dass zur Zukunftssicherung ein neues Preismodell notwendig war. Es sollte einem größeren Publikum eine Kreuzfahrt ermöglichen, denn bis zu diesem Zeitpunkt konnten sich nur wohlhabende Menschen eine Schiffsreise leisten. Das Konzept der Clubkreuzfahrt etablierte sich daraufhin und ließ die Nachfrage nach Kreuzfahrten extrem ansteigen. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 31) In den 90er Jahren fusionierten immer mehr Reedereien zu Großreedereien. Auf diese Weise bildeten sich die noch heute erfolgreichen Kreuzfahrtkonzerne. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 33) 3.4 Der internationale Hochseekreuzfahrtmarkt in Zahlen 2013 wird erwartet, dass weltweit 20,97 Millionen Passagiere eine Kreuzfahrt unternehmen. Ein Anteil von voraussichtlich 17,6 Millionen Kreuzfahrtgästen wird ihre Reise von Nordamerika aus antreten. Davon haben 11,79 Millionen Passagiere ihren Wohnsitz in Nordamerika (USA und Kanada). Seit 1980 verzeichnet die Branche ein jährliches Passagierwachstum von durchschnittlich 7,2 %. (vgl. FCCA Florida-Caribbean Cruise Association 2013, S. 1, 6) Der Jahresumsatz 2013 für den gesamten internationalen Hochseekreuzfahrtmarkt wird auf eine Summe von etwa 36,2 Milliarden US-Dollar geschätzt, was gemessen am Jahr 2012 einem Zuwachs von 4,5 % entspricht. (vgl. Cruise Market Watch 2013a, S. 1 – Genaue Informationen über den Herausgeber waren nicht verfügbar. Die Seite wurde von Nachrichtendiensten, wie BBC, welt.de, Spiegel Online und in Studien des DRV Deutscher ReiseVerband e.V. zitiert.) Prognosen für das Jahr 2013 haben ergeben, dass der durchschnittliche Passagier 8,5 Tage an Bord verbringt und pro Tag 200,85 US-Dollar ausgibt. 152,39 US-Dollar werden hierbei dem Reisepreis zugeschrieben. Die verbleibenden 48,47 US-Dollar pro Tag werden an Bord hauptsächlich in den Bars und Casinos ausgegeben. (vgl. Cruise Market Watch 2013d, S. 1; Anmerkung: Rundungsfehler bei Tagesausgaben in der Quelle) Die gesamte verfügbare Kapazität des weltweiten Hochseekreuzfahrtmarktes wird sich am Ende des Jahres 2013 auf 283 Schiffe belaufen, mit denen zeit13 gleich 438.595 Passagiere reisen können. (vgl. Cruise Market Watch 2013b, S. 1) 3.4.1 Marktteilnehmer Trotz der Vielzahl an Kreuzfahrtunternehmen, die auf dem internationalen Hochseekreuzfahrtmarkt vertreten sind, wird er nur von einer kleinen Anzahl großer Reedereien beherrscht. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 44) Die führenden vier Konzerne bzw. Unternehmen sind die Carnival Corporation & plc, Royal Caribbean Cruises Ltd., Genting Hong Kong Limited und MSC Crociere. (vgl. Bahn/Bohmann 2012, S. 92 f) Sie kontrollieren mit ihren zugehörigen Reedereien mehr als 85 % des weltweiten Passagieraufkommens auf dem Hochseekreuzfahrtmarkt. (vgl. Cruise Market Watch 2013a, S. 1) Der britisch-amerikanische Konzern Carnival Corporation & plc mit Sitz in Miami, Florida, USA und London, Großbritannien ist das weltweit größte Kreuzfahrtunternehmen. (vgl. Carnival Corporation & plc 2013, S. 1, 65) Insgesamt zählen zehn Reedereien zum Konzern, mit denen 2012 ein Umsatz von 15,4 Milliarden US-Dollar und ein Gewinn von 1,3 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet wurden. (vgl. Carnival Corporation & plc 2013, S. 1) Neben der Carnival Cruise Line gehören Marken wie die Holland America Line, Princess Cruises, das italienische Unternehmen Costa Cruises und die deutsche Reederei AIDA Cruises zur Carnival Corporation & plc. Außerdem sind Seabourn, Cunard, Ibero Cruises, P&O Cruises (Australia) und P&O Cruises (UK) Teil des Konzerns. (vgl. Carnival Corporation & plc 2013, S. 4) Zum Ende des Geschäftsjahres 2012 betrieb die Carnival Corporation & plc 100 Schiffe. Bis März 2016 sollen neun weitere Schiffe folgen. (vgl. Carnival Corporation & plc 2013, S. 1) Zum zweitgrößten Kreuzfahrtunternehmen Royal Caribbean Cruises Ltd. gehören die Reedereien Royal Caribbean International, Celebrity Cruises und Azamara Club Cruises. Außerdem sind Pullmantur und CDF Croisière de France Teil des Konzerns. Mit einem 50 % Joint Venture ist Royal Caribbean Cruises Ltd. an TUI Cruises beteiligt. Der Konzern mit Hauptsitz in Miami, Florida, USA betrieb zum Jahresende 2012 mit seinen Marken 41 Schiffe. (vgl. Royal Caribbean Cruises Ltd. 2013, S. 10) Der Konzern generierte 2012 einen Um- 14 satz von 7,7 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von 432,2 Millionen USDollar. (vgl. Royal Caribbean Cruises Ltd. 2013, S. 4) Zur Genting Hong Kong Limited, deren Sitz sich in Hong Kong befindet, gehören unter anderem die Marke Star Cruises und eine Beteiligung an der Norwegian Cruise Line. (vgl. Genting Hong Kong Limited 2013, S. 3) Die Beteiligung belief sich zum Jahresende 2012 auf 50 % der Stammaktien. (vgl. Norwegian Cruise Line Holdings Ltd. 2013, S. F-10) Mit insgesamt 18 Schiffen ist die Genting Hong Kong Limited die drittgrößte Gesellschaft auf dem internationalen Hochseekreuzfahrtmarkt. (vgl. Genting Hong Kong Limited 2013, S. 3) Die Reederei MSC Crociere S.A. gehört zu keinem Kreuzfahrtkonzern. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Mediterranean Shipping Company, die Frachtschiffe betreibt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 49) Aktuell gehören 12 Hochseekreuzfahrtschiffe zur Flotte der MSC Crociere S.A.. Das neueste Schiff MSC Preziosa wurde im März 2013 getauft. (vgl. MSC Crociere S.A. 2013a, S. 1) Ihren Sitz hat das Unternehmen in Genf, Schweiz. (vgl. MSC Crociere S.A. 2013b, S. 1) Die Kreuzfahrtbranche ist in verschiedenen Verbänden organisiert, um sich mit relevanten Themen der Branche gemeinsam auseinander zu setzen und Herausforderungen als Einheit anzugehen. (vgl. von Pilar 2012a, S. 42 f) Der größte Kreuzfahrtverband weltweit ist die Cruise Lines International Association (CLIA). (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 111) Die 26 zugehörigen Kreuzfahrtunternehmen repräsentieren einen 97-prozentigen Anteil des amerikanischen Marktes. Des Weiteren werden 30 Unternehmen der Branche im European Cruise Council (ECC) vertreten. Deutsche Interessenvertretungen sind beispielsweise der DRV-Ausschuss Schiff und der Verband Deutscher Reeder (VDR). (vgl. von Pilar 2012a, S. 42 f) Um die Interessen der internationalen Kreuzfahrtbranche noch besser vertreten zu können, wurde im Dezember 2012 von neun Kreuzfahrtverbänden entschieden, einen internationalen Dachverband zu gründen. Unter dem Namen Cruise Lines International Association (CLIA) werden dem Dachverband die bereits existierende Cruise Lines International Association (CLIA) und das European Cruise Council (ECC) angehören. Außerdem werden die Asia Cruise Association (ACA) und die Passenger Shipping Association (PSA/ACE) sowie weitere nationale Verbände Teil des neuen Zusammenschlusses. (vgl. o.V. 2012a, S. 1) 15 3.4.2 Schiffe Die Entwicklung der Kreuzfahrtschiffe in den letzten Jahren lässt sich am besten mit dem folgenden Beispiel nachvollziehen. Im Dezember 2003 verließ das zu dieser Zeit weltweit größte Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 die Werft und konnte am 8. Januar 2004 getauft werden. Zwei Jahre wurde an dem 345 m langen, 41 m breiten und 74 m hohen Kreuzfahrtschiff gebaut, das zur britischen Cunard Line gehört. (vgl. o.V. 2003, S. 1 f) Knapp zehn Jahre später schafft es die Queen Mary 2 mit einer BRZ von 148.528 nur noch auf Platz 7 der zehn größten Cruiseliner der Welt. (vgl. Bahn/Bohmann 2012, S. 14, 183) Aktuell steht die Allure of the Seas auf Platz 1 der weltweit größten Kreuzfahrtschiffe. Mit einem Vorsprung von 5 cm in der Schiffslänge liegt sie somit vor ihrem Schwesterschiff Oasis of the Seas. Beide Schiffe gehören zur Reederei Royal Caribbean International und können jeweils bis zu 6.230 Passagiere befördern. (vgl. Bahn/Bohmann 2012, S. 14) Im Oktober 2012 wurde der Bau eines dritten Schiffes der Oasis-Klasse von der Reederei bestätigt, das bis Ende 2016 fertiggestellt sein soll. (vgl. o.V. 2013a, S. 7) Eine Übersicht der zehn größten Kreuzfahrtschiffe der Welt kann der nachfolgenden Auflistung entnommen werden. Passagiere Kreuzfahrtschiff Baujahr BRZ Länge Breite Standardbelegung/ Maximalbelegung 1. Allure of the Seas 2010 225.282 360,05 m 64,00 m 5.408/6.230 2. Oasis of the Seas 2009 225.282 360,00 m 64,00 m 5.408/6.230 3. Norwegian Epic 2010 155.873 325,00 m 40,00 m 4.228/5.368 4. Freedom of the Seas 2006 154.407 338,84 m 56,08 m 3.634/4.374 Liberty of the Seas 2007 154.407 338,84 m 56,08 m 3.634/4.374 Independence of the Seas 2008 154.407 338,84 m 56,08 m 3.634/4.374 7. Queen Mary 2 2004 148.528 345,00 m 41,00 m 2.529/3.090 8. Norwegian Breakaway 2013 144.017 329,00 m 40,00 m 4.028/ ca. 5.000 9. MSC Preziosa 2013 140.000 333,00 m 38,00 m 3.502/4.345 10. MSC Divina 2012 139.400 333,00 m 38,00 m 3.502/4.345 Reederei Royal Caribbean Royal Caribbean Norwegian Cruise Line Royal Caribbean Royal Caribbean Royal Caribbean Cunard Line Norwegian Cruise Line MSC Crociere MSC Crociere Tabelle 1: Top 10 - die größten Cruiseliner der Welt Quelle: Bahn/Bohmann 2012, S. 14, 183 Zwei der zehn weltweit größten Kreuzfahrtschiffe gehören zu den neuen Schiffen des Jahres 2013. (vgl. Bahn/Bohmann 2012, S. 14) Insgesamt werden 2013 16 sechs neue Hochseekreuzfahrtschiffe getauft, die eine Gesamtkapazität von 14.368 Passagieren (16.275 bei Maximalbelegung) transportieren können. Des Weiteren finden drei Umbauten bzw. Flottenwechsel statt. (vgl. Bahn/Bohmann 2012, S. 94 ff, 106) Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Auflistung der Schiffe, die 2013 in Dienst gestellt werden. Passagierzahlen Reederei BRZ StandardDoppelbelegung/ Maximalkapazität Hapag-Lloyd Kreuzfahrten 40.000 516 AIDA Cruises 71.304 2.260/2.550 Norwegian Cruise Line 144.017 4.028/ca. 5.000 MSC Preziosa MSC Kreuzfahrten 140.000 3.700/4.345 Royal Princess Princess Cruises 141.000 ca. 3.600 Ponant Cruises 10.944 264 Kreuzfahrtschiff Europa 2 AIDAstella Norwegian Breakaway Le Soléal Tabelle 2: Neue Hochseekreuzfahrtschiffe 2013 Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bahn/Bohmann 2012, S. 94 ff, 106 ff In den Jahren 2014 und 2015 sollen 13 weitere Neubauten folgen. (vgl. Cruise Market Watch 2013c, S. 1) Ein Ende des Wachstumskurses der Hochseekreuzfahrtbranche ist somit vorerst nicht in Sicht. 