Kutscherania oder Naturformen der (Schreib-)Kunst

Ernst-Darwin Wallace
KUTSCHERANIA
oder
Naturformen der (Schreib-)Kunst.
Eine realwissenschaftliche Verbalsatire
1
CIP-Eintrag Deutsche Nationalbibliothek:
Kutscherania oder Naturformen der (Schreib-)Kunst.
Eine realwissenschaftliche Verbalsatire
© Ernst-Darwin Wallace
4.Auflage, November 2015
e-publi, Berlin www.epubli.de
ISBN 978-3-7375-7168-5
2
Was ist die Steigerung von Studentenulk?
Der Studenten-Ulku.
(Flüsterwitz, Universität Kassel, ca. 2005)
3
4
Inhalt:
(Siglen)
Prolog: Taliban und Müll in Oberlambobumbistan – können
(Real)Wissenschaftler die Welt retten?
Kap. 1. Pionierarbeit: Sarazenen-Gene, lange vor Thilo!
Kap. 2. Bildungsblüten eines Pflanzenphysiologen
Kap. 3. Gesunder Menschenverstand
Kap. 4. Fantastische Verbalwissenschaftler, geistlose
Realwissenschaft und der kopflose Lavoisier
Kap. 5. Kreativ-Orthographisches, oder: Meisterkniffe des
Groß-Experimentators
Kap. 6. Darwiniana Doofa
Kap. 7. Natur-Impressionen und die „Hitzkopf-Theorie“
Kap. 8. Aphorismen, Maximen, Nachdenkliches
Kap. 9. Novitäten: Ein realwissenschaftliches Lebenswerk in
fünfzehn Prinzipien, Theorien und Gesetzen
Epilog: Das „Aldi-Ulku-Erfolgsprinzip der NeidkulturEnttarnung“
5
Siglen:
DF: Ulrich Kutschera: Design-Fehler in der Natur. Alfred
Russell Wallace und die Gott-lose Evolution. Lit-Verlag
Berlin 2013
EB1: Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Eine allgemeine
Einführung. Parey Buchverlag Berlin 2001
EB2: Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. 2.Auflage.
Ulmer-Verlag Stuttgart 2006
KD: Ulrich Kutschera (Hg.): Kreationismus in Deutschland.
Fakten und Analysen. Lit-Verlag Berlin 2007
SE: Ulrich Kutschera: Streitpunkt Evolution. Darwinismus
und Intelligentes Design. Lit-Verlag Münster 2004
TE: Ulrich Kutschera: Tatsache Evolution. Was Darwin
nicht wissen konnte. 2.Auflage, dtv München 2009
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Prolog:
Taliban und Müll in Oberlambobumbistan – können
(Real)Wissenschaftler die Welt retten?
Das vorliegende, Kutscherania betitelte Bändchen bietet eine
Kollektion der brillantesten, beeindruckendsten und
wirkmächtigsten Passagen aus den Werken von Prof. Dr. rer.
nat. Ulrich Kutschera (geb. 1955), seines Zeichens
Evolutionsbiologe, Pflanzenphysiologe und Erster Vorsitzender eines Zusammenschlusses von Biologen, der mal als
„AG“, mal als „AK“ bezeichnet wird: Nämlich mal „AG
Evolutionsbiologie“, mal „AK Evolutionsbiologie“. Was von
beiden richtig ist konnte bis zur Drucklegung unseres
Büchleins nicht abschließend geklärt werden, obwohl es –
übereinstimmenden Berichten zufolge – die „mal AG, mal
AK“-Vereinigung schon seit Oktober 2002 gibt (der
mysteriöse Buchstabenwechsel1 verleiht ihr immerhin die
1
Die damals noch so geheißene „AG Evolutionsbiologie“
verbreitete regelmäßig und nicht ohne Stolz, dass ihre Gründung im
Jahre 2002 auf Anregung des großen Ernst Mayr erfolgte: Kutschera
selbst (KD S.353) redete von „der im Oktober 2002 in Potsdam
gegründeten AG Evolutionsbiologie“ und präsentierte dabei ein
eigenes AGE-Logo (zusammen mit dem Logo von Dachdeckern,
Tischlern, Fleischern und Konditoren, worüber bis heute gerätselt
wird – siehe KD S.41). Gute 10 Jahre später jedoch lässt uns
Kutschera via Net (www.youtube.com/watch?v=shbZR53T5Nw)
wissen, damals sei der „AK Evolutionsbiologie“, und nicht etwa die
„AG“ gegründet worden – eine „AG EvoBio“ (zu der Kutschera
wohl irgendwie mal gehörte, dann aber nach 2009 eher nicht mehr)
7
Aura des Undurchschaubar-Erhabenen – einem akademischen
Elite-Gremium eigentlich ganz angemessen!). Wie auch
immer, einigermaßen unstrittig dürfte sein, dass Professor
Kutschera sich in seiner Eigenschaft als Erster Vorsitzender
des
besagten
Akademikerverbandes
einen
ganz
unverwechselbaren selbst- bis sendungsbewussten Schreibstil
angeeignet hat, der im kausalen Zusammenhang mit nichts
weniger als enormer gesellschaftlicher Verantwortung zu
verstehen ist: Nämlich der Verantwortung, die Erkenntnisse
modernster biologischer Forschung in diesbezüglich
weitgehend unaufgeklärte Bevölkerungsschichten einsickern,
wenn nicht sogar frackingmäßig hineindonnern zu lassen. Und
dabei denke man nicht nur an Menschen ohne Abitur bzw. mit
sonstigen Bildungshandicaps: Nein, auch an den Universitäten
selbst ist eine fundamentale Unbildung auf jenem Gebiet
auszumachen, welches kein anderer als Professor Kutschera
selbst im Jahre 2008 als „Realwissenschaft“ von anderen
Geistesbemühungen der Menschheit abgrenzte: Empirische
Naturforschung ist demnach die einzig akzeptable Grundlage
für logisch-kritisches Denken, und wer sich hier nicht auskennt
– bzw. die Namen der zehn bedeutendsten naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften nicht herunterbeten kann – der
sollte sich hüten, über die wahrhaft weltbewegenden Fragen
gibt es irritierenderweise jedoch auch noch (und das alte AGE-Logo
haben sie beide verloren, leider!). Das Verwirrspiel ist so
undurchdringlich, dass man sich fragen muss, ob wir es hier
vielleicht mit dem (eher im angelsächsischen Sprachraum
bekannten) Phänomen eines akademischen Geheimbundes zu tun
haben, etwa in der Art der berüchtigten Skull & Bones – dies freilich
müssen zukünftige mutige Nachfrager klären.
