pdf | 12MB - Julius Baer

AUSGABE 3 VOrrEITEr
WIE MAN DAS BESTE AUS
EINEM VORSPRUNG MACHT
VISIONärE DENKEr
NANOTECHNOLOGIE, MODE
UND DIE STÄDTE DER ZUKUNFT
OKTOBER 2015
JArED COHEN
WIRD VERNETZUNG UNSERE
WELT ZUM BESSEREN VERÄNDERN?
URBANISIERUNG VERÄNDERT
RASANT DIE WELT.
WELCHER ZUKUNFTSENTWURF
IST FÜR SIE RICHTIG?
>> Entdecken Sie unsere Denkweise auf juliusbaer.com/visionary-thinking
Julius Bär ist die führende Private-Banking-Gruppe der Schweiz und weltweit an rund 50 Standorten präsent. Von Dubai, Frankfurt, Genf,
Guernsey, Hongkong, London, Lugano, Monaco, Montevideo, Moskau, Nassau, Singapur bis Zürich (Hauptsitz).
«fIRSt-MoVER-VoRtEIl»
Wann macht es für sie sinn, als «First mover» auf einem neuen markt voranzuschreiten? Und in welchen Fällen sollten sie sich lieber zurücklehnen, andere
akteure das terrain ausloten lassen und erst zu einem späteren zeitpunkt einsteigen? besteht das beste Rezept für bleibenden erfolg darin, immer der erste
zu sein?
diese und andere Fragen diskutieren wir in der aktuellen ausgabe von «Vision».
sie ist – wie unsere diesjährigen next generation summits in zürich und singapur –
dem thema «First movers» gewidmet. Wir fragen Professor marvin lieberman,
ob der von ihm 1988 erstmals untersuchte «First-mover-Vorteil» für alle
Firmen und märkte gilt. ausserdem erkundigen wir uns bei führenden Unternehmern aus den bereichen nanotechnologie, medien, mode, Kunst und automobilbau, wie sie es in ihren branchen zu marktvorreitern gebracht haben. sind
sie die First movers am markt gewesen oder haben sie zu einem späteren zeitpunkt nachgezogen?
die richtigen entscheidungen zu treffen, ist natürlich von zentraler bedeutung.
nach unserer Überzeugung ist es aber noch wichtiger, den richtigen zeitpunkt für
die Umsetzung dieser entscheidungen zu wählen. dafür braucht es erfahrung, das
nötige Wissen um wichtige Wechselwirkungen und nicht zuletzt geduld. denn es
kann Jahre dauern, bis sich eine bestimmte entscheidung als richtig erweist. oft
erfordert abwarten deshalb genauso viel mut wie Vorpreschen.
Ich persönlich habe eine langfristige Vision. sie hilft mir, den richtigen zeitpunkt
für einen schritt zu wählen – und somit zu entscheiden, ob wir als First mover agieren oder nicht. mein entscheidungshorizont richtet sich nach unserem übergeordneten ziel: der schaffung bleibender Werte für sie als unsere Kunden und für die
Julius bär gruppe.
Wir freuen uns, unsere Vision und die erkenntnisse bedeutender Vordenker mit
Ihnen zu teilen, und wünschen Ihnen eine angenehme lektüre.
mit freundlichen grüssen
boris F.J. collardi
chief executive officer
3
VoRWoRt
Inhalt
22
Mate rimac
Mit Vollgas in die Zukunft
interview
6
Regionales Potenzial
im globalen Kontext
28
Werte und Technologie,
vereint in Mode
Die Technologie-Handwerkerin Elena Corchero bringt
Nachhaltigkeit in Produktion und Konsum von Mode.
Gian A. Rossi, Head Northern, Central and Eastern Europe,
und Rémy A. Bersier, Head Southern Europe, Middle East
and Africa, reflektieren aktuelle Entwicklungen und künftige
Wege ihrer jeweiligen Regionen.
VORREITER
12
Vorreiter:
Wie Marktpioniere von ihrem
Vorsprung profitieren
18
Jared CoheN
Der Chef von
Google Ideas über
die Vor- und Nachteile von Vernetzungsfähigkeit
Inhalt
4
32
Wandel im
grossen Stil
Darcy Winslow,
Co-Gründerin der
Academy for Systemic
Change, über die
Umsetzung nachhaltiger Visionen.
34
Die NANOREVOLUTION
Aymeric Sallin sieht eine grosse
Zukunft für kleine Dinge
40
dIe stÄdte
deR zUKUnFt
UnseR UnteRnehmen
70
JUlIUs bÄR – YoUR Wealth
sie entscheiden,
wie wir sie unterstützen
anlagetRends
zwei führende Experten über ihre Vision für die Städte der
zukunft und die notwendigkeit des Wandels.
72
typische anlagefallen
und -fehler vermeiden
Die Erkenntnis, dass anlageentscheidungen oft emotional
statt rational sind, hilft fallstricke zu vermeiden.
KUnst
46
claUdIa
comte
75
die digitale Revolution
und ihre Folgen
Claudia Comte gilt als eine
der 20 besten und vielversprechendsten Künstlerinnen
der Schweiz.
52
neUanKÄUFe
Julius bär Kunstsammlung
sPonsoRIng
66
JUnge talente
mIt eleKtRoVIsIonen
Das digitale zeitalter hat unsere lebens- und arbeitsweise
grundlegend verändert.
ÜbeR Uns
80
82
84
86
Julius bär auf einen blick
Unsere Produkte und
dienstleistungen
Rechtliche hinweise
Impressum
5
Inhalt
Regionales
Potenzial im
globalen Kontext
Interview: Michèle Bodmer
Die Präsenz von Julius Bär in den reifen und den wachsenden Märkten ist durch sehr
unterschiedliche Bedürfnisse, Herausforderungen und Chancen geprägt. Gian A. Rossi,
Head Northern, Central and Eastern Europe, und Rémy A. Bersier, Head Southern
Europe, Middle East and Africa, gehören beide der Geschäftsleitung von Bank Julius Bär
an. Im Interview erörtern sie die aktuellen Trends und die möglichen künftigen Entwicklungen in ihren jeweiligen Regionen.
Was unterscheidet Julius Bär von ihren Mitbewerbern?
Bersier: Wir bieten ausschliesslich Vermögensverwaltungsdienstleistungen für Privatkunden an. Wir konzentrieren uns ganz auf das Private Banking und besitzen zum
­Beispiel keine Investment-Banking- oder Asset-Management-Bereiche. Das verschafft uns einen klaren Vorteil. Weiter verfügen wir über eine offene Produktplattform. Unsere
Kunden werden nicht zum Kauf bankeigener Produkte gedrängt, und unsere Berater können auf dem gesamten Markt
nach der besten Finanz­lösung Ausschau halten.
Rossi: Unser kundenorientiertes Geschäftsmodell und
unsere einzigartige Unternehmenskultur sind die zentralen
Punkte, durch die wir uns abheben. Wir sind das einzige
Finanzinstitut mit einer Geschäftsführung, der sechs Leiter
von Bereichen mit direktem Kundenkontakt angehören. Dadurch erreichen wir, dass sich die Interessen unserer Kunden
in unseren Entscheidungen widerspiegeln.
Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die
grosse Loyalität unserer Kundenberater. Wir behandeln sie
als Partner, und sie halten uns die Treue. Ihre lange Zuge­
hörigkeit zu unserem Unternehmen schlägt sich in einzig­
artigem Service, Engagement, Vertrauen sowie in grosser
Ehrlichkeit nieder. Die Kunden schätzen es, über die Phasen
konjunkturellen Auf- und Abschwungs hinweg auf die Betreuung durch den­selben Kundenberater zählen zu können.
Wodurch hebt sich Ihre Region von anderen ab?
Bersier: In Südeuropa besteht eine anhaltend starke
Nachfrage nach grenzüberschreitenden Private-BankingDienstleistungen aus der Schweiz, weil die Kunden ihre Bank­
risiken und ihre Vermögensverwaltung diversifizieren möchten. Durch die aktuelle Situation in Griechenland gilt das
mehr denn je. Befürchten Bankkunden ein Ansteckungsrisiko
für die gesamte Region, ist dies für sie womöglich ein zusätzliches Argument für eine Diversifizierung.
Der Nahe Osten bietet vielversprechende Wachstumsraten. Die wichtigsten makroökonomischen F
­ undamentaldaten
der Region sind nach wie vor sehr solide. So dürfte das
Vermögen um 6 bis 10 Prozent wachsen. Insgesamt hat
Julius Bär auf diesem Markt in den letzten vier bis fünf Jahren eine ausgezeichnete Performance erzielt.
Rossi: 2015 wird ein interessantes Jahr für die nord-,
mittel- und osteuropäischen Märkte. Momentan b
­ilden
Deutschland und die skandinavischen Länder die Wachstumsmotoren Europas, während im Süden Krisenstimmung
herrscht. In mittel- und osteuropäischen Ländern wie der
Tschechischen Republik, Slowenien, Ungarn und Polen haben wir es mit wachsenden Märkten und neuen Kunden zu
tun. Diese Kunden vertrauen die Vermögensverwaltung vorzugsweise einer international positionierten Bank an. Ihren
Wohlstand verdanken sie vor allem der zunehmenden Zahl
kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU). Die Bevölkerung
in diesen Regionen wird aber auch insgesamt wohlhabender.
Interview
8
So hat sich Polen mit seinen fast 40 Millionen Einwohnern
mittlerweile zu einer bedeutenden Volkswirtschaft in Europa
entwickelt. Das Wirtschaftswachstum in der Region ist in
den letzten sieben bis acht Jahren nie zum Erliegen gekommen, obwohl es kleinere Währungskrisen in Polen und in der
Tschechischen Republik gegeben hat. Die daraus resultierenden Währungsabwertungen sind der Wirtschaft der beiden Länder aber letztlich zugutegekommen. Zudem sind
Verbesserungen im Bereich der Steuersysteme zu beob­
achten, und die rechtlichen Rahmenbedingungen werden
transparenter. Dies alles sind positive Faktoren.