3.4.3 Zielgebiete und Häfen Die fünf beliebtesten Kreuzfahrtdestinationen im Jahr 2013 wurden vom Kreuzfahrtverband CLIA veröffentlicht. Diese Ergebnisse wurden anhand der geplanten Schiffsankünfte und den damit im Zusammenhang stehenden Passagierkapazitäten in den jeweiligen Zielgebieten im Verhältnis zum gesamten Markt ermittelt. Die beliebteste Kreuzfahrtdestination weltweit ist demnach die Inselgruppe der Karibik und der Bahamas mit einem Anteil von 34,4 %. Auf Platz 2 liegt das Mittelmeer mit 21,7 %, gefolgt vom restlichen Europa (ohne Mittelmeer), das einen Prozentsatz von 10,9 % erreicht. Ein Anteil von 5,0 % entfällt auf Australien und Neuseeland inklusive der gesamten Pazifikregion. Platz 5 der beliebtesten Reiseziele bei Kreuzfahrtgästen ist Alaska mit einem Anteil von 4,8 %. (vgl. CLIA Cruise Lines International Association 2013, S. 15) Angaben 17 des Verbandes FCCA ergeben geringfügige Abweichungen in der prozentualen Verteilung im Vergleich zu den Ergebnissen der CLIA. Diese Abweichungen wirken sich jedoch nur bei den Plätzen 4 und 5 auf die Reihenfolge der Platzierungen aus. (vgl. FCCA Florida-Caribbean Cruise Association 2013, S. 1 f) Die drei größten Kreuzfahrthäfen der Welt befinden sich im US-Bundesstaat Florida. Mit 3,77 Millionen Kreuzfahrtgästen zählte der Hafen von Miami im Jahr 2012 weltweit die meisten Kreuzfahrtankünfte und belegte somit den ersten Platz. Knapp dahinter liegt Port Canaveral mit 3,76 Millionen Kreuzfahrtreisenden. Nummer 3 der weltweit größten Kreuzfahrthäfen ist Port Everglades mit 3,69 Passagieren. (vgl. South Florida Business Journal 2012, S. 1) 3.4.4 Der deutsche Hochseekreuzfahrtmarkt 1.544.269 Deutsche haben sich 2012 für eine Hochseekreuzfahrt entschieden. Das waren 11,2 % mehr als im Vorjahr. 2011 reisten 1.388.199 Bundesbürger auf einem Hochseekreuzfahrtschiff. Mit den Hochseekreuzfahrten wurde 2012 ein Umsatz von 2,6 Milliarden Euro generiert. Der durchschnittliche Reisepreis lag 2012 bei 1.710 Euro pro Person und die durchschnittliche Reisedauer bei 9,2 Tagen. (vgl. DRV Deutscher ReiseVerband e.V. 2013, S. 1) Diese erhobenen Werte haben sich im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert. (vgl. Schüßler 2012, S. 5) Eine Erhebung des Marktforschungsunternehmens GfK hat allerdings eine andere Entwicklung des durchschnittlichen Reisepreises ergeben. Laut dieser Studie lagen die Preise 2012 durchschnittlich 15 % unter dem Vorjahresniveau. Richard Vogel CEO von TUI Cruises erklärte hierzu, dass die Darstellung der durchschnittlichen Kreuzfahrtpreise kritisch zu betrachten sei, da manche Veranstalter die Preise inklusive Transport angeben und somit Vergleiche erschwert werden. (vgl. von Pilar 2013, S. 75) Die erfolgreiche Entwicklung und das stetige Wachstum des deutschen Hochseekreuzfahrtmarktes lassen sich am besten mit den folgenden Zahlen verdeutlichen. 2004 waren es in Deutschland noch 583.043 Kreuzfahrtreisende auf Hochseeschiffen. Mit dem Ergebnis von 1.544.269 Gästen im Jahr 2012 ist das Passagiervolumen in nur acht Jahren um knapp eine Million deutsche Kreuzfahrer gestiegen. (vgl. DRV Deutscher ReiseVerband e.V. 2005, S. 1; DRV Deutscher ReiseVerband e.V. 2013, S. 1) Somit scheinen die folgenden Prognosen 18 durchaus realistisch und erreichbar zu sein. 2010 wurde beispielsweise vorhergesagt, dass bis zum Jahr 2018 jährlich zwei Millionen deutsche Kreuzfahrtgäste eine Hochseekreuzfahrt unternehmen werden. (vgl. DasErste.de 2010, S. 1) Aktuell rechnet AIDA Cruises Präsident Michael M. Ungerer sogar mit 2,5 Millionen Kreuzfahrtreisenden aus Deutschland bis zum Jahr 2020. (vgl. o.V. 2013b, S. 14) 4 4.1 Grundlagen des Destinationsmanagements Der Begriff der Destination Für den Begriff der Destination gibt es eine Vielzahl von Definitionen, die je nach Autor unterschiedliche Aspekte fokussieren und berücksichtigen. Es soll daher die folgende Begriffsabgrenzung herangezogen werden. Eine Destination ist ein geographischer Raum, für den sich Touristen bewusst als Reiseziel entscheiden. Von dem ausgewählten Ziel werden alle Voraussetzungen für einen touristischen Aufenthalt erfüllt. Dies geht von den Beherbergungsstätten über das gastronomische Angebot bis hin zu den Freizeiteinrichtungen. (vgl. Bieger 2008, S. 56) Der Destinationsbegriff ist dabei nicht von vornherein räumlich begrenzt. Wie weit er gefasst wird, steht in engem Zusammenhang mit den persönlichen Bedürfnissen des Reisenden. Eine Destination kann somit sowohl ein Hotel, eine Stadt, eine Region oder auch ein Kontinent sein. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 567 f) Der Terminus Destination wird daher häufig mit unterschiedlichen Begriffen, wie Zielgebiet, Tourismusregion, Fremdenverkehrsort oder Landschafts- und Kulturraum gleichgesetzt. (vgl. Freyer 2009, S. 258) Betrachtet man eine Destination als Produkt, wird sie einerseits von den Touristen als Reiseziel nachgefragt und andererseits von den Leistungsträgern vermarktet und verkauft. Eine Destination steht fast immer im Wettbewerb mit vergleichbaren Destinationen und muss die Gäste davon überzeugen, dass sie ihren Bedürfnissen und Wünschen optimal gerecht werden kann. Von den Besuchern wird das Angebot einer Destination in Form eines touristischen Leistungsbündels konsumiert und somit als Ganzes bewertet. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 566 f) Aus diesem Grund sind ein einheitliches Auftreten und eine ge- 19 meinsame Vermarktungsstrategie für den Erfolg einer Destination unumgänglich. 4.2 Touristische Effekte in Destinationen In einer Destination können durch touristische Aktivitäten und somit auch durch die ankommenden Kreuzfahrtschiffe und die an Bord reisenden Gäste verschiedene Effekte entstehen. Dabei werden ökonomische und ökologische, sowie soziokulturelle Effekte unterschieden. Sie können sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf die Destination und die dort lebende Bevölkerung haben. (vgl. Bieger 2008, S. 32; Schulz et al. 2010, S. 576) 4.2.1 Ökonomische Effekte Aus wirtschaftlicher Sicht kann festgestellt werden, dass die Touristen, die einen gewissen Zeitraum in einer Destination verbringen, einen Nachfrageanstieg bei materiellen Gütern und Dienstleistungen verursachen. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 577) Die daraus resultierenden ökonomischen Effekte können nochmals in die folgenden Bereiche unterteilt werden. Deviseneffekte entstehen, wenn ausländische Touristen Waren oder Dienstleistungen in ihrer Urlaubsdestination erwerben. Sie verursachen auf diese Weise einen indirekten Export, der mit einem Devisentransfer einhergeht und somit einen Einfluss auf die Zahlungsbilanz der jeweiligen Destination hat. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 577) In einer Destination werden Einkommens- und Wertschöpfungseffekte durch die getätigten Ausgaben der Gäste generiert. Die Umsätze tragen somit zum Volkseinkommen und zum Bruttoinlandsprodukt bei. Außerdem werden durch den Tourismus in einer Destination bestehende Arbeitsplätze gesichert und die Entstehung neuer Arbeitsplätze vorangetrieben. Dies wird als Beschäftigungseffekt des Tourismus bezeichnet. Diese Effekte wirken sowohl direkt bei den touristischen Leistungsträgern als auch indirekt bei den Lieferanten der touristischen Leistungsträger. Sie haben damit einen Einfluss auf die gesamte Wirtschaft in einer Destination. (vgl. Kaspar 1991, S. 122 ff zitiert nach Bieger 2008, S. 34) 20 Der Tourismus kann in industriell schwach aufgestellten Regionen die Wirtschaft ankurbeln und auf diese Weise den Lebensstandard der ansässigen Bevölkerung erhöhen. Er wirkt somit als Ausgleichseffekt zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Gebieten. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 587) Neben den bereits genannten ökonomischen Effekten gewinnen die folgenden immateriellen Effekte immer mehr an Bedeutung. Durch die touristischen Aktivitäten kann die Infrastruktur in einer Destination erhalten und ausgebaut werden, wovon wiederum die lokale Wirtschaft und Bevölkerung profitiert. Ein weiterer wichtiger Faktor ist das touristische Image, das meist für die gesamte Außenwirkung einer Destination entscheidend ist. Durch den Tourismus können außerdem positive Effekte im Bereich der nationalen und internationalen Vernetzung erzielt werden. (vgl. Bieger 2008, S. 38 f) Natürlich müssen ebenfalls die negativen wirtschaftlichen Effekte durch den Tourismus in einer Destination betrachtet werden. Stammen die Gäste aus einem oder wenigen Quellländern ist die touristische Situation eines Zielgebietes von der Konjunkturentwicklung in diesen Ländern abhängig. Oftmals steht der touristische Erfolg einer Destination auch in engem Zusammenhang mit der Art und Intensität ihrer Vermarktung durch externe Vertriebspartner, wie beispielsweise die Reiseveranstalter. Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Tatsache, dass die Touristen während ihres Aufenthaltes die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen in einer Region steigern, was zu einer Erhöhung der Preise führt, von der wiederum die gesamte Bevölkerung betroffen ist. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 588) Zu steigenden Preisen kommt es außerdem bei Grundstücken und Immobilien. Potenzieller Wohnraum für die Bevölkerung steht dann im Wettbewerb mit neuen Gästeunterkünften. (vgl. Kulinat/Steinecke 1984, S 157 f; Schliephake 1978 zitiert nach Schulz et al. 2010, S. 588) Um die touristische Attraktivität einer Destination zu gewährleisten, sind fortlaufend Investitionen erforderlich, die den öffentlichen Haushalt belasten. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 589) 4.2.2 Ökologische Effekte Die Natur einer Destination wird als ihr wichtigstes Kapital angesehen und sollte daher konsequent geschützt werden. Die touristische Aktivität in einem Zielge- 21 biet kann sowohl positive als auch negative Effekte auf die Umwelt haben. Mit Hilfe der touristischen Einnahmen können beispielsweise Investitionen in den Bereichen Umwelt- und Naturschutz getätigt werden. Außerdem werden durch den Tourismus sowohl die ausländischen Gäste als auch die einheimische Bevölkerung auf den immateriellen Wert der Landschaft und der Natur der Zieldestination aufmerksam gemacht. (Vgl. Bieger 2008, S. 32) Negative ökologische Effekte entstehen hauptsächlich dann, wenn zu viele Touristen zeitgleich in die Destination reisen. Besonders bei Inseln, die räumlich begrenzt sind und kaum Ausweichmöglichkeiten bestehen, ist die kritische Grenze relativ schnell erreicht. