Ernst-Darwin Wallace KUTSCHERANIA oder Naturformen der (Schreib-)Kunst. Eine realwissenschaftliche Verbalsatire 1 CIP-Eintrag Deutsche Nationalbibliothek: Kutscherania oder Naturformen der (Schreib-)Kunst. Eine realwissenschaftliche Verbalsatire © Ernst-Darwin Wallace 4.Auflage, November 2015 e-publi, Berlin www.epubli.de ISBN 978-3-7375-7168-5 2 Was ist die Steigerung von Studentenulk? Der Studenten-Ulku. (Flüsterwitz, Universität Kassel, ca. 2005) 3 4 Inhalt: (Siglen) Prolog: Taliban und Müll in Oberlambobumbistan – können (Real)Wissenschaftler die Welt retten? Kap. 1. Pionierarbeit: Sarazenen-Gene, lange vor Thilo! Kap. 2. Bildungsblüten eines Pflanzenphysiologen Kap. 3. Gesunder Menschenverstand Kap. 4. Fantastische Verbalwissenschaftler, geistlose Realwissenschaft und der kopflose Lavoisier Kap. 5. Kreativ-Orthographisches, oder: Meisterkniffe des Groß-Experimentators Kap. 6. Darwiniana Doofa Kap. 7. Natur-Impressionen und die „Hitzkopf-Theorie“ Kap. 8. Aphorismen, Maximen, Nachdenkliches Kap. 9. Novitäten: Ein realwissenschaftliches Lebenswerk in fünfzehn Prinzipien, Theorien und Gesetzen Epilog: Das „Aldi-Ulku-Erfolgsprinzip der NeidkulturEnttarnung“ 5 Siglen: DF: Ulrich Kutschera: Design-Fehler in der Natur. Alfred Russell Wallace und die Gott-lose Evolution. Lit-Verlag Berlin 2013 EB1: Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Parey Buchverlag Berlin 2001 EB2: Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. 2.Auflage. Ulmer-Verlag Stuttgart 2006 KD: Ulrich Kutschera (Hg.): Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen. Lit-Verlag Berlin 2007 SE: Ulrich Kutschera: Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design. Lit-Verlag Münster 2004 TE: Ulrich Kutschera: Tatsache Evolution. Was Darwin nicht wissen konnte. 2.Auflage, dtv München 2009 6 Prolog: Taliban und Müll in Oberlambobumbistan – können (Real)Wissenschaftler die Welt retten? Das vorliegende, Kutscherania betitelte Bändchen bietet eine Kollektion der brillantesten, beeindruckendsten und wirkmächtigsten Passagen aus den Werken von Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Kutschera (geb. 1955), seines Zeichens Evolutionsbiologe, Pflanzenphysiologe und Erster Vorsitzender eines Zusammenschlusses von Biologen, der mal als „AG“, mal als „AK“ bezeichnet wird: Nämlich mal „AG Evolutionsbiologie“, mal „AK Evolutionsbiologie“. Was von beiden richtig ist konnte bis zur Drucklegung unseres Büchleins nicht abschließend geklärt werden, obwohl es – übereinstimmenden Berichten zufolge – die „mal AG, mal AK“-Vereinigung schon seit Oktober 2002 gibt (der mysteriöse Buchstabenwechsel1 verleiht ihr immerhin die 1 Die damals noch so geheißene „AG Evolutionsbiologie“ verbreitete regelmäßig und nicht ohne Stolz, dass ihre Gründung im Jahre 2002 auf Anregung des großen Ernst Mayr erfolgte: Kutschera selbst (KD S.353) redete von „der im Oktober 2002 in Potsdam gegründeten AG Evolutionsbiologie“ und präsentierte dabei ein eigenes AGE-Logo (zusammen mit dem Logo von Dachdeckern, Tischlern, Fleischern und Konditoren, worüber bis heute gerätselt wird – siehe KD S.41). Gute 10 Jahre später jedoch lässt uns Kutschera via Net (www.youtube.com/watch?v=shbZR53T5Nw) wissen, damals sei der „AK Evolutionsbiologie“, und nicht etwa die „AG“ gegründet worden – eine „AG EvoBio“ (zu der Kutschera wohl irgendwie mal gehörte, dann aber nach 2009 eher nicht mehr) 7 Aura des Undurchschaubar-Erhabenen – einem akademischen Elite-Gremium eigentlich ganz angemessen!). Wie auch immer, einigermaßen unstrittig dürfte sein, dass Professor Kutschera sich in seiner Eigenschaft als Erster Vorsitzender des besagten Akademikerverbandes einen ganz unverwechselbaren selbst- bis sendungsbewussten Schreibstil angeeignet hat, der im kausalen Zusammenhang mit nichts weniger als enormer gesellschaftlicher Verantwortung zu verstehen ist: Nämlich der Verantwortung, die Erkenntnisse modernster biologischer Forschung in diesbezüglich weitgehend unaufgeklärte Bevölkerungsschichten einsickern, wenn nicht sogar frackingmäßig hineindonnern zu lassen. Und dabei denke man nicht nur an Menschen ohne Abitur bzw. mit sonstigen Bildungshandicaps: Nein, auch an den Universitäten selbst ist eine fundamentale Unbildung auf jenem Gebiet auszumachen, welches kein anderer als Professor Kutschera selbst im Jahre 2008 als „Realwissenschaft“ von anderen Geistesbemühungen der Menschheit abgrenzte: Empirische Naturforschung ist demnach die einzig akzeptable Grundlage für logisch-kritisches Denken, und wer sich hier nicht auskennt – bzw. die Namen der zehn bedeutendsten naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften nicht herunterbeten kann – der sollte sich hüten, über die wahrhaft weltbewegenden Fragen gibt es irritierenderweise jedoch auch noch (und das alte AGE-Logo haben sie beide verloren, leider!). Das Verwirrspiel ist so undurchdringlich, dass man sich fragen muss, ob wir es hier vielleicht mit dem (eher im angelsächsischen Sprachraum bekannten) Phänomen eines akademischen Geheimbundes zu tun haben, etwa in der Art der berüchtigten Skull & Bones – dies freilich müssen zukünftige mutige Nachfrager klären. 