AUSGABE 3 VOrrEITEr WIE MAN DAS BESTE AUS EINEM VORSPRUNG MACHT VISIONärE DENKEr NANOTECHNOLOGIE, MODE UND DIE STÄDTE DER ZUKUNFT OKTOBER 2015 JArED COHEN WIRD VERNETZUNG UNSERE WELT ZUM BESSEREN VERÄNDERN? URBANISIERUNG VERÄNDERT RASANT DIE WELT. WELCHER ZUKUNFTSENTWURF IST FÜR SIE RICHTIG? >> Entdecken Sie unsere Denkweise auf juliusbaer.com/visionary-thinking Julius Bär ist die führende Private-Banking-Gruppe der Schweiz und weltweit an rund 50 Standorten präsent. Von Dubai, Frankfurt, Genf, Guernsey, Hongkong, London, Lugano, Monaco, Montevideo, Moskau, Nassau, Singapur bis Zürich (Hauptsitz). «fIRSt-MoVER-VoRtEIl» Wann macht es für sie sinn, als «First mover» auf einem neuen markt voranzuschreiten? Und in welchen Fällen sollten sie sich lieber zurücklehnen, andere akteure das terrain ausloten lassen und erst zu einem späteren zeitpunkt einsteigen? besteht das beste Rezept für bleibenden erfolg darin, immer der erste zu sein? diese und andere Fragen diskutieren wir in der aktuellen ausgabe von «Vision». sie ist – wie unsere diesjährigen next generation summits in zürich und singapur – dem thema «First movers» gewidmet. Wir fragen Professor marvin lieberman, ob der von ihm 1988 erstmals untersuchte «First-mover-Vorteil» für alle Firmen und märkte gilt. ausserdem erkundigen wir uns bei führenden Unternehmern aus den bereichen nanotechnologie, medien, mode, Kunst und automobilbau, wie sie es in ihren branchen zu marktvorreitern gebracht haben. sind sie die First movers am markt gewesen oder haben sie zu einem späteren zeitpunkt nachgezogen? die richtigen entscheidungen zu treffen, ist natürlich von zentraler bedeutung. nach unserer Überzeugung ist es aber noch wichtiger, den richtigen zeitpunkt für die Umsetzung dieser entscheidungen zu wählen. dafür braucht es erfahrung, das nötige Wissen um wichtige Wechselwirkungen und nicht zuletzt geduld. denn es kann Jahre dauern, bis sich eine bestimmte entscheidung als richtig erweist. oft erfordert abwarten deshalb genauso viel mut wie Vorpreschen. Ich persönlich habe eine langfristige Vision. sie hilft mir, den richtigen zeitpunkt für einen schritt zu wählen – und somit zu entscheiden, ob wir als First mover agieren oder nicht. mein entscheidungshorizont richtet sich nach unserem übergeordneten ziel: der schaffung bleibender Werte für sie als unsere Kunden und für die Julius bär gruppe. Wir freuen uns, unsere Vision und die erkenntnisse bedeutender Vordenker mit Ihnen zu teilen, und wünschen Ihnen eine angenehme lektüre. mit freundlichen grüssen boris F.J. collardi chief executive officer 3 VoRWoRt Inhalt 22 Mate rimac Mit Vollgas in die Zukunft interview 6 Regionales Potenzial im globalen Kontext 28 Werte und Technologie, vereint in Mode Die Technologie-Handwerkerin Elena Corchero bringt Nachhaltigkeit in Produktion und Konsum von Mode. Gian A. Rossi, Head Northern, Central and Eastern Europe, und Rémy A. Bersier, Head Southern Europe, Middle East and Africa, reflektieren aktuelle Entwicklungen und künftige Wege ihrer jeweiligen Regionen. VORREITER 12 Vorreiter: Wie Marktpioniere von ihrem Vorsprung profitieren 18 Jared CoheN Der Chef von Google Ideas über die Vor- und Nachteile von Vernetzungsfähigkeit Inhalt 4 32 Wandel im grossen Stil Darcy Winslow, Co-Gründerin der Academy for Systemic Change, über die Umsetzung nachhaltiger Visionen. 34 Die NANOREVOLUTION Aymeric Sallin sieht eine grosse Zukunft für kleine Dinge 40 dIe stÄdte deR zUKUnFt UnseR UnteRnehmen 70 JUlIUs bÄR – YoUR Wealth sie entscheiden, wie wir sie unterstützen anlagetRends zwei führende Experten über ihre Vision für die Städte der zukunft und die notwendigkeit des Wandels. 72 typische anlagefallen und -fehler vermeiden Die Erkenntnis, dass anlageentscheidungen oft emotional statt rational sind, hilft fallstricke zu vermeiden. KUnst 46 claUdIa comte 75 die digitale Revolution und ihre Folgen Claudia Comte gilt als eine der 20 besten und vielversprechendsten Künstlerinnen der Schweiz. 52 neUanKÄUFe Julius bär Kunstsammlung sPonsoRIng 66 JUnge talente mIt eleKtRoVIsIonen Das digitale zeitalter hat unsere lebens- und arbeitsweise grundlegend verändert. ÜbeR Uns 80 82 84 86 Julius bär auf einen blick Unsere Produkte und dienstleistungen Rechtliche hinweise Impressum 5 Inhalt Regionales Potenzial im globalen Kontext Interview: Michèle Bodmer Die Präsenz von Julius Bär in den reifen und den wachsenden Märkten ist durch sehr unterschiedliche Bedürfnisse, Herausforderungen und Chancen geprägt. Gian A. Rossi, Head Northern, Central and Eastern Europe, und Rémy A. Bersier, Head Southern Europe, Middle East and Africa, gehören beide der Geschäftsleitung von Bank Julius Bär an. Im Interview erörtern sie die aktuellen Trends und die möglichen künftigen Entwicklungen in ihren jeweiligen Regionen. Was unterscheidet Julius Bär von ihren Mitbewerbern? Bersier: Wir bieten ausschliesslich Vermögensverwaltungsdienstleistungen für Privatkunden an. Wir konzentrieren uns ganz auf das Private Banking und besitzen zum Beispiel keine Investment-Banking- oder Asset-Management-Bereiche. Das verschafft uns einen klaren Vorteil. Weiter verfügen wir über eine offene Produktplattform. Unsere Kunden werden nicht zum Kauf bankeigener Produkte gedrängt, und unsere Berater können auf dem gesamten Markt nach der besten Finanzlösung Ausschau halten. Rossi: Unser kundenorientiertes Geschäftsmodell und unsere einzigartige Unternehmenskultur sind die zentralen Punkte, durch die wir uns abheben. Wir sind das einzige Finanzinstitut mit einer Geschäftsführung, der sechs Leiter von Bereichen mit direktem Kundenkontakt angehören. Dadurch erreichen wir, dass sich die Interessen unserer Kunden in unseren Entscheidungen widerspiegeln. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die grosse Loyalität unserer Kundenberater. Wir behandeln sie als Partner, und sie halten uns die Treue. Ihre lange Zuge hörigkeit zu unserem Unternehmen schlägt sich in einzig artigem Service, Engagement, Vertrauen sowie in grosser Ehrlichkeit nieder. Die Kunden schätzen es, über die Phasen konjunkturellen Auf- und Abschwungs hinweg auf die Betreuung durch denselben Kundenberater zählen zu können. Wodurch hebt sich Ihre Region von anderen ab? Bersier: In Südeuropa besteht eine anhaltend starke Nachfrage nach grenzüberschreitenden Private-BankingDienstleistungen aus der Schweiz, weil die Kunden ihre Bank risiken und ihre Vermögensverwaltung diversifizieren möchten. Durch die aktuelle Situation in Griechenland gilt das mehr denn je. Befürchten Bankkunden ein Ansteckungsrisiko für die gesamte Region, ist dies für sie womöglich ein zusätzliches Argument für eine Diversifizierung. Der Nahe Osten bietet vielversprechende Wachstumsraten. Die wichtigsten makroökonomischen F undamentaldaten der Region sind nach wie vor sehr solide. So dürfte das Vermögen um 6 bis 10 Prozent wachsen. Insgesamt hat Julius Bär auf diesem Markt in den letzten vier bis fünf Jahren eine ausgezeichnete Performance erzielt. Rossi: 2015 wird ein interessantes Jahr für die nord-, mittel- und osteuropäischen Märkte. Momentan b ilden Deutschland und die skandinavischen Länder die Wachstumsmotoren Europas, während im Süden Krisenstimmung herrscht. In mittel- und osteuropäischen Ländern wie der Tschechischen Republik, Slowenien, Ungarn und Polen haben wir es mit wachsenden Märkten und neuen Kunden zu tun. Diese Kunden vertrauen die Vermögensverwaltung vorzugsweise einer international positionierten Bank an. Ihren Wohlstand verdanken sie vor allem der zunehmenden Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Die Bevölkerung in diesen Regionen wird aber auch insgesamt wohlhabender. Interview 8 So hat sich Polen mit seinen fast 40 Millionen Einwohnern mittlerweile zu einer bedeutenden Volkswirtschaft in Europa entwickelt. Das Wirtschaftswachstum in der Region ist in den letzten sieben bis acht Jahren nie zum Erliegen gekommen, obwohl es kleinere Währungskrisen in Polen und in der Tschechischen Republik gegeben hat. Die daraus resultierenden Währungsabwertungen sind der Wirtschaft der beiden Länder aber letztlich zugutegekommen. Zudem sind Verbesserungen im Bereich der Steuersysteme zu beob achten, und die rechtlichen Rahmenbedingungen werden transparenter. Dies alles sind positive Faktoren. 2015 hält Julius Bär in Zürich und Singapur «Next Generation»-Konferenzen ab, die unter dem Motto «First Movers» stehen. Verfolgt Julius Bär in Ihren Regionen einen First-Mover-Ansatz? Bersier: In diesen Regionen nimmt Julius Bär meiner Ansicht nach nicht die Rolle des Marktpioniers, also des First Mover, ein. Man wird uns aber auch nicht als Fast Follower bezeichnen, der den Pionieren im Nacken sitzt. Vielmehr werden wir wahrgenommen als eine Schweizer Privatbank mit ausgeprägtem Schweizer Charakter, die vom Ausland aus grenzüberschreitend operiert. Es ist uns gelungen, die Marke zu einer Institution zu machen. Julius Bär gilt als eine Bank, die dank erfahrener Kundenberater schnell qualitativ hochwertige Lösungen bereitstellt. Rossi: Letztlich hängt alles vom jeweiligen Markt ab. In Deutschland sind wir der erste im Inland operierende Akteur mit einem reinen Private-Banking-Modell gewesen. Dadurch stechen wir in puncto Wachstum und Geschäftserfolg aus der Masse heraus. Deutschland ist innerhalb Europas einer der attraktivsten Märkte für Vermögensverwaltungs dienstleistungen. In Grossbritannien haben wir eher klein begonnen. Doch nach der jüngsten Übernahme des interna tionalen Vermögensverwaltungsgeschäfts von Merrill Lynch (ohne USA) zählen wir, gemessen an den verwalteten Vermögen, zu den 15 grössten Wealth-Managern in London. So haben wir beispielsweise unsere Zusammenarbeit mit dem British Museum ausgeweitet. Und im Juli 2015 verhalfen uns die Rennen der FIA-Formel-E-Meisterschaft zu wertvoller Fernsehpräsenz. In Moskau haben wir vor etwa sieben Jahren eine Repräsentanz eröffnet. In dieser Region gibt es keine weitere Bank, die sich ausschliesslich auf das Private Banking konzentriert, und somit sind wir dort ein First Mover. Herr Bersier, die Bank Julius Bär hat letztes Jahr ihre zehnjährige Präsenz im Nahen Osten gefeiert. Hat die Bank die beim Markteintritt prognostizierten Wachstumsraten erreicht? Bersier: Julius Bär war 2004 die erste internationale Privatbank, die im Dubai International Financial Centre zugelassen wurde. Wir haben uns die Märkte in der Region erfolgreich erschlossen und eine exzellente Wachstums dynamik erzielt – trotz des schwierigen politischen Umfelds, das in einigen Ländern dieser Region herrscht. Mit Blick auf das Wachstum konnten wir unsere Erwartungen sogar übertreffen. So verdreifachten wir in den letzten drei Jahren unsere Vermögensbasis, was auch der Übernahme des internationalen Vermögensverwaltungsgeschäfts von Merrill Lynch (ohne USA) zu verdanken war. Wir werden unsere Aktivitäten in der Region weiter ausbauen – insbesondere durch die Rekrutierung weiterer Kundenberater für unser Regionalzentrum in Dubai. Wir wollen aber nicht nur eine Wachstumsstory schreiben, sondern auch unsere Anlagephilosophie an lokale Bedürfnisse anpassen. Während sich diese in der Region früher auf das Cash-Management und kurzfristige Anlagepositionen konzentriert hat, stehen wir mittlerweile in den Bereichen Vermögensverwaltungsmandate und strukturierte Produkte vor der Lancierung schariakonformer Anlagelösungen. Und wir entwickeln ein schariakonformes Hebelprodukt. Dies wird unserer Wachstumsstrategie im Nahen Osten ohne Zweifel weiteren Auftrieb geben. Rémy A. Bersier «Dank unserer soliden globalen Präsenz sind wir auf dem afrikanischen Kontinent sowohl für aufstrebende lokale Unternehmer als auch für gut etablierte Firmeninhaber mit starkem internationalem Hintergrund attraktiv. Unsere Zielgruppe ist das Kernsegment der vermögenden Privatpersonen.» Rémy A. Bersier Wie wollen Sie die ehrgeizige Vorgabe erreichen, Julius Bär bis 2017 im Kreis der fünf grössten Vermögensverwalter im Nahen Osten zu platzieren? Bersier: Wir sind auf dem richtigen Weg. Durch die Übernahme des Private-Banking-Geschäfts von Merrill Lynch haben wir unsere Stellung in der Region ausgebaut. Durch die Transaktion sind wir – zusätzlich zu unserer bestehenden Präsenz in Dubai, Abu Dhabi und K airo – jetzt auch in Bahrain und Beirut vertreten. Ausserdem ist es uns in den letzten vier Jahren gelungen, unsere Position durch organisches Wachstum, strategische Rekrutierungsmassnahmen und Übernahmen zu stärken. Die schariakonformen Anlagelösungen werden uns als weiterer Wachstumstreiber dienen. In welcher Region sehen Sie die besten Chancen und die grössten Herausforderungen? Rossi: Die Zahlen zeigen nach wie vor ausgezeichnete Geschäftschancen in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2015 verdankten wir den Nettoneugeld zufluss vor allem dem lokalen Geschäft. Es besteht eine Nachfrage nach mass geschneiderten Angeboten von reinen Privatbanken, die ein uneingeschränktes Research betreiben. Es gibt zwar einige lokale Akteure, diese sind aber nur auf regionaler Ebene stark. Keiner von ihnen verfügt über die breite Präsenz von Julius Bär. Die grössten Chancen bieten indes die kleineren mittelund osteuropäischen Länder, wo die Versorgung der Kunden durch die ansässigen Banken völlig unzureichend ist. Wir haben in diesen Staaten bereits einige Erfolge erzielt. Die Höhe der verwalteten Vermögen rechtfertigt die Einrichtung einer permanenten Repräsentanz aber noch nicht. Deshalb arbeiten wir von der Schweiz aus und reisen für Geschäfts abschlüsse in die Region. Zur Unterstützung unserer Niederlassung in Moskau haben wir unsere auf Mittel- und Ost 9 Interview europa spezialisierten Teams an den Standorten Singapur, London, Luxemburg, Monaco, Genf, Zürich und Wien weiter ausgebaut, um einen noch besseren Service bieten zu können. Das Osteuropa-Geschäft birgt jedoch auch Herausforderungen. Zwar war das Wachstum in den letzten Jahren beträchtlich, es sind aber auch hohe Summen aus der Region abgeflossen – nicht nur investierbare, für die Vermögensverwaltung vorgesehene Gelder, sondern auch andere Anlagen. Die Märkte der Region haben über mehrere Quartale nach unten tendiert. Seit Kurzem gibt es aber Anzeichen dafür, dass Privatpersonen und Unternehmen wieder vermehrt Investitionen tätigen. Menschen aus Russland beispielsweise sind weltweit als erfolgreiche Investoren und Unternehmer bekannt, deshalb wird der Wohlstand weiter steigen. Bersier: Wir konzentrieren uns auch künftig auf die Chancen, die uns die Märkte in verschiedenen Ländern des Golf-Kooperationsrats (GCC) bieten – insbesondere in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und SaudiArabien. Saudi-Arabien scheint sich den internationalen Akteuren langsam zu öffnen. Aus Sicht des Private Banking besteht in diesem Markt ein riesiges Potenzial. Allerdings müssen wir auch Aspekte des Risikomanagements beachten und den mittelfristigen Konjunkturrisiken Rechnung tragen. «Abu Dhabi Global Market» baut derzeit ein Finanzzentrum auf, das mit dem International Financial Centre von Dubai vergleichbar ist. Wir prüfen momentan, ob wir unsere Präsenz und unsere Positionierung dort verstärken wollen. Die politische Instabilität und die Unsicherheit stellen für uns die grössten Herausforderungen im Nahen Osten und in Afrika dar. In unserer Niederlassung in Kairo beispielsweise ist es uns gelungen, diese Herausforderungen erfolgreich in Chancen umzuwandeln. Während des Arabischen Frühlings hielten wir am lokalen Geschäftsstandort in Ägypten fest. Das Engagement unserer Kolleginnen und Kollegen in Kairo kam bei unseren Kunden sehr gut an und hat unserem Unternehmen viel Wertschätzung und Anerkennung gebracht. Auf der Grundlage dieses gegenseitigen Vertrauens gelang es unserem Team, die Geschäftsentwicklung selbst in turbulenten Zeiten weiter voranzutreiben. Herr Bersier, können Sie Näheres über die Strategie von Julius Bär in Afrika sagen? Bersier: Afrika befindet sich noch immer in einer frühen Wachstumsphase. Der Markt muss genau auf politische und andere Risiken untersucht und überwacht werden. In den meisten afrikanischen Ländern hat sich noch keine reife Private-Banking-Kultur herausgebildet. Dank unserer soliden globalen Präsenz sind wir auf dem afrikanischen Kontinent sowohl für aufstrebende lokale Unternehmer als auch für gut etablierte Firmeninhaber mit starkem internationalem Hintergrund attraktiv. Unsere Zielgruppe ist das Kernsegment der vermögenden Privatpersonen. Da wir unsere Res- Interview 10 sourcen sinnvoll einsetzen müssen, konzentrieren wir uns auf die drei Schlüsselländer Ägypten, Kenia und Südafrika. Herr Rossi, wie hat sich der Private-Banking-Sektor in Russland entwickelt, seit die Bank Julius Bär in dieser Region eingestiegen ist? Rossi: Diese grosse, fragmentierte Region verzeichnet weiterhin unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen. Geopolitische Spannungen und regulatorische Probleme beeinträchtigen das Kundenverhalten und den allgemeinen Geschäftsausblick. Dank unserem wachsenden Ansehen als einer der führenden Vermögensverwalter in der Region ist es uns aber gelungen, im ersten Halbjahr 2015 wieder solide Nettoneugeldzuflüsse zu erwirtschaften. Es gibt jedoch einige Risiken, weshalb wir Vorsicht walten lassen müssen. In Russland gibt es keinen grossen inländischen PrivateBanking-Sektor. Die meisten Transaktionen werden von Gian A. Rossi «In Deutschland sind wir der erste im Inland operierende Akteur mit einem reinen Private-Banking-Modell gewesen. Dadurch stechen wir in puncto Wachstum und Geschäftserfolg aus der Masse heraus. Deutschland ist innerhalb Europas einer der attraktivsten Märkte für Vermögens verwaltungsdienstleistungen.» Gian A. Rossi Geschäfts- und Investmentbanken abgewickelt. Das von russischen Anbietern bereitgestellte Private Banking beschränkt sich meist auf Concierge-Dienstleistungen wie die Ausgabe spezieller Kreditkarten. Das Vermögen ist mittlerweile aber viel breiter gestreut. So haben sich in den letzten Jahren in verschiedenen Regionen kleine und mittlere Unternehmen entwickelt. Früher waren diese auf Moskau konzentriert, heute ist das nicht mehr der Fall. Zudem tauchen diese neuen Firmen in allen möglichen Sektoren von der Ernährung bis hin zur Gesundheitspflege auf. Russland ist auch viel internationaler geworden. So verfügen manche Kunden beispielsweise über einen zweiten Wohnsitz im Ausland und halten Anlagen in Asien oder in Südamerika. Dies ist ein typischer Trend für einen in der Vergangenheit recht abgeschotteten Markt. Welches sind die grössten Hürden in Russland? Rossi: Der all gemeine Geschäftsausblick wird durch geopolitische und regulatorische Probleme getrübt, wie zum Beispiel die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine. Ich glaube jedoch, dass ein Rahmen für eine Verbesserung der Beziehungen in Sicht ist. Der Ton hat sich bereits etwas verändert, doch die Situation bleibt a ngespannt. Als global tätige Bank sind wir verpflichtet, das internationale Recht zu achten. Gleichzeitig müssen wir unseren Kunden signalisieren, dass wir auch in schwierigen Zeiten für sie da sind. Das ist herausfordernd, aber möglich. Was kann oder soll die Bankenbranche tun, um ihre Position global zu stärken? Rossi: In den letzten Jahren wurde die öffentliche Meinung durch die Verfehlungen einiger schwarzer Schafe geprägt, was der ganzen Branche harsche Kritik eingebracht hat. In allen Ländern ist und bleibt dieser Wirtschaftszweig aber eine wichtige Säule. Solange Waren gegen Geld getauscht werden, spielen Banken innerhalb der wirtschaft lichen Wertschöpfungskette eine bedeutende Rolle. Es ist wichtig, dass sie ihren einstigen Ruf wiedererlangen – als vertrauenswürdige Institutionen mit gut ausgebildeten Mitarbeitenden, die Geschäfte transparent durchführen. Wir legen grossen Wert auf unsere internen Ausbildungsprogramme, die wir auf allen Unternehmensebenen durchführen. In der Schweiz setzen wir auch künftig auf die Banklehre als Ausbildungsinstrument. Wir sind überzeugt, Jugendlichen so praktische Erfahrungen zu vermitteln. Das erstklassige Berufsbildungssystem in der Schweiz bildet die Voraussetzung, um jungen Leuten neben dem fachlichen Handwerk die ethischen Grundlagen des Bankgeschäfts zu vermitteln. Meiner Ansicht nach sollten die Banken auch mehr in Kundenschulungen investieren und die wissenschaftliche Erforschung neuer Entwicklungen im Finanzsektor unterstützen. Letztendlich wird uns dies dabei helfen, den positiven Aspekten des Bankgeschäfts in der Öffentlichkeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Bersier: Ich bin auch der Meinung, dass wir die Bankenbranche attraktiver machen müssen. Vor 40 Jahren war es eine Ehre, in einer Bank zu arbeiten. Das hat sich jedoch im Zug der Finanzkrise gewandelt und wird sich nicht von heute auf morgen rückgängig machen lassen. Doch die Mitarbeitenden prägen das Gesicht der Branche. Mit ihrer Professionalität und ihrer Vertrauenswürdigkeit werden sie das Image wieder ins Positive kehren. Der Schweizer Bankensektor hat sich in den letzten zehn Jahren vor allem darauf konzentriert, profilierte Fachleute zu rekrutieren, um den Bedarf in bestimmten Marktsegmenten zu decken. Es ist zwar wichtig, die richtigen Leute für die richtigen Positionen zu finden. Gleichzeitig hätte aber der Mitarbeiterausbildung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Julius Bär wird auch künftig in junge Leute investieren, die diesen Beruf lernen möchten. Wie wichtig sind die 125-jährige Geschichte und die Schweizer Wurzeln von Julius Bär für bestehende und potenzielle Kunden? Bersier: Seit 200 Jahren gründet das Schweizer Bankensystem auf Qualität und Stabilität. Der rechtliche und der politische Rahmen in unserem Land, der starke Schweizer Franken und die qualifizierten Angestellten im Finanzsektor sind die Zutaten zum Erfolg des Schweizer Bankensystems. Das sind auch einige der Faktoren, die unsere Bank attraktiv machen. Dank diesem Umfeld können wir schnell auf die Bedürfnisse unserer Kunden reagieren. Diese Werte werden von den Kunden sehr geschätzt. Die DNA des Schweizer Bankwesens wird auch künftig eine sehr wichtige Rolle spielen, um unsere Marke und unsere Dienstleistungen in den verschiedenen Märkten zu positionieren. Rossi: Es ist wichtig, historische Wurzeln zu besitzen. In den letzten 125 Jahren durchlebte Europa turbulente Zeiten. Aber kein Sturm brachte Julius Bär ins Wanken, nicht einmal die beiden Weltkriege. Das verdanken wir den positiven Auswirkungen unseres konservativen Ansatzes, den wir konsequent verfolgen. Er schafft die Stabilität und die Verlässlichkeit, die wir unseren Kunden bieten. 11 Interview VORREITER: Wie Marktpioniere von ihrem Vorsprung profitieren Auf jede Erfolgsstory eines schillernden Wirtschaftspioniers kommen zahllose Geschichten unbekannter Akteure, die mit ihrer Geschäftsidee gescheitert sind. Trotzdem liegt es in der menschlichen Natur, dass wir ständig die Herausforderung suchen – mit dem Ziel, uns neue Welten und neue Chancen zu erschliessen. Wie schaffen es die erfolgreichen Pioniere, Geschäftsgelegenheiten ausfindig zu machen und zu ergreifen? Und was muss ein Unternehmen tun, um die richtige Idee zur richtigen Zeit umzusetzen? Autorin: Janet Anderson Ist es von Natur aus vorteilhaft, Erster zu sein? Die Idee hat etwas für sich. Wer als Forscher, Erfinder, Sportler oder Spieler die Nase vorn hat, hofft, dadurch die Konkurrenz auszustechen. Den Mitbewerbern bleibt dann nur die undank bare Verfolgerrolle. Das Konzept dahinter ist alt und stammt aus der Kriegsführung. So sagte der chinesische Militär stratege Sun Tzu bereits im 6. Jahrhundert vor Christus: «Generell gilt: Wer als Erster das Schlachtfeld besetzt und den Feind erwartet, kann beruhigt sein. Wer hingegen später eintrifft und sich in den Kampf stürzt, ist im Nachteil.» In den 80er-Jahren floss diese Idee unter dem Schlagwort «First-Mover-Vorteil» in die Wirtschaft ein, wo sie nach und nach zu einer Marketingstrategie weiterentwickelt wurde. Ihr lag die Hypothese zugrunde, dass Pionierunternehmen, die ein neues Geschäftsterrain ausloten, viele Vorteile haben: Sie können den Markt neu definieren, bevor andere das Gewinnpotenzial entdeckt haben, und Verteidigungsmassnahmen gegen nachfolgende Angriffe aufbauen. In den Wirtschaftsuniversitäten wird heute nur noch selten Bezug auf die Kriegsführung genommen. Der Relevanz des First-Mover-Vorteils tut dies aber keinen Abbruch, herrscht doch weiterhin die Überzeugung vor, Unternehmen sollten nach neuen, unbekannten Gewässern Ausschau halten, wo das Wasser noch blau ist und alles möglich scheint. So vermeiden sie haifischverseuchte Gefilde, in denen ein ruinöser Wettbewerb herrscht und neu hinzu kommende Marktteilnehmer aller Wahrscheinlichkeit nach geschluckt werden. Hartnäckig hält sich die Idee, dass Unternehmen, die sich einen Markt als Erste erschliessen, die grössten Erfolgs chancen haben. Aber trifft das auch immer zu? 1988 ver öffentlichten die Professoren Marvin B. Lieberman und David B. Montgomery an der Stanford Graduate School of Business eine wegweisende Publikation über den First- Mover-Ansatz. Darin untersuchten sie, worin genau der Vorteil der Marktpioniere gegenüber ihren Mitbewerbern besteht. Ausserdem ermittelten sie die Rahmenbedingungen, unter denen dieser Trumpf zur Geltung kommt. Zu guter Letzt stellten sie eine ebenso wichtige Frage: Wann ist es besser, nicht sofort selbst loszulegen, sondern abzuwarten und Konkurrenten die Pionierinvestitionen tätigen zu lassen? Vorsprung gewinnen Lieberman und Montgomery untersuchten, wie sich Pionierunternehmen einen Vorsprung erarbeiten können, und kamen zu folgendem Ergebnis: «Ein First-Mover-Vorteil lässt sich vor allem auf drei Wegen erzielen: (1) Tech nologieführerschaft, (2) frühzeitiger Ressourcenerwerb und (3) hohe Umstellungskosten für die Käufer.» Erster in einer neuen Technologie zu sein, eröffnet einem Unternehmen die Möglichkeit, einen Kompetenzvorsprung zu erreichen. Ausserdem kann es sich knappe Ressourcen sichern und somit den Marktzugang für später hinzukommende Mit bewerber erschweren. Zudem kann die Firma schon früh VORREITER 14 einen Stamm von Kunden aufbauen, denen ein späterer Anbieterwechsel womöglich zu umständlich oder zu teuer ist. Der frühzeitige Ressourcenerwerb ist ein guter Ausgangspunkt. Ein intelligentes Unternehmen, das die künftige Marktentwicklung voraussieht, besitzt die Möglichkeit, Immobilien, Rohstoffe oder sogar Regalflächen zu einem relativ niedrigen Preis zu kaufen. Denn die Konkurrenz hat noch nicht realisiert, in welche Richtung sich der Markt bewegt. Lieberman und Montgomery führten den international agierenden US-Einzelhändler Walmart als gutes Beispiel an. Unternehmensgründer Sam Walton erkannte als Erster das Gewinnpotenzial, das der Bau von Supermärkten in Kleinstädten der US-Südstaaten versprach – ein Geschäft, das aus Sicht seiner Mitbewerber unprofitabel war. Doch Walton entwickelte ein effizienteres Vertriebsnetz und ein effizienteres Einzelhandelssystem als seine Konkurrenten. «Die Dotcom-Ära war eine interessante Zeit. Man war überzeugt, der Schnellste gewinne am Ende alles.» Professor Marvin B. Lieberman Entscheidend aber war, dass er die Einsparungen an die Konsumenten weitergab und somit zum Vorreiter eines neuen Geschäftsmodells avancierte. Dieses bestand darin, durch den Billigverkauf von Produkten höhere Umsatz volumen bei niedrigerer Gewinnmarge zu generieren. Indem Walmart seine Mitbewerber unterbot und die Waren dauerhaft zu Tiefpreisen verkaufte, errang das Unternehmen eine Führungsposition. In der Folge kopierten Einzelhandels konzerne rund um den Globus mit Erfolg das Modell des USEinzelhändlers. Trotzdem gelang es Walmart, den später eintretenden Konkurrenten die Stirn zu bieten, indem die Firma weiter beharrlich auf Effizienz und niedrige Preise setzte. Das Beispiel zeigt: Einen Anfangsvorsprung zu erringen, ist eine Sache, diesen später zu verteidigen, eine ganz andere. Im Technologiesektor, der durch schnellen Wandel und permanente Umbrüche geprägt ist, kann es helfen, der Erste zu sein. Dies reicht aber nur selten aus, um auch langfristig die Nase vorn zu haben. Die Vorteile eines Pionier unternehmens liegen auf der Hand: Wer als Vorreiter eine neue Technologie entwickelt und nutzt, hat mehr Zeit als die nachkommenden Marktteilnehmer, um Fachwissen aufzubauen und zu verinnerlichen. Dieses Know-how führt dann unter Umständen zu niedrigeren Kosten. In einigen Branchen wie der Pharmaindustrie kann dies entscheidend sein, um den Patentwettlauf zu gewinnen und sich die Eigentumsrechte an der Nutzung der neuen Technologie zu sichern. «Lernkurven können hohe Markteintrittsbarrieren darstellen. Womöglich ist nicht einmal eine Hand- voll Unternehmen in der Lage, profitabel zu konkurrieren», so Lieberman und Montgomery. Patente und Lernkurven können die Flut aber nur für begrenzte Zeit abhalten, wenn ein profitabler neuer Markt erschlossen worden ist. Denn das Wissen sickert schnell durch, neue Erfindungen lassen sich rekonstruieren, und clevere Konkurrenten können Mittel und Wege finden, um ein Patent zu umgehen. General Electric (GE) ist ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das sich einen technologischen Vorsprung in verschiedenen zentralen Bereichen erarbeitet hat, diesen durch Patente absichern konnte und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum gewachsen ist. Das Fundament für die Unternehmensgründung bildeten die Erfindungen von Thomas Edison, allen voran die Glühbirne. GE hält bis heute in vielen ihrer unterschiedlichen Geschäftseinheiten die Führungsposition inne. Das Erfolgsrezept bestand darin, innovative Ideen schnell marktfähig zu machen und neue Technologien in zuverlässigen Produkten umzusetzen. Patente haben GE dabei vor der Konkurrenz geschützt. Erfolgsentscheidend waren aber letztlich die Geschäftsstrategie und der Kundenfokus des Unternehmens. Wie wertvoll ist ein früher Erfolg? Als in den 90er-Jahren der Internet-Boom um sich griff, war die Welt wie in einem Goldrausch. Das Internet wuchs unaufhörlich und offenbarte sein riesiges Potenzial. Immer mehr Unternehmer liessen sich von der Begeisterung für die neue Technologie anstecken und hatten dabei den First- Mover-Vorteil vor Augen. «Die Dotcom-Ära war eine interessante Zeit», meint Lieberman heute. «Man war überzeugt, der Schnellste gewinne am Ende alles.» Es ging zu wie bei einer Landnahme: Jedes Unternehmen wollte die P ionierrolle spielen und schnell gross werden. Doch nicht allen gelang dies, und viele Firmen scheiterten. Als im Jahr 2000 die Dotcom-Blase platzte, schlossen einige Beobachter daraus, der First-Mover-Vorteil sei eine Illusion. Es lohnt sich, zurückzuschauen und die Vorgänge genauer zu beleuchten. 