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 601) Die Belastung der Umwelt wird beispielsweise durch ein verstärktes Verkehrsaufkommen oder erhöhte Mengen an Müll und Abwasser verursacht. Außerdem können die durch den Tourismus initiierten Bauwerke, die sich nicht in das Landschaftsbild einfügen, als negative Folgen auf die ökologische Entwicklung einer Destination gewertet werden. (vgl. Bieger 2008, S. 32) 4.2.3 Soziokulturelle Effekte Die soziokulturellen Effekte beziehen sich auf die gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte einer Destination. Die unterschiedlichen Kulturen und Mentalitäten, die in einer Urlaubsdestination aufeinander treffen, stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander und beeinflussen sich. Dies kann neben positiven Effekten, wie der Förderung des kulturellen Austausches auch negative Folgen mit sich bringen. Es kann so weit gehen, dass sich die einheimische Bevölkerung entweder von den touristischen Aktivitäten in ihrer Heimat abwendet oder sich langsam von ihrer eigenen Kultur und Identität entfremdet. Mit Hilfe der touristischen Einnahmen können jedoch auch Investitionen in den Erhalt und die Pflege kulturell wertvoller Sehenswürdigkeiten getätigt werden. (vgl. Bieger 2008, S. 32, 39 ff) 5 5.1 Die Karibischen Inseln als Destination Die Karibik Die Karibischen Inseln werden oftmals auch als West Indies oder Westindische Inseln bezeichnet. Dieser Name stammt aus der Zeit des Entdeckers Christoph Kolumbus. Als er 1492 das erste Mal in der Karibik landete, ging er fälschli22 cherweise davon aus, in Indien angekommen zu sein. (vgl. Polyglott APA Guide 2006, S. 24, 332) Die Karibischen Inseln liegen im Karibischen Meer zwischen Nord- und Südamerika. Das Karibische Meer grenzt im Nordwesten an den Golf von Mexiko und die USA und im Nordosten an den Atlantischen Ozean. Im Westen und Süden wird es von den mittelamerikanischen Staaten bzw. von Venezuela und Kolumbien eingerahmt. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 210) Abbildung 2: Karte der Karibik Quelle: Brennemann 2013 Die Karibischen Inseln können in weitere kleinere Inselgruppen unterteilt werden. Bei der Zuordnung der einzelnen Inseln zu diesen Inselgruppen gibt es, je nachdem welche Quellen herangezogen werden, geringfügige Abweichungen. Die Großen Antillen bilden die Inseln Kuba, Jamaika, Hispaniola mit Haiti und der Dominikanischen Republik und Puerto Rico. Die Kleinen Antillen können in die Inseln über dem Winde und die Inseln unter dem Winde unterteilt werden. Diese Einteilung geht auf die in der Karibik vorherrschenden Passatwinde zurück. Die Inseln unter dem Winde, die vor der venezolanischen Küste liegen, sind den Passatwinden seltener ausgesetzt als die Inseln über dem Winde. Zu den Inseln unter dem Winde gehören neben den sogenannten ABC-Inseln Aruba, Bonaire und Curaçao auch venezolanische Inseln, wie Isla Margarita. Die Inseln über dem Winde können nochmals in die Leeward Islands und die Windward Islands untergliedert werden. Diese Namen lassen sich am besten 23 mit dem Wind abgewandten bzw. dem Wind zugewandten Inseln übersetzen. Folgende Inseln gehören zu den Leeward Islands: Virgin Islands, Anguilla, St. Martin, St. Barthélemy, Saba, St. Eustatius, St. Kitts & Nevis, Antigua & Barbuda, Montserrat und Guadeloupe. Die Windward Islands bestehen aus Dominica, Martinique, St. Lucia, St. Vincent & The Grenadines, Grenada, Barbados und Trinidad & Tobago. (vgl. Polyglott APA Guide 2006, S. 86 f, 332) Barbados und Trinidad & Tobago werden nicht immer zu den Windward Islands gezählt, da sie außerhalb des Bogens liegen, den diese Inseln formen. In den entsprechenden Quellen werden nur die Inseln von Dominica bis Grenada zu dieser Inselgruppe gerechnet. (vgl. Boniface/Cooper 2009, S. 582) Die Inselgruppen der Bahamas, der Turks and Caicos Islands und der Cayman Islands werden ebenfalls als Teil der Karibik angesehen. (vgl. Boniface/Cooper 2009, S. 580 ff) 5.2 SWOT-Analyse – Die Karibik als Urlaubsdestination Mit Hilfe der folgenden SWOT-Analyse soll die Karibik als Urlaubsdestination näher beleuchtet werden. Dabei werden einerseits die Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) untersucht, die sich direkt auf die Destination beziehen. Die Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) betrachten zusätzlich die externen Umwelteinflüsse. (vgl. Dillerup/Stoi 2008, S. 235) Stärken Chancen Schwächen Nahezu Ganzjahresdestination Vielfältige Natur Kulturelle und historische Sehenswürdigkeiten Geographische Nähe zum touristischen Markt der USA Einreise oftmals (abhängig von der Nationalität des Reisenden) ohne Visum möglich Hurrikansaison Hohe Kriminalität Politische Unsicherheit, Korruption Teilweise wenig ausgebaute Infrastruktur und technische Versorgung Hohe Abhängigkeit von Importgütern Erreichbarkeit nur via Flugzeug und Schiff, internationale Flugverbindungen begrenzt Urlaubsdestination Karibik Aufbau des Tourismussektors kann wirtschaftlichen Aufschwung bedeuten Schaffung von Arbeitsplätzen und Bildungsmöglichkeiten durch touristische Aktivität Kreuzfahrtankünfte: Vermarktungsinstrument und Einnahmequelle Risiken Ausgaben der Gäste sinken Abhängigkeit von Flug- und Routenplänen der Fluggesellschaften und Reedereien Hohe Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Karibikinseln Kreuzfahrtankünfte: Hohe Belastung der Umwelt bei niedrigen Einnahmen Abbildung 3: SWOT-Analyse Urlaubsdestination Karibik Quelle: eigene Darstellung und Recherche in Anlehnung an Stolpmann 2007, S. 161 24 Aus der SWOT-Analyse wird ersichtlich, dass die Kreuzfahrtankünfte sowohl eine Chance als auch ein Risiko für die gesamte Karibik bzw. für die einzelnen Inseln im Karibischen Meer darstellen. Aus diesem Grund soll in Kapitel 6 näher auf die Chancen und Risiken der Trends des Kreuzfahrttourismus eingegangen werden. 5.3 Karibikkreuzfahrten – Zahlen und Fakten Nach Erhebungen des Verbandes CLIA ist die Karibik inklusive der Inselgruppe der Bahamas die beliebteste Kreuzfahrtdestination 2013. Den Routenplänen der Reedereien zufolge wird ein Anteil von 34,4 % der branchenweiten Kapazität auf Routen in diesem Zielgebiet eingesetzt. (vgl. CLIA Cruise Lines International Association 2013, S. 15) Betrachtet man den deutschen Hochseekreuzfahrtmarkt liegt die Karibik auf dem 5. Platz der beliebtesten Kreuzfahrtdestinationen. (vgl. DRV Deutscher ReiseVerband e.V. 2013, S. 1) Um die Bedeutung des Kreuzfahrttourismus für den Incoming-Tourismus der einzelnen Inseln nachvollziehen zu können, sollen in der folgenden Tabelle die touristischen Ankünfte den Kreuzfahrtankünften gegenübergestellt werden. Hierzu werden die Daten herangezogen, die regelmäßig von der CTO Caribbean Tourism Organization veröffentlicht werden. Die Angaben beziehen sich auf das Jahr 2012 und basieren auf statistischen Informationen, die von den jeweiligen Ländern zur Verfügung gestellt werden. Da die Erarbeitung der Statistiken somit nicht zentral erfolgt, sondern von den teilnehmenden Inseln selbst durchgeführt wird, kann es bei den Erhebungsmethoden und infolgedessen bei den Ergebnissen zu geringfügigen Abweichungen kommen. Diese werden jedoch für die nachfolgende Berechnung und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen als nicht relevant betrachtet und können daher vernachlässigt werden. Inseln oder Inselgruppen, von denen keine oder nur unvollständige Daten vorliegen, werden nicht aufgeführt, da hier keine Aussagen über die vorherrschenden Verhältnisse zwischen Stop-Over Touristen und Kreuzfahrtgästen möglich sind. Als Stop-Over Touristen werden dabei alle Besucher bezeichnet, die sich mindestens 24 Stunden in einer Destination aufhalten. (vgl. CTO Caribbean Tou- 25 rism Organization 2013a, S. 1). Im Folgenden wird der Begriff Übernachtungsgast daher synonym verwendet. Stop-Over Touristen 2012 KreuzfahrtPassagiere 2012 Gesamte Ankünfte 2012 Anteil Kreuzfahrt 2012 Cayman Islands 321.650 1.507.370 1.829.020 82,4 % St. Maarten 456.720 1.753.215 2.209.935 79,3 % Dominica 78.119 266.169 344.288 77,3 % Bahamas 1.421.341 4.434.161 5.855.502 75,7 % US Virgin Islands 737.651 1.904.468 2.642.119 72,1 % Antigua & Barbuda 246.926 551.161 798.087 69,1 % Grenada 112.307 242.454 354.761 68,3 % St. Lucia 306.801 571.894 878.695 65,1 % British Virgin Islands 351.404 390.579 741.983 52,6 % St. Vincent & The Grenadines 74.364 76.996 151.360 50,9 % Curaçao 419.621 431.555 851.176 50,7 % Barbados 536.303 517.436 1.053.739 49,1 % Puerto Rico 1.569.472 1.051.719 2.621.191 40,1 % Jamaika 1.986.084 1.320.083 3.306.167 39,9 % Aruba 903.934 582.309 1.486.243 39,2 % Martinique 487.359 93.515 580.874 16,1 % 4.562.606 338.170 4.900.776 6,9 % Destination Dominikanische Republik Tabelle 3: Anteil der Kreuzfahrt am Incoming-Tourismus der Karibischen Inseln 2012 Quelle: eigene Berechnung in Anlehnung an CTO Caribbean Tourism Organization 2013b, S. 1 Die aufgeführten Inseln werden anhand des prozentualen Anteils des Kreuzfahrttourismus am gesamten Incoming-Tourismus in drei Gruppen unterteilt. Diese Einteilung basiert auf einer ausschließlich quantitativen Betrachtung der Ankünfte, ohne die Ausgaben der jeweiligen Gästegruppe zu betrachten. Sie werden zu einem späteren Zeitpunkt in diesem Kapitel analysiert. In Gruppe 1 nehmen die Kreuzfahrtankünfte einen Anteil von mehr als 60 % aller touristischen Ankünfte ein. In dieser Destination wird dem Kreuzfahrttourismus eine hohe Relevanz zugesprochen. 26 Gruppe 2 bilden die Inseln, deren Kreuzfahrtanteil zwischen 40 % und 60 % liegt. Die Gästeankünfte durch Kreuzfahrtschiffe sind ungefähr von gleicher Bedeutung wie die sonstigen touristischen Ankünfte. In Gruppe 3 fällt der Anteil der Kreuzfahrtankünfte unter 40 % des gesamten Incoming-Tourismus. Der Kreuzfahrttourismus wird als nicht sehr relevant für die jeweilige Destination erachtet. Je nachdem wie hoch der Anteil des Kreuzfahrttourismus in einer Destination ist, können diesbezüglich unterschiedliche Ziele und Handlungsmöglichkeiten verfolgt werden. Daher wird diese Einteilung in Kapitel 7 wieder aufgegriffen. Um nun die wirtschaftlichen Effekte der jeweiligen Gästegruppe genauer beurteilen zu können, wird der Gesamtumsatz durch die Übernachtungsgäste dem Gesamtumsatz durch die Kreuzfahrtpassagiere gegenübergestellt. Diese Rechnung wird anhand der Inselgruppe der Cayman Islands und der Insel Jamaika durchgeführt. Sie wurden ausgewählt, um beispielhaft sowohl eine Destination mit hoher als auch niedriger Kreuzfahrtrelevanz näher zu betrachten. Für Jamaika liegen bereits alle zur Berechnung notwendigen statistischen Daten für das Jahr 2012 vor. Da die Cayman Islands noch nicht alle Zahlen für das Jahr 2012 im Bearbeitungszeitraum veröffentlicht haben, wird die Rechnung ausschließlich anhand der statistischen Erhebungen des Jahres 2011 durchgeführt, um es zu vermeiden, Zahlen aus unterschiedlichen Jahren zu verrechnen. In einem ersten Schritt werden die Tagesausgaben der Übernachtungsgäste den Tagesausgaben der Kreuzfahrtgäste gegenübergestellt und falls notwendig in eine einheitliche Währung umgerechnet. Hierfür wurde der US-Dollar gewählt. Destination The Cayman Islands (2011) Jamaika (2012) Touristen (Stop-Over) Kreuzfahrtgäste Ausgaben pro Person und Nacht Ausgaben pro Aufenthalt 194 KYD ≈ 236,68 USD 67 KYD ≈ 81,74 USD Wechselkurs 28.07.2013 KYD:USD = 1:1,22 Wechselkurs 28.07.2013 KYD:USD = 1:1,22 117,22 USD 75,67 USD Tabelle 4: Tagesausgaben der Incoming-Touristen auf Jamaika (2012) und den Cayman Islands (2011) Quelle: Jamaica Tourist Board 2013, S. XXV; Government of the Cayman Islands 2013, S. 131; Wallstreet Online 2013, S. 1 27 Im nächsten Schritt werden die Tagesausgaben der Übernachtungsgäste mit der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer multipliziert, um die gesamten Ausgaben während des Aufenthaltes pro Übernachtungsgast zu