2015 hält Julius Bär in Zürich und Singapur «Next
Generation»-Konferenzen ab, die unter dem Motto «First
Movers» stehen. Verfolgt Julius Bär in Ihren Regionen
einen First-Mover-Ansatz?
Bersier: In diesen Regionen nimmt Julius Bär meiner
Ansicht nach nicht die Rolle des Marktpioniers, also des First
Mover, ein. Man wird uns aber auch nicht als Fast Follower
bezeichnen, der den Pionieren im Nacken sitzt. Vielmehr
werden wir wahrgenommen als eine Schweizer Privatbank
mit ausgeprägtem Schweizer Charakter, die vom Ausland
aus grenzüberschreitend operiert. Es ist uns gelungen, die
Marke zu einer Institution zu machen. Julius Bär gilt als eine
Bank, die dank erfahrener Kundenberater schnell qualitativ
hochwertige Lösungen bereitstellt.
Rossi: Letztlich hängt alles vom jeweiligen Markt ab. In
Deutschland sind wir der erste im Inland operie­rende Akteur
mit einem reinen Private-Banking-Modell gewesen. Dadurch
stechen wir in puncto Wachstum und ­Geschäftserfolg aus
der Masse heraus. Deutschland ist innerhalb Europas
einer der ­attraktivsten Märkte für Vermögensverwaltungs­
dienstleistungen. In Grossbritannien haben wir eher klein
­be­gonnen. Doch nach der jüngsten Übernahme des interna­
tionalen Vermögensverwaltungsgeschäfts von Merrill Lynch
(ohne USA) zählen wir, gemessen an den verwalteten Vermögen, zu den 15 grössten Wealth-Managern in London. So
haben wir beispielsweise unsere Zusammenarbeit mit dem
British Museum ausgeweitet. Und im Juli 2015 verhalfen uns
die Rennen der FIA-Formel-E-Meisterschaft zu wertvoller
Fernsehpräsenz.
In Moskau haben wir vor etwa sieben Jahren eine Repräsentanz eröffnet. In dieser Region gibt es keine weitere Bank,
die sich ausschliesslich auf das Private Banking konzentriert,
und somit sind wir dort ein First Mover.
Herr Bersier, die Bank Julius Bär hat letztes Jahr ihre
zehnjährige Präsenz im Nahen Osten gefeiert. Hat die
Bank die beim Markteintritt prognostizierten Wachstumsraten erreicht?
Bersier: Julius Bär war 2004 die erste internationale
Privatbank, die im Dubai International Financial Centre
­zugelassen wurde. Wir haben uns die Märkte in der Region
erfolgreich erschlossen und eine exzellente Wachstums­
dynamik erzielt – trotz des schwierigen politischen Umfelds,
das in einigen Ländern dieser Region herrscht.
Mit Blick auf das Wachstum konnten wir unsere Erwartungen sogar übertreffen. So verdreifachten wir in den letzten drei Jahren unsere Vermögensbasis, was auch der Übernahme des internationalen Vermögensverwaltungs­geschäfts
von Merrill Lynch (ohne USA) zu verdanken war. Wir werden
unsere Aktivitäten in der Region weiter aus­bauen – insbesondere durch die Rekrutierung weiterer Kundenberater für
unser Regionalzentrum in Dubai.
Wir wollen aber nicht nur eine Wachstumsstory schreiben, sondern auch unsere Anlagephilosophie an lokale Bedürfnisse anpassen. Während sich diese in der Region früher
auf das Cash-Management und kurzfristige Anlagepositionen konzentriert hat, stehen wir mittlerweile in den Bereichen
Vermögensverwaltungsmandate und strukturierte Produkte
vor der Lancierung schariakonformer Anlagelösungen. Und
wir entwickeln ein schariakonformes Hebelprodukt. Dies wird
unserer Wachstumsstrategie im Nahen Osten ohne Zweifel
weiteren Auftrieb geben.
Rémy A. Bersier
«Dank unserer soliden globalen Präsenz
sind wir auf dem afrikanischen Kontinent
sowohl für aufstrebende lokale Unternehmer als auch für gut etablierte Firmeninhaber mit starkem internationalem
Hintergrund attraktiv. Unsere Zielgruppe
ist das Kernsegment der vermögenden
Privatpersonen.»
Rémy A. Bersier
Wie wollen Sie die ehrgeizige Vorgabe erreichen, Julius
Bär bis 2017 im Kreis der fünf grössten Vermögensverwalter im Nahen Osten zu platzieren?
Bersier: Wir sind auf dem richtigen Weg. Durch die
Übernahme des Private-Banking-Geschäfts von Merrill
Lynch haben wir unsere Stellung in der Region ausgebaut.
Durch die Transaktion sind wir – zusätzlich zu unserer bestehenden Präsenz in Dubai, Abu Dhabi und K
­ airo – jetzt auch
in Bahrain und Beirut vertreten. Ausserdem ist es uns in den
letzten vier Jahren gelungen, unsere Position durch organisches Wachstum, strategische Rekrutierungsmassnahmen
und Übernahmen zu stärken. Die schariakonformen Anlagelösungen werden uns als weiterer Wachstumstreiber dienen.
In welcher Region sehen Sie die besten Chancen und die
grössten Herausforderungen?
Rossi: Die Zahlen zeigen nach wie vor ausgezeichnete
Geschäftschancen in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2015
verdankten wir den Nettoneugeld­
zufluss vor allem dem
­lokalen Geschäft. Es besteht eine Nachfrage nach mass­
geschneiderten Angeboten von reinen Privatbanken, die ein
uneingeschränktes Research betreiben. Es gibt zwar einige
lokale Akteure, diese sind aber nur auf ­regionaler Ebene
stark. Keiner von ihnen verfügt über die breite Präsenz von
Julius Bär.
Die grössten Chancen bieten indes die kleineren mittelund osteuropäischen Länder, wo die Versorgung der Kunden
durch die ansässigen Banken völlig unzureichend ist. Wir
­haben in diesen Staaten bereits einige Erfolge erzielt. Die
Höhe der verwalteten Vermögen rechtfertigt die Einrichtung
einer permanenten Repräsentanz aber noch nicht. Deshalb
arbeiten wir von der Schweiz aus und reisen für Geschäfts­
abschlüsse in die Region. Zur Unterstützung unserer Niederlassung in Moskau haben wir unsere auf Mittel- und Ost­
9
Interview
europa spezialisierten Teams an den Standorten Singapur,
London, Luxemburg, Monaco, Genf, Zürich und Wien
weiter ausgebaut, um einen noch besseren Service bieten
zu können.
Das Osteuropa-Geschäft birgt jedoch auch Herausforderungen. Zwar war das Wachstum in den letzten Jahren beträchtlich, es sind aber auch hohe Summen aus der Region
abgeflossen – nicht nur investierbare, für die Vermögensverwaltung vorgesehene Gelder, sondern auch andere Anlagen.
Die Märkte der Region haben über mehrere Quartale nach
unten tendiert. Seit Kurzem gibt es aber Anzeichen dafür,
dass Privatpersonen und Unternehmen wieder vermehrt
­Investitionen tätigen. Menschen aus Russland beispielsweise
sind weltweit als erfolgreiche Investoren und Unternehmer
bekannt, deshalb wird der Wohlstand weiter steigen.
Bersier: Wir konzentrieren uns auch künftig auf die
Chancen, die uns die Märkte in verschiedenen Ländern
des Golf-Kooperationsrats (GCC) bieten – insbesondere in
den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und SaudiArabien. Saudi-Arabien scheint sich den internationalen
Akteuren langsam zu öffnen. Aus Sicht des Private Banking
besteht in diesem Markt ein riesiges Potenzial. Allerdings
müssen wir auch Aspekte des Risikomanagements beachten
und den mittelfristigen Konjunkturrisiken Rechnung tragen.
«Abu Dhabi Global Market» baut derzeit ein Finanz­zentrum auf, das mit dem International Financial Centre von
Dubai vergleichbar ist. Wir prüfen momentan, ob wir unsere
Präsenz und unsere Positionierung dort verstärken wollen.
Die politische Instabilität und die Unsicherheit stellen für
uns die grössten Herausforderungen im Nahen Osten und in
Afrika dar. In unserer Niederlassung in Kairo beispielsweise
ist es uns gelungen, diese Herausforderungen erfolgreich in
Chancen umzuwandeln.
Während des Arabischen Frühlings hielten wir am lokalen Geschäftsstandort in Ägypten fest. Das Engagement
unserer Kolleginnen und Kollegen in Kairo kam bei unseren
Kunden sehr gut an und hat unserem Unternehmen viel
Wertschätzung und Anerkennung gebracht. Auf der Grundlage dieses gegenseitigen Vertrauens gelang es unserem
Team, die Geschäftsentwicklung selbst in turbulenten Zeiten
weiter voranzutreiben.
Herr Bersier, können Sie Näheres über die Strategie von
Julius Bär in Afrika sagen?
Bersier: Afrika befindet sich noch immer in einer frühen
Wachstumsphase. Der Markt muss genau auf politische und
andere Risiken untersucht und überwacht werden. In den
meisten afrikanischen Ländern hat sich noch keine reife
Private-Banking-Kultur herausgebildet. Dank unserer soliden
globalen Präsenz sind wir auf dem afrikanischen Kontinent
sowohl für aufstrebende lokale Unternehmer als auch für
gut etablierte Firmeninhaber mit starkem internationalem
Hintergrund attraktiv. Unsere Zielgruppe ist das Kernsegment der vermögenden Privatpersonen. Da wir unsere Res-
Interview
10
sourcen sinnvoll einsetzen müssen, konzentrieren wir uns auf
die drei Schlüsselländer Ägypten, Kenia und Südafrika.
Herr Rossi, wie hat sich der Private-Banking-Sektor in
Russland entwickelt, seit die Bank Julius Bär in dieser
­Region eingestiegen ist?
Rossi: Diese grosse, fragmentierte Region verzeichnet
weiterhin unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen.