8
der Menschheit etwas sagen oder gar schreiben zu wollen. In
zahlreichen zitierenswerten Büchern und Aufsätzen hat
Professor Kutschera, der neben seinem nationalen Wirkungsort
in Kassel/Nordhessen auch einen in Stanford/Kalifornien
vorzuweisen hat, diese These zu einem eigenen
argumentativen Gesamtkunstwerk verdichtet, bei dessen
Lektüre
insbesondere
die
Vertreter
der
„Verbalwissenschaften“ – so nennt unsere Kasseler Koryphäe
die
traurigen
nicht-realwissenschaftlichen
Irrelevanzdisziplinen, wie etwa Philosophie oder Germanistik –
regelmäßig vor Neid erblassen. Dass aber aus Neid nichts
Gutes erwächst wissen wir alle, und deshalb hat sich das
vorliegende
Büchlein
die
Aufgabe
gestellt,
in
allgemeinverständlicher Weise in Kutscheras komplexe
Gedankenwelt einzuführen bzw. seine ganz unvergleichlichen
intellektuellen Leistungen in neun thematisch eingegrenzten
Kapiteln, ergänzt um einen Prolog und einen Epilog, möglichst
breiten Leserschichten nahe zu bringen. Manches
Missverständnis dürfte sich auf diese Weise beseitigen lassen,
und im günstigsten Falle sollte der Leser schlussendlich
einsehen, dass es eine Ehre für ihn ist, einen engagierten
Naturforscher und Aufklärer wie Kutschera über steuerliche
Abgaben finanzieren zu dürfen. Denn wie wichtig ihm dieser
pekuniäre Aspekt ist, daraus hat unser Kasseler
Realwissenschaftler in seinen zahlreichen Werken nie einen
Hehl gemacht (KD S.352 f.):
„Zur Erinnerung: das Wort »Professor« heißt übersetzt
»Bekenner«. Wer das Privileg genießt, an einer deutschen
9
Universität eine Professur (oder gar einen Lehrstuhl) in den
Biowissenschaften innehaben zu dürfen, sollte auch in der
Öffentlichkeit klar zum methodischen Naturalismus stehen. Wir
sind es der Allgemeinheit schuldig, unser Fachwissen auch nach
außen hin darzustellen. Das reine »Elfenbeinturm-Forschen«,
ohne mit den »Sponsoren« in Verbindung treten zu wollen, ist ein
weit verbreitetes, aber fragwürdiges Berufsverständnis zahlreicher
vom Staat bezahlter Biologen.“
Das ist doch klar genug ausgedrückt, oder? Lediglich der
Begriff „methodischer Naturalismus“ könnte einigen Lesern
Verständnisschwierigkeiten bereiten, doch seien Sie darob
unbesorgt: Dieser gehört nämlich eigentlich in den Bereich der
Philosophie, also der „Verbalwissenschaft“, und ist daher nicht
so wichtig – vertrauen Sie einfach darauf, dass alles
diesbezügliche auch mit den Mitteln der Realwissenschaft
erreichbar ist, soll heißen, durch die geschulten Augen und
Hirnwindungen des empirischen Naturforschers: Denn nur mit
diesen, wir erwähnten es bereits, kann logisch-kritisches
Denken höchste Vollendung erfahren. – Hand auf’s Herz,
lieber Leser, träumen Sie bisweilen nicht auch von solch einer
Sonderbegabung? Ist
es nicht
zutiefst natürlich,
eliteprofessorale Geisteskraft für das eigene, eher
durchschnittliche Dasein zu ersehnen? Falls Sie zustimmen,
dann sollten Sie ab jetzt das soeben zitierte Credo des
Professors beim Wort nehmen bzw. ihm aufmerksam dabei
folgen, wenn es darum geht, sein unter privilegierten
Umständen kultiviertes „Fachwissen“ für die „Allgemeinheit
10
darzustellen.“ Sie werden auf diesem Wege an intellektuelle
akademische Gipfelhöhen herangeführt werden, in denen es
Ihnen den Atem verschlagen wird – soviel sei versprochen!
Und glauben Sie nicht, dass für diesen Anschauungsunterricht
jeder x-beliebige Realwissenschaftler dasselbe leisten könnte –
was diesen Punkt betrifft, so ist Professor Kutschera sehr
ehrlich, wenn er am Ende des obigen Zitates die große
Mehrheit seiner realwissenschaftlichen, von Steuergeldern
entlohnten Fachkollegen offen kritisiert. Ja, er ist in dieser
Hinsicht respekteinflößend wie kaum ein Zweiter, denn nur
wenige wagen es, in dieser Angelegenheit so ungeschminkt die
Wahrheit auszusprechen wie eben unser Bekenner-Professor in
einem seiner jüngeren Elaborate aus dem Jahr 2013 (DF
S.21/22):
„Im »Darwin-Jahr 2009« wurden unzählige Pressemitteilungen
zum Wissenschaftsstandort Deutschland veröffentlicht. Eine
Meldung, die eigentlich diskussionswürdig gewesen wäre, ging
allerdings fast völlig unter. In einer jährlichen Rangliste, dem
Academic Ranking of World Universities (ARWU), die seit 2003
von der Shanghai Jiao Tong-Universität (China) zusammengestellt
und veröffentlicht wird, waren nur 5 deutsche Hochschulen unter
den »Ersten 100« zu finden. (...) Unter den »Top 10« waren 8
nordamerikanische und zwei englische Universitäten aufgelistet:
Wie bereits 2007 und 2008 standen die Harvard University
(Cambridge, Massachusetts) und die Stanford University (Palo
Alto, California) auf den Spitzenplätzen 1 und 2 (...).“
11
Also, verehrter Leser – nur damit Sie spätestens jetzt wissen,
womit Sie es zu tun haben: Die Universität Kassel mag bessere
Provinz sein, aber Stanford/USA, das ist schon was! Und wer
diese Ranking-Höhen erklommen hat – wenn auch nur als
Visiting Professor – der darf speziell den deutschen Kollegen
gegenüber mal so richtig Tacheles reden (DF S.22):
„Obwohl
derartige
»Universitäts-Hitparaden«,
die
im
Wesentlichen auf den Forschungsleistungen und der
internationalen Reputation der dort tätigen Professoren basieren,
nicht unproblematisch sind (die Qualität der akademischen Lehre
bleibt z.B. weitgehend unberücksichtigt), wirft dieses jährliche
Ranking dennoch ein trauriges Licht auf die deutschen
Hochschulen. Die beiden hier zu Lande als »Elite-Institutionen«
geführten beiden Münchener Universitäten waren in der »Mitte
der 50er« eingereiht – diesen beschämenden Tatbestand hat man
aber bundesweit ignoriert.“
Denken Sie an dieser Stelle bitte nicht darüber nach, ob es statt
„hier zu Lande“ korrekt „hierzulande“ heißen müsste – der für
Außenstehende nicht immer sofort nachvollziehbaren
Orthographie des Eliteuniversitäts-Gastprofessors haben wir in
diesem Büchlein ein eigenes Kapitel gewidmet, das Sie
beizeiten goutieren können. Beachten Sie stattdessen bitte
seine abschließende Feststellung, dass wir Deutschen (wieder
einmal) Grund haben, uns zu schämen. Das mag erstmal
deprimierend wirken, doch die frohe Botschaft sei sogleich
verkündet: Jemand wie Kutschera belässt es nicht bei
12
Vorwürfen, sondern er kämpft mit all seinen Kräften dafür,
dass in der hiesigen Bildungslandschaft einiges (bedeutend!)
