24 WOCHENENDE, 13./14. FEBRUAR 2016 WISSENSCHAFT MITTELDEUTSCHE ZEITUNG ERFINDUNG Politiker und Bratpfannen Seit 75 Jahren perlt an Teflon alles ab. VON CHRISTINA HORSTEN Welche genetischen Hintergründe haben Weizen und Gerste, welche Erkenntnisse lassen sich für die Landwirtschaft ableiten? FOTOS:ANDREAS STEDTLER Ein besonderer Oscar Thorsten Schnurbusch forschte in der Schweiz und in Australien, seit acht Jahren arbeitet der Wissenschaftler am IPK in Gatersleben. Dort ist jetzt der Jubel groß. AUSZEICHNUNG VON WALTER ZÖLLER - Schuld war letztlich irgendwie auch der Fußball, oder genauer die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 2006. Damals hielt sich der Wissenschaftler Thorsten Schnurbusch mit seiner Frau und seinen vier Kindern zu einem längeren Forschungsaufenthalt in Australien auf. Das Fußballspektakel bewegte den gebürtigen Dortmunder und BVB-Fan zum Heimaturlaub. Wobei sich Schnurbusch nicht nur für das deutsche WM-Team, sondern auch für das „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung“ (IPK) in Gatersleben im Salzlandkreis interessierte. GATERSLEBEN/MZ NEW YORK/DPA - Eigentlich wollte Roy Plunkett einen besseren Kühlschrank erfinden. Der junge Chemiker experimentierte mit dem Gas Tetrafluorethylen, setzte einen Kanister damit unter Druck und fror ihn ein. Am nächsten Morgen wollte er weiterforschen, doch das Gas war weg. Anstelle dessen befand sich in dem Kanister nach einer chemischen Reaktion ein weißliches Pulver: Polytetrafluorethylen, kurz PTFE, inzwischen besser bekannt unter dem Handelsnamen Teflon. Darunter vertreibt Plunketts früherer Arbeitgeber, die Chemiefirma DuPont, das Material noch heute. Vor 75 Jahren bekam der junge Chemiker das Patent mit der Nummer „US2230654 A“ auf den Kunststoff, der weit mehr als nur Bratpfannen revolutionieren sollte. Um Bratpfannen ging es zuerst einmal überhaupt nicht. Der neue Kunststoff hatte viele ungewöhnliche Eigenschaften: Nicht brennbar, und - wie Chemiker sagen - sehr reaktionsträge, äußerst beständig und mit einem sehr geringen Reibungskoeffizienten. Alles perlt an ihm ab. Die Forscher wussten nicht so richtig, was sie mit diesem merkwürdigen Kunststoff machen sollten, außerdem war seine Herstellung anfangs sehr teuer. Eine erste Anfrage kam dann von ganz oben. Der Zweite Weltkrieg „Wir fühlen uns hier richtig wohl.“ Thorsten Schnurbusch über das Umfeld in Gatersleben Zum Glück, für beide Seiten. Schnurbusch war von den Möglichkeiten am IPK mindestens ebenso angetan wie von der spielerischen Qualität der deutschen Mannschaft. „Es entstand der Wunsch zurückzukehren.“ Im Jahr 2008 begann der Westfale schließlich beim IPK zu forschen. Vor kurzem wurde eines seiner Projekte mit einer Auszeichnung gewürdigt, die unter Wissenschaftlern in etwa das darstellt, was die Oscar-Verleihung für Schauspieler bedeutet. Schnurbusch erhielt einen der ERC Consolidator Grants, mit denen der Europäische Forschungsrat exzellente Nachwuchswissenschaftler unterstützt. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: Für die kommenden fünf Jahre wird Schnurbuschs Forschungsvorhaben mit zwei Millionen Euro gefördert. Mit dem Geld können fünf Stellen für hochqualifizierte Wissenschaftler finanziert werden. Schnurbusch und seine Mitarbeiter werden die Entwicklung von Getreideährchen bei der Gerste auf der molekularen Ebene untersuchen. Mit dem Begriff Ährchen beschreibt man den Blütenstand entlang einer Getreideähre, in denen sich später die einzelnen Körner entwickeln. Bekannt ist, dass dieser Wachstumsprozess der Pflanze Thorsten Schnurbusch forscht seit acht Jahren in Gatersleben. Hier untersucht er Getreide in einem der großen Gewächshäuser auf dem Gelände des IPK. und damit die Anzahl der späteren Körner genetisch begrenzt wird. Unklar ist aber, wie genau dieser Prozess auf molekularer Ebene gesteuert wird. Hartes Auswahlverfahren „Es gibt Genotypen, bei denen viele der in der früheren Entwicklung angelegten Ährchen absterben und dann wiederum Genotypen, bei denen dies kaum geschieht,“ beschreibt Schnurbusch die Ausgangslage. „Verstehen wir diesen Vorgang besser, können wir darauf hinarbeiten, diese Verluste zu reduzieren.