8 der Menschheit etwas sagen oder gar schreiben zu wollen. In zahlreichen zitierenswerten Büchern und Aufsätzen hat Professor Kutschera, der neben seinem nationalen Wirkungsort in Kassel/Nordhessen auch einen in Stanford/Kalifornien vorzuweisen hat, diese These zu einem eigenen argumentativen Gesamtkunstwerk verdichtet, bei dessen Lektüre insbesondere die Vertreter der „Verbalwissenschaften“ – so nennt unsere Kasseler Koryphäe die traurigen nicht-realwissenschaftlichen Irrelevanzdisziplinen, wie etwa Philosophie oder Germanistik – regelmäßig vor Neid erblassen. Dass aber aus Neid nichts Gutes erwächst wissen wir alle, und deshalb hat sich das vorliegende Büchlein die Aufgabe gestellt, in allgemeinverständlicher Weise in Kutscheras komplexe Gedankenwelt einzuführen bzw. seine ganz unvergleichlichen intellektuellen Leistungen in neun thematisch eingegrenzten Kapiteln, ergänzt um einen Prolog und einen Epilog, möglichst breiten Leserschichten nahe zu bringen. Manches Missverständnis dürfte sich auf diese Weise beseitigen lassen, und im günstigsten Falle sollte der Leser schlussendlich einsehen, dass es eine Ehre für ihn ist, einen engagierten Naturforscher und Aufklärer wie Kutschera über steuerliche Abgaben finanzieren zu dürfen. Denn wie wichtig ihm dieser pekuniäre Aspekt ist, daraus hat unser Kasseler Realwissenschaftler in seinen zahlreichen Werken nie einen Hehl gemacht (KD S.352 f.): „Zur Erinnerung: das Wort »Professor« heißt übersetzt »Bekenner«. Wer das Privileg genießt, an einer deutschen 9 Universität eine Professur (oder gar einen Lehrstuhl) in den Biowissenschaften innehaben zu dürfen, sollte auch in der Öffentlichkeit klar zum methodischen Naturalismus stehen. Wir sind es der Allgemeinheit schuldig, unser Fachwissen auch nach außen hin darzustellen. Das reine »Elfenbeinturm-Forschen«, ohne mit den »Sponsoren« in Verbindung treten zu wollen, ist ein weit verbreitetes, aber fragwürdiges Berufsverständnis zahlreicher vom Staat bezahlter Biologen.“ Das ist doch klar genug ausgedrückt, oder? Lediglich der Begriff „methodischer Naturalismus“ könnte einigen Lesern Verständnisschwierigkeiten bereiten, doch seien Sie darob unbesorgt: Dieser gehört nämlich eigentlich in den Bereich der Philosophie, also der „Verbalwissenschaft“, und ist daher nicht so wichtig – vertrauen Sie einfach darauf, dass alles diesbezügliche auch mit den Mitteln der Realwissenschaft erreichbar ist, soll heißen, durch die geschulten Augen und Hirnwindungen des empirischen Naturforschers: Denn nur mit diesen, wir erwähnten es bereits, kann logisch-kritisches Denken höchste Vollendung erfahren. – Hand auf’s Herz, lieber Leser, träumen Sie bisweilen nicht auch von solch einer Sonderbegabung? Ist es nicht zutiefst natürlich, eliteprofessorale Geisteskraft für das eigene, eher durchschnittliche Dasein zu ersehnen? Falls Sie zustimmen, dann sollten Sie ab jetzt das soeben zitierte Credo des Professors beim Wort nehmen bzw. ihm aufmerksam dabei folgen, wenn es darum geht, sein unter privilegierten Umständen kultiviertes „Fachwissen“ für die „Allgemeinheit 10 darzustellen.“ Sie werden auf diesem Wege an intellektuelle akademische Gipfelhöhen herangeführt werden, in denen es Ihnen den Atem verschlagen wird – soviel sei versprochen! Und glauben Sie nicht, dass für diesen Anschauungsunterricht jeder x-beliebige Realwissenschaftler dasselbe leisten könnte – was diesen Punkt betrifft, so ist Professor Kutschera sehr ehrlich, wenn er am Ende des obigen Zitates die große Mehrheit seiner realwissenschaftlichen, von Steuergeldern entlohnten Fachkollegen offen kritisiert. Ja, er ist in dieser Hinsicht respekteinflößend wie kaum ein Zweiter, denn nur wenige wagen es, in dieser Angelegenheit so ungeschminkt die Wahrheit auszusprechen wie eben unser Bekenner-Professor in einem seiner jüngeren Elaborate aus dem Jahr 2013 (DF S.21/22): „Im »Darwin-Jahr 2009« wurden unzählige Pressemitteilungen zum Wissenschaftsstandort Deutschland veröffentlicht. Eine Meldung, die eigentlich diskussionswürdig gewesen wäre, ging allerdings fast völlig unter. In einer jährlichen Rangliste, dem Academic Ranking of World Universities (ARWU), die seit 2003 von der Shanghai Jiao Tong-Universität (China) zusammengestellt und veröffentlicht wird, waren nur 5 deutsche Hochschulen unter den »Ersten 100« zu finden. (...) Unter den »Top 10« waren 8 nordamerikanische und zwei englische Universitäten aufgelistet: Wie bereits 2007 und 2008 standen die Harvard University (Cambridge, Massachusetts) und die Stanford University (Palo Alto, California) auf den Spitzenplätzen 1 und 2 (...).“ 11 Also, verehrter Leser – nur damit Sie spätestens jetzt wissen, womit Sie es zu tun haben: Die Universität Kassel mag bessere Provinz sein, aber Stanford/USA, das ist schon was! Und wer diese Ranking-Höhen erklommen hat – wenn auch nur als Visiting Professor – der darf speziell den deutschen Kollegen gegenüber mal so richtig Tacheles reden (DF S.22): „Obwohl derartige »Universitäts-Hitparaden«, die im Wesentlichen auf den Forschungsleistungen und der internationalen Reputation der dort tätigen Professoren basieren, nicht unproblematisch sind (die Qualität der akademischen Lehre bleibt z.B. weitgehend unberücksichtigt), wirft dieses jährliche Ranking dennoch ein trauriges Licht auf die deutschen Hochschulen. Die beiden hier zu Lande als »Elite-Institutionen« geführten beiden Münchener Universitäten waren in der »Mitte der 50er« eingereiht – diesen beschämenden Tatbestand hat man aber bundesweit ignoriert.