Ein Wegweiser zur sozial verantwortlichen Beschaffung in Kommunen

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Ein Wegweiser zur
sozial verantwortlichen
Beschaffung in Kommunen
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in Kooperation mit
Herausgeberin:
Christliche Initiative Romero (CIR)
Breul 23, 48143 Münster
Telefon 0251 / 8 95 03 | Fax 0251 / 8 25 41
E-Mail: [email protected] | www.ci-romero.de
Mitherausgeber:
terre des hommes Deutschland
Ruppenkampstraße 11a, 49031 Osnabrück
Telefon 0541 / 710 10
www.tdh.de
Redaktion:
Christian Wimberger (V.i.s.d.R), Johanna Fincke
Teile der Publikation basieren auf dem im Jahr 2010 von
FIAN und anderen Organisationen herausgegebenen
Leitfaden „Öko-soziale Beschaffung jetzt!“.
Die Veröffentlichung wurde mit finanzieller Unterstützung
der Europäischen Union ermöglicht. Für den Inhalt dieser
Veröffentlichung sind allein die HerausgeberInnen verantwortlich; der Inhalt kann in keiner Weise als Standpunkt
der Europäischen Union angesehen werden.
Spendenkonto:
Christliche Initiative Romero
Konto Nr. 3 11 22 00
Darlehenskasse Münster
BLZ 400 602 65
IBAN DE67 4006 0265 0003 1122 00
BIC: GENODEM1DKM
2
Lektorat:
Annette Spitzmesser
Fotos und Grafiken:
siehe Bildunterschriften
Layout:
Marco Fischer, Erlangen, www.grafischer.com
Druck:
Hermann Kleyer, Münster
Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier
April 2015
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Kapitel 1: Gute Gründe für FAIRgabe.......................................................................................... 6
Argumente und Strategien für eine sozial verantwortliche Beschaffung
1.1 Argumentationshilfen für eine sozial verantwortliche Beschaffung ..............................................................................7
Inhalt
Einleitung ...................................................................................................................................................................................... 4
Ethische Gründe für menschenwürdige Arbeitsbedingungen im Globalen Süden................................................................................ 7
Internationale Normen und Pakte ................................................................................................................................................................ 9
Argumente für die Kommunalverwaltung..................................................................................................................................................10
1.2 Strategien für eine faire Stadt – so können Sie vorgehen..............................................................................................13
Anfangen .........................................................................................................................................................................................................13
Weitermachen.................................................................................................................................................................................................14
Nicht unterkriegen lassen..............................................................................................................................................................................16
Kapitel 2: Beschaffung konkret................................................................................................18
Grundlagen, Herausforderungen und gute Beispiele
2.1 Rahmenbedingungen der öffentlichen Beschaffung in den Kommunen.....................................................................19
Die neue EU-Richtlinie....................................................................................................................................................................................19
Weitere gesetzliche Grundlagen.................................................................................................................................................................. 20
Beschaffungsorganisation............................................................................................................................................................................21
2.2 Ablauf eines Vergabeverfahrens und Anleitung für die Aufnahme sozialer Kriterien ............................................ 22
Der Ablauf eines Vergabeverfahrens ......................................................................................................................................................... 22
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur FAIRgabe............................................................................................................................................... 24
2.3 Herausforderungen der sozial gerechten Vergabe und Lösungsansätze .................................................................. 25
Herausforderungen........................................................................................................................................................................................ 25
Lösungsansätze ............................................................................................................................................................................................ 26
.
-------------------------- Herausnehmbarer Innenteil: der große FAIRNESS-Check
---------------------------------
2.4 Gute Beispiele – zur Nachahmung empfohlen .............................................................................................................. 27
Die Kommune München: Vorreiter für nachhaltige Beschaffung.......................................................................................................... 27
Nachhaltige Beschaffung in Mainz............................................................................................................................................................. 29
Stadt Dortmund: Gute strukturelle Voraussetzungen für die faire Beschaffung................................................................................. 30
Kapitel 3: Der Bedarf zum Handeln......................................................................................... 32
Klassische Produkte für die FAIRgabe
3.1 Kaffee, Tee, Orangensaft und weitere Lebensmittel .................................................................................................... 33
3.2 Natursteine: mehr als Kinderarbeit.................................................................................................................................. 35
3.3 Arbeitsbekleidung schützt jene, die sie tragen, aber nicht die, die sie herstellen...................................................... 38
3.4 Spielzeug verantwortlich einkaufen.................................................................................................................................41
3.5 Informations- und Kommunikationstechnologie: neue Ansätze für eine sozial verantwortliche
öffentliche Beschaffung..................................................................................................................................................... 43
3.6 Fair Flowers – mit Blumen für Menschenrechte............................................................................................................ 45
Kapitel 4: Blick über den Tellerrand...................................................................................... 47
Druck auf Kommunen und Unternehmen durch Vernetzung, Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit
Kontakte...................................................................................................................................................................................... 49
Bestellschein................................................................................................................................................................................51
Die Christliche Initiative Romero ............................................................................................................................................ 52
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
3
Einleitung
Wie fair kauft meine Stadt
Wegweiser zur sozial
verantwortlichen Beschaffung
in Kommunen
Die verheerenden Fabrikkatastrophen in Pakistan 2012 und Bangladesch 2013, die insgesamt 1.382
Menschen das Leben kosteten, haben sich in unser Gedächtnis gebrannt. Auf drastische Weise haben sie uns vor Augen geführt, dass die Profitgier der Konzerne tatsächlich tödlich ist, wenn man ihr
in Ländern, wo der Schutz der Menschenrechte vernachlässigt wird, keine Grenzen setzt.
Profitgier, die tötet
Dabei sind diese Katastrophen nur die Spitze des Eisbergs.
Und sie betreffen auch nicht nur den Textilsektor. Demütigungen und Ausbeutung sind für die ArbeiterInnen in
sämtlichen Exportsektoren des Südens eine katastrophale
Realität, mit der sie sich täglich konfrontiert sehen. Seit einiger Zeit bemühen sich verschiedene Initiativen, der Missachtung internationaler Arbeitsrechte einen Riegel vorzuschieben, indem sie Druck auf Unternehmen ausüben und
die Verantwortung der KonsumentInnen aufzeigen.
Mit dem öffentlichen Einkauf
die Welt verändern?
In den letzten Jahren sind nicht nur private EinkäuferInnen
sondern auch ein weiterer Konsument in den Fokus entwicklungspolitischer Kampagnen gerückt: die öffentliche
Hand. Mit ihrer Einkaufsmacht können die kommunalen
BeschafferInnen auf ein mächtiges Instrument zurückgreifen und ein Zeichen gegen ausbeuterische Arbeit in globalisierten Märkten setzen.
4
zeigt, dass viele Berufsbekleidungsunternehmen, die die
öffentliche Hand beliefern, seit Kurzem über einen Verhaltenskodex für Zulieferbetriebe verfügen oder weitergehende Maßnahmen in der Lieferkette umgesetzt haben. Unternehmen stellen sich diesen Veränderungen nicht nur aus
sozialem Verantwortungsbewusstsein, sondern vor allem
auch deshalb, weil die Nachfrageseite immer häufiger die
Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte fordert.
Stand der verantwortlichen
öffentlichen Beschaffung
Einige Kommunen haben bereits erste Erfahrungen mit der
Beschaffung von Fairtrade-Produkten gemacht oder sich
an komplexere Produktgruppen wie Bekleidung und Computer herangetastet. Daneben zwingen Vergabegesetze
in einigen Bundesländern die Kommunen inzwischen, die
Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bei der Herstellung sog. gefährdeter Produkte einzufordern.
Der Wert der von öffentlichen Einrichtungen in Deutschland
eingekauften Güter und Dienstleistungen beträgt jährlich
schätzungsweise zwischen 250 und 480 Milliarden Euro.
Das sind ca. 16 bis 18 Prozent des Bruttosozial­produkts.
Mit dieser enormen Marktmacht können Kommunen auf
die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten bei der
Herstellung ihrer Produkte beharren und so die Einkaufspolitik der Unternehmen nachhaltig ändern.
Doch trotz aller Fortschritte: das Potenzial der verantwortlichen öffentlichen Beschaffung ist noch lange nicht ausgeschöpft. Viele Kommunen bleiben beim öffentlichkeitswirksamen Einkauf von Fairtrade-Kaffee stehen, verankern
die sozialen Anforderungen nicht systematisch und prüfen
die Angaben der Unternehmen nicht. In den meisten Fällen
bleiben Produktgruppen wie Berufsbekleidung, Natursteine und IT-Produkte, die komplizierte Lieferketten durchlaufen und zu größeren Marktanteilen eingekauft werden,
außen vor.
Dieser Einfluss zeigt sich schon jetzt: eine Unternehmensbefragung der Christlichen Initiative Romero (CIR) hat ge-
Aber gerade diese Produkte sind wichtig, weil es bei ihrer
Herstellung oft zu schwerwiegenden Menschenrechtsver-
Einleitung
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Der Einsturz der Fabrik Rana Plaza ist auch eine Mahnung an die öffentliche Hand, sich für würdige Arbeitsbedingungen in Lieferketten einzusetzen. Foto: Gisela Burckhardt
brechen kommt und Kommunen hier durch die Forderung
glaubwürdiger Nachweise reale Veränderungen bewirken
können. Eine wirklich faire Stadt zu werden, ist sicherlich
nicht die leichteste Aufgabe, aber eine sehr effektive, um
Ausbeutung und Armut ein Ende zu setzen.
Die Herausforderung, glaubhaft
fair zu werden
Die Umstellung des kommunalen Einkaufs auf sozial und
ökologisch kann nur in guter Zusammenarbeit zwischen
NGOs, lokalen ehrenamtlichen Gruppen und der kommunalen Verwaltung umgesetzt werden.
So kann es gehen:
1.
Entwicklungspolitische Organisationen machen in
ihren Kampagnen den Zusammenhang zwischen
Konsummustern im Norden und Ausbeutungsverhältnissen im Süden sichtbar.
2.
Lokale Gruppen wie Fairtrade-Towns Steuerungsgruppen, Weltläden, kirchliche Gruppen oder Mitglieder
der Lokalen Agenda 21 können diese Kampagnen
aufnehmen und positiven Druck auf ihre Kommunen ausüben, damit diese erste Beschlüsse für fairen
Einkauf fassen oder weiterführende Maßnahmen
ergreifen.
3.
Die Verwaltungskräfte haben dann die anspruchsvolle
Aufgabe, die Beschlüsse in konkreten Ausschreibungen für bestimmte Produktgruppen umzusetzen.
Daraus ergeben sich oft komplexe Fragen nach
Kontrolle und Nachweis, die für die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern eine
zentrale Rolle spielen. Auch bei diesen Fragen können
NGOs und öffentliche Servicestellen helfen.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
4.
Um weitere Kommunen und Institutionen zu überzeugen, ist schließlich eine gute Öffentlichkeitsarbeit
erforderlich, durch die erste Erfolge bekannt gemacht
und in größere Zusammenhänge gestellt werden.
Wie fair kauft meine Stadt?
Der vorliegende Leitfaden ist eine wichtige Grundlage für
die Kampagne „Wie fair kauft meine Stadt?“. Das Projekt
soll engagierte Menschen und Gruppen motivieren nachzufragen, inwieweit ihre Stadtverwaltungen die Verantwortung für menschenwürdige Arbeitsbedingungen ernst
nehmen. Ziel ist es, die Zusammenarbeit verschiedener Ini­
tiativen zu fördern und dadurch konkrete Erfolge in Städten zu erzielen.
Die Publikation richtet sich an Fairtrade-Towns Steuerungsgruppen, terre des hommes Ortsgruppen, Weltläden
und andere entwicklungspolitische Vereine sowie kirchliche Verbände, kommunale BeschafferInnen und Privatpersonen, die sich für eine Beschaffung unter sozialen
Gesichtspunkten engagieren wollen. Sie nähert sich dem
Thema aus zwei Perspektiven. Lokalen Gruppen werden
Argumentationsstrategien und Anregungen für öffentlichkeitswirksame Aktionen vermittelt. Und kommunale
BeschafferInnen erhalten nützliche Tipps für bestimmte
Produktgruppen sowie gute Beispiele und Lösungsansätze
für juristische Probleme beim Einkauf.
Zwischen diesen beiden Perspektiven gibt es aber keine
strikte Trennung. So können Verwaltungsangestellte auch
auf die Argumentationsstrategien zurückgreifen oder
ehrenamtliche Gruppen die Kommunen bei Fragen zu
Nachweis und Kontrolle der Angaben der Unternehmen
unterstützen. Vor allem zur breiteren Sensibilisierung der
Öffentlichkeit, für die Überzeugung weiterer Kommunen
und für die politische Lobbyarbeit (siehe Kapitel 4) ist eine
Zusammenarbeit nötig und wünschenswert.
Einleitung
5
KAPITEL 1
Gute Gründe für FAIRgabe:
Argumente und Strategien für eine
sozial verantwortliche Beschaffung
Um anspruchsvolle soziale Kriterien in den öffentlichen Einkauf zu integrieren, ist oft eine ganze Menge Überzeugungsarbeit nötig. Denn obwohl einige
Vorreiter-Kommunen bereits ihre Verantwortung im Zusammenhang mit ihren
Beschaffungsaktivitäten erkannt haben, wird ethischer Konsum immer noch
weitgehend mit dem Einkauf privater Haushalte in Verbindung gebracht.
I
n den meisten Städten ist das Bewusstsein für die Verantwortung, die Einhaltung internationaler Arbeitsrechte bei der Beschaffung öffentlicher Güter sicherzustellen, noch nicht ausreichend verbreitet. Hier müssen
deshalb sowohl die Bevölkerung als auch die BürgermeisterInnen, StadträtInnen und MitarbeiterInnen in Verwaltungsabteilungen überzeugt werden. Da dies besonders
dort, wo die Skepsis oder der Widerstand groß ist, keine
leichte Aufgabe ist, sollten Sie eine Argumentationsstrategie als Grundlage für Ihre lokale Kampagne entwickeln.
Auch in Kommunen, in denen bereits einige Fairtrade-Produkte auf dem Einkaufszettel stehen, sollte mit Hilfe durchdachter Argumente die verantwortliche Beschaffung einer
größeren Produktpalette gefordert werden. Eine wichtige
Funktion der Argumentationsstrategie besteht nicht zuletzt auch darin, auf die üblichen Vorurteile vieler kommunaler BeschafferInnn vorbereitet zu sein und diesen gezielt
widersprechen zu können.
Auf den folgenden Seiten finden Sie einige Sprechblasen
mit gängigen Ausreden, die Sie mit den im Text genannten Argumenten widerlegen können. Außerdem werden in
diesem Kapitel einige zentrale Argumentationsbausteine
nach thematischen Feldern geordnet dargestellt. Auf diese können nicht nur lokale Gruppen zurückgreifen, sondern
auch BeschafferInnen oder Stadtratmitglieder, die „von
innen“ für eine Umstellung der kommunalen Beschaffung
auf fair und ökologisch werben wollen.
6
Kapitel 1
Argumente und Strategien
Bei der Erarbeitung einer Argumentationsstrategie können
Sie je nach thematischem Arbeitsfeld Ihrer lokalen Gruppe
eigene Schwerpunkte setzen. Kommunale BeschafferInnen können zum Beispiel mit dem Ausstrahlungseffekt auf
andere Städte werben. Weltläden können sich auf die Produktionsbedingungen in bestimmten Ländern konzentrieren. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt!
Kreativität ist auch gefragt, wenn es darum geht, die Argumentationsstrategie einzusetzen. Im zweiten Teil des
Kapitels erhalten Sie Tipps, wie Sie Ihre Forderungen kommunizieren und konkret mit Ihren Kommunen zusammenarbeiten können.
Sowohl für die Erarbeitung Ihrer individu­
ellen Argumentationsstrategie als auch bei
der Planung und Umsetzung Ihrer individuellen Kampagne unterstützen Sie die
MitarbeiterInnen der Christlichen Initiative
Romero (CIR) im Rahmen der Kampagne
„Wie fair kauft meine Stadt?“
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
1.1 Argumentationshilfen
für eine sozial verant
wortliche Beschaffung
Ethische Gründe für
menschen­würdige
Arbeitsbedingungen im
Globalen Süden
In Zeiten, in denen die Welt immer enger zusammenwächst, fällt es schwer zu begreifen, warum transnationale Unternehmen in den sog. Billiglohnländern rücksichtslos
Mensch und Natur ausbeuten können, ohne für ihre Vergehen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Während sie
hierzulande wenigstens über Recht und Gesetz dazu angehalten sind, grundlegende Standards einzuhalten, scheinen Unternehmen in Ländern mit niedrigen Sozial- und
Umweltstandards beinahe Narrenfreiheit zu genießen –
auf Kosten von Mensch und Natur. Das muss sich ändern!
Mit folgenden Argumentationsbausteinen können Sie auf
die ethische Verantwortung der Kommunen hinweisen.
Die Abwärtsspirale stoppen
Unternehmen versichern immer wieder, dass sie nicht für
Arbeitsrechtsverletzungen im Ausland verantwortlich
sind. Abwechselnd wird die Verantwortung auf die Regierungen oder die Zulieferbetriebe abgewälzt. Es seien die
Regierungen der Produktionsländer, welche die Mindestlöhne festlegen und nicht ausreichend für die Einhaltung
von grundlegenden Standards sorgen, nicht die Unternehmen, die die Aufträge an die Zulieferbetriebe vergeben.
Außerdem würden die Arbeitsrechtsverletzungen von den
BesitzerInnen der Zulieferfabriken begangen. Man könne
nicht jede Fabrik überwachen, um die ArbeiterInnen vor der
Willkür der VorarbeiterInnen und FabrikbesitzerInnen zu
schützen. So argumentieren immer wieder SprecherInnen
der Unternehmen.
In Wahrheit profitieren die Unternehmen aber nicht nur
von diesen Verhältnissen, sondern sind auch an deren
Aufrechterhaltung oder sogar Verschlechterung beteiligt.
Transnationale Unternehmen setzen die Regierungen der
Länder des Globalen Südens ständig explizit oder implizit
unter Druck, die Mindestlöhne sowie die Sozial- und Umweltstandards möglichst niedrig zu halten. Das Ergebnis
des ständigen Drucks ist ein internationaler Konkurrenzkampf, in dem sich die Regierungen gegenseitig bei der
Verwässerung von Arbeits- und Umweltschutzgesetzen
unterbieten und sogar Sonderwirtschaftszonen mit weitreichenden Steuervorteilen für Unternehmen einrichten,
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Gängige Ausrede:
„Es liegt nicht in der
Verantwortung der
Kommunen, die Welt zu
verbessern!“
T!
ERLEG
WID
damit die Unternehmen ihre Produktionsstandorte nicht in
andere Länder verlegen.
Langfristig müssen die Industrieländer, in denen die von Billiglöhnen profitierenden Unternehmen ihren Hauptsitz haben, der gegenseitigen Unterbietung einen Riegel vorschieben. Sie müssen den Unternehmen verbindliche gesetzliche
Regelungen für die gesamte Zulieferkette auferlegen und
sie für Vergehen, die in ihrem Markennamen begangen
werden, haftbar machen. In Deutschland kann jede Person
zur Verantwortung gezogen werden, ein Unternehmen
jedoch nicht. Erst wenn es sich für die Unternehmen nicht
mehr lohnt bzw. nicht ohne Risiko möglich ist, so billig wie
möglich zu produzieren, wird sich ihr Verhalten ändern.
Dies kann durch Sanktionen und KonsumentInnenverhalten bewirkt werden. Die Kommunen sind Großkonsumentinnen und können mit ihrem Einkauf ein wichtiges Zeichen
gegen die Profitgier der Unternehmen setzen.
„Die Löhne wurden reduziert. Wir hatten 430 Euro,
dann nur noch 330 Euro. Sie
können sich nicht vorstellen,
was für eine Katastrophe das
für die Familie bedeutete.“
Slowakische Arbeiterin.
Quelle: Clean Clothes Campaign (2014): Im Stich gelassen. Die Armutslöhne der Arbeiter­innen in Kleiderfabriken in Osteuropa und der Türkei: http://
lohnzumleben.de/wp-content/uploads/2014/06/CCCGE-Report-GER-DEF-LR-spreads.pdf.
Kapitel 1 Argumente und Strategien
7
Arbeitsrechtsorganisationen wie die vietnamesische Organisation CDI setzen sich weltweit für die Rechte der ArbeiterInnen in den
Exportsektoren ein. Foto: CDI
Keine Menschenrechtsverbrechen
mit Steuergeldern
Extraterritoriale Pflichten
des Staates
Einkäufe in Kommunen werden mit öffentlichen Geldern
getätigt, d. h. größtenteils mit Steuergeldern, die jede(r)
BürgerIn zahlt. Prangern Sie in Ihrer Kampagne an, dass die
Bevölkerung über die öffentliche Vergabe die Ausbeutung
der ArbeiterInnen in Bangladesch, Pakistan, Vietnam oder
El Salvador durch transnationale Unternehmen mitfinanziert. Die Kommunen müssen die öffentlichen Gelder verantwortungsvoll ausgeben, indem sie nicht nur öffentliche
Bedürfnisse befriedigen, sondern auch auf das Wohl der
Menschen achten, die unmittelbar von der Produktion der
Güter betroffen sind.
In einer globalisierten Welt, in der das Handeln lokaler
Akteure verheerende globale Auswirkungen haben kann,
darf sich die Politik zum Schutz der Menschenrechte und
zum Erhalt der ökologischen Lebensgrundlagen nicht auf
das Territorium eines Staates beschränken. Die Staaten
müssen auch ihrer globalen Verantwortung gerecht werden. Auch wenn handfeste rechtsstaatliche Normen nicht
einfach auf das Handeln von Unternehmen im Ausland
übertragen werden können, haben Staaten und öffentliche Einrichtungen die völkerrechtliche Verantwortung, von
Konzernen mitverschuldete Menschenrechtsverletzungen
zu verhindern.
Dass menschenunwürdige Arbeitsbedingungen nicht nur
von Unternehmen mit Unternehmenssitz in Deutschland
verschuldet, sondern auch von Einrichtungen unterstützt
werden, die durch öffentliche Gelder finanziert sind, ist
untragbar! Niemand würde akzeptieren, dass Kommunen
Produkte beschaffen, die in Deutschland unter schlimmsten Arbeitsrechtsverletzungen wie Gewerkschaftsverfolgung, Demütigungen und Gewalt hergestellt werden. Für
im Ausland hergestellte Produkte muss das Gleiche gelten,
vor allem dann, wenn in Deutschland eingetragene Unternehmen Millionen Profit machen. Fordern Sie Ihre Gemeinde- oder Stadtverwaltung auf, ihre zu einem großen
Teil von Steuergeldern finanzierte Marktmacht zu nutzen, um die Einkaufspraxis der Unternehmen zu ändern!
8
Kapitel 1
Argumente und Strategien
Neben außenpolitischen Maßnahmen eines Staates ist
der verantwortliche öffentliche Einkauf ein weiteres Instrument zum Schutz der Menschenrechte, mit dem auch
Kommunen ihrer menschenrechtlichen Pflicht gerecht
werden können. Diese ethischen extraterritorialen Pflichten von staatlichen Einrichtungen und Kommunen können
auch aus einer Reihe internationaler Konventionen abgeleitet werden, die im Folgenden skizziert werden.
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Auch wenn die Menschenrechtserklärung keine verbindliche Rechtsquelle des
Völkerrechts ist, so hat sie doch eine hohe
politische Wirkung – das gilt auch für die
extraterritoriale Dimension. Denn keine
Regierung lässt sich gerne sagen, dass sie
sich systematischer Menschenrechtsverbrechen schuldig macht, indem sie den
im Mutterland ansässigen Unternehmen
außerhalb Deutschlands freie Hand lässt.
Die Gewerkschaft FEASIES setzt sich in El Salvador für die Rechte von ArbeiterInnen in der Blumen- und Bekleidungsproduktion ein. Foto: Anne Nibbenhagen, CIR
Internationale Normen
und Pakte
Um Ihre ethischen Argumente und die staatlichen Pflichten
zu untermauern, können Sie auf internationale Konventionen und Normen des Völkerrechts verweisen, welche die
Verantwortung der Staaten und Unternehmen betonen,
Menschenrechtsverbrechen im Ausland zu verhindern.
Wenn Sie auf diese Normen aufmerksam machen, zeigen
Sie, dass es seit langer Zeit einen globalen Konsens zum
Schutz der Menschrechte gibt und dass die öffentliche Beschaffung davon nicht ausgeschlossen ist.
Allgemeine Erklärung
der Menschenrechte
Das wichtigste Dokument zum Schutz der Menschenrechte ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die
1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde. Im Zusammenhang mit der Garantie menschwürdiger Arbeitsbedingungen sind vor allem
die Artikel 23 und 24 von zentraler Bedeutung. Im Artikel
23 werden die Rechte auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen, auf gerechte und befriedigende Entlohnung sowie das Recht, Gewerkschaften zu bilden und
ihnen beizutreten, festgelegt. Der Artikel 24 definiert das
Recht auf Erholung und Freizeit.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Dagegen haben die internationalen Pakte über Bürgerliche und Politische Rechte
(Zivilpakt 1966) sowie über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (Sozialpakt 1966) bindende Wirkung für
Deutschland. Diese Menschenrechtsabkommen binden alle staatlichen Akteure
– also auch Gemeinde- und Stadtverwaltungen! Die konsequente Einforderung
und Überprüfung der Situation der Menschenrechte in der Vergabepraxis stellt
eine Möglichkeit für Gemeinden und
Städte dar, ihrer menschenrechtlichen
Pflicht nachzukommen. Insbesondere
sind hier die Artikel des Sozialpaktes von
Bedeutung, z. B. auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen (Artikel7) oder
zur Bildung von Gewerkschaften (Art. 8).
UN-Leitprinzipien für Wirtschaft
und Menschenrechte
Der Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte John Ruggie stellte 2008 in einem Bericht fest, dass die
Globalisierung mit ihren Prozessen der Deregulierung ein
Klima geschaffen habe, in dem Unternehmen Menschenrechtsverbrechen begehen können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Die UN-Leitlinien „Protect, Respect
and Remedy“ sollen diesem Missstand entgegenwirken.
Das Dokument baut auf drei thematische Säulen auf: die
staatliche Pflicht, Menschenrechte gegen Übergriffe durch
Dritte (z. B. Unternehmen) zu schützen, die Verantwortung
der Unternehmen sowie das Thema der Entschädigung
und Wiedergutmachung. Im Gegensatz zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht ist die Verantwortung der Staaten
für den Schutz von Menschenrechten rechtlich verbindlich.