“ Das Ziel ist eindeutig und dem Europäischen Forschungsrat die hohe Auszeichnung wert: Es sollen neue Ansätze zur Ertragssteigerung in der Landwirtschaft gefunden werden. Schnurbusch musste mit seinem Projekt ein hartes zweistufiges Auswahlverfahren bestehen, bevor er am Ziel war. Unter anderem trug er den internationalen Gutachtern in Brüssel sein Konzept vor. Das durfte nicht länger als zehn Minuten dauern, für die anschließende Diskussion waren ganze 15 Minuten vorgesehen. „Das war schon eine Herausforderung“, beschreibt er die Situation mit etwas Abstand. Schnurbusch stammt aus einer Familie, in der, wie er sagt, „Wissenschaft eigentlich außen vor war“. Doch er ging seinen Weg, der ihn von der Fachhochschule Soest, über die Uni in Göttingen an die Universität in Zürich führte, wo er 2003 promovierte. Später würdigte die Alexander-von-Humboldt-Stiftung die Qualität seiner Arbeit mit einem Forschungsaufenthalt im australischen Adelaide, bevor Schnurbusch der Fußball und vor allem das wissenschaftliche Inte- resse wieder nach Deutschland lockte. Seit 2008 leitet er beim IPK die Arbeitsgruppe „Pflanzliche Baupläne“, 2014 habilitierte er an der Universität in Halle. Ein positives Signal Wissenschaftlicher Erfolg ist nur möglich, wenn die Rahmenbedingungen stimmen - es also sehr gute Arbeitsmöglichkeiten in einem Institut wie dem IPK gibt. Nachdem sich Schnurbusch für einen Wechsel nach Gatersleben entschieden hatte, bekam er allerdings auch von einigen Kollegen aus der Wissenschaftswelt eher skeptische Hinweise zu hören. Der Standort im nördlichen Harzvoland liege weitab vom Schuss, da sei ja nichts los. Familie Schnurbusch, die im benachbarten Aschersleben wohnt, kann die negativen Beurteilungen nicht bestätigen. Im Gegenteil: „Wir fühlen uns hier richtig wohl“, versichert Schnurbusch. Die Würdigung mit dem ERC Consolidator Grant, die erstmals an ein Leibniz-Institut aus SachsenAnhalt ging, hat nicht nur bei dem Wissenschaftler Jubel ausgelöst. Andreas Graner, geschäftsführender Direktor am IPK Gatersleben, sagt, dies sei auch eine „Auszeichnung für das IPK als eine der weltweit führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Pflanzenforschung.“ Wissenschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) erkennt ein „positives Signal für den gesamten Wissenschafts- und Forschungsstandort Sachsen-Anhalt“. Schnurbusch und sein Team haben nun fünf Jahre intensive Arbeit vor sich. Das sei, so meint er, ein durchaus risikoreiches Forschungsprojekt. „Aber wir werden etwas finden“, ist er sich sicher. Aphonopelma johnnycashi Forscher benennen neu entdeckte schwarze Vogelspinne nach Johnny Cash. - Komplett in Schwarz wie der „Man in Black“: Forscher haben eine Vogelspinne nach Johnny Cash benannt. Die Aphonopelma johnnycashi ist eine von 14 Vogelspinnenarten, die ein Team nun im Südwesten der USA entdeckt hat. Sie wurde zudem in der Nähe des Gefängnisses von Folsom in Kalifornien gefunden, das durch Cashs „Folsom Prison Blues“ berühmt wurde. Das Team um den Biologen Chris Hamilton von der Auburn University (Alabama) durchkämmte dazu über ein Jahrzehnt lang das Gebiet AUBURN/DPA von zwölf US-Bundesstaaten