“ Denken Sie an dieser Stelle bitte nicht darüber nach, ob es statt „hier zu Lande“ korrekt „hierzulande“ heißen müsste – der für Außenstehende nicht immer sofort nachvollziehbaren Orthographie des Eliteuniversitäts-Gastprofessors haben wir in diesem Büchlein ein eigenes Kapitel gewidmet, das Sie beizeiten goutieren können. Beachten Sie stattdessen bitte seine abschließende Feststellung, dass wir Deutschen (wieder einmal) Grund haben, uns zu schämen. Das mag erstmal deprimierend wirken, doch die frohe Botschaft sei sogleich verkündet: Jemand wie Kutschera belässt es nicht bei 12 Vorwürfen, sondern er kämpft mit all seinen Kräften dafür, dass in der hiesigen Bildungslandschaft einiges (bedeutend!) besser wird! Bevor Sie sich davon Kapitel für Kapitel überzeugen können, wollen wir aber eine kleine Ungerechtigkeit – oder genauer, etwas, das man fälschlich dafür halten könnte – nicht verschweigen. Denn auch wenn Kutschera als Erstem Vorsitzenden der „mal AG, mal AK“-Evolutionsbiologenvereinigung im Folgenden unser zentrales Interesse gelten wird, so ist die Frage doch berechtigt, ob er allein, aus eigenen Kräften, dahin hätte kommen können, wo er heute als vielbeschäftigter Forscher und Buchautor steht. Auszuschließen ist dies bei seiner extraordinären Begabung nicht, aber man muss doch festhalten, dass er in der starken „mal AG, mal AK“-Gemeinschaft sehr engagierte Mitstreiter hatte – pardon, natürlich immer noch hat! – die ihm gegen die üblichen Bedenkenträger und Neider ein äußerst wertvoller Rückhalt sind. Gerade in den Anfangsjahren des „mal AG, mal AK“-Gremiums sind hier wahre Juwelen der KutscheraApologie sowohl im Internet als auch gedruckt in die Welt gesetzt worden, welche allesamt Erhaltung verdient gehabt hätten – viel zu viel ist leider in den undurchschaubar komplexen AG-AK-Umwandlungsprozessen, die faszinierenderweise im „Darwin-Jahr“ 2009 ihren Höhepunkt erreichten2, 2 Es besteht Grund zu der Annahme, dass die Evolutionsbiologenvereinigung aus Anlass des Darwin-Jubiläums öffentlich demonstrieren wollte, was ein natürlicher Speziations- bzw. Artaufspaltungs-Prozess ist. Das ist ihr mit Bravour gelungen! 13 verloren gegangen bzw. von ungeschickter Hand gelöscht worden. Aber immerhin kann man die ganz unvergleichliche intellektuelle und sprachliche Qualität der „mal AG, mal AK“Vereinigung angemessen würdigen, wenn man nicht nur die alles überragende Gestalt Kutscheras, sondern auch noch drei andere wichtige Mitglieder erwähnt, auch wenn es hier nur in sehr kurzer Form geschehen kann: Professor Dr. Hans-Jörg Jacobsen (Hannover), Vertretungsprofessor/Professor Dr. Andreas Beyer (Recklinghausen) und „leider weder Professor noch Dr.“ Dipl. Chemie-Ingenieur Martin Neukamm (München-Garching). Werfen wir also einen kursorischen Blick auf diese drei bedeutsamen AG/AK-Säulen, bevor wir uns – sein intellektuelles Umfeld danach besser einschätzen könnend – wieder ganz der Gestalt des Großen Vorsitzenden zuwenden. Erstaufgezählter Professor Jacobsen kam unter anderem in dem von Kutschera herausgegebenen Sammelband „Kreationismus in Deutschland“ (2007) zu Wort – zwar nur über längere Zitate aus einem Manuskriptentwurf, aber der hatte es dafür ganz schön in sich: War dieser doch frank und frei mit „Was haben Kreationisten, Gentechnikgegner und Taliban gemeinsam?“ betitelt (KD S.363). Der bestechenden Logik dieses Artikels folgend hat sich der Talibanismus in Deutschland schon erstaunlich weit ausgebreitet, sogar bis ins Technikfolgenabschätzungsbüro (TAB) des Deutschen Bundestages (vgl. KD S.358). Allein, man müsste schon das geistige Format eines Professor Jacobsen oder eines Professor Kutschera besitzen, um die drohende Gefahr wahrzunehmen – 14 und das trifft mangels fundierter realwissenschaftlicher Ausbildung eben nur auf die wenigsten zu! Wie auch immer, wenn Jacobsen in besagtem „Taliban“-Manuskript (KD S.360) folgendes schreibt... „Je länger man an einer Idee festhält und sie offensiv propagiert, desto immuner wird man gegen kritische Gedanken, denn würde man diese zulassen, müsste man sich und seiner Umwelt ja eingestehen, dass man bislang Müll geredet hat“ ... dann sollte klar sein, dass er mit den offensiven Müllrednern nicht etwa sich oder seine Kollegen aus der „mal AG, mal AK“-Vereinigung meint, sondern selbstredend alle, die in gewissen wichtigen Dingen – wie z.B. dem äußerst wünschenswerten Einsatz gentechnisch veränderten Saatgutes – eine andere Meinung vertreten als er3. Falls Sie, geneigter Leser, sich jetzt ein wenig darüber wundern, mit welch gewöhnlicher (oder gar gewöhnungs3 Etwa solche frechen Meinungsabweichler, die keck darauf verweisen, dass brasilianische Maisbauern nach Anbau des sogenannten „Wunder-Mais“ 15/07 schon ab dem dritten Erntejahr ganz reale evolutionäre Wunder erlebten – und zwar in Form resistent gewordener Maiszünsler, die ihnen nachhaltiger als je zuvor die Ernte ruinierten. Kein Wunder ist es folglich, wenn AG/AK-Mitglieder wie Jacobsen all jenen zürnen, die solch beeindruckenden empirischen Beispielen für Umweltanpassung, und damit großer Realwissenschaftlerforschung, im Wege stehen – die talibanesken Technikfolgenabschätzer des Deutschen Bundestages sollten sich was schämen! 