errechnen. Abschließend wird dieses Ergebnis mit der Anzahl der Ankünfte von Stop-Over Touristen im jeweiligen Jahr multipliziert, um auf diese Weise den Gesamtumsatz durch Übernachtungsgäste im Jahr 2011 bzw. 2012 zu erhalten. Destination Tagesausgaben Stop-Over Durchschnittliche Aufenthaltsdauer Ankünfte Stop-Over Gesamtumsatz Stop-Over The Cayman Islands (2011) 236,68 USD 4,8 Tage 309.091 351.147.157,82 USD Jamaika (2012) 117,22 USD 8,8 Tage 1.986.084 2.048.717.145,02 USD Tabelle 5: Errechnung des Gesamtumsatzes durch Stop-Over Touristen auf Jamaika (2012) und den Cayman Islands (2011) Quelle: eigene Berechnung in Anlehnung an Government of the Cayman Islands 2013, S. 131; Jamaica Tourist Board 2013, S. XXII, XXV; CTO Caribbean Tourism Organization 2013b, S 1; CTO Caribbean Tourism Organization 2013c, S. 2 Da sich die Kreuzfahrtpassagiere in der Regel nur einen Tag in einer Destination aufhalten, müssen hier lediglich die Tagesausgaben der Kreuzfahrtgäste mit der Gesamtzahl der Kreuzfahrtankünfte des entsprechenden Jahres multipliziert werden. Destination Tagesausgaben pro Kreuzfahrtgast Ankünfte Kreuzfahrt Gesamtumsatz Kreuzfahrtgäste The Cayman Islands (2011) 81,74 USD 1.401.495 114.558.201,30 USD Jamaika (2012) 75,67 USD 1.320.083 99.890.680,61 USD Tabelle 6: Errechnung des Gesamtumsatzes durch Kreuzfahrtgäste auf Jamaika (2012) und den Cayman Islands (2011) Quelle: eigene Berechnung in Anlehnung an Government of the Cayman Islands 2013, S. 131; Jamaica Tourist Board 2013, S. XXV; CTO Caribbean Tourism Organization 2013b, S. 1; CTO Caribbean Tourism Organization 2013c, S, 6 Berechnet man nun auf Basis des Umsatzes den Anteil des Kreuzfahrttourismus am gesamten Incoming-Tourismus der Destinationen erhält man das folgende Ergebnis. Die Cayman Islands erwirtschafteten 2011 einen touristischen Gesamtumsatz von 465.705.359,12 USD. Hiervon entfallen 24,6 % auf die Kreuzfahrtgäste. 28 Jamaika konnte mit den touristischen Ankünften einen Gesamtumsatz von 2.148.607.825,63 USD generieren. 4,6 % davon werden durch Kreuzfahrtpassagiere eingenommen. Im Vergleich zu den zuvor ermittelten Anteilen des Kreuzfahrttourismus an den touristischen Ankünften wird hier deutlich, dass tatsächlich nur ein geringer Anteil des Umsatzes in einer Destination durch die Kreuzfahrtgäste erwirtschaftet wird. Somit ist der Einfluss auf die wirtschaftlichen Effekte in den Destinationen entsprechend gering. Entfällt auf den Cayman Islands beispielsweise im Jahr 2011 ein Anteil von 81,9 % (Berechnung wie in Tabelle 3 mit den Ankünften des Jahres 2011 aus Tabelle 5 und 6) aller touristischen Ankünfte auf die Kreuzfahrtgäste werden durch sie nur lediglich 24,6 % der Umsätze generiert. Allerdings wird nicht nur durch die Kreuzfahrtgäste ein Umsatz in der Destination erwirtschaftet, sondern auch durch die Reedereien. Ihre Ausgaben fallen in erster Linie im Bereich der Hafenwirtschaft an, wie beispielsweise in Form von Liege- und Hafengebühren, Kosten für Lotsen und Schlepper oder der Müllentsorgung und dem Einkauf von Gütern. Außerdem tätigt die Besatzung der Kreuzfahrtschiffe regelmäßige Ausgaben an Land. Laut einer von der FCCA in Auftrag gegebenen Studie übersteigen die Ausgaben der Crew teilweise sogar die Ausgaben der Kreuzfahrtpassagiere. (vgl. FCCA Florida-Caribbean Cruise Association 2012, S. 7, 10) Des Weiteren sollte der intangible Nutzen, den die Kreuzfahrt für eine Destination haben kann, nicht unterschätzt werden. Er ist allerdings nicht in Zahlen messbar. (vgl. Bieger 2010, S. 227) Dazu zählen auch die bereits zuvor erwähnten immateriellen wirtschaftlichen Effekte, wie beispielsweise die Wirkung auf das touristische Image einer Destination, die Möglichkeiten der internationalen Vernetzung oder der Bekanntheitsgrad. Sie sind für den langfristigen Erfolg einer Destination von besonders großer Bedeutung. 6 Die aktuellen Hochseekreuzfahrttrends – Chancen und Risiken aus Sicht der Karibischen Inseln In der aufstrebenden Hochseekreuzfahrtbranche sind regelmäßige Innovationen und Anpassungen an die Marktgegebenheiten unerlässlich, um aus Sicht der Kreuzfahrtunternehmen erfolgreich zu sein und es auch langfristig zu blei29 ben. Aus diesem Grund lassen sich in der Hochseekreuzfahrt unterschiedliche Trends beobachten, die für die Reedereien fast ausnahmslos positive Entwicklungen darstellen. Im Folgenden sollen daher speziell die Trends näher analysiert werden, die auch einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Destinationen haben. Hierzu zählen neben der Entwicklung der Megaliner und der Preismodelle auch die Etablierung der Privatinseln und der exklusiven Terminals. Diese Trends bringen für die Destinationen nicht nur Chancen mit sich, sondern sind oftmals auch mit Risiken verbunden. 6.1 Megaliner – Das Kreuzfahrtschiff als Zieldestination Ein bedeutender Trend in der Hochseekreuzfahrtbranche sind die immer größer werdenden Kreuzfahrtschiffe. In Kapitel 3.4.2 wurde bereits ansatzweise auf die Entwicklung der Schiffsgrößen in den letzten zehn Jahren eingegangen. War es vor einigen Jahren noch eine Sensation, wenn Kreuzfahrtschiffe mit Passagierkapazitäten von 2.000 bis 3.000 Personen in Dienst gestellt wurden, ist dies heutzutage keine Besonderheit mehr. Die Dimensionen liegen mittlerweile bei Passagierzahlen von über 6.000 Kreuzfahrtreisenden, die auf einem Schiff Platz finden – Tendenz steigend. Auch in Bezug auf die Maße der Schiffe hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Früher galt die sogenannte Panamax-Größe, die ein Schiff höchstens haben darf, um den Panamakanal passieren zu können, als maximal akzeptierte Schiffsgröße. (vgl. Jans 2010, S. 4) Sie entspricht den Abmessungen von 294,1 m Länge, 32,30 m Breite und 12,04 m Tiefgang. (vgl. Panama Canal Authority 2013, S. 2) Heutzutage sind Kreuzfahrtschiffe, die dieses Maß überschreiten jedoch keine Seltenheit mehr wie aus Tabelle 1 ersichtlich wird. Alle Schiffe unter den Top 10 der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt haben mindestens eine Länge von 325 m. Stehen bei den kleinen Kreuzfahrtschiffen immer noch die angelaufenen Häfen im Mittelpunkt der Reise, hat die Entwicklung hin zu den Megalinern und dem damit verbundenen wachsenden Freizeitangebot an Bord dazu geführt, dass diese Schiffe selbst immer häufiger zur Zieldestination werden. Die angefahrenen Häfen auf den unterschiedlichen Routen werden dabei immer mehr zur Nebensache. (vgl. o.V. 2013c, S. 1) Von den Reedereien wird dies teilweise sogar bewusst angestrebt. (vgl. Röwekamp 2009, S. 1) Verbringen die Gäste 30 mehr Zeit an Bord und weniger Zeit an Land, konzentrieren sich die Ausgaben der Passagiere auf das bordseitige Angebot. Chancen und Risiken Auf den ersten Blick bedeutet für die Destination eine steigende Anzahl an Passagieren pro Schiff auch eine steigende Anzahl an Besuchern, die in die Destination kommen und somit eine potenzielle Einnahmequelle darstellen. Durch die Kreuzfahrtgäste können einerseits direkt Umsätze generiert werden, wenn sie mit dem Kreuzfahrtschiff ankommen, von Bord gehen und in der Destination diverse Ausgaben tätigen. Andererseits können die Passagiere indirekt für zukünftige Einnahmen verantwortlich sein, wenn sie beispielsweise bei Familie und Freunden Empfehlungen für die jeweilige Destination aussprechen. Außerdem stellt jeder Kreuzfahrtgast einen potenziellen Übernachtungsgast für die Zukunft dar, der sich bei einem positiven Eindruck von der besuchten Insel eventuell für einen mehrtägigen Aufenthalt in der Destination entscheidet. Durch große Megaliner kann eine Karibische Insel ihren Bekanntheitsgrad steigern, da in kurzer Zeit sehr viele Gäste ankommen, die bei einer überzeugenden Präsentation der Destination eventuell wieder kommen oder andere Personen für diese Insel begeistern. Aus Sicht der Destinationen ist dieser Trend allerdings auch kritisch zu betrachten. Zwar reisen mit den Megalinern immer mehr Kreuzfahrtgäste, die eine potenzielle Einnahmequelle darstellen, in die Destination. Jedoch verlassen, aufgrund des vielfältigen Bordangebotes, tatsächlich immer weniger Gäste das Schiff, um Land und Leute zu erkunden. (vgl. Röwekamp 2009, S. 1) Folglich fallen deshalb wichtige Umsätze für die Destinationen ersatzlos weg. Eine weitere Herausforderung für die Destinationen stellen die Maße der Megaliner dar. Aufgrund der Größe und des Tiefgangs können viele Kreuzfahrtschiffe nicht mehr jeden Hafen anfahren. Die großen Inseln mit gut ausgebauten Hafenanlagen, Piers und großzügigen Terminals werden folglich immer gefragter und es droht eine Überlastung dieser Häfen. (vgl. Röwekamp 2009, S. 1) Besonders die kleineren Karibikinseln stellt das allerdings vor ein gegenteiliges Problem. Erlauben es die örtlichen Gegebenheiten den Megalinern nicht, direkt 31 im Hafen anzulegen, besteht das Risiko, dass die Destination durch ein besser ausgebautes Reiseziel ersetzt wird. Möchten die Reedereien trotz der großen Schiffe kleine, schwer zugängliche Inseln im Routenplan aufnehmen, bleiben ihnen meist nur zwei Möglichkeiten. Sie können entweder auf Reede liegen und einen Tender-Service für ihre Gäste anbieten oder sie müssen einen etwas außerhalb gelegenen Liegeplatz anfahren, da die zentralen Anlegestellen in der Nähe der Altstadt oder Hafenpromenade meist einen geringen Tiefgang der Schiffe erfordern. Liegt das Schiff dann nicht in unmittelbarer Entfernung zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten oder dem Stadtzentrum, wird in der Regel ein kostenpflichtiger Bustransfer angeboten. Beide Möglichkeiten sind für die Reederei und die Gäste mit einem Mehraufwand und teilweise sogar mit zusätzlichen Kosten verbunden. (vgl. Jans 2010, S. 11) Dies kann dazu führen, dass sich die Passagiere für einen entspannten Tag an Bord entscheiden und das Schiff nicht verlassen. Folglich können so weniger Einnahmen durch die Kreuzfahrtgäste in der Destination erwirtschaftet werden. Um diese Risiken abzuwenden und wettbewerbsfähig zu bleiben, entscheiden sich Destinationen oftmals für bauliche Maßnahmen, die aber auch mit hohen Kosten verbunden sind. Häufig müssen Piers und Terminals vergrößert werden oder Hafeneinfahrten ausgehoben und verbreitert werden. (vgl. Röwekamp 2009, S. 1) Des Weiteren können durch die Megaliner Probleme in Bezug auf die örtliche Infrastruktur auftreten. Kommen beispielsweise drei Megaliner mit insgesamt ca. 10.000 Passagieren zuzüglich Besatzung gleichzeitig auf einer Insel wie Dominica mit ca. 70.000 Einwohnern an, kann die Destination die Besucherströme mit der dort eingeschränkt vorhandenen Infrastruktur kaum bewältigen. (vgl. Reiss 2012, S. 51; Polyglott APA Guide 2006, S. 207) Die Vorstellung der Gäste einen idyllischen Strandaufenthalt in einer einsamen Bucht in der Karibik zu verbringen, muss dann oft der Realität weichen, die eher an einen Aufenthalt am Ballermann auf Mallorca erinnert. (vgl. n-tv.de 2011, S. 1) Außerdem stellt die Bereitstellung von ausreichend vielen Taxis, Bussen und Reiseleitern nur einen Teil der aufkommenden Schwierigkeiten dar. Sind die Sehenswürdigkeiten in der Destination aufgrund der großen Zahl an Kreuzfahrtgästen überfüllt 32 und die Besichtigungen daher mit Wartezeiten verbunden, erzeugt das oft Unzufriedenheit bei den Besuchern. Dies kann dem Image der Insel als Kreuzfahrtdestination schaden und im schlimmsten Fall auch ganz allgemein auf die Insel als Urlaubsziel übertragen werden. Die vielfältige Natur, die unterschiedlichen Landschaften und das vorherrschende Klima der Karibischen Inseln sind für viele Kreuzfahrtgäste das ausschlaggebende Argument für eine Reise in dieses Zielgebiet. Daher stellen die enormen Besucherströme, die in kurzer Zeit auf den Inseln eintreffen, eine große Herausforderung für die Destination dar und können bei unachtsamem Verhalten der Passagiere einen negativen Einfluss auf die Umwelt nach sich ziehen. Neben den Kreuzfahrtgästen stellen aber auch die Megaliner selbst eine Umweltbelastung dar. Die Emissionen der Schiffe jeglicher Art beeinträchtigen oder zerstören die Flora und Fauna an Land und im Wasser. Um diesen negativen ökologischen Effekten entgegenzuwirken und die örtlichen Gegebenheiten für möglichst viele Besucher in der Gegenwart und Zukunft sicherzustellen, sind umfangreiche, finanzielle Aufwendungen unter anderem im Bereich des Umweltschutzes notwendig. 