2007 nahm sich Lieberman des Themas wieder an und stellte die Frage: «Hat der FirstMover-Vorteil den Dotcom-Crash überlebt?» In einem Aufsatz mit diesem Titel untersuchte er eine breite Palette von Internet-Märkten und -Unternehmen und fand heraus: So- fern nicht bestimmte andere Schlüsselfaktoren vorlagen, war nur ein minimaler First-Mover-Vorteil zu erkennen. Ausserdem zeigte sich, dass viele der noch heute bestehenden Internet-Riesen streng genommen keine Marktpioniere waren. «Einige First Movers wie Amazon und eBay wurden tatsächlich erfolgreich», so Lieberman, seit 2001 Professor of Policy an der UCLA Anderson School of Management. «Bei anderen wie Google, Facebook und Apple handelte es sich indes ausnahmslos um Nachfolger.» Vielfach tätigten die Pionierunternehmen die erforder lichen Investitionen in die Information der Käufer und die Infrastruktur, um dann von den «Fast Followers» überholt zu werden. Als Trittbrettfahrer profitierten diese schnell reagierenden Nachfolger von der harten Arbeit der Pioniere, die den neuen Markt etabliert hatten. Im Rückblick wird deutlich, wie «Intelligente, schnell reagie rende Nachfolger beobachten, wie die Marktvorreiter ver schiedene Dinge ausprobieren, um dann selbst das richtige Rezept zu entwickeln.» Professor Marvin B. Lieberman einige namhafte Firmen den Dotcom-Crash überlebt haben. Wie ihre Vorgänger aus dem analogen Zeitalter hatten sie Spitzentechnologien entwickelt und behaupteten ihre Füh rungsposition, indem sie sich ihre Innovationen patentieren liessen und immer einen Schritt voraus waren. Aus heutiger Sicht hält Lieberman Amazon mit seiner patentierten 1-KlickTechnologie für ein Paradebeispiel eines Marktpioniers. «Es gab andere Buchhändler, die bereits vor Amazon online waren», sagt er. «Aber Amazon-Gründer Jeff Bezos sah, welche Chancen der Internet-Einzelhandel bot. Er entschied sich, bei Büchern anzusetzen. Im Lauf der Zeit entwickelte sich Amazon weiter und baute seine Einzelhandelspräsenz aus. Heute ist das Unternehmen ein globaler Supermarkt. Bezos hatte einen Plan und suchte systematisch nach dem 15 VORREITER richtigen Ausgangspunkt. Er fand ihn auf dem Buchmarkt, der ihm als perfekter Brückenkopf diente.» Der Erfolg von eBay, so Lieberman, beruhe auf einer optimalen Ausnutzung von Netzwerkeffekten. Diese treten auf, wenn der Wert eines Produkts für den einzelnen Benutzer mit zunehmender Nut zerzahl steigt. Im Zug der schnellen Expansion des Internets bildeten Netzwerkeffekte den Schlüssel zum Erfolg. Die Online-Auktionsplattform eBay wurde mit zunehmender Grösse immer attraktiver. Denn je mehr Bieter es gibt, desto grösser ist die Chance der Verkäufer, h öhere Preise durch zusetzen. Dies zieht wiederum weitere Verkäufer an, was wiederum die Anzahl der Bieter erhöht. So entsteht ein positiver Kreislauf. Lieberman betitelt eBay als «Marktmacher». Seiner Ansicht nach profitiert auch der neue Fahrdienstvermittler Uber von Netzwerkeffekten. «Die Passagiere wählen den Vermittler mit den meisten Autos, weil sie so am schnellsten mitgenommen werden. Und die Fahrer schliessen sich am liebsten dem Service mit den meisten Passagieren an, weil sie dort am wenigsten lange warten müssen. Dank innovativer Technik ist Uber in der Lage, dies zu bewerkstelligen.» Doch wird es Uber gelingen, wie eBay seinen First-Mover-Vorteil zu verteidigen? Lieberman ist skeptisch: «In Los Angeles gibt es neben Uber bereits eine zweite App mit einem ähnlichen Service (Lyft), und es ist leicht, den Anbieter zu wechseln. Uber mag zwar technologisch derzeit noch überlegen sein. Es kann aber gut sein, dass die anderen Akteure bald aufholen.» Technologische Überlegenheit allein reicht bei Weitem nicht aus. Bezos selbst hat Amazons Erfolg als Marktpionier einem anderen Faktor zugeschrieben. Dieser geht auf die Ära des traditionellen Einzelhandels zurück, in der das Internet noch keine Rolle spielte. Amazon ging ähnlich wie Sam Walton mit Walmart vor und stellte den Kunden in den Mittelpunkt seiner Geschäftsstrategie. «Wenn Sie sich auf Ihre Konkurrenten konzentrieren», sagte Bezos 2008 gegenüber dem Nachrichtenmagazin «US News», «müssen Sie darauf warten, dass ein Mitbewerber etwas tut. Sind Sie dagegen kundenorientiert, können Sie eher eine Pionierrolle übernehmen.» Kurs halten Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Faktor, nämlich das Durchhaltevermögen. «Die ersten Akteure machen viele Fehler», so Lieberman. Um erfolgreich zu sein, braucht es Widerstandsfähigkeit. Bezos sprach von der notwendigen Bereitschaft, auch mehrmaliges Scheitern hinzunehmen. Selbst dann müsse man weiter experimentieren und nach den richtigen Lösungen suchen. Der britische Erfinder und Unternehmer Sir James Dyson benötigte nach eigenen Angaben mehr als 5000 Prototypen und fünf Jahre Zeit, um seinen ersten beutellosen Staubsauger zu entwickeln. Dieses kontinuierliche Experimentieren ist aber teuer. Und wer sich auf einen neuen, unsicheren Markt einlässt, geht ein hohes Risiko ein. Angesichts der atembe- VORREITER 16 raubenden Geschwindigkeit, mit der sich der technologische Wandel heute vollzieht, graben Nachfrageverschiebungen einem Marktpionier sehr schnell das Wasser ab. Deshalb können sich nur grosse Unternehmen mit genügend Ressourcen das Experimentieren leisten. Oder ist es vielleicht besser, als Nachfolger dem Marktpionier im Nacken zu sitzen? Oft hilft eine Mischung aus beidem. Nicht alles funktioniert auf anhieb «First Movers machen nur sehr selten auf Anhieb alles richtig», meint Lieberman. «Intelligente, schnell reagie rende Nachfolger beobachten, wie die Marktvorreiter ver schiedene Dinge ausprobieren, um dann selbst das richtige Rezept zu entwickeln.» Revolutionäre Innovationen, die bestehende Technologien verdrängen, können eine Branche derart umwälzen, dass etablierte Unternehmen nur mit Mühe Schritt halten. Diese haben aber die Möglichkeit, als gewiefte, aggressive Nachfolger zu punkten. «Als Apple den iPod lancierte, gab es bereits MP3-Player auf dem Markt», so Lieberman. «Steve Jobs erkannte aber, welches Potenzial sich durch eine Verbindung mit dem Mac bot – also durch die Nutzung der bestehenden Fähigkeiten von Apple.» Das Internet hat die Möglichkeit geschaffen, verschiedene Technologien miteinander zu verknüpfen. Dadurch sind Netzwerkeffekte wichtiger denn je geworden. Sie beruhen nicht nur auf der Nutzung des eigentlichen Produkts, sondern auf dem gesamten Netzwerk der damit verbundenen Dienstleistungen und Produkte. Bringt das Gesamtpaket klare Vorteile, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbraucher zu einem Konkurrenzangebot wechseln. Vor allem, wenn sie sich mit neuen Systemen vertraut m achen und Gewohnheiten ablegen müssten. Auf dem stetig wachsenden Markt für Verbrauchertechnologien bremsen die Umstellungskosten jene Anbieter erheblich aus, die später auf den Markt drängen. Apple ist es jedoch gelungen, sich diesen Faktor zunutze zu machen. Die Kalifor- nier verorteten ihre Produkte in einem kompletten Ökosystem von miteinander verbundenen Angeboten. Hat ein Konsument erst einmal in dieses Ökosystem investiert, ist ein Wechsel nur noch unter Schmerzen möglich. Welches sind die Erfolgsfaktoren auf einem neuen Markt? Benötigt man die sich ergänzenden Marketing-, Vertriebsund Herstellungskapazitäten eines etablierten Unternehmens, um die Produktion schnell und effizient zu steigern? Wurde der First-Mover-Vorteil völlig überschätzt? Das könne man so nicht sagen, meint Lieberman. «Für ein kleines Startup-Unternehmen besteht eine erfolgversprechende Strategie darin, sein Terrain abzustecken und zu verteidigen. Viele dieser Firmen werden dann von etablierten Anbietern auf gekauft. Dadurch kann eine Win-win-Situation entstehen», ergänzt er und führt Instagram als gutes Beispiel an. Das Unternehmen wurde im Oktober 2010 als kostenloser, über eine App nutzbarer Online-Dienst zum Teilen von Fotos und Videos gegründet. Nachdem der Service an Popularität gewonnen hatte, wurde er 2012 von Facebook aufgekauft. Er wuchs auch unter dem neuen Eigentümer weiter und zählte im Dezember 2014 mehr als 300 Millionen Nutzer. «Die Erfolgsgeschichte eines Marktpioniers kann eben auch so aussehen», erklärt Lieberman. vielleicht ist es damit ja erfolgreich.» Google besitzt (zumindest nach der Internet-Zeitrechnung) eine lange Tradition darin, Dinge zu tun, für die es keine Erfahrungswerte gibt. Kurz nach der Jahrtausendwende stieg seine Popularität rapide. Das Unternehmen reagierte darauf, indem es in beispiellosem Tempo seine Innovationen vorantrieb und die Infrastruktur ausbaute. Dabei erfand es seine Internet-Suchund Datenspeicherprozesse immer wieder neu. Erst kürzlich veröffentlichte die Wirtschaftswissenschaftlerin Linda Hill zusammen mit ihren Co-Autoren Greg Brandeau, Emily Truelove und Kent Lineback das Buch «Collec tive Genius». Darin beschreibt Bill Coughran, der von 2003 bis 2011 Senior Vice President of Engineering bei Google war, wie anspruchsvoll der Aufbau eines permanent innovationsfähigen Unternehmens ist. «Unsere Arbeit war damals weltweit einzigartig», sagte er im Gespräch mit Hill und ihren Co-Autoren. «Wenn ein Problem auftauchte, konnten wir uns nicht einfach auf dem Markt umschauen und eine Lösung kaufen. Wir mussten sie selbst entwickeln.» Coughran war angewiesen auf ein visionäres Team mit einer Unternehmenskultur, die bereit war, sich dieser Herausforderung immer wieder zu stellen. Ohne eine Portion Glück geht es nicht «First Movers machen nur sehr selten auf Anhieb alles richtig.» Schliesslich spielt bei all dem aber ein weiterer Faktor eine Schlüsselrolle: das Glück. Inwieweit der Erfolg eines Markt pioniers auf seinem aussergewöhnlichen Weitblick oder auf reinem Glück beruht, ist schwer zu sagen. Die Frage lässt sich aber im Nachhinein einfacher beantworten. Ob ein PioProfessor Marvin B. Lieberman nierunternehmen überlebt und floriert, hängt eben nicht nur von seiner Genialität ab. Vielmehr spielen auch externe Faktoren eine Rolle, die sich seiner Kontrolle entziehen – etwa Womöglich stellt Google die Ausnahme von der Regel gesellschaftliche Veränderungen, welche die Märkte radikal dar. Google ist natürlich nicht die erste Suchmaschine ge und unerwartet umwälzen können. wesen, sondern eher der klassische Typ eines schnell reagie- Aus der Dotcom-Ära lässt sich laut Lieberman lernen, renden Nachfolgers. Als textbasierte Suchmaschinen waren dass es den idealen Zeitpunkt für den Markteintritt nicht AltaVista und Netscape schon früher im Geschäft. Google gibt. Vielmehr hängt alles von den Merkmalen des ent spielte erst gegen Ende der 90er-Jahre eine prominente R olle. stehenden Markts sowie von den Fähigkeiten und den ResSeitdem jedoch dominiert das Unternehmen die Internet- sourcen des betreffenden Unternehmens ab. Setzt sich ein Suche, während die Erinnerung an die Marktpioniere ver- Unternehmen dem Markt zu früh aus, ohne die nötigen Resblasst. Das Interessante bei Google ist, dass sich der Konzern sourcen zur Überwindung der Anfangsschwierigkeiten zu längst nicht mehr auf die Internet-Suche beschränkt. Viel- besitzen, geht es wahrscheinlich unter – oder wird von einem mehr sieht er sich nach neuen Geschäftschancen um, etwa im grösseren Fisch geschluckt. Wartet das Unternehmen ab Bereich «Augmented Reality»-Kopfhörer oder in der Robotik und springt auf den Zug auf, wenn der Markt reif g enug ist, und sogar bei Therapien für altersbedingte Krankheiten. muss es dies früh genug tun. Ansonsten ist jeglicher Vorteil Etablierten Firmen mangelt es tendenziell an der Fähig- vertan. Reagiert es zu spät, erliegt es als Nachfolgerunterkeit und der notwendigen Mentalität, um radikale Innovatio- nehmen sofort den Attacken der etablierten Konkurrenten. nen voranzutreiben. Deshalb sind sie in der Frühphase oft Eines ist aber nach wie vor klar: Neben Glück benötigt weniger effektiv als kleinere Start-ups. Bei Google könnte die jeder Marktpionier die richtige Technologie. Gleichzeitig Sache allerdings anders liegen. «Das Unternehmen dringt muss er in der Lage sein, sich die besten Ressourcen zu auf alle möglichen neuen Gebiete vor und könnte irgendwo sichern und die Kunden an sich zu binden. «Wenn Sie über zum Marktpionier avancieren», meint Lieberman. «Es tut diese Voraussetzungen verfügen und darüber hinaus noch das, was etablierte Unternehmen eigentlich gewöhnlich nicht Netzwerkeffekte erzielen können», so Lieberman, «haben Sie tun sollten. Aber es ist eine aussergewöhnliche Firma – und eine gute Chance.» 17 VORREITER Macht Vernetzung unsere Welt besser? Die Vernetzung der Welt schreitet unauf hörlich voran. In den kommenden Jahren werden mehrere Milliarden Menschen neu online gehen. Welche Chancen bieten die neuen Kommunikationstechnologien und wie können sie zur Lösung einiger unserer grössten Probleme beitragen? Wo liegen die Gefahren? Jared Cohen, Direktor von Google Ideas und früherer Berater des US-Aussenministeriums, hat auf seinen Reisen in zahlreiche Bürgerkriegsländer versucht herauszufinden, wie und für welche (guten oder schlechten) Zwecke neue Technologien genutzt werden. Hier spricht er über die innenpolitische Bedeutung dieser Technologien und ihre Auswirkungen auf internationale Beziehungen. Interview: Michèle Bodmer Sie haben gesagt, das Internet sei eines der wenigen Dinge, die der Mensch geschaffen hat, aber nicht wirklich versteht. Wie meinen Sie das? Das von uns erschaffene System generiert so viele Innovationen, dass wir Mühe haben, Schritt zu halten. Wir ent wickeln Hard- und Software, ohne zu wissen, wofür diese letztlich genutzt wird. Der Technologiesektor hat sich einer Vorgehensweise verschrieben, die man «launch and iterate» nennen könnte: Man erfindet eine tolle Technologie, die ein Problem lösen kann; man führt das noch unfertige Produkt ein und entwickelt es dann kontinuierlich anhand der Rückmeldungen aus der Praxis weiter. So erschaffen wir Produkte, deren Anwendung nicht von vornherein feststeht. Auf diese Weise entstehen aber auch disruptive Technologien − also Innovationen, die vorhandene Technologien verdrängen. Nehmen wir beispielsweise die digitalen Zahlungsmittel: Wir wissen immer noch nicht genau, in welche Richtung sich dieses System entwickeln wird. Wir wissen, dass diese Zahlungsmittel reguliert und unreguliert sein können. Wir wissen, dass die Technologie dahinter sehr ausgeklügelt ist und einen echten Wert hat. Und wir wissen, dass sie nicht nur von gesetzestreuen Bürgern, sondern auch von Kriminellen genutzt wird. Was aber tun wir? Wir diskutieren Nutzen und Kosten. Meiner Ansicht nach sollten wir uns auf die Frage konzentrieren, wie wir den Missbrauch verhindern können, und uns von da zum Anfang vorarbeiten. Sie beschreiben das Internet als den weltweit grössten unregulierten Raum. Was heisst das? Die Staaten haben schon genug Probleme mit der Umsetzung von Rechtsvorschriften in der physischen, realen Welt. Wenn aber bald nicht mehr nur eine Minderheit, sondern die Mehrheit ihrer Bürger online ist, wird die Aufgabe noch schwieriger. Das Bemühen um Kontrolle wird wahrscheinlich zu einer Balkanisierung des Internets führen. Wir erleben das heute schon auf einzelstaatlicher Ebene, denn das Internet sieht in jedem Land anders aus. Die Unterschiede zeigen sich in drei Ausprägungen: Da gibt es erstens die politisch korrekten Staaten wie etwa Deutschland oder die USA. Beide halten Meinungsfreiheit hoch, legen aber in Bezug auf Nazi-Hetzreden zum Beispiel unterschiedliche Massstäbe an: In Deutschland werden VORREITER 18 19 VORREITER Hasstiraden von Neonazis aus dem Netz gefiltert, in den USA nicht. Dann gibt es noch die «Wölfe im Schafspelz». Das sind Länder wie Russland und die Türkei, die beispielsweise Inhalte von Oppositionellen aus Gründen wie angeb lichem Kindesschutz herausfiltern. Sie wenden Rahmengesetze an, die es ihnen leicht machen, gegen ihre politischen Gegner vorzugehen. Und schliesslich gibt es noch die Un verhohlenen – Staaten wie China und Iran, die ganz offen Inhalte filtern und zensieren. Grundsätzlich aber versuchen Staaten in unserer multidimensionalen Welt die Kontrolle zu behalten, indem sie Allianzen bilden. Gleichgesinnte Nationen tun sich zusammen, um auf der Basis gemeinsamer Werte und Normen das Web zu bearbeiten. Zwei Cyber-Supermächte werden die Szene in Zukunft beherrschen: die USA und China, denn beide ver fügen über die für den Aufbau einer weltweiten Infrastruktur nötigen Ressourcen. Einige Länder – die Demokratien – «Die Staaten haben schon genug Probleme mit der Umsetzung von Rechtsvorschriften in der physischen, realen Welt. Wenn aber bald nicht mehr nur eine Minderheit, sondern die Mehrheit ihrer Bürger online ist, wird die Aufgabe noch schwieriger. » Jared Cohen erden naturgemäss eher zu amerikanischen Unternehmen w tendieren, andere – die Autokratien – werden sich eher an China halten. Und dazwischen gibt es eine Reihe von Staaten, die noch zur Disposition stehen. Hier nimmt das geopolitische Spiel seinen Lauf, wenn die USA und China sich um die Vormacht streiten. Terroristische Vereinigungen beweisen, dass die digitale Welt sehr effektiv genutzt werden kann, um junge Menschen über soziale Netzwerke zu rekrutieren und zu radikalisieren. Was wissen wir über ihre Vorgehensweise? Der IS ist die erste Terrorgruppe, die sich auf physischem und auf digitalem Terrain bewegt. Im Irak und in Syrien beherrscht der IS Landstriche, die so gross sind wie Grossbritannien. In der digitalen Welt ist der IS auf zahlreichen Plattformen aktiv. Die Gruppe nutzt Messenger-Dienste wie Wickr, Telegram und WhatsApp, soziale Netzwerke wie Facebook, Videoplattformen wie YouTube und Microblogs wie Twitter. IS-Kämpfer verwenden eine App namens Kik, um ihre Mobiltelefone wie Funkgeräte nutzen zu können. Aber das sagt noch nicht viel darüber aus, wie effektiv der IS online ist. Es sagt nur etwas über seine Standorte aus. Erfahren wir vielleicht mehr, wenn wir etwas tiefer bohren und VORREITER 20 uns fragen, wer der IS eigentlich ist? Wir unterscheiden verschiedene Arten von feindlichen digitalen Kämpfern: Eine digitale Kerngruppe betreibt private Konten und verfasst Inhalte. Diese werden an die breite Masse verteilt: IS-Mit glieder mit öffentlichen Konten. Diese Gruppe leitet den Content schliesslich weltweit weiter an eine breite Basis von Unterstützern. Wie können wir gegen diese Bedrohung vorgehen? Um zu erkennen, wie man den IS online besiegt, müssen wir nicht wissen, wo oder gar wer dessen Online-Anhänger sind. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie es möglich ist, dass sie ein derart grosses digitales Terrain besetzen können. Der IS nutzt Trolle, um Zehntausende gefälschter Konten auf verschiedenen Plattformen zu verbreiten. Er programmiert Software für die automatische Verwaltung dieser Konten. Ausserdem hält er nicht veröffentlichte Konten in Reserve, um sie bei Bedarf zu nutzen. Zudem setzt der IS eine Taktik ein, die man Hashtag Bombing nennt: Er fordert seine Unterstützer und die automatisierten Accounts auf, zur gleichen Zeit unter demselben Hashtag zu posten, um bestimmte Themen nach vorn zu bringen. Wie kann man das verhindern? Die übliche Methode − Gegendarstellungen − bringt uns nicht weiter. Wir müssen vielmehr nach Möglichkeiten suchen, die uns erlauben, auf Augenhöhe zu agieren und zu verhindern, dass der IS sich weiter online verbreitet. Dazu braucht es neue Ansätze, um ihm den Zugriff auf Plattformen zu verweigern. Wir können den Moderatoren verschiedener Plattformen durch maschinelles Lernen dabei helfen, ihre Content-Regeln effektiv durchzusetzen und extremistische, gewaltverherrlichende Beiträge aus ihren Foren zu verbannen. Wir können Social Graphs − die Darstellung sozialer Beziehungen − in das System einführen, damit IS-Aspiranten ein hohes Risiko fürchten müssen, wenn sie sich offen online zu erkennen geben. Und wir können die Stimmen ehemaliger militanter Extremisten für gezielte Gegenwerbung nutzen. Sie sagen, Staaten bräuchten innen- und aussenpolitische Strategien sowohl für die physische als auch für die virtuelle Welt. Diese Strategien würden sich aber auch widersprechen. Wie ist das zu verstehen? Am besten versteht man das Dilemma, indem man sich die Beziehungen zwischen den USA und China anschaut. In der realen Welt ist die Beziehung zwischen den beiden Staaten komplex, dennoch sind sie Partner: Sie führen Handel, machen Geschäfte miteinander, verhandeln auf militärischer und politischer Ebene usw. In der digitalen Welt ist die Beziehung zwischen den beiden Staaten aber feindlicher als jene zwischen den USA und Nordkorea in der physischen Welt. Die USA und China befinden sich virtuell in einem permanenten Kriegszustand, sie greifen einander täglich mit massiven kinetischen Attacken an. Während ihre Aussenpolitik in der realen Welt durchaus als kooperativ und freundlich gelten kann, ist sie in der digitalen Welt feindlich. «Die Hemmschwelle für digitale Attacken ist sehr viel niedriger als die für einen physischen Angriff, aber es gibt einen Punkt, an dem die Angriffslust in beiden Welten gleich gross ist.» Jared Cohen Da liegt das Problem: Was in der einen Welt passiert, wirkt sich auch auf die andere aus. Selbst wenn zwei Staaten in der physischen und in der virtuellen Welt unterschiedliche Strategien verfolgen − sie sind noch immer zwei Staaten. Die Frage lautet also: Ab wann ist ein digitaler Angriff so gravierend, dass er eine Reaktion in der realen Welt provoziert? Die Hemmschwelle für digitale Attacken ist sehr viel niedriger als die für einen physischen Angriff, aber es gibt einen Punkt, an dem die Angriffslust in beiden Welten gleich gross ist. Wie können wir mit diesem Dilemma umgehen? Für die meisten Staaten wird es keine Konsequenzen haben, wenn sie sich in der digitalen Welt anders verhalten als in der realen. Am besten wird dieser Spagat aber den Staaten gelingen, die ihre Grenzen kennen. Im neuen digitalen Zeitalter wird Macht nicht durch die separaten Ressourcen oder Möglichkeiten eines Staates in der physischen und in der digitalen Welt bestimmt, sondern von der Fähigkeit dieses Staates, beide Ressourcen vollumfänglich zu nutzen, ohne dabei Nachteile zu riskieren. Das setzt voraus, dass die Regierungen die Risiken, die mit der Nutzung dieser neuen Ressourcen verbunden sind, kennen und managen können. Wie schützen wir die Nationen gegen Cyber-Attacken? Leben wir vielleicht schon im Zustand eines unkontrollierbaren Cyber-Kriegs? Die Welt befindet sich in einem permanenten und asymmetrischen Cyber-Krieg: Es gibt Länder, die andere Länder angreifen; Personen, die Länder angreifen; Länder, die Personen angreifen; und Personen, die Personen angreifen. Wenn Sie online gehen, begeben Sie sich in ein geopolitisches Kreuzfeuer – ob es Ihnen gefällt oder nicht. Wenn Sie schon einmal Opfer eines Phishing-, Hacking-, Malware- oder DDoS-Angriffs waren, hat Sie ein Querschläger erwischt − aus einem Krieg, der direkt vor Ihrer Nase stattfindet. Unsere Sicherheit in der digitalen Welt sollten wir genauso ernst nehmen wie unsere physische Gesundheit. Wenn wir immer mehr Zeit in der digitalen Welt verbringen, bleiben wir als Personen nur «gesund», wenn wir in beiden Welten, der realen und der virtuellen, auf uns achten. In der realen Welt kennen wir uns aus: Wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt. Wir finden heraus, was uns fehlt, und behandeln dies. Das ist selten angenehm, aber wir tun es, weil uns das Kranksein auf lange Sicht zu viel kostet. In der digitalen Welt verhalten wir uns dagegen ganz anders – dabei wären die zur Verfügung stehenden Mittel we- sentlich angenehmer. Trotzdem installieren wir keine Software-Updates, wir klicken auf schlechte Links und verwenden keine 2-Faktor-Authentifizierung. Hier sind neue Regeln nötig. Denn die Tools gibt es bereits, sie werden nur nicht ausreichend genutzt. Liefern wir uns gerade ein «technologisches Wettrüsten» mit Cyber-Kriminellen? Ich würde es mehr ein Katz-und-Maus-Spiel nennen, wobei das gegen die Kriminellen gerichtete System − die Katze − klar im Vorteil ist. Kriminelle müssen, um Relevanz zu erlangen, Technologien nutzen. Das bedeutet aber, dass sie sich in transparenteren Systemen bewegen müssen, als ihnen lieb ist. Kriminelle haben weniger Ressourcen für Innovationen, und sie kontrollieren die Plattformen nicht. Sie sind sich auch nicht so sehr der Risiken bewusst, die sie eingehen. Viele von ihnen operieren im sogenannten Darknet − dem digitalen Äquivalent der Höhlen und versteckten Labors. Das wissen auch die Strafverfolgungsbehörden, die ihnen das Leben dort schwer machen. Ausserdem können Kriminelle ihre Ziele nicht effektiv erreichen, solange sie sich ausschliesslich im Darknet bewegen. Aber jedes Mal, wenn sie im normalen Internet auftauchen, sind sie verwundbar. Interessant und gleichzeitig auch prekär ist, dass viele der Tools, die Dissidenten nutzen, auch für Kriminelle hilfreich sind – was aber kaum überrascht, denn in repressiven Staaten gelten Dissidenten schliesslich als kriminell. Man kann das steuern, aber dazu müssten die Entwickler der Tools beide Szenarien − Gebrauch und Missbrauch − berücksichtigen und ihre Tools für die «richtigen» Zwecke optimieren. Welche Probleme kann Technologie heute lösen? Mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung unterliegen in irgendeiner Weise der Zensur − jeder Dritte erlebt sogar eine strenge Variante davon. Zensur wird in der Regel zwar als ein Mittel politischer Unterdrückung gesehen, aber in Ländern wie China ist sie auch ein Ausdruck des Kapitalismus und des Strebens nach zusätzlichen Vorteilen. Was auch immer dahintersteckt: Die Betroffenen zahlen mit einer extremen Einschränkung der Meinungsfreiheit. Allerdings wird es für Regimes immer schwieriger, diese Repressionen durchzusetzen, da das gegen die Zensur gerichtete System wächst und sich weiterentwickelt. Ich denke, wir werden noch eine Welt erleben, in der repressive Zensur im Internet nicht mehr funktioniert. Jared Cohen Jared Cohen ist Direktor von Google Ideas und Adjunct Senior Fellow im Council on Foreign Relations (ausserordentlicher Senior Fellow im Rat für Aussenbeziehungen) in den USA. Er war ausserdem Mitglied im Planungsstab des US-Aussenministeriums sowie enger Berater von Condoleezza Rice und Hillary Clinton. Er gehört zu den Young Global Leaders des Weltwirtschaftsforums und wurde 2013 vom «Time Magazine» in der Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des Jahres geführt. 