besser wird!
Bevor Sie sich davon Kapitel für Kapitel überzeugen können,
wollen wir aber eine kleine Ungerechtigkeit – oder genauer,
etwas, das man fälschlich dafür halten könnte – nicht
verschweigen. Denn auch wenn Kutschera als Erstem
Vorsitzenden der „mal AG, mal AK“-Evolutionsbiologenvereinigung im Folgenden unser zentrales Interesse
gelten wird, so ist die Frage doch berechtigt, ob er allein, aus
eigenen Kräften, dahin hätte kommen können, wo er heute als
vielbeschäftigter
Forscher
und
Buchautor
steht.
Auszuschließen ist dies bei seiner extraordinären Begabung
nicht, aber man muss doch festhalten, dass er in der starken
„mal AG, mal AK“-Gemeinschaft sehr engagierte Mitstreiter
hatte – pardon, natürlich immer noch hat! – die ihm gegen die
üblichen Bedenkenträger und Neider ein äußerst wertvoller
Rückhalt sind. Gerade in den Anfangsjahren des „mal AG, mal
AK“-Gremiums sind hier wahre Juwelen der KutscheraApologie sowohl im Internet als auch gedruckt in die Welt
gesetzt worden, welche allesamt Erhaltung verdient gehabt
hätten – viel zu viel ist leider in den undurchschaubar
komplexen AG-AK-Umwandlungsprozessen, die faszinierenderweise im „Darwin-Jahr“ 2009 ihren Höhepunkt erreichten2,
2
Es besteht Grund zu der Annahme, dass die Evolutionsbiologenvereinigung aus Anlass des Darwin-Jubiläums öffentlich
demonstrieren wollte, was ein natürlicher Speziations- bzw.
Artaufspaltungs-Prozess ist. Das ist ihr mit Bravour gelungen!
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verloren gegangen bzw. von ungeschickter Hand gelöscht
worden. Aber immerhin kann man die ganz unvergleichliche
intellektuelle und sprachliche Qualität der „mal AG, mal AK“Vereinigung angemessen würdigen, wenn man nicht nur die
alles überragende Gestalt Kutscheras, sondern auch noch drei
andere wichtige Mitglieder erwähnt, auch wenn es hier nur in
sehr kurzer Form geschehen kann: Professor Dr. Hans-Jörg
Jacobsen (Hannover), Vertretungsprofessor/Professor Dr.
Andreas Beyer (Recklinghausen) und „leider weder Professor
noch Dr.“ Dipl. Chemie-Ingenieur Martin Neukamm
(München-Garching). Werfen wir also einen kursorischen
Blick auf diese drei bedeutsamen AG/AK-Säulen, bevor wir
uns – sein intellektuelles Umfeld danach besser einschätzen
könnend – wieder ganz der Gestalt des Großen Vorsitzenden
zuwenden.
Erstaufgezählter Professor Jacobsen kam unter anderem in
dem von Kutschera herausgegebenen
Sammelband
„Kreationismus in Deutschland“ (2007) zu Wort – zwar nur
über längere Zitate aus einem Manuskriptentwurf, aber der
hatte es dafür ganz schön in sich: War dieser doch frank und
frei mit „Was haben Kreationisten, Gentechnikgegner und
Taliban gemeinsam?“ betitelt (KD S.363). Der bestechenden
Logik dieses Artikels folgend hat sich der Talibanismus in
Deutschland schon erstaunlich weit ausgebreitet, sogar bis ins
Technikfolgenabschätzungsbüro (TAB) des Deutschen
Bundestages (vgl. KD S.358). Allein, man müsste schon das
geistige Format eines Professor Jacobsen oder eines Professor
Kutschera besitzen, um die drohende Gefahr wahrzunehmen –
14
und das trifft mangels fundierter realwissenschaftlicher
Ausbildung eben nur auf die wenigsten zu! Wie auch immer,
wenn Jacobsen in besagtem „Taliban“-Manuskript (KD S.360)
folgendes schreibt...
„Je länger man an einer Idee festhält und sie offensiv propagiert,
desto immuner wird man gegen kritische Gedanken, denn würde
man diese zulassen, müsste man sich und seiner Umwelt ja
eingestehen, dass man bislang Müll geredet hat“
... dann sollte klar sein, dass er mit den offensiven Müllrednern
nicht etwa sich oder seine Kollegen aus der „mal AG, mal
AK“-Vereinigung meint, sondern selbstredend alle, die in
gewissen wichtigen Dingen – wie z.B. dem äußerst
wünschenswerten Einsatz gentechnisch veränderten Saatgutes
– eine andere Meinung vertreten als er3.
Falls Sie, geneigter Leser, sich jetzt ein wenig darüber
wundern, mit welch gewöhnlicher (oder gar gewöhnungs3
Etwa solche frechen Meinungsabweichler, die keck darauf
verweisen, dass brasilianische Maisbauern nach Anbau des
sogenannten „Wunder-Mais“ 15/07 schon ab dem dritten Erntejahr
ganz reale evolutionäre Wunder erlebten – und zwar in Form
resistent gewordener Maiszünsler, die ihnen nachhaltiger als je
zuvor die Ernte ruinierten. Kein Wunder ist es folglich, wenn
AG/AK-Mitglieder wie Jacobsen all jenen zürnen, die solch
beeindruckenden empirischen Beispielen für Umweltanpassung, und
damit großer Realwissenschaftlerforschung, im Wege stehen – die
talibanesken Technikfolgenabschätzer des Deutschen Bundestages
sollten sich was schämen!