6.2 Sinkende Preise versus steigende Kosten Als Folge der Wirtschaftskrise 2009 und nicht zuletzt als notwendige Maßnahme nach der Havarie der Costa Concordia im Januar 2012 lässt sich eine eindeutige Entwicklung in der Hochseekreuzfahrtbranche erkennen. Es sind allgemein sinkende Reisepreise zu beobachten und die Reedereien versuchen die Gäste mit Aktionspreisen oder Last-Minute Angeboten zu einer Buchung zu bewegen. Kundenbindungsprogramme oder Bordguthaben, das bei einer Buchung kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, sollen eine Abgrenzung von der Konkurrenz in einem immer stärker werdenden Preiskampf ermöglichen. (vgl. Jans 2010, S. 1, 9) Aktuell werden beispielsweise Karibikkreuzfahrten der Royal Caribbean Cruise Line, der Carnival Cruise Line oder der Norwegian Cruise Line mit Preisen zwischen 33 und 50 US-Dollar pro Nacht in einer Innenkabine angeboten. (vgl. priceline.com Incorporated 2013, S. 1) Dies dient in nachfrageschwachen Zeiten einer Erhöhung der Auslastung. Zwar können durch diese niedrigen Reisepreise kaum Gewinne erwirtschaftet werden, allerdings können so zumindest bordseitige Einnahmen durch die Gäste generiert werden. (vgl. 33 o.V. 2013d, S. 2) Die Branche hat sich nach dem Unglück der Costa Concordia relativ schnell wieder erholt, allerdings müssen zur Auslastung der zunehmenden Passagierkapazitäten auf den Schiffen und zur Gewinnung von Neukunden die niedrigen Preise vorerst beibehalten werden. (vgl. von Pilar 2012b, S. 27 f) Der Chef von TUI Cruises Richard Vogel sieht diese Entwicklung jedoch als problematisch an, da der Preis einer Kreuzfahrt im Hinblick auf die inkludierten Leistungen gegenüber einem Urlaub an Land grundsätzlich zu niedrig angesetzt ist. Hinzu kommen beispielsweise neue Regelungen in Bezug auf Abgasemissionen, die dazu führen, dass in Zukunft zwangsläufig höhere Treibstoffkosten auf die Reedereien zukommen. Die Reedereien stehen also vor der Entscheidung entweder auf einen Teil ihrer Gewinne zu verzichten, um auf diese Weise die niedrigen Preise halten zu können oder langfristig wieder eine Preiserhöhung anzustreben. (vgl. von Pilar 2013, S. 76) Chancen und Risiken Die sinkenden Reisepreise erlauben es einer größeren Anzahl an Kreuzfahrtinteressierten, tatsächlich eine Kreuzfahrt zu unternehmen. Die Schiffe sind durch niedrigere Preise besser ausgelastet und folglich kommen mehr Gäste in eine Destination, die eine potenzielle Einnahmequelle für die Karibischen Inseln darstellen. Dies lässt außerdem die Argumentation zu, dass den Passagieren dank der abnehmenden Reisekosten mehr Geld zur Verfügung steht, welches sie theoretisch direkt in der Destination ausgeben könnten. Allerdings bringt diese Ausführung auch die Möglichkeit einer gegenteiligen Betrachtungsweise mit sich. Aufgrund der Preisentwicklungen können sich nun Reisende eine Kreuzfahrt leisten, die früher nicht in die Zielgruppe dieser Reiseform gefallen sind. Die Buchung der Kreuzfahrt könnte demnach möglicherweise bereits vor Reiseantritt eine Ausreizung des verfügbaren Reisebudgets bedeuten und dazu führen, dass die Kreuzfahrtgäste auf weitere umfangreiche Ausgaben in der Destination verzichten. Aus Sicht der Reedereien müssen die sinkenden Reisepreise durch eine Bindung der Kreuzfahrtpassagiere an das Schiff kompensiert werden, um auf diese Weise die bordseitigen Einnahmen durch die Gäste zu erhöhen. Dies kann durch eine Routenplanung mit mehreren Seetagen oder kürzeren Liegezeiten in den einzelnen Häfen erreicht werden, was für die Reedereien außerdem eine 34 Ersparnis in Hinblick auf die Hafengebühren bedeutet. (vgl. Jans 2010, S. 10, 12) Um die Einnahmen durch die Passagiere an Bord zusätzlich zu steigern, können Preiserhöhungen bei Zusatzleistungen, die nicht im Reisepreis inkludiert sind, die Folge sein. Dies betrifft beispielsweise die Landausflüge, Transfers oder Getränkepreise. (vgl. o.V. 2012b, S. 1) Was aus Unternehmenssicht somit eine erstrebenswerte Strategie ist, stellt für die Destinationen ein großes Risiko dar. Die bewusste Bindung der Gäste ans Schiff und die verkürzten Liegezeiten bedeuten für die Karibischen Inseln einen Rückgang der Umsätze und folglich auch die Einschränkung der Möglichkeit, Einkommen und Wertschöpfung zu generieren und Arbeitsplätze zu sichern. Zusätzlich wird die Umwelt im Zielgebiet durch die ankommenden Kreuzfahrtschiffe belastet. Die für die Investitionen benötigten Einnahmen, um diesen negativen Effekten entgegenzuwirken, entfallen jedoch. Die bereits erwähnten steigenden Preise für Zusatzleistungen in Folge der sinkenden Reisekosten können aber auch eine Chance für die Destination bedeuten. In erster Linie für die bordseitig organisierten Landausflüge werden zunehmend höhere Preise verlangt. Diese arrangierten Landgänge werden besonders gerne aus den folgenden zwei Gründen gebucht. Die gesamte Organisation und Planung wird übernommen und sprachliche Barrieren in Destinationen, in denen die Bordsprache nicht der Landessprache entspricht, können so leichter überwunden werden. Allerdings entscheiden sich aufgrund der Preisentwicklung auch viele Gäste für alternative Angebote. Entweder werden bereits von zu Hause aus Ausflüge über andere Incoming-Agenturen gebucht oder direkt vor Ort ein Taxifahrer für die Zeit des Aufenthaltes engagiert, der die Aufgaben einer Reiseleitung übernimmt. Die Passagiere müssen sich hier zwar in der Regel mit der Landessprache arrangieren, allerdings ist der Eindruck vom Zielgebiet meist intensiver und authentischer. Des Weiteren ist eine individuelle Gestaltung des Tagesprogrammes möglich, was bei den Landausflügen, die von der Reederei organisiert werden, nicht der Fall ist. Die Destinationen haben also durchaus die Möglichkeit, Einfluss auf die soziokulturellen Effekte zu nehmen und auf diese Weise eine bessere Interaktion zwischen Einheimischen und Kreuzfahrtgästen zu erreichen. Hierfür ist allerdings eine ausreichende Kommunikation durch die Destination notwendig. 35 6.3 Private Inseln und Strände der Reedereien In der Karibik besitzen oder pachten einige Reedereien Privatinseln oder zumindest private Strandabschnitte, die ihren Gästen zur exklusiven Nutzung zur Verfügung stehen. Auf diese Weise können die Reedereien ihr Angebot ausbauen und sich von der Konkurrenz abheben. Neben zahlreichen Sport- und Freizeitmöglichkeiten werden den Gästen dort Restaurants oder sogar Erlebnisparks und Einkaufszentren geboten. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 148) In der folgenden Tabelle werden die Privatinseln bzw. Privatstrände der verschiedenen Kreuzfahrtreedereien aufgelistet. Privatinsel/ Privatstrand Land Reederei Eigentum seit Castaway Cay Bahamas Disney Cruise Line 1998 Coco Cay Bahamas Royal Caribbean International 1985 Great Stirrup Cay Bahamas Norwegian Cruise Line 1977 Half Moon Cay Bahamas Holland America Line 1998 Princess Cays Bahamas Princess Cruises 1992 Labadee Haiti Royal Caribbean International 1986 Catalina Island Dominikanische Republik Costa Crociere ohne Angabe Tabelle 7: Die Privatinseln und Privatstrände der Reedereien 2013 Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an o.V. 2013e, S. 12 f Der Erwerb eigener Inseln und Strände hat in erster Linie wirtschaftliche Gründe. Die Ausgaben der Gäste auf diesen Inseln bzw. an diesen Stränden können von den Reedereien meist direkt als Einnahmen verbucht werden, da in der Regel keine anderen Leistungsträger beteiligt sind. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 148) Außerdem können die Reedereien auf diesem Weg Liege- und Hafengebühren umgehen und es kann verhindert werden, dass gleichzeitig mehrere Kreuzfahrtschiffe in einem Hafen ankommen und somit eine Überfüllung des jeweiligen Zielortes droht. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 164) Chancen und Risiken Dieser Trend bringt aus Sicht einer Destination den Vorteil mit sich, dass auf diese Weise der Überfüllung des eigenen Hafens und somit auch der gesamten Insel entgegengewirkt werden kann. Ersetzt eine Reederei einen Hafen durch 36 das Anlaufen einer Privatinsel, verhindert dies, dass die Gäste der verbleibenden Kreuzfahrtschiffe wegen einer zu großen Anzahl an Kreuzfahrtpassagieren unzufrieden abreisen. Es hat folglich einen indirekten positiven Einfluss auf das Image der Insel. Einen weiteren positiven Aspekt für die jeweilige Destination stellt die Entlastung der Umwelt dar. Kommen weniger Kreuzfahrtschiffe in die Destination, kann sich die Natur leichter regenerieren. Neben der Luft- und Wasserverschmutzung fällt auch die Müllmenge geringer aus, wovon die einheimische Bevölkerung profitiert. Zusätzlich macht es die Insel nicht nur als Reiseziel, sondern auch als Wohnraum attraktiver. Trotz der positiven Aspekte entstehen durch das steigende Interesse an den Privatinseln auch Risiken für die Destination. Wie bereits erwähnt wurde, können die Reedereien Liege- und Hafengebühren sparen, wenn sie Zielhäfen durch einen Anlauf ihrer eigenen Insel ersetzen. Dies stellt ein hohes finanzielles Risiko für eine Destination dar, da nicht nur die Ausgaben der Reederei im Bereich der Hafenwirtschaft entfallen, sondern auch die gesamten Ausgaben der Kreuzfahrtgäste an Land ausbleiben. Erscheint die Destination dann nicht mehr in den Routenplänen der Reederei, entfallen zusätzlich immaterielle wirtschaftliche Effekte wie beispielweise die Steigerung des Bekanntheitsgrades. Die Vermarktung der Kreuzfahrtunternehmen wirkt dann nicht mehr indirekt für die Destination. Da die Reedereien die privaten Inseln oder Strände nach den Wünschen der Gäste gestalten, sind sie oftmals nicht mehr authentisch. Die dort vorherrschenden europäischen oder amerikanischen Standards entsprechen in der Regel nicht dem realistischen Bild einer Karibikinsel. Außerdem leben auf diesen Inseln meist keine einheimischen Bewohner. Es findet folglich kaum eine Interaktion zwischen den Kreuzfahrtgästen und der Bevölkerung statt, die für eine Annäherung und einen kulturellen Austausch von Bedeutung wäre. Dies kann sowohl aus Sicht der Destination als auch aus der Perspektive der Kreuzfahrtunternehmen negative Folgen haben wie das folgende Beispiel verdeutlicht. 