Eine wichtige Dimension der staatlichen Schutzpflicht besteht darin, sicherzustellen, dass staatliche Einrichtungen
durch ihre Wirtschaftstätigkeiten keine Menschenrechtsverbrechen begehen. Das betrifft neben der Außenhandelsförderung und den Aktivitäten staatlicher Unternehmen auch die Beschaffung der Kommunen, Länder und
Bund. Somit kann die Verantwortung, beim öffentlichen
Einkauf die Einhaltung der Menschenrechte zu garantieren, klar aus dem internationalen Recht hergeleitet werden.
Kapitel 1 Argumente und Strategien
9
Die Kernarbeitsnormen der ILO sind derzeit vor allem für
den rechtlichen Rahmen der öffentlichen Beschaffung von
zentraler Bedeutung, denn viele Tariftreue- und Vergabegesetze der Bundesländer, darunter NRW, verpflichten die
BieterInnen, einen verbindlichen Nachweis zur Einhaltung
der ILO-Kernarbeitsnormen bei sog. gefährdeten Produktgruppen zu liefern. Das dritte Kapitel wird zeigen, dass
die Herausforderung für Kommunen und Unternehmen
darin liegt, glaubwürdige Nachweise zu liefern bzw. zu fordern. Nur so hat diese rechtliche Bestimmung tatsächlich
positive Auswirkungen auf die Situation der ArbeiterInnen.
Lokale Agenda 21
„Wir haben Rechte!“ – Arbeitsrechte sind sowohl in nationalen als auch internationalen Gesetzen verankert. Foto: Anne
Nibbenhagen, CIR
ILO-Kernarbeitsnormen
Von großer Bedeutung für die internationale Rechtspraxis
sind die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation: ILO,
Gründung 1919), die sich aus den Interessengruppen Arbeiternehmerverbände, Regierungen und Gewerkschaften
zusammensetzt.
Diese Sonderorganisation der UNO hat bereits 188 Konventionen verabschiedet, von denen sich 8 als sog. Kernarbeitsnormen etabliert haben:
10
•
Übereinkommen 87
Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechtes, 1948
•
Übereinkommen 98
Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhandlungen, 1949
•
Übereinkommen 29
Zwangsarbeit, 1930
•
Übereinkommen 105
Abschaffung der Zwangsarbeit, 1957
•
Übereinkommen 100
Gleichheit des Entgelts, 1951
•
Übereinkommen 111:
Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf), 1958
•
Übereinkommen 138
Mindestalter, 1973
•
Übereinkommen 182
Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999
Kapitel 1
Argumente und Strategien
Ein Verweis auf die 1992 in Rio De Janeiro verabschiedete
Agenda 21 kann Ihrer Kampagne eine hohe Überzeugungskraft verleihen, weil in dieser Absichtserklärung deutlich
die Verantwortung lokaler Akteure für die Bekämpfung
globaler Probleme wie Armut und Umweltzerstörung hervorgehoben wird. Mit dem Slogan „Global denken – lokal
handeln“ können Sie Ihre Forderungen im Zusammenhang
mit der Umstellung des öffentlichen Beschaffungswesens
in Ihrer Gemeinde auf den Punkt bringen. Verweisen Sie
außerdem darauf, dass mit den Agenda-Büros bereits institutionelle Strukturen in beinahe allen größeren Städten
für die Idee der lokalen Verantwortung geschaffen wurden.
Nehmen Sie Kontakt mit den MitarbeiterInnen des örtlichen Agenda-Büros auf und besprechen Sie mit Ihnen,
wo Sie mit Ihren Forderungen zu sozial verantwortlicher
Beschaffung an eine bereits verabschiedete lokale Agenda oder kommunale Nachhaltigkeitsstrategie anknüpfen
können. Eine Kontaktaufnahme lohnt sich auch, weil die
Agenda-Büros Teil der Stadtverwaltungen sind und deshalb einen direkten Draht zum/r BürgermeisterIn oder zu
den Beschaffungszentren haben.
Argumente für die
Kommunalverwaltung
Weisen Sie den/ die BürgermeisterIn, den Stadtrat oder
das Beschaffungszentrum darauf hin, dass die Einführung
der ökosozialen Beschaffung Ihrer Kommune auch einen
direkten Nutzen bringt und dass bestimmte Initiativen die
Umstellung des Einkaufs erleichtern.
ILO-Kernarbeitsnormen können durch
Siegel und Zertifikate glaubwürdig
nachgewiesen werden
Mittlerweile gibt es für viele Produktgruppen, die die öffentliche Hand einkauft, Siegel und Zertifikate, mit denen
die Einhaltung von Arbeitsrechten nachgewiesen werden
kann. Im Gegensatz zu bloßen Eigenerklärungen stellen
diese Siegel glaubwürdige Nachweise dar.
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Gängige Ausrede:
Orientierungshilfe bieten u.a.:
„Kommunen können die Einhaltung der ILOKernarbeitsnormen bei der
Produktion der Güter nicht
überprüfen.“
EGT!
RL
WIDE
Oft äußern öffentliche EinkäuferInnen, dass sie die Einforderung der ILO-Kernarbeitsnormen zwar prinzipiell befürworten, es aber nicht möglich sei, die Einhaltung zu kontrollieren. Dieses Problem kann aber entweder
1.
durch Siegel und Zertifikate gelöst werden, weil so
die Verantwortung der Kontrolle nicht mehr bei den
Kommunen, sondern bei den Trägerorganisationen
der Siegel liegt,
2.
durch die Einforderung von zielführenden Maßnahmen im Rahmen von Verträgen gelöst werden, die Unternehmen während der Vertragslaufzeit durchführen
müssen oder
3.
durch die Vorlage von Konzepten zur Sicherung von
Arbeitsrechten im Rahmen des Auswahlverfahrens
gelöst werden.
Dabei ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Kontrolle
nicht bedeutet, dass die/der BeschafferIn genau weiß, wie
es auf der Plantage oder in der Fabrik konkret aussieht,
sondern dass Kontrolle auch bedeuten kann, dass das Unternehmen bei der Herstellung des Produktes für die öffentliche Hand bestimmte Maßnahmen ergriffen hat, die
auch von hier aus möglich und kontrollierbar sind.
Mittlerweile gibt es bei der Auswahl von Siegeln auch Orientierungshilfe durch NGOs und staatliche Einrichtungen.
Das Argument eines undurchdringbaren Labeldschungels
kann daher nicht mehr als Begründung dafür gelten, dass
gar kein Siegel gefordert wird.
Nutzen auch Sie die Orientierungshilfen, denn in der
Tat hält nicht jedes Siegel, was es in Bezug auf soziale
und ökologische Kriterien sowie Transparenz verspricht.
Falls es kein glaubwürdiges Siegel gibt, nutzen sie die
von NGOs wie der CIR ausgearbeiteten alternativen
Maßnahmen, die von den Bietern verlangt werden
können.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
•
•
•
•
der Kommunale Kompass von Engagement Global
unter www.oeffentlichebeschaffung.kompass-nachhaltigkeit.de/kommunaler-kompass
die Initiative Siegelklarheit des BMZ und der GIZ
unter www.oeffentlichebeschaffung.kompass-nachhaltigkeit.de/kommunaler-kompass
die Broschüre WearFair. Ein Wegweiser durch den
Labeldschungel bei Textilien (siehe Bestellschein)
die Firmenprofile der Berufsbekleidungsindustrie der
CIR (www.ci-romero.de/berufsbekleidung)
Soziale und ökologische Kriterien
als europäische Vergabegrundsätze
Die neue EU-Vergaberichtlinie, die bis Anfang 2016 in
deutsches Recht überführt werden muss, erhebt umwelt-,
sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen zu einem allgemeinen Vergabegrundsatz. Damit gilt nicht mehr nur die
materielle Beschaffenheit eines Produktes, sondern auch
der gesamte Produktionsprozess als Produkteigenschaft.
Dies bedeutet, dass die Implementierung strategischer
Ziele in die Beschaffung von der EU als wichtig eingestuft
wird.
Zukünftig wird die Beschaffung also vermehrt als Instrument zur Erreichung sozialer und ökologischer sowie innovativer Ziele angesehen. Der Druck auf die Kommunen,
die Beschaffung zielgerichtet einzusetzen, wird wachsen.
Wenn sie sich schon jetzt mit dem Thema verantwortliche
Beschaffung auseinandersetzen, kommt nach der Umsetzung der Richtlinie weniger Arbeit auf sie zu. Darüber
hinaus können sie ihren lokalen Markt fit machen für die
neuen Anforderungen an Konsum und Produktion.
Gängige Ausrede:
„Die Unternehmen
sind für die Einhaltung
der Arbeitsrechte bei der
Produktion verantwortlich,
nicht die Kommunen.“
RLEGT
WIDE
!
Kapitel 1 Argumente und Strategien
11
Förderung des Angebots an fairen
und nachhaltigen Produkten
Ausstrahlungseffekte des
kommunalen Einkaufs
Durch eine verantwortliche Beschaffungspraxis können
Kommunen Unternehmen fördern, die faire und nachhaltige Produkte anbieten. Dieses Angebot kommt dauerhaft
nicht nur den Kommunen, sondern auch den privaten KonsumentInnen zugute.
Der Einfluss öffentlicher Auftraggeber bleibt nicht bei dem
enormen Auftragsvolumen von Bund, Ländern und Kommunen stehen. Das Vorbild der öffentlichen Hand hat auch
Auswirkungen auf andere Konsum- und Wirtschaftsbereiche, die langfristig zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der Produktion vieler Güter führen. Machen Sie
die EntscheidungsträgerInnen auf diese Ausstrahlungseffekte der verantwortlichen öffentlichen Beschaffung aufmerksam.
Imageverbesserung
Verantwortliche Beschaffung kann Ihrer Kommune einen
deutlichen Imagegewinn einbringen. Denn immer mehr
Menschen legen Wert auf verantwortungsvollen Konsum.
Die Kommunen werden durch entschlossenes Handeln den
Erwartungen ihrer BürgerInnen an eine verantwortungsvolle öffentliche Hand gerecht.
Effizienzsteigerung der
Beschaffung
Viele kommunale BeschafferInnen äußerten in Tagungen
und Workshops, dass öko-soziale Beschaffung einen Beitrag zur Effizienzsteigerung des Beschaffungswesens leisten kann. Denn wenn Beschlüsse zur Einhaltung von Arbeitsrechten konsequent im Verwaltungsalltag umgesetzt
werden sollen, müssen die Verwaltungsabläufe untersucht
und dann effizienter gestaltet werden. Dies kann zu deutlichen Senkungen der Ausgaben und zu einer verbesserten
Arbeitsorganisation und -verteilung führen. Die Bündelung
von Ausschreibungen erlaubt es, über die Anfrage einer
größeren Menge Kosteneinsparungen zu erzielen. Außerdem können Standardisierungen und Vereinheitlichungen
den ursprünglichen Bieterkreis vergrößern.
Gängige Ausrede:
„Faire Beschaffung
ist zu teuer!“
EGT!
RL
WIDE
Nähe zur Lebenswelt der
BürgerInnen
Die Kommunen befinden sich nahe an der Lebenswelt der
BürgerInnen. Daher können Sie mit Ihrem Einkaufsverhalten ein wichtiges Signal an die Bevölkerung sowie an Unternehmen senden, die durch das Vorbild der kommunalen
Beschaffung auf die unethischen Arbeitsbedingungen bei
der Herstellung vieler Produkte aufmerksam werden und
ihre eigenen Konsumgewohnheiten hinterfragen.
Signalwirkung auf andere
Kommunen
Je mehr Städte und Gemeinden Beschlüsse zur öko-sozialen Beschaffung fassen, desto höher wird der Druck auf
andere Kommunen, sich aus Imagegründen ebenfalls mit
dem Thema zu befassen. Machen Sie Ihre Stadt zu einer
Vorreiter-Kommune!
Nachhaltige Veränderung
der Angebotsseite
Wenn die Forderung von glaubwürdigen Nachweisen zur
Einhaltung von Arbeitsrechten in der Lieferkette zur Verwaltungsgewohnheit in vielen Kommunen wird, werden
viele Unternehmen ihre Einkaufspraxis ändern müssen, um
die Einführung und Kontrolle von Sozial- und Umweltstandards sicherzustellen. Der Druck wird besonders bei den
Unternehmen, die in hohem Maße von öffentlichen Aufträgen abhängig sind, zu Veränderungen führen.
Natürlich müssen Unternehmen ihr Engagement auch aus
eigener Initiative steigern. Die Anreize sind aber erst ausreichend hoch, wenn die Nachfrageseite diese Kriterien fordert. Um bereits fairen Unternehmen einen Absatzmarkt
zu bieten, müssen öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe ihr Engagement angemessen honorieren – alles andere
wäre wettbewerbsverzerrend.
12
Kapitel 1
Argumente und Strategien
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
1.2 Strategien für eine
faire Stadt – so können
Sie vorgehen
Sie möchten sich aktiv für eine faire Stadt einsetzen und
die Versendung einer Postkarte an den/ die BürgermeisterIn ist Ihnen zu wenig? Sie sind schon länger als FairtradeTowns Steuerungsgruppe aktiv und möchten der Stadt
auch im Hinblick ihrer eigenen Beschaffung auf die Füße
treten? Sie ärgern sich schon lange darüber, dass seit dem
Ratsbeschluss nichts weiter passiert ist in Ihrer Stadt?
Dieses Kapitel liefert Tipps und Anregungen für lokale Initiativen, Bündnisse wie Fairtrade-Towns Steuerungsgruppen, terre des hommes Ortsgruppen und Weltläden, die
sich bereits mit dem Thema auseinander gesetzt haben.
Auch aktive Einzelpersonen finden hier nützliche Hinweise.
Je nachdem wie weit Sie in Ihrer Kommune vorangeschritten sind und welche Maßnahmen und Aktionen sie bereits
umgesetzt haben, können Sie sich einzelne Schritte des
Kampagnen-Leitfadens herausnehmen oder auch die Reihenfolge ändern.
Anfangen: Es gibt in Ihrer
Kommune noch keine Aktivitäten oder Initiativen zu verantwortlicher Beschaffung?
Sprechen Sie entwicklungspolitische
Vereine in Ihrer Stadt an
Zunächst kann es sich lohnen, ein Bündnis aus mehreren
Organisationen, Vereinen und Initiativen aufzubauen bzw.
die verschiedenen AkteurInnen anzusprechen. Bei den
meisten entwicklungspolitischen Organisationen und
Vereinen werden Sie mit ihrem Vorhaben auf Zustimmung
stoßen, vor allem wenn sich thematische Anknüpfungspunkte zwischen sozial gerechter Beschaffung und dem
Kernarbeitsbereich der angefragten Organisation finden
lassen.
Weltläden können durch den Kauf fairer Produkte von
Seiten der Stadt nur gewinnen. Fragen Sie örtliche NGOs,
ob sie mit ihren Kommunikationsmedien (Internetseite, EMail-Verteiler, Newsletter) auf Ihre Initiative aufmerksam
machen können. Entwicklungspolitische NGOs können
auch nützliche Tipps geben, wie Sie weitere Verbündete
für Ihre Kampagne gewinnen. Fragen Sie z. B. bei terre des
hommes Ortsgruppen oder Weltläden an, die sich bereits
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Sicher gibt
es auch in Ihrer Nähe eine terre des hommes Ortsgruppe
oder einen Weltladen. Informationen dazu finden Sie unter
www.tdh.de/machen-sie-mit/was-sie-tun-koennen.html
und www.weltladen.de.
Begeistern Sie neue Gruppen
und schließen Sie Bündnisse
Um eine breitere Basis zu schaffen, können Sie auch solche
Vereine, Organisationen und Personengruppen einbinden,
die sich bisher noch nicht mit sozial gerechter Beschaffung
oder entwicklungspolitischen Themen beschäftigt haben.
Wenn Sie verschiedene Gruppen einbeziehen, zeigen Sie,
dass sozial verantwortliche Beschaffung kein abgehobenes Expertenthema ist, sondern jeden etwas angeht.
Fragen Sie bei kirchlichen Gemeinden, Pfadfindergruppen, Sportvereinen oder Gewerkschaften an, ob
Interesse an einer Beteiligung besteht.
Sprechen Sie Berufsgruppen an, die direkt mit den
von der Stadtverwaltung eingekauften Produkten
arbeiten. Überzeugen Sie z. B. die Freiwillige Feuerwehr oder die StadtgärtnerInnen, faire Arbeitsbekleidung zu fordern. Einige Angestellte der Kommunen
sind vielleicht bereit, sich an Ihrer Kampagne zu
beteiligen, wenn sie erfahren, unter welch unwürdigen
Bedingungen ihre Kleidung produziert wird.
Wichtige Kooperationspartner sind auch faire
Unternehmen in Ihrer Region oder solche, die es
werden wollen. In Ihrer Kampagne können Sie von
der öffentlichen Hand fordern, das Engagement von
Unternehmen für soziale Standards in der Lieferkette
zu würdigen und ihnen einen Absatzmarkt zu bieten.
Veranstalten Sie ein Bündnistreffen und laden Sie
für den fachkundigen Input eine/n ExpertIn ein. Die
PromotorInnen der Eine Welt Landesnetzwerke, der
benachbarten Fairtrade-Towns Steuerungsgruppen
oder ein(e) ReferentIn der CIR stehen dafür gern zur
Verfügung.
Vereinen Sie die verschiedenen Initiativen und Gruppen unter einem Dach, indem Sie z. B. eine FairtradeTowns Steuerungsgruppe gründen. Die Erfahrung
zeigt, dass sich Stadtverwaltungen und zivilgesellschaftliche Organisationen durch diese Kampagne
sehr gut zusammenbringen lassen
Ob allein oder als Gruppe: es lohnt sich immer, erst
einmal den Ist-Zustand der Beschaffung in Ihrer
Kapitel 1 Argumente und Strategien
13
Kommune festzustellen. Dafür eignet sich der große
FAIRNESS-Check, der dem Leitfaden beiliegt. Sie können ihn an die Verwaltung schicken oder über den Rat
eine Anfrage an die Verwaltung stellen (siehe unten).
Sie können außerdem die Protestpostkarte mit dem
kleinen Fairness-Check und die Aktionszeitung
kostenfrei und in größeren Mengen bei der CIR bestellen und diese in ihrer Stadt verteilen, um Druck auf
Verwaltung und Politik auszuüben (siehe Abbildung
rechts).
Weitermachen: Sie haben
mit Ihrer lokalen Gruppe
schon Aktionen für eine faire
Stadt durchgeführt.
Ermitteln Sie den Ist-Zustand
in Ihrer Kommune
Um in Ihrer Kommune konkrete Forderungen formulieren
zu können, müssen Sie zunächst wissen, inwieweit soziale
Kriterien bereits in die Beschaffungspraxis Ihrer Stadt integriert wurden. Dazu eignet sich gut der große FAIRNESSCheck, den Sie als Fairtrade-Town Steuerungsgruppe, terre
des hommes Ortsgruppe, Weltladen o. ä. bei Ihrer Stadtverwaltung einreichen können (siehe Abbildung unten).
Der große FAIRNESS-Check ermittelt den aktuellen Stand
der FAIRgabe in Ihrer Stadt, auf den Sie gemeinsam mit
der Stadtverwaltung aufbauen können. Den 4-seitigen Vordruck finden Sie in der Mitte dieses Leitfadens
zum Herausnehmen. Sie können ihn auch als Printpublikation bestellen (siehe Bestellschein Seite 51) oder auf
der Webseite der CIR als interaktive PDF herunterladen
(www.ci-romero.de/cora).
Postkarte mit verschiedenen
Kampagnenmotiven und dem
kleinen Fairness-Check (siehe
Bestellschein). Fotomontage:
Fundus GmbH
Diese und weitere Fragen stellt der
Fairness-Check:
14
•
•
Wie ist die Vergabe in unserer Stadt organisiert?
•
Gibt es in unserer Kommune bereits einen Beschluss
für faire Beschaffung?
•
•
Wie wurde der Beschluss umgesetzt?
Hat sich die Stadtverwaltung überhaupt schon mit
dem Thema beschäftigt?
Mit welchen Problemen und Herausforderungen sieht
sich die Stadtverwaltung im Zusammenhang mit
verantwortlicher Beschaffung konfrontiert?
Kapitel 1
Argumente und Strategien
Den großen
FAIRNESS-Check
gibt es es als Vordruck
in Papierform zum Herausnehmen in der Mitte dieses
Leitfadens und zum Bestellen
(siehe Bestellschein Seite 51)
oder online als interaktives PDFFormular zum Herunterladen
(www.ci-romero.de/cora).
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
So übergeben Sie den Fairness-Check:
Falls Sie und/ oder Ihre Gruppe einen guten Kontakt zur
Verwaltung haben, können Sie den Fairness-Check der
Stadtverwaltung einfach übergeben oder schicken. Ist dies
nicht der Fall und befürchten Sie, dass die Verwaltung nicht
reagiert, können Sie die Übergabe öffentlichkeitswirksam
inszenieren, um Druck auf Stadtverwaltung und BürgermeisterIn auszuüben.
•
Versuchen Sie, einen Termin mit dem/ der BürgermeisterIn zu vereinbaren.
•
Informieren Sie die Presse über die Übergabe des
Fairness-Checks und die Ziele Ihres Projekts.
•
Gestalten Sie Transparente oder Flyer, auf denen Sie
die Forderungen und Ziele Ihrer Kampagne darstellen.
•
Vereinbaren Sie mit dem/ der BürgermeisterIn oder
anderen Verantwortlichen Personen der Stadtregierung und -verwaltung einen Zeitrahmen für die
Bearbeitung des Fragebogens.
Falls Sie befürchten, dass die Verwaltung die vielen
Fragen des großen FAIRNESS-Checks nicht ausfüllt
und Sie die Bevölkerung sensibilisieren möchten,
verteilen Sie die Protestpostkarten der CIR mit dem
kleinen Fairness-Check (siehe Bestellschein und
Abb. links oben) sowie die Aktionszeitung mit Hintergrundinfos an Ihren UnterstützerInnen-Kreis und
BürgerInnen zur Verschickung an den/die BürgermeisterIn. Die Protestpostkarten fordern den/die
BürgermeisterIn auf, sich in der Stadtverwaltung für
verantwortliche öffentliche Beschaffung einzusetzen und die Fragen des kleinen Fairness-Checks auf
der Website der Stadt zu beantworten.
Wie ist das Stimmungsbild unter den
EntscheidungsträgerInnen?
Wenn Sie den bearbeiteten Fairness-Check zurück bekommen, erfahren Sie, welche Produkte in Ihrer Stadt fair
oder noch unter Missachtung sozialer Standards beschafft
werden. Außerdem erhalten Sie erste Informationen, innerhalb welcher Strukturen eingekauft wird. Gibt es eine
zentrale Beschaffungsstelle oder ist der Einkauf dezentral
geregelt, so dass einzelne Produktgruppen von verschiedenen Einrichtungen beschafft werden? Das sind wichtige
Fragen, um zu erfahren, mit welchen Personen und Stellen
Sie in Verbindung treten müssen.
Der ausgefüllte Fairness-Check wird Ihnen zwar ein Panoramabild der Beschaffungslandschaft Ihrer Stadtverwaltung liefern. Für die Beantwortung einiger Fragen müssen
Sie aber wahrscheinlich noch weitere Nachforschungen
anstellen. Zum Beispiel ist es wichtig, ein allgemeines
Stimmungsbild im Zusammenhang mit der Einführung
der verantwortlichen Beschaffung zu ermitteln. Wer ist in
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
der Stadtregierung und der Verwaltung bereit, sich für eine
Umstellung des Einkaufs zu engagieren? Wen müssen Sie
noch überzeugen? Sprechen Sie mit Mitgliedern des Stadtrates, dem/ der BürgermeisterIn und mit MitarbeiterInnen
der Beschaffungsabteilungen.
Werden Sie konkret
Sobald Sie mit ausreichend Informationen ausgestattet
sind, kann die heiße Phase beginnen. Überlegen Sie auf der
Grundlage der Ergebnisse des Fairness-Checks, welche
Forderung Sie an die Verwaltung oder an die Kommunalregierung stellen wollen bzw. welche konkreten Maßnahmen Sie gemeinsam mit verantwortlichen Personen in der
Stadtregierung ergreifen wollen. Je nachdem in welcher
Situation sich Ihre Kommune in Bezug auf verantwortliche öffentliche Beschaffung befindet, gibt es verschiedene
Möglichkeiten, Fortschritte zu erzielen.
SITUATION 1
In Ihrer Stadt gibt es einen Beschluss zum fairen Einkauf.
Sie merken durch den Fragebogen jedoch, dass sich am
konkreten Einkauf seitdem nicht wirklich etwas getan hat.
=> Vereinbaren Sie mit der Verwaltung konkrete Schritte,
die auch tatsächliche Auswirkungen auf die Einkaufspraxis haben.
Falls in Ihrer Gemeinde noch gar keine Produkte fair
eingekauft werden, können Sie mit Fairtrade-Produkten im Nahrungsmittelbereich beginnen. Fordern
Sie, dass der konventionelle Kaffee, Orangensaft und
andere Produkte in der Kantine und bei öffentlichen
Veranstaltungen durch Fairtrade-Produkte ersetzt
werden. Die Fairtrade-Towns Kampagne der Organisation Transfair unterstützt Sie gerne bei solchen
Projekten.
Langfristig ist es wichtig, dass Sie sich auch mit
Produktgruppen beschäftigen, bei denen es aufgrund
komplexer Zulieferketten schwieriger ist, glaubwürdige Nachweise zu identifizieren und zu fordern. Zum
Beispiel bei Textilien, Natursteinen, IT und Büromaterial kann die Einkaufspraxis der öffentlichen Hand
maßgeblich dazu beitragen, die Situation der Arbei­
terInnen im Globalen Süden zu verbessern.
Sie können gemeinsam mit der Verwaltung Produktgruppen identifizieren, die sich für ein erstes
Pilotprojekt eignen und vereinbaren, diese unter
Einhaltung hoher Standards auszuschreiben.
Die CIR unterstützt Sie und die Verwaltung gerne
bei der Entwicklung und Durchführung von Pilot­
projekten und kommt auch in Ihre Stadt. Beispiele
für gelungene Pilotprojekte finden Sie unter
www.ci-romero.de/cora. Außerdem finden Sie in
diesem Leitfaden in Kapitel 3 Informationen über
verschiedene Produkte, die in Kommunen eingekauft
werden.