15 bedürftiger) Sprache Herr Professor Jacobsen hier vorgehen zu müssen meint, dann seien Sie an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass es unseren AG/AK-Realwissenschaftlern ja um das Erreichen auch nicht-akademischer Bevölkerungsschichten geht: Gerade diese sollen vom eminent aufklärerischen Segen moderner Forschungstätigkeit profitieren – aber letztere muss sprachlich dann eben auch passend vermittelt werden! Bei dieser Gelegenheit erwähnen wir gerne den nächsten Professor (bzw. damals noch Vertretungsprofessor) Andreas Beyer (Recklinghausen), der hier regelmäßig ganz besondere Fähigkeiten4 beweist, u. a. wenn er in einem seiner zahlreichen, speziell für die Arbeit der AG/AK-Vereinigung geschriebenen Internet-Artikel ein fiktives Beispiel für kulturbedingte, totale Unbildung wie folgt ersinnt5: 4 Beyer hat dabei nicht nur als Realwissenschaftler, sondern auch als Realwissenschaftstheoretiker Herausragendes geleistet. Sein umfangreiches Schaffen und seine – auch sprachlich – beeindruckende Kompetenz auf diesem Gebiet lässt sich mit folgendem Zitat (aus seinem Internet-Artikel „Vergleich von Evolutionstheorie und Kreationismus in wissenschaftstheoretischer Hinsicht“, 2004) trefflich zusammenfassen (doppelte Hervorhebung im Original): „Empirische Wissenschaft ist die Königsdisziplin der Empirie (nomen est omen!).“ – Man merkt’s sofort: hier schreibt Durchblick. 5 Andreas Beyer, „Wissenschaft im Rahmen eines Schöpfungsparadigmas?“, 2005. – Man lasse sich von der wiedergegebenen „Oberlambobumbistan“-Passage nicht irritieren: Im Kreise der AG/AK-Vereinigung gilt dieser Internetbeitrag als wissenschaftlich zitierfähiger Artikel (warum auch nicht, ist ja letztendlich nur eine Geschmacksfrage!). 16 „Nein, echtes Offenbarungswissen wäre es gewesen, wenn, sagen wir, der kleine Hirtenjunge Owamba Habumbu Mula-Mula in der Steppe von Oberlambobumbistan 7mal in 7 Nächten träumt »Owamba, höre, E gleich m mal c-Quadrat, und nun gehe nach Europa und sag das Dr. Einstein!«.“ Kein Zweifel, mit solchen bis dahin nie vernommenen didaktischen Preziosen vermögen Akademiker ganz neue Rezeptionsräume zu erschließen – bis hin zu den Wohnzimmern typischer RTL2-Konsumenten. Diesbezügliche Berührungsängste scheinen jedenfalls auch dem dritten relevanten Akademiker, der in der kurzen, aber äußerst bewegten Historie der „mal AG, mal AK“-Vereinigung eine zentrale Rolle spielte, ziemlich fremd zu sein: Die Rede ist vom Dipl. Chemie-Ing. Martin Neukamm (MünchenGarching). Genauer gesagt, wollen wir das Reden über Neukamms bemerkenswertes Wirken an dieser Stelle einer anderen Person überlassen, nämlich einem Blogbetreiber, der im März 2007 seine ganz eigenen AG/AK-Erfahrungen der Öffentlichkeit mitteilte6 (Hervorhebungen im Original): „(...) flugs wurde dieses Weblog von dem Gremium der Evolutionswissenschaftler zu einer »antievolutionistischen Homepage« und ich gar zum »Evolutionsgegner« erklärt. Irgendwann schnallte man dann aber, dass ich zumindest kein christlicher Fundamentalist sein kann und erklärte daraufhin, daß 6 http://axonas.twoday.net/stories/3435341. 17 man mit mir »keinen Dialog anstrebe« (...). Das war lustig und ich habe mit Laune verbal auf dieses Gremium eingeprügelt – ein besserer Beleg, daß wir hier Leuten mit offenkundig ideologisierter Wahrnehmung die Verteidigung des wissenschaftlichen Betriebes überlassen, schien mir kaum möglich. Bis ich feststellen musste, daß der Geschäftsführer der AG Evolutionsbiologie im Verband der deutschen Biologen unter dem Titel »Pain in the Ass« ein vermeintliches anonymes Posting hier absetzte, in dem meiner Person gegenüber mal so richtig vom Leder gezogen und die Sau rausgelassen wurde (...). Sein Pech, dass es lediglich drei Klicks benötigte um ihn zu identifizieren. Martin Neukamm tanzte also hier den Jamba, wie man vielleicht unter Bloggern sagen würde. Kurz darauf schaltete sich der Mann unter seinem wirklichen Namen hier noch einmal in die Diskussion ein, tat so als wenn nichts gewesen wäre und unterstützte »ganz sachlich« die Argumentation von »Pain in the Ass.« Nach ein paar Recherchen stand fest: das war kein Einzelfall aus jenem akademischen Institut in München. Ich habe mir z.B. auf einer einschlägigen Diskussionsplattform zu einer ganzen Reihe von Diskussionsbeiträgen die immergleiche IP dieser Institution zeigen lassen, die sich hinter zig ganz unterschiedlichen Namen vermeintlicher Privatpersonen verbarg. Letztere teilweise auch noch mit wechselnden Ortsangaben etikettiert – damit es wohl authentischer wirkt.