21 VORREITER Supersportwagen Mate Rimac geht mit Vollgas in die Zukunft Der 27-jährige Kroate hat das schnellste Elektroauto der Welt gebaut. Jetzt werden Lizenzen von Mate Rimacs innovativen Ideen und Technologien – vom Elektroantrieb bis zu den Batterien – an andere Autobauer vergeben und in Fahrrädern, Booten und Supersportwagen der kommenden Generation eingebaut. Autor: Andy Isaacson Ich traf Mate Rimac an einem Nachmittag im August 2013 in seinem kirschroten Elektro-Sportwagen Concept One. Den eleganten, superflachen Flitzer hatte er bereits mit 21 Jahren konstruiert. Da ich für das «Wall Street Journal» einen Artikel über den Jungunternehmer schreiben sollte, nahm ich auf dem Beifahrersitz Platz. Als wir auf einer Ausfallstrasse westlich von Zagreb eine Tankstelle passierten, wurden wir von den Fahrern, die ihre konventionellen Limousinen betankten, neugierig beäugt. Rimac glitt in gemässig tem Tempo an der Tankstelle vorbei und beschleunigte seinen Sportwagen dann mit einem Tritt aufs Gaspedal in weniger als drei Sekunden von null auf hundert. Elektroautos sind extrem zuverlässig «Der Vorteil des Elektroantriebs liegt darin, dass die Kraft linear übertragen wird – ohne Unterbrechungen durch Schaltvorgänge», erklärte er mir. Im nächsten Kreisverkehr riss Rimac das Lenkrad ruckartig herum, um die Fahrtrichtung zu ändern. «Das nennt man Abbiegen», witzelte er und grinste mich hinter seiner Piloten-Sonnenbrille an. «Wie Sie sehen, habe ich einfach nur das Lenkrad eingeschlagen. Den Rest hat das Torque-Vectoring-System erledigt.» Zurück auf dem Parkplatz vor Rimac Automobili, seinem Start-up-Unternehmen, zog er mit quietschenden Reifen enge Kreise, die nicht nur schwarzen Gummiabrieb auf dem Asphalt hinterliessen, sondern mich auch mit Wucht in den Beifahrersitz drückten. «Das mache ich nicht, um anzugeben», erklärte Rimac durch die dunklen Gummischwaden hindurch. «Ich möchte Ihnen zeigen, dass Elektroautos h eute technisch extrem zuverlässig sind und man auch verrückte Dinge mit ihnen anstellen kann. Sie sind weit mehr als schöne Hingucker an den Autosalons. Ihre Technologie ist serienreif. Diese Autos können heute gebaut werden.» Als ich mich kürzlich bei Mate Rimac über den neuesten Stand der Dinge informierte, erfuhr ich, dass Rimac Auto mobili in den vergangenen zwei Jahren sechs Exemplare des Concept One verkauft und die Zahl seiner Angestellten vervierfacht hat. Heute beschäftigt Rimac 110 Mitarbeitende und hat einen zweiten Betrieb in Sveta Nedelja eröffnet, einem Vorort im Westen von Zagreb. Aus der grössten landesweiten Umfrage zur Arbeitnehmerzufriedenheit ging seine Firma 2014 als bester Arbeitgeber Kroatiens in der Kategorie der mittelgrossen Unternehmen hervor. Der Concept One, den Rimac von Grund auf selbst entwickelt und gebaut hat, ist vermutlich das am schnellsten beschleunigende Elektroauto der Welt. Jedes seiner vier Räder wird von einem separat gesteuerten Elektromotor ange trieben; zusammen liefern sie atemberaubende 1088 PS. Durch die individuelle Steuerung kann beispielsweise in einer Rechtskurve das rechte Vorderrad für den Bruchteil einer Sekunde angebremst werden, während das Hinterrad den Antrieb liefert. «Solche Tricks schafft kein normaler Motor», sagt Rimac. Das ist eine der Innovationen, die den Concept One in seinen Augen zum «Sportwagen des 21. Jahrhunderts» machen. Schon als 19-Jähriger begann Rimac, die Technologie für seinen Flitzer zu entwickeln. Er hatte damals gerade internationale Wettbewerbe mit einem elektronischen Handschuh gewonnen – einer Kombination aus Tastatur und Maus, die er noch als Schüler erfunden hatte. Da kam ihm die Idee, Spiegelsysteme für Autos zu entwickeln, die den toten Winkel ausleuchten. Es gelang ihm, seine Erfindung an einige europäische Autobauer zu lizenzieren, und 2009 hatte Rimac genügend Geld zusammen für den Kauf eines weissen, kastenförmigen BMW E30, Baujahr 1986. Nach wenigen Runden auf der Rennbahn versagte der Motor des Autos, das er für weniger als 1000 Euro erstanden hatte. Das bewog ihn, den Benzinmotor durch Elektromotoren und Batterien auszutauschen (da Standardbauteile nicht erhältlich waren, überholte er das Auto mehrheitlich in Eigenregie). Während dieser Phase änderte er auch das Äussere von Weiss auf Limonengrün. Ein passionierter Rennfahrer Einige Monate später begann Rimac, an sogenannten «Drift Competitions» teilzunehmen. Das Driften ist ein Sport, bei dem die Fahrzeuge kontrolliert übersteuert werden. Nach ein paar Rennen brach die Kurbelwelle des umgebauten BMW, und der Motor gab den Geist auf. Rimac beschloss, seine beiden Leidenschaften – die für Autos und die für Elektronik – zu verbinden. Schon immer hatte er Nikola Tesla bewundert, den aus Kroatien stammenden 23 VORREITER Erfinder des Elektromotors. Rimac wollte nun beweisen, dass erstklassige Sportwagen auch mit Elektromotor denkbar sind – also mit einem direkt verfügbaren Antrieb ohne lästige Zündkerzen und Ölfilter. Als er mit seinem umgebauten BMW auf den kroatischen Rennstrecken auftauchte, erntete er zunächst nur Spott und Kommentare wie: «Was willst du denn mit dieser Wasch maschine? Kann ich damit mein Telefon aufladen?» Bei jedem Rennen ging immer irgendetwas kaputt, aber Rimac schraubte unverdrossen weiter – mit von ihm selbst kon struierten Bauteilen. Schliesslich verschaffte sich der 86er BMW mit seinem kolossal kraftvollen Elektroantrieb doch noch Respekt. «Wie schnell ist der eigentlich?», fragte ein Auto-Blogger. «Schnell genug, um bei Dragster-Rennen die Viertelmeile in knapp über 12 Sekunden herunterzureissen. Schnell genug, um bei einem Strassenrennen einen Tesla vor sich herzutreiben. Schnell genug, um … na ja, den Rest kannst du dir denken.» 2010 hatte Rimac es geschafft: Sein Do-it-yourself-Fahrzeug mit E-Antrieb schlug die Benziner auf der Rennstrecke und stellte später fünf Guinness-Weltrekorde auf (nebst einigen Rekorden des internationalen Automobilverbandes). Den Rekord für das Elektroauto mit der schnellsten Viertelmeilen-Beschleunigung hält Rimac noch heute. «Von diesem Moment an wurde die Sache ernst», sagt Rimac. Zusammen mit dem jungen, bekannten Autode signer Adriano Mudri begann er, einen Prototyp des Concept One zu entwickeln. Das sprach sich herum, und ein kroatischer Geschäftsmann bat Rimac schliesslich im Namen der Königsfamilie von Abu Dhabi um eine Broschüre dieses Sportwagens. Rimac erinnert sich: «Sie sagten: ‹Wir hätten gerne zwei Autos.› Darauf ich: ‹Wir sind aber nur ein paar Jungs mit einer Werkstatt.›» So wurde aus einem Hobby betrieb der erste Automobilbauer Kroatiens. Hightechsystem und design Ein paar Jahre lief das Ganze mehr schlecht als recht. Mit etwas Startkapital von seinem Vater, dessen Firma Einkaufszentren entwickelt, konnte Mate Rimac den Prototyp seines Concept One schliesslich erstmals an der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) 2011 in Frankfurt zeigen. Der Branche blieb die beeindruckende Leistungsstärke des Sportwagens nicht verborgen: Das Allradfahrzeug mit dem einzigartigen Antriebsstrang – vier Teilsysteme mit jeweils einem Motor, einem Inverter und einem Reduktionsgetriebe – bringt ein Drehmoment von 2800 Newtonmetern mit, beschleunigt in nur 2,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 325 km/h. Diese geballte Kraft wird von einem flüssig gekühlten Akku mit 82 kWh generiert, dessen Reichweite rund 600 Kilometer beträgt. Das Leistungsgewicht kann sich mit dem einer Formel-1-Maschine messen. Der stolze Supersportler mit der zweifarbigen Hochglanzkarosserie aus Karbon weist auch einige attraktive und witzige Designmerkmale auf: Heck- VORREITER 24 leuchten mit ausgeprägtem 3D-Tunneleffekt, animierte Blinker oder die Abdeckung des Ladeanschlusses in Form einer Krawatte. Sie ist ein augenzwinkernder Hinweis darauf, dass die Krawatte (im Französischen ähnlich ausgesprochen wie «Kroate») eine kroatische Erfindung ist. Das Interieur des Concept One punktet mit luxuriösen, cremefarbenen Ledersitzen – Spezialanfertigungen der bulgarischen Firma Vilner – und einem Hightech-Infotainment-System. Ein Kroate durch und durch Hergestellt wird das Fahrzeug fast ausschliesslich in den Werken von Rimac Automobili. Nahezu alle Komponenten wie Chassis, Aufhängung, Antriebsstrang, Getriebe, Akku und Entertainment-System sind Eigenentwicklungen. Nur die Batteriezellen und die Airbags bezieht Rimac von anderen Firmen. Rimac verzichtet auch auf die in der Massenproduktion üblichen Formteile – beispielsweise für das Lenkrad und die Pedalerie. Stattdessen lässt er diese Komponenten «Nikola Tesla musste für seinen Erfolg nach Amerika gehen. Ich wollte hier bleiben, um jungen Kroaten eine Chance auf einen interessanten Arbeitsplatz zu geben.» Mate Rimac mit grossen Fräsen einzeln aus Aluminiumblöcken herausschneiden. Ein kostenintensives Verfahren, das viel Roh material verbraucht, aber dem Start-up-Unternehmen die Möglichkeit gibt, konstruktive Änderungen schnell und ohne aufwändige Werkzeugwechsel umzusetzen. Rimac dazu: «Nur Formel-1-Rennwagen oder Raumschiffe werden sonst so gebaut.» Nach dem Debüt des Concept One auf der IAA erhielt die Firma zwar einige wenige Aufträge für das rund 1 Million Dollar teure Fahrzeug, aber Rimac erinnert sich: «Wir sind damals im Prinzip nach dem Bootstrap-Verfahren in Betrieb gegangen.» Das geplante Investment der Königsfamilie von Abu Dhabi scheiterte schliesslich in letzter Minute an der Auflage, dass Rimac sein Start-up-Unternehmen in die Golfregion verlagern sollte. «Nikola Tesla musste für seinen Erfolg nach Amerika gehen. Ich wollte hier bleiben, um jungen Kroaten eine Chance auf einen interessanten Arbeitsplatz zu geben», sagt Rimac. «Ich wollte die Technologie voranbringen, in unserem Metier weltweit der Beste sein, mich mit den ganz Grossen messen und ein Produkt entwickeln, auf das meine Landsleute stolz sein können.» oben: Das D-PM-oC-600-System besteht aus zwei ölgekühlten Permanentmagnetmotoren (zwei unabhängige Motoren in einem Gehäuse). Unten: Das Infotainment-System kann komplett massgeschneidert werden. 25 VoRReIteR Leider teilten die kroatischen Investoren seine Vision aber nicht wirklich. Als ich Mate Rimac 2013 an seinem Firmensitz besuchte, erzählte er mir, die Banken wollten ihm keinen Kredit geben und es interessierten sich auch kaum ausländische Investoren für das Projekt. «Wahrscheinlich halten sie uns für ein paar grüne Jungs, die in ihrer Freizeit Spielzeugautos basteln», sagte er damals. «Ihnen ist nicht klar, welche Bedeutung oder welchen Einfluss unser Projekt haben könnte. Die Menschen hier wollen etwas Greifbares, das sie sehen und verstehen können, so wie eine Immobilie. Dass man auch in Technologien – also in langfristige Projekte – investieren kann, ist ihnen fremd. Ja, wir brauchen viel Geld. Aber verglichen mit den in der Automobilindustrie üblichen Investitionen sind das Peanuts.» Im November 2014 konnte Rimac sein Projekt endlich auf eine sicherere Basis stellen, mit Investitionen in Höhe von 10 Millionen Euro für die erste Finanzierungsrunde. Der e rste Geldgeber war Frank Kanayet Yepes – ein gebürtiger Kroate, der als Unternehmer in Südamerika im Öl- und Energiesektor ein Vermögen verdient hat. Yepes ist ausserdem an der FIA-Formel-E-Meisterschaft beteiligt, besitzt mehrere Rennteams und ist Generalimporteur für Ferrari und Maserati in Kolumbien. «Ausschlaggebend für mein Investment waren Mate, seine Zuversicht und die Technologie, die er mit geringsten Mitteln entwickelt hat», sagt Yepes. Der grösste Einzelinvestor war China Dynamics. Das im chinesischen E-Automobil-Sektor tätige Unternehmen erwarb 10 Prozent der Anteile zum Preis von 70 Millionen Euro. «Dank dieser Finanzspritze konnte unser Unternehmen die nächste Wachstumsphase in Angriff nehmen», erklärte mir Rimac vor Kurzem. Ausserdem hat Rimac für einen multinationalen deutschen Konzern ein selbstfahrendes Auto entwickelt und vor Kurzem elektrische Antriebsstränge an einen Bootsbauer geliefert. Durch die Konzentration auf Spitzenleistungen konnte das Unternehmen gemäss Rimac seine Kernkompetenz verfeinern: den Bau sehr kleiner, starker Antriebssysteme und langlebiger Akkus, die sich für unterschiedlichste Anwendungen eignen. Rimac Automobili ist und bleibt jedoch dem Rennsport verbunden: So entwickelte das Unternehmen Anfang dieses Jahres einen 1500-PS-Boliden für die japanische Rennlegende Nobuhiro «Monster» Tajima. Von der ersten Idee bis zum Endprodukt «Wir können auch schnell und preiswert Prototypen entwickeln und bauen», sagt Rimac. Weltweit sind wir die ein zige Firma, die ein komplexes Modell – etwa ein Auto, ein Motorrad oder ein Boot – vollkommen eigenständig ent werfen und bauen kann, und zwar mit eigener Kohlefaserfertigung, Metallbearbeitung, Chassis- und Batterieproduktion sowie Aufhängungskonstruktion. Alles aus einer Hand – ein einzigartiges Konzept. Niemand sonst bietet diese Bandbreite. Zudem können wir ein komplettes Fahrzeug in weniger als einem Jahr entwickeln. Normalerweise dauert das viel länger, weil nicht alle unter einem Dach arbeiten. Wir kennen das Auto bis ins kleinste Detail, und in unserem Unternehmen schreiben wir die vertikale Integration der Prozesse gross. Von Antriebssystem bis zum akku In dieser neuen Phase sollen die verschiedenen Geschäftsbereiche der Firma expandieren. Der Concept One wird für eine Handvoll Direktkunden weiterhin von Rimac Automobili gebaut: Bis Ende nächsten Jahres soll das letzte Fahrzeug der auf acht Exemplare limitierten Serie ausgeliefert werden. Gleichzeitig entwickelt das Unternehmen schon seinen nächsten Supersportwagen, den Nachfolger des Concept One, sowie Fahrzeuge und Prototypen für andere Firmen. Der spanische Automobilentwickler Applus IDIADA beispielsweise hat einen E-Sportwagen in Auftrag gegeben, der die gleiche Fenster- und Dachkonstruktion wie der Concept One erhält, aber ansonsten nach anderen Spezi fikationen gebaut wird. Haupteinnahmequelle von Rimac ist heute jedoch die Entwicklung und Fertigung unterschiedlicher Bauteile für andere Firmen – von elektrischen Antriebssträngen über Infotainment-Systeme bis zum Batteriemanagement. Erst kürzlich schloss das Unternehmen einen Vertrag mit dem schwedischen Autobauer Koenigsegg Automotive über die Lieferung des «leistungsdichtesten Batteriesystems der Welt» für dessen Hybrid-Sportwagen Regera. VORREITER 26 Mate Rimac, der Gründer von Rimac Automobili. Der Concept One wird fast vollständig bei Rimac Automobili hergestellt. In den letzten Jahren ist aus Rimac Automobili noch ein weiteres Start-up-Unternehmen hervorgegangen, Greyp Bikes – ein Spin-off, das Hightech-E-Bikes herstellt. Das Produkt, eine Art hybrides Fahrrad, ist mit einem hochmodernen Akku ausgerüstet, der eine Spitzengeschwindigkeit von 70 km/h liefert und im reinen Batteriebetrieb bis zu 120 Kilometer Reichweite hat. Zu den weiteren Hightech- Finessen des Bikes gehört auch eine smarte, per Fingerabdruck aktivierbare Tastatur. «Eine Neuheit in diesem Markt», sagt Rimac. Schon jetzt hat die Firma mehr als 200 Exemplare des ersten Modells, das im Handel 8500 Euro kostet, an Kunden in 26 Ländern verkauft. Rimac ist überzeugt, dass Greyp Bikes mit dem richtigen Management und der richtigen Finanzierung, was ihm zufolge jetzt gegeben ist, sogar seine Autofirma überflügeln kann. «Bei den E-Bikes gibt es noch keinen eindeutigen Marktführer», sagt er. «Wir wollen hier nicht mit dem Massenmarkt konkurrieren, sondern die beste Technologie und die beste Leistung liefern.» Als Nächstes möchte Rimac die Produktion des Concept One abschliessen und einen brandneuen ElektroSportwagen mit einem anderen Design entwickeln. Er hofft, bis in fünf Jahren mehrere Hundert Fahrzeuge jährlich zu verkaufen und seine erprobten elektrischen Antriebstechnologien weltweit zu exportieren. Ein langfristiges Projekt, wie er zugibt. Und er fügt hinzu: «Wir stehen mit beiden Unternehmen noch am Anfang. In den vergangenen fünf Jahren haben wir viel erreicht, aber vor uns liegt noch ein langer Weg.» «Weltweit sind wir die einzige Firma, die ein komplexes Modell – etwa ein Auto, ein Motorrad oder ein Boot – vollkommen eigenständig entwerfen und bauen kann, und zwar mit eigener Kohlefaserfertigung, Metallbearbeitung, Chassis- und Batterieproduktion sowie Aufhängungskonstruktion. Alles aus einer Hand – ein einzigartiges Konzept.» Mate Rimac 27 VORREITER Werte und Technologie, vereint in Mode Elena Corchero bezeichnet sich selbst als «Technologie-Handwerkerin» – denn sie arbeitet an der Schnittstelle zwischen futuristischem Hightech und traditioneller Handwerkskunst. Die früher am MIT Media Lab Europe tätige Forscherin hat sich auf intelligente Materialien und tragbare Technologie, sogenannte Wearables, spezialisiert. Ihr Ziel: Produktion und Konsum wieder mehr Sinn verleihen. Autorin: Janet Anderson «Ich möchte Technologie nicht nur deshalb nutzen, weil es sie gibt oder um die Leute zu beeindrucken. Wahre Innovation ist nicht nur das Neueste vom Neuen, wahre Innovation liegt in der Sinnhaftigkeit, im ‹Warum›.» Elena Corchero «Die meisten Kleider, die wir heute tragen, wurden so produziert, dass sie weder für Hersteller noch für Verbraucher Bedeutung haben und am Ende auf Mülldeponien landen», sagt Elena Corchero, die Gründerin der Londoner Beratungsfirma Lost Values. «Bei Lost Values untersuchen wir, wie sich intelligente Materialien und Wearable-Technologie sinnvoll einsetzen lassen – so möchten wir der Technologie zum Anziehen eine menschliche Note geben.» Anhand eines einfachen Pullovers lässt sich erklären, was Corchero damit meint: Automatisierung hat die Produktion von Strickwaren schnell und effizient gemacht – heute kosten Pullis teilweise VORREITER 28 nur noch ein paar Euro. Genauso rasch werden sie aber auch wieder entsorgt. Ein handgestricktes Oberteil dagegen kann zu einem echten Schatz werden – die vielen Stunden für seine Herstellung, Masche für Masche, machen einen Teil seines Reizes und seines Wertes aus. Nach Corcheros Ansicht muss heutige Technologie jedoch nicht ausschliesslich zur Herstellung von unpersön lichen Wegwerfprodukten führen. Sie möchte kunsthandwerkliches Geschick, modernste Technologien und die Ästhetik von Mode zusammenbringen und auf diese Weise Produkte kreieren, die Kunden aufbewahren wollen – sie will also mehr als nur die nächste Lösung für Wearable Computing in einem Silikongehäuse schaffen. Mit 3D-Druck lassen sich heute Produkte herstellen, verändern und individualisieren. Liesse sich diese Technologie auch für «Drucken» mit Wolle einsetzen, könnten wir individuelle Stücke fertigen und so mehr Bedeutung in unsere Kleidung bringen. Innovative Produkte mit dauerhaftem Reiz «Designer sollten sich schon früh mit der Lebensdauer ihrer Kreationen auseinandersetzen und dafür sorgen, dass sie so lange wie möglich genutzt werden», sagt Corchero. Ihrer Ansicht nach können Designer über ihre Produkte aktiv den Wandel in der Gesellschaft vorantreiben, was sie als «Design-Aktivismus» bezeichnet. «Je konsequenter ein Produkt bei Design und Produktion auf den Wert achtet, desto tiefer kann seine Verbindung mit den Werten der Verbraucher sein», erklärt sie. Corchero ist in einem Umfeld aufgewachsen, in dem man Dinge selber macht. Ihre Mutter war Schneiderin, ihr Vater Landwirtschaftsingenieur im Bereich Pflanzengenetik. Schon in jungen Jahren wurde sie ermutigt, sich eigene Kleider zu nähen. Das Konzept des «Massschneiderns» ist somit tief in ihr verwurzelt. «Mein Vater hat mir gezeigt, wie man zwei Pflanzen miteinander vereinen kann, sodass eine neue entsteht. Und meine Mutter hat mich gelehrt, wie man Kleider nach Mass anfertigt. Mir wurde immer gesagt, ich solle Sachen selber machen, die den eigenen Bedürfnissen und Wünschen ent sprechen und somit für die Ewigkeit sind. Dieser Gedanke hat sich in meiner gesamten bisherigen Arbeit niedergeschlagen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, liegt die Lösung nicht immer in Recycling. Dinge sollten so hergestellt sein, dass sie lange halten.» Innovation dank Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Fachrichtungen Corchero studierte Kunst und Design in Spanien und setzte ihr Studium in Deutschland fort. Dort arbeitete sie neben Produktdesignern, die mit 3D-Kon struktionssoftware Ideen für Volkswagen entwickelten. Damit eröffneten sich für Corchero die Möglichkeiten der Hightech-Welt. Damals hatte das MIT gerade mit der Forschung an tragbarer Technologie begonnen. 2000 eröffnete es in Dublin das euro päische MIT Media Lab. Corchero beschloss, den Sprung zu wagen und sich dem Forschungsteam des MIT anzuschliessen. «Dies war ein grosser Glücksfall: Ich hatte keinen technischen Hintergrund, aber Nicholas Negroponte, der Mitgründer und Leiter des MIT Media Lab, war der Ansicht, dass Innovation dann entsteht, wenn man sehr unterschiedliche Fachrichtungen zusammenbringt. Meine Aufgabe war, als Designerin den Ingenieuren bei der Entwicklung von tragbarer Technologie zu helfen. Bei dieser engen Zusammenarbeit habe ich von ihnen viel über Elektronik gelernt – dieses Wissen leistet mir seitdem gute Dienste», sagt Corchero. Als das europäische MIT Media Lab geschlossen wurde, ging Corchero für ein Masterstudium mit Fokus auf «zukünf tige Materialien» an die Kunsthochschule Central Saint Martins in London. «Saint Martins war eine der ersten Hochschulen, die den aufkommenden Trend zu tragbarer Technologie erkannten. Materialien gibt es überall – nicht nur in Kleidung, sondern auch in Autos oder Häusern. Und gerade weil Materialien so umfassend eingesetzt werden, ist es wichtig, dass sie nachhaltig sind», sagt sie. 2008 gründete Corchero im Osten Londons ihre Beratungsfirma Lost Values. Damit schuf sie die Basis, von der aus sie neue Produkte entwickeln und mit ihnen experimentieren kann. Ausserdem wollte sie mit Menschen aus vielen unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Das Motto von Lost Values lautet sinngemäss: «Wir wollen eine Zukunft, in der Technologie eine Erweiterung für unser Menschsein ist.» Die Kernaussage ist, Konsum mehr Sinn zu geben. «Meine Strategie besteht darin, dass alle Projekte eine enge Anbindung an die Werte des jeweiligen Unternehmens und die seiner Kunden haben», erklärt Corchero. «Ich möchte Technologie nicht nur deshalb nutzen, weil es sie gibt oder um die Leute zu beeindrucken. Wahre Innovation liegt in der Sinnhaftigkeit, im ‹Warum›. Genau das schafft die emotionale Verbindung zwischen dem Verbraucher und einem Produkt oder einer Marke.» Mehr Transparenz durch technologie Corchero glaubt, dass im Zug der Industrialisierung viele Werte verloren gegangen sind und Technologie dabei helfen kann, sie zurückzuholen. «Mit der Einführung von ausgelagerter Massenproduktion ist vieles verschwunden: die Kommunikation zwischen den Herstellern und den Verbrauchern, das Zusammengehörigkeitsgefühl sowie das Konzept der Fertigung nach Mass. Inzwischen ist die Technologie aber so weit entwickelt, dass sie diese Vorteile zurückbringen kann. Heute ermöglicht sie Massenindividualisierung und mehr Transparenz. Also sollten wir Technologie nicht nur dafür verantwortlich machen, dass Dinge verloren gegangen sind, sondern sie auch nutzen, um das wiederzubekommen, was wir wertschätzen», sagt sie. Die Verbindung zwischen Tech- Gezüchtete Albedonite™-Kristalle wechseln in der Sonne ihre Farbe. nologie und Handwerk ist nichts Neues. Seit Jahrhunderten ist sie etwa ein integraler Bestandteil der Schweizer Uhrenbranche. In der Welt der Textilien und Materialien lässt sich laut Corchero schon an den ersten Webstühlen das Konzept des binären Computing in seinen Anfängen erkennen: «Das Herstellen von Garnen ist zum Beispiel eine mathematische Angelegenheit.» Das Neue in der digitalen Welt von heute ist, dass die Werkzeuge nicht mehr visuell zu verstehen sind – bei Software sieht man nicht, wie sie im Inneren funktioniert. Aus genau diesem Grund kann heute kein Experte 29 VORREITER für ein einzelnes Gebiet mehr allein Innovationen schaffen. Wie der bereits erwähnte Nicholas Negroponte bereits sagte, ist Innovation heute nur noch in einem multidisziplinären Umfeld möglich. Als Technologie-Handwerkerin will Corchero auf drei Gebieten innovativ sein: bei Werkzeugen, Materialien und Fertigkeiten. «Digitale Innovation hat Auswirkungen auf alle drei und erfordert entsprechendes Wissen», sagt sie. «Hier kommen die unterschiedlichen Stränge meiner Ausbildung zusammen.» Corcheros multidisziplinärer beruflicher Hintergrund ist selten, wird aber immer relevanter. Dies ist auch daran zu erkennen, dass viele Unternehmen nach Mitarbeitenden mit einem sogenannten T-Profil suchen: Sie sollen tigt und richten sich zum Beispiel an urbane Radfahrer, die gut aussehen und gleichzeitig sicher unterwegs sein wollen. Da die Wolle aus Schottland stammt, helfen die Produkte, eine traditionelle Branche am Leben zu erhalten. Das Besondere daran ist, dass Corchero eine Möglichkeit gefunden hat, die Wolle ohne umweltschädliche Zusätze zum Reflektieren zu bringen. Bei den BluePrint-100 %-Design-London-Awards 2009 wurde LFLECT mit dem Titel «Bester Einsatz von Materialien» ausgezeichnet. Daneben gibt es die Produktpalette ECOLORIUM – handgearbeitete Schmuckstücke aus Albedonite™, einem gezüchteten Kristall, dessen Farbe bei Sonneneinstrahlung von blassem Weiss zu einem leuchtenden Fuchsia wechselt. «Designer sollten sich schon früh mit der Lebensdauer ihrer Krea tionen auseinandersetzen und dafür sorgen, dass sie so lange wie möglich genutzt werden.» Elena Corchero Corchero produziert Kleidung und Accessoires aus reflektierender Wolle mit umweltfreundlichen Bestandteilen. breites Wissen in unterschiedlichen Bereichen mitbringen mit Spezialwissen in einem davon. Die von Corchero entwickelte Produktpalette reicht von intelligenter Kleidung über Bildungswerkzeuge bis zu umweltfreundlichem Schmuck. Das gemeinsame Motiv als verbindender Faktor hinter dem buntgemischten Angebot ist Corcheros überlegter und zukunftsorientierter Ansatz. «Wenn ich ein neues Projekt starte, habe ich zwei mögliche Ausgangspunkte», sagt sie. «Entweder beginne ich mit einer neuen interessantenTechno logie oder mit einer neuen Herausforderung in der Gesellschaft, mit der ich mich auseinandersetzen möchte. In beiden Fällen analysiere ich zunächst, was es bisher gab und ob es lösungsorientiert war. Erst wenn ich etwas wirklich Bedeutsames gefunden habe, stecke ich ernsthaft Ressourcen in das Projekt.» Eine von Corcheros ersten Produktentwicklungen war nachhaltige, reflektierende Wolle, aus der sie schön designte Schals und andere Kleidung