Geopolitische Spannungen und regulatorische Probleme
beeinträchtigen das Kundenverhalten und den allgemeinen
Geschäftsausblick. Dank unserem wachsenden Ansehen als
einer der führenden Vermögensverwalter in der Region ist es
uns aber gelungen, im ersten Halbjahr 2015 wieder solide
Nettoneugeldzuflüsse zu erwirtschaften. Es gibt jedoch
einige Risiken, weshalb wir Vorsicht walten lassen müssen.
In Russland gibt es keinen grossen inländischen PrivateBanking-Sektor. Die meisten Transaktionen werden von
Gian A. Rossi
«In Deutschland sind wir der erste im Inland
operie­rende Akteur mit einem reinen
Private-Banking-Modell gewesen. Dadurch
stechen wir in puncto Wachstum und
­Geschäftserfolg aus der Masse heraus.
Deutschland ist innerhalb Europas einer
der ­attraktivsten Märkte für Vermögens­
verwaltungsdienstleistungen.»
Gian A. Rossi
Geschäfts- und Investmentbanken abgewickelt. Das von
russischen Anbietern bereitgestellte Private Banking beschränkt sich meist auf Concierge-Dienstleistungen wie die
Ausgabe spezieller Kreditkarten. Das Vermögen ist mittlerweile aber viel breiter gestreut. So haben sich in den letzten
Jahren in verschiedenen Regionen kleine und mittlere Unternehmen entwickelt. Früher waren diese auf Moskau konzentriert, heute ist das nicht mehr der Fall. Zudem tauchen diese
neuen Firmen in allen möglichen Sektoren von der Ernährung bis hin zur Gesundheitspflege auf.
Russland ist auch viel internationaler geworden. So verfügen manche Kunden beispielsweise über einen zweiten
Wohnsitz im Ausland und halten Anlagen in Asien oder in
Südamerika. Dies ist ein typischer Trend für einen in der Vergangenheit recht abgeschotteten Markt.
Welches sind die grössten Hürden in Russland?
Rossi: Der all­
gemeine Geschäftsausblick wird durch
geopolitische und ­regulatorische Probleme getrübt, wie zum
Beispiel die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine.
Ich glaube jedoch, dass ein Rahmen für eine Verbesserung
der Beziehungen in Sicht ist. Der Ton hat sich bereits etwas
verändert, doch die Situation bleibt a­ ngespannt. Als global
tätige Bank sind wir verpflichtet, das internationale Recht zu
achten. Gleichzeitig müssen wir ­unseren Kunden signalisieren, dass wir auch in schwierigen Zeiten für sie da sind. Das
ist herausfordernd, aber möglich.
Was kann oder soll die Bankenbranche tun, um ihre Position global zu stärken?
Rossi: In den letzten Jahren wurde die öffentliche Meinung durch die Verfehlungen einiger schwarzer Schafe geprägt, was der ganzen Branche harsche Kritik eingebracht
hat. In allen Ländern ist und bleibt dieser Wirtschaftszweig
aber eine wichtige Säule. Solange Waren gegen Geld getauscht werden, spielen Banken innerhalb der wirtschaft­
lichen Wertschöpfungskette eine bedeutende Rolle. Es ist
wichtig, dass sie ihren einstigen Ruf wiedererlangen – als vertrauenswürdige Institutionen mit gut ausgebildeten Mitarbeitenden, die Geschäfte transparent durchführen.
Wir legen grossen Wert auf ­unsere internen Ausbildungsprogramme, die wir auf allen Unternehmensebenen durchführen. In der Schweiz setzen wir auch künftig auf die
Banklehre als Ausbildungsinstrument. Wir sind überzeugt,
Jugendlichen so praktische Erfahrungen zu vermitteln.
Das erstklassige Berufsbildungssystem in der Schweiz bildet
die Voraussetzung, um jungen Leuten neben dem fachlichen
Handwerk die ethischen Grundlagen des Bankgeschäfts
zu vermitteln. Meiner Ansicht nach sollten die Banken auch
mehr in Kundenschulungen investieren und die wissenschaftliche Erforschung neuer Entwicklungen im Finanzsektor unterstützen. Letztendlich wird uns dies dabei helfen,
den positiven Aspekten des Bankgeschäfts in der Öffentlichkeit wieder mehr Geltung zu verschaffen.
Bersier: Ich bin auch der Meinung, dass wir die Bankenbranche attraktiver machen müssen. Vor 40 Jahren war es
eine Ehre, in einer Bank zu arbeiten. Das hat sich jedoch im
Zug der ­Finanzkrise gewandelt und wird sich nicht von heute
auf morgen rückgängig machen lassen. Doch die Mitarbeitenden prägen das Gesicht der Branche. Mit ihrer Professionalität und ihrer Vertrauenswürdigkeit werden sie das Image
wieder ins Positive kehren. Der Schweizer Bankensektor hat
sich in den letzten zehn Jahren vor allem darauf konzentriert,
profilierte Fachleute zu rekrutieren, um den Bedarf in bestimmten Marktsegmenten zu decken. Es ist zwar wichtig,
die richtigen Leute für die richtigen Positionen zu finden.
Gleichzeitig ­hätte aber der Mitarbeiterausbildung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Julius Bär wird auch
künftig in junge Leute investieren, die diesen Beruf lernen
möchten.
Wie wichtig sind die 125-jährige Geschichte und die
Schweizer Wurzeln von Julius Bär für bestehende und
­potenzielle Kunden?
Bersier: Seit 200 Jahren gründet das Schweizer Bankensystem auf Qualität und Stabilität. Der rechtliche und
der politische Rahmen in unserem Land, der starke Schweizer
Franken und die qualifizierten Angestellten im Finanzsektor
sind die Zutaten zum Erfolg des Schweizer Bankensystems.
Das sind auch einige der Faktoren, die unsere Bank attraktiv
machen. Dank diesem Umfeld können wir schnell auf die Bedürfnisse unserer Kunden reagieren. Diese Werte werden
von den Kunden sehr geschätzt. Die DNA des Schweizer
Bankwesens wird auch künftig eine sehr wichtige Rolle spielen, um unsere Marke und unsere Dienstleistungen in den
verschiedenen Märkten zu positionieren.
Rossi: Es ist wichtig, historische Wurzeln zu besitzen. In
den letzten 125 Jahren durchlebte Europa turbulente Zeiten.
Aber kein Sturm brachte Julius Bär ins Wanken, nicht einmal
die beiden Weltkriege. Das verdanken wir den positiven Auswirkungen unseres konservativen Ansatzes, den wir konsequent verfolgen. Er schafft die Stabilität und die Verlässlichkeit, die wir unseren Kunden bieten.
11
Interview
VORREITER:
Wie Marktpioniere
von ihrem Vorsprung
profitieren
Auf jede Erfolgsstory eines schillernden Wirtschaftspioniers kommen zahllose Geschichten
unbekannter Akteure, die mit ihrer Geschäftsidee gescheitert sind. Trotzdem liegt es in
der menschlichen Natur, dass wir ständig die Herausforderung suchen – mit dem Ziel, uns
neue Welten und neue Chancen zu erschliessen. Wie schaffen es die erfolgreichen Pioniere,
Geschäftsgelegenheiten ausfindig zu machen und zu ergreifen? Und was muss ein Unternehmen
tun, um die richtige Idee zur richtigen Zeit umzusetzen?
Autorin: Janet Anderson
Ist es von Natur aus vorteilhaft, Erster zu sein? Die Idee
hat etwas für sich. Wer als Forscher, Erfinder, Sportler oder
Spieler die Nase vorn hat, hofft, dadurch die Konkurrenz auszustechen. Den Mitbewerbern bleibt dann nur die undank­
bare Verfolgerrolle. Das Konzept dahinter ist alt und stammt
aus der Kriegsführung. So sagte der chinesische Militär­
stratege Sun Tzu bereits im 6. Jahrhundert vor Christus:
«Generell gilt: Wer als Erster das Schlachtfeld besetzt und
den Feind erwartet, kann beruhigt sein. Wer hingegen später
eintrifft und sich in den Kampf stürzt, ist im Nachteil.»
In den 80er-Jahren floss diese Idee unter dem Schlagwort
«First-Mover-Vorteil» in die Wirtschaft ein, wo sie nach und
nach zu einer Marketingstrategie weiterentwickelt wurde. Ihr
lag die Hypothese zugrunde, dass Pionierunternehmen, die
ein neues Geschäftsterrain ausloten, viele Vorteile haben: Sie
können den Markt neu definieren, bevor andere das Gewinnpotenzial entdeckt haben, und Verteidigungsmassnahmen
gegen nachfolgende Angriffe aufbauen.
In den Wirtschaftsuniversitäten wird heute nur noch selten Bezug auf die Kriegsführung genommen. Der Relevanz
des First-Mover-Vorteils tut dies aber keinen Abbruch,
herrscht doch weiterhin die Überzeugung vor, Unternehmen
sollten nach neuen, unbekannten Gewässern Ausschau
halten, wo das Wasser noch blau ist und alles möglich
scheint. So vermeiden sie haifischverseuchte Gefilde, in
denen ein ­ruinöser Wettbewerb herrscht und neu hinzu­
kommende Marktteilnehmer aller Wahrscheinlichkeit nach
geschluckt werden.
Hartnäckig hält sich die Idee, dass Unternehmen, die sich
einen Markt als Erste erschliessen, die grössten Erfolgs­
chancen haben. Aber trifft das auch immer zu? 1988 ver­
öffentlichten die Professoren Marvin B. Lieberman und
David B. Montgomery an der Stanford Graduate School of
Business eine wegweisende Publikation über den First-­
Mover-Ansatz. Darin untersuchten sie, worin genau der Vorteil der Markt­pioniere gegenüber ihren Mitbewerbern besteht. Ausserdem ermittelten sie die Rahmenbedingungen,
unter denen dieser Trumpf zur Geltung kommt. Zu guter
Letzt stellten sie eine ebenso wichtige Frage: Wann ist es
besser, nicht sofort selbst loszulegen, sondern abzuwarten
und Konkurrenten die Pionierinvestitionen tätigen zu lassen?