37 Im Jahr 2010 wurde die Halbinsel Labadee trotz des schweren Erdbebens in Haiti wieder unmittelbar von den Schiffen der Royal Caribbean International Flotte angefahren, um den Kreuzfahrtgästen einen Strandaufenthalt zu ermöglichen. Dieses Verhalten der Reederei wurde kritisiert, da die Situation der Einheimischen auf diese Weise nicht respektvoll behandelt wurde. (vgl. Runge 2012, S. 3) Aus Sicht der Destination hat diese Vorgehensweise durchaus negative Folgen auf die soziokulturellen Beziehungen zwischen Einheimischen und Kreuzfahrtgästen, da bei den Betroffenen des Unglücks der Eindruck einer Art Katastrophentourismus entstehen könnte. 6.4 Exklusive Terminals Eine ähnliche Vorgehensweise wie bei der Privatisierung zahlreicher Inseln durch die Reedereien, ist in Bezug auf Kreuzfahrtterminals zu beobachten. Um bestenfalls die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren zu können, wollen die Reedereien möglichst viele Bereiche im Gesamtsystem der Kreuzfahrt einnehmen und damit die Bedingungen selbst bestimmen. Neben den Privatinseln und den Terminals besitzen einige Reedereien mittlerweile eigene Geschäfte und Hotels. (vgl. Runge 2012, S. 2) Den Bau eigener Terminals in den Destinationen streben immer mehr Kreuzfahrtunternehmen an. Damit sichern sie sich die alleinigen Nutzungsrechte und somit die Abfertigungskapazitäten. (vgl. Hamburg Port Authority 2012, S. 27) Ist der Bau eines eigenen Terminals aus Sicht einer Reederei nicht rentabel genug oder von der Destination nicht gestattet, bietet sich den Unternehmen immer noch die Möglichkeit, sich an einem solchen Großprojekt zu beteiligen. (vgl. Runge 2012, S. 2) Die folgenden aktuellen Bespiele zeigen diese Entwicklung deutlich auf. Im Hafen Port Canaveral in Florida hat beispielsweise unter anderem die Disney Cruise Line ihr eigenes Terminal. Terminal 8 steht ausschließlich den Disney Kreuzfahrtschiffen zur Verfügung. (vgl. Canaveral Port Authority 2013, S. 1) Auch in Hamburg wird momentan ein drittes Kreuzfahrtterminal geplant, um dessen exklusive Nutzung verschiedene Reedereien kämpfen. Aufgrund der begrenzten Liegeplatzkapazitäten wäre ein eigenes Terminal zur Sicherung des Standortes für die Reedereien von großer Bedeutung. (vgl. Kopp 2013, S. 1) 38 Chancen und Risiken Die Kosten für den Aufbau eines neuen Terminals können bis in die zweistelligen Millionenbeträge gehen. In der Dominikanischen Republik investiert momentan die Carnival Cruise Line 65 Millionen US-Dollar in den Bau eines Kreuzfahrtterminals, das 2014 fertig gestellt werden soll. (vgl. Pracht 2012, S. 84) Übernehmen Reedereien die gesamten Kosten oder beteiligen sich finanziell daran, sind die Investitionen für die Destinationen verhältnismäßig niedrig. Gerade in Zielgebieten wie in der Karibik können solche hohen Ausgaben eine große Belastung für den öffentlichen Haushalt darstellen und sind daher oftmals nicht aufzubringen. Dies führt aber möglichweise dazu, dass die Zielgebiete nicht mehr wettbewerbsfähig sind und die Kreuzfahrtschiffe an andere Reiseziele verlieren. Aus dieser Perspektive ergeben sich folglich durchaus Chancen für die jeweilige Destination, wenn sich eine Reederei entscheidet, an einem Standort ein Terminal zu erbauen. Jedoch sind an diese Entwicklung auch Risiken geknüpft. Mit den Investitionen in ein exklusives Terminal erlangen die Kreuzfahrtunternehmen in der Regel die alleinigen Nutzungsrechte. Somit kann die Destination nur noch einen eingeschränkten Einfluss auf die ankommenden Schiffe und die dazugehörigen Reedereien nehmen. Möchte eine Destination in Bezug auf ihren Kreuzfahrttourismus unabhängig bleiben, kann sie sich natürlich gegen den Wunsch einer Reederei zum Bau eines exklusiven Terminals aussprechen. Jedoch besteht dann die Möglichkeit, dass das Kreuzfahrtunternehmen sein Vorhaben in einer anderen Destination umsetzt. Dies ist dementsprechend auch mit der Gefahr verbunden in der Zukunft durch andere Zielgebiete ersetzt zu werden und somit aus den Routenplänen der Reederei zu verschwinden. Folglich hätte dies wiederum Auswirkungen auf die touristischen Umsätze. Besonders wenn Kreuzfahrtkonzerne ein solches Vorhaben planen und somit mehrere Reedereien betroffen sind, müssen Destinationen, die auf den Kreuzfahrttourismus angewiesen sind, die möglichen Folgen genau abwägen. 39 7 Handlungsmöglichkeiten der Destinationen am Beispiel der Karibischen Inseln Im folgenden Kapitel sollen Ziele, Strategien und Maßnahmen erarbeitet werden, die die Karibischen Inseln nutzen können, um mit den Chancen und Risiken der Kreuzfahrttrends umgehen zu können. Da nicht jede Insel dasselbe Ziel in Bezug auf den Kreuzfahrttourismus verfolgen will bzw. kann und somit auch unterschiedliche Maßnahmen zur Zielerreichung nötig sind, können die nachfolgenden Aspekte nicht einheitlich auf alle Inseln übertragen werden. Aus diesem Grund werden die in Kapitel 5.3 gebildeten Gruppen, sowie die geographischen Erläuterungen aus Kapitel 5.1 herangezogen. Die Inseln, die der Gruppe 2 zugeordnet wurden, nehmen dabei eine besondere Rolle ein. Da der Übernachtungs- und Kreuzfahrttourismus hier relativ ausgeglichen ist, können sie je nach vorherrschender wirtschaftlicher, ökologischer und sozikultureller Situation sowohl Ziele und Maßnahmen der Gruppe 1 als auch der Gruppe 3 verfolgen. 7.1 Ziele der Destinationen Bevor eine Destination ihre Maßnahmen im Umgang mit den Reedereien, den Kreuzfahrtschiffen und den Passagieren festlegen und umsetzen kann, müssen Ziele definiert werden, die in Folge der Entwicklung des Kreuzfahrttourismus erreicht werden sollen. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass Ressourcen verschwendet oder Maßnahmen ergriffen werden, die nicht der Zielerreichung dienen oder ihr sogar entgegenwirken. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Ziele so formuliert werden, dass eine Überprüfung des Erfolges möglich ist. Hierfür wird oftmals die SMARTRegel angewandt. Sie beschreibt fünf Eigenschaften, die ein formuliertes Ziel erfüllen soll, um erfolgsbringend verfolgt werden zu können. Das Ziel sollte demnach Spezifisch, Messbar, Attraktiv (Anspruchsvoll und Akzeptiert), Realistisch und Terminiert sein. (vgl. Klimmer 2009, S. 232) 7.1.1 Erhöhung der Gästezahlen Eine Destination kann sich das Ziel setzen, die Gästezahlen durch Kreuzfahrtschiffe in einem bestimmten Zeitraum zu erhöhen. Hierbei ist es möglich das 40 Ziel als Prozentangabe im Vergleich zum Vorjahr festzulegen oder den gewünschten Zuwachs an Besuchern als Zahl zu benennen. Der Zeitraum, in dem die Zielerreichung angestrebt wird, sollte zur optimalen Vergleichbarkeit mit vergangenen Perioden auf eine konstante Zeitspanne, wie beispielsweise ein Jahr, festgesetzt werden. Die Zielsetzung eine Erhöhung der Gästezahlen anzustreben, führt zu einer quantitativen Steigerung der Einnahmen im Tourismus. Dabei kann ein möglicher Rückgang der Pro-Kopf-Ausgaben der Gäste von den steigenden Besucherzahlen ausgeglichen werden. Dieses Ziel bringt allerdings auch die Folge mit sich, dass mehr Kreuzfahrtschiffe oder größere Kreuzfahrtschiffe in der Destination ankommen müssen und somit ein negativer Effekt auf die Infrastruktur und die Umwelt nicht auszuschließen ist. Dieses Ziel sollten sich folglich nur Destinationen setzen, die genügend Kapazitäten im Bereich der Hafenwirtschaft aufweisen können. Hierzu zählen eine angemessene Anzahl an Liegeplätzen, Abfertigungsmöglichkeiten und Personal. Außerdem sollten in allen Einflussbereichen der Landausflüge eine ausreichende Menge an Reiseleitern, Taxis und Bussen verfügbar sein. Zusätzlich ist eine gewisse Vielfalt des Besichtigungsangebotes notwendig, um die Besucherströme zu lenken und eine Überfüllung einzelner Orte zu vermeiden, da dies sonst negative Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung haben könnte. Die Strategie, die sich somit eher auf eine gewisse Masse an Kreuzfahrtgästen zur Generierung von Wertschöpfung konzentriert, wäre sowohl für die Inseln der Großen Antillen denkbar als auch für die Inseln, die in Kapitel 5.3 zur Gruppe 3 gezählt wurden. Die Großen Antillen verfügen über eine ausreichende geographische Größe, Infrastruktur und Anzahl an Häfen, um eine Erhöhung der Gästezahlen anstreben zu können. Durch diese Aspekte ist eine Verteilung der Gäste auf die gesamte Insel möglich, wodurch eine Überlastung einzelner Regionen oder Orte umgangen werden kann. Die Inseln der Gruppe 3 weisen einen Anteil von mindestens 60 % Übernachtungsgästen am gesamten IncomingTourismus auf. Die Anzahl der Übernachtungsgäste übersteigt somit deutlich die Anzahl der Kreuzfahrtpassagiere, woraus die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass auf diesen Inseln eine gut ausgebaute touristische Infrastruktur vorhanden sein muss. Somit haben sie auch das Potenzial, mit einer 41 größeren Anzahl an Kreuzfahrtgästen umgehen zu können. Des Weiteren bietet sich diese Strategie für die Inseln an, die ihre touristischen Ankünfte allgemein erhöhen und ihren Bekanntheitsgrad steigern wollen. Gerade für unbekannte Inseln bietet der Kreuzfahrttourismus die Chance, von den umfassenden Marketingmaßnahmen der Reedereien zu profitieren. Mit einer steigenden Anzahl an Kreuzfahrtpassagieren steigt die Möglichkeit, mehr Gäste von der Destination als zukünftiges Urlaubsziel zu überzeugen. Dabei muss auf die Auswahl der Reedereien und Kreuzfahrtschiffe geachtet werden, um keine ungewollten negativen Effekte zu erzielen. Darauf wird in Kapitel 7.2.1 näher eingegangen. 