Kapitel 1 Argumente und Strategien
15
Ein lokaler Einkaufsratgeber/ Einkaufskatalog kann
gemeinsam mit der Verwaltung erstellt werden. Hier
werden Marken und Händler für sozial verantwortliche Produkte aufgelistet.
SITUATION 2
Die Verwaltung ist trotz Beschluss nicht sonderlich an einer
Veränderung der Einkaufspraxis interessiert oder hat keine
Kapazitäten oder Ressourcen, ihn umzusetzen.
=> Nehmen Sie die Politik in die Verantwortung und stellen Sie Forderungen an den Rat.
Schaffung finanzieller Anreize für eine nachhaltige
Beschaffung in der Stadt, z. B. durch Bewilligung eines
gesonderten Budgets dafür.
Monitoring des Beschlusses, z. B. durch regelmäßige
Berichtspflichten und Indikatorenerhebung.
Bereitstellung zusätzlicher personeller Ressourcen zur
Umstellung des Einkaufs.
Verabschiedung eines Beschlusses, der die Verwaltung
zur Zusammenarbeit mit NGOs auffordert.
SITUATION 3
In Ihrer Stadt gibt es (noch) keine Beschlussgrundlage für
einen sozial verantwortlichen Einkauf. => Schaffen Sie eine
politische Grundlage in Form eines Beschlusses, der eine
regelmäßige Berichterstattung zum Stand der Umsetzung umfasst und klare Ziele formuliert. Musterbeschlüsse finden Sie unter www.ci-romero.de/cora.
Nutzen Sie die Fairtrade-Towns Kampagne als Türöffner in Richtung Verwaltung und Politik, um die sozial
verantwortliche öffentliche Beschaffung in die Wege
zu leiten. Informationen dazu finden Sie unter
www.fairtrade-towns.de.
Nicht unterkriegen
lassen!
Wenn Sie nach einiger Zeit merken, dass sich in Ihrer Kommune trotz Ihrer Anstrengungen nichts oder zu wenig bewegt, können Sie verstärkt auf Kampagnen-Aktivitäten
setzen.
Unterschriften sammeln
Starten Sie eine Unterschriftenaktion, z.B. mit einem Stand
auf dem Marktplatz oder bei öffentlichen Festen und Veranstaltungen. Legen Sie Flyer und Informationsmaterialien
aus, in denen Sie Ihre Argumente für einen fairen öffentlichen Einkauf darstellen. Sprechen Sie die BürgerInnen
direkt an und erklären Sie ihnen Ihr Anliegen. Sie können
dabei die Protestpostkarten mit dem kleinen FairnessCheck zum Verschicken an den/ die BürgermeisterIn an die
BürgerInnen verteilen. Mit solchen Aktionen stärken Sie
das allgemeine Bewusstsein über Ausbeutung und Arbeitsrechtsverletzungen bei der Produktion von Konsumgütern
im Süden.
Stimmen über Einwohnerantrag
zusammentragen
Sie können Unterschriften auch in informellen Aktionen
oder im Rahmen sog. Einwohneranträge sammeln. Das ist
ein Mechanismus der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene, der in allen Bundesländern vorgesehen, allerdings unterschiedlich geregelt ist. Mit einem Bürgerantrag
können Sie den Stadtrat dazu verpflichten, sich mit einem
Thema auseinanderzusetzen oder in manchen Bundesländern sogar eine Sachentscheidung herbeizuführen. Je
nach Bundesland muss dafür zwischen einem und zehn
Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung den Antrag unterschreiben.
Social Media nutzen
Zusätzlich zu Unterschriftenaktionen können Sie Social
Media wie Facebook und Twitter für Ihre Aktion nutzen.
Erstellen Sie einen Account für das Projekt, berichten Sie
regelmäßig über neue Entwicklungen in Ihrer Kampagne
und beantworten Sie die Kommentare interessierter Menschen.
Vorträge und Events mit Gästen
aus dem Süden planen
Kampagnenorganisationen wie die CIR oder terre des
hommes führen regelmäßig Vortragsrundreisen mit Gästen aus Ländern des Globalen Südens durch. Hier berichten
Augenzeugen über ausbeuterische Arbeitsbedingungen
und zeigen die Verantwortung von Unternehmen und VerbraucherInnen auf. Mit einer Abendveranstaltung in Ihrer
Stadt können Sie deutlich machen, dass verantwortlicher
16
Kapitel 1
Argumente und Strategien
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Aktion für verantwortliche Beschaffung in Berlin. Foto: CIR
öffentlicher Einkauf keine reine Verwaltungsangelegenheit ist, sondern sich auf reale Situationen der ArbeiterInnen im Süden bezieht und diese verbessern kann. Fragen
Sie bei den Organisationen an und überlegen Sie gemeinsam mit ihnen, wie Sie eine Brücke zwischen dem Inhalt
eines Vortrags und Ihren Forderungen zum Einkauf in Ihrer
Kommune schlagen können.
arbeit stets auch Verständnis für interne Herausforderungen in der Verwaltung und versuchen Sie, diese gemeinsam anzugehen. Um nicht das Interesse der Bevölkerung
zu verlieren, lohnt es sich, auch während der Umsetzung
Abendveranstaltungen durchzuführen oder Broschüren zu
verteilen. Und heben Sie Fortschritte bei der sozial gerechten Beschaffung Ihrer Kommune stets lobend hervor.
Mit der Kommune zusammenarbeiten
Eine wichtige Herausforderung besteht darin, den Mittelweg zwischen dem Aufbau positiven Drucks und der Zusammenarbeit mit Ihrer Gemeinde zu finden, die immerhin mit vielen Herausforderungen konfrontiert ist. Suchen
Sie neben Ihrer Kampagne gemeinsam mit der Stadtregierung und der Kommunalverwaltung Wege, konkrete
Pilotprojekte umzusetzen. Zeigen Sie bei der Zusammen-
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Kapitel 1 Argumente und Strategien
17
KAPITEL 2
Beschaffung konkret:
Grundlagen, Herausforderungen
und gute Beispiele
Die öffentliche Beschaffung befindet sich in einem Spannungsfeld
zwischen juristischen, praktischen,
politischen und organisationsspezifischen Anforderungen, die an sie
gestellt werden und die sich gegenseitig beeinflussen. Im folgenden
Kapitel werden einzelne Aspekte
wie der rechtliche und organisatorische Rahmen sowie der Ablauf eines
klassischen Vergabeverfahrens kurz
beleuchtet. Hierbei geht es nicht
darum, jede/n Einzelne/n zum Vergaberechtsexperten zu machen oder
in dieser Hinsicht zu belehren. Ziel ist
es vielmehr, die Rahmenbedingungen
zu skizzieren, damit lokale Engagierte und PraktikerInnen in den Gesprächen und Fragen zum Thema sozial
gerechte Beschaffung die gleiche
Sprache sprechen und gegenseitiges
Verständnis für die (Heraus-) Forderungen der täglichen Beschaffungspraxis aufbringen.
18
Kapitel 2
Beschaffung konkret
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
2.1 Rahmenbedingungen der
öffentlichen Beschaffung
in den Kommunen
Die neue EU-Richtlinie
Das im Februar 2014 verabschiedete und im März 2014 in
Kraft getretene Gesetzespaket der EU zum Vergaberecht
umfasst insgesamt drei Richtlinien: Die Modernisierung
der Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (sog.
„klassische“ Vergaberichtlinie) und der Richtlinie über die
öffentliche Auftragsvergabe durch Marktteilnehmer in den
Bereichen Wasser, Energie, Verkehr und Post (sog. Sektorenrichtlinie) sowie die neue Richtlinie über die Vergabe
eben solcher Konzessionen.
Die Umsetzung dieses Gesetzespakets in nationales Recht
muss nach der Bekanntgabe im März 2014 innerhalb von
24 Monaten erfolgen. Die Bundesregierung muss nun also
bis spätestens März 2016 das Vergaberecht in Deutschland reformieren. Für die sozial verantwortliche und faire
Beschaffung von Gütern im Rahmen der kommunalen,
Landes- und Bundesbeschaffung spielt vor allem die klassische Vergaberichtlinie der EU eine Rolle.
EU will Nachhaltigkeitspotenziale
des Einkaufs in Europa stärken
Öffentliche Aufträge haben in der Europäischen Union ein
jährliches Volumen von ca. 18 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Das sind 2,41 Billiarden Euro. Daraus wird ersichtlich, dass die öffentliche Hand in Europa maßgeblich zur
Förderung von sozialen Standards, Nachhaltigkeit und Innovation auf dem Markt beitragen könnte. Dafür muss das
Geld aber strategisch eingesetzt werden. Im Sinne einer
nachhaltigen Entwicklung Europas sollten nur besonders
umweltfreundlich agierende und sozial verantwortliche
Unternehmen den Zuschlag erhalten dürfen, die öffentliche Hand mit Dienstleistungen und Gütern zu beliefern.
Obwohl das eingängig und logisch klingt, sieht die tägliche
Beschaffungspraxis der EU ganz anders aus. Einer Studie
zufolge wird in Europa überwiegend das billigste Angebot
eingekauft – egal welche langfristig negativen Folgen und
Mehrkosten es verursacht. Und trotz einiger Unterschiede
zwischen den Ländern und einiger positiver Vorreiter: das
Potenzial wird verspielt. Überall.
So kommt es, dass die öffentliche Hand mit ihrem Konsumverhalten noch immer entscheidend zu Ausbeutung und
Umweltschäden in der ganzen Welt beiträgt und bei ethischen Privat-KonsumentInnen dringend Nachsitzen sollte.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Soziale, umweltfreundliche und
innovative Beschaffung sind jetzt
Vergabegrundsätze
Den Mangel an strategischen Zielen bei der öffentlichen
Beschaffung hat nun auch die EU erkannt: mit der neuen
allgemeinen Vergaberichtlinie hat sie die strategische Beschaffung, sprich die Einbeziehung sozialer, ökologischer
und innovativer Kriterien zur Förderung von Nachhaltigkeit
und Innovation extrem gestärkt.
Laut Richtlinie sind soziale, ökologische und innovative Kriterien nun Grundsätze der Vergabe und gleichbedeutend
mit Transparenz, Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung. Das heißt im Klartext, dass die Einbeziehung von
Nachhaltigkeitsaspekten nun genauso wichtig ist, wie die
Gleichbehandlung von Unternehmen im Vergabeprozess.
Die EU stellt damit klar, dass die sozial gerechte Beschaffung nicht nur ein nettes „Add-on“ in der Beschaffung ist,
das von der ein oder anderen Menschenrechtsorganisation
gefordert wird, sondern elementarer Bestandteil der europäischen Vergabepraxis werden soll.
Mitgliedsstaaten müssen die Anwendung
dieser Grundsätze mit Maßnahmen
fördern
Darüber hinaus fordert die EU die Mitgliedsstaaten auf, geeignete Maßnahmen zu verabschieden, die eine Einbeziehung strategischer Ziele in die öffentliche Auftragsvergabe
für die BeschafferInnen einfacher machen bzw. verbindlich
vorgeben. Der Bund ist nun also angehalten, in dem Gesetz
und ggf. mit begleitenden Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass die nachhaltige Beschaffung in Deutschland flächendeckend umgesetzt wird.
Herstellungsbedingungen sind jetzt
eine Produkteigenschaft
Der rechtliche Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe
gibt vor, dass die von öffentlichen AuftraggeberInnen geforderten Kriterien auf die Beschaffenheit eines Produkts
abzielen müssen. Bisher war es juristisch aber stets umstritten, ob denn Sozialstandards im Herstellungsprozess
diesem Produktbezug entsprechen, da Ausbeutung und
andere Arbeitsrechtsverletzungen in der Produktion im
strengen Sinne die materielle Beschaffenheit eines Produkts nicht verändern. Bei ökologischen Kriterien war dies
immer einfacher, da man Rückstände von Pestiziden z. B.
leichter am Produkt nachweisen kann.
Kapitel 2 Beschaffung konkret
19
Während wir als NGOs schon immer den Standpunkt
vertreten haben, dass auch der Produktionsprozess ein
Produktmerkmal darstellt und damit auch ausreichend
Produktbezug besitzt, folgt dieser Einschätzung nun endlich auch die EU mit ihrer neuen Richtlinie. Ein Bezug zum
Auftragsgegenstand ist nach der neuen Richtlinie nun immer dann gegeben, wenn sich die Kriterien „in irgendeiner
Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium [auf die zu
erbringende Leistung oder Lieferung] beziehen, einschließlich
der Faktoren, die zusammenhängen mit a) dem spezifischen
Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung solcher Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen oder des Handels
damit oder einem spezifischen Prozess in Bezug auf ein anderes
Lebenszyklus-Stadium, auch wenn derartige Faktoren sich nicht
auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes
auswirken.“ (Artikel 67 (3))
Endlich dürfen auch bestimmte
Labels verlangt werden
Auch bricht die EU in ihrer neuen Richtlinie mit einer „heiligen“ Regel, die es BeschafferInnen lange Zeit schwer
gemacht hat, einfach faire oder besonders umweltfreundliche Produkte zu verlangen. Bisher durfte man bei einer
öffentlichen Ausschreibung nicht Blauer Engel-Papier oder
Fairtrade-Kaffee verlangen, sondern musste die einzelnen
Kriterien, die man haben wollte und die hinter den Labeln
stehen, auflisten und jedes andere Zertifikat, so lange es
denn gleichwertig war, ebenso akzeptieren. In der Praxis ist
es aber für BeschafferInnen oft schwer, genau zu wissen,
welche Kriterien hinter den Labeln stehen und was Gleichwertigkeit bedeutet.
Die neue Richtlinie dagegen erlaubt den BeschafferInnen
jetzt, einfach nur ein bestimmtes Gütezeichen zu verlangen und dreht die Beweispflicht um. Nun müssen AuftragnehmerInnen, also BieterInnen dem/ der BeschafferIn
nachweisen, dass ihr Label gleichwertig ist. Wer das nicht
kann und das entsprechende, von der öffentlichen Hand
verlangte Label nicht vorlegt, wird aus dem Wettbewerb
ausgeschlossen.
Kriterien an Labeln noch unklar
Um einer gewissen Willkür und dem Greenwashing von
Unternehmen vorzubeugen, hat die EU in der Richtlinie
nun auch Kriterien verabschiedet, denen die von der öffentlichen Hand verlangten Labels entsprechen müssen.
Einige der Kriterien sind sehr wichtig und richtig wie z. B.
Unabhängigkeit, Partizipation aller betroffenen und interessierten AkteurInnen, Transparenz der Entwicklung etc..
Andere von der EU vorgesehenen Kriterien sind wenig zielführend wie z.B. die Voraussetzung, dass ein Label keine
Anforderungen an das Unternehmen, sondern immer nur
an das Produkt stellen darf. Im Bereich Bekleidung zeigt
sich nämlich immer wieder, dass es nur dann zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen kommen kann, wenn
das Unternehmen seine Einkaufspolitik umstellt.
20
Kapitel 2
Beschaffung konkret
Daher haben fast alle „guten“ Labels solche Kriterien mit
Unternehmensbezug. Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch
unklar, wie die Anforderungen an die Labels im deutschen
Vergaberecht formuliert werden. Klar ist bisher nur, dass
Gütezeichen, die auch Anforderungen an die Unternehmen stellen, nicht per se verboten sind, es kann aber sein,
dass man in diesem Fall besser nicht das eine Label oder
den Nachweis verlangt, sondern weiterhin auf die Kriterien
verweist, so wie bisher auch.
Internationales Arbeitsrecht in fast allen
Phasen des Vergabeverfahrens erlaubt
War die Einbeziehung der ILO-Kernarbeitsnormen früher
nur im Rahmen der zusätzlichen Auftragsausführungsbestimmungen rechtlich wirklich sicher, hat sich auch dies in
den letzten Jahren durch das sog. Nord-Holland Urteil des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und die neue Richtlinie stark verändert. Unter Berücksichtigung verschiedener
rechtlicher Voraussetzungen wie Transparenz, Gleichbehandlung, Nicht-Diskriminierung und Bezug zum Auftragsgegenstand können Kriterien des fairen Handels und
die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen nach neuem
EU-Recht nun in folgenden Phasen der Auftragsvergabe
verlangt werden:
•
•
•
In den technischen Spezifikationen.
Im Rahmen der Zuschlagskriterien.
In den zusätzlichen Auftragsausführungs­
bestimmungen.
Rechtlich derzeit noch sehr umstritten ist die Frage, ob die
ILO-Kernarbeitsnormen nicht auch als Ausschlusskriterien
im Rahmen der Bietereignung angewandt werden können.
Diese Eignungsprüfung wird sehr restriktiv gehandhabt.
Hier wird die Zukunft zeigen, wie sich ILO-Kernarbeitsnormen auch dort verankern lassen oder nicht.
Weitere gesetzliche
Grundlagen
Die Beschaffung in Deutschland ist nicht nur durch die EU
geregelt, deren Richtlinie ins deutsche Recht durch das
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) übernommen wird, da diese Vorgaben erst ab einem bestimmten Schwellenwert gelten. Beim Einkauf von Sachleistungen gilt EU-Recht z.B. bei Summen ab 207.000 Euro.
In Höhe dieser Summe müssen zwingend die Vorgaben der
§§97 des GWB, die Vergabeverordnung (VgV) und die Vergabe- und Vertragsordnungen für Leistung (VOL/A), Bau
(VOB/A) und freiberufliche Leistungen (VOF) eingehalten
werden sowie die landesspezifischen Bestimmungen.
Bei Summen, die darunter liegen, gelten von Land zu Land
und Kommune und Kommune unterschiedliche Bestim-
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
mungen und Schwellenwerte. Teilweise verweisen diese
spezifischen Verordnungen aber auch bei Beschaffungen
unterhalb EU-Schwellenwert wiederum auf dieselben
Grundsätze wie oberhalb der Schwellenwerte, so dass diese auch unter dem Schwellenwert einzuhalten sind. Grundlage der kommunalen Beschaffung bilden darüber hinaus
die jeweiligen haushaltsrechtlichen Vorschriften (z.B. die
Gemeindehaushaltsordnung), spezifische Landesvorschriften wie z.B. Landesvergabegesetze und ihre Rechtsverordnungen, weitere Vergabegrundsätze für Gemeinden,
das Korruptionsbekämpfungsgesetz und auch die VOB/A
oder VOL/A. Keine dieser Vorgaben, die es unterhalb der
Schwellenwerte gibt, verbietet es den Kommunen fair und
sozial gerecht einzukaufen. Fairer Einkauf ist immer sowohl oberhalb als auch unterhalb der EU-Schwellenwerte.
Beschaffungsorganisation
Neben den rechtlichen Vorgaben hat auch die Organisation des öffentlichen Einkaufs in den Städten entscheidenden Einfluss darauf, inwiefern strategische Ziele in die
öffentliche Beschaffung integriert und tatsächlich angewandt werden können. Diese Beschaffungsorganisation
kann von Kommune zu Kommune unterschiedlich sein. Um
geeignete Anknüpfungspunkte für eine sozial verantwortliche Beschaffung zu identifizieren und auch die Herausforderungen der BeschafferInnen zu verstehen, ist es wichtig,
den Aufbau der Beschaffungsorganisation der jeweiligen
Stadt in Erfahrung zu bringen.
In den Städten und Gemeinden findet man hauptsächlich drei unterschiedliche Arten der Beschaffungsorganisation: die zentrale, die dezentrale und
die gemischte Beschaffungsorganisation.
Zentraler Einkauf bedeutet, dass der gesamte Einkauf der
Kommune über ein zentrales, eigens für den Einkauf geschaffenes Amt getätigt wird. Die jeweiligen Ämter melden ihren Bedarf an ein zentrales Beschaffungsamt. Dieses
Amt ist dann für die Deckung des jeweiligen Bedarfs der
Ämter verantwortlich.
Dezentral bedeutet, dass die jeweiligen Fachbereiche selbst
für die Deckung ihres Bedarfs sorgen. Das Grünflächenamt
kauft z. B. für die Gärtner Bekleidung ein, das Ordnungsamt beschafft die Ausrüstung der „blauen Sheriffs“, das
Amt des/der BürgermeisterIn sorgt für Blumendekoration
und das Tiefbauamt vergibt Aufträge an Straßenbauunternehmen.
Eine gemischte Beschaffungsorganisation beinhaltet beide Elemente. Meist gibt es eine für zentrale Fragen der Beschaffung zuständige Abteilung, die gleichzeitig auch den
Bedarf einiger Abteilungen zentral abdeckt, jedoch nicht
für alle. Die Deckung eines bestimmten, fachspezifischen
Bedarfs verbleibt weiterhin in den Händen bestimmter
Ämter und Fachbereiche. Bei der gemischten Beschaf-
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
fungsorganisation ist der teilweise zentralisierte Einkauf
nicht in einem eigens dafür geschaffenen Amt organisiert,
sondern einem Amt angeschlossen, das unabhängig vom
Einkauf schon besteht und auch für den eigenen Bedarf
einkauft (wie z. B. das Hauptamt/ Zentrale Dienste oder
das Bauamt).
Beispiele aus NRW: Die Stadt Dortmund ist eine
Stadt mit zentraler Einkaufsstruktur. Die Stadt Bonn
hat eine dezentrale Einkaufsstruktur und die Stadt
Münster hat eine gemischte Einkaufsstruktur.
Rollenverständnis
Die Studie „Kommunale Beschaffung im Umbruch“ des Instituts für den öffentlichen Sektor1 kommt zu dem Schluss,
dass das Selbstverständnis vieler Beschaffungsstellen in
den Kommunen Deutschlands – immer auch definiert
über die (Rats-)Politik – noch sehr von der bloßen Erfüllung einer internen Dienstleistung geprägt ist. Sie kaufen
exakt das ein, was der Bedarfsträger, also das Amt, das ein
bestimmtes Produkt benötigt, vorgibt. Die Beschaffungsstelle sorgt lediglich dafür, dass die Ausschreibung formaljuristisch korrekt und zeitlich im Plan vollzogen wird und
die Lieferung dem entspricht, was verlangt wurde. Damit
liegen der Fokus und das Selbstverständnis vor allem auf
der Abwicklung von Einkäufen.
Auch wenn dieses Selbstverständnis oft anzutreffen ist,
gibt es schon jetzt andere Beispiele: Während die Wahrnehmung als Dienstleister sozusagen die unterste Stufe
des Reifegrads einer Beschaffungsstelle ist, gibt es noch
drei andere vom Institut identifizierte Rollenbilder. In der
Stufe des Koordinators und taktischen Partners sieht sich
die Beschaffungsstelle als Steuerungsinstanz, die Einkäufe bündelt und ihre Expertise gezielt einbringt. Die höchste
Stufe ist ein Rollenverständnis als strategischer Manager
und damit Partner auf Augenhöhe, der auch Einfluss auf
die Produktdefinition, Qualität, Zeitpunkt und Ausgestaltung der Ausschreibung nimmt und als Innovationstreiber
und Nachhaltigkeitsmotor eigene Indikatoren und Ziele
hat, die politisch vorgegeben und anhand von Indikatoren
auch gemessen werden.
Nur in den wenigsten Fällen nehmen sich Beschaffungsstellen bisher als strategische Manager wahr, obwohl dies
zur Erreichung einer systematisch sozial gerechten und
nachhaltigen Beschaffung die zielführendste Einstellung
wäre. Denn sowohl die unterschiedliche Organisation der
Beschaffung in den Kommunen in Deutschland als auch
die unterschiedliche Wahrnehmung ihrer Rolle wirken sich
auf die Anwendung und Umsetzung von sozial verantwortlicher öffentlicher Beschaffung aus.
1 Vgl. Kommunale Beschaffung im Umbruch, Hrsg. Institut für den öffentlichen
Sektor, S.13, 2013
Kapitel 2 Beschaffung konkret
21
Fazit: Ist die Beschaffung stark dezentral organisiert, wird
es schwierig, mit Standardisierungen und Mustererklärungen zur sozial verantwortlichen Beschaffung zu arbeiten.
Auch müssen nicht nur ein oder zwei Personen geschult
werden, sondern viele unterschiedliche mit dem Einkauf
betraute Personen. Darüber hinaus ist es für Personen, die
den Einkauf der jeweiligen Fachabteilung „nebenbei“ als
einen Teil der Arbeit mitmachen und eigentlich auch noch
mit anderen Aufgaben betraut sind, schwierig(er), sich in
Märkte, Lieferketten, Kriterien, Zertifikate und Gütezeichen einzuarbeiten, als für solche Mitarbeiter, die zu einem
maßgeblichen Teil ihrer Stelle mit einem Einkauf betraut
sind, der auch strategischen Ansprüchen genügen muss.
fen. Aber die vom Rat oder Land gefällten Regelungen zum
fairen Einkauf z.B. entfallen ebenfalls, da sie oft erst ab einer Mindestsumme gelten. Der dezentrale und gemischt
organisierte Einkauf hat aber auch Vorteile. Denn als engagierte Einzelperson kann man in dieser Struktur viel erreichen, ohne lange auf die Erlaubnis „von oben“ warten zu
müssen.
Grundsätzlich ist es wichtig, den Aufbau der Beschaffungsorganisation in der Kommune, in der der Einkauf umgestellt werden soll, zuerst zu eruieren und dann passend für
die jeweilige Struktur Vorschläge und Ratsbeschlüsse zu
erarbeiten, die auch zur Verwaltung passen.
Auch die Durchsetzung bestimmter Regeln und Kriterien
„von oben“ sind bei einem dezentral oder gemischt organisierten Einkauf schwieriger, weil die Volumina pro Einkauf
in der Regel kleiner sind. Im dezentralen Einkauf, der sich
nur als Dienstleister ansieht, wird seltener gebündelt oder
in Rahmenverträgen eingekauft, in kleinen Kommunen oft
auch ad hoc. Damit entfallen zwar aufwändige Ausschreibungen und man kann das faire Produkt einfach direkt kau-
Mehr über die Organisationsstruktur des öffentlichen Einkaufs in Ihrer Kommune sowie die spezifischen Herausforderungen in der Verwaltung
erfahren Sie durch den großen Fairness-Check, den
Sie aus der Mitte dieses Heftes heraustrennen und
an die Verwaltung schicken können.
2.2 Ablauf eines Vergabeverfahrens
und Anleitung für die Integration
sozialer Kriterien
Der Ablauf eines
Vergabeverfahrens
Bei einer öffentlichen Ausschreibung läuft das Vergabeverfahren in der Regel folgendermaßen ab:
2.
Die Leistung wird öffentlich ausgeschrieben (bei elek­
tronischen Vergabemarktplätzen, in Zeitungen etc.).