Vorsprung gewinnen
Lieberman und Montgomery untersuchten, wie sich
Pionierunternehmen einen Vorsprung erarbeiten können,
und kamen zu folgendem Ergebnis: «Ein First-Mover-Vorteil
lässt sich vor allem auf drei Wegen erzielen: (1) Tech­
nologieführerschaft, (2) frühzeitiger Ressourcenerwerb und
(3) hohe Umstellungskosten für die Käufer.» Erster in einer
neuen Technologie zu sein, eröffnet einem Unternehmen
die Möglichkeit, einen Kompetenzvorsprung zu erreichen.
Ausserdem kann es sich knappe Ressourcen sichern und
somit den Marktzugang für später hinzukommende Mit­
bewerber erschweren. Zudem kann die Firma schon früh
VORREITER
14
e­inen Stamm von Kunden aufbauen, denen ein späterer
­Anbieterwechsel womöglich zu umständlich oder zu teuer
ist. Der frühzeitige Ressourcenerwerb ist ein guter Ausgangspunkt. Ein intelligentes Unternehmen, das die künftige
Marktentwicklung voraussieht, besitzt die Möglichkeit, Immobilien, Rohstoffe oder sogar Regalflächen zu einem relativ
niedrigen Preis zu kaufen. Denn die Konkurrenz hat noch
nicht realisiert, in welche Richtung sich der Markt bewegt.
Lieberman und Montgomery führten den international
agierenden US-Einzelhändler Walmart als gutes Beispiel
an. Unternehmensgründer Sam Walton erkannte als Erster
das Gewinnpotenzial, das der Bau von Supermärkten in
Kleinstädten der US-Südstaaten versprach – ein Geschäft,
das aus Sicht seiner Mitbewerber unprofitabel war. Doch
Walton entwickelte ein effizienteres Vertriebsnetz und ein
­effizienteres Einzelhandelssystem als seine Konkurrenten.
«Die Dotcom-Ära war eine
interessante Zeit. Man war
überzeugt, der Schnellste
­gewinne am Ende alles.»
Professor Marvin B. Lieberman
Entscheidend aber war, dass er die Einsparungen an die
Konsumenten weitergab und somit zum Vorreiter eines
neuen Geschäftsmodells avancierte. Dieses bestand darin,
durch den Billigverkauf von Produkten höhere Umsatz­
volumen bei niedrigerer Gewinnmarge zu generieren. Indem
Walmart ­seine Mitbewerber unterbot und die Waren dauerhaft zu Tiefpreisen verkaufte, errang das Unternehmen eine
Führungsposition. In der Folge kopierten Einzelhandels­
konzerne rund um den Globus mit Erfolg das Modell des USEinzelhändlers. Trotzdem gelang es Walmart, den später eintretenden Konkurrenten die Stirn zu bieten, indem die Firma
weiter beharrlich auf Effizienz und niedrige Preise setzte.
Das Beispiel zeigt: Einen Anfangsvorsprung zu erringen,
ist eine Sache, diesen später zu verteidigen, eine ganz
andere. Im Technologiesektor, der durch schnellen Wandel
und permanente Umbrüche geprägt ist, kann es helfen, der
Erste zu sein. Dies reicht aber nur selten aus, um auch langfristig die Nase vorn zu haben. Die Vorteile eines Pionier­
unter­nehmens liegen auf der Hand: Wer als Vorreiter eine
neue Technologie entwickelt und nutzt, hat mehr Zeit als die
nachkommenden Marktteilnehmer, um Fachwissen aufzubauen und zu verinnerlichen. Dieses Know-how führt dann
unter Umständen zu niedrigeren Kosten.
In einigen Branchen wie der Pharmaindustrie kann dies
entscheidend sein, um den Patentwettlauf zu gewinnen und
sich die Eigentumsrechte an der Nutzung der neuen Technologie zu sichern. «Lernkurven können hohe Markteintrittsbarrieren darstellen. Womöglich ist nicht einmal eine Hand-
voll Unternehmen in der Lage, profitabel zu konkurrieren»,
so Lieberman und Montgomery. Patente und Lernkurven
können die Flut aber nur für begrenzte Zeit abhalten, wenn
ein profitabler neuer Markt erschlossen worden ist. Denn das
Wissen sickert schnell durch, neue Erfindungen lassen sich
rekonstruieren, und clevere Konkurrenten können Mittel und
Wege finden, um ein Patent zu umgehen.
General Electric (GE) ist ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, das sich einen technologischen Vorsprung in verschiedenen zentralen Bereichen erarbeitet hat, diesen durch
Patente absichern konnte und kontinuierlich über e­inen
längeren Zeitraum gewachsen ist. Das Fundament für die
Unternehmensgründung bildeten die Erfindungen von
Thomas Edison, allen voran die Glühbirne. GE hält bis
heute in vielen ihrer unterschiedlichen Geschäftseinheiten
die Führungsposition inne. Das Erfolgsrezept bestand darin,
innovative Ideen schnell marktfähig zu machen und neue
Technologien in zuverlässigen Produkten umzusetzen. Patente haben GE dabei vor der Konkurrenz geschützt. Erfolgsentscheidend waren aber letztlich die Geschäftsstrategie
und der Kundenfokus des Unternehmens.
Wie wertvoll ist ein früher Erfolg?
Als in den 90er-Jahren der Internet-Boom um sich griff,
war die Welt wie in einem Goldrausch. Das Internet wuchs
unaufhörlich und offenbarte sein riesiges Potenzial. Immer
mehr Unternehmer liessen sich von der Begeisterung für
die neue Technologie anstecken und hatten dabei den First-­
Mover-Vorteil vor Augen. «Die Dotcom-Ära war eine interessante Zeit», meint Lieberman heute. «Man war überzeugt,
der Schnellste gewinne am Ende alles.» Es ging zu wie bei
­einer Landnahme: Jedes Unternehmen wollte die P
­ ionierrolle
spielen und schnell gross werden.
Doch nicht ­allen gelang dies, und viele Firmen scheiterten. Als im Jahr 2000 die Dotcom-Blase platzte, schlossen
einige Beobachter daraus, der First-Mover-Vorteil sei eine
Illusion. Es lohnt sich, zurückzuschauen und die Vorgänge
genauer zu beleuchten. 2007 nahm sich Lieberman des
Themas wieder an und stellte die Frage: «Hat der FirstMover-Vorteil den Dotcom-Crash überlebt?» In einem Aufsatz mit diesem Titel untersuchte er eine breite Palette von
Internet-Märkten und -Unternehmen und fand heraus: So-
fern nicht bestimmte andere Schlüsselfaktoren vorlagen,
war nur ein minimaler First-­Mover-Vorteil zu erkennen. Ausserdem zeigte sich, dass viele der noch heute bestehen­den Internet-Riesen streng genommen keine Marktpioniere
waren. «Einige First Movers wie Amazon und eBay wurden
tatsächlich erfolgreich», so Lieberman, seit 2001 Professor
of Policy an der UCLA Anderson School of Management.
«Bei anderen wie Google, Facebook und Apple handelte es
sich indes ausnahmslos um Nachfolger.»
Vielfach tätigten die Pionierunternehmen die erforder­
lichen ­Investitionen in die Information der Käufer und die
Infrastruktur, um dann von den «Fast Followers» überholt zu
werden. Als Trittbrettfahrer profitierten diese schnell reagierenden Nachfolger von der harten Arbeit der Pioniere, die den
neuen Markt etabliert hatten. Im Rückblick wird deutlich, wie
«Intelligente, schnell reagie­
rende Nachfolger beobachten,
wie die Marktvorreiter ver­
schiedene Dinge ausprobieren,
um dann selbst das richtige
Rezept zu entwickeln.»
Professor Marvin B. Lieberman
einige namhafte Firmen den Dotcom-Crash überlebt haben.
Wie ihre Vorgänger aus dem analogen Zeitalter hatten sie
Spitzentechnologien entwickelt und behaupteten ihre Füh­
rungsposition, indem sie sich ihre Innovationen patentieren
liessen und immer einen Schritt voraus waren. Aus heutiger
Sicht hält Lieberman Amazon mit seiner patentierten 1-KlickTechnologie für ein Paradebeispiel eines Marktpioniers.
«Es gab andere Buchhändler, die bereits vor Amazon online waren», sagt er. «Aber Amazon-Gründer Jeff Bezos sah,
welche Chancen der Internet-Einzelhandel bot. Er entschied
sich, bei Büchern anzusetzen. Im Lauf der Zeit entwickelte
sich Amazon weiter und baute seine Einzelhandelspräsenz
aus. Heute ist das Unternehmen ein globaler Supermarkt.
Bezos hatte einen Plan und suchte systematisch nach dem
15
VORREITER
richtigen Ausgangspunkt. Er fand ihn auf dem Buchmarkt,
der ihm als perfekter Brückenkopf diente.» Der Erfolg von
eBay, so Lieberman, beruhe auf einer optimalen Ausnutzung
von Netzwerkeffekten. Diese treten auf, wenn der Wert eines
Produkts für den einzelnen Benutzer mit zunehmender Nut­
zerzahl steigt. Im Zug der schnellen Expansion des Internets
bildeten Netzwerkeffekte den Schlüssel zum Erfolg. Die
­Online-Auktionsplattform eBay wurde mit zunehmender
Grösse immer attraktiver. Denn je mehr Bieter es gibt, desto
grösser ist die Chance der Verkäufer, h
­ öhere Preise durch­
zusetzen. Dies zieht wiederum weitere Verkäufer an, was wiederum die Anzahl der Bieter erhöht. So entsteht ein positiver
Kreislauf. Lieberman betitelt eBay als «Marktmacher».
Seiner Ansicht nach profitiert auch der neue Fahrdienstvermittler Uber von Netzwerkeffekten. «Die Passagiere
­wählen den Vermittler mit den meisten Autos, weil sie so am
schnellsten mitgenommen werden. Und die Fahrer schliessen sich am liebsten dem Service mit den meisten Passagieren an, weil sie dort am wenigsten lange warten müssen.