sowie Accessoires herstellt. Sie beschreibt ihre LFLECT-Kollektion als «sichtbare Produkte für modische Menschen». Sie werden auf Bestellung gefer- VORREITER 30 Dadurch macht der Schmuck die UV-Strahlung sichtbar und schafft sehr direkt ein Bewusstsein für die unsichtbare Kraft der Sonne. «Natürlich kann man auch Apps auf sein Telefon laden, um die UV-Strahlung genauer zu messen, aber darum geht es nicht», sagt Corchero. «Beim Albedonite™ ist es, als würde die Natur selbst sprechen: Seine Farbe zeigt die Stärke der Strahlen direkt an. Das ist eine viel natürlichere Art der Kommunikation.» Ein Teil der Einnahmen aus dem Schmuckverkauf geht als Spende in die Hautkrebsforschung. Kinderspielzeug als Inspiration für Technologie Corcheros Produktideen machen auch vor dem Bildungsbereich nicht Halt. Ihre ZippyKit-Spielzeuge sollen Mädchen dazu inspirieren, Technologiekenntnisse zu entwickeln. «Ich wusste, dass nur wenige Mädchen viel über Elektronik lernen, also beschloss ich, etwas dagegen zu tun. In Grossbritannien sind nur 8 Prozent der Ingenieure Frauen, und dieser Anteil hat sich in den vergangenen 30 Jahren nicht verändert. Mit meinen Produkten kann ich einen kleinen Beitrag zur Verbesserung leisten», sagt sie. Die Kinder bauen ihre Spielzeuge selbst, und bei diesem Prozess gewinnen sie nicht nur praktische Fertigkeiten, sondern lernen auch etwas über verschiedene elektronische Komponenten wie beispielsweise drahtlose Induktionsspulen. Corchero hofft, dass diese Erfahrung ein Feuer in den Mädchen entfacht und ihnen das Selbstbewusstsein gibt, Technologie zu nutzen und zu entwickeln. Spielzeuge werden heute, genau wie Mode- und Technologieprodukte, genutzt und dann schnell weggeworfen. Der Konsumzyklus hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig verkürzt. Immer wieder neue Trends lassen eine nicht endende Nachfrage nach Neuem entstehen. «Selbst wenn ein Produkt an sich nachhaltig produziert wurde, hilft das wenig, wenn es am nächsten Tag im Müll landet», sagt Corchero. «Deshalb ist es so wichtig, etwas herzustellen, das ein langes Leben haben wird.» Es mag wenig überraschen, dass Corchero mit Mode eine Art Hassliebe verbindet. «Mode erzeugt den Wunsch, ständig unser Aussehen zu verändern. Die Leute wollen immer das Neueste haben. Etwas zu entwerfen, das sich wiederverwerten lässt, ist nicht immer die beste Lösung. Denn erstens ist es leichter gesagt als getan, und zweitens wird für Transport und Sortierung viel Energie verschwendet. Also sollte Recycling nicht der Ausgangspunkt sein – es ist eher die faule Lösung», sagt sie. Corchero findet, dass technische Lösungen dazu dienen sollten, den Produktionsprozess effizienter zu machen. Zum Beispiel durch weniger Abfall beim Zuschnitt, durch Digitaldruck statt der Verwendung giftiger und wasserschädlicher Farbstoffe oder durch selbstreinigende Materialien, was weniger Wasserverbrauch bedeutet. Unternehmen, die solche Praktiken auf eigene Initiative einführen, werde es langfristig besser ergehen als denjenigen, die warten, bis sie zum Umdenken gezwungen werden. Ausserdem glaubt Corchero, dass mehr dafür getan werden sollte, Verbraucher über die Umweltfolgen aufzuklären, die manche Materialien mit sich bringen – dadurch würde der Druck auf die Unternehmen steigen, etwas zu ändern. «Es gibt den verbreiteten Irrglauben, dass natürliche Fasern besonders umweltfreundlich seien», sagt Corchero. «Das stimmt nicht in jedem Fall. Tatsächlich werden gewisse synthetische Materialien wie zum Beispiel Tencel® in einem geschlossenen Kreislauf produziert, wo Wasser nicht verschmutzt wird. Baumwolle dagegen verursacht die grössten Umweltbelastungen.» Nachhaltige Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten Corchero ist davon überzeugt, als Designerin einen positiven Einfluss auf das Verbraucherverhalten ausüben zu können. Dafür sei allerdings bereits ganz am Anfang des Design prozesses der richtige Ansatz erforderlich: «Auch wenn ich weiss, dass das Endergebnis ein physisches Produkt sein wird, ist der Ausgangspunkt für mich immer das Konzept einer Dienstleistung. Die Menschen werden das Produkt konsumieren, also stellt man ihnen letztlich eine Dienstleistung zur Verfügung. Beginnt man mit dieser Überlegung, kann das Produkt die gewünschten Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten haben.» Viele von Corcheros Produkten werden als Geschenke gekauft, sodass die Käufer nicht die Nutzer sind. «Wenn man ein Geschenk für jemanden kauft, ist das eine Form der Kommunikation. Man sagt damit: ‹Ich kenne dich und weiss, was dich anspricht.› Mein Beitrag liegt darin, dass ich eine Gele- genheit für einen derartigen Austausch schaffe», sagt sie. Und die Mühe, die sie in die Ideenfindung steckt, zahlt sich eindeutig aus. Ihre Marke gewinnt an Bekanntheit, hauptsächlich durch Mundpropaganda. Die Leute kommen zu ihr – Kunden, Medien und grössere Marken, die eine Zusammenarbeit wünschen. Ihr überlegtes Vorgehen hat Corchero schon in Kooperationen mit Guinness, Hugo Boss und Cadbury eingebracht. Derzeit entwickelt sie zusammen mit dem Getränkekonzern Diageo eine Kampagne für Sicherheitsbewusstsein rund um dessen Marke Johnny Walker. Für dieses Projekt arbeitet Corchero daran, ihre LFLECT-Materialien in einem ungleich grösseren Massstab einzusetzen: Geplant sind riesige Plakate, die allein durch Reflexion leuchten, also ohne Stromversorgung auskommen. Für die Zukunft erwartet Corchero Materialien, die von biologischen Vorbildern inspiriert sind. «In der Bauindustrie kann man diese Entwicklung bereits verfolgen, und zwar an- «Denn mein Tun kann zum Auslöser für jemand anderen werden, der von meiner Arbeit die Inspiration für etwas Neues bekommt. Das ist für mich die grösste Leistung überhaupt: andere zu inspirieren und so meiner Vision die Chance zu geben, zu wachsen.» Elena Corchero hand von sogenannt selbstheilenden Materialien. Ich glaube, dass die wichtigsten künftigen Trends von Innovationen in der Biologie und der Chemie ausgehen werden», sagt sie. «Ich denke deshalb, dass es Materialien geben wird, die Menschen Eigenschaften oder Fähigkeiten verleihen, die von der Natur für andere Arten entwickelt wurden. Schon heute können wir unsere Körper durch Schönheitsoperationen verändern. Wenn die Technologie so weit ist, wird die Industrie für Implantate neue Fähigkeiten erlangen – nämlich indem die im Körper vorhandene Glukose mit Energie versorgt wird», erklärt Corchero. «Diese Zukunft ist näher, als man denkt. Wenn man Ihnen sagen würde, dass es ein Implantat gibt, mit dem Sie jede Sprache der Welt sprechen können, würden Sie dann nicht zugreifen? Die Zukunft von tragbarer Technologie liegt für mich nicht in Modeaccessoires, sondern in Implantaten und Prothesen.» Corcheros Ideen sind gross, und ihre Ziele ambitioniert. Doch das schreckt sie nicht ab. «Als Einzelperson kommt man schnell an Grenzen, aber es ist wichtig, das zu tun, was man kann», sagt sie. «Denn mein Tun kann zum Auslöser für jemand anderen werden, der von meiner Arbeit die Inspira tion für etwas Neues bekommt. Das ist für mich die grösste Leistung überhaupt: andere zu inspirieren und so meiner Vision die Chance zu geben, zu wachsen.» 31 VORREITER Wandel im grossen stil Wie Darcy Winslow ihre Vision der Nachhaltigkeit umsetzt Darcy Winslow gehört zu den führenden Fachleuten, die in einem grossen, erfolgreichen Unternehmen für verstärkte ökologische Nachhaltigkeit gesorgt haben. In den 1990er-Jahren veränderte sie mit ihrer bahnbrechenden Arbeit bei Nike viele Einstellungen und Vorgehensweisen des Sportartikelherstellers im Hinblick auf Umweltbelange. Hier spricht sie darüber, was es für ein solches Engagement braucht und welches die Herausforderungen sind, die es als Nächstes zu meistern gilt. Interview: Janet Anderson In den 1990er-Jahren führten Sie bei Nike ein Nachhaltigkeitsprogramm ein – lange bevor viele andere Konzerne überhaupt über Umweltthemen nachdachten. Was bewog Sie damals dazu? Ich hatte gesundheitliche Probleme und fand heraus, dass diese sehr wahrscheinlich durch chemische Substanzen in unserer Umgebung verursacht wurden. Die Stoffe galten zu dieser Zeit als ungefährlich. Fünf Jahre später wurden sie als toxisch eingestuft und verboten. Ich war damals für fortschrittliche Forschungs- und Entwicklungsprojekte bei Nike zuständig und fragte mich, ob ich nicht noch etwas Bedeutenderes für die Welt tun könnte, als das nächste coole Produkt zu entwickeln. Zu dieser Zeit wollten auch die ersten Kunden wissen, welche Chemikalien in Nike-Schuhen verwendet wurden. Wir mussten eingestehen, dass wir das nicht wussten. In diesem Moment erkannte ich, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Sache der Corporate Social Responsibility ist. Ich fragte den damaligen Präsidenten von Nike: «Wollen wir uns nicht in diesem Bereich engagieren?» Er erwiderte: «Gut, dann finden Sie heraus, wie das geht.» VORREITER 32 Sie waren bei Nike so erfolgreich, weil Sie die Werte des Unternehmens mit systemischer Nachhaltigkeit in Einklang brachten. Welche Hindernisse gab es, und wie haben Sie diese überwunden? Damals dachten die Leute beim Begriff Nachhaltigkeit nur an nachhaltiges geschäftliches Wachstum. Ich musste erst lernen, eine neue Art von Nachhaltigkeit zu vermitteln, die Mitarbeitenden und das Management zu einer Diskus sion darüber anzuregen und ihnen zu erklären, warum sich Nike für solche Themen engagieren sollte. Umweltbelange zählten damals nicht zu den Aspekten, die die Markentreue förderten. Meine Aufgabe war es, einen Business Case zu entwerfen, der Nike als Pionier in diesem Bereich positionierte. Am Anfang kam ich damit nicht weit, bis ich herausgefunden habe, wer die «Helden», die einflussreichsten Personen in unserem System sind. Bei Nike waren das die Designer. Also stellte ich ihnen die Idee der Nachhaltigkeit als Innovation vor und konnte sie überzeugen. Eines unserer Ziele war beispielsweise «Zero Waste» – kein Abfall. Nach unseren Berechnungen fielen bei der Produktion von einem Paar Laufschuhen so viele Materialabfälle an, dass man damit einen dritten Schuh hätte produzieren können. Dabei ging es nicht um Verbote – das hätte auch nicht zu unserer Unternehmenskultur gepasst. Wir erarbeiteten gemeinsam mit den Designern unzählige Innovationen, die sich auf die eingesetzten Materialien und deren Design bezogen. Die Ergebnisse sind heute zum Beispiel in der Flyknit-Kollektion von Nike zu finden. Sie sind Managing Partner der Academy for S ystemic Change. Was sind deren Ziele? Für die internationalen Mitglieder der Akademie steht der bewusste systemische Wandel im Mittelpunkt: Wir wollen die Zahl der Führungskräfte weiter erhöhen, die diesen Wandel befürworten und durchsetzen können. Wir sprechen von einem «bewussten» Wandel, weil er ein verändertes Bewusstsein der einzelnen Akteure voraussetzt: Der Erfolg einer Massnahme hängt einzig und allein von der Einstellung der Person ab, die diese Massnahme veranlasst. Zuerst fokussierten wir uns auf die Umgestaltung von Bereichen wie Ausbildung, Meeresökosysteme und Fischfang, Landwirtschaft und Ernährung, alternative Banken, die Rolle der Frau, nachhaltige Gemeinden und tropische Regenwälder. Wir wollen die Fähigkeiten anderer Fachleute und Führungskräfte als Gemeinschaft fördern. Wir gewähren den Zugang zu allen unseren Netzwerken und richten Zentren für diese Bereiche ein. Wir wollen dafür sorgen, dass künftig die Zahl derjenigen Führungskräfte weiter zunimmt, welche die Bereitschaft, den Wunsch und die Fähigkeit haben, auf Systemebene zu führen. Wie optimistisch sind Sie angesichts dessen, was Sie bisher erreicht haben? Vor 30 Jahren war Nachhaltigkeit noch ein neuer Begriff. Heute weiss fast jeder, was damit gemeint ist. Bewertet man aber die Bemühungen um Nachhaltigkeit auf einer Skala von 1 bis 5 – wobei 1 für die blosse Einhaltung von Vorschriften steht und 5 für die Neuordnung von Finanzsystemen sowie die Integration von Nachhaltigkeit in alle Aktivitäten, Visionen und Grundsätze eines Unternehmens –, erreichen die meisten Firmen und Organisationen heute ungefähr die Stufe 2. Nachhaltigkeit wird noch nicht strategisch gesehen, sondern eher als freiwilliges Engagement. Das ist zwar auch wichtig, aber eben nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Wir brauchen mehr Zusammenschlüsse, wie beispielsweise in meiner Branche die Sustainable Apparel Coalition (Zusammenschluss für Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie), die sich mit dem Thema der Wasserknappheit befasst. Systeme kann man nicht verändern, indem man an einer einzigen Stellschraube dreht. Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen und sich für den Wandel einsetzen. Ist ein nachhaltiges Konsumwachstum ohne Abstriche an unserem heutigen Lebensstandard möglich? Und was bedeutet das für Investoren? Wir verbrauchen heute schon etwa die eineinhalbfache Menge der Rohstoffvorkommen unseres Planeten – aber wir haben nur eine Erde. Zunehmender Wohlstand, eine in vielen Ländern wachsende Mittelschicht und Konsummuster, die sich am westlichen Lebensstil orientieren, werden uns ins Straucheln bringen, wenn wir keine nachhaltigen Lösungen finden. Ein unendliches exponentielles Wachstum ist einfach nicht möglich. Die Aufgabe besteht darin, eine Kreislaufwirtschaft einzurichten, die den Verbrauch unserer natürlichen Ressourcen überflüssig macht. Bei allem Respekt: Sollen wir weiter in kurzfristiges Wachstum und Gewinne für einige wenige investieren oder in unsere langfristige Fähigkeit, allen Menschen nicht nur das Überleben, sondern auch einen gewissen Wohlstand zu sichern? Darcy Winslow Darcy Winslow ist Mitbegründerin und Managing Partner der Academy for Systemic Change, Gründerin von Designs for a Sustainable World Collective, LLC und Hochschuldozentin am MIT Leadership Center der MIT Sloan School of Management. Zuvor war sie mehr als 20 Jahre für Nike Inc. tätig und leitete dort ein bedeutendes Nachhaltigkeitsprogramm. 33 VORREITER Die NanoRevolution Aymeric Sallin sieht eine grosse Zukunft für kleine Dinge Nanotechnologie ist überall – eine Schlüsseltechnologie für alle Branchen, die Fortschritte in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft verspricht. Die Wissenschaft der kleinsten Dinge erschliesst neue Möglichkeiten für viele Produkte und Anwendungen – vom Gesundheitssektor über den Energiebereich bis hin zur Produktion. Die Liste könnte beliebig weitergeführt werden. Aymeric Sallin, der Gründer von NanoDimension, ist überzeugt: Unternehmen, die es schaffen, diese Wissenschaft aus dem Labor auf den Markt zu holen, können die Blue Chips von morgen werden. Autorin: Michèle Bodmer VORREITER 34 View Dynamic Glass entwickelt intelligente Fenster. Aymeric Sallin, CEO der Risikokapitalgesellschaft NanoDimension, rechnet damit, dass die Wissenschaft der Nanotechnologie schon bald ähnlich revolutionäre Aus wirkungen auf die traditionellen Technologien haben wird, wie dies derzeit Uber auf die Taxibranche hat. Und er sollte es wissen: NanoDimension investiert in frühen Phasen in Unternehmen, die sich bahnbrechende Errungenschaften der Nanotechnologie zunutze machen, sodass Sallin bestens darüber informiert ist, wie die Arbeit auf atomarer und molekularer Ebene die globale Technologielandschaft verändern wird. Mit der Gründung seines Unternehmens im Jahr 2002 hat sich Sallin darauf spezialisiert, Wissenschaft aus dem Labor in den Bereich der Produktion zu holen. Er glaubt daran, dass wissenschaftliche Durchbrüche zu disruptiven Technologien gemacht werden müssen, damit sie die Revolutionierung ganzer Märkte ermöglichen. «Ich liebe meine Arbeit: Ich setze die Wissenschaft aus dem Labor in erfolgreiche Unternehmen um, deren Produkte das Potenzial haben, ganze Branchen neu zu definieren. Ausserdem werden diese Technologien dazu beitragen, einige der grössten gesellschaft lichen Herausforderungen von heute zu lösen.» Das Erfolgsrezept: eine Fusion aus Hobby und Unternehmergeist Bei der Gründung seines ersten Unternehmens studierte Sallin noch Technische Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (ETHL), und schon damals verband er seine persönliche Leidenschaft mit dem Unternehmertum. Anfang der 1990er-Jahre war er begeisterter Snowboarder und wollte sogar Profi in dieser Sportart werden. Ein Unfall verhinderte dies, doch Sallin war nicht gewillt, sich deshalb ganz vom Sport abzuwenden: Er gründete ein Unternehmen, mit dem er nah an den Pisten und seinen Sportkameraden bleiben konnte. «Wir betreuten ein Team von professionellen Snowboardern», erzählt Sallin. «Mit die- VORREITER 36 Die Fenster lassen sich automatisch verdunkeln. sem haben wir von 1996 bis 1998 zwölf europäische und internationale Titel gewonnen, Filme auf Vulkanen und im Hochgebirge gedreht und weltweit an Wettbewerben teilgenommen. Das war eine wundervolle Abwechslung von den Labors und Hörsälen.» Nach Abschluss seiner Labortätigkeit an der ETHL begann Sallin seine berufliche Laufbahn als Strategieberater bei der Managementberatungsfirma Bain & Co. Als Nächstes brachte ihn seine Leidenschaft für Nanotechnologie und Unternehmertum dazu, die allererste auf Nanotechnologie spezialisierte Risikokapitalgesellschaft zu gründen. «Die beste Möglichkeit für mich, zur Entwicklung dieses Sektors beizutragen, lag nicht in Beratungsleistungen, sondern in der Bereitstellung von Kapital, mit dem Entrepreneure ihre Unternehmen gründen und aufbauen können», erklärt er. Also gründete er im Jahr 2002 NanoDimension. Die Anfänge seien schwierig gewesen, erinnert er sich. Die Internet-Blase war soeben geplatzt, und mögliche Investoren konnten sich nicht dafür begeistern, in einem völlig neuen Gebiet Risiken mit einem neuen Team einzugehen, das noch keinen Leistungsausweis vorzeigen konnte. «Bildlich gesprochen, musste ich mit meinem Kopf durch eine Wand voller Herausforderungen hindurch. Entweder mein Kopf oder die Wand musste irgendwann nachgeben – zum Glück war es die Wand. Ich brauchte fast vier Jahre, um das Team aufzubauen, für genügend Transaktionen zu sorgen, das Geschäftsmodell zu entwickeln und so ziemlich jedem, der mir zuhörte, von den Vorteilen der Nanotechnologie zu erzählen», sagt Sallin. Heute hat er Teams in der Schweiz und im Silicon Valley, und mit einem investierten Kapital von weltweit mehreren Hundert Millionen Dollar ist Nano- Dimension die grösste auf Nanotechnologie spezialisierte Risikokapitalgesellschaft überhaupt. Als Erster erwähnte der amerikanische Physiker Richard Feynman im Jahr 1959 die Möglichkeit, Atome und Moleküle direkt zu manipulieren. Bis 1981 war die Wissenschaft im Nanomassstab mit der Entwicklung des Rastertunnelmikros- kops Realität geworden. Und seitdem hat es viele weitere Fortschritte gegeben. «Heute sind wir in der Lage, Atome so zu organisieren und Moleküle so zu entwerfen, wie wir sie wollen und benötigen», erläutert Sallin. «Dadurch haben Wissenschaftler ein beispielloses Mass an Eingriffsmöglichkeiten, und sie können sich Änderungen physikalischer Eigenschaften zunutze machen, die sich im Nanomassstab ergeben.» Die Fähigkeit, Atome anzuordnen und Moleküle frei zu entwerfen, öffnete die Tür zu Anwendungen, die sich noch vor ein paar Jahren niemand hätte vorstellen können. Beispiele dafür sind zielgenaue Medikamente und Impfstoffe, neue Wasserbehandlungssysteme sowie Energieproduktions- und -speicherungstechniken der nächsten Generation. Nanotechnologische Produkte haben bereits erheblich zur Entwicklung von effektiveren Medikamenten beigetragen. Im Portfolio von NanoDimension befinden sich mehrere Biopharmaunternehmen, die neue Therapien gegen Krebs, Fibrose, Entzündungen und andere Krankheiten entwickeln. Eine davon ist ARMO BioSciences, ein Unternehmen, das eine Leitstruktur in klinischen Studien der Phase I testet und zwei Jahre nach seiner Gründung schon mehr als 200 Pa tienten behandelt hat. «Der Forschungsprozess kann so schnell vorangehen, weil sich mit Nanotechnologie bestehende Komponenten (oder Moleküle) verwenden und neu zusammenstellen lassen. Diese zielgenauen Therapien können durch den menschlichen Körper zirkulieren, sich bei einem Krankheitsherd sammeln sowie ihre Wirkstoffe effektiver abgeben, und das genau dort, wo sie benötigt werden. Das ist keine Science-Fiction: Derzeit führen mehrere Unternehmen in den USA ähnliche klinische Studien durch.» In Ländern wie Israel oder Singapur wird Abwasser mehrmals zur Wiederverwendung aufbereitet. Mit der bestehenden Nanofaser-Technologie lassen sich bereits heute volle 99 Prozent der Verunreinigungen einschliesslich Viren und Bakterien ausfiltern. Allerdings gelangen auch Hormone aus Landwirtschaft und Industrie ins Abwasser, die sich mit den heutigen Methoden noch nicht eliminieren lassen. Dies kann erhebliche Störungen ganzer Ökosysteme auslösen: «Es gibt Flüsse, in denen alle Fische weiblich sind, und Regionen, in denen alle Mädchen im Alter von acht Jahren fruchtbar werden. Wenn wir Nanopartikel so funktionalisieren können, dass sie Krebszellen im menschlichen Körper identifizieren, dann bin ich überzeugt, dass das Gleiche bald auch mit funktionalisierten Nanomembranen zum Ausfiltern dieser Wirkstoffe möglich ist», so Sallin. Weltweites Bevölkerungswachstum, veränderte Demografien und die zunehmende Urbanisierung werden einen enormen Druck auf unsere bestehenden Energieressourcen ausüben – aber auch hier kann Nanotechnologie helfen. «Der Klimawandel und die explosiv steigende Energienachfrage sind Realitäten. Wir sind die letzte Generation, die etwas dafür tun kann, um diese Trends umzukehren», sagt Sallin, der vom Weltwirtschaftsforum zu einem Young Global Leader gekürt wurde. Sowohl die Speicherung von Elektronen als auch die Konvertierung von Photonen spielen sich im Nanomassstab ab. Effizientere Batterien, Solarzellen, Nanotechnologie heute und morgen Zur Erläuterung zeigt Sallin ein Röntgenbild vom dreifach negativen Brustkrebstumor einer Patientin und erklärt: «Fast 90 Prozent dieses Tumors waren vier Wochen nach Beginn der Behandlung mit einem der Medikamente aus den klinischen Studien verschwunden.» Sallin hofft, dass diese Therapien in naher Zukunft von den Gesundheitsbehörden zugelassen und kommerzialisiert werden. Nanotechnologie wird auch dazu genutzt, Materialien und Geräte zu entwickeln, die sich an der menschlichen Biologie orientieren. In solchen Geräten kommen Nanotechnologie-Aspekte aus Physik und Biowissenschaften zusammen: Hier wachsen in mikromechanischen Umgebungen, in denen sich physiologische Bedingungen besser nachbilden lassen als mit traditionellen Methoden, lebende menschliche Zellen heran oder vermehren sich im Blut. Diese Technologie ermöglicht einen Blick auf die Abläufe im Innern des menschlichen Körpers und erlaubt so bessere Vorhersagen über die Reaktion auf Medikamente, Chemikalien oder Lebensmittel als traditionelle Zellkulturen oder Tierversuche. Sallin blickt voraus: «Daraus könnte die ultimative personalisierte Medizin der Zukunft hervorgehen: Man könnte potenzielle Therapien mit personalisierten Chips testen, bevor sie am Patienten angewendet werden.» «Organs-on-Chips» imitieren menschliche Biologie. 37 VORREITER Ein Nanoteilchen ist 1 bis 100 Nanometer gross. Technologien zur CO2-Abscheidung und andere Lösungen im Energiebereich werden künftig auf Nanotechnologie basieren. Diese bietet umfangreiche Anwendungsmöglichkeiten sowohl bei der Energiespeicherung als auch bei der Erzeugung von Solarstrom. Nanomaterialien in Lithium-IonenBatterien könnten beispielsweise die Speicherkapazität erhöhen. Ebenso liesse sich mit Nanomaterialien dafür sorgen, dass Solarzellen effizienter Licht ernten und Strom produzieren. Wenn sowohl Batterien als auch erneuerbare Energie effizienter und günstiger werden, dürfte die Nachfrage in den kommenden Jahren weiter steigen. Nanotechnologie kann auch einen Beitrag zu nachhaltigeren Städten leisten. Das Unternehmen View Dynamic Glass, ebenfalls im Portfolio von NanoDimension, hat ein Glas mit einer elektrochromen Innenbeschichtung ent wickelt, das bei Bedarf verdunkelt werden kann. Dadurch lässt sich steuern, wie viel Licht und Wärme in ein Gebäude gelangt, ohne dass die Durchsicht verloren geht. Beim Anlegen einer Spannung bewegen sich Ionen zwischen mehreren auf dem Glas aufgebrachten Schichten und halten so unerwünschte Strahlen und Wärme ab. Der Energieverbrauch eines Gebäudes kann auf diese Weise um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Ausserdem steigert die präzise Anpassbarkeit der Umgebung den Komfort für die Bewohner. Wissenschaft aus dem Labor in die Produktion zu holen, benötigt Zeit, Infrastruktur und Kapital. Bei View Dynamic Glass hat es ungefähr acht Jahre gedauert. Eine einzelne Fabrik habe das Potenzial, pro Jahr und Produktionslinie einen Gewinn von USD 125 Millionen zu erzielen, lasse sich aber für nur USD 100 Millionen aufbauen, rechnet Sallin vor. Wenn man also davon ausgeht, dass 10 Prozent aller neuen Gewerbeimmobilien weltweit mit dynamischem Glas ausgestattet werden, bräuchte man allein für diese Nachfrage ungefähr 500 Fabriken. Sallin dazu: «Genau darum geht es bei Nanotechnologie: einen ganzen Sektor aufzubrechen, ein echtes Problem zu lösen und sich zu einem höchst bedeutenden Akteur zu entwickeln.» Der Nanotechnologie-Markt wächst rasant. So bezifferte BCC Research den Umsatz mit nanotechnologischen Pro- VORREITER 38 dukten im vergangenen Jahr auf USD 26 Milliarden, nach einer Prognose der Marktforschungsfirma RNCOS soll er bis 2020 auf USD 76 Milliarden steigen. «Die erste Generation der Nanotechnologie ist schon da, und erste Auswirkungen auf alle anderen Branchen sind bereits deutlich spürbar.» Allerdings weiss er auch, dass der Weg nicht leicht werden wird. In Europa, so Sallin, gebe es die Tendenz, vor allem auf die Risiken von neuen Technologien zu schauen, und auch in den USA seien die Behörden bei neuen Nanoanwendungen vorsichtig. Die US Food and Drug Administration (FDA) hat ein spezielles Programm zur Prüfung von Nano partikeln und Nanostrukturen auf mögliche toxische Wirkungen aufgelegt. «Die wissenschaftliche Gemeinde nimmt diese Sicherheitsfragen sehr ernst», betont Sallin. Trotz des heutigen, enormen Potenzials musste er mit seinem Unternehmen in die USA expandieren, weil es in Europa nicht genügend überzeugende Investitionsmöglichkeiten gab. Mit Teams in der Schweiz und im Silicon Valley profitiert NanoDimension jetzt von weltweiten Transaktionen und kann Infrastruktur und Talente nutzen. «Es gibt in Europa keinen Mangel an brillanten Wissenschaftlern und führenden Universitäten, aber anders als in den USA fehlt es hier an Infrastruktur, Technikern, Entrepreneuren und einer Risikokultur.» Silicon Valley als Vorbild Sallin würde es begrüssen, wenn Politiker verstehen könnten, was grundlegende Innovation heute bedeutet und erfordert – nicht nur theoretisch, sondern auch konkret in der Praxis. Die Globalisierung von Technologie verlangt, dass die Wissenschaft rasch aus dem Labor heraus- und in ein Umfeld hineinkommt, das Skalierung, Produktion und Kommerzialisierung ermöglicht. Europa beschäftigt sich in seinen Augen zu sehr damit, mit Forschungsbeihilfen Doktorarbeiten zu finanzieren. Wichtiger wäre, Zentren für Produktion und Kommerzialisierung zu schaffen, in denen Ökosysteme für Innovation entstehen können. Dieser Prozess werde einige Zeit in Anspruch nehmen. «Ohne die Möglichkeiten des Silicon Valley wären wir nicht in der Lage gewesen, aus Wissenschaft Technologie zu machen», sagt Sallin. Produktion in grossem Massstab lässt sich überall ansiedeln. Europa und die Schweiz müssen deshalb bereit sein, Chancen für den Aufbau von HightechProduktionszentren und die Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen in der Produktion zu nutzen. «Solche Produktionszentren können das Ökosystem schaffen, in dem Innovation entsteht, genau wie im Silicon Valley.» Sallin rät jedem, der in den Nanotechnologie-Markt einsteigen möchte, diesen Schritt sehr pragmatisch zu hinterfragen und den Fokus aufs Produkt zu legen: «Fragen Sie sich selbst, ob Sie eine bessere Wertschöpfung für Ihr Produkt, einen klareren Kostenvorteil und einen effizienteren Herstellungsprozess bekämen als mit anderen Technologien. Lautet die Antwort Ja, legen Sie los. Lassen Sie sich nicht von all den anderen Dingen ablenken, die mit dieser Technologie möglich wären.» PIONIERE VERÄNDERN DIE WELT. DIE FRAGE IST: WELCHE? >> Entdecken Sie unsere Denkweise auf juliusbaer.com/visionary-thinking Julius Bär ist die führende Private-Banking-Gruppe der Schweiz und weltweit an rund 50 Standorten präsent. Von Dubai, Frankfurt, Genf, Guernsey, Hongkong, London, Lugano, Monaco, Montevideo, Moskau, Nassau, Singapur bis Zürich (Hauptsitz). Supertree Grove ist Teil des Plans von Singapur, durch Parks die Lebensqualität zu steigern. Die StädtE der Zukunft Die anhaltende Wanderungsbewegung in die Städte führt zur Entwicklung neuer Technologien, die das urbane Leben nachhaltig gestalten sollen. Selbstfahrende Autos, automatisierte Gebäude und vernetzte Informationstechnologie sind bereits Realität und geben einen Einblick in eine Zukunft, die unsere Art zu leben deutlich verändern wird. Zwei führende Experten berichten über ihre Vision für die Stadt der Zukunft und erklären, warum Wandel nötig ist und wie er sich vollziehen wird. Autor: Stuart Spear Ob Sie Städte lieben oder nicht – es wird sie immer geben, und sie werden immer grösser. Wenn Menschen in den 1960er- und 1970er-Jahren über nachhaltiges Leben sprachen, dachten sie meist an ländliche Idyllen. Die Zurückaufs-Land-Bewegung sah die Abwanderung aus den Städten als unsere Rettung an. Leben im Einklang mit der Natur sollte die gesellschaftlichen und ökologischen Probleme lösen, die durch die Urbanisierung entstanden waren. Heute hat sich diese Sichtweise umgekehrt. Experten sprechen davon, wie innovative Designs, Technologie und Planung unsere Städte so umgestalten werden, dass sie zum Vorbild für Nachhaltigkeit werden. Wenn wir eng zusammenleben, können wir Energie effizient einsetzen, Recycling betreiben, Ressourcen teilen, weniger reisen und so letztlich unsere schädliche Auswirkung auf die Umwelt auf einem bereits überlasteten Planeten verringern. Für den Weg zur nachhaltigen Stadt gibt es keine Patentlösung. Ein Bewohner von Dhaka in Bangladesch wird andere Prioritäten und Probleme haben als Menschen in London oder Zürich. Alle grossen Städte haben aber eines gemeinsam: Sie wachsen, jedoch nicht mehr nachhaltig. Alex Steffen ist Umweltjournalist und berichtet seit vielen Jahren über die Herausforderungen unseres Planeten. Für ihn sind die ländlichen Träume der 1960er- und 1970er-Jahre gescheitert, weil sie auf einer einfachen Selbsttäuschung beruhten: Die meisten Leute, die aufs Land zurückkehrten, taten dies nicht etwa, um ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Forstwirtschaft zu betreiben oder ein Leben im Einklang mit der Natur zu führen. Vielmehr exportierten sie einfach ihren alten Lebensstil von der Stadt aufs Land. Millionen ziehen in die Städte «Wenn Menschen aufs Land ziehen und dort ihren früheren städtischen Lebensstil weiterführen, ist das die am wenigsten nachhaltige Art zu leben», sagt Steffen, unter anderem Autor der Bücher «Carbon Zero: Imagining Cities That Can Save the Planet» und «World Changing: A User’s Guide for the 21st Century». «Angenommen, Sie leben zwei Stunden entfernt von der nächsten grossen Stadt auf einem grossen Grundstück, das Sie als Garten oder Landschaft gestal- ten, fahren aber trotzdem mit dem Auto überall hin und leben so wie früher in der Vorstadt: Das hat keinerlei ökologische Vorteile, sondern ist sogar noch schlimmer», erklärt er. «Wenn es um unsere Zukunft geht, sollten wir uns aus pragmatischen Gründen zuerst Gedanken über die Stadt machen», sagt Steffen, der sich selbst als «Planet-Futuristen» bezeichnet. Er beschäftigt sich mit Zukunftsfragen, die Bedeutung für die ganze Welt haben, insbesondere in den Bereichen Urbanisierung und Nachhaltigkeit. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO leben derzeit 54 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Räumen – im Jahr 1960 waren es 34 Prozent; pro Jahr soll dieser Anteil künftig um weitere 1,8 Prozent steigen. «Wir sind eine Spezies, die sich schnell urbanisiert, sodass bis Mitte des Jahrhunderts drei Viertel der Weltbevölkerung in Städten und 95 Prozent in einer Entfernung von maximal zwei Stunden zur nächsten grossen Stadt leben werden. Wir werden also auf überwältigende Weise mit unseren Städten verbunden sein», sagt Steffen. Wirtschaftliche Faktoren zählen zu den wichtigsten Treibern dieser Entwicklung. In den Städten sind unsere Volkswirtschaften zuhause, in ihnen bieten sich die meisten Gelegenheiten, und der Handel floriert. Städte sind ein fruchtbarer Boden für neue Ideen sowie ein Hort für Kultur, Kunst und Innovation. Aus diesem Grund verlaufen die Migrationsbewegungen weltweit vom Land in die Städte. Für Stadtplaner liegt die unmittelbare Herausforderung darin, die wachsende Bevölkerung auf nachhaltigere Weise unterzubringen. Laut Steffen wird das auf ein Bauen in die Höhe hinauslaufen, sodass Hochhäuser ein immer gewohnterer Anblick werden dürften. «Man kann die Städte nicht nachhaltig grösser machen, wenn man ihr Wachstum nicht konzentriert», sagt Steffen. «Würde man die chinesische Stadtbevölkerung so verteilen, dass sie nur noch so dicht zusammenlebt wie zum Beispiel die Leute in Houston in den USA, erforderte dies Tausende Quadratkilometer Platz. Wir können nicht Milliarden zusätzliche Menschen in Städten unterbringen, indem wir diese sich weiter nach aussen hin ausbreiten lassen.» Die Bevölkerungsdichte dürfte in Zukunft also noch zunehmen, doch Steffen geht davon aus, dass dies auch Chancen bringt, nachhaltiger zu leben. «Die Dichte der Städte 41 VORREITER Masdar City in Abu Dhabi ist eine Stadt der Zukunft. gibt uns die Möglichkeit, Dienste und Infrastrukturen aufzubauen, die bei geringerer Dichte nicht möglich sind. Das ist ein direkter Vorteil der Konzentration einer hohen Zahl von Menschen auf einem Gebiet», sagt Steffen. Die unmittelbarsten Vorteile ergeben sich durch Skaleneffekte. Beispielsweise lassen sich dicht zusammenlebende Menschen leichter mit nachhaltiger Energie versorgen als eine Bevölkerung, die über eine lockere Vorstadtbebauung verteilt ist. Auch das Abfallmanagement ist einfacher. Wenn wir näher an unseren Arbeitsplätzen leben, werden nachhaltige Transportnetze realistischer. Durch effiziente Planung werden wir in der Lage sein, die meisten Ziele zu Fuss oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Die Gebäude, in denen wir leben und arbeiten, werden weitaus weniger Energie für den Betrieb benötigen. Und technische Innovationen sowie Rechengeschwindigkeit werden so sehr zunehmen, dass eine total vernetzte Welt entsteht, in der wir materielle wie gesellschaftliche Ressourcen deutlich effizienter nutzen können. Als Beispiel dafür, wie veraltet das aktuelle Denken in Bezug auf die Nutzung von Ressourcen ist, verweist Steffen auf den Besitz von Autos: «Es gibt eine enorme Bandbreite an Möglichkeiten, wie man die riesige Zusatzkapazität nutzen könnte, die in jedem Fahrzeug schlummert – die meisten stehen 23 Stunden am Tag nur da. Man stelle sich stattdessen ein selbstfahrendes Auto vor, das fast 24 Stunden am Tag unterwegs ist. Dieses würde weitaus mehr Fahrten ermöglichen, als der beste Uber-Fahrer schaffen kann, und zwar zu deutlich niedrigeren Kosten und ohne dass Sie das Auto jemals parken müssen – ausser zum Aufladen, wenn es elektrisch ist. Wenn man das mit anderen grossen Änderungen zusammennimmt, etwa der Fähigkeit, dank Verbraucherdaten und geeigneter Software immer genauer vorherzusagen, was kurzfristig passieren wird, dann wird es vielleicht irgendwann möglich sein, ein Auto zu den Leuten zu schi- VORREITER 42 Die Architektur sorgt für ein Maximum an Schatten. cken, bevor diese überhaupt wissen, dass sie eines brauchen», erklärt er. Natürlich ist der Einsatz von Informationstechnologie nicht auf den Verkehrsbereich beschränkt. Sie lässt sich für jeden Aspekt unseres Lebens verwenden, solange wir nah genug beieinander leben, um Ressourcen gemeinsam zu nutzen. «Wir sprechen hier über eine kooperativere Lebensweise. In sämtlichen wichtigen Teilen der Volkswirtschaft, mit denen ich mich bisher ge nauer beschäftigen konnte, spielt sich eine vergleichbare Entwicklung ab.» Intelligente Städte sind im Kommen Ein Besuch im Songdo International Business District, 65 Kilometer südwestlich von Seoul in Südkorea, bietet einen Blick auf die Art von Zukunft, wie sie Steffen vorschwebt. Songdo gilt als «die intelligenteste Stadt der Welt» und wurde komplett neu auf Land erbaut, das man dem Gelben Meer abgerungen hatte. Sie ist zu 60 Prozent fertiggestellt und hat derzeit 70 000 Bewohner; bis zur Fertigstellung im Jahr 2018 soll sich diese Zahl verdreifachen. Hoch aufragende Wohngebäude bedeuten, dass 40 Prozent der Stadt für Freiflächen wie Parks oder einen Golfplatz reserviert bleiben können. Um eine koordinierte und synchronisierte Stadt zu schaffen, sollen hier jede Dienstleistung und jedes Gerät an ein Informationsnetz angeschlossen werden. Haustechnik wird per Mobiltelefon gesteuert, Müll über unterirdische Leitungen abgesaugt und dann automatisch sortiert, wiederverwertet oder zur Energiegewinnung verbrannt. Fahrräder sind allgegenwärtig, nachts werden sie in ordentlichen Reihen vor den Wohnungen abgestellt. Über Fussgängerpassagen können die Stadtbewohner Geschäfte und Restaurants mit Aussensitzplätzen erreichen. Jeder ist per Video mit jedem verbunden. Sensoren steuern elektrische Hilfen wie etwa Rolltreppen, die aktiviert werden, wenn man sich ihnen nähert. Eine weitere Stadt der Zukunft ist Masdar City in Abu Dhabi. Sie ist in der gnadenlosen Hitze der arabischen Wüste am Entstehen und soll 2025 fertig sein. Die Gebäude werden mit Solarstrom versorgt und sollen nur so viel Energie verbrauchen, wie sie erzeugen. Es gibt keine Lichtschalter oder -regler, nur Sensoren. Passivhaus-Technologien minimieren den Energiebedarf zur Kühlung, die Strassen sind in Anlehnung an traditionelle arabische Bauweisen schmal und gut beschattet. Allgemein ist die Stadt so angelegt, dass möglichst viel Schatten entsteht, und ein Windtunnel leitet kühle Luft durch die Strassen. Im Nahen Osten werden normalerweise 60 Prozent des Energiebedarfs von Gebäuden für die Kühlung aufgewendet. Masdar City konnte diesen Wert auf die Hälfte reduzieren. Hitze erzeugende fossile Brennstoffe wird man in Masdar City vergeblich suchen. Konventionelle Autos bleiben am Rand der Stadt, denn diese bekommt ein Netz aus fahrerlosen Elektrofahrzeugen, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Damit ist Masdar City ein wichtiger Ort, um sich über nachhaltige Konzepte zu informieren. Im Stadtzentrum befindet sich das Masdar Research Institute, das Studenten aus aller Welt aufsuchen, um mehr über modernste Entwicklungen zu erfahren. Das Institut steuert Forschung und Theorie bei, dann werden die Theorien an Pilotstandorten getestet und technisch optimiert. Zuletzt folgen Anwendung und Kommerzialisierung in der gesamten Stadt. Die meisten Städte wachsen über einen langen Zeitraum Anders als Songdo und Masdar, die am Reissbrett entstanden, entwickeln sich die meisten Städte über eine lange Zeit. Ihre Geschichte beginnt mit einem natürlichen Meer zugang, einer Kreuzung auf Handelsrouten, einer Brücke oder fruchtbarem Land. Singapur ist ein gutes Beispiel dafür. 1819 traf der britische Staatsmann Sir Stamford Raffles hier ein und fand nur tropischen Dschungel vor. Heute hat die 700 Quadratkilometer grosse Insel dank ihrer idealen Lage für den Handel zwischen Indien und China bald 5,5 Millionen Einwoh ner und beherbergt den zweitwichtigsten Hafen der Welt. Professor Peter Edwards leitet das Future Cities Laboratory am Singapore-ETH Centre for Global Environmental Sustainability. Das Labor ist ein interdisziplinäres Forschungsprogramm mit dem Ziel, Ideen und Wissen zu ent wickeln, um Städte und urbanen Lebensstil nachhaltig zu machen. Es bringt unterschiedliche akademische Fachrich- «Wir werden bald an die Grenze dessen stossen, was mit stark zentralisierten Städten möglich ist. Also müssen wir unsere Städte so weiterentwickeln, dass sie natürlichen Ökosystemen ähneln.» Professor Peter Edwards, Leiter des Future Cities Laboratory tungen partnerschaftlich zusammen und ist stolz darauf, kreative Lösungen für die Herausforderungen des städtischen Lebens beizusteuern. «Man kann ein Problem wissenschaftlich und technisch hervorragend verstanden haben, aber wenn die Gestaltung nicht stimmt und man keine angenehme Umgebung zum Leben geschaffen hat, wird niemand dort leben wollen», erklärt Edwards. «Man braucht diese Designkomponente. Es ist enorm wichtig, beim Entwickeln einer Vision für eine Zukunft mit mehr nachhaltiger Technologie auch Architekten hinzuzuziehen.» Regenwälder als Vorbild für Städte Professor Edwards hat seine Laufbahn als Botaniker begonnen. Deshalb versteht er die Geschichte von Raffles und Singapur als Anhaltspunkt dafür, in welche Richtung uns die nachhaltige Stadt führen wird. «Als Raffles dort ankam, gab es den tropischen Regenwald schon seit 80 Millionen Jahren», erklärt er. «Regenwälder sind hochgradig dezen tralisiert: Ihre Produktionssysteme – die Blätter – sind de zentralisiert, die Entsorgung von Abfallstoffen ist dezentralisiert, und es gibt alle möglichen Arten von homöostatischen Mechanismen. Moderne industrialisierte Städte dagegen sind extrem zentralisiert. Sie haben Systeme für die Energieversorgung und die Abfallentsorgung, Ausgleichsmecha nismen wie im Regenwald gibt es fast nicht. Diese Zen tralisierung wurde grossenteils vom Wunsch nach mehr wirtschaftlicher Effizienz getrieben, doch die Folge davon ist ein zunehmendes ökologisches Ungleichgewicht, sodass Städte an Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit eingebüsst haben.» Edwards glaubt, dass der Regenwald eine Lehre über die Zukunft der nachhaltigen Stadt für uns bereithält. Gebäude werden wie Bäume autonom sein müssen, indem sie ihr eigenes Wasser sammeln und vielleicht zu einer umfassenderen Wasserversorgung beitragen. Sie müssen energieneutral sein und Energie über Photovoltaik ernten, und auch ihre Nährstoffbilanz muss ausgeglichen sein. «Wir werden bald an die Grenze dessen stossen, was mit stark zentralisierten Städten möglich ist. Also müssen wir unsere Städte so weiterent wickeln, dass sie natürlichen Ökosystemen ähneln», sagt er. Die Arbeit des Future Cities Laboratory bringt uns dieser Vision einen Schritt näher. Ein Beispiel dafür ist ein aktuelles Projekt, bei dem Edwards’ Team daran arbeitet, den Energie- 43 VORREITER bedarf für die Kühlung von Gebäuden um bis zu 40 Prozent zu senken. Das könnte massive Energieeinsparungen für Singapur bringen, wo 70 Prozent des gesamten Gebäudeenergiebedarfs für Kühlung anfallen. Spannend an dieser Technologie ist, dass sie auf gewerblich genutzte Bauten ausgelegt ist und den Bedarf an Rohrsystemen zur Kühlung verringern soll. Das Projekt hat den Namen «3für2», weil man drei Etagen bauen kann, wo es jetzt üblicherweise zwei gibt, wenn weniger sperrige Kühlungskanäle gebraucht werden. Die Technologie hat ihren Ursprung in Zürich. Sie wurde in der Schweiz vor allem zum Heizen genutzt und weniger zum Kühlen. Mit denselben Prinzipien und ein paar zusätz lichen Techniken wie einer Luftentfeuchtung eignet sie sich jedoch auch für die Tropen, und die Ergebnisse könnten wegweisend sein. Ausserdem arbeiten Architekten, Designer und Ingenieure aus Edwards’ Labor in Singapur gemeinsam daran, einigen alten Einkaufsvierteln neues Leben einzuhauchen. «Es gibt hier immer noch viele traditionelle Ladenzeilen mit kleinen Wegen zur Anlieferung dahinter, ein bisschen wie in einer Londoner Geschäftsgasse. Aber nach hinten blasen Hunderte von Klimageräten heisse Luft heraus und verwandeln die Lieferwege in ein schreckliches Umfeld, eine Art inneren Kreis der Hölle», erklärt Edwards. «Würden wir an der Rückseite der Häuser stattdessen unsere neue Kühlungstechnologie einsetzen, könnte aus dieser Hölle eine wunderbare Umgebung entstehen, eine nette Gasse mit kleinen Cafés, Bäumen und Sitzgelegenheiten.» Informelle Siedlungen nachhaltiger gestalten Bei Jakarta läuft derzeit ein weiteres Projekt zur Aufwertung einer bestehenden Stadt durch Wissenschaft und bessere Planung. Städte in den Entwicklungsländern wachsen häufig auf chaotische Weise – es entstehen informelle Siedlungen, die den Zustrom neuer Bewohner vom Land aufnehmen. Der Grossraum Jakarta ist dadurch von 3 Millionen Einwohnern in den 1970er-Jahren auf heute 30 Millionen gewachsen. Der Verlust von Grundwasser hat dazu geführt, dass die tief liegenden Gebiete, auf denen sich die Siedlungen befinden, absacken, sodass Überflutungsgefahr besteht. Trotzdem werden die Flüsse für alles genutzt – von der Kanalisation bis zur Trinkwasserversorgung. Anstelle der drastischen Option, die Menschen zu vertreiben und in Hochhäuser am Rand der Stadt zu verbannen, lässt die Regierung ein multidisziplinäres Team des Future Cities Laboratory erkunden, wie sich die informellen Siedlungen nachhaltiger gestalten lassen. «Die Community und ihren Lebensraum zu zerstören, ist keine gute Idee. Also wollen wir diesen Menschen mit guter Planung und guter Technologie helfen, ihre Gemeinschaften weiterzuentwickeln und Stück für Stück weiterzuwachsen», sagt Edwards. Hydrologen und Landschaftsarchitekten beschäftigen sich mit einer Sanierung des Flusses Ciliwung, die Überflutungsschutz, Wasserqualität, Kultur und Umwelt gleicher- VORREITER 44 «In China laufen Investitionen und Entwicklungen in einem unglaublichen Tempo ab – rund zehnmal schneller als die Industrialisierung in England.» Alex Steffen, Autor und Journalist; er nennt sich selbst «Planet-Futurist» massen berücksichtigt. Zusammen mit lokalen Behörden und Stadtplanern arbeiten sie an Konzepten zur ökologischen Aufwertung des Flusses und zur Milderung der Folgen von Hochwasser. «Im Weiteren haben wir mit der Entwicklung eines Gebäudes begonnen, das nach Bedarf wachsen kann. Grösser werdende Familien könnten dann zum Beispiel ihr Haus nach oben erweitern, indem sie das Dach anheben und eine Etage anbauen», erklärt Edwards. «Ausserdem sieht unser Designkonzept dezentrale Systeme für Wassersammlung, Abfallbehandlung und Stromerzeugung vor. Diese Häuser sollen so autonom wie möglich werden, was in Gegenden mit schlecht ausgebauter öffentlicher Infrastruktur sehr wichtig ist. Hinter all dem steckt die Überlegung, diese eher chaotisch zusammengewürfelten städtischen Gebiete mit Planung und passenden Technologien in die Lage zu versetzen, aus ihren Problemen herauszuwachsen und sich besser zu entwickeln.» Steffen hat sich auch mit den Herausforderungen für Städte in Entwicklungsländern beschäftigt. Er glaubt, dass diese Städte paradoxerweise sogar Vorteile gegenüber solchen in den Industrienationen haben könnten, weil in ihnen nicht so stark in alte Infrastrukturen investiert wird. «Es gibt viele Autos in den Entwicklungsländern, aber pro Kopf gerechnet sind es deutlich weniger. Die Leute dort haben viel weniger die fixe Idee, dass ein Auto unverzichtbar sei», erklärt Steffen. «Also ist es im Zug der weiteren Entwicklung durchaus möglich, dass sich autonome Fahrzeuge in diesen Städten am schnellsten durchsetzen. Denn dort treten sie nicht in Konkurrenz zu privaten Autos, sondern zu anderen Methoden der Fortbewegung.» Als Beispiel für dieses technische «Leapfrogging» (Überspringen) nennt Steffen China. In Europa beispielsweise haben sich die Verkehrssysteme über Jahrhunderte ent wickelt, sodass heute etwa in London Ingenieurwissen aus viktorianischer oder edwardianischer Zeit die Anforderungen einer Stadt des 21. Jahrhunderts erfüllen soll. «China dagegen hat gesagt: ‹Gut, wir werden neue Methoden des Bauens erfinden, und wir werden dies im ganz grossen Massstab tun. Wir brauchen Beförderungsmöglichkeiten, also werden wir innert 20 Jahren ein komplettes U-Bahn-System für Schanghai errichten. Wir werden Tausende Kilometer an landes weiten Eisenbahnstrecken bauen.› Und so weiter. In China laufen Investitionen und Entwicklungen in einem unglaub lichen Tempo ab – rund zehnmal schneller als die Industrialisierung in England», erklärt Steffen. Kopenhagen ist mit seinen vielen Fahrrädern ein gutes Beispiel für eine nachhaltige Stadt. Was bedeutet das für die sich langsamer entwickelnden historischen Städte beim Rennen um mehr Nachhaltigkeit? Wie Edwards erklärt, wurden viele von ihnen vor der Erfindung des Autos gebaut, sodass ihr Kern hinsichtlich Strassenführung und Dichte an sich gut für nachhaltiges Leben geeignet ist. «So gesehen liegt das grössere Problem vielleicht in der beträchtlichen Ausbreitung an den Rändern, die mit der Verbreitung von Autos eingesetzt hat», sagt er. Mittelfristig reiche es möglicherweise aus, Häuser, die vor mehr als 100 Jahren gebaut wurden, zu modernisieren. Auf lange Sicht aber müssten sie komplett durch etwas Effizienteres abgelöst werden. Kosten für Wohnraum müssen sinken In allen bedeutenden Städten der Welt gibt es aber ein Problem, das sehr kurzfristig gelöst werden muss: die Kosten für Wohnraum. Das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage verzerrt die Immobilienmärkte so sehr, dass bereits ganze Volkswirtschaften in Mitleidenschaft gezogen und vor allem jüngere Generationen benachteiligt werden. «Über eines bin ich mir relativ sicher: In Kürze werden die durch Nichtreagieren generierten Kosten so schnell steigen, dass eine Stadt nach der anderen schlagartig realisieren wird, wie viel vorteilhafter es ist, neue Infrastrukturen zu bauen, neue Strategien auszuprobieren und besser zu planen, als beim Status quo zu bleiben», sagt Steffen. «Das aktuelle System ist bis an den Rand des Zusammenbruchs ausgereizt – nicht nur in London, sondern überall. Wenn man sich die Wohnkosten, die Fahrtzeiten und den Rückstau bei Infrastrukturarbeiten ansieht, den es inzwischen in fast jeder Stadt der Welt gibt, sieht man, wie das Niveau der öffentlichen Dienstleistungen sinkt. Manche Städte halten sich besser als andere, aber nirgendwo läuft es so gut, wie die Bürger es erwarten.» Insgesamt sind Professor Edwards und Steffen gleichermassen optimistisch für die Zukunft. Als ihr wohl liebstes Beispiel für eine nachhaltige Stadt nennen beide Experten Kopenhagen – wegen seiner Fahrräder, seiner guten Fuss wege, seiner grünen Initiativen und weil es auf mehrere Zentren ausgelegt ist. Wie wird die Stadt der Zukunft in 20, 50 oder 100 Jahren aussehen? In 20 Jahren werden autonome Gebäude Einzug gehalten haben. Stadtplaner werden gezwungen worden sein, das Problem der Wohnraumknappheit anzugehen, und die Technologiemärkte werden reife Lösungen etwa für automatisierten Verkehr zur Verfügung stellen. In Steffens Augen wird gesellschaftlicher und politischer Druck eine plötzliche Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit ausgelöst haben, weil immer mehr Menschen den Status quo infrage stellen und erkennen, dass schrittweiser Wandel nicht mehr ausreicht. In 50 Jahren wird die polyzentrische Stadt der Normalfall sein, weil Cybertechnologie die Notwendigkeit, zur Arbeit zu pendeln, hat verschwinden lassen. Doch es wird noch 100 Jahre dauern, so glaubt Edwards, bis sein ultimativer Traum Wirklichkeit geworden ist: eine Stadt, die sich in einem echten ökologischen Gleichgewicht befindet. 45 VORREITER claudia comte 46 Versteckt in einer Berliner Nebenstrasse, in einem Gebäude, das an eine Lagerhalle in einem Industriegebiet erinnert, liegt das Atelier von Claudia Comte. Sie gilt als eine der 20 vielversprechendsten jungen Künstler der Schweiz. Obwohl erst Anfang 30, hat sich Comte durch Ausstellungen unter anderem in New York, Paris, London, Brüssel und Zürich bereits einen Namen in der Kunstszene gemacht. Autorin: Michèle Bodmer In diesem Jahr hat Claudia Comte einen ihrer bislang anspruchsvollsten Aufträge bekommen: eine grossformatige Skulptur für einen prominenten Ort in London. Ab dem Jahr 2018 soll das Werk zu sehen sein, genauere Informationen zu Standort und Datum werden erst kurz vor der Enthüllung bekannt gegeben. «Dieser Auftrag ist hinsichtlich Umfang, Produktion und Budget der nächste grosse Schritt nach vorn in Comtes Entwicklung», sagt Chaja Lang, Mitgründerin der Zürcher Galerie BolteLang, von der Comte vertreten wird. «Wir sind sicher, dass sie und ihr sehr professionelles Studio in der Lage sind, auch in Zukunft ähnlich grosse Produktionen zu bewältigen.» Comtes Arbeiten bewegen sich zwischen Bildhauerei, Malerei und Videokunst – sogar computergestütztes Design zählt zu ihren Medien. Sie spricht genauso gerne über den «Reitausflug» nach Kirgisistan, den sie kürzlich für ein Videoprojekt unternommen hat, wie über ihre neuesten Kreisbilder, die sie selbst als Wandskulpturen bezeichnet, und über ein weiteres aktuelles Projekt, für das sie quaderförmige, versengte Holzskulpturen vor einer mit grafischen Mustern gestalteten Wand platziert. Bekannt ist sie vor allem wegen ihrer abstrakten Skulpturen aus Holz. Hier hat sie auch ihre Wurzeln: Die Künstlerin verbrachte ihre Kindheit in den Wäldern von Grancy, einem Schweizer Dorf rund 20 Kilometer vom französischsprachigen Lausanne entfernt. Wenn sie von der Energie und den typischen Farben von Holz erzählt, spricht aus ihr eine Leidenschaft, die eine tiefe Vertrautheit mit diesem Werkstoff zeigt. «Ich bin in einem Chalet im Wald aufgewachsen. Das hatte grossen Einfluss auf mein Verhältnis zur Natur und auf meine Arbeitsweise», erklärt sie. VON DER NATUR IN DIE STADT Auf ihrem Weg von den Schweizer Wäldern in ihr Berliner Grossstadtatelier hat Comte viel erlebt. Sie wohnte in Rom, Berlin, Paris und Johannesburg und hat drei bedeutende Schweizer Kunstpreise gewonnen: den Swiss Art Award, den Kiefer Hablitzel Preis und den Prix Mobilière. Ihr jüngster Coup ist der rasante Aufstieg in der 22. jährlichen Rangliste der «50 besten Künstler der Schweiz» des Wirtschaftsmagazins «Bilanz». Darin nimmt sie Platz 18 ein, nach Platz 44 im Jahr 2014 und ihrem Debüt 2013. Barbara Staubli, Kuratorin der Julius Bär Kunstsammlung und Mitglied der «Bilanz»- Jury 2014 und 2015, erklärt die Gründe für diesen Sprung: «In den letzten Jahren hatte Comte eine Reihe von beeindruckenden Ausstellungen und Projekten in der Schweiz und im Ausland, unter anderem im Centre PasquArt in Biel, im Centre Culturel Suisse in Paris und – in diesem Jahr – eine Einzelausstellung in der Gladstone Gallery in New York. Ihr Platz in der Rangliste 2015 ist das Ergebnis eines starken und überzeugenden Auftretens in der Kunstszene.» Für ihre Kunst reist Claudia Comte durch die ganze Welt, doch das geliebte Holz für ihre Skulpturen bezieht sie weiterhin aus den Wäldern ihrer Kindheit. Sie lagert es im Chalet, in dem ihre Eltern noch heute wohnen, und arbeitet dort 47 Kunst manchmal auch daran. «Der Wald ist für mich wie eine Art Weinkeller», erklärt sie. «Ich spreche mit den Holzfällern aus der Gegend, um genau das richtige Werkstück für eine Skulptur zu finden. Denn von aussen offenbart Holz seinen Charakter nicht auf Anhieb. Eibenholz beispielsweise, der RollsRoyce unter den Hölzern, ist sehr wertvoll und teuer und hat ein fantastisches Farbspiel. Im Rohzustand ist das nicht zu sehen, erst wenn man das Holz bearbeitet und poliert, kommen seine unglaublich schönen Farben zum Vorschein.» Sie weiss genau, wie stark die verschiedenen Hölzer beim Trocknen schrumpfen, wo und wie sich Risse bilden und wie man das Material behandeln muss, damit seine Schönheit voll zum Ausdruck kommt. In ihrem Atelier lagert sie gebrauchsfertige Rohlinge aus Eiche, Birne, Akazie, Walnuss, Kirsche und Zeder. Dieser Vorrat sei allerdings nichts im