7.1.2 Senkung der Gästezahlen Im Gegensatz zu Kapitel 7.1.1 kann sich eine Destination auch das Ziel setzen, die Gästezahl durch Kreuzfahrtschiffe zu verringern. Zur Messbarkeit des Erfolges sollte die Formulierung und der Zeithorizont ähnlich gewählt werden wie bei dem Ziel des vorigen Kapitels. Bemerkt eine Destination, dass sie mit der Anzahl an Kreuzfahrtpassagieren überlastet ist und folglich die Unzufriedenheit vieler Besucher droht oder bereits vorhanden ist, sollte sie eine solche Zielsetzung in Betracht ziehen. Mit der Senkung der Gästezahl kann sichergestellt werden, dass Sehenswürdigkeiten nicht überfüllt sind und ausreichend Reiseleiter, Busse und Taxis zur Verfügung stehen. Die ankommenden Gäste können so ein Gefühl von Exklusivität und Authentizität erfahren, was sich positiv auf das Image der Insel auswirkt. Zusätzlich wird die Umwelt der Destination entlastet. Die Senkung der Anzahl an Kreuzfahrtgästen bedeutet auch die Verringerung der Einnahmen durch diese Zielgruppe. Aus diesem Grund müssen die unterschiedlichen Aspekte abgewogen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um diesen quantitativen Rückgang auszugleichen. Wie bereits erwähnt, bietet sich diese Strategie für Destinationen an, die einer Überlastung durch Kreuzfahrtpassagiere entgegenwirken wollen. Davon sind in der Regel eher die kleineren Inseln betroffen, die im Vergleich zu ihren Übernachtungsgästen eine große Anzahl an Kreuzfahrtgästen aufnehmen. Dies trifft auf die Inseln der Kleinen Antillen in Gruppe 1 zu wie beispielsweise Dominica oder die US Virgin Islands. Dieses Ziel sollte optimalerweise immer in Verbindung mit 42 den nachfolgenden zwei Zielen einhergehen, um die bereits erwähnten Umsatzeinbußen durch den Rückgang der Gästezahlen abzufangen. 7.1.3 Veränderung der Ausgabenstruktur der Gäste Ein weiteres Ziel, das sich Destinationen setzen können, ist eine Veränderung der Ausgabenstruktur der Kreuzfahrtgäste. Möchte eine Destination die Anzahl der ankommenden Kreuzfahrtschiffe und –passagiere nicht verändern, kann auf diese Weise Einfluss auf die Umsätze genommen werden. Dies kann sowohl über die Höhe der Ausgaben erfolgen als auch über die prozentuale Verteilung der Ausgaben nach den unterschiedlichen Ausgabenarten. Das Ziel, die Ausgaben zu erhöhen, stellt ein quantitatives Ziel dar. Dabei ist es nicht von Bedeutung in welchem Bereiche die Zunahme erfolgt. Wird zusätzlich die Umverteilung der Ausgabenstruktur angestrebt, wird dies zu einem qualitativen Ziel. Ungefähr die Hälfte der Ausgaben, die Kreuzfahrtgäste auf einer karibischen Insel tätigen, wird für Duty-Free Waren ausgegeben. Diese müssen in der Regel importiert werden. Gerade für kleinere Inseln, deren Entwicklung nicht so fortschrittlich ist, kann dies ein logistisches Problem darstellen. (vgl. Boniface/Cooper 2009, S. 578) Außerdem wird ein großer Teil der Wertschöpfung der importierten Produkte nicht in der Destination selbst generiert. Das Ziel muss es folglich sein, die Ausgaben der Kreuzfahrtgäste für Produkte oder Dienstleistungen zu erhöhen, die auf den Inseln selbst hergestellt werden oder bei denen eine relativ hohe Wertschöpfung erwirtschaftet werden kann. Am Beispiel der Bahamas soll im Folgenden verdeutlicht werden, wie sich eine Erhöhung der Ausgaben der Kreuzfahrtgäste auf die touristischen Umsätze in einer Destination auswirken kann. 2011 Stop-Over Touristen Kreuzfahrtgäste Erhöhung der Ausgaben Ankünfte 1.346.372 4.161.269 4.161.269 Ausgaben pro Aufenthalt 1.438 USD 84,80 USD 10,00 USD Umsatz 1.936.082.936 USD 352.875.611,20 USD 41.612.690 USD Tabelle 8: Wirkung einer Ausgabenerhöhung bei Kreuzfahrtgästen am Beispiel der Bahamas Quelle: eigene Darstellung und Berechnung in Anlehnung an Delancy 2013; CTO Caribbean Tourism Organization 2013c, S. 2, 6 43 Im Jahr 2011 wurde auf der Inselgruppe der Bahamas ein Gesamtumsatz von 2.288.958.547,20 US-Dollar durch Stop-Over Touristen und Kreuzfahrtgäste erwirtschaftet. Bei einer Steigerung der Ausgaben der Kreuzfahrtgäste um 10,00 US-Dollar pro Person würde dies einem Umsatzanstieg von 41.612.690 US-Dollar entsprechen. Diese Strategie stellt für alle Karibischen Inseln eine Möglichkeit dar, ihre Umsätze durch Kreuzfahrtpassagiere zu erhöhen. Sie sollte jedoch vor allem von den Inseln verfolgt werden, die keine Erhöhung der Gästezahl aufgrund ihrer Größe und Infrastruktur anstreben können oder wollen. Dies betrifft somit vorrangig die Inseln der Kleinen Antillen. 7.1.4 Steigerung des Bekanntheitsgrades und Verbesserung des Images Das Ziel, den Bekanntheitsgrad zu steigern und eine Verbesserung des Images anzustreben, sollte Ziel jeder Karibischen Insel sein. Es geht dabei um eine Etablierung der Insel als Tourismusstandort und ist somit ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg einer Destination. Hat eine Insel ein positives Image, wird sie von Besuchern häufiger weiter empfohlen und kann auf diese Weise ihren Bekanntheitsgrad steigern. Somit ist das Image eng mit dem Bekanntheitsgrad verknüpft. Ein positives Image und ein hoher Bekanntheitsgrad sind nicht nur für einen florierenden Kreuzfahrttourismus die Voraussetzung. Sie wirken auch auf den Übernachtungstourismus, da sich zufriedene Kreuzfahrtgäste eventuell für einen späteren Urlaub auf der Insel entscheiden. Wie in Kapitel 5.3 ersichtlich wird, sind die Einnahmen durch Übernachtungsgäste höher als die Einnahmen durch Kreuzfahrtgäste. Daher sind prinzipiell die Übernachtungstouristen eine lukrativere Zielgruppe, allerdings auch schwerer zu gewinnen. Aus diesem Grund gehen die Inseln oft den Weg über die Kreuzfahrtpassagiere, um den Übernachtungstourismus als indirekte Nachwirkung anzukurbeln und somit von den Kreuzfahrtgästen langfristig zu profitieren. 7.2 Strategische Möglichkeiten und Maßnahmen zur Umsetzung der Ziele Destinationen haben unterschiedliche strategische Möglichkeiten, um mit den Entwicklungen der Kreuzfahrttrends umzugehen. Diese hängen von den definierten Zielen der Destinationen ab. Durch unterschiedliche Maßnahmen oder 44 Maßnahmenbündel ist es möglich, diese Strategien zu verfolgen, um die definierten Ziele zu erreichen. 7.2.1 Lenkung der Art und Anzahl der Kreuzfahrtschiffe Mit einer Lenkung der Art und Anzahl an Kreuzfahrtschiffen kann sowohl das Ziel einer Erhöhung als auch einer Senkung der Kreuzfahrtgäste erreicht werden. Auf diese Weise kann außerdem Einfluss auf die durchschnittlichen Ausgaben der Reedereien und Passagiere genommen werden. Über die Hafenbehörden kann nicht nur die Anzahl der Schiffe, sondern auch die Art der Schiffe gesteuert werden. Möchte eine Destination eine Erhöhung der Gästezahlen erreichen, kann die zuständige Behörde größere oder mehr Kreuzfahrtschiffe im Hafen zulassen. Bei einer geplanten Senkung der Gästezahlen würden entsprechend kleinere Kreuzfahrtschiffe bevorzugt werden. Möchte eine Insel, dass die durchschnittlichen Ausgaben pro Kreuzfahrtgast steigen, können bei der Vergabe der Liegeplätze Reedereien vorgezogen werden, die besonders zahlungskräftige Gäste an Bord beherbergen. Dazu zählen beispielsweise Luxuskreuzfahrtanbieter wie die MS DEUTSCHLAND oder die Schiffe von Sea Cloud Cruises. Eine weitere Möglichkeit, die Ausgaben der Passagiere zu erhöhen, ist eine Erhöhung der Liegezeit bzw. die Einführung einer Mindestliegezeit. Halten sich die Kreuzfahrtgäste länger auf einer Insel auf, steigt die Chance, dass sie dort mehr Geld ausgeben. Um die Ausgaben der Reedereien in einer Destination zu erhöhen, können die Hafengebühren in Abhängigkeit der Schiffsgröße und Passagieranzahl erhoben werden. Dies wird unter anderem von Inseln wie Aruba oder Jamaika auf diese Weise durchgeführt. (vgl. Aruba Ports Authority 2013, S. 1; Port Authority of Jamaica 2007, S. 1) Zusätzlich können die Inseln eine Umweltgebühr für Kreuzfahrtschiffe einführen, wenn diese eine Bruttoraumzahl von 100.000 überschreiten. Auf diese Weise kann die Destination im Hinblick auf ihre Investitionen im Bereich des Umweltschutzes entlastet werden. Unabhängig davon wie eine Insel die Lenkung der Art und Anzahl an Kreuzfahrtschiffen umsetzt, müssen die Maßnahmen an die örtlichen Gegebenheiten, wie Infrastruktur und Umwelt, angepasst sein und dürfen damit nicht im Widerspruch stehen. 45 7.2.2 Erfüllung der Anforderungen als Wechselhafen Um das Ziel einer Ausgabenerhöhung der Kreuzfahrtgäste erreichen zu können, kann die Destination alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit sie die Anforderungen eines Wechselhafens erfüllt. In einem Wechselhafen findet regelmäßig der Crew- und Gästewechsel statt. Oftmals wird er auch als Basishafen oder Ein- und Ausschiffungshafen bezeichnet. Meist ist er somit der Anfangs- und Endhafen einer Reise, zu dem die Besatzung und die Kreuzfahrtpassagiere per Auto, Flugzeug oder mit Bus und Bahn anreisen. Dafür ist in erster Linie eine ausgebaute Infrastruktur notwendig. Neben internationalen Flugverbindungen und ausreichenden Übernachtungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Kategorien werden große Terminals zur Passagierabfertigung benötigt. Erfüllt eine Insel die genannten Voraussetzungen und wurde sie von einer Reederei als Wechselhafen ausgewählt, steigt die Chance, die Ausgaben der Kreuzfahrtpassagiere langfristig erhöhen zu können, deutlich an. Ziel ist es, dass die Gäste ein Vor- oder Nachprogramm in der Destination buchen. Dies ermöglicht der Insel, zusätzliche Einnahmen im Bereich der Beherbergung, der Gastronomie und des Transportes zu generieren. Touristen, die vor oder nach ihrer Kreuzfahrt einen mehrtägigen Aufenthalt in der Destination verbringen, sind somit sowohl Übernachtungsgast als auch Kreuzfahrtpassagier. Allerdings reicht es für den Erfolg dieser Maßnahme nicht aus, dass eine Reederei eine Insel als Wechselhafen bestimmt. Damit sich die Kreuzfahrtpassagiere für einen verlängerten Aufenthalt entscheiden, muss die Destination als Reiseziel attraktiv sein. Folglich erfordert dies unter anderem zahlreiche Sehenswürdigkeiten, eine vielfältige Natur und qualitativ hochwertige Resorts in Strandnähe, um die gewünschten Effekte erzielen zu können. Viele Gäste entscheiden sich gerade bei langen Anreisewegen für die Buchung eines Vor- oder Nachprogrammes, nicht zuletzt aus Angst, das Schiff bei einer Verspätung des Fluges zu verpassen. Speziell die Karibik stellt die optimale Destination für einen Strandurlaub vor oder nach der Kreuzfahrt dar. Die Anund Abreisepakete der Reedereien sind meist jedoch nur mit Flügen am jeweiligen Abfahrts- bzw. Ankunftstag des Schiffes im Wechselhafen buchbar, um den Organisationsaufwand möglichst gering zu halten. (vgl. Reiss 2013, S. 62 f) Da 46 diese Pakete allerdings häufig teurer sind als eine individuelle Flugbuchung, ziehen viele Gäste eine von der Kreuzfahrt unabhängige An- und Abreise vor. 7.2.3 Lenkung der Landausflüge Eine weitere Möglichkeit, die Ausgaben der Kreuzfahrtpassagiere zu erhöhen, ist eine bewusste Lenkung der Landausflüge mit Hilfe der Incoming-Agenturen. Außerdem kann mit dieser Maßnahme für eine gezielte Verteilung und Entzerrung der Besucherströme gesorgt werden und somit der Überlastung einzelner Orte oder Gebiete entgegengewirkt werden. Zusätzlich kann eine Entlastung der Umwelt erreicht werden. Eine Besucherlenkung kann generell sowohl mit Zwangsmaßnahmen als auch mit sogenannten sanften Maßnahmen erfolgen. (vgl. Schulz et al. 2010, S. 606) Dabei stehen Verbote einer indirekten moralischen Beeinflussung der Gäste gegenüber. Sind Personen oder die Umwelt akut gefährdet, muss eine Destination Zwangsmaßnahmen ergreifen, um sie zu schützen. Bei den Landausflügen können gezielt Programmpunkte eingeplant werden, die den Passagieren die Gelegenheit geben, Ausgaben zu tätigen. Auf diese Weise kann ihr Ausgabeverhalten indirekt beeinflusst werden. Wird bei einem Ausflug beispielsweise ein 30-minütiger Aufenthalt auf einem lokalen Souvenirmarkt eingeplant, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass einige Kreuzfahrtgäste dort einkaufen. Außerdem sollte ein mehrstündiger Strandaufenthalt in der Nähe von gastronomischen Betrieben durchgeführt werden anstatt an einem Strandabschnitt ohne Restaurants und Bars, um zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften. Es gibt folglich zahlreiche Möglichkeiten, mit Hilfe der Landausflüge einen positiven Effekt auf die Ausgaben der Kreuzfahrtgäste zu erzielen. Da allerdings mit der zunehmenden Anzahl an Megalinern viele Kreuzfahrtgäste das Schiff nicht mehr verlassen oder zumindest keine aufwendigen Landausflüge mehr unternehmen, müssen die Destinationen auf diese Entwicklung reagieren. Viele Vergnügungsangebote, wie Casinos, Einkaufszentren oder Restaurants im Bereich der Eventgastronomie werden daher vermehrt in der Nähe der Liegeplätze gebaut. 