15
bedürftiger) Sprache Herr Professor Jacobsen hier vorgehen zu
müssen meint, dann seien Sie an dieser Stelle nochmals daran
erinnert, dass es unseren AG/AK-Realwissenschaftlern ja um
das Erreichen auch nicht-akademischer Bevölkerungsschichten
geht: Gerade diese sollen vom eminent aufklärerischen Segen
moderner Forschungstätigkeit profitieren – aber letztere muss
sprachlich dann eben auch passend vermittelt werden! Bei
dieser Gelegenheit erwähnen wir gerne den nächsten Professor
(bzw. damals noch Vertretungsprofessor) Andreas Beyer
(Recklinghausen), der hier regelmäßig ganz besondere
Fähigkeiten4 beweist, u. a. wenn er in einem seiner
zahlreichen, speziell für die Arbeit der AG/AK-Vereinigung
geschriebenen Internet-Artikel ein fiktives Beispiel für
kulturbedingte, totale Unbildung wie folgt ersinnt5:
4
Beyer hat dabei nicht nur als Realwissenschaftler, sondern auch als
Realwissenschaftstheoretiker Herausragendes geleistet. Sein
umfangreiches Schaffen und seine – auch sprachlich –
beeindruckende Kompetenz auf diesem Gebiet lässt sich mit
folgendem Zitat (aus seinem Internet-Artikel „Vergleich von
Evolutionstheorie und Kreationismus in wissenschaftstheoretischer
Hinsicht“, 2004) trefflich zusammenfassen (doppelte Hervorhebung
im Original): „Empirische Wissenschaft ist die Königsdisziplin der
Empirie (nomen est omen!).“ – Man merkt’s sofort: hier schreibt
Durchblick.
5
Andreas
Beyer,
„Wissenschaft
im
Rahmen
eines
Schöpfungsparadigmas?“, 2005. – Man lasse sich von der
wiedergegebenen „Oberlambobumbistan“-Passage nicht irritieren:
Im Kreise der AG/AK-Vereinigung gilt dieser Internetbeitrag als
wissenschaftlich zitierfähiger Artikel (warum auch nicht, ist ja
letztendlich nur eine Geschmacksfrage!).
16
„Nein, echtes Offenbarungswissen wäre es gewesen, wenn, sagen
wir, der kleine Hirtenjunge Owamba Habumbu Mula-Mula in der
Steppe von Oberlambobumbistan 7mal in 7 Nächten träumt
»Owamba, höre, E gleich m mal c-Quadrat, und nun gehe nach
Europa und sag das Dr. Einstein!«.“
Kein Zweifel, mit solchen bis dahin nie vernommenen
didaktischen Preziosen vermögen Akademiker ganz neue
Rezeptionsräume zu erschließen – bis hin zu den
Wohnzimmern typischer RTL2-Konsumenten. Diesbezügliche
Berührungsängste scheinen jedenfalls auch dem dritten
relevanten Akademiker, der in der kurzen, aber äußerst
bewegten Historie der „mal AG, mal AK“-Vereinigung eine
zentrale Rolle spielte, ziemlich fremd zu sein: Die Rede ist
vom Dipl. Chemie-Ing. Martin Neukamm (MünchenGarching). Genauer gesagt, wollen wir das Reden über
Neukamms bemerkenswertes Wirken an dieser Stelle einer
anderen Person überlassen, nämlich einem Blogbetreiber, der
im März 2007 seine ganz eigenen AG/AK-Erfahrungen der
Öffentlichkeit mitteilte6 (Hervorhebungen im Original):
„(...) flugs wurde dieses Weblog von dem Gremium der
Evolutionswissenschaftler zu einer »antievolutionistischen
Homepage« und ich gar zum »Evolutionsgegner« erklärt.
Irgendwann schnallte man dann aber, dass ich zumindest kein
christlicher Fundamentalist sein kann und erklärte daraufhin, daß
6
http://axonas.twoday.net/stories/3435341.
17
man mit mir »keinen Dialog anstrebe« (...). Das war lustig und ich
habe mit Laune verbal auf dieses Gremium eingeprügelt – ein
besserer Beleg, daß wir hier Leuten mit offenkundig ideologisierter
Wahrnehmung die Verteidigung des wissenschaftlichen Betriebes
überlassen, schien mir kaum möglich. Bis ich feststellen musste,
daß der Geschäftsführer der AG Evolutionsbiologie im Verband
der deutschen Biologen unter dem Titel »Pain in the Ass« ein
vermeintliches anonymes Posting hier absetzte, in dem meiner
Person gegenüber mal so richtig vom Leder gezogen und die Sau
rausgelassen wurde (...). Sein Pech, dass es lediglich drei Klicks
benötigte um ihn zu identifizieren. Martin Neukamm tanzte also
hier den Jamba, wie man vielleicht unter Bloggern sagen würde.