Vergleich zu dem, was sie im Wald aufbewahre, sagt Comte. Die Skulptur steht bei Comte an erster Stelle. Vor der Entscheidung über das passende Material legt sie ihre Form fest. «Ich fertige zuerst eine präzise Zeichnung an, dann ein Tonmodell, und ganz zum Schluss wähle ich das Material für die Skulptur aus», erklärt sie. «Allein das richtige Holz zu finden, macht die Hälfte meiner Arbeit aus. Jetzt, wo ich meine Skulpturen verkaufe, kann ich mehr in das Material investieren und so noch präziser arbeiten. Was mich fasziniert, ist die Art und Weise, wie Bäume auf ihren Standort reagieren. Das Holz entwickelt eine ganz besondere Energie, je nachdem, ob es in der Nähe eines Flusses oder im Wald gewachsen ist.» EINE MEISTERIN IHRES FACHS Comte arbeitet gerne schnell – ein Grund, warum sie am liebsten zur Kettensäge greift. Normalerweise schneidet sie die Skulpturen gleich im Wald zu und bringt sie dann für den letzten Schliff in ihr Atelier. Anfangs benutzte sie noch die elektrische Kettensäge ihres Grossvaters. Doch das Gerät ging nach wenigen Stunden kaputt, weil Comte sich damit über viel zu dicke Stämme hermachte. Davon unbeirrt lieh sie sich im Dorf eine stärkere Kettensäge mit Benzinmotor und war von deren Geschwindigkeit so begeistert, dass sie dieser Arbeitsweise bis heute treu geblieben ist. In ihrem Atelier hat sie gleich fünf Kettensägen unterschiedlicher Grössen. «Den richtigen Umgang mit der Kettensäge habe ich bei den Waldarbeitern gelernt. Ich hatte noch nie einen Unfall, denn ich weiss genau, wie ich das Gerät einsetzen muss. Natürlich ist die Arbeit trotzdem gefährlich wegen der Rückschlaggefahr. Aber ich weiss, wie ich reagieren muss», sagt sie. Der Bearbeitungsprozess ist für Comte entscheidend. Auf einen Tag Sägen kommen sieben Tage Schleifen, anschliessend wird die Skulptur noch gewachst. Das Wachs bezieht die Künstlerin von einem 90-Jährigen aus der Umgebung ihres Heimatdorfes. «Es riecht unglaublich gut und erzielt genau den gewünschten Effekt.» Auch Comtes Berliner Atelier zeigt ihre künstlerische Vielseitigkeit: Der hohe, helle und offene Raum erinnert an eine Fabrikhalle, ist aber so unterteilt, dass trotzdem eine warme und entspannte At- Kunst 48 mosphäre entsteht. Der Teil für die staubigen Schleifarbeiten ist getrennt von einem saubereren Bereich zum Malen. Ausserdem ist das Atelier zweistöckig, mit einer Küche im unteren und einem Wohnzimmer im oberen Teil. Comtes zwei Katzen Minus und Cortex streunen frei durch das Atelier und das Aussengelände. BERLIN – DIE STADT DER KÜNSTLER Das Atelier hat sie vor einem Jahr bezogen. Die dynamische Stadt schaffe es, gleichzeitig praktisch und inspirierend zu sein, sagt Comte. Tatsächlich bietet Berlin die kreative Freiheit, die eine lebendige zeitgenössische Kunstszene braucht. Zudem ist Comte froh darüber, dass sie dort vom kommerziellen Rummel des Kunstmarkts verschont bleibt. «Hier gibt es zwar eine Kunstszene, aber nicht viel Geld und auch keine Sammler. Das hat seine Vorteile, denn so verspüren die Künstler weniger Druck, etwas zu verkaufen.» Ein wichtiger Aspekt von Comtes Arbeit ist die Zeit. Die Künstlerin arbeitet mit einem Material, das lange zum Reifen braucht und sich auch beim Trocknen noch leicht verändert. Gerade deshalb ist ihr bewusst, wie rasant sich im Gegensatz dazu das Tempo in der Kunstwelt erhöht – es geht mittlerweile alles schon etwas zu schnell, weil immer mehr Künstler in den Markt drängen. «Interessant finde ich, dass man in der Kunst rasch Ideen haben muss. Man muss schnell produzieren und auf Anfragen von Museen und Galerien reagieren. Aber wenn man mit Holz arbeitet, muss man sich auch Zeit nehmen und vorsichtig sein, weil es Risse bekommen kann. Holz lässt sich nicht hetzen.» Die Unerschütterlichkeit ihres Lieblingsmaterials ist eine Quelle der Inspiration für Comte: «Holz fasziniert mich, weil es einer der wichtigsten Rohstoffe weltweit ist und schon lange vor uns Menschen da war. Seine Verbindung zum Handwerk steht für eine Rückbesinnung, und genau das macht es für mich so interessant. Holz wächst sehr langsam. Damit setzt es einen Kontrapunkt zu der Hektik, mit der wir in der digitalen Welt von heute kommunizieren und leben. Holz hat eine gewisse Schwere. Ich versuche, daraus etwas Präzises, Radikales und Amüsantes zu schaffen.» Begonnen hat Comte ihre Laufbahn an der Kunsthochschule Lausanne (ECAL). Für sie sei das eine Art Initiationsritus gewesen, in dessen Verlauf sie endgültig beschlossen habe, ihr Leben als Künstlerin zu verbringen, erklärt sie. Später machte sie einen Master an der Pädagogischen Hochschule (HEP) und unterrichtete Kunst an einer lokalen Schule. Dabei habe sie gelernt, den kreativen Prozess zu strukturieren – so wie man auch den Lernprozess strukturieren müsse, um Teenagern etwas beizubringen. Comte ist überzeugt, dass sie durch diese Erfahrung heute effizienter arbeitet, weil sie bei jedem ihrer Projekte auf bewährte Systeme, Regeln und Merkmale zurückgreifen kann. Zehn Jahre lang hat Comte an den Wochenenden zusätzlich als Kassiererin im Militärmuseum in Morges gearbeitet. Schon in dieser Zeit verschaffte sie sich Einblicke in den In der Holzwerkstatt. Videostandbild aus «La Danse Macabre», 2015. «Wandgemälde im Freien», Domaine du Muy, 2015. Claudia Comte mit ihrer Katze Minus vor ihrem Berliner Atelier. video www.juliusbaer.com/ vision Kunstbetrieb: «An der Kunsthochschule habe ich einigen Freunden aus meinem Jahrgang vorgeschlagen, mit mir gemeinsam eine Ausstellung zu veranstalten. Das war eine wertvolle Erfahrung. An der Schule wird einem das nicht beigebracht.» Den grössten Einfluss auf ihre Arbeit hatte nach Comtes eigenem Bekunden ein einjähriger Aufenthalt am Schweizerischen Institut in Rom, umgeben von den grössten Kunstschätzen der Welt. Quellen der Inspiration findet sie aber überall. Während eines Aufenthalts bei Pro Helvetia in der südafrikanischen Stadt Johannesburg zum Beispiel entdeckte sie neue, spannende Hölzer für ihr Material-Arsenal. Dabei ist Comte nicht auf ein bestimmtes Medium festgelegt. «Ich interessiere mich für verschiedene Grundformen, ihre Zusammensetzung, ihre Struktur und dafür, wie ihre Gestalt – in der Wissenschaft wie in der Natur – eine wundervolle poetische und mathematische Konsistenz haben kann.» Comtes jüngstes Medium ist das Video. Eines der Werke aus dieser neuen Richtung trägt den Titel HAHAHA: Zunächst baute sie aus 18 Pinienstämmen die Buchstaben dafür. Dann, so beschreibt Comte, erweckte sie diese Skulptur zum Leben – sie steckte sie in Brand, während davor zwei Pianisten die «Danse Macabre» des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns spielten. «Das ist sehr unterhaltsam, weil an einer Stelle ein Motorrad durch die brennenden Buchstaben und zwischen die Pianisten springt und vor der brennenden Skulptur einen Wheelie macht. All das habe ich auf Video aufgezeichnet.» Die gleiche Präzision, mit der Comte Holz bearbeitet, legt sie nun bei ihrer neuen Skulptur für London an den Tag. In diesem Fall ist ihr Medium allerdings computergeneriertes Kunst 50 Modelle für geplante Projekte und fertige Holz arbeiten von Claudia Comte. Design. Mithilfe einer Spezialfirma aus Zürich will sie – in einem komplexen Prozess mit 3D-Scans und Fräsen – drei Bananen in einem Käfig perfekt reproduzieren, und zwar in Aluminium. Die menschengrossen Früchte werden nur von den Seitenteilen eines vier Meter hohen, rechteckigen Rahmens gehalten und wirken daher, als würden sie im Käfig schweben. Durch den Rahmen werden die Bananen leicht eingedrückt, was an die Spannung und die Textur der Skulpturen von Gian Lorenzo Bernini erinnert. Comte beschreibt die Aktion als einen «Scan des Lebens» und eine Hommage an Leonardo da Vincis «vitruvianischen Menschen». Kunst als Berufung «Die Skulptur heisst ‹Die Drei Grazien› – wie das gleichnamige Gemälde von Raffael aus dem Jahr 1505. Dort halten die drei Grazien Äpfel in den Händen. Die Bananen sind eine humorvolle Interpretation dieses Themas», erklärt Comte. «Das Projekt ist keine klassische Holzskulptur, die auf einem Sockel steht. Vielmehr wird der Sockel zum integralen Bestandteil des Werks – beides geht ineinander über. Der Rahmen um die Bananenskulptur veranschaulicht die Proportionen der Natur und wird gleichzeitig zu einer Studie, zu einer wissenschaftlichen Darstellung von dem, was wir konsumieren. Die Skulptur thematisiert das Leben.» Überhaupt sprüht Claudia Comte nur so vor Ideen, wenn sie über ihre Berufung berichtet: «Ich produziere einfach gern. Hätte ich zwei Gehirne und zusätzliche Hände, würde ich noch mehr Projekte angehen. Ich liebe es, die ganze Zeit Neues zu schaffen und zu experimentieren.» 51 Neuankäufe Julius Bär Kunstsammlung Jedes Jahr kauft die Kunstkommission von Julius Bär neue Kunstwerke an, um sie in den Fluren und Büros des Unternehmens in aller Welt auszustellen. 2014 hat die Kommission 39 zeitgenössische Kunstwerke aus unterschiedlichen Genres erworben – von Gemälden über Skulpturen bis zu Fotografien und Videos. Zu den Neuankäufen gehören unter anderem Kunstwerke von Niklaus Rüegg (*1977), Pierre Vadi (*1966), Sara Masüger (*1978) und Claudia Comte (*1983). Wir freuen uns, Ihnen auf den folgenden Seiten einen Überblick über diese Kunstwerke zu präsentieren. Seit die Kunstkommission von Julius Bär 1981 ins Leben gerufen wurde, konzentriert sie sich darauf, herausragende Talente aus der Schweiz möglichst früh zu entdecken. Ziel ist es, schon zu Beginn der Karriere eines Kunstschaffenden Werke von ihm zu kaufen und ihn auch durch die weitere Entwicklung zu begleiten. Nach fast 35 Jahren strategischer Sammlungstätigkeit umfasst die Kunstsammlung mittlerweile mehr als 5000 Werke. Viele bedeutende Schweizer Künstler der vergangenen Jahrzehnte und alle wichtigen Trends der bildenden Kunst in der Schweiz sind in ihr vertreten. Über die Jahre hat Kunst auch als sichtbarstes Merkmal ihrer Schweizer Herkunft grosse Bedeutung für Julius Bär gewonnen: als Markenzeichen des globalen Unternehmens sowie als integraler Bestandteil seiner Kultur. Von der Sammlung sollen alle Beschäftigten bei Julius Bär profitieren können. Die ausgestellten Kunstwerke sind so ausgewählt, dass sie neue Perspektiven aufzeigen und auf diese Weise Mitarbeitende wie Besucher ansprechen, inspirieren oder auch herausfordern. Kunst am Arbeitsplatz schafft einen guten Ausgangspunkt für den Meinungsaustausch. Sie eröffnet neue Horizonte und motiviert dazu, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Wir hoffen, dass Ihnen die kleine Auswahl an Kunstwerken gefällt. Barbara Staubli, Kuratorin, Julius Bär Kunstsammlung Kunst 52 Sara Masüger, 1978 «Sitzende», 2013, Acrystal, 86 x 90 x 49 cm Tanja Roscic, 1980 Links: Ohne Titel, 2014, Acryl, Filzschreiber, Leder, Latex, Kugelschreiber und Stoff, 43 x 33 cm Rechts: Ohne Titel, 2014, Garn und Kugelschreiber, 43 x 33 cm Nicolas Party, 1980 «Still Life», 2014, Kreide auf Leinwand, 120 x 100 cm Taiyo Onorato & Nico Krebs, 1979/1979 «Fire», 2014, Film, 16 mm, übertragen auf SD-DVD 56 Bernard Voïta, 1960 «Melencolia IV», 2014, Inkjet auf Papier, 180 x 130 cm Niklaus Rüegg, 1977 «Voids» (2-teilig), 2012, Gouache und Tusche auf Papier, je 100 x 70 cm Claudia Comte, 1983 «Lapin africain 3», 2014, Zedernholz, 33,5 x 20 x 9 cm Shahryar Nashat, 1975 «Not the stuff of stone», 2011, Gipsmörtel, Farbpigmente und Stahl, 62 x 135 x 35 cm Fabian Marti, 1979 «Capsule (All is All)», 2014, Textilie eingegossen in Polyester, 43 x 34 x 31 cm Franziska Furter, 1972 «Island Parasite II», 2013, Metall, Draht, 44 x 66 x 52 cm Pierre Vadi, 1966 «Brands – and – Bands», 2012, Acrylharz, Färbemittel, 23,5 x 33 x 16 cm Junge Talente mit Elektrovisionen Der Rennsport bietet Ingenieurstudenten die einzigartige Möglichkeit, das Geschäfts leben so kennenzulernen, wie es im Hörsaal nie möglich wäre. Jonas Abeken, für ein Jahr zum Chief Executive Officer des Akademischen Motorsportvereins Zürich (AMZ) ernannt, steuert dort die Entwicklung eines Elektroautos für die internationale Rennserie Formula Student. Er schildert, welchen Herausforderungen er und das Team des AMZ sich beim Bau eines Sieger-Rennautos stellen mussten. Autorin: Ayako Lehmann 2015 erreichte das Team in zwei von vier Events Rang eins und verteidigte so den ersten Platz in der Weltrangliste. sponsoring 66 Im Herzen von Zürichs Technologieviertel steht ein modernes Gebäude, das gleichzeitig als Werkstatt und als Büro für das Rennteam des Akademischen Motorsportvereins Zürich (AMZ) dient. Das Team wurde 2006 von Studenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) gegründet, um eigene Autos für die Teilnahme an Formula-Student-Rennen rund um die Welt zu entwerfen und zu bauen. Direkt hinter dem Eingang zum Hauptquartier des Teams wartet auf den Besucher eine beeindruckende Hall of Fame der Technik: Hier stehen alle Autos, die der AMZ in den letzten Jahren entwickelt hat. CEO des AMZ ist zurzeit Jonas Abeken. Stolz erzählt er, welche Erfolge die in der riesigen Halle ausgestellten Autos schon herausgefahren haben. Abeken ist 24 Jahre alt und hat sich dem AMZ vor drei Jahren als Maschinenbaustudent angeschlossen, um in freier Mitarbeit bei der Entwicklung eines Lenkrads mitzuhelfen. Heute hat er das Kommando und die Gesamtverantwortung für das neue Autoprojekt «Flüela» inne – in Anlehnung an die Herkunft des Teams wird jedes AMZAuto nach einem Gebirgspass in der Schweiz benannt. Abekens Amtszeit als CEO ist auf ein Jahr begrenzt. Unterstützt wird er von zwei Chief Technology Officers. Die Entscheidung, Abeken zum CEO zu ernennen, fiel einstimmig. «Dieser Karriereschritt hat sich ganz natürlich ergeben. Interessanterweise gab es keine Rivalität, als wir darüber berieten, wer für das nächste Jahr unser CEO sein sollte», erklärt er. «Im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, wer Führungsqualitäten hat und wer diese Aufgabe lieber anderen überlässt.» Für Abeken liegt der Schlüssel zu guter Führungsarbeit in der Fähigkeit, strukturiert vorzugehen: «Eine Leitungsfunktion bedeutet nichts weiter, als die Arbeit von anderen zu koordinieren.» Unerlässlich für den CEO des AMZ ist solides Wissen über Maschinenbau und Elektrotechnik – und viel Leidenschaft. «In diesem Job muss man viel arbeiten, auch an Wochenenden und Feiertagen, er verlangt einem viel ab», sagt Abeken. «Wenn es nur darum geht, die nötigen Punkte für das Studium zu bekommen, gibt es dafür viel einfachere Möglichkeiten, als sich für ein Jahr beim AMZ zu engagieren. Studenten, die beim Projekt mitmachen, tun dies hauptsächlich, weil sie eine Leidenschaft für Autos haben und an der Erforschung und Entwicklung eines neuen Elektroautos teilhaben wollen.» Abeken hat sich entschieden, sein Studium ein Jahr lang ruhen zu lassen, um praktische Managementerfahrung zu sammeln. Nach dem Ende seiner Amtszeit als CEO möchte er sein zweijähriges Masterstudium beginnen. «An der ETH hätte ich in diesem Jahr mit Sicherheit mehr über Maschinenbau gelernt. Aber in Bezug auf soziale Kompetenzen und andere Soft Skills, etwa wie man mit unterschiedlichen Menschen umgeht oder sich mit Sponsoren und Medien abspricht, konnte ich sehr viel dazulernen», meint Abeken. Genau diese multidisziplinäre Erfahrung der Ingenieurstudenten ist für die Personalabteilungen der Automobilindustrie höchst interessant: «Es gibt nicht viele Maschinenbaustudenten, die schon so jung so viel Geschäftserfahrung und Kompetenz in puncto Soft Skills vorweisen können», sagt er. BRUTSTÄTTE FÜR UNTERNEHMERISCH DENKENDE STUDENTEN Die ETH Zürich arbeitet mit anderen technischen Hochschulen zusammen, um ihren Studenten die Möglichkeit zu bieten, ihr theoretisches Wissen über Maschinenbau und Elektrotechnik in der Praxis umzusetzen: Sie treten jedes Jahr beim weltgrössten Ingenieurwettbewerb in der Kategorie für Autos mit Elektro- und Verbrennungsmotoren an. Das Team des AMZ spielt seit seinem Einstieg vor neun Jahren weit vorne mit. Als dann aber 2010 die Kategorie der Elektroautos eingeführt wurde, beschloss es, sich gänzlich von den Benzinmotoren abzuwenden. Diese mutige Entscheidung erwies sich als richtig: An der letztjährigen Formula Student Germany wurde das Team Sieger im Wettbewerb für Elektroautos sowie in der Kategorie «Gesamtdy namik», bei der Fahrzeuge mit Elektroantrieb und solche mit Verbrennungsmotor zusammen bewertet werden. «Dass ein Elektroauto gewonnen hat, ist umso überraschender», so Abeken. Der Sieg hat dem Team einen deutlichen Schub und den Zukunftsaussichten von Elektroautos wichtige Impulse verliehen. Abeken glaubt, dass diese unaufhaltsam an Bedeutung gewinnen Der «Flüela» siegte 2015 in der Designwertung. werden. «Damit ein Elektromotor eine überzeugende Alternative zum Verbrennungsmotor wird, braucht es in einigen Bereichen noch Verbesserun gen, zum Beispiel bei der Technologie der Batterien – grössere Reichweiten und schnelleres Laden müssen möglich werden», sagt Abeken. Tatsächlich konnte der AMZ auf diesem Gebiet schon erhebliche Fortschritte erzielen. Das Team hat eine Technologie entwickelt, mit der dank intelligenter Bremssysteme und effizienter Antriebstechnik ungefähr 30 Prozent der eingesetzten Energie zurückgewonnen werden können. Insgesamt wird damit deutlich weniger Energie benötigt als bei Verbrennungsmotoren. Um am erwähnten Wettbewerb teilzunehmen, müssen die Studenten strenge, vom weltweiten Verband vorgegebene Regeln beachten. Die Formula Student wurde 1982 in den USA gegründet und kam 1998 über ein erstes Rennen in Grossbritannien nach Europa. Das Projektjahr beginnt jeweils im September und endet im August. Die Vorgabe: Die Studenten müssen ihr Auto komplett neu entwickeln, gestalten und bauen. In der zweiten Jahreshälfte treten sie damit dann jeweils 67 sponsoring Jonas Abeken, CEO des AMZ. Die vom AMZ entwickelten Autos, ausgestellt am Hauptsitz von Sauber Motorsport. video www.juliusbaer.com/ vision gegen andere Studententeams an. Leistung und Tempo sind dabei natürlich sehr wichtig, doch die Autos werden auch nach Ausdauer, Effizienz und Beschleunigung sowie aufgrund ihres Abschneidens beim Autocross und auf Schleuderplatten beurteilt. Nicht immer gewinnt dabei der Schnellste. Weitere Kategorien für die Bewertung durch die Jury sind die Qualität der Konstruktion, die KostenNutzen-Analyse und ein Businessplan für hypothetische Verkäufe. Dadurch müssen die Teams bereichsübergreifend denken und können sich nicht auf spezielle Kompetenzen beschränken. In der Saison 2015 erreichte das AMZ-Team in zwei von vier Events Rang eins und konnte so seinen ersten Platz in der Weltrangliste erfolgreich verteidigen. Seit der Gründung der Formula Student im Jahr 1982 hat sich die Zahl der teilnehmenden Länder weltweit deutlich erhöht. Heute sind Teams aus Deutschland, Spanien, Österreich, Ungarn, Tschechien, Brasilien, Russland, Japan, China und Australien dabei – und natürlich die Pionierländer USA sponsoring 68 und Grossbritannien. Die Teams müssen allerdings nicht zu den Rennen in allen Ländern fahren, da jedes Rennen ein Einzelereignis ist. Am Ende des Jahres entscheidet die Gesamtzahl der gesammelten Punkte darüber, wer auf der Weltrangliste Nummer eins wird. EIN BISSCHEN WIRTSCHAFTSLUFT SCHNUPPERN Ein Auto auf die Rennstrecke zu bekommen, hat viel mit der richtigen Finanzierung zu tun. «Der Bau eines Rennautos bringt viele Ausgaben mit sich, und nicht alle lassen sich mit direktem Sponsoring für Produktion oder Material abdecken», erklärt Abeken. «Finanzierung ist für viele Bereiche wichtig, unter anderem für die Veranstaltungslogistik.» Die Finanzierung durch Sponsoren zu sichern, ist eine der wichtigsten Aufgaben für Abeken als CEO. Wie das funktioniert, lässt sich kaum theoretisch vermitteln, also musste Abeken seine Lernkurve grösstenteils mitten im Job durchlaufen. Die Tatsache, dass einige Sponsoren den AMZ schon seit vielen Jahren unterstützen, hat ihm den Einstieg in diese Aufgabe jedoch erleichtert. «Später habe ich mich auch mit möglichen neuen Sponsoren getroffen, darunter Julius Bär, die dann unser allererster Privatbanken-Sponsor wurde. Ich war sehr stolz, 2014 in Verhandlungen mit einem so professionellen Unternehmen treten zu können.» Julius Bär ist seit 2014 globaler Sponsor der neuen Rennserie Formel E und wollte auch junge Talente bei der Entwicklung von Elektroautos unterstützen. Der AMZ passte bestens zu diesem Vorhaben. Welche Art von Auto die Teams aus den verschiedenen Ländern bauen und fahren können, hängt von den Sponsoringmöglichkeiten ab, über die sie verfügen. Studenten aus Europa oder den USA können meist teurere Autos produzieren, weil sie von Sponsoren grosszügig mit Materialien ausgestattet werden. Teams aus weniger entwickelten Ländern wie Indien, Pakistan oder China dagegen müssen kreativ mit den verfügbaren Ressourcen umgehen. «Ich habe schon Teams gesehen, die ihre Autos mit Teilen und Kompo- Der «Flüela» gewann 2015 auch in der Kategorie «Beschleunigung» den ersten Preis. nenten vom Schrottplatz entwickelt haben», erzählt Abeken. «Das ist aber auf keinen Fall negativ gemeint. Diese Autos können natürlich nicht dieselbe Leistung erreichen wie diejenigen aus den Industrienationen, aber das ist auch gar nicht das Ziel der Teams. Stattdessen konzentrieren sie sich darauf, ein Auto zusammenzubauen, das überhaupt fahren kann – und sie sind stolz, wenn sie damit bei den Rennen antreten können. Es geht ihnen eher darum, Spass zu haben und dabei zu sein.» Für Sponsoren kann die Arbeit mit einem Team wie dem AMZ Testdaten von unschätzbarem Wert über die von ihnen zur Verfügung gestellten Komponenten liefern, obwohl oder gerade weil sich die von den Studenten entwickelten Fahrzeuge stark von gewöhnlichen Elektroautos unterscheiden. Ein Beispiel dafür sind die Controller, die den Motor des Autos steuern: Der Sponsor hatte sie ursprünglich für elektrische Busse und Züge entwickelt, dank dem Sponsoring konnte er jedoch Erkenntnisse für ihren Einsatz in einem potenziellen neuen Markt gewinnen. «Dass wir die Komponenten in einem ungewöhnlichen Kontext einsetzen, kann dazu führen, dass unsere Sponsoren auf neue Einsatzgebiete stossen», sagt Abeken. «Wir sind für sie potenzielle Ideenlieferanten.» auf lange Sicht sieht Abeken Verbrennungsmotoren völlig verschwinden. Ausserhalb der Autoindustrie werde es weiterhin Geschäftsfelder geben, die weniger unter dem kritischen Auge der Ein siegreiches auto entwickeln Abeken und seine ambitionierten Ingenieurkollegen im AMZ konzentrieren sich ganz darauf, auch in dieser Saison ein siegreiches Auto für die Formula Student zu entwickeln. Doch sie haben auch langfristige Vorstellungen darüber, welche Fahrzeuge in Zukunft auf der Strasse unterwegs sein werden. Der junge CEO glaubt nicht daran, dass das Licht für Verbrennungsmotoren in näherer Zukunft ausgehen wird; mittelfristig dürften sie nach seiner Einschätzung als Reichweiten-Verlängerer in Hybridautos an Bedeutung gewinnen. «Die meisten Menschen fahren mit ihrem Auto weniger als 50 Kilometer am Tag – eine Strecke, die sich mit Hybridautos bereits elektrisch zurücklegen lässt», erläutert er. Nicht einmal Die Arbeit beim AMZ verlangt ein Auge fürs Detail. immer umweltbewussteren Öffentlichkeit stehen und deshalb immer noch Benzin oder Diesel verbrennen dürfen. Ein Beispiel dafür ist die Schifffahrtsbranche. «Trotzdem gehe ich davon aus, dass innerhalb der nächsten 50 Jahre der Grossteil der Bevölkerung Elektroautos fahren wird, denn langfristig hat die Menschheit gar keine andere Wahl», meint Abeken zum Schluss. 69 sponsoring Julius Bär – Your Wealth Sie entscheiden, wie wir Sie unterstützen Am Wandel führt kein Weg vorbei, am Fortschritt schon. Wer sich Veränderungen stellen und diese zur Weiterentwicklung nutzen möchte, muss die Schlüsselfaktoren verstehen und eine offene Unternehmenskultur pflegen. Julius Bär begreift die durch die globalen Märkte und strengeren regulatorischen Anforderungen bedingten grundlegenden Veränderungen in der Welt der Vermögensverwaltung als Chance. Deshalb hat das Unternehmen ein neues, erweitertes Dienstleistungsangebot namens «Your Wealth» lanciert. Autorin: Michèle Bodmer Boris F.J. Collardi, CEO von Julius Bär, bezeichnet «Your Wealth» als ein Mittel zur weiteren Verbesserung der Dienstleistungen der Bank. Denn im Rahmen dieses neuen Angebots ermittelt Julius Bär die Bedürfnisse ihrer Kunden ganz genau, um sie noch strukturierter und systematischer zu erfüllen. «Wir sind überzeugt, durch ‹Your Wealth› eine höhere Beratungsqualität, regelmässigere Kontakte zwischen Kundenberatern und Kunden sowie eine gezieltere Beratung sicherzustellen. All dies sollte letztlich in eine bessere Performance münden», so Collardi. «Julius Bär – Your Wealth» wurde in der Schweiz im September 2015 lanciert. Die weltweite Markteinführung beginnt 2016 und wird 2018 abgeschlossen sein. Die Initia tive umfasst alle Dienstleistungen der Bank – d arunter Vermögensverwaltungsmandate, ein Execution-only-Angebot, Vermögens- und Steuerplanung, Finan zie rung, Research und Handel sowie drei überarbeitete Dienstleistungsmodelle mit unterschiedlichen Beratungs niveaus. Die optimierten Beratungsdienstleistungen sind nun noch transparenter als zuvor. Das ist umso wichtiger, als sich die Welt des Private Banking im Zug der immer strengeren Vorschriften in den Bereichen Beratungsqualität und Transparenz weiter wandelt. Im heutigen Informationszeitalter kennen sich die Kunden im Bankgeschäft besser aus als früher. Vor diesem Hintergrund fordern sie von ihrer Bank zu Recht weitere Dienstleistungen, wie Dr. Burkhard P. V arnholt, Chief Investment Officer und Head of Investment Solutions Group, erklärt: «Wir betrachten all diese Entwicklungen als Gelegen- Unser unternehmen 70 heit, unser gesamtes Dienstleistungsangebot umzugestalten. Für uns ist zentral, dass wir unser Angebot auf der Grundlage unseres kundenorientierten Ansatzes vorantreiben – und uns nicht einfach darauf beschränken, die r egulatorischen Anforderungen zu erfüllen und unsere Dienstleistungen an die neuen Vorschriften anzupassen.» Das neue Dienstleistungsangebot «Your Wealth» von Julius Bär verfolgt vor allem ein Ziel: Es soll die Kundenberater bestärken, einen noch engeren Kontakt zu ihren Kunden zu pflegen und noch bessere Dienstleistungen zu erbringen. «Beispielsweise haben wir unser Research-Universum ausgeweitet und komplett überarbeitet», so Varnholt. Julius Bär stützt sich auf ihren einzigartigen Anlageansatz, um ihren Kunden proaktive Beratungsdienstleistungen zu bieten. Dies geschieht im Rahmen von zwei Modellen, die eine permanente Überwachung der Anlagerisiken sicherstellen und gewährleisten, dass alle Kunden eine sorgfältige, auf ihre jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Anlageberatung erhalten. Das Angebot umfasst auch eine rein reaktive Beratung zu Einzelprodukten oder -transaktionen – jedoch ausschliesslich dann, wenn der Kunde dies so wünscht. Unabhängig vom gewählten Dienstleistungsmodell können die Kunden laut Varnholt auf zweierlei zählen: zum einen auf eine Beratung, die auf der Grundlage umfangreicher Research-Erkenntnisse und umfassender Erfahrung erfolgt, und zum anderen darauf, dass sich die vorgeschlagenen Lösungen dank der vollkommen offenen Produkt- und Dienstleistungsplattform von Julius Bär ideal zur Erfüllung ihrer individuellen Bedürfnisse eignen. «Wir haben unsere Beratungsprozesse spürbar weiterentwickelt, um besser auf die Kundenerwartungen einzugehen. Für unsere Kunden stellt dies die Gelegenheit dar, ihren Dienstleistungsbedarf zu überdenken, ihr Anlageportfolio zu überprüfen und anzupassen sowie ihre Anlagestrategie neu zu analysieren. Wahrscheinlich wird in den meisten Fällen bereits die richtige Strategie verfolgt. Womöglich möch ten manche Kunden aber eine strategische Anpassung vornehmen. Somit ist dies wie ein jährlicher ‹Finanzcheck› zu verstehen.» Je nach gewähltem Modell profitieren die Kunden von einer permanenten Portfolioüberwachung