“ Authentisch – ja, das ist hier zweifelsohne das Stichwort. Denn dieses, lieber Leser, müssen Sie nach staunender Lektüre der 18 obigen Original-Textproben und des zuletzt zitierten Erfahrungsberichtes sicherlich zugeben: Für eine AkademikerVereinigung wie unser hochengagiertes „mal AG, mal AK“Gremium gibt es schlicht und ergreifend bundesweit keinen Vergleich. Sei es ein professorales Müll & Taliban, ein vertretungsprofessorales Owamba Habumbu Mula-Mula aus Oberlambobumbistan oder ein leider nicht professorales, aber immerhin diplomiertes pain in your ass – eine solche Zusammenballung diskursiver Sonderqualität ward an deutschen Universitäten bislang nicht gesehen, und wohl nur vor dem Hintergrund dieser so enthemmt ausbrechenden geistigen Energien vermochte die strahlende Figur des Ersten Vorsitzenden Ulrich Kutschera ihren letzten Hochglanz zu erhalten. Die längst überfällige Würdigung, die Kutschera mit vorliegendem Bändchen erhält, soll daher auch ein wenig auf die AG/AK-Mitglieder Jacobsen, Beyer und Neukamm zurückschimmern – haben sie doch jeweils das ihrige dazu beigetragen, dass Kutscheras Sonne so weithin sichtbar am Himmel der Bildungsrepublik Deutschland strahlen darf. Der herzliche Dank unzähliger Studenten und Graduierter – jedenfalls der realwissenschaftlichen – dürfte ihnen für alle Zeiten gewiss sein. Ernst-Darwin Wallace, Tropenhospital Ternate/Indonesien, im Oktober 2015. 19 Erstes Kapitel Pionierarbeit: Sarazenen-Gene, lange vor Thilo Erinnern Sie, geneigter Leser, sich noch an die turmhohen Wellen, die die sogenannte Sarrazin-Debatte im Jahre 2010 in Deutschland schlug? Wie der zum Bevölkerungsbiologen mutierte Bundesbanker es schaffte, nicht nur Bestsellerautor zu werden, sondern auch Hätschelkind der Springerpresse, und das trotz SPD-Parteibuch? Alle begeisterten „Deutschland schafft sich ab“-Leser, alle glühenden Sarrazin-Verehrer vom hinterletzten NPD-Wähler bis hinauf in die schicken Redaktionsflure der BILD-Zeitung wollen wir an dieser Stelle darum bitten, ihrem inneren Sinn für Gerechtigkeit zu lauschen: Denn die These scheint nicht unberechtigt, dass es eigentlich Professor Ulrich Kutschera ist, dem Thilo Sarrazins breit abgeernteter Ruhm zugestanden hätte. – Denken Sie nur einmal nach, bzw. haben Sie Mut, sich Ihres eigenen Verstandes zu bedienen! Glaubt wirklich irgend jemand, dass ein Banker, der zwar einen Doktortitel besitzt, aber eben keinen realwissenschaftlichen, etwas vom drohenden Aussterben der deutschen Bevölkerung bemerken könnte, bevor es die eigentlichen Spezialisten auf diesem Gebiet – sprich: die Biologie-Professoren – schon längst registriert und in Fachbüchern veröffentlicht hätten? Sicherlich nicht – es sei denn, man hielte die betreffenden Biowissenschaftler für einen Haufen schlafmütziger Elfenbeinturm-Forscher. Nun haben wir im Prolog des vorliegenden Büchleins ja bereits lernen können, dass es solche Schlafmützen tatsächlich gibt – aber 20 auch, dass Professor Kutschera von den Universitäten Kassel sowie Stanford/USA mitnichten zu diesen zählt, ja, sich von solcherlei Valium-Kollegen stets und mit mutig-offenen Worten distanziert hat! Und tatsächlich, nichts könnte in diesem Zusammenhang ein besserer Beweis für Kutscheras nimmermüdes Pflichtverständnis sein als die Tatsache, dass er schon sechs Jahre vor Thilo Sarrazin nicht nur alle bestsellertauglichen Fakten zusammengetragen, sondern sie an diversen Stellen seines umfangreichen Opus „Streitpunkt Evolution“ längst veröffentlicht hatte. – Was mag der Grund gewesen sein, dass es niemand so recht bemerkte? Und dies, obwohl seine Mitstreiter aus der „mal AG, mal AK“Evolutionsbiologenvereinigung sich nicht wenig Mühe gaben, Kutscheras gewichtige „Streitpunkt“-Arbeit immer wieder zu zitieren und zu loben? Nun, naheliegenderweise ist hier ein sozusagen naturgegebener Unterschied zwischen einem BiologieSpitzenprofessor und einem SPD-Bundesbanker ins Kalkül zu ziehen. Ganz unvermeidlich wird ein Buch des Ersteren immer ein weitaus höheres inhaltliches und sprachliches Niveau aufweisen – ganz einfach deshalb (wir sagten es schon und wiederholen es gerne) weil eben nur die Realwissenschaften dem menschlichen Geist jenen letzten logisch-kritischen Feinschliff verleihen, von dem ein Politiker oder Wirtschaftsmagnat zeitlebens nur träumen kann. Im vorliegenden Falle führte dies dazu, dass Kutscheras Ausführungen weitaus fundierter und komplexer angelegt waren, aber dadurch eben auch deutlich anspruchsvoller als die 21 des epigonalen Bundesbanker-Bestsellers. Jedoch seien Sie beruhigt, lieber Leser, denn wir haben im vorliegenden Kapitel nicht nur die betreffenden Passagen aus „Streitpunkt Evolution“, sondern auch Ergänzendes aus späteren Kutschera-Büchern in didaktisch geschickter Weise zusammengestellt und sind sehr sicher, dass auf diese Weise ein Jeder problemlos unsere These nachvollziehen wird: Die eindeutige Kutschera-Priorität in Sachen Feststellung der deutschen Selbstabschaffung, aber auch – und dies ist wichtiger, weil weniger kopfhängerisch – in Sachen deutsche Gegenmaßnahmen. Doch zum Auftakt ein kleiner Gang ins Fitness-Studio! Ja, Sie haben richtig gelesen – denn am Beispiel solch einer Sportstätte führt Professor Kutschera seine Leser an die realwissenschaftlich entscheidenden Schlüsselbegriffe heran (ohne deren genaue Kenntnis in dieser ganzen Debatte natürlich niemand mitreden dürfte, SE S.78): „Die bedauernswerte Distanz zwischen dem biologischen Laien und dem Evolutionisten (und somit vom Biowissenschaftler) (...) kommt auch beispielhaft in dem populären Begriff »FitnessStudio« zum Ausdruck (...). In der Evolution geht es jedoch nicht um die körperliche Gesundheit des ausgewachsenen Individuums, sondern um das genetische Überleben der Organismen bzw. von Populationen. (...) Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Besucher sogenannter »Fitness-Studios« vom Schlüsselbegriff der 22 Evolutionsbiologie gehört haben und dessen exakte Bedeutung kennen.“ Es werfe jetzt bitte niemand dem renommierten Kasseler Evolutionsbiologen vor, er wolle die enorme soziale Bedeutung körperlicher Gesundheit herunterspielen! Nein, ganz und gar nicht – er will lediglich sicherstellen, dass die physische Volksgesundheit auch von einer mentalen (selbstredend realwissenschaftlich bedingten) Robustizität begleitet wird, und bringt diesen Wunsch in der folgenden schönen, aber auch sehr unumwunden ausgesprochenen Mahnung an die Nation zum Ausdruck (ebd. S.78/79): „Da ein Teil der deutschen Bevölkerung Medienberichten zufolge mangels Bildung nicht in der Lage sein soll, sich gesund zu ernähren (mit der Konsequenz ständig steigender Gesundheitskosten), wurde von Fachleuten der Begriff »Ernährungs-Analphabetismus« geprägt. Die oben zusammengetragenen Fakten zeigen, dass die wichtigste Entdeckung der modernen Biologie (Tatsache Evolution) zahlreichen Mitbürgern weitgehend unbekannt ist bzw. falsch verstanden wird. Es ist daher aus meiner Sicht gerechtfertigt, von einem »evolutionären Analphabetismus« in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung zu sprechen.“ Eine dramatische Diagnose! Aber was genau bedeutet sie? Nun, lieber Leser, bauen Sie ein wenig Körperspannung auf und konzentrieren Sie sich bitte genau auf das, was der Professor einleitend zum Thema Fitness gesagt hat: Es geht 23 um das „genetische Überleben der Organismen bzw. von Populationen“. Mit anderen Worten, „Überleben“ ist schön und gut, aber „genetisches Überleben“ ist besser, und vor allem auch realwissenschaftlich präzise ausgedrückt. Erst mit dieser Sichtweise überwindet man den beschränkten Laienhorizont, und im Falle von Kutschera gelingt noch weitaus mehr: Er wird zum Visionär, zum Zukunftsforscher, ja zum potentiellen Politikberater der Güteklasse A. Folgen Sie daher recht aufmerksam seinen Gedankenflügen, zumal, wenn Sie ein Patriot und nativer Deutscher sind (ebd. S.295): „Aus diesen Sätzen kann beispielhaft das evolutionäre Denken des Naturwissenschaftlers abgeleitet werden. Organismen sind Lebeund somit auch Sterbewesen: Das genetische Überdauern im Verlauf der Generationenabfolge, in anderen Worten die Sequenz »Eltern/Kinder → Eltern/Kinder« usw., ist der eigentliche biologische Sinn unseres kurzen Erdendaseins (...). Der Evolutionist denkt daher in der Einheit »Generationen«, d.h. er bezieht die Zukunft in seine Überlegungen mit ein.“ Sie merken schon: Ein ausgebildeter Evolutionswissenschaftler könnte in der Gesundheits- und Rentenpolitik den Unterschied zum bisherigen Totalgestümper machen – denn wer, außer ihm, bezieht schon „die Zukunft in seine Überlegungen mit ein“? Und wer, außer ihm, blickt bevölkerungsbiologisch dermaßen durch – man staune über die direkt im Anschluss zu Papier gebrachten Sätze, vor deren 24 geradezu abyssaler Tiefe ein Großteil soziologischer und psychologischer Forschung reichlich überflüssig wirkt (ebd.): „Denken in evolutionären Kategorien beinhaltet somit eine Vorsorge für die Nachkommen des sterblichen Individuums. Aus diesem Grund leben Menschen, die Kinder hinterlassen, in aller Regel auch »vorsorglicher« (d.h. die natürlichen Ressourcen schonender) als die gewollt Kinderlosen (Lebensmotto: »double income, no kids«), die als genetisch tote Sackgassen der Evolution nicht selten nach dem egoistischen Spruch »nach mir die Sintflut« handeln.“ Genau – denn „Sintflut“ hat ja auch was mit theologischer Verbalwissenschaft zu tun, und das ist natürlich ganz unakzeptabel. Dann schon lieber realwissenschaftlichressourcenschonend viel Nachwuchs in die Welt poppen, die lieben Kleinen im familientauglich-voluminösen Sport Utility Vehicle von der Schule direkt zum Sport und in den Geigenunterricht karren (bzw. zum Geburtstag feiern bei Mac Donalds) und jeden von ihnen gewissenhaft mit diversen Handys und Kinderlaptops ausstatten, damit sie möglichst früh für den gesellschaftlichen Daseinswettbewerb gerüstet sind: So sorgt jemand vor, der im Sinne genetischen Persistierens die Zukunft mit in seine Überlegungen einbezieht! Für die genetisch toten Hosen bzw. amoralisch-asozialen Sackgassen der Evolution haben wir dagegen nur Verachtung übrig, und man merkt an dem „double income, no kids“-Sprüchlein, wie gut Professor Kutschera seine ersten Forschungsaufenthalte an der 25 Stanford University sowie der Michigan State University in den Jahren 1985 bis 1988 getan haben: Dort eignete er sich zeitig jene weltmännischen Kenntnisse an, mit denen er heute so zu glänzen vermag. Wenn nur seine Umwelt es ihm mehr danken würde als bisher! Warum müssen es immer ein Frank Schirrmacher (†) und ein Thilo Sarrazin sein, die als Chefdenker in Sachen Bevölkerungspyramide und Zuwanderung gelten, wenn doch die eigentliche, realwissenschaftlich fundierte Geistesarbeit zuerst vom messerscharfen Analytiker aus Kassel kam (ebd. S.295/296): „Dieses naturgemäße Denken in Generationenabfolgen ist in vielen europäischen Ländern im Zuge der Individualisierung und des wachsenden Wohlstandes verloren gegangen. Dies kommt z.B. in