In der Ausschreibung muss die Leistung kurz beschrieben werden.
3.
Unternehmen (Bieter) fordern die vollständige
Leistungsbeschreibung an (Verdingungsunterlagen).
Darin müssen die Leistung exakt beschrieben und
die Anforderungen an das Produkt genau definiert
sein. Auch geforderte Zertifikate müssen angegeben
werden, ganz gleich, ob sie von Beginn an oder erst
am Ende der Vertragsausführung zum Tragen kommen. Die Unternehmen sichten die Beschreibung und
reichen ihre Angebote ein.
4.
Vor Ablauf der Bewerbungsfrist und vor Einreichen
der Bewerbung dürfen Unternehmen Nachfragen
stellen. Vor allem wenn innovative oder besonders
faire Produkte gefordert werden, ist dies eine wichtige
Möglichkeit, die Unternehmen wahrnehmen sollten.
Denn sie selbst dürfen an den Unterlagen nichts verändern. Sollten sie bestimmte Anforderungen zu den
Ein Vergabeverfahren beinhaltet verschiedene Schritte und
Phasen, die nacheinander abgearbeitet werden.
1.
22
Als erstes wird der Bedarf an Waren und Dienstleistungen festgestellt. Auf dieser Grundlage wird
entschieden, wie ausgeschrieben wird und welche
gesetzlichen Anforderungen sich daraus ergeben. Je
nach Auftragswert und spezifischen Umständen kann
ein Produkt oder eine Leistung
•
frei vergeben werden, sprich ohne öffentliche
Ausschreibung direkt gekauft oder an ein Unternehmen vergeben werden (bei geringen Kosten).
•
beschränkt ausgeschrieben werden (z. B. wenn es
nur wenige Unternehmen gibt, die in Frage kommen und/oder bei einem niedrigen Auftragswert).
•
öffentlich ausgeschrieben werden (dies ist der
Regelfall und per Gesetz grundsätzlich gewollt
und verlangt).
Kapitel 2
Beschaffung konkret
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
genannten Konditionen nicht erfüllen können, müssen
sie beim Auftraggeber Nachfragen stellen. Dies
gilt auch dann, wenn sie nicht genau wissen, ob ihr
Zertifikat oder ihr Nachweis den in der Ausschreibung
benannten Anforderungen entspricht.
5.
6.
Der Auftraggeber darf die Angebote erst öffnen,
wenn die Frist vorbei ist. Beim Sichten prüft er
•
ob die Angebote vollständig und fristgerecht
eingegangen sind.
•
•
ob die Bieter geeignet sind.
•
welches das wirtschaftlichste (nicht das billigste!)
Angebot ist, ggf. auch unter Einbeziehung der
Lebenszykluskosten und der Zuschlagskriterien
(Qualität, Umwelteigenschaften, Sozialstandards).
ob die Angebote nicht ungewöhnlich niedrig sind
(spielt weniger bei Beschaffung von Gütern als
vielmehr beim Einkauf von Dienstleistungen eine
Rolle).
Der Auftraggeber schließt einen Vertrag mit dem Bieter ab, der das wirtschaftlichste Angebot eingereicht
hat. Darin sind die Bedingungen für die Auftragsausführung festgeschrieben (die bereits in der Leistungsbeschreibung kommuniziert wurden).
Dieser Aufbau des klassischen Vergabeverfahrens erlaubt
es, soziale Kriterien wie die sozial verantwortliche Herstellung eines Produktes oder den fairen Handel in verschiedene Phasen des Vergabeverfahrens zu integrieren.
Zur Verfügung stehen:
•
die Leistungsbeschreibung: definiert die Leistung.
•
die Eignungsprüfung: prüft die Zuverlässigkeit des
Bieters in fachlicher, finanzieller, technischer und
rechtlicher Hinsicht.
•
die Zuschlagskriterien: der Auftraggeber kann
verschiedene Anforderungen wie Qualität, Umwelteigenschaften, Tragekomfort etc. als Kriterien
aufnehmen und unterschiedlich gewichten. Mit Hilfe
einer transparent gemachten Matrix werden dann für
die Erfüllung der unterschiedlichen Kriterien Punkte
vergeben.
•
die Bedingungen für die Auftragsausführung: Bedingungen, die an die Ausführung des Auftrags geknüpft
werden. Sie sind dem Auswahlprozess aber nachgelagert und treten erst in Kraft, wenn der Vertrag
geschlossen wurde.
Mit Ausnahme der Eignungsprüfung muss in allen
Phasen der Produktbezug gewahrt sein, d. h. es dürfen
keine Anforderungen an das Unternehmen gestellt
werden, sondern die Kriterien wie z. B. die Einhaltung
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
der ILO-Kernarbeitsnormen müssen sich stets auf das
Produkt beziehen. Das bedeutet im Klartext: Man
kann ein Unternehmen nicht verpflichten, bestimmte
ILO-Normen einzuhalten. Stattdessen ist darauf zu
verweisen, dass das Produkt, welches das Unternehmen liefert, unter Einhaltung der ILO-Normen hergestellt sein muss.
An die verschiedenen o. g. Phasen knüpfen auch verschiedene juristische Anforderungen an. So dürfen bisher bei der
Eignungsprüfung des Unternehmens nur bestimmte und
abschließend geregelte Dinge abgeprüft werden wie z. B.
die Gesetzestreue eines Unternehmens. Die Bedingungen
für die Vertragsausführung, sprich die zusätzlichen Vertragsbedingungen, bieten dagegen mehr Spielraum, auch
andere Kriterien wie Frauenförderung oder den fairen Handel einzubeziehen.
In der Praxis wird in Deutschland die Einhaltung der ILOKernarbeitsnormen bisher in der Regel in den zusätzlichen
Auftragsausführungsbestimmungen verlangt, weil dies
sowohl das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB) als auch verschiedene Landesgesetze vorschreiben/
empfehlen. Dies war auch nach dem alten EU-Recht oft die
sicherste Variante. Doch nach einem wegweisenden Urteil
vom EuGH im Mai 2012, dem sog. Nord-Holland-Urteil,
wurde klargestellt, dass Kriterien wie der faire Handel oder
soziale Anforderungen an die Herstellungsbedingungen
auch in den Zuschlagskriterien verankert werden dürfen.
Mit der neuen Richtlinie hat die EU klargestellt, dass die
Einhaltung von Sozialstandards im Herstellungsprozess
nun auch in die Zuschlagskriterien, die technischen Spezifikationen und in die zusätzlichen Auftragsausführungsbestimmungen integriert werden dürfen. In die Leistungsbeschreibung gehören sie ohnehin – sowohl nach der neuen
als auch der alten Richtlinie.
Dies und die o. g. Aspekte der neuen Richtlinie eröffnen viele Spielräume zur effektiven Verankerung sozialer Kriterien
in der Vergabe, die alle genutzt werden können und sollten.
ILO-Normen
Fairer Handel
Ja
Ja
Unsicher, nur
bei Verurteilung
des Bieters z. B.
bei Kinder- und
Zwangsarbeit
Nein
Technische
Spezifikationen
Ja
Ja
Zuschlagskriterien
Ja
Ja
Vertragsbedingungen
Ja
Ja
Leistungsbeschreibung
Eignungsprüfung
Kapitel 2 Beschaffung konkret
23
•
Marktrecherche: Können ausreichend Unternehmen
die Produkte mit den gewünschten Anforderungen
liefern?
•
Ausgestaltung der Ausschreibung und der Vertragsbedingungen: Welche Arbeitsrechtsverletzungen
sind besonders häufig? Welche Kriterien sollten daher
verlangt werden? Welche Schritte empfehlen NGOs
und Produktkampagnen, die sich mit dem Produkt
und internationalen Zulieferketten auskennen? Wie
sollen die Kriterien verankert werden?
Foto: Elnur – Fotolia
Monitoring
Schritt-für-SchrittAnleitung zur FAIRgabe
Entscheidet sich eine Kommune, ein Produkt sozial gerecht
einzukaufen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
Vor dem Einkauf Fragen klären
•
Welche gefährdeten Produkte werden eingekauft/
kommen in Frage?
•
Welche Ausschreibung steht bald wieder an, ist planbar und hat keinen zeitlichen Druck?
•
Welche Ausschreibung ist durch ihr Volumen so attraktiv, dass sich Unternehmen auch dann bewerben,
wenn sie mehr tun müssen als „business as usual“?
Prüfung der Angaben und Forderungen von den Unternehmen im Zeitverlauf. Eine qualifizierte externe Unterstützung ist bei der Ausarbeitung der Ausschreibung und der
Vertragsbedingungen von unschätzbarem Wert. Es lohnt
sich daher, die Expertise von NGOs in den jeweiligen Produktbereichen in die Überlegungen mit einzubeziehen oder
Ausschreibungsunterlagen erfolgreich durchgeführter
Ausschreibungen anderer Kommunen zu kopieren.2
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wenn eine faire Ausschreibung erfolgreich ist, sollte dies
kommuniziert werden.
Die Christliche Initiative Romero begleitet Kommunen bei der Durchführung
von Pilotprojekten und berät zu Fragen
bei der sozial gerechten Beschaffung
von Bekleidung. Einfach anrufen unter
0251-89503.
Kommunikation der neuen Standards
Bevor die Ausschreibung gemacht wird, sollten die Bieter,
die Bedarfsträger und bestenfalls auch die Öffentlichkeit
über die (neuen) sozialen Anforderungen informiert werden. Dies kann über eine Rundmail an Unternehmen und/
oder ihre Interessenverbände geschehen.
Ausgestaltung der Ausschreibung
•
24
Kritische Prüfung der Anforderungen an die Pro­
dukte: Können Form, Farbe, Gewicht, Aussehen
offener gestaltet werden? Kann es sein, dass die
technischen Anforderungen so formuliert sind, dass
nur wenige Bieter sie erfüllen können? Wie sind die
sog. Lose gestaltet? Könnte es sich lohnen, mehrere
kleine Lose zu bilden, damit mehr Unternehmen ein
Angebot abgeben können.
Kapitel 2
Beschaffung konkret
2 Die Stadt Dortmund führt im Rahmen des EU-Projekts „Jede Kommune zählt“ in
Zusammenarbeit mit RechtsanwältInnen und der CIR Pilotprojekte zur Einbindung
sozialer Kriterien bei der öffentlichen Beschaffung durch. Umfangreiche Informationen
und einen Leitfaden für Kommunen mit Mustertexten und Beispielen zum Kopieren gibt
es in Kürze u.a. unter www.ci-romero.de/cora.
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
2.3 Herausforderungen der
sozial gerechten Vergabe
und Lösungsansätze
Herausforderungen
Das Zeit- und Ressourcenproblem
Die Verwaltung hat ähnlich wie andere Bereiche auch mit
einer zunehmenden Arbeitsverdichtung zu kämpfen. Die
gestiegenen Anforderungen an die öffentliche Beschaffung und Auftragsvergabe – sowohl juristischer aber auch
gesellschaftlicher Art – spiegeln sich häufig weder in der
fachlichen Qualifizierung noch in der personellen Besetzung wider. Auch verhindern die eng gestrickten zeitlichen
Abläufe des Einkaufs oft, dass nach hohen sozialen Standards eingekauft werden kann.
So läuft es in vielen Fällen darauf hinaus, dass besonders
engagierte MitarbeiterInnen die Implementierung sozialer
Kriterien und die damit verbundene Arbeitszeit zusätzlich
leisten, dafür aber keine Entlastung in anderen Bereichen
erhalten. Oft sind auch die vorab getroffenen politischen
Vorgaben an Sparsamkeit, zeitlicher Taktung und Anforderungen an das Produkt oder die Leistung so hoch, dass sich
soziale Fragen nachträglich nur noch schwer integrieren
lassen.
Das Bedarfsträger-Problem
Als Bedarfsträger bezeichnet man in der Verwaltung all
diejenigen, für die eingekauft wird. Bedarfsträger können
die städtischen Angestellten sein, die mit Kleidung oder
Computern ausgestattet werden, oder die Bevölkerung,
die einen neuen Rathausplatz oder eine U-Bahn bekommt.
Viele Bedarfsträger wie der Feuerwehrmann, die Ordnungshüter oder die Gärtner sind oft extremen Bedingungen ausgesetzt, arbeiten bei Wind und Wetter und in der
Nähe von Feuer. Daher ist die Bekleidung, die sie täglich
tragen müssen, mehr als ein modisches Element. Sie muss
trocken halten, vor Kälte und Hitze schützen und sollte gut
sitzen und aussehen.
Hat sich eine bestimmte Firma hier einmal als Lieferant
etabliert, ist es für die BeschafferInnen sehr schwer, eine
alternative Marke mit anderen technischen Voraussetzungen ins Spiel zu bringen. Nicht selten enden solche Versuche in Betriebsratsprotesten oder Krankschreibungen,
wenn diejenigen, die die Kleidung tragen müssen, vorab
nicht ausreichend einbezogen werden. Daher lohnt es sich
immer, bei Neueinführungen durch hohe soziale und ökologische Standards ein wenig Imagepflege zu betreiben, Tragekomforttests durchzuführen und die Träger frühzeitig zu
informieren.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Das Angebot-Nachfrage-Problem
Das Angebot-Nachfrage-Problem ergibt sich aus der Situation, dass es bisher nicht viele bzw. in manchen Bereichen gar keine glaubwürdig zertifizierten Anbieter von
Blumen, Computern, Kleidung und Spielzeug gibt. Hinzu
kommt, dass viele BeschafferInnen aufgrund des Zeit- und
Ressourcenproblems die oft sehr spezifischen Angaben
zu den Anforderungen an das Produkt aus früheren Ausschreibungen und aus den Infos der Bedarfsträger einfach
übernehmen, ohne sie zu hinterfragen. Diese sind aber
zum Teil so spezifisch formuliert, dass sie den Bieterkreis
massiv einschränken (Beispiel für Bekleidung: „Tasche abgesetzt auf linkem Bein, in der Farbe XYZ, mit der Stärke
XYZ, mit einem Bündchen am Ärmel rechts und Logo links
auf dem Arm, Zollstocktasche am rechten Bein in Höhe
von XYZ Zentimeter, aus dem Material 65% Baumwolle
und 35% Polyester“). Eine Rolle spielt dabei auch, dass die
Arbeitsbekleidungsindustrie im Unterschied zur Modeindustrie häufig ein Jahr im Voraus auf Lager produziert und
nicht spontan nach Maßgabe einer Stadt nachproduzieren
kann. Dies wäre auch nicht im Sinne der Arbeitsrechte.3
Die durch die technischen Angaben zur Beschaffenheit des
Produkts bereits stark eingeschränkte Bieterauswahl wird
durch die Verankerung hoher sozialer Kriterien noch einmal stark reduziert und führt teilweise dazu, dass es keine
passenden Angebote gibt. Es ist daher ganz wichtig, die
Angaben zu Farbe, Größe und Beschaffenheit so offen wie
möglich zu gestalten und sich auf Veränderungen einzulassen, wenn nachhaltig eingekauft werden soll. Darüber hinaus ist eine Bieterinformation vorab sehr wichtig, in der die
potenziellen Bieter über die neuen sozialen Anforderungen
der Stadt informiert werden und sich darauf einstellen
können.
Das Kontroll- und Siegelproblem
Viele Produkte, die unter Verletzung der Arbeits- und Menschenrechte in den Ländern des Südens hergestellt werden,
durchlaufen in ihrer Herstellung mehrere Stationen in unterschiedlichen Ländern. Diese komplexen Lieferketten mit
Zwischenhändlern, Subunternehmen und Subsubunternehmen machen eine glaubwürdige Kontrolle der Einhaltung der Arbeits- und Menschenrechte sehr schwer. Auch
3 Studien der Kampagne für Saubere Kleidung und der CIR zu Arbeitsrechtsverletzungen im Süden haben immer wieder ergeben, dass der Druck der Markenunternehmen
und herstellenden Unternehmen auf die Zulieferer und Konfektionierter bei kurzen
Lieferfristen oder schneller, kurzfristig platzierter Produktion zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit der Verletzung grundlegender Arbeitsrechte führt.
Kapitel 2 Beschaffung konkret
25
wenn es inzwischen in vielen Produktgruppen gute und
glaubwürdige Siegel, Zertifikate und Verifizierungsinitiativen gibt, so ist die Differenzierung zwischen wirklich gut
oder nur gut dargestellt für EinkäuferInnen häufig schwer.
Darüber hinaus wird in den meisten Fällen mit den sog. Bietererklärungen gearbeitet. Das heißt, dass Kommunen und
Bundesländer, in denen es Verordnungen zur fairen oder
nachhaltigen Beschaffung gibt, ihren Ausschreibungen ein
Dokument beilegen. Darin müssen die Bieter ankreuzen,
ob sie ein gefährdetes Produkt liefern und wenn ja, dass sie
die Einhaltung der ILO-Normen gewährleisten bzw. sich
bemühen, die Einhaltung zu ermöglichen. Manche Unternehmen können einen extern verifizierten, glaubwürdigen
Nachweis vorlegen, andere nicht. Denen, die das nicht können, wird gestattet, einfach nur anzukreuzen, dass sie sich
Mühe geben, ohne die konkreten Maßnahmen zu spezifizieren. Unternehmen, die nichts tun, werden also genauso
behandelt wie engagierte Unternehmen, die Kosten und
Mühen nicht scheuen.
In der Broschüre „Quo vadis, Beschaffung?“
(siehe Abbildung unten) und im Netz unter
www.ci-romero.de/cora finden Sie umfangreiche
Informationen dazu, wie Nachweise und Kontrolle
sinnvoll geregelt werden können und wie Sie diese im
Rahmen eines Vergabeverfahrens z.B. auch werten
können (Broschüre bestellen: Bestellschein Seite 51).
Als politische Grundlage für eine sozial gerechte Beschaffung ist ein Ratsbeschluss und/ oder eine Dienstanweisung
zur sozial verantwortlichen öffentlichen Beschaffung erforderlich. Den Ratsbeschluss können die Parteien im Rat
oder lokale Gruppen durch einen sog. Bürgerantrag erwirken.
Wenn es bereits ein Landesvergabegesetz gibt, das Mindeststandards in der öffentlichen Beschaffung regelt (wie
z.B. die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen), kann es
sinnvoll sein, dass die Kommune basierend auf dem Gesetz
höhere Kriterien (z.B. in Form einer Dienstanweisung) formuliert oder der Rat besondere Nachhaltigkeitsziele verabschiedet, zu denen mit der öffentlichen Beschaffung beigetragen werden kann/sollte.
Auch kann es sich lohnen, spezifische Ratsbeschlüsse zu erwirken wie z.B. „die Umstellung des Einkaufs von Arbeitsbekleidung auf sozial verantwortlich“ oder „den Einkauf
von Produkten aus dem fairen Handel schrittweise bis zum
Jahr 2018 zu erhöhen“. Diese Beschlüsse müssen in Form
von Berichtspflichten der Verwaltung dem Rat gegenüber
nachgehalten und kontrolliert werden.
Doch auch die Ratsbeschlüsse sind erst der Anfang für eine
nachhaltige Beschaffung. Die Umstellung des Einkaufs erfolgt damit noch nicht automatisch. Auch Kommunen mit
Beschlüssen haben oft Nachholbedarf. Die Studie Kommunale Beschaffung im Umbruch kommt hier zu einem klaren
Schluss: Es fehlt an Steuerungsinstrumenten, sprich an
Zielen und Kennzahlen sowie Hilfsmitteln.
Zu empfehlen ist auch, die Verwaltung direkt auf Schulungen und Fortbildungsangebote im Bereich sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung aufmerksam zu
machen. Oder – wie in der Stadt Mainz geschehen (siehe
Kapitel „Nachhaltige Beschaffung in Mainz“, S. 29) – einen Einkaufskatalog zu erstellen, in dem Anbieter und
Produkte mit Nachhaltigkeitskriterien versehen sind. Hier
kann über den zentralen Katalog direkt bestellt werden,
was insbesondere für kleinere Kommunen mit einer dezentralen Vergabe praktisch ist.
Grundsätzlich ist es wichtig, dass die Politik der Beschaffung ausreichend Bedeutung für die Erreichung von Nachhaltigkeit beimisst und dies auch in Beschlüssen zu Zielen
deutlich macht. Denn die Politik muss akzeptieren, dass
durch manche Nachhaltigkeitsbeschlüsse die Beschaffung
kurzfristig teurer werden kann, weil der Kaufpreis variiert
und mehr Ressourcen eingesetzt werden müssen. Ähnlich
wie die Anschaffung eines Kühlschranks der Effizienzklasse A+++ für die Kantine, der zwar teuer ist, sich aber
durch seine Effizienz monatlich auszahlt, verlangt auch die
Durchführung der ersten fairen Vergabe anfänglich einen
erhöhten Einsatz personeller Ressourcen. Der Kompetenzaufbau der jeweiligen Person wird sich jedoch bei späteren
Einkaufsentscheidungen auszahlen.
26
Kapitel 2
Beschaffung konkret
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Mittelbogen zum Heraustrennen
Dieses System ist nicht sehr wirkungsvoll und motiviert
die ohnehin zeitlich sehr eingespannten BeschafferInnen
kaum, sich für die gute Sache einzusetzen. Um die Mühe
und den bürokratischen Aufwand sinnvoll eingesetzt zu
wissen, lohnt es sich daher, die Eigenerklärung gar nicht
mehr zuzulassen. Beispiele, wie das aussehen kann, haben
bereits verschiedene Städte erprobt. Näheres dazu erfahren Sie im Netz unter www.ci-romero.de/cora.
Lösungsansätze
Großer FAIRNESS-Check
Sehr geehrte/r __________________________________________________________,
um die öffentliche Daseinsvorsorge zu gewährleisten, werden auch in unserer Stadt regelmäßig
verschiedenste Produkte eingekauft. Darunter auch Güter wie Pflastersteine, Berufsbekleidung,
Nahrungsmittel, Spielzeug, Möbel, Computer oder Büromaterialien. Alles Produkte, die häufig in
den so genannten Ländern des Südens unter schwerwiegenden Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen hergestellt werden. Weil die strategische Einkaufsmacht der öffentlichen Hand
zunehmend an Bedeutung gewinnt, können inzwischen aber vermehrt soziale Kriterien unter
glaubwürdiger Nachweisführung in die Ausschreibungen einbezogen werden. Dazu zählen z.B.
grundlegende Arbeitsrechte, die in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verankert sind, und die Standards des sogenannten Fairen Handels.
Auch unsere Stadt kann einen Beitrag zu einer sozial verantwortlichen Beschaffung leisten oder
leistet ihn bereits. Um einen Überblick über Potenziale und Herausforderungen des sozial gerechten Einkaufs in unserer Stadt zu erhalten, möchten wir/ möchte ich Sie bitten, den großen FAIRNESS-Check auszufüllen und uns/mir bis zum
ausgefüllt wieder zukommen
______________
zu lassen.
Auch würden wir uns/würde ich mich nach der Beantwortung des FAIRNESS-Checks über ein Gespräch mit Ihnen über die vielfältigen Angebote und Maßnahmen zur schrittweisen Umstellung
des Einkaufs in unserer Stadt sehr freuen!
Herausgeberin:
Mit freundlichen Grüßen und Dank im Voraus,
in Kooperation mit:
______________________________________________________________________
Name
______________________________________________________________________
Organisation oder Initiative
______________________________________________________________________
Kontaktdetails bei Rückfragen
Die Veröffentlichung wurde mit Unterstützung der Europäischen Union
ermöglicht. Für den Inhalt dieser Veröffentlichung sind allein die Herausgeber verantwortlich; der Inhalt kann
in keiner Weise als Standpunkt der
Europäischen Union angesehen werden.
Bitte füllen Sie sämtliche blau umrandeten Felder aus.
Großer FAIRNESS-Check
1
Kontaktdetails
1.1
Stadt
1.2
Bundesland
1.3
AnsprechpartnerIn in der
Verwaltung
2
Allgemeine Fragen zur Kommune
2.1
Wie ist die Vergabe in unserer
Stadt/ Gemeinde/Kreis
organisiert?
Die Vergabe ist zentral organisiert.
Die Vergabe ist dezentral organisiert.
Die Vergabe ist gemischt organisiert - mit zentralen und dezentralen Elementen.
andere Organisationsform, nämlich:
2.2
Wie hoch ist das jährliche
Beschaffungsvolumen in
unserer Stadt?
Euro /
nicht bekannt
1
Großer FAIRNESS-Check
3
Beschluss zu sozialen Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe
3.1
Gilt für unsere Stadt ein Tariftreue- und Vergabegesetz
auf Landesebene?
Ja, mit einer verpflichtenden Bestimmung zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen.
Ja, aber ohne eine verpflichtende Bestimmung zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen.
Ja, aber ohne jegliche Regelungen zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen.
Nein, es gibt kein Vergabegesetz auf Landesebene.
3.2
Wenn ja, wie wurde mit dem
Gesetz in unserer Kommune
verfahren?
Die Anforderungen des Gesetzes wurden in die kommunalen Vergaberichtlinien integriert.
Die im Rahmen von Verordnungen und Erlässen herausgegebenen Mustervordrucke werden
genutzt.
Nichtregierungsorganisationen, die zum Thema arbeiten, wurden mit ihrer Expertise zu Veranstaltungen oder Beratungen eingeladen.
Nach dem Gesetz wurden keine weiteren Aktivitäten verfolgt.
Andere Aktivitäten wurden verfolgt und zwar:
3.3
Gibt es in unserer Kommune
unabhängig von den Landesvergabegesetzen einen Ratsbeschluss zur Anwendung
sozialer Kriterien? Was für
ein Beschluss wurde gefasst?
(Beschluss bitte beilegen)
Beschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit (ILO 182)
Beschluss zur Einhaltung der ILO-Normen Nr. 29, 105, 87, 98, 100, 111, 138, 182 bei der Beschaffung von gefährdeten Produkten
Ein anderer Beschluss, nämlich
Es gibt in unserer Stadt keinen Ratsbeschluss, aber es wurden andere Maßnahmen
ergriffen, nämlich:
Beschluss zur Teilnahme an dem Fair Trade Town Wettbewerb
Es gibt keine Beschlusslage im Bereich Fairer Handel oder ILO-Normen im Rahmen der Beschaffung (in diesem Falle weiter mit Frage 6.1).
3.4
Wer hat den Antrag für den
Beschluss gestellt?
Die Zivilgesellschaft in Form eines Bürgerantrags
Eine Partei im Rat, nämlich:
Der Beschluss ist durch ein anderes Verfahren zustande gekommen, nämlich:
3.5
Wie wurde mit dem Beschluss/der Verlautbarung
verfahren?