und entsprechenden Anlageempfehlungen. Und diese erweiterten, mass geschneiderten Beratungsdienstleistungen werden nicht etwa dadurch eingeschränkt, dass die Zahl der jährlichen Interaktionen mit dem Kundenberater begrenzt wäre. «Wir ermöglichen es unseren Kundenberatern, den spezifischen Wünschen der Kunden zur Erfüllung von deren Bedürfnissen nachzukommen. Punkt. Wir möchten die Zahl der Interaktionen nicht reglementieren», so Varnholt. «Vielmehr wollen wir unseren Kunden vermitteln, dass wir für sie da sind. Der beste Vertrauensbeweis unserer Kunden besteht natürlich darin, sämtliche Anlagebelange an uns zu delegieren. Durch diese Entscheidung schöpfen sie das Potenzial des Anlageansatzes von Julius Bär vollumfänglich aus.» Solide Grundlage Julius Bär bietet seit 2006 massgeschneiderte, gebührenfinanzierte Beratungsdienstleistungen an. Zu Beginn richteten sich diese an eine ausgewählte Gruppe von Kunden mit zusätzlichem Beratungsbedarf, die neben der Betreuung durch ihren Kundenberater auf die Erfahrung ausgewiesener Spezialisten zugreifen wollten. Um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, wurde ein proaktiver, disziplinierter Anlageprozess eingerichtet. «Es dauerte seine Zeit, die richtigen Tools und die richtige Anlagephilosophie zu entwickeln und dann die richtigen Leute zur Erfüllung unseres Leistungsversprechens zu finden. Die Idee, für Beratung Gebühren zu erheben, war zum damaligen Zeitpunkt revolutionär. Wir waren aber überzeugt, dass dieser Ansatz notwendig war, um aussergewöhnliche Dienstleistungen erbringen zu können – und zwar transparent sowie auf der Grundlage einer klaren Preisstruktur», so Varnholt. «Jeder weitere Schritt, den wir seit 2006 unternommen haben, stellt eine natürliche Weiterentwicklung unserer Beratungsdienstleistungen dar.» 2008 – also zwei Jahre nach Einführung des Beratungsangebots – wurde die Welt durch die Finanzkrise erschüttert. Weil Julius Bär bereits die Grundlage für eine proaktive Beratung geschaffen hatte, verfügte sie über gute Vorausset zungen, um ihren Kunden in dieser kritischen Phase mass geschneiderte Beratungsdienstleistungen zu bieten. «Wir haben unsere Kunden in dieser schwierigen Zeit nicht im Stich gelassen – unsere Beratungsteams standen in stetigem Kontakt mit ihnen. Da wir bereits die richtigen Prozesse eingerichtet hatten, war es für uns einfacher, strukturiert und proaktiv zu agieren», sagt Varnholt. «Im Rahmen unserer Dienstleistungskultur waren wir schon immer für unsere Kunden da, und zwar in guten wie in schlechten Zeiten. Dieses neue System unterstützte uns aber noch zusätzlich darin. Die hohe Qualität unseres Dienstleistungsangebots sprach sich schnell herum, wodurch wir immer mehr Neukunden gewannen. Die grosse Akzeptanz dieses Modells hat uns jetzt dazu bewogen, unser Angebot an Beratungsdienstleistungen im Rahmen von ‹Your Wealth› weiter auszubauen.» «Wir sind überzeugt, durch ‹Your Wealth› eine höhere Beratungsqualität, regel mässigere Kontakte zwischen Kunden beratern und Kunden sowie eine gezieltere Beratung sicherzustellen. Boris F.J. Collardi Alle Kunden erhielten 2011 die Möglichkeit, auf strukturierte Beratungsdienstleistungen zuzugreifen. Dies geschah im Rahmen eines Investment-Advisory-Mandats, das eine systematische, kundenorientierte Beratung im Portfolio kontext beinhaltete. «So etwas können Sie nicht über Nacht aus dem Boden stampfen, denn es braucht die richtigen Leute, die richtigen Standorte und die richtigen Sprachfertigkeiten», so Varnholt. In einem ersten Schritt wurde interessierten Kunden 2013 eine permanente Portfolioüberwachung angeboten. «2018 wird ‹Your Wealth› unserer gesamten Kundschaft offen stehen. Eine solche konstante Über wachung von Kundenportfolios erfordert viel Know-how und eine genaue Kenntnis der verschiedenen P ositionen, der Vermögensallokation und der Risikoneigung der Kunden», sagt Varnholt. Damit alle Beteiligten über denselben Wissensstand verfügen, haben die Kundenberater zusätzliche Fachschulungen absolviert. Derzeit tritt ein Finanzinstitut nach dem anderen mit neuen Beratungsdienstleistungen an die Öffentlichkeit. «Mit ‹Your Wealth› verfügt Julius Bär aber über einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Was das Erbringen wegweisender massgeschneiderter Beratungsdienstleistungen für unsere Kunden betrifft, verfügen wir über eine lange Tradition», so Varnholt. «Schon seit 2006 setzen wir das richtige Beratungsmodell um. Das Versprechen, immer den bestmöglichen Service zu erbringen, ist nichts Statisches – Verbes serungen sind immer möglich. Es liegt in unserer Unternehmenskultur, für unsere Kunden stets nach exzellenter Leistung zu streben.» 71 Unser unternehmen TYPISCHE ANlageFallen und -Fehler VERMEIDEN Interview: Janet Anderson Maximales Risiko Maximales Risiko Euphorie ÄngstNervenkitzel lichkeit Aufregung Optimismus Verweigerung Angst Optimismus Verzweiflung Erleichterung Panik Kapitulation Konjunkturzyklus Verhaltenszyklus Hoffnung Verzagtheit Niedergeschlagenheit Maximale Chance investment trends 72 Ökonomen vertreten vielfach die ansicht, anleger träfen im eigenen Interesse rationale entscheidungen, um ihre ziele zu erreichen. alle Untersuchungen zum anlegerverhalten ergeben jedoch, dass sich Investoren häufig irrational und nachteilig entscheiden. die dafür verantwortlichen psychologischen Kräfte sitzen teilweise so tief, dass sie uns nicht bewusst sind. dr. burkhard P. Varnholt, chief Investment officer und head Investment solutions group bei Julius bär, erklärt, wie emotional bedingte anlagefehler vermieden werden können. Was bedeutet «Behavioural Investing» für Sie? behavioural Investing ist eine verhaltensorientierte Investitionstheorie, bei der sich menschen durch ihre gefühle leiten lassen – und zwar viel stärker, als sie es sich zugestehen. das zeigt sich schon am beispiel des autos, das sie besitzen: haben sie sich beim Kauf durch rationale oder eher durch emotionale gründe leiten lassen? gefühle formen unser Verhalten, und diese Verhaltensmuster bestimmen auch erfolg oder misserfolg unseres anlagestils. häufig liegen sie im Verborgenen und werden ignoriert, obwohl sie viel entscheidender sind als Finanzanalysen und -mathematik. nennt: Wie lemminge laufen alle in dieselbe Richtung, weil jeder glaubt, der erste in der Reihe wisse besser bescheid als er selbst. das herdenverhalten kann sich durchaus über längere zeit auszahlen. deshalb werden oft geschichten erfunden, um es zu rechtfertigen. das lässt sich in den medien verfolgen: die märkte entwickeln sich in die eine oder andere Richtung, und die anleger versuchen dies durch passende storys zu erklären. das hat aber wenig mit den triebkräften des marktes zu tun. Worin besteht beim Behavioural Investing das Problem? Jede generation muss selber erfahren, dass Intuition und die eigenen Präferenzen fehlleiten können. nehmen wir an, sie hätten die Wahl zwischen zwei anlagen: bei der einen liegt die Wahrscheinlichkeit eines hohen gewinns beziehungsweise eines gleich hohen Verlusts bei 50 Prozent. bei der anderen ist die Verlustwahrscheinlichkeit viel geringer. der gewinn ist unverhältnismässig klein, aber viel sicherer. mathematisch gesehen liegt der erwartungswert der ersten anlage höher als jener der zweiten. dennoch wählen anleger häufig das Investment mit dem geringeren Verlustrisiko. ein erfahrener anleger kann es seinen Kindern noch so oft erklären – sie werden ihm nicht zuhören. sie müssen es selbst herausfinden. Birgt die Angst vor Fehlern ebenfalls Gefahren? extremsituationen haben eine lähmende Wirkung. Werden anleger durch eine marktkrise erschreckt, sind sie schnell paralysiert. ebenso bekannt ist das Phänomen, dass anleger viel zu lange an verlustbringenden titeln festhalten, weil sie in schockstarre verfallen, sobald der buchwert der anlage unter den Kaufpreis fällt. das ist nicht die beste handlungsoption – genauso wenig wie eine vorschnelle gewinnmitnahme. Wenn sich titel in Ihrem Portfolio stark entwickeln, dann halten sie an ihnen fest. Viele Investoren verkaufen aktien von gewinnerunternehmen zu früh. Wären sie geduldiger, könnten sie ein Vermögen machen. gleichzeitig halten sie weiterhin titel, die sie am besten schon vor Jahren abgestossen hätten. dieses Verhalten ist sehr üblich – und stellt einen der grössten Fallstricke dar. Welches sind die grössten Fallstricke? In der Regel halten wir geschichten für glaubwürdiger, die unsere sichtweise stützen. ein gutes beispiel hierfür ist die hypothese, dass Wohneigentum stets die beste geldanlage darstellt. nehmen wir an, sie besitzen ein haus, in das sie 60 Prozent Ihres Vermögens investiert haben. Wir sprechen dann von einer undiversifizierten asset allocation: das Investment konzentriert sich auf einen Vermögensgegenstand und reagiert darüber hinaus sehr sensibel auf zinsen und anleiherenditen. trotzdem halten viele menschen ihr haus für eine sichere anlage, weil sie es anfassen und darin leben können. geschichten üben eine grosse macht aus. sie bewegen die anleger zum handeln und können sowohl einen marktboom als auch einen marktkollaps auslösen. dann kommt es zu einem Verhalten, das die Wissenschaft «herdentrieb» Wie stark sind die Gefühle, die diesem Verhalten zugrunde liegen? es kommt vor, dass sich anleger in bestimmte titel verlieben. sie wollen es dann nicht wahrhaben, wenn ihre aktie aus der mode gekommen ist. auf dieses Verhaltensmuster bin ich oft gestossen – auch bei Fondsmanagern. die leute vergöttern ihr lieblingsunternehmen und können die Realität nicht annehmen – nämlich, dass das Unternehmen die Verbindung zu seinem markt und seinen Konsumenten verloren hat. es ist mir enorm wichtig, Fondsmanager vor einem solchen Verhalten zu bewahren. In den griff bekommen lässt sich das jedoch nur durch geeignete Prozesse: sie brauchen ein system, in dem sich mindestens zwei spezialisten mit unterschiedlichen sichtweisen gegenseitig kontrollieren. 73 anlagetRends «Sie können sich in einen Menschen verlieben und den Rest Ihres Lebens mit ihm verbringen. Im Anlagebereich ist das kein empfehlenswertes Verhalten.» Dr. Burkhard P. Varnholt Wer in die Falle tappt, gibt dies nicht gerne zu. Tut es weh, dies einzugestehen? Ja, sehr. Sie können sich in einen Menschen verlieben und den Rest Ihres Lebens mit ihm verbringen. Im Anlagebereich ist das kein empfehlenswertes Verhalten. Als Anleger müssen Sie sich immer wieder schmerzhaften Trennungsprozessen stellen – und von dem Unternehmen ablassen, das Ihnen so viel bedeutet hat. Das kann sehr anstrengend sein. Kann man gegen Behavioural Investing immun sein? Nur wenige sind es, obwohl viele davon überzeugt sind. Sie überschätzen sich ganz einfach. Wenn Sie 100 Menschen fragen, ob sie sich als überdurchschnittliche, durchschnitt liche oder unterdurchschnittliche Autofahrer einschätzen, wird die grosse Mehrheit sich als überdurchschnittliche Autofahrer bezeichnen. Das kann aber kaum stimmen. Dasselbe Ergebnis erhalten Sie, wenn Sie «Autofahrer» durch «Anleger» ersetzen. Was lehrt uns das? Wir sollten Demut üben und anerkennen, dass Regeln hier hilfreicher sind als die Intuition. Wir sollten diese Regeln systematisch und vernünftig anwenden und uns ständig hinterfragen. Würde eine Maschine bessere Anlageentscheidungen treffen als ein Mensch? Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Die Maschine hat grosse Vorteile, besitzt aber kein Urteilsvermögen. Das Problem bei regelbasierten Anlagestrategien besteht darin, dass sie tendenziell prozyklisch sind. Man könnte zwar eine konträre Regel entwickeln, doch ironischerweise ist diese in sich ebenfalls zyklisch. Ich glaube, es braucht beide – Mensch und Maschine. Es klingt interessant, jegliche Namen zu ignorieren und sich stattdessen nur auf Zahlen zu konzentrieren. Doch wer tut das schon? Der Begriff des «Contrarian In vestor» wird überstrapaziert, denn fast jeder Anleger dürfte von sich behaupten, entgegen dem Herdenverhalten zu investieren. Dabei verhalten sich nur wenige Anleger wirklich antizyklisch. Denn das ist leichter gesagt als getan. Wie können wir die Fallstricke vermeiden? Seien Sie als Anleger demütig. Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Fähigkeiten, Ihr Urteilsvermögen und die Regeln ergänzen – und setzen Sie alle drei Faktoren gleichzeitig ein. Versuchen Sie, die Distanz zu wahren und sowohl das Gesamtbild als auch das Detail im Blick zu haben. Natürlich ist es wichtig, die kurzfristige Dynamik zu verstehen. Gleichzeitig muss Anlagetrends 74 aber der mittelfristige Zeithorizont nüchtern bewertet und die Frage gestellt werden, wie sich die Dinge entwickeln, wenn das Herdenverhalten abebbt. Deshalb bin ich ein leidenschaftlicher Verfechter des Discretionary Portfolio Management. Ein guter Vermögensverwalter lässt sich von den definierten Anlageprozessen leiten. Er gehört einem Team erfahrener Experten an, die nicht alle gleich denken. Unter diesen Rahmenbedingungen können Sie nachts ruhiger schlafen. Denn Ihr Portfolio wird weniger schwanken und besser abschneiden als eines, das nur von einer Person verwaltet wird. Als Verantwortlicher für die Vermögensverwaltungs- und Beratungsmandate bei Julius Bär lege ich grossen Wert auf unsere Prozesse. Sie dienen dazu, die Zahl der verhaltensbedingten Fehler zu reduzieren. Sie sollen die Gefahr verringern, dass alle gleichzeitig aus demselben Grund in dieselbe Falle geraten. Wenn Feedback-Schleifen eingebaut werden und Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen gegenseitig ihr Verhalten hinterfragen, kann daraus viel Gutes entstehen. Wie schaffen Sie eine solche Kultur bei Julius Bär? Dieser Herausforderung stelle ich mich täglich. Dabei sind unsere Anlageprozesse der einfachste Teil der Übung. Schwieriger sind die unternehmenskulturellen Aspekte. Letztlich läuft alles darauf hinaus, welche Werte wir verfolgen. Meine Mitarbeitenden sind alle erstklassige Profis. Auf sie können wir uns also verlassen. Darüber hinaus ist es entscheidend, demütig, offen und lernbereit zu sein, sich Fehler einzugestehen und Korrekturen vorzunehmen. Dr. Burkhard P. Varnholt Dr. Burkhard P. Varnholt ist seit März 2014 Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bank Julius Bär. Varnholt begann seine Laufbahn als Assistent an der Universität St. Gallen, an der er im Fach Ökonomie promovierte. Er unterrichtete zudem am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der Stern School of Business, New York University. 2004 gründete er «Kids of Africa» (www.kids-ofafrica.com). Diese in der Schweiz und in Uganda eingetragene Wohltätigkeitsorganisation betreibt ein Heim für verwaiste und verlassene Kinder im ugandischen Kampala. Ausserdem führt sie eine Grundschule für 500 Schülerinnen und Schüler, eine kleine Klinik, einen Kindergarten und eine mittelgrosse Farm. Für sein Engagement und seine Arbeit im Zusammenhang mit diesem Projekt wurde Varnholt mit dem Milizpreis von Swiss Re geehrt. 2012 ernannte ihn die Geneva School of Diplomacy and International Relations zum Ehrendoktor für Internationale Beziehungen. Weiter ist er Mitgründer und Mitglied der Geschäftsleitung von W.I.R.E. Dieser in Zürich ansässige Thinktank befasst sich mit Entwicklungen in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und in den Life Sciences. Die digitale Revolution und ihre Folgen Interview: Robert Ruttmann Die digitale Revolution des 21. Jahrhunderts hat unsere Arbeits- und Lebensweise grundlegend verändert. Die Julius Bär Experten Andreas Feller, Global Head of Investment Solutions and Advisory, und Luigi Vignola, Head of Investment Services Group Asia, erklären, welche Branchentrends diesem rapiden Strukturwandel zugrunde liegen und was dies für das langfristige Wirtschaftswachstum bedeutet. Ausserdem zeigen sie Wege auf, wie sich Anleger in diesem sich rasch verändernden Umfeld am besten zurechtfinden können. Was bringt uns die Digitalisierung der Zukunft? 75 Anlagetrends Das digitale Zeitalter hat unsere Lebens- und Arbeitsweise auf den Kopf gestellt. Was genau bedeutet «Digitalisierung» und warum ist sie heute wichtiger denn je? Feller: Das 21. Jahrhundert hat tatsächlich bemerkenswerte technologische Errungenschaften mit sich gebracht – viele davon sind ein Ergebnis der Digitalisierung. Digitalisierung bezeichnet einen Prozess, bei dem materielle Güter schrittweise durch digitale ersetzt werden. Die vielleicht populärsten Beispiele hierfür sind der Buchmarkt und die Musikindustrie. Diesen Prozess zu überwachen, ist wichtig, denn er verläuft schneller als jede frühere technologische Revolution und verändert die Art, wie wir leben und arbeiten. Können Sie ein Beispiel nennen? Feller: Gerne. Einige Leser werden sich an die Zeiten erinnern, als Musik noch auf Vinyl-Schallplatten verkauft wurde. Auf die Schallplatten folgten erst die CDs und dann im Zug der Digitalisierung die digitalen Downloads. Die Branche reagierte sehr ungeschickt auf diesen technologischen Wandel: Anstatt einen eigenen, legalen DownloadService zu entwickeln, versuchte sie, durch erfolglose Klagen die Schliessung von File-Sharing-Diensten wie Napster und Gnutella zu erreichen. Über diese Dienste konnten sich Konsumenten erstmals Einzeltitel aus dem Netz herunterladen, womit es nicht mehr notwendig war, das ganze Album auf einer physischen CD zu kaufen. Einen Weg zurück gab es aber nicht. Die Umsätze mit Musik-CDs befanden sich im freien Fall, als Apple die Chance ergriff und sich der Musikindustrie als perfekter Partner anbot. Steve Jobs gelang es, den rechnerischen Preis eines Einzeltitels auf einem CD-Album um 30 Prozent zu senken. Dies schmälerte zwar die Tantiemen der Künstler. Musikliebhaber auf der ganzen Welt erhielten dadurch aber die Möglichkeit, neue Musik zu entdecken – zu günstigeren Preisen und in einem viel praktischeren Format. Hiervon profitierten junge Künstler, denn sie erhielten Zugang zu einer Zuhörerschaft, die ihnen sonst verschlossen geblieben wäre. So gesehen lassen sich an der Musikbranche die Effekte der Digital Disruption besonders gut veranschaulichen. Wir sprechen also von Digital Disruption? Vignola: Genau. Das Thema ist in aller Munde – viele wissen aber nicht, was genau darunter zu verstehen ist. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um eine unerwartete Gewinnumverteilung innerhalb einer Branche. Zu einer solchen kommt es bei der Markteinführung von Produkten oder Dienstleistungen, die kostengünstiger, leistungsfähiger und effizienter sind als bisherige Angebote und insgesamt zu einer höheren Kundenzufriedenheit führen. Beispiele hierfür sind Amazon oder Netflix, welche die Medien- und Unterhaltungsbranche auf den Kopf gestellt haben, indem sie dem Kunden einen anderen Zugriff auf Information ermöglicht haben. Dies hat auch der Werbebranche neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet und den traditionellen Fernsehsendern Probleme bereitet. Sie können nicht mehr so viel Geld Anlagetrends 76 Digitale Downloads schmälern die Tantiemen der Musikindustrie. für ausgestrahlte Werbung verlangen wie früher, als die Zuschauer sich ausschliesslich über den Fernseher informierten. Oder denken Sie an die Reisebranche: Dass Kunden Reiseangebote nun online vergleichen und buchen können, bedroht die Existenz vieler Reisebüros. Welche Entwicklungen werden die digitale Revolution in den kommenden Jahren voranbringen? Feller: Ich erwarte grosse Fortschritte in den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz, Nanotechnologie, Molekularwissenschaft und Biotechnologie. Besonders spannend finde ich aber, dass wir vielleicht von einem «kognitiven Überschuss» profitieren werden. Dann nämlich, wenn sich immer mehr Menschen mit grossartigen Ideen über leistungsfähige Technologien vernetzen und so die Fähigkeit erwerben, mehr Herausforderungen in kürzerer Zeit zu meistern. Dieses Zusammenwirken der Technologien dürfte den Digitali sierungsprozess in einem Tempo voranbringen, das es bei früheren technologischen Revolutionen nicht gab. Vignola: Das Internet der Dinge oder auch Big Data können Veränderungen in unserer Arbeits- und Lebenswelt erheblich beschleunigen. Mein Lieblingsbeispiel ist die 3D-Druckertechnologie. Sie nutzt Computer-Aided-Design(CAD-)Software, um dreidimensionale Gegenstände in fast jeder Gestalt oder Form herzustellen. Ihr grosser Vorteil: Sie ermöglicht eine beispiellose Anpassung des Herstellungsprozesses an spezifische Bedürfnisse. Dadurch können Unternehmen ihre Produkte exakt auf die Vorgaben ihrer «Ich glaube, der Gesundheitssektor bekommt die Umwälzungen besonders schnell zu spüren – er wird jetzt schon durch bahnbrechende Entwicklungen in Biotechnologie, Nanotechnologie und 3D-Druck verändert.» Andreas Feller Kunden zuschneiden – und zwar schnell, direkt vor Ort und viel kostengünstiger als bisher. 3D-Drucker werden schon heute bei der Herstellung von Hörgeräten, Zahnspangen und massgeschneiderter Bekleidung eingesetzt. In Zukunft könnten wir die Technologie einsetzen, um künstliche Herzklappen, Kontaktlinsen, Hautgewebe und andere medizinische Produkte zu drucken. Feller: Big Data ist ein weiteres spannendes Feld, das den Fortschritt im digitalen Zeitalter beschleunigen könnte. Mit der Erschliessung immer grösserer Datenmengen können wir eine Reihe von Aufgaben automatisieren, bei denen die Mustererkennung eine grosse Rolle spielt. So setzen beispielsweise im Gesundheitssektor Onkologen des Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York das IBMComputersystem Watson ein, um Behandlungsoptionen für Krebspatienten vorzuschlagen. Die Vorschläge basieren auf Daten aus 600 000 medizinischen Befundberichten, 1,5 Millionen Patientenakten und 2 Millionen Seiten Text aus medizinischen Fachzeitschriften. Auf der Grundlage dieser Daten erstellt das Watson-System einen individuellen Behandlungsplan, der auf die persönlichen Symptome, die Genetik, die Familiengeschichte und die bisherige Medikation des betreffenden Menschen zugeschnitten ist. Sie haben das Internet der Dinge ange sprochen. Was genau ist das – und wie könnte es sich auswirken? Vignola: Das Internet der Dinge bezeichnet eine neue Generation von miteinander verbundenen Computergeräten, die interagieren. Man kann sich das als eine Armee aus Milliarden von kleinen Robotern vorstellen. Sie sind mit Sensoren ausgestattet, verarbeiten Daten und dienen dazu, unser Leben einfacher zu machen. Die Palette möglicher Einsatzbereiche reicht von FitnessTracker-Geräten, die in Echtzeit unsere Körperfunktionen überwachen, über Selbstlernsysteme, WiFi-fähige Thermostate zur Optimierung von Temperatur und Energieeffizienz in unseren Wohnungen bis hin zu selbstfahrenden Autos, die bereits 2020 in Massenproduktion gehen könnten. Die Fähigkeit, physische Gegenstände elektronisch zu überwachen und zu steuern, wirkt sich schon jetzt dramatisch auf unseren Lebensstil aus. Und in ein paar Jahrzehnten wird sich kaum ein Kind mehr vorstellen können, dass Autos einmal von Hand gelenkt worden sind. Welche Branchen dürften als erste durch die Digital isruption revolutioniert werden? D Feller: Ich glaube, der Gesundheitssektor bekommt die Umwälzungen besonders schnell zu spüren – er wird jetzt schon durch bahnbrechende Entwicklungen in Biotechnologie, Nanotechnologie und 3D-Druck verändert. Zum Beispiel sind Ärzte dank der Biotechnologie bereits heute in der Lage, aus Patientenzellen neue Organe wie Ohren, Knochen, Herzklappen oder Blutgefässe zu züchten. Dadurch kann verhindert werden, dass der Körper diese Ersatzorgane abstösst. Die Nanomedizin wird genutzt, um geschädigtes Gewebe zu reparieren, Medikamente auf Molekularebene exakt zu dosieren oder Nanopartikel zielgerichtet zu steuern, damit sie Krebszellen lokalisieren und abtöten. Eine interessante Entwicklung stellt auch die Markteinführung von intelligenten Pillen dar: Diese enthalten einen winzigen Chip mit einer Videokamera und einem Magneten und können über die Speiseröhre durch den Körper des Patienten gelenkt werden, um Endoskopien durchzuführen. Vignola: Es gibt zahllose Anwendungen, von denen einige auch unseren Geschäftszweig betreffen. Denken Sie nur an das Privatkundengeschäft. Eine der grössten Veränderungen im Bankwesen ist der Erfolg des Online-Bankings, der zu einem erheblichen Einbruch des klassischen Filialgeschäfts geführt hat. Die gute Nachricht: Europäische Banken, die sich dieser Entwicklung stellen, können mit einem Gewinnpotenzial rechnen. Und die schlechte: Der Wandel kommt – unabhängig davon, ob die Banken darauf vorbereitet sind oder nicht. Fazit: Die Zukunft wird voraussichtlich durch eine zunehmende mobile Interaktion und eine stärkere Automatisierung geprägt sein. Dieses Umfeld erfordert mehr individuelle Lösungen und Beratungsdienstleistungen. Millennials teilen online alles – von Kleidern bis zu Autos. 77 Anlagetrends Werden sich diese neuen Technologien auch auf das Konsumentenverhalten auswirken? Vignola: Immer mehr Verbraucher verändern ihr Konsumverhalten. Sie wenden sich von bestehenden Modellen ab und entscheiden sich für neue Plattformen, weil sie günstiger, bequemer und einfacher zugänglich sind. All das führt zum Entstehen einer Sharing Economy, in welcher der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen wichtiger wird als deren Besitz. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Auto, das in der Regel 95 Prozent seines Lebenszyklus in der Garage steht. Mittlerweile entscheiden sich mehr Menschen für CarsharingModelle wie Mobility in der Schweiz. Wer an solchen Modellen teilnimmt, kann ein Auto zu sehr günstigen Preisen mieten – und das manchmal für ein paar wenige Stunden. Feller: Junge Leute spielen eine wichtige Rolle bei der Prägung von Konsumgewohnheiten. Die meisten Millennials – also die Bevölkerungsgruppe, die im Zeitraum von etwa 1990 bis 2010 zu den Teenagern zählte – sind bereit, fast alles zu teilen. Sie stellen bereits ihre Häuser und Wohnungen anderen befristet zur Verfügung, und viele gehen sogar dazu über, Kleidung, Werkzeuge und selbst ihre Sportausrüstung zu teilen. Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass die für die digitale Wirtschaft richtungsweisenden Millennials soziales Kapital oder die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft in der Regel höher bewerten als finanzielles Kapital. Sie stellen Nachhaltigkeit oft über gedankenlosen Konsum und äussern vielfach die Meinung, dass am Markt Kooperation mindestens genauso wichtig ist wie Wettbewerb. Viele junge Eltern besuchen heute Plattformen zur gemeinsamen Nutzung von Spielzeug. Nach der Zahlung einer Grundgebühr haben sie die Möglichkeit, sich jedes beliebige Spielzeug für einen bestimmten Zeitraum nach Hause schicken zu lassen, um es später gegen einen anderen Artikel auszutauschen. Dadurch begreifen die Kinder, dass das Spielzeug nicht ihr Eigentum ist, sondern eine Erfahrung, die sie mit anderen teilen. Als Angehörige der nächsten Verbrauchergeneration lernen sie somit, Dinge verantwortlich zu nutzen und zu teilen. Gibt es auch Nachteile? Vignola: In der Arbeitswelt hat die Digitalisierung zu beispiellosen Umwälzungen geführt. Ohne Zweifel bieten neue Technologien – wie das Smartphone, der universelle Internet-Zugang, der Fitness Tracker und der 3D-Drucker – uns Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten und Komfort. Die Auswirkungen dieser Technologien auf die Güterund Dienstleistungsproduzenten sind indes komplexer. Immer mehr Aufgaben, die früher von Menschen erledigt wurden, lassen sich durch digitale Technologien automatisieren. Denken Sie nur an die Kassiererinnen im Supermarkt oder an Fahrer. Die Automatisierung könnte viele Arbeitnehmer die Stelle kosten. Anlagetrends 78 «Die Digitalisierung könnte stärkere Umwälzungen und Veränderungen mit sich bringen als frühere technologische Revolutionen, weil sich der Wandel diesmal schneller vollzieht als bei vergleichbaren Zyklen in der Vergangenheit.» Luigi Vignola Grosse Datenmengen (Big Data) werden ausgewertet und zu wertvoller Information aufbereitet. Feller: Vielleicht ist es hilfreich, das Phänomen auch aus einer historischen Perspektive zu betrachten. Ein wichtiges Merkmal der ersten industriellen Revolution bestand darin, dass sie sowohl für die Produzenten als auch für die Verbraucher von Nutzen war: Die Verbraucher erhielten Zugang zu besseren und günstigeren Waren, während niedrig qualifizierte Arbeiter besser bezahlte Jobs fanden. Das digitale Zeitalter ist den einfachen Leuten hingegen vor allem in ihrer Eigenschaft als Verbraucher zugutegekommen – als Produzenten haben sie kaum profitiert, denn in der digitalen Ära sind die neuen Beschäftigungschancen vorwiegend gut ausgebildeten Arbeitnehmern vorbehalten. Somit birgt die digitale Revolution die Gefahr, dass niedrig qualifizierte Beschäftigte stark benachteiligt werden, während innovative Köpfe und Unternehmer einen überproportional hohen Nutzen aus der Entwicklung ziehen. Wie wird sich die digitale Revolution in den nächsten zehn Jahren auf die Weltwirtschaft auswirken? Vignola: In der Vergangenheit haben revolutionäre Technologien stets ein enormes Wirtschaftswachstum generiert. Die Digitalisierung könnte stärkere Umwälzungen und Veränderungen mit sich bringen als frühere technologische Revolutionen, weil sich der Wandel diesmal schneller vollzieht als bei vergleichbaren Zyklen in der Vergangenheit. Deswegen bin ich mir sicher: Neben dem potenziellen Vermögens- und Produktivitätszuwachs, den das digitale Zeitalter verspricht, bringt der derzeitige rasante technologische Wandel auch erhebliche ökonomische Risiken mit sich. Das grösste Risiko besteht wahrscheinlich in der zunehmenden Ungleichheit. Sie droht nicht nur, unsere Gesellschaft zu spalten, sondern gefährdet auch die Stabilität unserer Wirtschaft. «Die meisten Millennials – also die Bevölkerungsgruppe, die im Zeitraum von etwa 1990 bis 2010 zu den Teenagern zählte – sind bereit, fast alles zu teilen. Andreas Feller Feller: Für mich spricht sehr viel dafür, dass die Robotik und andere technologische Fortschritte den durchschnittlichen Lebensstandard dramatisch verbessern werden. Auf individueller Ebene werden die Auswirkungen des digitalen Wandels fortan davon abhängen, welche Fähigkeiten eine Person besitzt. Mit anderen Worten: ob diese Person den an ihre Tür klopfenden Roboter ersetzen oder ergänzen kann. Es ist wichtig, die von Luigi Vignola angesprochenen Herausforderungen richtig zu verstehen und eine vernünftige, vorausschauende Politik zu führen, um die Gesamtnachfrage anzukurbeln und Ungleichheiten zu verringern. Gelingt dies, könnte sich das digitale Zeitalter sehr wohl zu einer in- In naher Zukunft werden uns persönliche Roboter bei der Arbeit helfen. tegrativen Epoche entwickeln, die allen Menschen zugutekommt – egal ob in ihrer Eigenschaft als Verbraucher oder als Produzent. Wie können Anleger am besten an diesen technologischen Revolutionen teilhaben? Feller: In die erwähnten Bereiche zu investieren, kann langfristig lohnend sein, ist aber sicher nicht risikolos. So kann ein Hype rund um ein Thema die Kurse in einem bestimmten Segment kurzfristig in die Höhe treiben. Genauso schnell können sie aber auch wieder einbrechen, wenn sich die Anleger «dem nächsten heissen Thema» zuwenden. Derartige Marktschwankungen können auch dann auftreten, wenn das zugrunde liegende Thema strukturell betrachtet intakt ist. Deshalb haben wir die Anlagephilosophie Next Generation entwickelt. Sie hilft dabei, langfristige Trends wie den der Digital Disruption zu identifizieren. Gleichzeitig stellt sie den Anlegern praktikable Anlagelösungen in attraktiven Phasen des Investmentzyklus zur Verfügung. Vignola: Julius Bär Next Generation zielt darauf ab, den Anlegern Orientierung zu geben beim Aufbau von Positionen mit langfristigen Wachstumschancen. Im Rahmen dieser Initiative veröffentlichen wir regelmässig thematische Research-Berichte und monatliche Videos. Zudem werden hochkarätig besetzte Investmentkonferenzen abgehalten, bei denen globale Vordenker interessante Einblicke geben. All das soll unseren Kunden dabei helfen, durch eine geeignete Positionierung von wichtigen Zukunftstrends zu profitieren. Um es mit Mark Twain zu sagen: «Plane für die Zukunft, denn dort wirst du den Rest deines Lebens verbringen.» 79 Anlagetrends JULIUS BÄR AUF EINEN BLICK MOSKAU ISTANBUL BEIRUT TEL AVIV KAIRO MANAMA ABU DHABI NASSAU Mexiko-Stadt Panama-Stadt LIMA BELO HORIZONTE RIO DE JANEIRO SÃO PAULO SANTIAGO DE CHILE MONTEVIDEO Julius Bär: die internationale Referenz im Private Banking Julius Bär Gruppe* / 30. Juni 2015 • Wir leben reines Private Banking – für unsere Kunden vor Ort und weltweit. Total Kundenvermögen (in Mrd. CHF) Verwaltete Vermögen Custody-Vermögen 368.6 284.0 84.6 Personalbestand (auf Vollzeitbasis) Schweiz Ausland 5378 3162 2216 BIZ-Kernkapitalquote (Tier 1) 19,1% Moody’s Rating (langfristig) Bank Julius Bär & Co. AG Aa2 • Wir sind unabhängig – unserem Schweizer Familienerbe verpflichtet. • Wir beraten objektiv und kompetent – auf Basis unserer einzigartigen, offenen Produktplattform. • Wir handeln unternehmerisch und sind innovativ – als Taktgeber der Branche. * An der SIX Swiss Exchange kotiert (BAER.VX) Unser unternehmen 80 DUBAI KIEL DUBLIN HAMBURG AMSTERDAM LONDON DÜSSELDORF GUERNSEY FRANKFURT LUXEMBURG MANNHEIM WÜRZBURG STUTTGART MÜNCHEN WIEN ZÜRICH MAILAND TURIN TOKIO MONACO SCHANGHAI HONGKONG ROM MADRID SINGAPUR JAKARTA BASEL ST. GALLEN ZÜRICH ZUG LUZERN BERN LAUSANNE GENF Hauptsitz Buchungszentrum Standort GPS, strategische Mehrheitsbeteiligung von 80 % NSC Asesores, strategische Minderheitsbeteiligung von 40 % ST. MORITZ CRANS-MONTANA SION VERBIER Kairos Julius Baer SIM SpA, strategische Minderheitsbeteiligung von 19,9 % an der Holdinggesellschaft Julius Bär ist in Mailand durch Julius Baer Fiduciaria S.r.l. vertreten. 81 LUGANO TFM Asset Management AG, strategische Mehrheitsbeteili gung von 60 % Unser unternehmen UNSERE PRODUKTE UND DIENSTLEISTUNGEN KERNPRODUKTE – ANLAGELÖSUNGEN WEITERE DIENSTLEISTUNGEN Basierend auf dem bewährten Anlageansatz von Julius Bär sowie unserer offenen Produkt- und Dienstleistungsplattform. Wealth & Tax Planning Auf Basis unserer offenen Produkt- und Dienstleistungsplattform bieten wir unabhängige Beratung zu Vermö gensstrukturierung, Finanz-, Steuer- und Nachfolgeplanung, Wohnsitzwechsel, Pensionierung und Philanthropie. Vermögensverwaltungsmandate Wir bieten Ihnen eine Palette von Mandaten mit verschiedenen Merkmalen. Sie delegieren alle Anlage entscheidungen an uns und werden so von laufenden Entscheidungsfindungen entlastet. Investment-Advisory-Angebote Sie wählen zwischen verschiedenen Dienstleistungsmodellen aus, besprechen Ihre Anlageentscheidungen mit Ihrem Kundenberater und/oder Anlageberater und erhalten von uns eine massgeschneiderte Beratung. Produkt- und Wertschriftenempfehlungen Wir behalten Ihre Anlagen für Sie im Auge und unterbreiten Ihnen auf Ihr Risikoprofil abgestimmte Anlage empfehlungen. Sie treffen alle Entscheidungen selbst. Finanzierungen Wir bieten Ihnen eine breite Palette von Kreditlösungen – von Lombardkrediten über Hypothekardarlehen bis hin zu strukturierten Finanzierungen. Trading/Administration & Safekeeping Wir unterstützen Sie beim Handel mit Devisen, Edelmetallen und Wertpapieren und übernehmen für Sie die Abwicklung, Administration und Verwahrung dieser Werte. Ausserdem sind wir ein Kompetenzzentrum in den Bereichen Derivate, strukturierte Produkte und e-Trading-Lösungen. RESEARCH Bankeigenes Research Unser bankeigenes Research bietet Ihnen Analysen zur Wirtschaftsentwicklung sowie zu Aktien, Anleihen, Währungen und Rohstoffen. Ergänzend dazu widmet sich Julius Bär Next Generation strukturellen Trends, welche die Zukunft verändern werden. Unser Produkt- und Dienstleistungsangebot ist abhängig vom Domizil des Kunden und von der jeweiligen Rechtseinheit von Julius Bär. 83 Unser unternehmen Wichtige rechtliche Hinweise Diese Publikation stellt Marketingmaterial dar und ist nicht Resultat einer unabhängigen Finanzana lyse. Sie unterliegt daher nicht den rechtlichen Anforderungen bezüglich der Unabhängigkeit der Finanzanalyse. Die in dieser Publikation enthaltenen Informationen und Meinungen wurden von Bank Julius Bär & Co. AG, Zürich, die der Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) untersteht, zum Zeitpunkt der Redaktion dieser Publikation produziert und können sich ohne Ankündigung ändern. Diese Publikation dient ausschliesslich Informa tionszwecken und stellt keine Offerte, Empfehlung oder Aufforderung von Julius Bär oder in ihrem Auftrag zur Tätigung einer Anlage dar. Alle Gesellschaften, die in dieser Publikation genannt werden, sind nur zu Illustrationszwecken erwähnt und stellen keine Investitionsempfehlungen dar. Die Äusserungen und Kommentare widerspiegeln die derzeitigen Ansichten der Verfasser, können jedoch von Meinungsäusserungen anderer Einheiten von Julius Bär oder sonstiger Drittparteien abweichen. Die in dieser Publikation genannten Dienstleistungen und/oder Produkte sind unter Umständen nicht für alle Empfänger geeignet und nicht in allen Ländern verfügbar. Die Kunden von Julius Bär werden gebeten, sich mit der lokalen Einheit von Julius Bär in Verbindung zu setzen, wenn sie sich über die angebotenen Dienstleistungen und/oder Produkte im entsprechenden Land informieren wollen. Diese Publikation ist ohne Rücksicht auf die Ziele, die Finanzlage oder die Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt worden. Bevor ein Anleger ein Geschäft abschliesst, sollte er prüfen, ob sich das betreffende Geschäft angesichts seiner persönlichen Umstände und Ziele für ihn eignet. Der Kunde sollte nur nach gründlicher Lektüre des relevanten Produktmerkblatts, der Zeichnungsvereinbarung, des Informationsprospekts, des Verkaufsprospekts oder anderer Angebotsdokumente im Zusammenhang mit der Wertschriftenemission oder anderen Finanzinstrumenten Investitions-, Handels- oder sonstige Entscheidungen treffen. Die in dieser Publikation enthaltenen Informationen stellen weder eine Anlage-, Rechts-, Buchführungsoder Steuerberatung dar noch eine Zusicherung, dass sich eine Anlage oder Anlagestrategie unter bestimmten persönlichen Umständen eignet oder angemessen ist; sie sind auch keine persönliche Empfehlung für einen bestimmten Anleger. Julius Bär empfiehlt allen Anlegern, unabhängigen professionellen Rat über die jeweiligen finanziellen Risiken sowie die Rechts-, Aufsichts-, Kredit-, Steuer- und Rechnungslegungsfolgen einzuholen. Obwohl die in dieser Publikation enthaltenen Informationen und Angaben aus Quellen stammen, die als zuverlässig gelten, wird keine Zusicherung bezüglich ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit abgegeben. Bank Julius Bär & Co. AG, Zürich, ihre Tochtergesellschaften und die mit ihr verbundenen Unternehmen lehnen jegliche Haftung für Verluste Unser unternehmen 84 infolge der Verwendung dieser Publikation ab. Diese Publikation darf nur in Ländern vertrieben werden, in denen der Vertrieb rechtlich erlaubt ist. Diese Publikation ist nicht für Personen aus Rechtsordnungen bestimmt, die solche Publikationen (aufgrund der Staatsangehörigkeit der Person, ihres Wohnsitzes oder anderer Gegebenheiten) untersagen. 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Zudem ist diese Publikation nur für Personen bestimmt, die im Sinn der Bahamian Exchange Control Regulations and Rules als «nonresident» bezeichnet oder betrachtet werden. Chile: Diese Publikation wurde von Bank Julius Bär & Co. AG, Zürich, erstellt und ist nur für den vorgesehenen Empfänger bestimmt. Deutschland: Bank Julius Bär Europe AG, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienst leistungsaufsicht (BaFin) untersteht, gibt ihren Kunden diese Publikation ab. Anforderungen betreffend (i) die Unabhängigkeit der Finanz analyse und (ii) das Verbot des Handels vor der Ankündigung von Finanzanalysen finden keine Anwendung. Dubai Internationales Finanzzentrum: Diese Publikation wird von Julius Baer (Middle East) Ltd. vertrieben. Sie ist nicht geeignet für Retailkunden und darf nicht an diese abgegeben werden. Bitte beachten Sie, dass Julius Baer (Middle East) Ltd. Finanzprodukte oder Dienstleistungen nur profes sionellen Kunden anbietet, die über genügend Finanzerfahrung und Kenntnisse über die Finanzmärkte, Produkte oder Geschäfte und die damit verbundenen Risiken verfügen. Die erwähnten Produkte oder Dienstleistungen stehen ausschliesslich professionellen Kunden zur Verfügung, die der Definition des «Conduct of Business»-Moduls der Dubai Financial Services Authority (DFSA) nachkommen. Julius Baer (Middle East) Ltd. verfügt über eine rechtmässige Lizenz der DFSA und unterliegt ihrer Aufsicht. Guernsey: Diese Publikation wird von der Bank Julius Baer & Co. Ltd., Niederlassung Guernsey, verteilt, die eine Lizenz von der Guernsey Financial Services Commission zur Erbringung von Bankund Anlagedienstleistungen in Guernsey besitzt und von dieser reguliert wird. Hongkong: Diese Publikation wird in Hongkong von und im Auftrag von Bank Julius Bär & Co. AG, Niederlassung Hongkong, vertrieben, die eine volle Bankenlizenz der Hong Kong Monetary Authority gemäss der Bankenverordnung (Chapter 155 der Gesetze von Hongkong SAR) besitzt, und kann dieser zugerechnet werden. Die Bank ist ebenfalls ein registriertes Institut mit der Central-EntityNummer AUR302, das gemäss der Securities and Futures Ordinance (SFO) (Chapter 571 der Ge setze von Hongkong SAR) regulierte Aktivitäten des Typs 1 (Wertpapierhandel), des Typs 4 (Wertpapierberatung) und des Typs 9 (Vermögensverwaltung) anbieten darf. Diese Publikation darf in Hongkong nur an professionelle Anleger (profes sional investors) im Sinn der SFO abgegeben werden. Der Inhalt dieser Publikation wurde von keiner Aufsichtsbehörde geprüft. Sollten Sie Fragen zu dieser Publikation haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Kundenberater in Hongkong. Bank Julius Bär & Co. AG hat ihren Sitz in der Schweiz mit beschränkter Haftung. Irland: Julius Baer International Limited, Niederlassung Irland, ist autorisiert und wird reguliert durch die Aufsichtsbehörde Financial Conduct Authority im Vereinigten Königreich und wird in Bezug auf die unternehmerischen Wohlverhaltensregeln durch die Zentralbank von Irland reguliert. Israel: In Israel wird diese Publikation von Julius Baer Financial Services (Israel) Ltd. (JBFS) ver trieben, die durch die Aufsichtsbehörde Israel Securities Authority für die Bereitstellung von Dienstleistungen in den Bereichen Investment Marketing und Portfoliomanagement zugelassen ist. Nach israelischem Gesetz bedeutet «Investment Marketing» die Beratung von Kunden im Zusammenhang mit den Vorteilen einer Anlage sowie dem Kauf, Verkauf oder Halten von Wertpapieren oder Finanzinstrumenten, sofern der Anbieter dieser Leistungen den Wertpapieren oder Finanzinstrumenten zugehört. Aufgrund der Zugehörigkeit von JBFS zu Bank Julius Bär & Co. AG, Zürich, gilt JBFS als zugehörig zu bestimmten Wertpapieren oder Finanzinstrumenten, die möglicherweise im Zusammenhang stehen mit den Leistungen, die JBFS anbietet, und daher ist jede Verwendung des Begriffs «Anlageberatung» oder Variationen dieses Begriffs in dieser Publikation als «Investment Marketing» im vorstehend genannten Sinn aufzufassen. Königreich Bahrain: Julius Baer (Bahrain) B.S.C. (c), eine Kapitalanlagegesellschaft, die von der Zentralbank von Bahrain (Central Bank of Bahrain, CBB) lizenziert ist und reguliert wird, vertreibt für ihre fachkundigen und akkreditierten Investoren (expert and accredited investor clients) diese Publi- kation. Bitte beachten Sie, dass Julius Baer (Bahrain) B.S.C. (c) finanzprodukte oder Dienstleistungen nur fachkundigen und akkreditierten Investoren anbietet, in Übereinstimmung mit der Definition des CBB-Regelwerks, das Regeln, Richtlinien und Vorschriften der CBB gemäss dem CBB-Gesetz enthält. Diese Publikation darf nicht an Retailkunden abgegeben werden und darf diesen nicht als Entscheidungsgrundlage dienen. Die CBB übernimmt keinerlei Verantwortung für die Richtigkeit der in dieser Publikation enthaltenen aussagen und Informationen und haftet nicht für Schäden oder Verluste, die Personen durch das Vertrauen auf diese aussagen und Informationen entstehen. Libanon: Diese Publikation wird vertrieben von Julius Baer (lebanon) S.a.l., einem ordentlich zugelassenen finanzintermediär, der der aufsicht der Kapitalmarktaufsicht untersteht. Luxemburg: Diese Publikation wird von Julius Baer Investment Services S.à r.l. vertrieben, einem Unternehmen, das von der Commission de Surveillance du Secteur financier (CSSf) zugelassen ist und reguliert wird. Diese Publikation wurde nicht von der CSSf zugelassen oder überprüft und es wird nicht beabsichtigt, sie bei der CSSf einzureichen. Monaco: Bank Julius Baer (Monaco) S.a.M., eine vom Staatsminister des fürstentums Monaco und der französischen nationalbank autorisierte Institution, gibt ihren Kunden die vorliegende Publikation ab. Julius Baer Wealth Management (Monaco) S.a.M., ein in Monaco zugelassener Vermögensverwalter, vertreibt diese Publikation an seine Kunden. Niederlande: Julius Baer (netherlands) B.V., die der aufsicht der netherlands authority for the financial Markets (afM) unterliegt und ermächtigt ist, (i) von Kunden aufträge anzunehmen und weiterzuleiten sowie (ii) anlageberatung zu erteilen, gibt diese Publikation an ihre Kunden ab. Bank Julius Bär Europe aG unterliegt der aufsicht der Bundesanstalt für finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und ist berechtigt, in den niederlanden Bankdienstleistungen sowie gewisse anlagedienstleistungen entsprechend der ihr erteilten lizenz zu erbringen. Diese Publikation wird von Bank Julius Bär & Co. aG, zürich, herausgegeben, die der aufsicht der Eidgenössischen finanzmarktaufsicht (fInMa) untersteht, jedoch nicht berechtigt ist, in den niederlanden regulierte Dienstleistungen zu erbringen. anforderungen betreffend (i) die Unabhängigkeit der finanzanalyse und (ii) das Verbot des handels vor der ankündigung von finanzanalysen finden keine anwendung. Panama: Die in dieser Publikation beschriebenen relevanten Dienstleistungen und/oder Produkte dürfen ausschliesslich von einer zu Julius Bär gehörenden, für die Bereitstellung dieser Dienstleistungen und/oder Produkte in Panama lizenzierten Rechtseinheit beworben werden. Diese Publikation richtet sich nur an die vorgesehenen Empfänger. Schweiz: In der Schweiz wird diese Publikation von Bank Julius Bär & Co. aG, zürich, vertrieben, die der aufsicht der Eidgenössischen finanzmarktaufsicht (fInMa) untersteht. Singapur: Diese Publikation wird von Bank Julius Bär & Co. aG, niederlassung Singapur, vertrieben und steht nur amtlich anerkannten Investoren (accredited investors) zur Verfügung. Da die niederlassung Singapur von einer ausnahmeregelung (unit exemption) gemäss artikel 100(2) des financial advisers act, Cap. 110 von Singapur (faa), profitiert, sind viele der Vorschriften des financial advisers act nicht anwendbar. Unter anderem ist die niederlassung Singapur nicht verpflichtet, Beteiligungen an den in dieser Publikation erwähnten Wertpapieren oder finanzinstrumenten oder die absicht zum Kauf oder Verkauf dieser Wertpapiere oder finanzinstrumente offenzulegen. auf Wunsch sind weitere Einzelheiten über diese ausnahmeregelung erhältlich. Diese Publikation wurde nicht bei der Monetary authority of Singapore (MaS) als Prospekt registriert. Dokumente oder Materialien in Bezug auf den Kauf oder Verkauf oder die Einladung zum Bezug oder zum Kauf von in dieser Publikation aufgeführten Wertpapieren oder anlagefonds dürfen in Singapur weder verteilt werden noch direkt oder indirekt an andere Personen weitergegeben oder verbreitet oder zum Bezug oder Kauf angeboten werden, ausser (i) an institutionelle Investoren gemäss artikel 274 bzw. 304 des Securities and futures act, Cap. 289 von Singapur (Sfa), (ii) an relevante Personen (dazu zählen akkreditierte Investoren) oder an sonstige Personen gemäss artikel 275(1a) oder 305(2) Sfa, wobei die Bedingungen von artikel 275 oder 305 Sfa erfüllt sein müssen, oder (iii) auf sonstige Weise, die gemäss und in Übereinstimmung mit den Bedingungen aller sonst anwendbaren Vorschriften des Sfa zulässig ist. In Bezug auf anlagefonds, die nicht von der MaS zugelassen oder anerkannt sind, dürfen anteile solcher fonds keinen Privatanlegern angeboten werden und sämtliche schriftlichen, an vorstehend genannte Personen im zusammenhang mit dem angebot abgegebenen Materialien sind kein Verkaufsprospekt im Sinn des Sfa. Dementsprechend besteht keine gesetzliche haftung nach dem Sfa in Bezug auf den Inhalt der Prospekte. für alle fragen bezüglich der vorliegenden Publikation wenden Sie sich bitte an einen Repräsentanten von Bank Julius Bär & Co. aG, niederlassung Singapur. Bank Julius Bär & Co. aG hat ihren Sitz in der Schweiz. Der in dieser Publikation verwendete Begriff «unabhängig» bedeutet nicht, dass Bank Julius Bär & Co. aG (die Bank) oder irgendein Vermögensverwalter bzw. irgendein family office in Singapur, mit welchem die Bank möglicherweise verbunden ist, unabhängig (independent) im Sinn von Cap. 110 faa ist. Spanien: Julius Baer agencia de Valores, S.a.U., ein durch das Börsenaufsichtsamt Comisión nacional del Mercado de Valores (CnMV) zugelassenes und reguliertes Unternehmen, vertreibt diese Publikation an seine Kunden. Die in dieser Publikation genannten Dienstleistungen und/oder Produkte dürfen in Spanien nur von einer Einheit von Julius Bär erbracht werden, die in Spanien für die Erbringung dieser Dienstleistungen und/oder Produkte zugelassen ist. Uruguay: falls diese Publikation als angebot oder Empfehlung oder aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder anderen finanzinstrumenten angesehen wird, werden diese unter Berufung auf die Befreiung privater anlagen (oferta privada) gemäss artikel 2 von Gesetz nr. 18 627 angeboten und sind und werden nicht bei der Bankenaufsichtsbehörde der zentralbank von Uruguay für das öffentliche angebot in Uruguay registriert. Im fall geschlossener fonds oder Private-Equityfonds handelt es sich bei den betreffenden Wertpapieren nicht um Investmentfonds, die durch das uruguayische Gesetz nr. 16 774 vom 27. September 1996 in der geänderten fassung reguliert werden. Wenn Sie in Uruguay ansässig sind, bestätigen Sie hiermit, die deutsche Sprache, in der diese Publikation und alle hierin genannten Dokumente verfasst sind, vollständig zu verstehen und keine weiteren Dokumente in spanischer oder einer anderen Sprache zu benötigen. Vereinigte Arabische Emirate: Diese Publikation wurde nicht von der UaE Central Bank, der Securities and Commodities authority oder einer anderen zuständigen Behörde der Vereinigten arabischen Emirate genehmigt oder lizenziert. Sie ist streng vertraulich und wird nur auf anfrage an eine festgelegte anzahl sophistizierter privater und institutioneller anleger ausgegeben. Sie darf nicht an dritte Personen weitergegeben oder von diesen verwendet werden. Vereinigtes Königreich: Bei dieser Publikation handelt es sich um eine sogenannte financial Promotion entsprechend Section 21 des financial Services and Markets act 2000 (fSMa). Soweit diese Publikation an Empfänger im Vereinigten Königreich abgegeben wird, wurde sie von Julius Baer International limited (JBInt) genehmigt. JBInt unterliegt der aufsicht der financial Conduct authority (fCa). Personen, die mit anderen Mitgliedern der Julius Bär Gruppe Geschäfte tätigen, sind nicht durch die Regeln und Vorschriften gedeckt, die zum Schutz der anleger im Vereinigten Königreich bestehen; sie geniessen daher nicht die Rechtsansprüche von Retailkunden und anderen anlegern gemäss dem fSMa und den Vorschriften der fCa. USA: WEDER DIE VoRlIEGEnDE PUBlIKatIon noCh KoPIEn DaVon DÜRfEn In DIE USa VERSanDt, DoRthIn MItGEnoMMEn oDER VERtRIEBEn oDER an US-PERSonEn aBGEGEBEn WERDEn. © Julius Bär Gruppe, 2015 85 UnseR UnteRnehmen Redaktionskommission Dr. Jan A. Bielinski, Chief Communications Officer, Julius Bär Nicole Chandrashekara, Co-Head Marketing, Julius Bär Lenah Crass, Julius Bär Redaktion Melanie Kienzle, Julius Bär Ayako Lehmann, Julius Bär Emily Rookwood, Julius Bär Textbeiträge Janet Anderson, Journalistin Dorothée Enskog, Journalistin Andy Isaacson, Journalist Robert Ruttmann, Julius Bär Stuart Spear, Journalist Redaktionelle Gestaltung Meiré und Meiré, Köln Deutsche Umsetzung medienwerkstatt ag, Sulgen Korrektorat Syntax Übersetzungen AG, Zürich Lektorat sprach-art, Inés Flück Sprachagentur Bahia, Ruedi Häuptli Der Forest Stewardship Council Illustrationen und Grafiken Seiten 13–16: Cameron Law, London; Seite 72: C3, Berlin; Seiten 75–79: Cameron Law. eine verantwortungsvolle Bewirt- Druck medienwerkstatt ag, Sulgen Weitere Informationen über Julius Bär erhalten Sie unter: www.juliusbaer.com © Julius Bär Gruppe, 2015 Die Titelseite OKTOBER 2015 AUSGABE 3 OKTOBER 2015 AUSGABE 3 JULIUS BÄR GRUPPE VISION Hauptsitz Bahnhofstrasse 36 Postfach 8010 Zürich Schweiz Telefon +41 (0) 58 888 1111 Telefax +41 (0) 58 888 5517 www.juliusbaer.com JULIUS BÄR Chefredakteurin Michèle Bodmer, Julius Bär Bildnachweis Titelseite: Meiré und Meiré; Seiten 3, 6, 9, 10: Thomas Eugster; Seite 19: mit freundlicher Genehmigung von Jared Cohen; Seiten 23–27: mit freundlicher Genehmigung von Rimac Automobili; Seiten 28–30: mit freundlicher Genehmigung von Elena Corchero; Seite 33: mit freundlicher Genehmigung von Darcy Winslow/Getty Images; Seite 35: mit freundlicher Genehmigung von Thomas Eugster; Seiten 36–38: mit freundlicher Genehmigung von NanoDimension; Seiten 40–42: LAIF; Seite 45: Getty Images; Seite 46: Rainer Rudolf Benoit; Seite 49: mit freundlicher Genehmigung von Claudia Comte; Seiten 50–51: Rainer Rudolf Benoit; Seiten 53–65: Thomas Eugster; Seite 66: Kroeger; Seite 67: mit freundlicher Genehmigung des Akademischen Motorsportvereins Zürich (AMZ); Seite 68: Rainer Rudolf Benoit und Sauber Motorsport; Seite 69: mit freundlicher Genehmigung des AMZ; Seite 82: Thomas Eugster. Publ.-Nr. PU00002DE Verleger Julius Bär Gruppe AG VORREITER WIE MAN DAS BESTE AUS EINEM VORSPRUNG MACHT VISIONÄRE DENKER NANOTECHNOLOGIE, MODE UND DIE STÄDTE DER ZUKUNFT JARED COHEN WIRD VERNETZUNG UNSERE WELT ZUM BESSEREN VERÄNDERN? 60437_JB_VISION_3_Cover_DE.indd 1-3 06.10.15 09:20 Die von Meiré und Meiré gestaltete Titelseite symbolisiert den First-Mover-Vorteil, der sich mitunter nur schwer verteidigen lässt. Wer als Erster auf einen Markt vorstösst, hat womöglich die besten Erfolgschancen. Doch die Mitbewerber schlafen nicht: Sobald sie eine Chance sehen, werden sie nachziehen und dem Marktpionier den Startvorteil streitig machen. Rechtschreibung Vor über 125 Jahren wurde die Bank Julius Bär in der Schweiz gegründet. Um diese Herkunft zu widerspiegeln, verwenden wir in diesem Magazin die Schweizer Rechtschreibung. (FSC) ist eine unabhängige, gemeinnützige Nichtregierungs- organisation, die sich weltweit für schaftung von Wäldern einsetzt. Julius Bär sorgt sich um die Umwelt. Deshalb wurde dieses Dokument auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. medienwerkstatt ag ist eine durch FSC und ClimatePartner zertifizierte, klimaneutral arbeitende Druckerei. E-BOOK-VERSION WWW.JULIUSBAER.COM/ VISION DER DEMOGRAFISCHE WANDEL BIETET NEUE PERSPEKTIVEN. WELCHE SIND BESONDERS AUSSICHTSREICH? >> Entdecken Sie unsere Denkweise auf juliusbaer.com/visionary-thinking Julius Bär ist die führende Private-Banking-Gruppe der Schweiz und weltweit an rund 50 Standorten präsent. Von Dubai, Frankfurt, Genf, Guernsey, Hongkong, London, Lugano, Monaco, Montevideo, Moskau, Nassau, Singapur bis Zürich (Hauptsitz). JULIUS BÄR GRUPPE www.juliusbaer.com Publ.-Nr. PU00002DE Hauptsitz Bahnhofstrasse 36 Postfach 8010 Zürich Schweiz Telefon+41 (0) 58 888 1111 Telefax+41 (0) 58 888 5517
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