westlich des Mississippi bis hinüber nach Kalifornien. Dabei nahmen die Forscher fast 3 000 Vogelspinnen-Exemplare unter die Lupe, taxierten Körperbau, Verhalten, Vorkommen sowie genetische Daten der Tiere. Das Ergebnis, veröffentlicht im Fachjournal „ZooKeys“: Während man zuvor glaubte, dass es mehr als 50 Vogelspinnen-Arten in den USA gibt, sind es tatsächlich nur 29. Davon sind 14 allerdings echte Neuentdeckungen. „Wir hören oft davon, dass neue Arten in den entferntesten Ecken der Welt entdeckt werden, aber was bemerkenswert ist: Diese Spinnen leben in unserem Hinterhof“, sagt Hamilton. Die diversen Vogelspinnen der Gattung Aphonopelma gehören zu den besonderen Spinnenarten in den USA. Während manche so klein sind, dass sie auf einer Zwei-Euro-Münze Platz finden, haben andere eine Beinspannweite von 15 Zentimetern. „Zwei der neuen Arten sind beschränkt auf einzelne Bergzüge im Südosten von Arizona, einem Hotspot in Sachen Biodiversität in den USA“, betont Co-Autor Brent Hend- rixson. „Diese empfindlichen Lebensräume sind durch wachsende Verstädterung, Freizeitverhalten und Klimawandel bedroht.“ Auch bestehe die Gefahr, dass der Bestand der seltenen Tiere durch Tierhändler leiden könnte. Die Faszination der imposanten Krabbeltiere auf Menschen ist groß - in der typischen, auch in zahlreichen Filmen aufgegriffenen Mischung aus Begeisterung und Angst. Die in den USA lebenden Vogelspinnen-Arten stellten für Menschen jedoch keine Gefahr dar, sagt Hamilton. Sie würden nicht Forscher in Amerika haben diese Vogelspinne entdeckt. FOTO:DPA schnell beißen und glichen eher „Teddybären mit acht Beinen“. Erst vor kurzem hatten Forscher festgestellt, dass die strahlend blaue Farbe mancher Vogelspinnenarten anders als gedacht keine Rolle bei der Brautwerbung der Achtbeiner spielt - die Tiere können blaue Wellenlängen kaum erkennen. Eine Teflon-Pfanne FOTO: DPA tobte in Europa und die USA entwickelten unter höchster Geheimhaltungsstufe in der tiefsten Wüste des Bundesstaates New Mexiko die Atombombe. Die dafür benötigten Uran-Materialien sind extrem aggressiv und bei ihrer Suche nach schützenden Hüllen stießen die Wissenschaftler auf das Teflon. In den 1950er Jahren beschichtete der französische Ingenieur Marc Grégoire dann der Legende nach seine Angelschnur mit Teflon, um sie besser entwirren zu können. Seine Frau hatte noch eine bessere Idee: Töpfe und Pfannen. Die beiden bekamen das entsprechende Patent und sorgten dafür, dass die Küche bis heute der bekannteste Anwendungsplatz von Teflon ist. „Kein Anbacken, leichtes Säubern, fettarme Zubereitung“, listet das Bundesamt für Risikobewertung als Vorteile von Teflon auf. „Allerdings kann die Beschichtung leicht zerkratzen. Speisen in beschichteten Pfannen und Kochtöpfen sollten deshalb nur mit Holzoder Plastiklöffeln oder -hebern bewegt werden.“ Es sei jedoch gesundheitlich unbedenklich, wenn sich von einer zerkratzten Beschichtung kleinste Teilchen lösen und verschluckt werden. Viel wichtiger: Beschichtete Pfannen und Töpfe sollten nie länger als drei Minuten leer erhitzt werden. „Sonst können auf dem heißen Herd Temperaturen um 360 Grad Celsius erreicht werden, bei denen PTFE beginnt, sich zu zersetzen und ohne Rauchentwicklung giftige Substanzen freizusetzen.“ Auch in Kleidungsstücken, Dichtungen, Medizintechnik wie Implantaten, Brillengläsern, in Raumfahrzeugen, auf Gitarrensaiten und in Mikrochips steckt Teflon. Chemiker Plunkett ist 1994 gestorben, aber seine Erfindung hat es bis in den politischen Wortschatz geschafft: Ein Teflon-Politiker ist einer, an dem Kritik oder Skandale einfach abgleiten.
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