Der Beschluss wurde in die kommunalen Vergaberichtlinien integriert. (bitte beilegen)
Eine Dienstanweisung ist an alle BeschafferInnen ergangen. (bitte beilegen)
Der Beschluss wurde im stadtinternen Newsletter kommuniziert.
Es wurden Weiterbildungsmaßnahmen für die Verwaltungsangestellten organisiert.
Nach dem Beschluss wurden keine expliziten Kommunikationsmaßnahmen ergriffen.
Nichtregierungsorganisationen, die zum Thema arbeiten, wurden um Rat gebeten.
Nach dem Beschluss wurden keine weiteren Aktivitäten verfolgt.
Andere Aktivitäten und zwar:
4
Kontrolle, Monitoring und Transparenz des Beschlusses
4.1
Wird die Einhaltung des
Beschlusses oder der anderen
Maßnahmen überprüft und
kontrolliert?
Ja, und zwar durch folgende Aktivitäten:
Nein, es gibt keine weitere Kontrolle.
2
Großer FAIRNESS-Check
4.2
Wird die sozial verantwortliche Beschaffung transparent
gemacht?
Ja, die Verwaltung muss dem Rat gegenüber regelmäßig Rechenschaft ablegen.
Ja, der Beschluss wurde durch andere Aktivitäten überprüft, nämlich:
Nein
4.3
Haben Sie den Beschluss an
die Händler/Hersteller und
Dienstleister kommuniziert?
Und wenn ja, wie?
Ja, und zwar indem:
Nein
Wir haben andere Maßnahmen ergriffen und zwar:
5
Kontrolle und Anwendung der sozialen Kriterien bei der kommunalen Beschaffung
5.1
Für welche Produkte gilt der
Beschluss zur Einhaltung der
ILO-Kernarbeitsnormen oder
zur Einhaltung des Fairen
Handels?
Naturkautschuk-Produkte (z.B. Einmal-/Arbeitshandschuhe, Reifen, Gummibänder)
Bleistifte und Radiergummis (Gewinnung der Rohstoffe: Holz, Gesteinsmehl und Kautschuk)
Lederwaren, Gerbprodukte (z.B. Botentaschen)
Sportartikel (Bekleidung und Geräte)
Blumen
Baumwollprodukte
Spielwaren
Teppiche
Natursteine
Agrarprodukte (über Kaffee, Tee und Kakao hinaus)
Agrarprodukte (Kaffee, Tee und Kakao)
Arbeits- und Dienstbekleidung
Informations- und Kommunikationstechnologie
5.2
Bei welchen der Produkte
wird die Einhaltung der sozialen Kriterien tatsächlich auch
in der täglichen Vergabepraxis verlangt?
Für weitere Produkte, nämlich
Naturkautschuk-Produkte (z.B. Einmal-/Arbeitshandschuhe, Reifen, Gummibänder)
Bleistifte und Radiergummis (Gewinnung der Rohstoffe: Holz, Gesteinsmehl und Kautschuk)
Lederwaren, Gerbprodukte (z.B. Botentaschen)
Sportartikel (Bekleidung und Geräte)
Blumen
Baumwollprodukte
Spielwaren
Teppiche
(Mehrfachnennung möglich)
(Musterformularvordrucke bitte
beilegen)
Holzprodukte
Arbeits- und Dienstbekleidung
Informations- und Kommunikationstechnologie
Fordern Sie von den Bietern
einen Nachweis zur Einhaltung der sozialen Kriterien?
Wenn ja, welche Nachweise
verlangen Sie?
Natursteine
Agrarprodukte (über Kaffee, Tee und Kakao hinaus)
Agrarprodukte (Kaffee, Tee und Kakao)
5.3
Holzprodukte
Bei weiteren Produkten, nämlich
Nachweis durch ein Label/Siegel, z.B. Fair Trade oder der Mitgliedschaft in Multi-Stakeholderoder Zertifizierungs-Initiativen wie z.B.:
FWF oder
BSCI oder – bei anderen Produktgruppen, wie z.B. Natursteine –
Zertifix oder
fair stone
Eine abgestufte Bietererklärung – wird diese stichprobenartig kontrolliert?
Nein
Ja, z.B. durch:
Vorlage eines Unternehmensberichtes
Vorlage eines Verhaltenskodizes
Bisher wird kein spezieller Nachweis zur Einhaltung von sozialen Kriterien (z.B. ILO-Normen
oder Fairer Handel) gefordert, weil:
5.4
Wo verankern Sie die Einhaltung sozialer Kriterien in der
Ausschreibung?
in den Zuschlagskriterien
in den zusätzlichen Auftragsausführungsbestimmungen
anders, nämlich indem wir:
5.5
Wie haben die Bieter tendenziell auf d. Beschluss reagiert?
offen
zurückhaltend
ablehnend
Die Bieterbeteiligung hat sich reduziert.
3
Großer FAIRNESS-Check
6
Probleme und Stellungnahmen zu sozialen Kriterien bei der Beschaffung
6.1
Wie schätzen Sie generell die
Umsetzung der Beschlüsse
zur Einhaltung sozialer Kriterien derzeit ein?
6.2
Wo liegen die Probleme
bei der Umsetzung von
Beschlüssen zur Anwendung
sozialer Kriterien bei der
kommunalen Beschaffung
und was würde die Beschaffung nach sozial verantwortlichen Kriterien in unserer
Stadt erleichtern?
6.3
Wünschen Sie sich allgemein eine stärkere proaktive
Haltung hinsichtlich sozialer
Kriterien in der Beschaffung?
Wenn ja, wer sollte diese
Rolle einnehmen?
(Mehrfachnennung möglich)
sehr leicht umzusetzen
leicht umzusetzen
schwierig umzusetzen
unmöglich umzusetzen
Ja, nämlich
Unternehmen
Kommunen
Bürgerschaft/Zivilgesellschaft
Bund
Länder
andere, nämlich
Nein
Kommentare
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Nummer der Frage
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der Transparenz die Ergebnisse der
Befragung gerne veröffentlichen.
Sind Sie damit einverstanden?
Ja, die Ergebnisse können veröffentlicht werden.
Nein, ich möchte, dass die Ergebnisse bis auf Weiteres nur vertraulich zur Weiterarbeit genutzt
werden.
Hinweis: Viele Nichtregierungsorganisationen bieten den Kommunen vielfältige Unterstützungsangebote an, um die Umstellung auf einen fairen Einkauf zu erleichtern. So bietet die Christliche Initiative Romero (CIR) Schulungen, Musterausschreibungen und Materialien an und begleitet Städte im Rahmen von Pilotprojekten von der Einkaufsanalyse bis hin zur Durchsicht
der Angebote auf korrekte Nachweise. Auch die jeweiligen Eine-Welt Landesnetzwerke und Terre des Hommes Lokalgruppen
sowie Weltläden sind ansprechbar!
Mehr Infos unter www.ci-romero.de und _____________________________________________________________
____________________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________________
____________________________________________________________________________________________
(bitte Kontaktadresse und oder Webseite vom lokalen Versender eingeben)
4
Die Politik steuert die Ausrichtung der Beschaffung
in der Kommune. Sie ist neben der Verwaltung eine
wichtige Größe, um die faire und nachhaltige Beschaffung zu stärken und die o. g. Herausforderungen
der Verwaltung zu lösen. Dabei reicht die Verabschiedung von Richtlinien nicht aus. Die Politik muss
auch die Umstellung in der Verwaltung konsequent
verfolgen und ermöglichen. Hierfür sind begleitende
Instrumente und Regeln zu verabschieden und es
ist genau zu analysieren, was einer sozial gerechten
Vergabe im Wege steht.
Mittelbogen zum Heraustrennen
Wichtige Instrumente, die die Politik zur Förderung der
nachhaltigen Beschaffung verabschieden kann, sind z.B.:
•
Finanzielle Anreize, z. B. ein gesondertes Budget für
nachhaltige Beschaffung.
•
Monitoring der Beschlüsse durch Berichtspflichten,
Indikatorenerhebung.
•
Kurzfristige Verteuerungen in Kauf nehmen und im
Haushalt einplanen.
•
Fachliche Unterstützung bieten und die Verwaltung
zur Zusammenarbeit mit NGOs auffordern.
2.4 Gute Beispiele –
zur Nachahmung empfohlen
Vorreiter für nachhaltige Beschaffung –
von mutigen und engagierten Kommunen
Die Kommune München:
Vorreiter für nachhaltige
Beschaffung
Ein Beitrag von Juliane Kühnrich, WEED
München liegt in einem der beiden Bundesländer, die bisher noch kein landesspezifisches Vergabegesetz auf den
Weg gebracht haben, das die Berücksichtigung sozialer
und ökologischer Aspekte in öffentlichen Ausschreibungen regelt. Trotzdem gilt die Stadt als Vorreiter für soziale Beschaffung. Denn München hat Wege gesucht, um
Anforderungen an Sozialkriterien vergaberechtlich sicher
zu gestalten. Mehr noch: München hat mit seiner Beschaffungspraxis wesentlich dazu beigetragen, rechtliche
Grundlagen für eine ökologisch und sozial nachhaltige Beschaffung weiterzuentwickeln.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Aus: Quo vadis, Beschaffung? Eine Bestandsaufnahme der sozial verantwortlichen öffentlichen Beschaffung: Reformen, Spielräume, Vorreiter. Hrsg. WEED,
CorA, CIR. 2014.
Bereits 2002 fasste der Münchner Stadtrat den Beschluss,
keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit einzukaufen (Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation IAO). Diesem Vorbild sind mehr als 200 Städte und
Gemeinden mit ähnlichen Beschlüssen gefolgt. 2011 beschloss der Münchner Stadtrat, die nachhaltige und faire
Beschaffung weiterzuentwickeln.
Begonnen hat München mit dem Einfordern von Eigenerklärungen. Diese konnten aber weder von den Vergabestellen nachgeprüft werden noch halfen sie zuverlässig und in
zufriedenstellendem Maße dabei, das Ziel sozial verantwortlicher Beschaffung zu erreichen. Deshalb wurden im
Beschluss einzelne Produkte bestimmt, für die ab sofort
die auf dem Markt verfügbaren Siegel eingefordert werden
sollten.
In einer ersten Phase führte München diese Vorgehensweise für die Beschaffung von Natursteinen und genähten
Kapitel 2 Beschaffung konkret
27
Raphael Thalhammer, Nord Süd Forum München
Seitdem München 2002 einen Stadtratsbeschluss gegen Produkte aus
ausbeuterischer Kinderarbeit gefasst hat, geht es in kleinen Schritten voran: Zuletzt trat am 01.01.2015 an allen städtischen Schulen
ein Rahmenvertrag zur Beschaffung fairer Sportbälle in Kraft. Das
Nord Süd Forum begleitet die Stadt bei all diesen Bemühungen erinnernd, ermahnend und natürlich auch lobend. Mit unserer Kampagne ‚München fairwandeln‘ wollen wir das Bewusstsein für sozial verantwortlichen Konsum in der ganzen Stadt stärken.
Sportbällen ein. In Zukunft soll diese Praxis auf Textilien
und Büromaterialien ausgeweitet werden.
Enge Zusammenarbeit von Politik,
Verwaltung und Zivilgesellschaft
Die Münchner Strategie verfolgt einen Ansatz, bei dem Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft koordiniert und eng
zusammenarbeiten. Je nach Produkt und Vorhaben entsteht auch ein Austausch mit anderen KooperationspartnerInnen wie Kirchen, Gewerkschaften, der freien Wirtschaft, Schulen und weiteren Bildungsträgern.
Die Zivilgesellschaft wird in München durch die Organisation und Durchführung von Fachveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit zu sozial verantwortlicher Beschaffung
eingebunden. Zudem wurde mit Beschluss im Stadtrat
vom 14.12.2011 die Fachstelle Eine Welt im Referat für Gesundheit und Umwelt u.a. beauftragt, durch Informationsund Öffentlichkeitsarbeit und in Kooperation mit der Zivilgesellschaft den Fairen Handel in der Stadtgesellschaft
und die sozial verantwortliche Beschaffung in der Stadtverwaltung zu fördern. Dahinter steht die Überzeugung,
dass sowohl Lieferanten als auch die Verwaltung erst mitgenommen werden können, wenn auch dort das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer sozial verantwortlichen
Beschaffung vorhanden ist. Neben der engen Zusammenarbeit mit lokalen NGOs wie z.B. mit dem Nord Süd Forum
München e.V., die vor Ort Öffentlichkeitsarbeit leisten, hat
sich die Zusammenarbeit mit bundesweit tätigen NGOs
als zielführend erwiesen.
Die auf bestimmte Themenbereiche bzw. Produkte spezialisierten NGOs steuern ihre Erfahrungen in der Beratung
von Kommunen bei. In dem Erfahrungsaustausch spielen
nicht nur der Wissenstransfer zu bestimmten Produkten
und das Wissen um Siegel und Zertifikate eine Rolle, sondern auch die Weitergabe von Ausschreibungstexten, mit
denen andere Kommunen – in diesem Fall München – arbeiten können. Der Vorteil in der Beratung durch NGOs
28
Kapitel 2
Beschaffung konkret
liegt u.a. darin, dass sie durch
die intensive Beschäftigung mit
einem Thema den Blick auf den
gesamten Prozess mitbringen.
Außerdem geben Sie Informationen aus anderen Ländern
weiter und können über aktuelle
Entwicklungen berichten.
Kontinuität, Transparenz und Mut in
der Entwicklung sozial
verantwortlicher
Beschaffung
Ein weiterer wichtiger Aspekt
in der Umsetzung nachhaltiger Beschaffung in der Stadt
München ist die kontinuierliche Auseinandersetzung mit
dem Thema selbst, den (rechtlichen) Möglichkeiten und
das Nachhalten von Beschlüssen. So wird nach Auftrag
des Stadtrats nach zwei Jahren überprüft, ob Beschlüsse
umgesetzt wurden und wie die sozial verantwortliche Beschaffung weiterentwickelt werden kann. Dazu wurde der
Münchner Arbeitskreis „weiteres Vorgehen in der fairen
Beschaffung“.. Auch der Fachstelle Eine Welt kommt eine
besondere Bedeutung zu, da sie als Anlaufstelle für Fragen
aus der Verwaltung zu sozial verantwortlicher Vergabe beraten kann.
Verankerung in der Vergabepraxis: glaubwürdige Nachweise als Pflicht
Da Bietererklärungen nur schwer auf ihre Richtigkeit überprüft werden können, beschloss München 2011, beim Einkauf von bestimmten Produkten Gütezeichen von den
Bietern einzufordern, die konkrete und produktspezifische
Kriterien definieren und garantieren. Bei Produkten, für
die es bisher keine glaubwürdigen Nachweise gibt, sollen
weiterhin die von Bietern vorgelegten Eigenerklärungen
akzeptiert werden.
Da es bisher nicht möglich war, soziale Kriterien rechtssicher in technischen Spezifikationen oder in Eignungskriterien zu verankern,1 hat München in die Leistungsbeschreibung eine Auftragserfüllungsklausel aufgenommen.
Damit verpflichtet sich der Bieter bereits bei Angebotsabgabe, eine unabhängige und geeignete Prüfstelle zu benennen und vor Ausführung dem Auftraggeber ein produktbezogenes Zertifikat dieser Prüfstelle vorzulegen. Als
Referenz für Natursteine benennt München anerkannte
glaubwürdige Siegel wie WIN=WIN, Xertifix oder gleichwertige Nachweise.
FAZIT: München ist bei dem Versuch, die Beschaffungspraxis umzustellen, Schritt für Schritt vorgegangen. Durch
1
Die neue EU-Richtlinie schafft hier mehr Spielräume.
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
eine hohe politische Priorisierung der öffentlich nachhaltigen Beschaffung, die bis zu den Kommunalwahlen 2014
strukturelle Verankerung derselben im Büro des 3. Bürgermeisters sowie die Einrichtung der Fachstelle Eine Welt im
Referat für Gesundheit und Umwelt hat die sozial verantwortliche Beschaffung enorme Aufwertung erfahrenDie
Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft hat außerdem
eine breite Anbindung des Themas sowie hohe Akzeptanz
in der Öffentlichkeit bewirkt. Entscheidend war auch der
Austausch mit anderen Kommunen, in denen bereits konkrete Erfahrungen in der Umsetzung gesammelt werden
konnten. Erfahrungen aus Bremen und Zürich sind in die
Beschaffungspraxis der Stadt München eingeflossen.
An den Aktivitäten der Stadt München wird insgesamt
deutlich, dass politische Beschlüsse allein noch keine sozial verantwortliche Beschaffung nach sich ziehen. Erst die
kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema, die
Schaffung von Strukturen, bzw. die strukturelle Verankerung des Themas, das Nachhalten von Beschlüssen und
das Suchen von Wegen, wie diese gut umzusetzen sind,
schaffen eine Verankerung verantwortlicher Beschaffung
und deren Umsetzung in der Praxis.
Nachhaltige Beschaffung
in Mainz
Ein Beitrag von Juliane Kühnrich, WEED
Mainz hat bereits im Jahr 2002 begonnen, sich mit dem
Thema nachhaltige öffentliche Beschaffung auseinanderzusetzen. So wurde 2002 im Mainzer Stadtrat der
Beschluss gefasst, keine Produkte mehr aus ausbeuterischer Kinderarbeit einzukaufen. Darauf folgten weitere
Beschlüsse, um der Einführung einer nachhaltigen Beschaffung mehr Gewicht zu verleihen und sie weiter voranzubringen. Die politischen Vorgaben in den Beschlüssen
wurden durch Rundschreiben zu ökologischen und sozialen
Anforderungen für die Verwaltung konkretisiert.
Strukturelle Verankerung der
nachhaltigen Beschaffung
Beratungsangebote für BeschafferInnen zu sozial und
ökologisch verantwortlicher Beschaffung werden über
das Umweltamt und die Koordinationsstelle für die Lokale AGENDA 21 bereitgestellt. Strukturell wurde dazu eine
stadtinterne Arbeitsgruppe der Verwaltung einberufen,
um die langfristige Bearbeitung des Themas sicherzustellen. Die Arbeitsgruppe trifft sich ungefähr vier Mal im Jahr,
vor allem wenn es konkrete Anlässe bezüglich einer sozialökologischen Vergabe gibt. In Abhängigkeit von den jeweiligen Ausschreibungen wird so die nachhaltige Beschaffung in Mainz schrittweise weiterentwickelt.
Mainz ist vor allem in der Umsetzung der umweltfreundlichen Beschaffung stark und hat auf diesem Gebiet viel
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Sabine Gresch, Lokale AGENDA 21 Mainz
Die Stadt Mainz hat seit 2004 einen zentralen
Bestellkatalog, in dem nachhaltige Produkte mit
S (sozialverträglich) und U (umweltverträglich)
gekennzeichnet sind. Kontinuierlich werden Produkte ergänzt. Eine Arbeitsgruppe erarbeitet
Leitfäden und Checklisten für nachhaltige Beschaffung. Zudem bietet die Stadt ihren MitarbeiterInnen Fortbildungen an.
erreicht. Beispielsweise wurde zur Senkung des Energieverbrauchs ein Beleuchtungskonzept entwickelt und
die Straßenbeleuchtung auf die Nutzung von LED-Straßenlampen umgestellt. Zudem hat Mainz die Erfahrung
gemacht, dass durch einen schonenden Umgang mit
Ressourcen und Energie auch nennenswerte finanzielle
Einsparungen erzielt werden können.
Im Bereich der sozial verantwortlichen Beschaffung ist
Mainz vor allem in Zusammenhang mit dem Titel „Fairtrade-Stadt“ aktiv. So wird z.B. bei Veranstaltungen im
Rathaus fair gehandelter Kaffee angeboten und vom
Grünamt Blumenschmuck aus fairem Handel beschafft.
(Mit Wegfall des FLP-Siegels wird dies allerdings schwieriger werden.) Ein besonders innovatives Element der verantwortlichen Beschaffung in Mainz ist der elektronische
Einkaufskatalog, der gezielt Produkte des Mainzer Weltladens aufgenommen hat und so das Angebot für eine verantwortliche Beschaffung steuert.
Das Angebot durch einen zentralen
Einkaufskatalog steuern
Trotz einer dezentralen Beschaffungsstruktur hat es die
Stadt Mainz geschafft, nachhaltige Beschaffung für die
Beschaffungsstellen durch kleine strukturelle Verbesserungen zu erleichtern. Konkret handelt es sich um die Einrichtung einer stadtinternen Arbeitsgruppe zu sozial- und
umweltgerechter Beschaffung und die Einführung eines
zentralen Einkaufskatalogs.
Von der anfänglich reinen Wirtschaftlichkeitsüberlegung
hat sich der Katalog zu einem Einkaufsinstrument entwickelt, das gezielt sozial hergestellte und umweltfreundliche Produkte einbindet.
Im Mai 2013 erhielt die Stadt Mainz die Auszeichnung
zur Fairtrade-Town. Bei der Auszeichnung spielte auch der
elektronische Einkaufskatalog der Stadt eine Rolle. Denn
der zentrale Katalogeinkauf eignet sich nicht nur, um Stan-
Kapitel 2 Beschaffung konkret
29
dardprodukte (Ver- und Gebrauchsartikel) anzubieten,
sondern bietet die Möglichkeit, Standards festzulegen. Die
dezentral verantwortlichen EinkäuferInnen in den Ämtern
und Betrieben können über den Katalog sehen, ob es sich
bei den gesuchten Artikeln um faire Produkte handelt. Ein
ungewolltes (weil unfaires) Produkt kann im Katalog ganz
einfach gegen ein Produkt aus fairem Handel ausgetauscht
werden.
Ein weiterer Vorteil des elektronischen Einkaufskatalogs
liegt in der besseren Erfassung von Beschaffungsvorgängen und damit der Schaffung von mehr Transparenz. Weil
an den elektronischen Einkauf in Mainz die gesamte Verwaltung und auch einige Beteiligungsgesellschaften angeschlossen sind, konnten zudem enorme Kosteneinsparungen erzielt werden (36 Prozent). Mit dem gebündelten
Einkauf sind sowohl die Einkaufspreise als auch die mit Bestellungen verbundenen Prozesskosten gesunken2.
Die Anwendung des Katalogs durch die Verwaltung ist kein
Selbstläufer. Hier bedurfte und bedarf es Schulungen, nicht
nur für den generellen Umgang mit der e-Vergabe, sondern
auch bezüglich Fragen zu Zertifizierungen, sozialen und
ökologischen Kriterien. Nicht zuletzt ist auch einiges an
Überzeugungsarbeit notwendig.
Interessant ist, dass die Entwicklung des Katalogs durch
eine Verwaltungsinitiative entstand, und zwar aufgrund
des aktiven Interesses einiger Einzelpersonen. Mit der Zeit
gelang es, den Katalog zu einem Instrument der sozialökologischen Beschaffung weiterzuentwickeln. Und durch
die Verleihung des Titels Fairtrade-Town wird das Anliegen
einer sozial verantwortlichen Beschaffung immer mehr
auch in die Politik getragen.
Stadt Dortmund: Gute strukturelle Voraussetzungen für
die faire Beschaffung
30
Darüber hinaus beschafft die Stadt seit mehreren Jahren
faire Fußbälle für die Fußballstadtmeisterschaften, die
vom Agenda-Büro zur Verfügung gestellt werden. Mit der
Bewertung zur Fairtrade-Town verpflichtete sich die Stadt
zudem, Fairtrade-Produkte im Rathaus und dem Betriebsrestaurant anzubieten.
2009 startete die Stadt ein Modellprojekt zu fairen Berufsbekleidung für die Angestellten des Betriebsrestaurants
und stattete sie mit FWF-zertifizierter Kleidung von Hess
Natur aus. Die Stadt Dortmund war damit eine der ersten
Städte, die ihre Aktivitäten im Hinblick auf die „Fairhandels-Klassiker“ Kaffee, Schokolade und Tee ausweiteten
auch auf andere nachhaltig produzierte Produkte. Unter
diese Produkte fallen auch Blumen. Bei der Bereitstellung
und Zustellung von Blumenpräsenten bei Ehrungen von
Jubilaren durch die Stadt Dortmund sind von den Bietern
neben der fachlichen Eignung zwingend eine Reihe von
Nachweisen, wie das Fairtrade-Siegel zu erbringen.
Seit 2013 koordiniert die Stadt Dortmund darüber hinaus
ein internationales EU-Projekt zum nachhaltigen öffentliche Einkauf, in dessen Rahmen die sozial verantwortliche
Beschaffung strukturell verankert und konkret anhand
unterschiedlicher Produkte in Zusammenarbeit mit NGOs
konkret ausprobiert wird.
Schlüsselfaktor Mensch
Auffällig in der Stadt ist, dass vom Agenda-Büro bis zur
Amtsleitung und zu den Mitarbeitern des zentralen Vergabe- und Beschaffungszentrums sich für den fairen Handel
engagierte Personen bewegen, die das Konzept der nachhaltigen Entwicklung als alternativlos ansehen und kommunales Handeln als einen wichtigen Bestandteil dieses
Konzepts einstufen. Mit einem Oberbürgermeister, der
sich seit vielen Jahren für den fairen Handel engagiert,
haben die MitarbeiterInnen zudem die nötige Rückendeckung von ganz oben, wenn es um faire Experimente und
die Erprobung neuer Wege geht.
Schlüsselfaktor Struktur
Mit der am 20.09.2007 verabschiedeten Rundverfügung
für alle Fachbereiche der Dortmunder Stadtverwaltung,
vollzog die Stadt bereits vor der Reform des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und damit
vor der „offiziellen Erlaubnis“ die ILO-Normen in die öffentliche Beschaffung einzubeziehen den Schritt, dass
bei städtischen Einkäufen von den Bietern eine Erklärung
zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnorm 182 (Verbot der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit) einzufordern ist.