Dank innovativer Technik ist Uber in der Lage, dies zu bewerkstelligen.» Doch wird es Uber gelingen, wie eBay seinen
First-Mover-Vorteil zu verteidigen? Lieberman ist skeptisch:
«In Los ­Angeles gibt es neben Uber bereits eine zweite App
mit einem ähnlichen Service (Lyft), und es ist leicht, den
­Anbieter zu wechseln. Uber mag zwar technologisch derzeit
noch überlegen sein. Es kann aber gut sein, dass die anderen
Akteure bald aufholen.»
Technologische Überlegenheit allein reicht bei Weitem
nicht aus. Bezos selbst hat Amazons Erfolg als Marktpionier
einem anderen Faktor zugeschrieben. Dieser geht auf die
Ära des traditionellen Einzelhandels zurück, in der das
Internet noch keine Rolle spielte. Amazon ging ähnlich wie
Sam Walton mit Walmart vor und stellte den Kunden in
den Mittelpunkt seiner Geschäftsstrategie. «Wenn Sie sich
auf Ihre Konkurrenten konzentrieren», sagte Bezos 2008
gegenüber dem Nachrichtenmagazin «US News», «müssen
Sie darauf warten, dass ein Mitbewerber etwas tut. Sind Sie
dagegen kundenorientiert, können Sie eher eine Pionierrolle übernehmen.»
Kurs halten
Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Faktor, nämlich das Durchhaltevermögen. «Die ersten Akteure machen
viele Fehler», so Lieberman. Um erfolgreich zu sein, braucht
es Widerstandsfähigkeit. Bezos sprach von der notwendigen
Bereitschaft, auch mehrmaliges Scheitern hinzunehmen.
Selbst dann müsse man weiter experimentieren und nach
den richtigen Lösungen suchen.
Der britische Erfinder und Unternehmer Sir James Dyson
benötigte nach eigenen ­Angaben mehr als 5000 Prototypen
und fünf Jahre Zeit, um seinen ersten beutellosen Staubsauger zu entwickeln. Dieses kontinuierliche Experimentieren ist
aber teuer. Und wer sich auf einen neuen, unsicheren Markt
einlässt, geht ein hohes Risiko ein. Angesichts der atembe-
VORREITER
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raubenden Geschwindigkeit, mit der sich der technologische
Wandel heute vollzieht, graben Nachfrageverschiebungen
einem Marktpionier sehr schnell das Wasser ab. Deshalb
können sich nur grosse ­Unternehmen mit genügend Ressourcen das Experimentieren leisten. Oder ist es vielleicht
besser, als Nachfolger dem Marktpionier im Nacken zu sitzen? Oft hilft eine Mischung aus beidem.
Nicht alles funktioniert auf anhieb
«First Movers machen nur sehr selten auf Anhieb alles
richtig», meint Lieberman. «Intelligente, schnell reagie­
rende Nachfolger beobachten, wie die Marktvorreiter ver­
schiedene Dinge ausprobieren, um dann selbst das richtige
Rezept zu entwickeln.» Revolutionäre Innovationen, die bestehende Technologien verdrängen, können eine Branche
derart umwälzen, dass etablierte Unternehmen nur mit
Mühe Schritt halten. Diese haben aber die Möglichkeit, als
gewiefte, aggressive Nachfolger zu punkten. «Als Apple den
iPod lancierte, gab es bereits MP3-Player auf dem Markt», so
­Lieberman. «Steve Jobs erkannte aber, welches Potenzial
sich durch eine Verbindung mit dem Mac bot – also durch
die Nutzung der bestehenden Fähigkeiten von Apple.»
Das Internet hat die Möglichkeit geschaffen, verschiedene Technologien miteinander zu verknüpfen. Dadurch sind
Netzwerkeffekte wichtiger denn je geworden. Sie beruhen
nicht nur auf der Nutzung des eigentlichen Produkts,
sondern auf dem gesamten Netzwerk der damit verbundenen Dienstleistungen und Produkte.
Bringt das Gesamtpaket klare Vorteile, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbraucher zu einem Konkurrenzangebot wechseln. Vor ­allem, wenn sie sich mit neuen Systemen vertraut m
­ achen und Gewohnheiten ablegen müssten.
Auf dem ­stetig wachsenden Markt für Verbrauchertechnologien brem­sen die Umstellungskosten jene Anbieter erheblich
aus, die später auf den Markt drängen. Apple ist es jedoch
gelungen, sich diesen Faktor zunutze zu ­machen. Die Kalifor-
nier verorteten ihre Produkte in einem kompletten Ökosystem von miteinander verbundenen Angeboten. Hat ein Konsument erst einmal in dieses Ökosystem investiert, ist ein
Wechsel nur noch unter Schmerzen möglich.
Welches sind die Erfolgsfaktoren auf einem neuen Markt?
Benötigt man die sich ergänzenden Marketing-, Vertriebsund Herstellungskapazitäten eines etablierten Unternehmens, um die Produktion schnell und effizient zu steigern?
Wurde der First-Mover-Vorteil völlig überschätzt? Das könne
man so nicht sagen, meint Lieberman. «Für ein kleines Startup-Unternehmen besteht eine erfolgversprechende Strategie darin, sein Terrain abzustecken und zu verteidigen. Viele
dieser Firmen werden dann von etablierten Anbietern auf­
gekauft. Dadurch kann eine Win-win-Situation entstehen»,
ergänzt er und führt Instagram als gutes Beispiel an. Das
­Unternehmen wurde im Oktober 2010 als kostenloser, über
eine App nutzbarer Online-Dienst zum Teilen von Fotos und
Videos gegründet. Nachdem der Service an Popularität gewonnen hatte, wurde er 2012 von Facebook aufgekauft. Er
wuchs auch unter dem neuen Eigentümer weiter und zählte
im Dezember 2014 mehr als 300 Millionen Nutzer. «Die Erfolgsgeschichte eines Marktpioniers kann eben auch so aussehen», erklärt Lieberman.
vielleicht ist es damit ja erfolgreich.» Google besitzt (zumindest nach der Internet-Zeitrechnung) eine lange Tradition
darin, Dinge zu tun, für die es keine Erfahrungswerte gibt.
Kurz nach der Jahrtausendwende stieg seine Popularität
rapide. Das Unternehmen reagierte darauf, indem es in
beispiellosem Tempo seine Innovationen vorantrieb und die
Infrastruktur ausbaute. Dabei erfand es seine Internet-Suchund Datenspeicherprozesse immer wieder neu.
Erst kürzlich veröffentlichte die Wirtschaftswissenschaftlerin Linda Hill zusammen mit ihren Co-Autoren Greg Brandeau, Emily Truelove und Kent Lineback das Buch «Collec­
tive Genius». Darin beschreibt Bill Coughran, der von 2003
bis 2011 Senior Vice President of Engineering bei Google
war, wie anspruchsvoll der Aufbau eines permanent innovationsfähigen Unternehmens ist. «Unsere Arbeit war damals
weltweit einzigartig», sagte er im Gespräch mit Hill und
ihren Co-Autoren. «Wenn ein Problem auftauchte, konnten
wir uns nicht einfach auf dem Markt umschauen und
eine Lösung kaufen. Wir mussten sie selbst entwickeln.»
Coughran war angewiesen auf ein visionäres Team mit einer
Unternehmenskultur, die bereit war, sich dieser Herausforderung immer wieder zu stellen.
Ohne eine Portion Glück geht es nicht
«First Movers machen
nur sehr selten auf Anhieb
alles richtig.»
Schliesslich spielt bei all dem aber ein weiterer Faktor eine
Schlüsselrolle: das Glück. Inwieweit der Erfolg eines Markt­
pioniers auf seinem aussergewöhnlichen Weitblick oder auf
reinem Glück beruht, ist schwer zu sagen. Die Frage lässt
sich aber im Nachhinein einfacher beantworten. Ob ein PioProfessor Marvin B. Lieberman
nierunternehmen überlebt und floriert, hängt eben nicht nur
von seiner Genialität ab. Vielmehr spielen auch externe Faktoren eine Rolle, die sich seiner Kontrolle entziehen – etwa
Womöglich stellt Google die Ausnahme von der Regel gesellschaftliche Veränderungen, welche die Märkte radikal
dar. Google ist natürlich nicht die erste Suchmaschine ge­ und unerwartet umwälzen können.
wesen, sondern eher der klassische Typ eines schnell reagie- Aus der Dotcom-Ära lässt sich laut Lieberman lernen,
renden Nachfolgers. Als textbasierte Suchmaschinen waren dass es den idealen Zeitpunkt für den Markteintritt nicht
AltaVista und Netscape schon früher im Geschäft. Google gibt. Vielmehr hängt alles von den Merkmalen des ent­
spielte erst gegen Ende der 90er-Jahre eine prominente R
­ olle. stehenden Markts sowie von den Fähigkeiten und den ResSeitdem jedoch dominiert das Unternehmen die Internet-­ sourcen des betreffenden Unternehmens ab. Setzt sich ein
Suche, während die Erinnerung an die Marktpioniere ver- Unternehmen dem Markt zu früh aus, ohne die nötigen Resblasst. Das Interessante bei Google ist, dass sich der Konzern sourcen zur Überwindung der Anfangsschwierigkeiten zu
längst nicht mehr auf die Internet-Suche beschränkt. Viel- ­besitzen, geht es wahrscheinlich unter – oder wird von einem
mehr sieht er sich nach neuen Geschäftschancen um, etwa im grösseren Fisch geschluckt. Wartet das Unter­nehmen ab
­Bereich «Augmented Reality»-Kopfhörer oder in der Robotik und springt auf den Zug auf, wenn der Markt reif g
­ enug ist,
und sogar bei Therapien für altersbedingte Krankheiten.
muss es dies früh genug tun. Ansonsten ist jeg­licher Vorteil
Etablierten Firmen mangelt es tendenziell an der Fähig- vertan. Reagiert es zu spät, erliegt es als Nachfolgerunterkeit und der notwendigen Mentalität, um radikale Innovatio- nehmen sofort den Attacken der etablierten Konkurrenten.
nen voranzutreiben. Deshalb sind sie in der Frühphase oft Eines ist aber nach wie vor klar: Neben Glück benötigt
weniger effektiv als kleinere Start-ups. Bei Google könnte die ­
jeder Marktpionier die richtige Technologie. Gleichzeitig
­Sache allerdings anders liegen. «Das Unternehmen dringt muss er in der Lage sein, sich die besten Ressourcen zu
auf alle möglichen neuen Gebiete vor und könnte irgendwo ­sichern und die Kunden an sich zu binden. «Wenn Sie über
zum Marktpionier avancieren», meint Lieberman. «Es tut diese Voraussetzungen verfügen und darüber hinaus noch
das, was etablierte Unternehmen eigentlich gewöhnlich nicht Netzwerkeffekte erzielen können», so Lieberman, «haben Sie
tun sollten. Aber es ist eine aussergewöhnliche Firma – und eine gute Chance.»