dem unsinnigen Begriff »Überalterung der Gesellschaft« zum Ausdruck. Eine Population von Lebewesen (Fortpflanzungsgemeinschaft) »überaltert« niemals, sondern leidet bestenfalls an einer Unterjüngung. So gibt es in Deutschland keineswegs »zu viele Alte«, sondern zu wenig Junge. Um die Population in etwa stabil zu halten, wäre eine Zahl von 2,1 Lebendgeburten pro deutscher Frau erforderlich. Hätten alle fortpflanzungsfähigen und -bereiten Paare maximal zwei Kinder, wie es derzeit gesellschaftlich vorgesehen ist (s. Prospekte von Ferienwohnungen), so würde es dennoch aufgrund der biologisch bedingt Kinderlosen zu einem Schrumpfen der Bevölkerung kommen. Es muss somit auch »kinderreiche« Familien geben, um diesem Trend entgegen zu wirken. Wie der 26 Bevölkerungswissenschaftler Prof. H. Birg (2001) berichtet, liegt die Reproduktionsrate in Deutschland und anderen europäischen Ländern derzeit unter 1,4 Geburten pro Frau, wobei eine wachsende Zahl junger Menschen die Reproduktion vorsätzlich ganz verweigert. Dieser Geburtenunterschuss von derzeit 33% wird auf Dauer zum Schrumpfen und letztlich zur Selbst-Auslöschung der Population führen. Aus Sicht des Evolutionisten ist dieser vorsätzliche genetische Suizid der deutschen Bevölkerung ein bemerkenswertes Phänomen, welches hier nicht weiter analysiert werden kann.“ Ach! Hätte Kutschera es doch getan, damals, anno 2004, als er mit diesen so wichtigen Reflexionen – und vor allem argumentativ so brillant, „s. Prospekte von Ferienwohnungen“ – sein Riesenwerk „Streitpunkt Evolution“ abschloss! Dem sträflich unterschätzten Mahner aus Kassel, dem aufrichtigen Behüter des deutschen Erbgutes, ihm wäre mehr Kraft zu wünschen gewesen, als er sich mit diesen letzten beiden Seiten seines großangelegten AG-/AK-Werbeopus ins Ziel schleppte – denn als Sarrazin die Thematik sechs Jahre später in dreist nachplappernder Weise7 aufgriff, war schon viel zu viel 7 Siehe Sarrazins Abschlusskapitel „Ein Traum und ein Alptraum. Deutschland in 100 Jahren“, wie er ihn zum Ende von „Deutschland schafft sich ab“ ausformuliert (oder besser, -fabuliert). Im Alptraumszenario stellen Muslime im Jahr 2100 die „demokratische Mehrheit“ (S.404). Im Traumszenario hingegen lesen wir: „Auch der Abwärtstrend im Bevölkerungswachstum konnte gestoppt werden. Die Geburtenrate pendelte zwischen 2,0 und 2,2 Kindern pro Frau.“ Plump von Kutschera übernommen, man merkt’s. 27 wertvolle Zeit ins Land der Dichter und Denker gegangen, und vor allem verbreitete Sarrazins Buchtitel weitaus weniger Hoffnung, als Kutschera sie bei Abfassung seiner mutigen Pionierarbeit noch besaß (ebd. S.296): „Viele Wohlstandsbürger in unserem Land haben sich offensichtlich von ihrem natürlichen (biologischen) Wurzeln weit entfernt. Der kollektive Selbstmord auf Raten wird von naiven Politikern verniedlichend als »demografischer Wandel« bezeichnet, so als würde die Mode wechseln. Weiterhin sei auf die seit Jahrzehnten geförderte unkontrollierte Zuwanderung aus allen Teilen der Welt hingewiesen. Da z.B. in Frankreich durch politische Maßnahmen und ein Umdenken in der Bevölkerung eine Umkehr des »genetischen Todestrends« erzielt werden konnte (derzeit ca. 1,9 Kinder pro Frau), besteht noch immer berechtigte Hoffnung in Deutschland auf eine »Wiederbelebung« der Bevölkerungspyramide, die derzeit die Form einer Urne hat (zu Lesenswert ist höchstens, wie Sarrazin den Weg zu diesem hehren Ziel zusammenfantasiert (wohlgemerkt, „Traum“, nicht „Alptraum“!): „Im Mai 2013, wenige Monate vor der Bundestagswahl, gelang einem unentdeckt gebliebenen Zweig der Sauerlandgruppe ein Sprengstoffattentat am Bahnhof Zoo in Berlin, das 73 Opfer forderte“ (ebd. S.405). Daraufhin setzt die „im September 2013 neu gewählte Bundesregierung“ schleunigst „neue Akzente zur Weiterentwicklung in der Familien-, Integrations- und Bildungspolitik“ (ebd.), und alles wird gut, bzw. endet in der richtigen Geburtenrate. – Ja, manchmal ist es wunderschön, von Terror und vielen, vielen Toten zu träumen! BOOUUUM 28 wenige Kinder, und daraus resultierend eine relative Überzahl alter Menschen, s. Birg 2001).“ Genau, „die Form einer Urne“ – das klingt ja schon nach Begräbnis, nicht wahr!8 Jedenfalls zeichnet sich nach all diesen Ausführungen sonnenklar ab, worum es unter realwissenschaftlichen Prämissen in Zukunft gehen muss: a) haben die deutschen Frauen zu werfen was das Zeug hält (ev. wäre die Einführung eines Ordens ab dem fünften Kind eine gute Idee) und b) müssen sie natürlich darauf achten, dass ihre Kinder auch deutsches statt Zuwanderer-Erbgut enthalten, denn sonst wäre die Werferei in Sachen „Umkehr des genetischen Todestrends“ vollends kontraproduktiv! Aber mit 8 Die von Kutschera mehrfach zitierte bevölkerungsbiologische Autorität Professor Herwig Birg aus Bielefeld kann übrigens weit genug in die Zukunft blicken, um in der BILD-Zeitung zum deutschen Selbstbegräbnis folgendes zu verkünden: „2300 liegen wir bei 3 Millionen, also kurz vor dem Aussterben.