Mit der Unterschrift unter der Magna Charta Ruhr im Jahr
2009 wurde dieser Beschluss noch einmal bestätigt.3
Die Stadt Dortmund verfügt seit 2008 über ein Vergabeund Beschaffungszentrum, in dem alle Einkäufe der Stadt
getätigt werden. Ursprünglich verfolgte die Gründung des
Vergabe- und Beschaffungszentrums nicht primär den
Aspekt der sozial verantwortlichen Beschaffung, sondern
vielmehr den Ansatz, Optimierungen in den Beschaffungsprozessen zu erwirken. Die einfachere Verankerung von
nachhaltigen Beschaffungsprozessen ist dabei ein sinnvoller Nebeneffekt. Strukturell besitzt Dortmund mit dem
jungen zentralen Vergabe- und Beschaffungszentrum eine
hervorragende Struktur, um FAIRgabe systematisch zu
2 Interview mit Klaus Faßnacht in der September-Ausgabe von Kommune 21 vom
30.08.2012
3 Für das Europäische Kulturhauptstadtjahr 2010 wollte sich das Ruhrgebiet als
Modellregion für Europa präsentieren. Dies nahm ein Netzwerk aus Kommunen und
zivilgesellschaftlichen Organisationen zum Anlass von allen Ruhrstädten eine Magna
Charta gegen ausbeuterische Kinderarbeit unterzeichnen zu lassen. Mit der Unterschrift unter die MAGNA CHARTA RUHR.2010 haben sich am 10. Juni 2010 alle 54 beteiligten Kommunen und 4 Landkreise der Kulturhauptstadt verpflichtet, auf Produkte
aus ausbeuterischer Kinderarbeit in ihrer Beschaffung zukünftig zu verzichten.
Kapitel 2
Beschaffung konkret
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Die Stadt Dortmund anlässlich der Verleihung des Vergabepreises NRW 2014. Foto: Stadt Dortmund, Stefanie Kleemann
verankern. Der Einkauf von Leistungen und Gütern für die
verschiedenen Ämter der Stadt wird von dort aus zentral
getätigt, womit ein größeres Einkaufsvolumen erreicht
wird und die Steuerung dessen, was an Kriterien, Standards
und Anforderungen verankert wird, einfacher zu vollziehen
und zu kontrollieren ist. Neue Ideen und Innovationen werden im Vergabe- und Beschaffungszentrum gefördert und
Einkäufe zusammengeführt. Ein höheres Einkaufsvolumen
bietet Unternehmen einen größeren Anreiz zu bieten und
dafür auch Kriterien und Anforderungen in Kauf zu nehmen, die evtl. mehr Arbeit machen oder Kosten verursachen.
Keine Angst vor NGOs
Neben innerstädtischen Arbeitsgruppen scheut sich die
Verwaltung der Stadt nicht davor, eng mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen für die jeweiligen Prozesse wichtigen Stakeholdern zusammenzuarbeiten und
ihren Rat und ihre Expertise, aber auch ihre Befürchtungen
und andere Anregungen in Betracht zu ziehen. Mit diesem
Ansatz können Probleme oftmals schon von vornherein
ausgeräumt und neue Wege beschritten werden. Diese
große Offenheit und das entgegengebrachte Vertrauen
zwischen NGOs und Kommune sind in anderen Kommunen selten anzutreffen.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Helga Jänsch,
Lokale AGENDA 21 Dortmund
Im Projekt „Jede Kommune zählt!“ wurde
im Dortmunder Rathaus ein Fachgespräch
organisiert. Mit den Partnern CIR und
Eine-Welt-Netz NRW haben wir so im Dialog mit Arbeitsbekleidungsunternehmen
und Initiativen herausgearbeitet, welche
Schwierigkeiten und welche möglichen Lösungsansätze es für beide Seiten gibt, damit eine nachhaltigere Beschaffung von
Berufsbekleidung erfolgreich umgesetzt
werden kann.
Kapitel 2 Beschaffung konkret
31
KAPITEL 3
Der Bedarf zum Handeln:
Klassische Produktkategorien
für die FAIRgabe
Welche Arbeitsrechtsverletzungen kommen bei der Produktion von Kaffee,
Berufsbekleidung oder Natursteinen häufig vor? Durch welche Maßnahmen
kann man diese beim öffentlichen Einkauf bekämpfen? Welche Nachweise
gibt es? Das folgende Kapitel geht diesen Fragen bei verschiedenen Produkten
nach, die in großen Mengen von Kommunen eingekauft werden.
32
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
3.1 Kaffee, Tee, Orangensaft und
weitere Lebensmittel
K
affee, Tee oder Orangensaft trinken wir täglich,
obwohl die Pflanzen nicht in unseren Breitengraden wachsen, die Produkte bzw. ihre Grundstoffe
also importiert werden müssen. Während Kaffee zu rund
80 Prozent von Kleinbauernfamilien angebaut wird, werden Tee und Orangen vor allem auf Plantagen für den Export produziert.
Viele Kleinbauernfamilien können mit den Preisen, die ihnen die Kaffeehändler zahlen, oft nicht einmal ihre Produktionskosten decken. Die Preise für Rohkaffee richten sich
nach dem Weltmarktpreis.
In guten Erntejahren mit einem großen Angebot an Rohkaffee sinken die Preise an den internationalen Börsen.
Zusätzlich fehlt den Kaffee-AnbauerInnen häufig sowohl
der Zugang zu Informationen über die Weltmarktpreise als
auch die Verhandlungsmacht gegenüber den KaffeehändlerInnen. Insbesondere in abgelegenen Regionen können
die AnbauerInnen nicht wählen, wem sie ihre Kaffeebohnen verkaufen und haben daher wenig Verhandlungsspielraum.
Die niedrigen Verkaufspreise führen dazu, dass Familien
sich nicht ausreichend ernähren können und die Kinder
im gleichen Maße wie Erwachsene in der Landwirtschaft
mitarbeiten müssen. Auf den Kaffee-, Tee- und Orangenplantagen sind die ArbeiterInnen häufig ausbeuterischen
Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Lange Arbeitstage im
Akkord und zu Hungerlöhnen bestimmen ihren Alltag. Das
Einkommen reicht nicht für eine angemessene Ernährung
aus.
Aufgrund der niedrigen Löhne ist Kinderarbeit auch auf
den Plantagen ein verbreitetes Phänomen. Die Kinder erhalten einen noch geringeren Lohn als Erwachsene. Viele
PlantagenbetreiberInnen ersetzen daher erwachsene ArbeiterInnen durch Kinder. Diese müssen dann auch Arbeiten verrichten, die sie körperlich überfordern, wie z. B. das
Tragen schwerer Lasten. Langfristige Gesundheitsschäden
sind die Folge.
Kaffee, Tee und Orangensaft in der
öffentlichen Vergabepraxis
Kaffee, Tee und Orangensaft werden von kommunalen
Einrichtungen meist in geringen Mengen eingekauft, so
dass sie häufig im Verfahren der freihändigen Vergabe
ohne öffentliche Ausschreibung beschafft werden können.
Sie werden häufig auch dezentral von den jeweils zuständigen MitarbeiterInnen eingekauft.
Das zeigt, wie wichtig es ist, dass nicht nur zentrale Beschaffungsstellen über einen Beschluss zur öko-sozialen
Beschaffung informiert sind, sondern alle MitarbeiterInnen
der kommunalen Einrichtungen. Kaffee, Tee und Orangensaft sowie weitere Lebensmittel wie etwa Schokolade, Bananen, Honig oder Wein gibt es fair gehandelt.
Der faire Handel bietet vor allem für die Kleinbauernfamilien wichtige Abnahme- und Preisgarantien. Darüber hinaus
beinhaltet er für kleinbäuerliche und Plantagenproduktion
strenge Sozial- und Umweltstandards. Der faire Handel
bietet Kaffee und Tee und weitere Lebensmittel auch mit
biologisch-organischer Zertifizierung an. Die Produkte findet man inzwischen in fast allen Supermärkten, Bioläden
und Weltläden.
Weitere Tipps und Informationen:
•
•
www.forum-fairer-handel.de
Durch die Teilnahme an der Fairtrade-Towns Kampagne können Sie die Beschaffung von fair gehandelten
Produkte in Ihrer Kommune fördern. Informationen
finden Sie unter www.fairtrade-towns.de
Neben Hungerlöhnen und ausbeuterischer Kinderarbeit
sind vor allem fehlende Organisationsfreiheit und Gesundheitsrisiken durch Pestizide die größten Probleme der ArbeiterInnen. Ihre Arbeitsverhältnisse sind geprägt von Entrechtung und Unterdrückung.
Bananenproduktion in Honduras. Foto: EMIH
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
33
Darstellung in Anlehnung an TransFair Unterrichtseinheit Orangensaft, 2010
34
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
3.2Natursteine:
Mehr als Kinderarbeit
Ein Beitrag von Friedel Hütz-Adams, SÜDWIND e.V., Institut für Ökonomie und Ökumene
E
in großer Teil der in Deutschland verkauften Produkte aus Naturstein stammt nicht aus deutschen
Steinbrüchen, sondern wird importiert. Stark gesunkene Transportpreise sowie immer stärker global
vernetzte Märkte haben dazu geführt, dass deutsche
KundInnen heutzutage Zugriff auf eine breite Palette an
Produkten haben, die in Indien, China, Brasilien, Vietnam,
der Türkei und vielen anderen Staaten gefertigt und anschließend per Container nach Deutschland geschickt
werden. Diese Importe sind meist deutlich billiger als in
Deutschland hergestellte Produkte aus Naturstein.
Ab dem Jahr 2000 häuften sich Berichte über Missstände
sowohl in Steinbrüchen als auch in Betrieben zur Weiterverarbeitung von Natursteinen. Für Marktkenner ist dies
keine Überraschung. Die Arbeit in Steinbrüchen ist wegen
des hohen Gewichts des Rohstoffs und dem Umgang mit
Chemikalien mit vielen Unfallrisiken und berufsbedingten
Erkrankungen wie z.B. Quarzstaublunge verbunden. Abgesehen davon wird sie meist sehr schlecht bezahlt. Deshalb wurden in Deutschland umfassende Tarifverträge sowie Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze eingeführt, um die
Beschäftigten zu schützen.
In den wichtigsten Lieferstaaten ist die Situation aber oft
wesentlich schlechter. Zwar gibt es dort auch gut geführte,
moderne Betriebe mit hohen Standards. Doch viele der hiesigen Importeure räumen ein, dass bei einem erheblichen
Teil der Lieferanten die Arbeitsrechts-, Sicherheits- und
Umweltstandards weit unter denen in Deutschland liegen.
Tödliche Bedrohung: Silikose
In vielen Steinbrüchen und Verarbeitungsbetrieben werden
Natursteine genutzt, bei deren Bearbeitung kieselsäurehaltiger Staub anfällt. Dieser kann zu Allergien und Hautkrankheiten führen. Noch gefährlicher sind Ablagerungen
in der Lunge, die eine sog. Quarzstaublunge (Silikose) zur
Folge haben können. Es ist in Deutschland deshalb bei der
Bearbeitung vieler Natursteinsorten seit Jahrzehnten vorgeschrieben, die Steine nass zu machen oder den entstehenden Staub sofort abzusaugen.
In vielen Abbauländern gibt es ähnliche Vorschriften, die
jedoch in zahlreichen Minen und verarbeitenden Betrieben nicht eingehalten werden. Besonders problematisch
ist die Situation in Indien, wo hunderttausende Beschäftigte und Anwohner von Steinbrüchen an Silikose erkrankt
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Ausbeuterische Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen.
Foto: Nagender Singh Chhikara
sind. Zwar stehen den Kranken Entschädigungen zu, doch
da Ärzte in der Regel Tuberkulose als Ursache der Leiden
diagnostizieren, bleiben ihnen diese Zahlungen meist vorenthalten.
Umweltzerstörungen, Schuldknechtschaft
und Kinderarbeit
Die Situation in den Steinbrüchen Indiens stand und steht
immer wieder im Mittelpunkt der Kritik. Studien weisen
nach, dass in vielen indischen Betrieben erhebliche Probleme bestehen. Sie beginnen bereits mit dem Anlegen von
Steinbrüchen, denen Felder oder Natur weichen müssen.
Abraum und Schutt der Minen werden in vielen Regionen
über große Flächen verstreut entsorgt, stillgelegte Steinbrüche nicht wieder gefüllt. Die hohe Staubbelastung rund
um viele Steinbrüche und Verarbeitungsanlagen führt
nicht nur zu der bereits erwähnten Silikose, sondern beeinträchtigt auch die Landwirtschaft.
In vielen Steinbrüchen Indiens gelten die relativ weitreichenden indischen Arbeitsschutzgesetze nicht, da niemand ihre Einhaltung durchsetzt. Die Situation für die
Beschäftigten wird dadurch verschärft, dass in der Regel
im Akkordsystem entlohnt wird. Viele Arbeitskräfte haben sich durch Vorschüsse bei ihren Arbeitgebern oder Arbeitsvermittlern verschuldet und arbeiten die Kredite nun
ab. Oft sind die Zinsen aber so hoch, dass eine Abzahlung
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
35
Die Natursteinproduktion reißt nicht nur riesige Löcher in den Boden sondern macht auch häufig die ArbeiterInnen krank.
Foto: Nagender Singh Chhikara
praktisch unmöglich ist. Aus einigen Regionen Indiens liegen Berichte vor, dass Kinder u. a. Pflastersteine für den
Export produzieren. Häufig verarbeiten sie unmittelbar neben den Steinbrüchen Produktionsreste zu Schotter für den
lokalen Markt.
Probleme in weiteren Abbauländern
Die Situation in China, dem größten Lieferanten für den
deutschen Markt, ist besser. Doch auch in vielen chinesischen Unternehmen gibt es erhebliche Missstände. Dazu
gehören illegal errichtete Steinbrüche, die Beschäftigung
nicht angemeldeter Arbeitskräfte, überlange Arbeitszeiten, niedrige Löhne, Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen und das Fehlen von Versicherungen bei Arbeitsunfällen.
Der globalisierte Steinmarkt hat zudem zu einem direkten
Zusammenhang zwischen Steineinkäufen aus China und
Kinderarbeit in Indien geführt: wichtigster Granitlieferant
Chinas ist Indien.
36
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
Umfassender Ansatz erforderlich
Die Problematik in den Steinbrüchen geht weit über die oft
im Mittelpunkt von Medienberichten stehende Kinderarbeit hinaus. Von zentraler Bedeutung für die Beschäftigten
ist die Umsetzung der von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufgestellten Kernarbeitsnormen. Darüber hinaus müssen Mindeststandards zum Schutz der
Umwelt und der Gesundheit der Beschäftigten umfassend
umgesetzt werden.
Dazu können die Importeure der in Deutschland verwendeten Natursteine einen wichtigen Beitrag leisten. Sie sind
Teil einer globalisierten Lieferkette und damit in der Pflicht,
die Einhaltung grundlegender Menschenrechte in ihrer
Wertschöpfungskette zu garantieren. Dies haben der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UN) in den im Jahr
2011 verabschiedeten UN-Leitprinzipien für Unternehmen
und Menschenrechte (Details dazu finden Sie auf Seite 9)
und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) festgelegt.
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
CIR-Position: Friedhofssatzungen als Instrument
gegen Ausbeutung von Kindern?
E
inige Kommunen setzen sich gegen ausbeuterische
Kinderarbeit ein, indem sie in ihren Friedhofssatzungen den Beschluss aufgenommen haben, dass nur
„Grabsteine ohne Kinderarbeit“ eingekauft werden
dürfen. Diese waren aber lange Zeit rechtlich umstritten. Die Rechtssache „Nürnberger Friedehofsatzung“
schafft hierbei aber endlich etwas mehr Klarheit: Nachdem ein Steinmetz gegen die Satzung geklagt hatte,
erklärte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH)
in München die entsprechende Regelung „Grabsteine
ohne Kinderarbeit“ für unwirksam. Die Stadt Nürnberg
brachte den Fall dann aber vor den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (VerfGH), der wiederum das Urteil
des VGH aufhob. Das Urteil wurde damit begründet,
dass Gemeinden ihr Recht auf eine „schickliche“ Bestattung dahingehend interpretieren können, dass es
mit der Würde der Totenbestattung unvereinbar sei,
wenn Grabsteine benutzt würden, bei deren Produktion
Kinder ausgebeutet wurden. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerwG) entschied am 06.10.2013, dass
Friedhofssatzungen gegen ausbeuterische Kinderarbeit
grundsätzlich zulässig seien, die politische Grundsatzverantwortung der Zulassung von Friedhofssatzungen
sei aber Sache der Landesgesetzgeber. Das Gericht äu-
Unabhängige Kontrollen erforderlich
Aufgrund der vielen Berichte über massive Missstände
werden die Importeure von Natursteinen nicht umhin kommen, von ihren Lieferanten eine nachprüfbare Aussage
über die Situation in den Steinbrüchen und verarbeitenden
Betrieben zu verlangen. Dies gilt insbesondere dann, wenn
staatliche Stellen diese Steine mit Steuermitteln beschaffen: Kommunen sollten nur Steine kaufen, die entweder
aus unproblematischen Herkunftsländern kommen, oder
deren Produktion von einer Standard setzenden Organisation überwacht wurde.
Bislang gibt es noch keinen übergreifenden Standard für
die Natursteinbranche. Doch es existieren mit Xertifix,
Fairstone und IGEP Organisationen, die die Einhaltung von
Mindeststandards garantieren. Diese müssen unterstützt
und ihre Anforderungen an die Lieferanten weiter gesteigert werden. Je mehr Kommunen Transparenz über die Einhaltung von ökologischen und sozialen Mindeststandards
bei der Produktion der von ihnen gekauften Natursteine
verlangen, desto wahrscheinlicher sind Verbesserungen in
den Herkunftsländern. Denn die dortigen Lieferanten wollen lukrative Exportmärkte nicht verlieren.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
ßerte darüber hinaus, dass Kommunen sogar verpflichtet seien, sich im Rahmen ihrer Kompetenzen für die
Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen. Wenn es
einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen auf Länder­
ebene gibt, können Kommunen dieser Verpflichtung mit
einem Beschluss zu einem verantwortungsvollen Einkauf
von Grabsteinen nachkommen. Das Gericht setzt aber
voraus, dass die Nachweisführung, mit der z.B. Steinmetze und andere Unternehmen die Einhaltung der geforderten Standards nachweisen können, klar geregelt
und definiert ist. Auch muss es den Steinmetzen und Unternehmen möglich sein, solche Nachweise zu erlangen.
Prof. Dr. Markus Krajewski von der Universität NürnbergErlangen empfiehlt in einem Rechtsgutachten, dass die
Landesgesetzgeber durch die Festlegung, welche Siegel
und Zertifikate anerkannt und welche alternativen Maßnahmen verlangt werden dürfen, Rechtsklarheit schafft.4
Die CIR stellt schon jetzt fest: Friedhofssatzungen können und dürfen für Kommunen, die klar definierte Kriterien und glaubwürdige Siegel festlegen, ein effektives
Instrument zur Bekämpfung ausbeuterischer Arbeitsbedingungen sein! Dabei gilt es, sämtliche ILO-Normen als
Verpflichtung aufzunehmen und nicht nur die zur ausbeuterischen Kinderarbeit.
Weitere Tipps und Informationen:
•
•
•
•
Xertifix e.V.: www.xertifix.de
Fair Stone e.V.: www.fairstone.org
IGEP Consult Pvt. Ltd.: www.igep.org
Mine Labor Protection Campaign MLPC:
www.mlpc.in
4 Krajewski, Markus (2014):“Menschenrechtsschutz durch kommunale Friedhofssatzungen – Höchstrichterliche Klarstellungen und politische Handlungsaufträge“:
www.nuernberg.de/imperia/md/menschenrechte/dokumente/menschenrechte/
mr_wirtschaft/friedhofssatzung_krajewski.pdf.
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
37
3.3 Arbeitsbekleidung schützt jene,
die sie tragen, aber nicht die,
die sie herstellen
I
nsgesamt 2.749 Millionen Euro Umsatz machte die
Berufsbekleidungsindustrie hierzulande im Jahr 2012.
Eine stolze Summe von einer Branche, die bisher selten
im Fokus stand, wenn es um Arbeits- und Menschenrechte in den weltweit gestreuten Produktionsbetrieben ging.5
In der Branche der Arbeitsbekleidung gibt es im Gegensatz
zur Modeindustrie – trotz zunehmender Marktkonzentration auf einzelne, europäisch aufgestellte Unternehmen
– noch immer eine Vielzahl kleinerer und mittelständischer
Betriebe, die überwiegend allerdings nur denen bekannt
sind, die diese Kleidung tragen oder einkaufen. Außerdem
5 Einzig die Ostwind/ EvB-Studie „Made in Europe“ aus dem Jahr 2012 und die SOMO
Studie „Work in progress: Labour policies of workwear companies supplying public
authorities in Europe“ aus dem Jahr 2005 sind Studien, die explizit Fälle und Recherchen
zum Thema Arbeitsrechte in den Zulieferketten der Berufsbekleidungsindustrie öffentlich machten.
sind die Ansprüche an Berufsbekleidung oft andere als die,
die an normale Modebekleidung gestellt werden. Während
der Fokus in der Modeindustrie meist auf billig und aktuell
liegt, betreibt die Berufsbekleidungsindustrie die Herstellung von qualitativ hochwertiger Kleidung, die langlebig
und jederzeit kurzfristig in gleicher Qualität und Farbe
nachlieferbar sein sollte, um einen einheitlichen Look kontinuierlich zu gewährleisten.
Doch die Tatsache, dass es sich um vergleichsweise kleine
Unternehmen handelt und die Begriffe Schutz, Langlebigkeit und Qualität in der Branche durchaus eine Bedeutung haben, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es
auch hier bei der Produktion zu Arbeitsrechtsverletzungen
kommt. Gute Qualität ist nämlich nicht automatisch ein
Garant dafür, dass die Arbeitsbedingungen fair und sicher
sind.
Eines der Titelmotive unserer Kampagne „Wie fair kauft meine Stadt?“. Foto/Montage: Fundus GmbH, www.fundus-werbeagentur.de
38
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Der Arbeitsdruck ist auch bei der Berufsbekleidungsproduktion extrem hoch. Foto: CIR
Ein tragisches Beispiel dafür lieferte der Fall Mascot. Hinter diesem Namen verbirgt sich ein großer international
operierender dänischer Arbeitsbekleidungshersteller, der
sowohl private Verbraucher als auch die öffentliche Hand
in Deutschland beliefert. So vertreibt z.B. die Firma Reitz,
ein Unternehmen, das gerne Kommunen beliefert, Berufsbekleidung von Mascot. In dem Fabrikgebäude Rana Plaza
in Bangladesch, bei dessen Einsturz mehr als 1.000 Menschen umkamen und über 2.000 Personen verletzt wurden,
hatte nicht nur der Billig-Discounter KiK, sondern auch
Mascot zumindest Probeaufträge platziert.
Zu der Erkenntnis, dass qualitativ hochwertig nicht gleichzusetzen ist mit fairen Arbeitsbedingungen, gelangt langsam auch die öffentliche Hand, die immerhin Gärtner,
Polizisten, Ärzte, Krankenpfleger, Ordnungsämter, Zoomitarbeiter, Forstmitarbeiter, Busfahrer und die Abfallentsorgungsangestellten mit einer nicht unbeträchtlichen
Menge an Arbeitsbekleidung ausstattet.
Gängige Arbeitsrechtsverletzungen in der
Arbeitsbekleidungsindustrie
Arbeitsbekleidung, die in Deutschland zum Einsatz kommt,
wird überwiegend in Zentral- und Osteuropa sowie in Asien hergestellt. Laut Studien zu Arbeitsrechtsverletzungen
in der Bekleidungsproduktion sind folgende Verstöße gegen die ILO-Übereinkommen in der Herstellung von Arbeitsbekleidung in diesen Herstellungsländern relevant:
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
•
Verletzungen der ILO-Kernarbeitsnormen 87 (Vereinigungsfreiheit) und 98 (Kollektivverhandlungen) in der
gesamten Zulieferkette.
•
Verletzungen der ILO-Kernarbeitsnormen 29
(Zwangs- und Pflichtarbeit) und 105 (Abschaffung
von Zwangsarbeit) in der gesamten Zulieferkette.
•
Verletzung der ILO-Übereinkommen 130 und 47 zur
Regelung der Überstunden.
Ferner herrscht eine internationale Standortkonkurrenz,
die zu einem Unterbietungswettbewerb bei den Löhnen
führt. Zum Teil werden zwar staatlich festgelegte Mindestlöhne gezahlt, diese decken jedoch nicht den Lebensbedarf (Verletzung der ILO-Übereinkommen 131: Zahlung
existenzsichernder Mindestlöhne).
Weitere Probleme, die in der internationalen Bekleidungsproduktion auftreten können, sind körperliche und
psychische – oft geschlechtsspezifisch motivierte – Gewalt durch Vorarbeiter und Fabrikbesitzer, schlechte hygienische Bedingungen (z. B. verseuchtes Trinkwasser),
mangelnde Brandschutz- und Gebäudesicherheit und gesundheitliche Probleme wie z.B. Atemwegserkrankungen
aufgrund von Textilmaterial. Ausbeuterische Kinderarbeit
(ILO-Kernarbeitsnorm 182) findet man insbesondere bei
der Rohstoffgewinnung von z. B. Pflanzenfasern (Baumwollernte).
Um die Bedingungen der ArbeiterInnen in den Nähstuben und auf den Plantagen zu verbessern, müssen die
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
39
Tiefe der Lieferketten und Forderungen an
die Unternehmen
Da die Lieferketten bisher noch sehr komplex sind, ist es
ratsam, dass sich die öffentliche Hand bei der Einforderung
bestimmter Kriterien von den Unternehmen auf eine Produktionsstufe festlegt, z.B. die Konfektionierung, also das
Nähen. Dies bietet sich vor allem im Bereich Funktionsbekleidung an, da diese ohnehin oft zum größten Teil aus technischen Fasern besteht, wo die meisten Arbeitsrechtsverletzungen im Bereich Konfektionierung festzustellen sind.
Der Bieter, der sich auf den öffentlichen Auftrag bewirbt,
muss also die Einhaltung der Arbeitsrechte bis zum Punkt
der Konfektionierung nachweisen. Dies kann er z. B. mit
dem Fair Wear Foundation Siegel glaubwürdig belegen.
Bei reinen Baumwollprodukten empfiehlt es sich, die Einhaltung der Kriterien des fairen Handels beim Baumwoll­
anbau zu verlangen und damit bis ganz zum Anfang der
Lieferkette zu gehen.
Gut zu wissen: Auch wenn die EU seit kurzem erlaubt, direkt ein Label oder Siegel zu verlangen, ist
dies noch nicht in deutsches Recht übergegangen.
Darüber hinaus ist noch nicht ganz klar, welchen
Anforderungen diese Labels entsprechen müssen.
Daher ist es weiterhin ratsam, die Kriterien zu nennen, die eingehalten werden sollen, wie z.B. fairer
Handel oder ILO-Normen. Gleichzeitig können Anforderungen an die Qualität der Nachweise gestellt
werden, wie z.B. Unabhängigkeit des Nachweises.
Das Fairtrade- oder das FWF-Siegel können als Beispiele angeführt werden.