17
VORREITER
Macht Vernetzung
unsere Welt besser?
Die Vernetzung der Welt schreitet unauf­
hörlich voran. In den kommenden Jahren
werden mehrere Milliarden Menschen
neu online gehen. Welche Chancen bieten
die neuen Kommunikationstechnologien
und wie können sie zur Lösung einiger unserer grössten Probleme beitragen? Wo
liegen die Gefahren? Jared Cohen, Direktor
von ­Google Ideas und früherer Berater
des US-Aussenministeriums, hat auf seinen
Reisen in zahlreiche Bürgerkriegsländer
versucht herauszufinden, wie und für welche
(guten oder schlechten) Zwecke neue
Technologien genutzt werden. Hier spricht
er über die innenpolitische Bedeutung
dieser Technologien und ihre Auswirkungen
auf internationale Beziehungen.
Interview: Michèle Bodmer
Sie haben gesagt, das Internet sei eines der wenigen
Dinge, die der Mensch geschaffen hat, aber nicht wirklich
versteht. Wie meinen Sie das?
Das von uns erschaffene System generiert so viele Innovationen, dass wir Mühe haben, Schritt zu halten. Wir ent­
wickeln Hard- und Software, ohne zu wissen, wofür diese
letztlich genutzt wird. Der Technologiesektor hat sich einer
Vorgehensweise verschrieben, die man «launch and iterate»
nennen könnte: Man erfindet eine tolle Technologie, die ein
Problem lösen kann; man führt das noch unfertige Produkt
ein und entwickelt es dann kontinuierlich anhand der Rückmeldungen aus der Praxis weiter. So erschaffen wir Produkte,
deren Anwendung nicht von vornherein feststeht.
Auf diese Weise entstehen aber auch disruptive Technologien − also Innovationen, die vorhandene Technologien
verdrängen. Nehmen wir beispielsweise die digitalen Zahlungsmittel: Wir wissen immer noch nicht genau, in welche
Richtung sich dieses System entwickeln wird. Wir wissen,
dass diese Zahlungsmittel reguliert und unreguliert sein können. Wir wissen, dass die Technologie dahinter sehr ausgeklügelt ist und einen echten Wert hat. Und wir wissen, dass
sie nicht nur von gesetzestreuen Bürgern, sondern auch von
Kriminellen genutzt wird. Was aber tun wir? Wir diskutieren
Nutzen und Kosten. Meiner Ansicht nach sollten wir uns auf
die Frage konzentrieren, wie wir den Missbrauch verhindern
können, und uns von da zum Anfang vorarbeiten.
Sie beschreiben das Internet als den weltweit grössten unregulierten Raum. Was heisst das?
Die Staaten haben schon genug Probleme mit der Umsetzung von Rechtsvorschriften in der physischen, realen
Welt. Wenn aber bald nicht mehr nur eine Minderheit, sondern die Mehrheit ihrer Bürger online ist, wird die Aufgabe
noch schwieriger. Das Bemühen um Kontrolle wird wahrscheinlich zu einer Balkanisierung des Internets führen. Wir
erleben das heute schon auf einzelstaatlicher Ebene, denn
das Internet sieht in jedem Land anders aus.
Die Unterschiede zeigen sich in drei Ausprägungen: Da
gibt es erstens die politisch korrekten Staaten wie etwa
Deutschland oder die USA. Beide halten Meinungsfreiheit
hoch, legen aber in Bezug auf Nazi-Hetzreden zum Beispiel
unterschiedliche Massstäbe an: In Deutschland werden
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VORREITER
Hasstiraden von Neonazis aus dem Netz gefiltert, in den
USA nicht. Dann gibt es noch die «Wölfe im Schafspelz».
Das sind Länder wie Russland und die Türkei, die beispielsweise Inhalte von Oppositionellen aus Gründen wie angeb­
lichem Kindesschutz herausfiltern. Sie wenden Rahmengesetze an, die es ihnen leicht machen, gegen ihre politischen
Gegner vorzugehen. Und schliesslich gibt es noch die Un­
verhohlenen – Staaten wie China und Iran, die ganz offen
­Inhalte filtern und zensieren.
Grundsätzlich aber versuchen Staaten in unserer multidimensionalen Welt die Kontrolle zu behalten, indem sie Allianzen bilden. Gleichgesinnte Nationen tun sich zusammen,
um auf der Basis gemeinsamer Werte und Normen das Web
zu bearbeiten. Zwei Cyber-Supermächte werden die Szene in
Zukunft beherrschen: die USA und China, denn beide ver­
fügen über die für den Aufbau einer weltweiten Infrastruktur
nötigen Ressourcen. Einige Länder – die Demokratien –
«Die Staaten haben schon genug Probleme mit der Umsetzung von Rechtsvorschriften in der physischen, realen Welt.
Wenn aber bald nicht mehr nur eine
Minderheit, sondern die Mehrheit ihrer
Bürger online ist, wird die Aufgabe
noch schwieriger. »
Jared Cohen
­ erden naturgemäss eher zu amerikanischen Unternehmen
w
tendieren, andere – die Autokratien – werden sich eher an
China halten. Und dazwischen gibt es eine Reihe von Staaten, die noch zur Disposition stehen. Hier nimmt das geopolitische Spiel seinen Lauf, wenn die USA und China sich um
die Vormacht streiten.
Terroristische Vereinigungen beweisen, dass die digitale
Welt sehr effektiv genutzt werden kann, um junge Menschen über soziale Netzwerke zu rekru­tieren und zu radikalisieren. Was wissen wir über ihre Vorgehensweise?
Der IS ist die erste Terrorgruppe, die sich auf physischem
und auf digitalem Terrain bewegt. Im Irak und in Syrien beherrscht der IS Landstriche, die so gross sind wie Grossbritannien. In der digitalen Welt ist der IS auf zahl­reichen Plattformen aktiv. Die Gruppe nutzt Messenger-Dienste wie
Wickr, Telegram und WhatsApp, soziale Netzwerke wie
­Facebook, Videoplattformen wie YouTube und Microblogs
wie Twitter. IS-Kämpfer verwenden eine App ­namens Kik, um
ihre Mobiltelefone wie Funkgeräte nutzen zu können.
Aber das sagt noch nicht viel darüber aus, wie effektiv der
IS online ist. Es sagt nur etwas über seine Standorte aus. Erfahren wir vielleicht mehr, wenn wir etwas tiefer bohren und
VORREITER
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uns fragen, wer der IS eigentlich ist? Wir unterscheiden verschiedene Arten von feindlichen digitalen Kämpfern: Eine
­digitale Kerngruppe betreibt private Konten und verfasst
­Inhalte. Diese werden an die breite ­Masse verteilt: IS-Mit­
glieder mit öffentlichen Konten. Diese Gruppe leitet den
­Content schliesslich weltweit weiter an eine breite Basis von
Unterstützern.
Wie können wir gegen diese Bedrohung vorgehen?
Um zu erkennen, wie man den IS online besiegt, müssen
wir nicht wissen, wo oder gar wer dessen Online-Anhänger
sind. Wir müssen uns vielmehr fragen, wie es möglich ist,
dass sie ein derart grosses digitales Terrain besetzen können.
Der IS nutzt Trolle, um Zehntausende gefälschter Konten auf
verschiedenen Plattformen zu verbreiten. Er programmiert
Software für die automatische Verwaltung dieser Konten.
Ausserdem hält er nicht veröffentlichte Konten in Reserve,
um sie bei Bedarf zu nutzen. Zudem setzt der IS eine Taktik
ein, die man Hashtag Bombing nennt: Er fordert seine Unterstützer und die automatisierten Accounts auf, zur gleichen
Zeit unter demselben Hashtag zu posten, um bestimmte
Themen nach vorn zu bringen.
Wie kann man das verhindern? Die übliche Methode −
Gegendarstellungen − bringt uns nicht weiter. Wir müssen
vielmehr nach Möglichkeiten suchen, die uns erlauben, auf
Augenhöhe zu agieren und zu verhindern, dass der IS sich
weiter online verbreitet. Dazu braucht es neue Ansätze, um
ihm den Zugriff auf Plattformen zu verweigern. Wir können
den Moderatoren verschiedener Plattformen durch maschinelles Lernen dabei helfen, ihre Content-Regeln effektiv
durchzusetzen und extremistische, gewaltverherrlichende
Beiträge aus ihren Foren zu verbannen. Wir können Social
Graphs − die Darstellung sozialer Beziehungen − in das
­System einführen, damit IS-Aspiranten ein hohes Risiko
fürchten müssen, wenn sie sich offen online zu erkennen
­geben. Und wir können die Stimmen ehemaliger militanter
Extremisten für gezielte Gegenwerbung nutzen.
Sie sagen, Staaten bräuchten innen- und aussenpolitische
Strategien sowohl für die physische als auch für die virtuelle Welt. Diese Strategien würden sich aber auch widersprechen. Wie ist das zu verstehen?