“ (vgl. www.zeit.de/online/2006/12/kinderschock_kommentar) Eine solche prognostische Potenz mag manchen Leser beeindrucken, aber es sei gleich dazu gesagt, dass ein Überschauen von gerade einmal 300 Jahren für einen Evolutionsbiologen wie Kutschera nichts besonderes darstellt – und eben weil Kutschera auf diesem Gebiet so fähig ist, hat er natürlich auch die Kompetenz, die Voraussagen von Prof. Herwig Birg als realwissenschaftlich besonders zitierenswert zu erkennen (unglaublicherweise gibt es nämlich andere professorale Demografen, die Birgs Prognosen einfach nur als „Nonsens“ abtun! Wenn das mal keine bloßen Verbal-Demografen sind!). 29 dieser Feststellung wollen wir natürlich nicht alle Last auf die Frauen abwälzen – soll heißen, theoretisch leisten diese bereits alles wichtige, wenn sie sich erstmal bezüglich Punkt a) gehörig ranhalten. Denn für den Fall, dass in der heranwachsenden Leibesfrucht doch einmal, aus welchen Gründen auch immer, zu viele undeutsche Gene enthalten sein sollten, ist der Schaden keineswegs irreparabel – nein, es gibt ein einfaches Korrektiv, und es mag unter anderem hieran liegen, dass Kutschera bei Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten durchaus „berechtigte Hoffnung“ auf Besserung verspürt (DF S.165): „Abtreibungen kann man auch auf Grundlage biologischer Fakten sachlich-rational diskutieren. Wir wissen, dass über die zweigeschlechtliche Fortpflanzung (sexuelle Reproduktion) das kombinierte Erbgut der Eltern in die nächste Generation gebracht wird. Durch Tötung eines Fötus wird somit das Überleben der elterlichen Gene über die Keimbahn in diesem Individuum zunichte gemacht und daher eine »intelligent geplante« Selektion vollzogen.“ Ja, „wir wissen“ – und wir wissen vor allem, dass z.B. die Formulierung „intelligent geplante Selektion“ im Zusammenhang mit Abtreibungen (noch dazu garniert mit starken Vokabeln wie „Tötung“ oder „zunichte gemacht“) bei unwissenden, verbalwissenschaftlich infiltrierten Mimosen ganz unausweichlich die üblichen Krampfreflexe hervorrufen 30 wird9, wovon sich aber ein nüchterner Realwissenschaftler nicht beirren lässt. Und zwar, indem er mit der ihm eigenen Souveränität darauf hinweist, dass „intelligente Selektion“ seine ureigenste berufliche Sphäre betrifft und daher von außen nicht annähernd so akkurat beurteilt werden kann wie eben aus Sicht des laborerfahrenen Forschers (SE S.85/86): „Die Domestikation freilebender Tiere und Pflanzen durch jagend umherziehende Menschenhorden setzte gegen Ende der letzten Eiszeit, d.h. vor etwa 10 000 Jahren, ein (z.B. Hunde, Schafe, Ziegen; Weizen, Reis). Dieser mehr oder weniger gerichtete Evolutionsprozess begann vermutlich mit einer Zähmung wilder Tiere, gefolgt von einer Kreuzung in Gefangenschaft, und endete letztendlich in künstlicher Zuchtwahl selektierter Individuen, die vom Menschen gewünschte Eigenschaften zeigten (z. B. Schafe mit besonders dichtem Wollkleid). Diese frühen Domestikationen waren die ersten gezielt ausgeführten Evolutionsexperimente der Menschheit.“ Da staunen Sie, was? „Gezielt ausgeführte Evolutionsexperimente“ – muss man dafür nicht eigentlich wissen oder zumindest theoretisch vorformuliert haben, was „Evolution“ 9 Und in der Folge die Kartellkritik der linken Journaille – ein Sarrazin hat allen Ernstes mehrere Jahre gebraucht, um das zu kapieren und in seinem Buch vom „Neuen Tugendterror“ zu verarbeiten, während solche Banalitäten dem (stets die Zukunft in seine Überlegungen einbeziehenden) Realwissenschaftler natürlich von vornherein sonnenklar sind! 31 ist?10 Nun, wer kann schon sagen, was es da vor 10 000 Jahren für realwissenschaftlich (d.h. streng kausalanalytisch-logisch) denkende archaische Superhirne gegeben haben mag – und welche herausragenden Realwissenschaftler heute in direkter Linie von diesen ersten Chef-Experimentatoren der Menschheit abstammen, sprich, ihre Gene besitzen und verantwortungsbewusst an die nächste Generation weitergeben! Dies wollen wir aber hier nicht weiter vertiefen, sondern lieber Kutscheras historischen Forschungen überlassen, ein Gebiet, auf dem er beständig Großes geleistet hat und sich, so scheint’s, mit ungebremster Energie durch die Archive der Welt wühlt (herausragenden Eifer zeigt er übrigens als Sammler reichlich verstaubter Karikaturen, und wer weiß, vielleicht findet er ja mal eine 10 000 Jahre alte Witz-Höhlenmalerei, die mit subtilem Schalk einen nacheiszeitlichen Durchführer „gezielter Evolutionsexperimente“ auf die Schippe nimmt). Stattdessen wollen wir den argumentativen roten Faden des Kasseler Gelehrten wieder aufnehmen: Abtreibung ist „intelligent geplante Selektion“, und als solche entspricht sie der Tierzucht, bei der „vom Menschen gewünschte Eigenschaften“ ausgewählt und genetisch erhalten werden. – Welche Eigenschaften dies sein sollen? Nun, dies hängt im Deutschland-schafft-sich-ab- 10 Und falls Ihnen das zu metawissenschaftlich ist, dann staunen Sie doch bitte wenigstens über die „Domestikation“ von „Reis“ gegen „Ende der letzten Eiszeit“ – welche indische oder südchinesische letzte Eiszeit da gemeint ist, verrät uns der international renommierte Pflanzenphysiologe hier leider nicht (schade!). 32 Ende der Leseprobe von: Kutscherania oder Naturformen der (Schreib-)Kunst - Eine realwissenschaftliche Verbalsatire Ernst-Darwin Wallace Hat Ihnen die Leseprobe gefallen? Das komplette Buch können Sie bestellen unter: http://epub.li/1POSfsg
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