Falls sich der Kreis der Bekleidungsanbieter bei der Einforderung der o. g. Kriterien und Siegel zu sehr einschränken
sollte, kann es sich auch lohnen, von den Unternehmen
bestimmte zielführende Maßnahmen zu verlangen wie
z.B. die Durchführung eines Audits, die Vorlage eines Sozialberichtes oder die Durchführung eines Trainings mit den
ArbeiterInnen.
40
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
Foto: Andres Rodriguez – Fotolia
Dafür ist es wichtig, dass von den Unternehmen die Vorlage glaubwürdiger Nachweise und/ oder die Durchführung
konkreter zielführender Maßnahmen verlangt werden. Die
Vorlage eines bloßen Verhaltenskodex oder einer Erklärung
reicht hier nicht aus, denn auch die Nachunternehmer und
Subunternehmer müssen zur Einhaltung grundlegender
Arbeitsrechte verpflichtet und kontrolliert werden.
Auch die Bekleidung
von ÄrztInnen und
KrankenpflegerInnen
wird unter oft unwürdigen Bedingungen
produziert.
Foto: PhotoSG – Fotolia
Unternehmen zur Einhaltung grundlegender Arbeits- und
Menschenrechte für die gesamte Lieferkette angehalten
werden. Im Bereich Arbeitsbekleidung spielt die öffentliche Hand dabei eine wichtige Rolle: Wenn von den Unternehmen die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und
darüber hinausgehende Standards bei der Bewerbung um
öffentliche Aufträge eingefordert werden, kann die öffentliche Hand entscheidend dazu beitragen, dass mehr Verantwortung übernommen wird.
Manche
Berufsbekleidungs­
unternehmen bieten
Fairtrade-zertifizierte
Baumwolle an.
Sozialgerechte Beschaffung lohnt sich
Auch wenn es noch sehr viel zu tun gibt, lässt sich feststellen, dass Arbeitsbekleidungsunternehmen, die die öffentliche Hand beliefern, durchaus auf Anforderungen reagieren
und bereits jetzt vermehrt Maßnahmen angehen, um Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten zu verbessern.
Weitere Tipps und Informationen:
•
Firmenprofile über das Engagement zur Einhaltung
sozialer Kriterien in der Berufsbekleidungsindustrie
zum Download unter: www.ci-romero.de/cora
•
Umfangreiche Bewertung der verschiedenen Labels
und Zertifikate in der Bekleidungsbranche unter
www.gruene-mode.de und www.siegelklarheit.de
•
Grüne Mode Portal der CIR unter
www.ci-romero.de/gruenemode
•
Musterausschreibung und Bericht über das Pilotprojekt zum Einkauf fairer Arbeitsbekleidung in der
Stadt Dortmund unter www.ci-romero.de/cora
•
WearFair: Ein Wegweiser durch den Label-Dschungel
bei Textilien, bestellbar bei der CIR unter
www.ci-romero.de/bestellen
•
Umfangreiche Informationen zu den Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsbranche allgemein unter
www.saubere-kleidung.de und
www.ci-romero.de/ccc
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
3.4 Spielzeug verantwortlich einkaufen
– fair beschaffen
Ein Beitrag von Uwe Kleinert, Werkstatt Ökonomie (Heidelberg)
T
Spielwaren aus chinesischer Fertigung standen in den letzten Jahren nicht nur wegen gefährlicher Inhaltsstoffe und
mangelhafter Verarbeitung in der Kritik. NGOs werfen den
Unternehmen der Branche außerdem seit langem schwerwiegende Verstöße gegen Sozialstandards und Menschenrechte vor.
Die wichtigsten Missstände sind:
•
extrem lange Arbeitszeiten bis 14 Stunden täglich an
sieben Tagen pro Woche, insbesondere wenn für das
Weihnachtsgeschäft produziert wird.
•
die mit Übermüdung und unzureichenden Arbeitsschutzvorkehrungen verbundenen Unfallgefahren.
•
der geringe Lohn, der meist noch unterhalb des sowieso schon unzureichenden staatlichen Mindestlohns
liegt und zudem häufig verspätet ausgezahlt wird.
•
erzwungene und in der Regel nicht korrekt bezahlte
Überstunden.
•
verbreitet unzumutbare Bedingungen in den Fabrikwohnheimen für die WanderarbeiterInnen.
Diese Zustände verstoßen nicht nur gegen internationale
Mindeststandards, sondern auch gegen chinesische Gesetze. Doch die Behörden bleiben allzu oft untätig. Obwohl
der Widerstand unter den ArbeiterInnen zunimmt, haben
sie bislang nur wenige Möglichkeiten, ihre Rechte selbst
wirksam durchzusetzen. Es gibt kein Streikrecht und die
einzige zugelassene Gewerkschaft wird von der Kommunistischen Partei gesteuert.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Foto: dechevm – Fotolia
räger und Teams von Kindertageseinrichtungen,
die Spielzeug verantwortlich einkaufen und dabei
sicherstellen wollen, dass die Rechte von ArbeiterInnen beachtet werden, stehen vor einem Problem:
schätzungsweise 80 Prozent der international gehandelten Spielwaren stammen aus der Volksrepublik China.
Bei den deutschen Spielwarenimporten hat China einen
Anteil von über 70 Prozent. Einschließlich der hier gefertigten Spielsachen beträgt der Anteil am Gesamtmarkt
etwa 60 Prozent. Weitere wichtige Herkunftsländer sind
Japan – von dort kommen vor allem Computerspiele –
und (zunehmend ost-) europäische Staaten. Eine Kennzeichnungspflicht, die über die Herkunft eines Spielzeugs
informiert, gibt es nicht.
Wer also Spielzeug verantwortlich einkauft oder beschafft
und dabei sicherstellen will, dass bei der Produktion nicht
gegen grundlegende Arbeitsstandards verstoßen wird,
mag zu der Entscheidung kommen, Spielwaren aus chinesischer Produktion ganz zu meiden. Im Interesse der chinesischen ArbeiterInnen wäre das allerdings nicht. Aber: Unternehmen, die sich in Kenntnis der Rahmenbedingungen
entschieden haben, in China Spielzeug herstellen zu lassen,
tragen eine besondere Verantwortung für die Situation in
ihren Zulieferbetrieben dort. Wer verantwortlich einkaufen oder beschaffen will, sollte also danach fragen, welche
Spielzeugfirmen sich dieser besonderen Verantwortung
stellen – und welche nicht.
Der ICTI CARE-Prozess
Mitte der 90er Jahre verabschiedete der Weltverband der
Spielzeugindustrie (International Council of Toy Industries,
ICTI) nach zwei verheerenden Fabrikbränden mit über 250
Toten und mehr als 500 Verletzten angesichts massiver öffentlicher Kritik einen Verhaltenskodex. Im Jahr 2001 wurde
dieses erste Regelwerk für eine ganze Branche um ein Programm ergänzt, mit dem sich Spielzeugfabriken kontrollieren und zertifizieren lassen können.
Seit 2003 führen im Rahmen dieses sog. ICTI CARE-Prozesses akkreditierte Auditfirmen Inspektionen in chinesischen
Spielzeugfabriken durch und von der ICTI CARE Foundation werden Zertifikate vergeben. Diese sind normalerweise
ein Jahr lang gültig. Aktuell sind 1.350 Fabriken für den Prozess angemeldet, knapp 1.100 von ihnen sind zertifiziert.
Die Namen der zertifizierten Betriebe werden von der ICTI
CARE Foundation unter www.icti-care.org veröffentlicht.
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
41
Die Regeln des ICTI-Kodexes
•
•
•
•
Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeiten
•
Arbeitnehmervertretung entsprechend
den örtlichen Gesetzen
•
Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie
Notfallvorsorge
•
Sichere Schlafräume
Zahlung der gesetzlichen Mindestlöhne
Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit
Gesetzliche Leistungen bei Krankheit und
Schwangerschaft
Die Auftraggeber chinesischer Spielzeugfabriken können
sich im Rahmen des Programms verpflichten, nur noch bei
zertifizierten Lieferanten einzukaufen. Bisher haben das
rund 1.000 Unternehmen getan. Auch deren Namen werden auf der genannten Website veröffentlicht. Ob und in
welchem Maße sie ihre Selbstverpflichtung einhalten, wird
allerdings nicht kontrolliert.
Auch wenn der ICTI CARE-Prozess hinsichtlich der zu Grunde gelegten Kriterien, der Verfahren und insbesondere der
Transparenz noch etliche Lücken aufweist: bei umfassender und verbindlicher Umsetzung durch die Markenfirmen
und ihre Lieferanten kann er zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Spielzeugfabriken beitragen.
die Hälfte der Firmen ist in Sachen Sozialstandards in der
Lieferkette offenbar ganz und gar untätig.
Dem ICTI CARE-Prozess fehlen Anreize, um die Spielzeugfirmen wirksam einzubinden. Ihnen werden keinerlei
Verpflichtungen auferlegt, folglich gibt es auch keine Fortschrittskontrollen und keine Sanktionen. Unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitsrechte
in der Lieferkette bleibt damit nicht nur freiwillig, sondern
auch unverbindlich. Gleichwohl ist der ICTI CARE-Prozess
das einzige Programm in der Branche, mit dem zielführende Maßnahmen zur Durchsetzung grundlegender Arbeitsstandards in einer nennenswerten Zahl von Spielzeugfabriken ins Werk gesetzt werden können.
Übrigens haben gerade einmal acht Unternehmen die im
Herbst 2014 erstmals gestellte Frage, ob sie bereit wären,
über den ICTI CARE-Prozess hinauszugehen, beispielsweise durch Beteiligung an einer Multistakeholder-Initiative
oder durch die Verpflichtung zur Zahlung existenzsichernder Löhne, mit Ja beantwortet.
Weitere Tipps und Informationen
•
•
„fair spielt“: www.fair-spielt.de
Werkstatt Ökonomie: www.woek.de
Die Firmenübersicht von „fair spielt“
„fair spielt“ ist ein Projekt der Werkstatt Ökonomie, das
sich mit finanzieller Unterstützung von Misereor für die Beachtung der Menschenrechte und grundlegender Arbeitsstandards in der Lieferkette deutscher Spielzeughersteller
einsetzt. Seit 2004 veröffentlicht „fair spielt“ unter www.
fair-spielt.de eine Firmenübersicht, die VerbraucherInnen
darüber informiert, welche Spielzeughersteller und -händler sich am ICTI CARE-Prozess beteiligen. Grundlage ist ein
Fragebogen, der einmal pro Jahr an rund 250 Unternehmen verschickt wird. Als Nachweise für eine Zertifizierung
müssen Kopien der aktuellen Zertifikate vorgelegt werden.
Die Motivation deutscher Hersteller, sich ihrer Verantwortung zu stellen und sich an dem Programm ihrer eigenen
Branche zu beteiligen, hat in den letzten Jahren tendenziell
eher ab- als zugenommen: die Beteiligung an der Umfrage
von „fair spielt“ ging von knapp 30 auf zuletzt nur noch 23
Prozent zurück.
Auch was die Firmen zu berichten haben, ist mehrheitlich
kaum Ausdruck großen Engagements: gerade einmal 45
Prozent der auf der Übersicht gelisteten Firmen, die bekanntermaßen Ware aus China beziehen, können mindestens einen zertifizierten Lieferanten nachweisen. Mehr als
42
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
3.5 Informations- und Kommunikationstechnologie:
neue Ansätze für eine sozial verantwortliche
öffentliche Beschaffung
Ein Beitrag von Annelie Evermann, WEED – World Economy, Ecology & Development e.V.
O
b Computer, Tablets, Drucker oder Monitore: Arbeitsrechtsverletzungen säumen den gesamten
Lebensweg von Produkten der Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT). Das Übel beginnt
schon bei der Rohstoffgewinnung.
IKT-Produkte enthalten Rohstoffe wie Zinn, Gold, Coltan
und Wolfram, bei deren Abbau und Aufbereitung Menschen- und Arbeitsrechte massiv verletzt werden. Zudem
ist der Ankauf vieler dieser Rohstoffe mitverantwortlich für
die Finanzierung blutiger Konflikte in der DR Kongo und in
den angrenzenden Staaten.
Ausbeuterische Arbeitsbedingungen prägen die Fertigung
in einer komplexen Lieferkette: Hierzu gehören hohe Job­
unsicherheit, niedrige Löhne, extensive Arbeitszeiten,
Diskriminierung von WanderarbeiterInnen, mangelhafte
Arbeitsschutzmaßnahmen und ein höchst gewerkschaftsfeindliches Verhalten vieler Unternehmen. Schließlich landen viele Produkte als Elektroschrott in Indien, Pakistan,
China, Ghana oder Nigeria, wo wiederverwertbare Metalle
ohne jegliche Schutzvorrichtungen und damit unter höchst
gesundheits- und umweltschädlichen Bedingungen von
Erwachsenen und von Kindern aus den Geräten heraus geklopft oder geschmolzen werden.
Die IKT-Unternehmen haben sich für eine größtmögliche
Auslagerung der Produktion in Niedriglohnländer entschieden und sind für die daraus folgenden Konsequenzen für
Mensch und Umwelt verantwortlich – und zwar entlang
der gesamten Wertschöpfungskette.
Computer und Mobiltelefone werden in asiatischen Ländern in
Akkordarbeit hergestellt. Foto: Sacom
Selbst Mitglieder der 2004 gegründeten Unternehmensinitiative EICC (Electronics Industry Citizenship Coalition)
beschränken ihre Verantwortung entweder darauf, ihren
Zulieferern einen Verhaltenskodex zu überreichen oder
die Zulieferer vorrangig auf der ersten Stufe der Lieferkette zu überprüfen, wo lediglich der Zusammenbau von
Komponenten erfolgt. Den Rest der Lieferkette überlassen Sie ohne Kontrolle der Verantwortung ihrer Zulieferer.
Zugleich drücken die Markenunternehmen den Preis und
fordern absolute Flexibilität von ihren Zulieferern und Sub­
lieferanten, obwohl dies strukturell eine der Ursachen für
Leiharbeiterschaft, hohen Arbeitsdruck und Löhne unter
dem Existenzminimum ist.
Für ethisch bewusste KonsumentInnen ist die Situation
schwierig, da bislang noch kein „faires“ IKT-Produkt auf
dem Markt zu finden ist.6 Gerade wegen dieser aussichtslos scheinenden Marktsituation können GroßeinkäuferInnen wie öffentliche Vergabestellen bei der Verbesserung
der Bedingungen in diesem Sektor eine Schlüsselrolle spielen.
Die Rolle der öffentlichen Hand
Dennoch verzagt die Politik in Deutschland bislang beim
Thema öffentlicher IKT-Einkauf. Fast alle Bundesländer,
die soziale Kriterien in ihren Vergabegesetzen fordern, haben IKT-Produkte hiervon ausgenommen. Eine rühmliche
6 Ausnahmen von ProduzentInnen, die zumindest erste Schritte in Richtung Fairness
und Transparenz gehen, sind die PC-Maus www.nager-it.de und das Smartphone
www.fairphone.com
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
43
Ausnahme ist bislang nur Nordrhein-Westfalen. Dies hat
WEED zum Anlass genommen, in dem von der Stiftung
Umwelt und Entwicklung NRW geförderten Projekt „Nachhaltige IT-Beschaffung in Nordrhein-Westfalen“ Vergabestellen vor Ort zu informieren und zu beraten.7
Doch wie fordert man soziale Produktionsbedingungen
ein, wenn es noch kein IKT-Produkt gibt, das diese Kriterien
erfüllt? Viele Vergabestellen machen vor, dass dies durchaus möglich ist.
So verfolgt beispielsweise der IKT-Einkäufer Dataport einen dialogbasierten Ansatz, bei dem von allen Bietern ein
eigenes Bieterkonzept zu Arbeits- und Sozialstandards
eingefordert wird:8 Die Bieter können so selbst darstellen,
wie sie veranlassen wollen, dass die Einhaltung der geforderten Arbeits- und Sozialstandards bestmöglich beachtet
und überwacht wird. Die Konzepte werden im Rahmen der
Zuschlagskriterien gewertet, wobei sowohl der Umfang
der Sozialstandards, die Plausibilität des Bieterkonzepts
und der angebotene Nachweis in die Bewertung einfließen.
Eine mögliche andere Vorgehensweise ist die Forderung
konkreter zielführender Maßnahmen in den Auftragsausführungsbedingungen. Solche Maßnahmen können z. B.
die Aushändigung von Arbeitsverträgen und der nationalen Arbeitsgesetze an die ArbeiterInnen, Schulungen des
Managements und der ArbeiterInnen zu den geforderten
sozialen Rechten oder im besten Falle eine unabhängige
Beschwerdestelle sein. Denn während es für den Auftraggeber schwer überprüfbar ist, ob z. B. die ILO-Kernarbeitsnormen bei der Produktion beachtet wurden, ist die Durchführung solcher konkreten zielführenden Maßnahmen im
Rahmen der Produktion realistisch und zugleich auch überprüfbar. Eine Musterausschreibung hierzu ist auf der Website von WEED zu finden.9
In Schweden wiederum nutzen Vergabestellen einen standardisierten Fragenkatalog zur Verlaufskontrolle: Der
Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, ist verpflichtet, nach
einer vorab vereinbarten Zeit diesen Fragenkatalog zu sozialen Rechten und Maßnahmen entlang der Lieferkette
auszufüllen. Mithilfe eines Auswertungsbogens nach dem
Ampelsystem (rot – gelb – grün) können die Behörden
dann ermitteln, ob der Bieter sich an die Vereinbarungen
hält.10
Allerdings sind ihre Anforderungen an die zertifizierten
Unternehmen zurückhaltend und ihre aktive Kontrolle beschränkt sich auf die letzte Produktionsstufe.
Bei der Frage nach nachhaltig wirkenden Reformen der
Lieferkette setzt eine neue Organisation an, bei der auch
WEED beteiligt ist. Ab Mitte 2015 bietet die MonitoringOrganisation Electronics Watch öffentlichen Vergabestellen in ganz Europa die Überprüfung ihrer IKT-Lieferketten
an. Gegen Zahlung einer Gebühr werden die beteiligten öffentlichen Auftraggeber mit aktuellen Informationen über
ihre Lieferanten versorgt, die Arbeitsbedingungen vor Ort
überprüft und Verfahren bereitgestellt, um auf Nichteinhaltungen zu reagieren.11
Angesichts der vielversprechenden Ansätze ist zu hoffen,
dass mehr öffentliche Vergabestellen und politische EntscheidungsträgerInnen in Europa ihre Verantwortung beim
IKT-Einkauf wahrnehmen. Die Reaktionen der Unternehmen zeigen, dass das Signal auch ankommt. Allein, dass
die im deutschen Branchenverband BITKOM verbundenen
IT-Unternehmen sich auf eine die ILO-Kernarbeitsnormen
umfassende Bietererklärung der Kompetenzstelle für
nachhaltige Beschaffung eingelassen haben, zeigt, dass
auch die Unternehmen erkennen, dass soziale Produktionsbedingungen ein ernstzunehmendes Kriterium für den
öffentlichen Einkauf geworden sind.
Weitere Tipps und Informationen
•
Mehr zum Projekt „Nachhaltige IT-Beschaffung in
Nordrhein-Westfalen“: www.weed-online.org/themen/beschaffung
•
•
•
PC Global: www.pcglobal.org
Electronics Watch: www.electronicswatch.org/de
Good Electronics: www.goodelectronics.org
Das schwedische Modell des Fragenkatalogs hat auch
TCO übernommen, die mit TCO Certified das erste Zertifikat zu IKT-Hardware vergeben, das auch soziale Kriterien umfasst. TCO leistet damit eine wichtige Pionierarbeit.
7 Mehr zum Projekt auf www.weed-online.org/themen/beschaffung/6885891.html
8 Siehe WEED-Leitfaden „Vorreiter sozial verantwortlicher Beschaffung“,
www2.weed-online.org/uploads/vorreiter_sozial_verantwortlicher_beschaffung.
pdf (ab S. 8); Ausschreibungsunterlagen: www.landmark-project.eu/fileadmin/files/
en/IT_Hardware.zip
9 WEED u. a.: „Buy IT Fair“, www2.weed-online.org/uploads/leitfaden.pdf sowie
„Quo Vadis, Beschaffung?“, www2.weed-online.org/uploads/quo_vadis_beschaffung.pdf
10 Den schwedischen Ansatz hat WEED im LANDMARK-Rechtsleitfaden vorgestellt,
s. www2.weed-online.org/uploads/rechtsleitfaden_srpp_nachweise.pdf (ab S. 23)
44
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
11 Weitere Informationen und Newsletter unter www.electronicswatch.org/de
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
3.5 Fair Flowers
– mit Blumen für Menschenrechte
Ein Beitrag von Gertrud Falk, FIAN Deutschland
Die Verlagerung der Blumenproduktion in Entwicklungsländer liegt nicht nur daran, dass dort das Klima für die
Pflanzen günstiger ist als in Europa. Dort sind auch die Löhne niedriger, die Auflagen für den Umweltschutz geringer
und die Einhaltung der Rechte der ArbeiterInnen werden
kaum kontrolliert. Die Folgen sind bekannt.
BlumenarbeiterInnen arbeiten für Hungerlöhne, die nicht
einmal für eine angemessene Ernährung ausreichen. Häufig müssen sie unbezahlt Überstunden leisten. Sie riskieren
ihre Entlassung, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren. Sie sind hochgiftigen Pestiziden ausgesetzt, denn es
gibt in der Europäischen Union (EU) keine Grenzwerte für
Pestizidrückstände auf Blumen. Etwa 60 Prozent der BlumenarbeiterInnen sind Frauen. Viele berichten über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. So müssen sie ihren männlichen Vorgesetzten sexuell gefällig sein, um befördert zu
werden oder Urlaub zu bekommen.
Die industrielle Blumenproduktion trägt in großem Ausmaß zur Umweltverschmutzung in den entsprechenden
Entwicklungsländern bei. Pestizidverseuchte Abwässer
werden ungeklärt in Böden und Seen abgelassen. Die Plastikplanen der Gewächshäuser werden oft nicht fachgerecht entsorgt, ebenso wenig die leeren Pestizidbehälter.
Die Schnittblumenproduktion benötigt dazu enorm viel
Wasser. Dies hat zum Beispiel in der Hochebene von Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, zu einer dramatischen
Absenkung des Grundwassers geführt, so dass einige Gemeinden jetzt per Tankwagen mit Wasser versorgt werden
müssen. In Kenia droht der Naivasha-See auszutrocknen,
aus dem die größten kenianischen Blumenfarmen ihr Wasser entnehmen.
Bei der Klimabilanz schneidet die Produktion in Entwicklungsländern dagegen besser ab als die Aufzucht in be-
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Foto: Sonja Schulz – Fotolia
B
lumen, vor allem Schnittblumen, werden zunehmend aus Afrika, Lateinamerika und Asien nach
Deutschland importiert. Kenia, Äthiopien, Kolumbien und Ecuador zählen zu den wichtigsten Blumenproduzenten für den europäischen Markt außerhalb der
Europäischen Union. Rund 30 Prozent der Schnittblumen
werden aus Ländern rund um den Äquator nach Deutschland importiert, allen voran Rosen. Viele von ihnen werden über die Handelsdrehscheibe Niederlande eingeführt.
Nicht jede Blume, die ein Großhändler in den Niederlanden gekauft hat, ist auch dort gewachsen.
heizten Gewächshäusern in Europa. Letztere stößt mehr
klimaschädliches CO2 aus, als die Produktion in Kenia
oder Ecuador inklusive des Transports per Flugzeug nach
Europa.
Der Internationale Verhaltenskodex
Um gegen diese Rechtsverletzungen in der globalen Blumenproduktion anzugehen, haben Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften aus Europa in Zusammenarbeit mit ihren Partnerorganisationen in Afrika und
Lateinamerika den Internationalen Verhaltenskodex für
sozial- und umweltverantwortliche Blumenproduktion
entwickelt, den so genannten ICC (International Code of
Conduct). Dieser basiert auf den internationalen Menschenrechtspakten und den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation. Darüber hinaus bezieht er sich
bei der Verwendung von Pestiziden auf deren Eingruppierungen nach ihrer Giftigkeit der Weltgesundheitsorganisation und der US-amerikanischen Umweltbehörde. Der
ICC gilt als der strengste Kodex in der Blumenproduktion.
Er umfasst detaillierte Regelungen zu den folgenden zehn
Prinzipien:
1.
2.
Gewerkschafts- und Tariffreiheit
Gleichbehandlungsgrundsatz und Verbot der Diskriminierung
3. Existenzsichernde Löhne
4. Geregelte Arbeitszeiten
5. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
6. Verantwortlicher Umgang mit Chemikalien
7. Sicherheit des Arbeitsplatzes
8. Umweltschutz
9. Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit
10.Verbot von Zwangsarbeit
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
45
Pestizide bei der Blumenproduktion machen ArbeiterInnen krank.
Foto: FIAN
Blumen im öffentlichen Einkauf
Ein glaubwürdiger Standard zur Zertifizierung von Blumenbetrieben sollte mindestens diese zehn Prinzipien
umfassen. Inzwischen verwenden mehrere Zertifizierungsorganisationen Standards, die dem ICC entsprechen. Allerdings gibt es große Unterschiede bei der Durchführung der
Kontrollen und der Zertifizierung. Die PrüferInnen müssen
ohne Beisein der Geschäftsführung mit den ArbeiterInnen
über die Arbeitsbedingungen und Betriebsabläufe sprechen können. Idealerweise werden sie von VertreterInnen
des zuständigen örtlichen Gewerkschaftsverbands begleitet. Alle Beobachtungen zur Umsetzung des Standards
müssen in einem schriftlichen Bericht festgehalten werden, der nicht nur den Geschäftsführungen, sondern auch
den VertreterInnen der Belegschaft zugänglich gemacht
werden sollte. So können letztere die Geschäftsführungen
gegebenenfalls daran erinnern, Empfehlungen der Zertifizierungsorganisation umzusetzen. Erfüllt ein Betrieb den
Standard nicht ausreichend, muss er dezertifiziert werden.
Der Fairtrade-Standard für den Blumensektor basiert auf
dem ICC und wird von der Prüforganisation FLO-Cert umgesetzt. Blumenbetriebe, die von FLO-Cert zertifiziert sind,
können ihre Ware unter dem Faitrade-Siegel vermarkten.