Kurz darauf schaltete sich der Mann unter seinem wirklichen
Namen hier noch einmal in die Diskussion ein, tat so als wenn
nichts gewesen wäre und unterstützte »ganz sachlich« die
Argumentation von »Pain in the Ass.«
Nach ein paar Recherchen stand fest: das war kein Einzelfall aus
jenem akademischen Institut in München. Ich habe mir z.B. auf
einer einschlägigen Diskussionsplattform zu einer ganzen Reihe
von Diskussionsbeiträgen die immergleiche IP dieser Institution
zeigen lassen, die sich hinter zig ganz unterschiedlichen Namen
vermeintlicher Privatpersonen verbarg. Letztere teilweise auch
noch mit wechselnden Ortsangaben etikettiert – damit es wohl
authentischer wirkt.“
Authentisch – ja, das ist hier zweifelsohne das Stichwort. Denn
dieses, lieber Leser, müssen Sie nach staunender Lektüre der
18
obigen Original-Textproben und des zuletzt zitierten
Erfahrungsberichtes sicherlich zugeben: Für eine AkademikerVereinigung wie unser hochengagiertes „mal AG, mal AK“Gremium gibt es schlicht und ergreifend bundesweit keinen
Vergleich. Sei es ein professorales Müll & Taliban, ein
vertretungsprofessorales Owamba Habumbu Mula-Mula aus
Oberlambobumbistan oder ein leider nicht professorales, aber
immerhin diplomiertes pain in your ass – eine solche
Zusammenballung diskursiver Sonderqualität ward an
deutschen Universitäten bislang nicht gesehen, und wohl nur
vor dem Hintergrund dieser so enthemmt ausbrechenden
geistigen Energien vermochte die strahlende Figur des Ersten
Vorsitzenden Ulrich Kutschera ihren letzten Hochglanz zu
erhalten. Die längst überfällige Würdigung, die Kutschera mit
vorliegendem Bändchen erhält, soll daher auch ein wenig auf
die AG/AK-Mitglieder Jacobsen, Beyer und Neukamm
zurückschimmern – haben sie doch jeweils das ihrige dazu
beigetragen, dass Kutscheras Sonne so weithin sichtbar am
Himmel der Bildungsrepublik Deutschland strahlen darf. Der
herzliche Dank unzähliger Studenten und Graduierter –
jedenfalls der realwissenschaftlichen – dürfte ihnen für alle
Zeiten gewiss sein.
Ernst-Darwin Wallace, Tropenhospital Ternate/Indonesien, im
Oktober 2015.
19
Erstes Kapitel
Pionierarbeit: Sarazenen-Gene, lange vor Thilo
Erinnern Sie, geneigter Leser, sich noch an die turmhohen
Wellen, die die sogenannte Sarrazin-Debatte im Jahre 2010 in
Deutschland schlug? Wie der zum Bevölkerungsbiologen
mutierte Bundesbanker es schaffte, nicht nur Bestsellerautor
zu werden, sondern auch Hätschelkind der Springerpresse, und
das trotz SPD-Parteibuch? Alle begeisterten „Deutschland
schafft sich ab“-Leser, alle glühenden Sarrazin-Verehrer vom
hinterletzten NPD-Wähler bis hinauf in die schicken
Redaktionsflure der BILD-Zeitung wollen wir an dieser Stelle
darum bitten, ihrem inneren Sinn für Gerechtigkeit zu
lauschen: Denn die These scheint nicht unberechtigt, dass es
eigentlich Professor Ulrich Kutschera ist, dem Thilo Sarrazins
breit abgeernteter Ruhm zugestanden hätte. – Denken Sie nur
einmal nach, bzw. haben Sie Mut, sich Ihres eigenen
Verstandes zu bedienen! Glaubt wirklich irgend jemand, dass
ein Banker, der zwar einen Doktortitel besitzt, aber eben
keinen realwissenschaftlichen, etwas vom drohenden
Aussterben der deutschen Bevölkerung bemerken könnte,
bevor es die eigentlichen Spezialisten auf diesem Gebiet –
sprich: die Biologie-Professoren – schon längst registriert und
in Fachbüchern veröffentlicht hätten? Sicherlich nicht – es sei
denn, man hielte die betreffenden Biowissenschaftler für einen
Haufen schlafmütziger Elfenbeinturm-Forscher. Nun haben
wir im Prolog des vorliegenden Büchleins ja bereits lernen
können, dass es solche Schlafmützen tatsächlich gibt – aber
20
auch, dass Professor Kutschera von den Universitäten Kassel
sowie Stanford/USA mitnichten zu diesen zählt, ja, sich von
solcherlei Valium-Kollegen stets und mit mutig-offenen
Worten distanziert hat! Und tatsächlich, nichts könnte in
diesem Zusammenhang ein besserer Beweis für Kutscheras
nimmermüdes Pflichtverständnis sein als die Tatsache, dass er
schon sechs Jahre vor Thilo Sarrazin nicht nur alle
bestsellertauglichen Fakten zusammengetragen, sondern sie an
diversen Stellen seines umfangreichen Opus „Streitpunkt
Evolution“ längst veröffentlicht hatte. – Was mag der Grund
gewesen sein, dass es niemand so recht bemerkte? Und dies,
obwohl seine Mitstreiter aus der „mal AG, mal AK“Evolutionsbiologenvereinigung sich nicht wenig Mühe gaben,
Kutscheras gewichtige „Streitpunkt“-Arbeit immer wieder zu
zitieren und zu loben?
Nun,
naheliegenderweise
ist
hier
ein
sozusagen
naturgegebener Unterschied zwischen einem BiologieSpitzenprofessor und einem SPD-Bundesbanker ins Kalkül zu
ziehen. Ganz unvermeidlich wird ein Buch des Ersteren immer
ein weitaus höheres inhaltliches und sprachliches Niveau
aufweisen – ganz einfach deshalb (wir sagten es schon und
wiederholen es gerne) weil eben nur die Realwissenschaften
dem menschlichen Geist jenen letzten logisch-kritischen
Feinschliff verleihen, von dem ein Politiker oder
Wirtschaftsmagnat zeitlebens nur träumen kann. Im
vorliegenden Falle führte dies dazu, dass Kutscheras
Ausführungen weitaus fundierter und komplexer angelegt
waren, aber dadurch eben auch deutlich anspruchsvoller als die
21
des epigonalen Bundesbanker-Bestsellers. Jedoch seien Sie
beruhigt, lieber Leser, denn wir haben im vorliegenden Kapitel
nicht nur die betreffenden Passagen aus „Streitpunkt
Evolution“, sondern auch Ergänzendes aus späteren
Kutschera-Büchern in didaktisch geschickter Weise
zusammengestellt und sind sehr sicher, dass auf diese Weise
ein Jeder problemlos unsere These nachvollziehen wird: Die
eindeutige Kutschera-Priorität in Sachen Feststellung der
deutschen Selbstabschaffung, aber auch – und dies ist
wichtiger, weil weniger kopfhängerisch – in Sachen deutsche
Gegenmaßnahmen.