47 Ein Beispiel dafür findet sich in Falmouth, Jamaika. Hier wurde ein Restaurant der Margaritaville-Kette, die im Bereich der Eventgastronomie tätig ist, unweit der Pier eröffnet. (vgl. Myers 2012, S. 1) Mit Hilfe der Landausflüge kann auch eine geographische Lenkung der Kreuzfahrtgäste erfolgen und Einfluss auf die Besucherzahlen in einzelnen Orten oder Regionen genommen werden. Dies ist sowohl aus ökologischer als auch aus soziokultureller Sicht notwendig, da es für die Umwelt und die einheimische Bevölkerung eine Belastung darstellt, wenn zu viele Besucher gleichzeitig an einem Ort aufeinander treffen. In einem solchen Fall können die Ausflüge über eine maximale Teilnehmerzahl begrenzt werden. Ist die Umwelt in einem Gebiet akut gefährdet, können die geplanten Landgänge dorthin für einen gewissen Zeitraum aus dem Ausflugsprogramm gestrichen werden. Für die Gäste hat dies die Folge, dass Ausflüge ausgebucht oder nicht mehr verfügbar sind. Sie müssen sich dann meist notgedrungen für eine Alternative entscheiden und reagieren darauf entweder mit Verständnis oder Unzufriedenheit. Nichtsdestotrotz sind solche Maßnahmen notwendig, um die Umwelt zu schützen und überfüllte Orte zu entlasten. 7.2.4 Nutzung der Kreuzfahrtschiffe als Marketingmaßnahme Um das Ziel der Imageverbesserung und Steigerung des Bekanntheitsgrades zu erreichen, kann eine Destination den Kreuzfahrttourismus als Marketingmaßnahme nutzen. Außerdem kann sie indirekt von den beträchtlichen Marketingbudgets der Kreuzfahrtunternehmen profitieren. Da die daraus entstehenden Effekte für die Destination nicht in Zahlen messbar sind, wird ein intangibler Nutzen erzielt. Das stetige Wachstum der Kreuzfahrtbranche in Verbindung mit zunehmenden Umsätzen, ermöglicht den Reedereien umfangreiche Investitionen im Bereich der Vermarktung zu tätigen. Die Kreuzfahrtunternehmen müssen in einem zunehmenden Wettbewerb bestehen und daher zahlreiche Kommunikationsmaßnahmen ergreifen. Da die Marketingbudgets der Destinationen in der Regel nicht so hoch sind wie die der international agierenden Kreuzfahrtkonzerne, kann deren Vermarktungsstrategie eine größere Anzahl an potenziellen Gästen erreichen. Wird eine Insel dann als besonderes Highlight einer außergewöhnli- 48 chen Route beworben, profitiert davon nicht nur die Reederei. Obwohl diese Werbemaßnahmen in erster Linie auf Kreuzfahrtgäste ausgerichtet sind, können dadurch auch Zielgruppen anderer Reisearten angesprochen werden. Eine Destination hat folglich nicht nur die Chance, auf sich als Kreuzfahrtdestination aufmerksam zu machen, sondern auch als Reiseziel allgemein. Jedoch ist es für eine Insel in diesem Fall kaum möglich, auf die kommunizierten Inhalte der Marketingkampagnen großer Kreuzfahrtkonzerne Einfluss zu nehmen. Daher sind Kooperationen im Bereich der Vermarktung eine mögliche Alternative. Sie können zwischen Reedereien und einzelnen Inseln oder aber auch ganzen Regionen bestehen. 7.3 Exkurs: Fallbeispiele anderer Destinationen Aus den vorangehenden Kapiteln wird ersichtlich, dass die Destinationen unterschiedliche Möglichkeiten haben, um mit den Entwicklungen der Hochseekreuzfahrtbranche umzugehen. Zahlreiche Destinationen versuchen sich, gegen das scheinbar unaufhörliche Wachstum der Branche zu wehren, da sie vor allem ihre Umwelt bedroht sehen. Im Folgenden sollen daher einige Beispiele aufgeführt werden, bei denen die Proteste der Destinationen erfolgreich verliefen. In Florida haben sich die Bewohner von Key West für eine geringere Anzahl an Kreuzfahrtschiffen, die in ihrem Hafen anlegen dürfen, eingesetzt. Auch auf der Insel Molokai, die zu Hawaii gehört, haben die Einwohner gegen die ankommenden Kreuzfahrtschiffe protestiert. Außerdem konnte in Australien der geplante Neubau eines Kreuzfahrtterminals an der Golden Coast verhindert werden. (vgl. Runge 2012, S. 4) Bekanntestes und gleichzeitig auch schwerwiegendstes Beispiel im Kampf gegen die Entwicklungen des Kreuzfahrttourismus stellen die Proteste gegen die steigende Anzahl an Kreuzfahrtschiffen in Venedig, Italien dar. Die Stadt, die in einer Lagune auf über 100 Inseln errichtet wurde, sinkt aufgrund der örtlichen, geologischen Gegebenheiten seit Jahrzehnten immer weiter ab. Zusätzlich zu dieser Problematik wird Venedig von den Folgen des Tourismus stark belastet. Zwar stellt er die Haupteinnahmequelle dar, allerdings hat die Stadt auch besonders wegen der zunehmenden Anzahl an Kreuzfahrtschiffen einige Herausforderungen zu bewältigen. (vgl. Fehr 2009, S. 1 ff) Neben der 49 Unfallgefahr ist die Umweltverschmutzung der größte Kritikpunkt am wachsenden Kreuzfahrtaufkommen in Venedig. Die Kreuzfahrtschiffe fahren in ca. 300m Entfernung am Markusplatz vorbei, was nach der Havarie der Costa Concordia für Diskussionen sorgt. Außerdem beschädigen die von den Kreuzfahrtschiffen verursachten Wellen die Bausubstanz der historischen Altstadt. Zusätzlich verschmutzen die Emissionen die Luft und das Wasser in der Lagune. Da Venedig jährlich ca. 650 Ankünfte von Kreuzfahrtschiffen zählt, sollte diese Entwicklung und ihre Folgen nicht unterschätzt werden. (vgl. o.V. 2012c, 1 f) 8 Fazit und Zukunftsausblick „Wenn du ein Schiff bauen willst, so fange nicht damit an, Holz zu sammeln, Planken zu schneiden und die Arbeit einzuteilen, sondern erwecke in den Menschen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ – Antoine de Saint-Exupéry Unabhängig davon, wohin sich die Branche in den nächsten Jahren entwickeln wird, muss genau das im Fokus eines jeden Kreuzfahrtunternehmens stehen. Um langfristig erfolgreich sein zu können, müssen die Reedereien ihre Gäste immer wieder aufs Neue für diese Art des Reisens begeistern. Dafür stehen den Unternehmen die unterschiedlichsten Wege zur Verfügung. Für die Zukunft der Kreuzfahrt gibt es in jedem Fall zahlreiche Visionen, deren Realisierbarkeit sich früher oder später zeigen wird. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben erkennen lassen, dass das Kreuzfahrtschiff immer öfter selbst zur Destination wird und zunehmend weniger Gäste das Schiff für Landausflüge verlassen. Wird es also irgendwann eine Kreuzfahrt ganz ohne Landgang geben, bei dem das Schiff die gesamte Reisezeit auf See verbringt? Oder verlässt das Kreuzfahrtschiff eines Tages gar nicht mehr den Hafen? (vgl. DasErste.de 2010, S. 2) Dies sind nur einige Fragen, mit denen sich die Branche momentan beschäftigt. Ein weiteres visionäres Zukunftskonzept mit Potenzial ist die Nutzung eines Schiffes als eine Art schwimmende Insel. Dabei geht ein großes Schiff in der Nähe einer Inselgruppe vor Anker und die Passagiere werden von dort aus mit Booten und Wasserflugzeugen auf die unterschiedlichen Inseln gebracht. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 39; DasErste.de 2010, S. 2) Viele Kritiker fragen sich allerdings nach dem Unglück der Costa 50 Concordia, ob das ungebremste Wachstum der Branche nicht jetzt schon an seine Grenzen stößt und die maximal mögliche Schiffsgröße in Bezug auf die Sicherheit der Kreuzfahrtschiffe bereits erreicht ist. Wie zutreffend diese Befürchtung ist, lässt sich momentan noch nicht genau abschätzen. Betrachtet man jedoch den Kreuzfahrtmarkt in Asien, scheint das Maximum noch lange nicht erreicht zu sein. Der asiatische Kontinent bietet nämlich zukünftig nicht nur als Zieldestination, sondern auch als Quellmarkt ein großes Wachstumspotenzial für die gesamte Kreuzfahrtbranche. (vgl. Schulz/Auer 2010, S. 39) Für die Karibischen Inseln bedeutet dies ebenfalls die Chance, am Wachstum der Kreuzfahrtbranche teilhaben zu können. In welchem Maße dies allerdings sinnvoll ist, muss jeder Ort, jede Region oder jede Insel selbst entscheiden. Nicht selten geht mit der finanziell profitablen Wachstumschance auch das Risiko einher, die Existenz der kostbaren Natur und Landschaft zu gefährden. Nichtsdestotrotz ist der Kreuzfahrttourismus für die Karibischen Inseln nicht nur eine bedeutende Einnahmequelle, auf die sie nicht verzichten können und wollen. Er bietet den Inseln zusätzlich die Chance, auf sich als Reiseziel aufmerksam zu machen, in dem sich ein mehrtätiger Aufenthalt durchaus lohnt. Folglich geht es für die Karibischen Inseln nicht darum, sich für oder gegen den Kreuzfahrttourismus zu entscheiden. Vielmehr muss jede Insel für sich die optimale Kombination aus Kreuzfahrt- und Übernachtungstourismus finden, um ihr Potenzial voll ausschöpfen zu können. 51 Quellenverzeichnis Aruba Ports Authority (2013): Port tariffs for Ports of Oranjestad and Barcadera, http://www.arubaports.com/wp-content/uploads/2011/08/Port-tariffsApril-1-2013.pdf, Stand: 15.08.2013 Bahn, Uwe; Bohmann, Johannes (2012): Kreuzfahrt Guide 2013, Für den perfekten Urlaub auf dem Wasser, BELLEVUE AND MORE GmbH, Hamburg Bieger, Thomas (2008): Management von Destinationen, 7. Auflage, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Bieger, Thomas (2010): Tourismuslehre – Ein Grundriss, 3. 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Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß zitiert wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit hat in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen. ________________________ ________________________ Ort, Datum Unterschrift 60 Anhang E-Mail-Verkehr mit Georgina Delancy, General Manager – Research & Statistics Dept., The Bahamas Ministry of Tourism, 26.07.2013 61 E-Mail Verkehr mit der Hafenbehörde von Jamaika (Port Authority of Jamaica; Kerri-Ann Mc Lean), 31.07.2013 62 E-Mail-Verkehr mit Ryan Wahlstrom, Herausgeber Homepage CruiseMarketWatch.com, 23.05.2013 63
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