Bisher gibt es ausschließlich Rosen mit Fairtrade-Siegel,
die entweder aus Ostafrika oder Lateinamerika stammen. Sie erhalten sie überwiegend in Supermärkten und
bei Floristenketten. Auf der Internetseite von Transfair
(www.fairtrade-deutschland.de) können Sie nach einer Bezugsquelle in Ihrer Nähe suchen. Fairtrade-Rosen sind etwas teurer als Rosen gleicher Qualität. Mit einem Teil des
Preisaufschlags werden soziale Projekte für die ArbeiterInnen der Blumenfarmen durchgeführt.
46
Kapitel 3
Der Bedarf zum Handeln
In öffentlichen Einrichtungen werden Blumen vielfältig verwendet, zum Beispiel als Geschenke für MitarbeiterInnen
oder zur Dekoration bei festlichen Anlässen. Viele Kommunen haben zudem feste, regionale Gärtnereien, aus denen
sie ihren Bedarf überwiegend decken. Blumen werden in
der Regel nicht zentral eingekauft, sondern von einzelnen
Abteilungen. Daher ist es nötig, alle MitarbeiterInnen darüber zu informieren, nur faire oder regionale sowie saisonale Blumen zu kaufen. Das verlässlichste Sozial- und
Umweltsiegel für Blumen ist Fairtrade. TransFair zertifiziert bisher aber nur Rosenbetriebe im Globalen Süden. Bei
anderen Blumen bietet es sich an, Produkte aus Europa zu
kaufen. In Deutschland stellt das Bioland-Zertifikat einen
anspruchsvollen Nachweis für ökologische Kriterien dar.
Im Winter ist allerdings die Klimabilanz von Schnittblumen
aus nördlichen Breitengraden wegen der Notwendigkeit,
Gewächshäuser zu beheizen, schlechter als die der eingeflogenen Schnittblumen aus Kenia.
Weitere Tipps und Informationen
•
FIAN Deutschland:
www.fian.de/themen/existenzsichernde-loehne
•
Vamos e.V. Münster: www.vamos-muenster.de/vamos/html/arbeit/blumen/FairFlowers.php
•
•
•
TransFair: www.fairtrade-deutschland.de
Bioland: www.bioland.de
CIR: www.ci-romero.de /konsum_blumen
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
KAPITEL 4
Blick über den Tellerrand:
Druck auf Kommunen und Unternehmen
durch Vernetzung, Öffentlichkeits- und
Kampagnenarbeit
Das Ziel verantwortlicher öffentlicher Beschaffung ist, über die Einkaufspraxis
der öffentlichen Hand die Wirtschaft zu konsequenter sozialer und ökologischer Verantwortungsübernahme zu bewegen und dadurch die Situation der
ArbeiterInnen in den Produktionsländern zu verbessern. Um das zu leisten, ist
der konkrete Einsatz lokaler Gruppen enorm wichtig.
NGOs wie die CIR unterstützen
ArbeiterInnnen im Süden im
Kampf um ihre Rechte – auch vor
Ort in Delegationsreisen. Foto: CIR
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Kapitel 3 Der Bedarf zum Handeln
47
D
ie systematische Einforderung sozialer Kriterien in
einer Kommune ist eine große Errungenschaft –
sowohl von Seiten der öffentlichen EinkäuferInnen
als auch der beteiligten zivilgesellschaftlichen Initiativen.
Allerdings reicht es nicht aus, wenn nur eine oder wenige
Kommunen dies leisten. Vielmehr muss verantwortliche
öffentliche Beschaffung flächendeckend umgesetzt werden. Dafür stellen der Einsatz lokaler Gruppen und die Erfahrungen in den Stadtverwaltungen eine solide Grundlage dar. Auf Ihren Erfolgen aufbauend bieten sich für lokale
Gruppen und öffentliche EinkäuferInnen einige Aktivitäten
an, um sozial gerechte Beschaffung und Unternehmensverantwortung in globalisierten Lieferketten zu fördern.
Mit Erfolgen an die Öffentlichkeit gehen
Wenn Sie gegenüber Medien, anderen Kommunen, politischen EntscheidungsträgerInnen, NGOs und Unternehmen über die Erfolge in Ihrer Kommune berichten, motivieren Sie andere öffentliche Einrichtungen in Ihrer Region
oder auch bundesweit, ebenfalls den Einkauf sozial verantwortlich zu gestalten. Mit Ihrer Vorreiterposition üben
Sie Druck auf andere Kommunen aus, dem Beispiel Ihrer
Stadt zu folgen. Denn Prestige ist für Stadtverwaltungen
ein wichtiges Kapital.
Außerdem motivieren Sie durch Öffentlichkeitsarbeit auch
andere zivilgesellschaftliche Gruppierungen, sich in ihrer
Stadt für einen sozial gerechten Einkauf einzusetzen. Sie
können zum Beispiel regionale und überregionale Medien bitten, Berichte über das Engagement in Ihrer Stadt zu
veröffentlichen. Außerdem können Sie entwicklungspolitischen Organisationen von Ihren Erfolgen berichten, die sich
bei ihrer Kampagnenarbeit sicher gerne darauf berufen.
Vernetzung fördern
Wenn Sie sich als lokale Gruppe oder engagierte Stadtverwaltung mit anderen Kommunen vernetzen, können Sie
Erfahrungen austauschen und gemeinsam Wege finden,
wie Sie die Einkaufsmacht der Kommunen optimal einsetzen, um die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern zu verbessern. Es gibt bereits einige Vernetzungsangebote wie das Netzwerk Faire Metropole Ruhr, das sich
für die Förderung des fairen Handels und andere Themen
des Eine Welt Engagements im Ruhrgebiet einsetzt. Im
Rahmen dieses Netzwerks können Sie zum Beispiel darauf
hinweisen, dass es wichtig ist, nicht beim Ausschank fairen
Kaffees in der Kantine stehen zu bleiben, sondern die faire Beschaffungspraxis auch auf komplexere Produkte wie
Textilien, IT und Natursteine auszuweiten. Informationen
über das Netzwerk Faire Metropole Ruhr finden Sie unter
www.faire-metropole-ruhr.de.
Außerdem können Sie Kontakt zu Vorreiter-Kommunen
wie Dortmund, München oder Mainz aufnehmen und
gemeinsam überlegen, wie man auch andere Kommunen
zu mehr Einsatz für die ArbeiterInnen im Süden bewegt.
Entwicklungspolitische Organisationen wie die Christliche
48
Kapitel 4
Blick über den Tellerrand
Initiative Romero bieten durch Fachgespräche und andere
Veranstaltungen Möglichkeiten zur Vernetzung zwischen
Kommunen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen an.
Erfahrungen dokumentieren und anderen
Kommunen zur Verfügung stellen
Besonders wichtig ist es, dass öffentliche EinkäuferInnen
ihre Erfahrungen bei der Umsetzung von Beschlüssen und
beim fairen Einkauf bestimmter Produktgruppen dokumentieren. In vielen Stadtverwaltungen sind EinkäuferInnen unsicher, wie sie soziale und ökologische Kriterien in
Ausschreibungen verlangen können, welche Nachweise sie
verlangen sollen und wie sie am besten mit den bietenden
Unternehmen kommunizieren. Auch Kommunen, die bei
der fairen Umstellung des Einkaufs bereits weit vorangeschritten sind, haben sich am Anfang über diese Fragen
den Kopf zerbrochen, mittlerweile aber Lösungen für viele
Probleme gefunden. Wenn Sie Ihre Erfahrungen dokumentieren, erleichtern Sie anderen Kommunen den Weg zur
systematischen Integration sozialer Kriterien beim Einkauf,
für den man oft einen langen Atem braucht.
Mit lokalen Erfolgen Druck
auf Unternehmen und politische
Entscheidungsträger­Innen ausüben
Besonders hohen Druck üben Sie auf Unternehmen und die
Politik aus, wenn Sie Ihr Engagement in Ihrer Kommune in
größere politische und wirtschaftliche Zusammenhänge
stellen. Verantwortliche öffentliche Beschaffung ist ein
Weg, um Arbeits- und Menschenrechte in transnationalen
Lieferketten umzusetzen und zu kontrollieren. Langfristig
müssen aber gesetzliche Regelungen für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Unternehmensverantwortung
eingeführt werden, auch um soziale Standards in Unternehmen zu integrieren, die nicht von öffentlichen Aufträgen abhängig sind.
Auf internationaler Ebene gibt es bereits einige Ansätze
wie z. B. die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, an denen sich Staaten bei der Umsetzung
verpflichtender Standards orientieren können. Auch die
Tatsache, dass der Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das Bündnis für nachhaltige Textilien ins Leben gerufen
hat, zeigt, dass es bereits eine gewisse Sensibilisierung für
dieses Thema in der Bundesregierung gibt. Leider bleiben
diese Initiativen auf der freiwilligen Ebene stehen. D. h. Unternehmen können sich entscheiden, ob sie Maßnahmen
zur Sorgfaltspflicht umsetzen oder eben nicht. Das reicht
aber nicht aus, um wirkliche Veränderungen anzustoßen!
In Ihrer Öffentlichkeitsarbeit können Sie als lokale Gruppe
darauf hinweisen, dass Ihre Kommune durch ihre Einkaufsmacht bereits Unternehmen zur Einhaltung internationaler Arbeits- und Menschenrechte verpflichtet und dass nun
der Bund am Zug ist.
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
Kampagnen für Unternehmensverantwortung unterstützen
Es gibt eine ganze Reihe von Kampagnen, die eine konsequente Verantwortungsübernahme durch den Staat bei
der Umsetzung und Kontrolle sozialer Standards in der
Wirtschaft fordern. Als fair einkaufende Kommune können Sie eine wichtige Bündnispartnerin dieser Kampagnen sein.
Kontakte
A) Kampagnen und Bündnisse
agl-AG Nachhaltige Beschaffung und Fairer Handel
Von Mai bis Oktober 2015
führt der Weltladen-Dachverband eine Kampagne
durch, die sich an den UNLeitprinzipien für Menschenrechte und Wirtschaft orientiert und von der Bundesregierung ein Gesetz fordert, das
Koordinator: Markus Schwarz
Bündnis Eine Welt SchleswigHolstein e.V. (BEI)
Einsatzstelle:
Weltladen Heide e.V.
Markt 28
D-25746 Heide
Tel.: 0481/6405 9885
E-Mail: [email protected]
•
Berliner FAIRgabebündnis
•
•
deutsche Unternehmen dazu verpflichtet, die
Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt entlang der gesamten
Lieferkette zu identifizieren, negativen Auswirkungen entgegenzuwirken und entstandene Schäden
zu beheben.
klarstellt, dass Unternehmen für entstandene Schäden haftbar gemacht werden können, wenn sie die
Einhaltung dieser Sorgfaltspflicht nicht nachweisen
können.
Betroffenen aus dem Ausland die Möglichkeit
einräumt, deutsche Unternehmen wegen der
Verletzung der gebührenden menschenrechtlichen
Sorgfalt vor deutschen Gerichten zu verklagen.
Diese Kampagne können Sie unterstützen, indem
Sie z. B. die UnterstützerInnen Ihrer lokalen Gruppe
bitten, die Petition der Kampagne zu unterschreiben. Nähere Informationen finden Sie unter
www.weltladen.de.
Weitere Kampagnen und Netzwerke
•
CorA Corporate Accountability, Netzwerk für
Unternehmensverantwortung:
www.cora-netz.de/cora
•
Kampagne für Saubere Kleidung (CCC):
www.saubere-kleidung.de
•
CIR-Kampagnen zu ethischem Konsum, Sauberer
Kleidung, Supermärkten, kirchlicher Beschaffung
und Rohstoffen: www.ci-romero.de/mitmachen
Heiko Glawe
c/o DGB, Region Berlin
Regionsgeschäftsführer
Keithstraße 1+3
D-10787 Berlin
Tel.: 030/21 240 251
E-Mail: [email protected]
Bündnis für öko-soziale Beschaffung NRW
Angela Schmitz
c/o Eine Welt Netz NRW e.V.
Kasernenstr. 6
D-40213 Düsseldorf
Tel.: 0211/87592-779
Fax 0211/6009-258
E-Mail: angela.schmitz@
eine-welt-netz-nrw.de
www.eine-welt-netz-nrw.de
CorA – Netzwerk für Unternehmensverantwortung
Ansprechpartnerin:
Heike Drillisch
CorA-Koordination
c/o Germanwatch
Stresemannstr. 72
D-10963 Berlin
Tel.: 030/2888 356 989
E-Mail.: [email protected]
www.cora-netz.de
CorA – Netzwerk für Unternehmensverantwortung – AG
Beschaffung
Koordinatorin: Johanna Fincke
(CIR)
c/o Christliche Initiative Romero
Breul 23
D-48143 Münster
Tel.: 0251/89503
Fax: 0251/82541
E-Mail: [email protected]
www.ci-romero.de/cora
Fairtrade Towns
TransFair e.V.
Ansprechpartnerin:
Lisa Herrmann
Remigiusstr. 21
D-50937 Köln-Sülz
Tel.: 0221/94 20 40 41
Fax: 0221/94 20 40 40
E-Mail: l.herrmann@
fairtrade-deutschland.de
www.fairtrade-towns.de
Kampagne für Saubere
Kleidung
Koordinationsbüro
c/o Vereinte Evangelische
Mission
Rudolfstr. 135
D-42219 Wuppertal
Tel.: 0202/89004 316
Fax: 0202/89004 79
E-Mail: [email protected]
www.saubere-kleidung.de
Kampagne „Wie fair kauft
meine Stadt?“
Ansprechpartner:
Christian Wimberger
Christliche Initiative Romero
Breul 23
D-48143 Münster
Tel.: 0251/89503
Fax: 0251/82541
E-Mail: wimberger@
ci-romero.de
www.ci-romero.de/cora
Nachhaltige IT-Beschaffung
WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V.
AnsprechpartnerInnen:
Annelie Evermann und Juliane
Kühnrich
Eldenaer Str. 60
D-10247 Berlin
Tel.: 030/275 82 163
Fax: 030/275 96 928
E-Mail: annelie.evermann@
weed-online.org
www.weed-online.org/themen/beschaffung
Kontaktieren Sie gerne die ReferentInnen der Kampagnen und versuchen Sie, Synergien zwischen Ihrem Projekt
zu kommunaler Beschaffung und den Kampagnen und
Netzwerken zu schaffen.
CIR/TDH
> „Wie fair kauft meine Stadt?“
Kontakte
49
B) Entwicklungspolitische Organisationen
TransFair – Verein zur Förderung des Fairen Handels mit
der „Dritten Welt“ e.V.
Christliche Initiative Romero
e.V. (CIR)
Vamos e.V.
Breul 23
D-48143 Münster
Tel.: 0251/89503
Fax: 0251/82541
E-Mail: [email protected]
www.ci-romero.de
Kleidung, Konsum, verantwortliche Beschaffung
Remigiusstr. 21
D-50937 Köln-Sülz
Tel.: 0221/94 20 40 0
Fax: 0221/94 20 40 40
E-Mail:[email protected]
www.fairtrade-deutschland.de
Fairer Handel
Achtermannstraße 10-12
D-48143 Münster
Tel.: 0251/45431
Fax: 0251/54705
E-Mail: info@
vamos-muenster.de
www.vamos-muenster.de
Blumen, ethischer Konsum
FIAN Deutschland
WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V.
Briedeler Straße 13
D-50969 Köln
Tel.: 0221/70 200 - 72
Fax: 0221/70 200 - 32
E-Mail: [email protected]
www.fian.de
Recht auf Nahrung, Blumen
Eldenaer Str. 60
D-10247 Berlin
Tel.: 030/275 82 163
Fax: 030/275 96 928
Email: [email protected]
www.weed-online.org
Computer
Germanwatch e.V.
Weltladen-Dachverband e.V.
Stresemannstr. 72
D-10963 Berlin
Tel.: 030/28 88 356 - 0
Fax: 030/28 88 356 - 1
E-Mail: info@
germanwatch.org
www.germanwatch.org
Klima, Smartphones, IT
Ludwigsstraße 11
D-55116 Mainz
Tel.: 06131/68907 - 82
Fax: 06131/68907 - 99
E-Mail: [email protected]
www.weltladen.de
Fairer Handel
Powershift e.V.
im WeltHaus Heidelberg
Willy-Brandt-Platz 5
D-69115 Heidelberg
Tel.: 06221/4 33 36 - 0
Fax: 06221/4 33 36 - 29
E-Mail: [email protected]
www.woek.de
Spielzeug
Greifswalder Str. 4
D-10405 Berlin
Tel.: 030/42805479
E-Mail: Michael.Reckordt@
www.power-shift.de
www.power-shift.de
Rohstoffe, Klima
Werkstatt Ökonomie e.V.
SÜDWIND e.V. – Institut für
Ökonomie und Ökumene
Kaiserstraße 201
D-53113 Bonn
Tel.: 0228/763698 0
Fax: 0228/763698 22
E-Mail: [email protected]
www.suedwind-institut.de
Kleidung, Steine, Lieferketten
terre des hommes Deutschland e.V.
Ruppenkampstraße 11a
Postfach 4126
D-49031 Osnabrück
Tel.: 0541/71 01 - 0
Fax: 0541/70 72 33
E-Mail: [email protected]
www.tdh.de
Kinderarbeit, Sozialstandards
50
ontakte
K
C) Entwicklungspolitische Landesnetzwerke
Baden-Württemberg
DEAB Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V.
Vogelsangstr. 62
D-70197 Stuttgart
Tel.: 0711/66 487 360
Fax: 0711/64 531 36
E-Mail: [email protected]
www.deab.de
Fax: 0381/49 024 91
E-Mail: [email protected]
www.eine-welt-mv.de
Bayern
Niedersachsen
Eine Welt Netzwerk Bayern e.V.
Weiße Gasse 3
D-86150 Augsburg
Tel.: 089/35 040 796
E-Mail: [email protected]
www.eineweltnetzwerkbayern.
de
VEN Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen e.V.
Hausmannstr. 9-10
D-30159 Hannover
Tel.: 0511/39 16 50
Fax: 0511/39 16 75
E-Mail: [email protected]
www.ven-nds.de
Berlin
Nordrhein-Westfalen
BER Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag e.V.
Greifswalder Str. 4
D-10405 Berlin
Tel.: 030/42 851 587
Fax: 030/49 855 381
E-Mail: [email protected]
www.ber-ev.de
Eine Welt Netz NRW e.V.
Achtermannstr. 10-12
D-48143 Münster
Tel.: 0251/28 46 69 - 0
Fax: 0251/29 46 69 - 10
E-Mail: [email protected]
www.Eine-Welt-Netz-NRW.de
Brandenburg
Rheinland-Pfalz
VENROB Verbund Entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburgs e.V.
c/o BBAG e.V., Schulstr. 8b
D-14482 Potsdam
Tel.: 0331/70 489 66
Fax: 0331/27 086 90
E-Mail: [email protected]
www.venrob.org
ELAN Entwicklungspoltisches
Landesnetzwerk RheinlandPfalz e.V.
Frauenlobstr. 15-19
D-55118 Mainz
Tel.: 06131/97 208 67
Fax: 06131/97 208 69
E-Mail: [email protected]
www.elan-rlp.de
Bremen
NES Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland e.V.
Evangelisch-Kirch-Str. 8
D-66111 Saarbrücken
Tel.: 0681/938 52 - 35
Fax: 0681/938 52-64
E-Mail: [email protected]
www.nes-web.de
BeN Bremer entwicklungspolitisches Netzwerk e.V.
Breitenweg 25
D-28195 Bremen
Tel.: 0421/69 531 453
Fax 0421/17 10 16
E-Mail: [email protected]
www.ben-bremen.de
Hamburg
Saarland
Sachsen
Eine Welt Netzwerk Hamburg
e.V.
Große Bergstr.
D-22767 Hamburg
Tel.: 040/35 893 86
Fax: 040/35 893 88
E-Mail: [email protected]
www.ewnw.de
ENS Entwicklungspolitisches
Netzwerk Sachsen e.V.
Kreuzstr. 7
D-01067 Dresden
Tel.: 0351/49 233 64
Fax: 0351/49 233 60
E-Mail: [email protected]
www.einewelt-sachsen.de
Hessen
Sachsen-Anhalt
EPN Entwicklungspolitisches
Netzwerk Hessen e.V.
Vilbeler Str. 36
D-60313 Frankfurt/M
Tel.: 069/91 395 170
Fax: 069/29 51 04
E-Mail: [email protected]
www.epn-hessen.de
EINE WELT Netzwerk SachsenAnhalt e.V.
Johannisstr. 18
D-06844 Dessau
Tel.: 0340/23 011 22
Fax: 0340/23 011 21
E-Mail: [email protected]
www.ewnsa.de
Mecklenburg-Vorpommern
Schleswig-Holstein
Eine-Welt-Landesnetzwerk
Mecklenburg-Vorpommern e.V.
Goethestr. 22
D-18055 Rostock
Tel.: 0381/20 373 846
BEI Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V.
Walkerdamm 1
D-24103 Kiel
Tel.: 0431/6793 99 - 00
CIR/TDH > „Wie fair kauft meine Stadt?“
CIR/THD
Fax: 0431/6793 99 - 06
E-Mail: [email protected]
www.bei-sh.org
Thüringen
Eine Welt Netzwerk Thüringen
e.V.
Kochstraße 1a
D-07745 Jena
Tel.: 03641/22 49 950
Fax: 03641/22 49 949
E-Mail: [email protected]
www.ewnt.de
D) Arbeitsrechte
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) – Bundesvorstand
Henriette-Herz-Platz 2
D-10178 Berlin
Tel.: 030/240 60 - 0
Fax: 030/240 60 - 324
E-Mail: [email protected]
www.dgb.de
Kompass Nachhaltigkeit
Internationale Arbeitsorganisation (ILO)
Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
Friedrich-Ebert-Allee 40
D-53113 Bonn
Tel: 0228/44 60 - 0
Fax: 0228/4460 17 66
www.kompass-nachhaltigkeit.
de
4, route de Morillons
CH-1211 Genéve, Schweiz
Tel.: 0041 22/799 7940
Fax: 0041 22/799 8577
E-Mail: [email protected]
www.ilo.org
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
Kompetenzstelle für Nachhaltige Beschaffung
Bundesvorstand
Paula-Thiede-Ufer 10
D-10179 Berlin
Tel.: 030/69 56 - 0
Fax: 030/69 56 31 41
E-Mail: [email protected]
www.verdi.de
Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern
Brühler Str. 3
D-53119 Bonn
Tel.: 0228/99610 2345
E-Mail: nachhaltigkeit@
bescha.bund.de
www.nachhaltigebeschaffung.info
newtrade nrw
Stadttor 1
D-40190 Düsseldorf
Tel.: 0211/837-1622
Fax: 0211/837 187 1622
E-Mail: angelika.kilian
@stk.nrw.de
www.newtrade-nrw.de/
index.html
E) Öffentliche
Einrichtungen
IG Metall Vorstand
ICLEI – Local Governments
for Sustainability
Wilhelm-Leuschner-Straße 79
D-60329 Frankfurt
Tel.: 069/6693 - 0
Fax: 069/6693 2843
E-Mail: [email protected]
www.igmetall.de
Leopoldring 3
D-79098 Freiburg
Tel.: 0761/36892 - 0
Fax: 0761/36892 - 19
E-Mail: [email protected]
www.iclei-europe.org
Servicestelle Kommunen in
der Einen Welt
ENGAGEMENT GLOBAL
gGmbH
Tulpenfeld 7
D-53113 Bonn
Bestellschein
Preis*
Kampagnenleitfaden „Wie fair kauft meine Stadt?” (vorliegend)
4,– € **
Protestpostkarte „Wie fair kauft meine Stadt?”
gratis*
Aktionszeitung „Wie fair kauft meine Stadt?”
gratis*
Großer FAIRNESS-Check – zur Übergabe an Kommunen
(auch online digital verfügbar)
gratis*
Informationsbroschüre „Quo vadis, Beschaffung?” – eine Bestandsaufnahme der sozial verantwortlichen öffentlichen Beschaffung (auch digital online verfügbar)
2,– € **
Ratgeber im Taschenformat: „WearFair? Ein Wegweiser durch
den Labeldschungel bei Textilien”
1,– € **
Faltblatt : „Fit For Fair” – für SportlerInnen und Vereine
(ab Juni 2015)
gratis*
Straße
PLZ, Ort
Datum, Unterschrift
F) Informa­
tionen zu
Siegeln und
Unternehmen
Grüne Mode-Online Portal:
www.ci-romero.de/gruenemode
Siegelklarheit:
www.siegelklarheit.de/home
Kompass Nachhaltigkeit:
www.kompass-nachhaltigkeit.de
Profile der Arbeitsbekleidungsunternehmen in Deutschland:
www.ci-romero.de/cora
Anz.
Bestellschein einfach kopieren oder ausschneiden,
ausfüllen und in einem Briefumschlag an unten
stehende Adresse schicken.
Weitere Materialien unter:
www.ci-romero.de/material-publikationen
(AUCH ONLINE BESTELLBAR!)
*) Alle Bestellungen gegen Porto zzgl.
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**) Schutzgebühr
Christliche Initiative
Romero
Breul 23
48143 Münster
Deutschland
Name
E-Mail
Tel.: 0228/20 717 - 0
Fax: 0228/20 717-389
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www.service-eine-welt.de
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Sie mir den
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der CIR zu:
Tel ++49 - (0)2 51 - 8 95 03
Fax ++49 - (0)2 51 - 8 25 41
E-Mail: [email protected]
www.ci-romero.de
51
Gegen Ungerechtigkeit anzugehen, ist seit 1981 die Motivation der Christlichen Initiative Romero (CIR). Während
es in den 1980er-Jahren um ein Ende der Bürgerkriege in
den Ländern Mittelamerikas ging, steht heute u.a. der
Kampf gegen die unwürdigen Arbeitsbedingungen all
jener Frauen und Männer im Vordergrund, die Konsum­
güter für den globalen Markt fertigen. In zahlreichen
Netz­werken gibt die CIR den Opfern der Globalisierung
eine Stimme. Sie informiert über katastrophale Arbeitsbedingungen, konkrete Arbeitsrechtsverletzungen, Ausbeutung und setzt sich global für menschenwürdige
Lebens- und Arbeitsbedingungen ein. Vor diesem Hintergrund ruft die CIR zu verantwortlicher öffentlicher
Beschaffung auf. Denn die öffentliche Hand kann durch
ihren Einkauf maßgeblich zur Verbesserung der Situation
der ArbeiterInnen im globalen Süden beitragen.
Christliche Initiative Romero (CIR)
Breul 23, 48143 Münster
Telefon 0251 / 8 95 03 | Fax 0251 / 8 25 41
E-Mail: [email protected] | www.ci-romero.de