Doch zum Auftakt ein kleiner Gang ins Fitness-Studio! Ja, Sie
haben richtig gelesen – denn am Beispiel solch einer
Sportstätte führt Professor Kutschera seine Leser an die
realwissenschaftlich entscheidenden Schlüsselbegriffe heran
(ohne deren genaue Kenntnis in dieser ganzen Debatte
natürlich niemand mitreden dürfte, SE S.78):
„Die bedauernswerte Distanz zwischen dem biologischen Laien
und dem Evolutionisten (und somit vom Biowissenschaftler) (...)
kommt auch beispielhaft in dem populären Begriff »FitnessStudio« zum Ausdruck (...). In der Evolution geht es jedoch nicht
um die körperliche Gesundheit des ausgewachsenen Individuums,
sondern um das genetische Überleben der Organismen bzw. von
Populationen. (...) Es wäre interessant zu erfahren, wie viele
Besucher sogenannter »Fitness-Studios« vom Schlüsselbegriff der
22
Evolutionsbiologie gehört haben und dessen exakte Bedeutung
kennen.“
Es werfe jetzt bitte niemand dem renommierten Kasseler
Evolutionsbiologen vor, er wolle die enorme soziale
Bedeutung körperlicher Gesundheit herunterspielen! Nein,
ganz und gar nicht – er will lediglich sicherstellen, dass die
physische Volksgesundheit auch von einer mentalen
(selbstredend realwissenschaftlich bedingten) Robustizität
begleitet wird, und bringt diesen Wunsch in der folgenden
schönen, aber auch sehr unumwunden ausgesprochenen
Mahnung an die Nation zum Ausdruck (ebd. S.78/79):
„Da ein Teil der deutschen Bevölkerung Medienberichten zufolge
mangels Bildung nicht in der Lage sein soll, sich gesund zu ernähren
(mit der Konsequenz ständig steigender Gesundheitskosten),
wurde von Fachleuten der Begriff »Ernährungs-Analphabetismus«
geprägt. Die oben zusammengetragenen Fakten zeigen, dass die
wichtigste Entdeckung der modernen Biologie (Tatsache
Evolution) zahlreichen Mitbürgern weitgehend unbekannt ist bzw.
falsch verstanden wird. Es ist daher aus meiner Sicht gerechtfertigt,
von einem »evolutionären Analphabetismus« in weiten Teilen der
deutschen Bevölkerung zu sprechen.“
Eine dramatische Diagnose! Aber was genau bedeutet sie?
Nun, lieber Leser, bauen Sie ein wenig Körperspannung auf
und konzentrieren Sie sich bitte genau auf das, was der
Professor einleitend zum Thema Fitness gesagt hat: Es geht
23
um das „genetische Überleben der Organismen bzw. von
Populationen“. Mit anderen Worten, „Überleben“ ist schön und
gut, aber „genetisches Überleben“ ist besser, und vor allem
auch realwissenschaftlich präzise ausgedrückt. Erst mit dieser
Sichtweise überwindet man den beschränkten Laienhorizont,
und im Falle von Kutschera gelingt noch weitaus mehr: Er
wird zum Visionär, zum Zukunftsforscher, ja zum potentiellen
Politikberater der Güteklasse A. Folgen Sie daher recht
aufmerksam seinen Gedankenflügen, zumal, wenn Sie ein
Patriot und nativer Deutscher sind (ebd. S.295):
„Aus diesen Sätzen kann beispielhaft das evolutionäre Denken des
Naturwissenschaftlers abgeleitet werden. Organismen sind Lebeund somit auch Sterbewesen: Das genetische Überdauern im
Verlauf der Generationenabfolge, in anderen Worten die Sequenz
»Eltern/Kinder → Eltern/Kinder« usw., ist der eigentliche
biologische Sinn unseres kurzen Erdendaseins (...). Der
Evolutionist denkt daher in der Einheit »Generationen«, d.h. er
bezieht die Zukunft in seine Überlegungen mit ein.“
Sie merken schon: Ein ausgebildeter Evolutionswissenschaftler könnte in der Gesundheits- und Rentenpolitik
den Unterschied zum bisherigen Totalgestümper machen –
denn wer, außer ihm, bezieht schon „die Zukunft in seine
Überlegungen mit ein“?
Und
wer,
außer
ihm,
blickt
bevölkerungsbiologisch dermaßen durch – man staune über die
direkt im Anschluss zu Papier gebrachten Sätze, vor deren
24
geradezu abyssaler Tiefe ein Großteil soziologischer und
psychologischer Forschung reichlich überflüssig wirkt (ebd.):
„Denken in evolutionären Kategorien beinhaltet somit eine
Vorsorge für die Nachkommen des sterblichen Individuums. Aus
diesem Grund leben Menschen, die Kinder hinterlassen, in aller
Regel auch »vorsorglicher« (d.h. die natürlichen Ressourcen
schonender) als die gewollt Kinderlosen (Lebensmotto: »double
income, no kids«), die als genetisch tote Sackgassen der Evolution
nicht selten nach dem egoistischen Spruch »nach mir die Sintflut«
handeln.“
Genau – denn „Sintflut“ hat ja auch was mit theologischer
Verbalwissenschaft zu tun, und das ist natürlich ganz
unakzeptabel. Dann schon lieber realwissenschaftlichressourcenschonend viel Nachwuchs in die Welt poppen, die
lieben Kleinen im familientauglich-voluminösen Sport Utility
Vehicle von der Schule direkt zum Sport und in den
Geigenunterricht karren (bzw. zum Geburtstag feiern bei Mac
Donalds) und jeden von ihnen gewissenhaft mit diversen
Handys und Kinderlaptops ausstatten, damit sie möglichst früh
für den gesellschaftlichen Daseinswettbewerb gerüstet sind: So
sorgt jemand vor, der im Sinne genetischen Persistierens die
Zukunft mit in seine Überlegungen einbezieht! Für die
genetisch toten Hosen bzw. amoralisch-asozialen Sackgassen
der Evolution haben wir dagegen nur Verachtung übrig, und
man merkt an dem „double income, no kids“-Sprüchlein, wie gut
Professor Kutschera seine ersten Forschungsaufenthalte an der
25
Stanford University sowie der Michigan State University in
den Jahren 1985 bis 1988 getan haben: Dort eignete er sich
zeitig jene weltmännischen Kenntnisse an, mit denen er heute
so zu glänzen vermag. Wenn nur seine Umwelt es ihm mehr
danken würde als bisher! Warum müssen es immer ein Frank
Schirrmacher (†) und ein Thilo Sarrazin sein, die als
Chefdenker
in
Sachen
Bevölkerungspyramide
und
Zuwanderung gelten, wenn doch die eigentliche,
realwissenschaftlich fundierte Geistesarbeit zuerst vom
messerscharfen Analytiker aus Kassel kam (ebd. S.295/296):
„Dieses naturgemäße Denken in Generationenabfolgen ist in vielen
europäischen Ländern im Zuge der Individualisierung und des
wachsenden Wohlstandes verloren gegangen. Dies kommt z.B. in
dem unsinnigen Begriff »Überalterung der Gesellschaft« zum
Ausdruck.