Am besten versteht man das Dilemma, indem man sich
die Beziehungen zwischen den USA und China anschaut. In
der realen Welt ist die Beziehung zwischen den beiden Staaten komplex, dennoch sind sie Partner: Sie führen Handel,
machen Geschäfte miteinander, verhandeln auf militärischer
und politischer Ebene usw. In der digitalen Welt ist die Beziehung zwischen den beiden Staaten aber feindlicher als jene
zwischen den USA und Nordkorea in der physischen Welt.
Die USA und China befinden sich virtuell in einem permanenten Kriegszustand, sie greifen einander täglich mit massiven kinetischen Attacken an. Während ihre Aussenpolitik in
der realen Welt durchaus als kooperativ und freundlich gelten kann, ist sie in der digitalen Welt feindlich.
«Die Hemmschwelle für digitale Attacken ist
sehr viel niedriger als die für einen physischen
Angriff, aber es gibt einen Punkt, an dem die
Angriffslust in beiden Welten gleich gross ist.»
Jared Cohen
Da liegt das Problem: Was in der einen Welt passiert,
wirkt sich auch auf die andere aus. Selbst wenn zwei Staaten
in der physischen und in der virtuellen Welt unterschiedliche
Strategien verfolgen − sie sind noch immer zwei Staaten. Die
Frage lautet also: Ab wann ist ein digitaler Angriff so gravierend, dass er eine Reaktion in der realen Welt provoziert? Die
Hemmschwelle für digitale Attacken ist sehr viel niedriger als
die für einen physischen Angriff, aber es gibt einen Punkt, an
dem die Angriffslust in beiden Welten gleich gross ist.
Wie können wir mit diesem Dilemma umgehen?
Für die meisten Staaten wird es keine Konsequenzen haben, wenn sie sich in der digitalen Welt anders verhalten als
in der realen. Am besten wird dieser Spagat aber den Staaten
gelingen, die ihre Grenzen kennen. Im neuen digitalen Zeitalter wird Macht nicht durch die separaten Ressourcen oder
Möglichkeiten eines Staates in der physischen und in der digitalen Welt bestimmt, sondern von der Fähigkeit dieses
Staates, beide Ressourcen vollumfänglich zu nutzen, ohne
dabei Nachteile zu riskieren. Das setzt voraus, dass die
Regierungen die Risiken, die mit der Nutzung dieser ­neuen
Ressourcen verbunden sind, kennen und managen können.
Wie schützen wir die Nationen gegen Cyber-Attacken?
Leben wir vielleicht schon im Zustand eines unkontrollierbaren Cyber-Kriegs?
Die Welt befindet sich in einem permanenten und asymmetrischen Cyber-Krieg: Es gibt Länder, die andere Länder
angreifen; Personen, die Länder angreifen; Länder, die Personen angreifen; und Personen, die Personen angreifen. Wenn
Sie online gehen, begeben Sie sich in ein geopolitisches
Kreuzfeuer – ob es Ihnen gefällt oder nicht. Wenn Sie schon
einmal Opfer eines Phishing-, ­Hacking-, Malware- oder
DDoS-Angriffs waren, hat Sie ein Querschläger erwischt −
aus einem Krieg, der direkt vor Ihrer Nase stattfindet.
Unsere Sicherheit in der digitalen Welt sollten wir genauso ernst nehmen wie unsere physische Gesundheit. Wenn wir
immer mehr Zeit in der digitalen Welt verbringen, bleiben wir
als Personen nur «gesund», wenn wir in beiden Welten, der
realen und der virtuellen, auf uns achten. In der realen Welt
kennen wir uns aus: Wenn wir krank sind, gehen wir zum Arzt.
Wir finden heraus, was uns fehlt, und behandeln dies. Das ist
selten angenehm, aber wir tun es, weil uns das Kranksein auf
lange Sicht zu viel kostet.
In der digitalen Welt verhalten wir uns dagegen ganz anders – dabei wären die zur Verfügung stehenden Mittel we-
sentlich angenehmer. Trotzdem installieren wir keine Software-Updates, wir klicken auf schlechte Links und verwenden
keine 2-Faktor-Authentifizierung. Hier sind neue Regeln nötig. Denn die Tools gibt es bereits, sie werden nur nicht ausreichend genutzt.
Liefern wir uns gerade ein «technologisches Wettrüsten»
mit Cyber-Kriminellen?
Ich würde es mehr ein Katz-und-Maus-Spiel nennen,
­wobei das gegen die Kriminellen gerichtete System − die
­Katze − klar im Vorteil ist. Kriminelle müssen, um Relevanz zu
erlangen, Technologien nutzen. Das bedeutet aber, dass sie
sich in transparenteren Systemen bewegen müssen, als ihnen
lieb ist. Kriminelle haben weniger Ressourcen für Innovationen, und sie kontrollieren die Plattformen nicht. Sie sind sich
auch nicht so sehr der Risiken bewusst, die sie eingehen. ­
Viele von ihnen operieren im sogenannten Darknet −
dem ­
digitalen Äquivalent der Höhlen und versteckten
Labors. Das wissen auch die Strafverfolgungsbehörden, die
ihnen das Leben dort schwer machen. Ausserdem können
Kriminelle ihre ­Ziele nicht effektiv erreichen, solange sie sich
ausschliesslich im Darknet bewegen. Aber jedes Mal, wenn
sie im normalen Internet auftauchen, sind sie verwundbar.
Interessant und gleichzeitig auch prekär ist, dass viele der
Tools, die Dissidenten nutzen, auch für Kriminelle hilfreich
sind – was aber kaum überrascht, denn in repressiven Staaten gelten Dissidenten schliesslich als kriminell. Man kann
das steuern, aber dazu müssten die Entwickler der Tools beide Szenarien − Gebrauch und Missbrauch − berücksichtigen
und ihre Tools für die «richtigen» Zwecke optimieren.
Welche Probleme kann Technologie heute ­lösen?
Mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung unterliegen in
­irgendeiner Weise der Zensur − jeder Dritte erlebt sogar eine
strenge Variante davon. Zensur wird in der Regel zwar als ein
Mittel politischer Unterdrückung gesehen, aber in Ländern
wie China ist sie auch ein Ausdruck des Kapitalismus und des
Strebens nach zusätzlichen Vorteilen.
Was auch immer ­dahintersteckt: Die Betroffenen zahlen
mit einer extremen Einschränkung der Meinungsfreiheit. Allerdings wird es für Regimes immer schwieriger, diese Repressionen durchzu­setzen, da das gegen die Zensur gerichtete System wächst und sich weiterentwickelt. Ich denke, wir
werden noch eine Welt erleben, in der repressive Zensur im
Internet nicht mehr funktioniert.
Jared Cohen
Jared Cohen ist Direktor von Google Ideas und Adjunct Senior Fellow im
Council on Foreign Relations (ausserordentlicher Senior Fellow im Rat
für Aussenbeziehungen) in den USA. Er war ausserdem Mitglied im
Planungsstab des US-Aussenministeriums sowie enger Berater von
­
Condoleezza Rice und Hillary Clinton. Er gehört zu den Young Global
Leaders des Weltwirtschaftsforums und wurde 2013 vom «Time
­Magazine» in der Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des
Jahres geführt.
21
VORREITER
Supersportwagen
Mate Rimac geht mit Vollgas in die Zukunft
Der 27-jährige Kroate hat das schnellste Elektroauto der Welt gebaut. Jetzt werden
Lizenzen von Mate Rimacs innovativen Ideen und Technologien – vom Elektroantrieb
bis zu den Batterien – an andere Autobauer vergeben und in Fahrrädern, Booten und
Supersportwagen der kommenden Generation eingebaut. Autor: Andy Isaacson
Ich traf Mate Rimac an einem Nachmittag im August
2013 in seinem kirschroten Elektro-Sportwagen Concept
One. Den eleganten, superflachen Flitzer hatte er bereits mit
21 Jahren konstruiert. Da ich für das «Wall Street Journal»
­einen Artikel über den Jungunternehmer schreiben sollte,
nahm ich auf dem Beifahrersitz Platz. Als wir auf einer Ausfallstrasse westlich von Zagreb eine Tankstelle passierten,
wurden wir von den Fahrern, die ihre konventionellen Limousinen betankten, neugierig beäugt. Rimac glitt in gemä­ssig­
tem Tempo an der Tankstelle vorbei und beschleunigte seinen Sportwagen dann mit einem Tritt aufs Gaspedal in
weniger als drei Sekunden von null auf hundert.
Elektroautos sind extrem zuverlässig
«Der Vorteil des Elektroantriebs liegt darin, dass die Kraft
linear übertragen wird – ohne Unterbrechungen durch
Schaltvorgänge», erklärte er mir. Im nächsten Kreisverkehr
riss Rimac das Lenkrad ruckartig herum, um die Fahrtrichtung zu ändern. «Das nennt man Abbiegen», witzelte er und
grinste mich hinter seiner Piloten-Sonnenbrille an. «Wie Sie
sehen, habe ich einfach nur das Lenkrad eingeschlagen. Den
Rest hat das Torque-Vectoring-System erledigt.»
Zurück auf dem Parkplatz vor Rimac Automobili, seinem
Start-up-Unternehmen, zog er mit quietschenden Reifen
enge Kreise, die nicht nur schwarzen Gummiabrieb auf dem
Asphalt hinterliessen, sondern mich auch mit Wucht in den
Beifahrersitz drückten. «Das mache ich nicht, um anzugeben», erklärte Rimac durch die dunklen Gummischwaden
hindurch. «Ich möchte Ihnen zeigen, dass Elektroautos h
­ eute
technisch extrem zuverlässig sind und man auch verrückte
Dinge mit ihnen anstellen kann. Sie sind weit mehr als
schöne Hingucker an den Autosalons. Ihre Technologie ist
serienreif. Diese Autos können heute gebaut werden.»