Eine
Population
von
Lebewesen
(Fortpflanzungsgemeinschaft) »überaltert« niemals, sondern
leidet bestenfalls an einer Unterjüngung. So gibt es in Deutschland
keineswegs »zu viele Alte«, sondern zu wenig Junge. Um die
Population in etwa stabil zu halten, wäre eine Zahl von 2,1
Lebendgeburten pro deutscher Frau erforderlich. Hätten alle
fortpflanzungsfähigen und -bereiten Paare maximal zwei Kinder,
wie es derzeit gesellschaftlich vorgesehen ist (s. Prospekte von
Ferienwohnungen), so würde es dennoch aufgrund der biologisch
bedingt Kinderlosen zu einem Schrumpfen der Bevölkerung
kommen. Es muss somit auch »kinderreiche« Familien geben, um
diesem
Trend
entgegen
zu
wirken.
Wie
der
26
Bevölkerungswissenschaftler Prof. H. Birg (2001) berichtet, liegt
die Reproduktionsrate in Deutschland und anderen europäischen
Ländern derzeit unter 1,4 Geburten pro Frau, wobei eine
wachsende Zahl junger Menschen die Reproduktion vorsätzlich
ganz verweigert. Dieser Geburtenunterschuss von derzeit 33% wird
auf Dauer zum Schrumpfen und letztlich zur Selbst-Auslöschung
der Population führen. Aus Sicht des Evolutionisten ist dieser
vorsätzliche genetische Suizid der deutschen Bevölkerung ein
bemerkenswertes Phänomen, welches hier nicht weiter analysiert
werden kann.“
Ach! Hätte Kutschera es doch getan, damals, anno 2004, als er
mit diesen so wichtigen Reflexionen – und vor allem
argumentativ so brillant, „s. Prospekte von Ferienwohnungen“ –
sein Riesenwerk „Streitpunkt Evolution“ abschloss! Dem
sträflich unterschätzten Mahner aus Kassel, dem aufrichtigen
Behüter des deutschen Erbgutes, ihm wäre mehr Kraft zu
wünschen gewesen, als er sich mit diesen letzten beiden Seiten
seines großangelegten AG-/AK-Werbeopus ins Ziel schleppte
– denn als Sarrazin die Thematik sechs Jahre später in dreist
nachplappernder Weise7 aufgriff, war schon viel zu viel
7
Siehe Sarrazins Abschlusskapitel „Ein Traum und ein Alptraum.
Deutschland in 100 Jahren“, wie er ihn zum Ende von „Deutschland
schafft sich ab“ ausformuliert (oder besser, -fabuliert). Im
Alptraumszenario stellen Muslime im Jahr 2100 die „demokratische
Mehrheit“ (S.404). Im Traumszenario hingegen lesen wir: „Auch
der Abwärtstrend im Bevölkerungswachstum konnte gestoppt
werden. Die Geburtenrate pendelte zwischen 2,0 und 2,2 Kindern
pro Frau.“ Plump von Kutschera übernommen, man merkt’s.
27
wertvolle Zeit ins Land der Dichter und Denker gegangen, und
vor allem verbreitete Sarrazins Buchtitel weitaus weniger
Hoffnung, als Kutschera sie bei Abfassung seiner mutigen
Pionierarbeit noch besaß (ebd. S.296):
„Viele Wohlstandsbürger in unserem Land haben sich
offensichtlich von ihrem natürlichen (biologischen) Wurzeln weit
entfernt. Der kollektive Selbstmord auf Raten wird von naiven
Politikern verniedlichend als »demografischer Wandel«
bezeichnet, so als würde die Mode wechseln. Weiterhin sei auf die
seit Jahrzehnten geförderte unkontrollierte Zuwanderung aus allen
Teilen der Welt hingewiesen. Da z.B. in Frankreich durch
politische Maßnahmen und ein Umdenken in der Bevölkerung eine
Umkehr des »genetischen Todestrends« erzielt werden konnte
(derzeit ca. 1,9 Kinder pro Frau), besteht noch immer berechtigte
Hoffnung in Deutschland auf eine »Wiederbelebung« der
Bevölkerungspyramide, die derzeit die Form einer Urne hat (zu
Lesenswert ist höchstens, wie Sarrazin den Weg zu diesem hehren
Ziel
zusammenfantasiert
(wohlgemerkt,
„Traum“,
nicht
„Alptraum“!): „Im Mai 2013, wenige Monate vor der
Bundestagswahl, gelang einem unentdeckt gebliebenen Zweig der
Sauerlandgruppe ein Sprengstoffattentat am Bahnhof Zoo in Berlin,
das 73 Opfer forderte“ (ebd. S.405). Daraufhin setzt die „im
September 2013 neu gewählte Bundesregierung“ schleunigst „neue
Akzente zur Weiterentwicklung in der Familien-, Integrations- und
Bildungspolitik“ (ebd.), und alles wird gut, bzw. endet in der
richtigen Geburtenrate. – Ja, manchmal ist es wunderschön, von
Terror und vielen, vielen Toten zu träumen! BOOUUUM 
28
wenige Kinder, und daraus resultierend eine relative Überzahl alter
Menschen, s. Birg 2001).“
Genau, „die Form einer Urne“ – das klingt ja schon nach
Begräbnis, nicht wahr!8 Jedenfalls zeichnet sich nach all
diesen Ausführungen sonnenklar ab, worum es unter
realwissenschaftlichen Prämissen in Zukunft gehen muss: a)
haben die deutschen Frauen zu werfen was das Zeug hält (ev.
wäre die Einführung eines Ordens ab dem fünften Kind eine
gute Idee) und b) müssen sie natürlich darauf achten, dass ihre
Kinder auch deutsches statt Zuwanderer-Erbgut enthalten,
denn sonst wäre die Werferei in Sachen „Umkehr des
genetischen Todestrends“ vollends kontraproduktiv! Aber mit
8
Die von Kutschera mehrfach zitierte bevölkerungsbiologische
Autorität Professor Herwig Birg aus Bielefeld kann übrigens weit
genug in die Zukunft blicken, um in der BILD-Zeitung zum
deutschen Selbstbegräbnis folgendes zu verkünden:
„2300 liegen wir bei 3 Millionen, also kurz vor dem Aussterben.“
(vgl. www.zeit.de/online/2006/12/kinderschock_kommentar)
Eine solche prognostische Potenz mag manchen Leser beeindrucken,
aber es sei gleich dazu gesagt, dass ein Überschauen von gerade
einmal 300 Jahren für einen Evolutionsbiologen wie Kutschera
nichts besonderes darstellt – und eben weil Kutschera auf diesem
Gebiet so fähig ist, hat er natürlich auch die Kompetenz, die
Voraussagen von Prof. Herwig Birg als realwissenschaftlich
besonders zitierenswert zu erkennen (unglaublicherweise gibt es
nämlich andere professorale Demografen, die Birgs Prognosen
einfach nur als „Nonsens“ abtun! Wenn das mal keine bloßen
Verbal-Demografen sind!).
29
dieser Feststellung wollen wir natürlich nicht alle Last auf die
Frauen abwälzen – soll heißen, theoretisch leisten diese bereits
alles wichtige, wenn sie sich erstmal bezüglich Punkt a)
gehörig ranhalten. Denn für den Fall, dass in der
heranwachsenden Leibesfrucht doch einmal, aus welchen
Gründen auch immer, zu viele undeutsche Gene enthalten sein
sollten, ist der Schaden keineswegs irreparabel – nein, es gibt
ein einfaches Korrektiv, und es mag unter anderem hieran
liegen, dass Kutschera bei Ausschöpfung aller vorhandenen
Möglichkeiten durchaus „berechtigte Hoffnung“ auf Besserung
verspürt (DF S.165):
„Abtreibungen kann man auch auf Grundlage biologischer Fakten
sachlich-rational diskutieren. Wir wissen, dass über die
zweigeschlechtliche Fortpflanzung (sexuelle Reproduktion) das
kombinierte Erbgut der Eltern in die nächste Generation gebracht
wird. Durch Tötung eines Fötus wird somit das Überleben der
elterlichen Gene über die Keimbahn in diesem Individuum
zunichte gemacht und daher eine »intelligent geplante« Selektion
vollzogen.“
Ja, „wir wissen“ – und wir wissen vor allem, dass z.B. die
Formulierung
„intelligent
geplante
Selektion“
im
Zusammenhang mit Abtreibungen (noch dazu garniert mit
starken Vokabeln wie „Tötung“ oder „zunichte gemacht“) bei
unwissenden, verbalwissenschaftlich infiltrierten Mimosen
ganz unausweichlich die üblichen Krampfreflexe hervorrufen
30
wird9, wovon sich aber ein nüchterner Realwissenschaftler
nicht beirren lässt. Und zwar, indem er mit der ihm eigenen
Souveränität darauf hinweist, dass „intelligente Selektion“
seine ureigenste berufliche Sphäre betrifft und daher von
außen nicht annähernd so akkurat beurteilt werden kann wie
eben aus Sicht des laborerfahrenen Forschers (SE S.85/86):
„Die Domestikation freilebender Tiere und Pflanzen durch jagend
umherziehende Menschenhorden setzte gegen Ende der letzten
Eiszeit, d.h. vor etwa 10 000 Jahren, ein (z.B. Hunde, Schafe,
Ziegen; Weizen, Reis). Dieser mehr oder weniger gerichtete
Evolutionsprozess begann vermutlich mit einer Zähmung wilder
Tiere, gefolgt von einer Kreuzung in Gefangenschaft, und endete
letztendlich in künstlicher Zuchtwahl selektierter Individuen, die
vom Menschen gewünschte Eigenschaften zeigten (z. B. Schafe mit
besonders dichtem Wollkleid). Diese frühen Domestikationen
waren die ersten gezielt ausgeführten Evolutionsexperimente der
Menschheit.“
Da staunen Sie, was? „Gezielt ausgeführte Evolutionsexperimente“ – muss man dafür nicht eigentlich wissen oder
zumindest theoretisch vorformuliert haben, was „Evolution“
9
Und in der Folge die Kartellkritik der linken Journaille – ein
Sarrazin hat allen Ernstes mehrere Jahre gebraucht, um das zu
kapieren und in seinem Buch vom „Neuen Tugendterror“ zu
verarbeiten, während solche Banalitäten dem (stets die Zukunft in
seine Überlegungen einbeziehenden) Realwissenschaftler natürlich
von vornherein sonnenklar sind!
31
ist?10 Nun, wer kann schon sagen, was es da vor 10 000 Jahren
für realwissenschaftlich (d.h. streng kausalanalytisch-logisch)
denkende archaische Superhirne gegeben haben mag – und
welche herausragenden Realwissenschaftler heute in direkter
Linie von diesen ersten Chef-Experimentatoren der
Menschheit abstammen, sprich, ihre Gene besitzen und
verantwortungsbewusst
an
die
nächste
Generation
weitergeben! Dies wollen wir aber hier nicht weiter vertiefen,
sondern lieber Kutscheras historischen Forschungen
überlassen, ein Gebiet, auf dem er beständig Großes geleistet
hat und sich, so scheint’s, mit ungebremster Energie durch die
Archive der Welt wühlt (herausragenden Eifer zeigt er
übrigens als Sammler reichlich verstaubter Karikaturen, und
wer weiß, vielleicht findet er ja mal eine 10 000 Jahre alte
Witz-Höhlenmalerei, die mit subtilem Schalk einen
nacheiszeitlichen
Durchführer
„gezielter
Evolutionsexperimente“ auf die Schippe nimmt). Stattdessen wollen wir
den argumentativen roten Faden des Kasseler Gelehrten
wieder aufnehmen: Abtreibung ist „intelligent geplante
Selektion“, und als solche entspricht sie der Tierzucht, bei der
„vom Menschen gewünschte Eigenschaften“ ausgewählt und
genetisch erhalten werden. – Welche Eigenschaften dies sein
sollen? Nun, dies hängt im Deutschland-schafft-sich-ab-
10
Und falls Ihnen das zu metawissenschaftlich ist, dann staunen Sie
doch bitte wenigstens über die „Domestikation“ von „Reis“ gegen
„Ende der letzten Eiszeit“ – welche indische oder südchinesische
letzte Eiszeit da gemeint ist, verrät uns der international
renommierte Pflanzenphysiologe hier leider nicht (schade!).
32
Ende der Leseprobe von:
Kutscherania oder Naturformen der (Schreib-)Kunst
- Eine realwissenschaftliche Verbalsatire
Ernst-Darwin Wallace
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