Als ich mich kürzlich bei Mate Rimac über den neuesten
Stand der Dinge informierte, erfuhr ich, dass Rimac Auto­
mobili in den vergangenen zwei Jahren sechs Exemplare
des Concept One verkauft und die Zahl seiner Angestellten
vervierfacht hat. Heute beschäftigt Rimac 110 Mitarbeitende
und hat einen zweiten Betrieb in Sveta Nedelja eröffnet,
einem Vorort im Westen von Zagreb. Aus der grössten
­
­landesweiten Umfrage zur Arbeitnehmerzufriedenheit ging
s­eine Firma 2014 als bester Arbeitgeber Kroatiens in der
­Kategorie der mittelgrossen Unternehmen hervor.
Der Concept One, den Rimac von Grund auf selbst entwickelt und gebaut hat, ist vermutlich das am schnellsten beschleunigende Elektroauto der Welt. Jedes seiner vier Räder
wird von einem separat gesteuerten Elektromotor ange­
trieben; zusammen liefern sie atemberaubende 1088 PS.
Durch die individuelle Steuerung kann beispielsweise in einer
Rechtskurve das rechte Vorderrad für den Bruchteil einer
­Sekunde angebremst werden, während das Hinterrad den
Antrieb liefert. «Solche Tricks schafft kein normaler Motor»,
sagt Rimac. Das ist eine der Innovationen, die den Concept
One in seinen Augen zum «Sportwagen des 21. Jahrhunderts» machen.
Schon als 19-Jähriger begann Rimac, die Technologie für
seinen Flitzer zu entwickeln. Er hatte damals gerade internationale Wettbewerbe mit einem elektronischen Handschuh
gewonnen – einer Kombination aus Tastatur und Maus, die
er noch als Schüler erfunden hatte. Da kam ihm die Idee,
Spiegelsysteme für Autos zu entwickeln, die den toten Winkel ausleuchten. Es gelang ihm, seine Erfindung an einige
europäische Autobauer zu lizenzieren, und 2009 hatte
­
­Rimac genügend Geld zusammen für den Kauf eines weissen, kastenförmigen BMW E30, Baujahr 1986.
Nach wenigen Runden auf der Rennbahn versagte der
Motor des Autos, das er für weniger als 1000 Euro erstanden
hatte. Das bewog ihn, den Benzinmotor durch Elektromotoren und Batterien auszutauschen (da Standardbauteile
nicht erhältlich waren, überholte er das Auto mehrheitlich
in Eigenregie). Während dieser Phase änderte er auch das
Äussere von Weiss auf ­Limonengrün.
Ein passionierter Rennfahrer
Einige Monate später begann Rimac, an sogenannten
«Drift Competitions» teilzunehmen. Das Driften ist ein
Sport, bei dem die Fahrzeuge kontrolliert übersteuert
werden. Nach ein paar Rennen brach die Kurbelwelle des
um­gebauten BMW, und der Motor gab den Geist auf. Rimac
­beschloss, seine beiden Leidenschaften – die für Autos und
die für Elektronik – zu verbinden. Schon immer hatte er
Nikola Tesla bewundert, den aus Kroatien stammenden
­
23
VORREITER
­Erfinder des Elektromotors. Rimac wollte nun beweisen, dass
erstklassige Sportwagen auch mit Elektromotor denkbar
sind – also mit einem direkt verfügbaren Antrieb ohne lästige Zündkerzen und Ölfilter.
Als er mit seinem umgebauten BMW auf den kroatischen
Rennstrecken auftauchte, erntete er zunächst nur Spott und
Kommentare wie: «Was willst du denn mit dieser Wasch­
maschine? Kann ich damit mein Telefon aufladen?» Bei
jedem Rennen ging immer irgendetwas kaputt, aber Rimac
schraubte unverdrossen weiter – mit von ihm selbst kon­
struier­ten Bauteilen.
Schliesslich verschaffte sich der 86er BMW mit seinem
kolossal kraftvollen Elektroantrieb doch noch Respekt. «Wie
schnell ist der eigentlich?», fragte ein Auto-Blogger. «Schnell
genug, um bei Dragster-Rennen die Viertelmeile in knapp
über 12 Sekunden herunterzureissen. Schnell genug, um bei
einem Strassenrennen einen Tesla vor sich herzutreiben.
Schnell genug, um … na ja, den Rest kannst du dir denken.»
2010 hatte Rimac es geschafft: Sein Do-it-yourself-Fahrzeug mit E-Antrieb schlug die Benziner auf der Rennstrecke
und stellte später fünf Guinness-Weltrekorde auf (nebst einigen Rekorden des internationalen Automobilverbandes).
Den Rekord für das Elektroauto mit der schnellsten Viertelmeilen-Beschleunigung hält Rimac noch heute.
«Von diesem Moment an wurde die Sache ernst», sagt
Rimac. Zusammen mit dem jungen, bekannten Autode­
­
signer Adriano Mudri begann er, einen Prototyp des Concept
One zu entwickeln. Das sprach sich herum, und ein kroatischer Geschäftsmann bat Rimac schliesslich im Namen der
Königsfamilie von Abu Dhabi um eine Broschüre dieses
Sportwagens. Rimac erinnert sich: «Sie sagten: ‹Wir hätten
gerne zwei Autos.› Darauf ich: ‹Wir sind aber nur ein paar
Jungs mit einer Werkstatt.›» So wurde aus einem Hobby­
betrieb der erste Automobilbauer Kroatiens.
Hightechsystem und design
Ein paar Jahre lief das Ganze mehr schlecht als recht. Mit
etwas Startkapital von seinem Vater, dessen Firma Einkaufszentren entwickelt, konnte Mate Rimac den Prototyp seines
Concept One schliesslich erstmals an der Internationalen
Automobil-Ausstellung (IAA) 2011 in Frankfurt zeigen.
Der Branche blieb die beeindruckende Leistungsstärke
des Sportwagens nicht verborgen: Das Allradfahrzeug mit
dem einzigartigen Antriebsstrang – vier Teilsysteme mit jeweils einem Motor, einem Inverter und einem Reduktionsgetriebe – bringt ein Drehmoment von 2800 Newtonmetern
mit, ­beschleunigt in nur 2,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h
und erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von 325 km/h. Diese geballte Kraft wird von einem flüssig gekühlten Akku mit
82 kWh generiert, dessen Reichweite rund 600 Kilometer
beträgt. Das Leistungsgewicht kann sich mit dem einer Formel-1-Maschine messen. Der stolze Supersportler mit der
zweifarbigen Hochglanzkarosserie aus Karbon weist auch
einige attraktive und witzige Designmerkmale auf: Heck-
VORREITER
24
leuchten mit ausgeprägtem 3D-Tunneleffekt, animierte
­Blinker oder die Abdeckung des Ladeanschlusses in Form
­einer Krawatte. Sie ist ein augenzwinkernder Hinweis darauf,
dass die Krawatte (im Französischen ähnlich ausgesprochen
wie «Kroate») eine kroatische Erfindung ist. Das Interieur
des Concept One punktet mit ­luxuriösen, cremefarbenen
­Ledersitzen – Spezialanfertigungen der bulgarischen Firma
Vilner – und einem Hightech-­Infotainment-System.
Ein Kroate durch und durch
Hergestellt wird das Fahrzeug fast ausschliesslich in den
Werken von Rimac Automobili. Nahezu alle Komponenten
wie Chassis, Aufhängung, Antriebsstrang, Getriebe, Akku
und Entertainment-System sind Eigenentwicklungen. Nur
die Batteriezellen und die Airbags bezieht Rimac von anderen Firmen. Rimac verzichtet auch auf die in der Massenproduktion üblichen Formteile – beispielsweise für das Lenkrad
und die Pedalerie. Stattdessen lässt er diese Komponenten
«Nikola Tesla musste für seinen Erfolg nach
Amerika gehen. Ich wollte hier bleiben, um
jungen Kroaten eine Chance auf einen interessanten Arbeitsplatz zu geben.»
Mate Rimac
mit grossen Fräsen einzeln aus Aluminiumblöcken herausschneiden. Ein kostenintensives Verfahren, das viel Roh­
material verbraucht, aber dem Start-up-Unternehmen die
Möglichkeit gibt, konstruktive Änderungen schnell und ohne
aufwändige Werkzeugwechsel umzusetzen. Rimac dazu:
«Nur Formel-1-Rennwagen oder Raumschiffe werden sonst
so gebaut.»
Nach dem Debüt des Concept One auf der IAA erhielt
die Firma zwar einige wenige Aufträge für das rund 1 Million
Dollar teure Fahrzeug, aber Rimac erinnert sich: «Wir sind
damals im Prinzip nach dem Bootstrap-Verfahren in Betrieb
gegangen.» Das geplante Investment der Königsfamilie von
Abu Dhabi scheiterte schliesslich in letzter Minute an der
Auflage, dass Rimac sein Start-up-Unternehmen in die
Golfregion verlagern sollte. «Nikola Tesla musste für seinen
Erfolg nach Amerika gehen. Ich wollte hier bleiben, um jungen Kroaten eine Chance auf einen interessanten Arbeitsplatz zu geben», sagt Rimac. «Ich wollte die Technologie voranbringen, in unserem Metier weltweit der Beste sein, mich
mit den ganz Grossen messen und ein Produkt entwickeln,
auf das meine Landsleute stolz sein können.»
oben: Das D-PM-oC-600-System besteht aus zwei ölgekühlten Permanentmagnetmotoren (zwei unabhängige
Motoren in einem Gehäuse). Unten: Das Infotainment-System kann komplett massgeschneidert werden.
25
VoRReIteR
Leider teilten die kroatischen Investoren seine Vision aber
nicht wirklich. Als ich Mate Rimac 2013 an seinem Firmensitz
besuchte, erzählte er mir, die Banken wollten ihm keinen Kredit geben und es interessierten sich auch kaum ausländische
Investoren für das Projekt. «Wahrscheinlich halten sie uns für
ein paar grüne Jungs, die in ihrer Freizeit Spielzeugautos basteln», sagte er damals. «Ihnen ist nicht klar, welche Bedeutung oder welchen Einfluss unser Projekt haben könnte. Die
Menschen hier wollen etwas Greifbares, das sie sehen und
verstehen können, so wie eine Immobilie. Dass man auch in
Technologien – also in langfristige Projekte – investieren
kann, ist ihnen fremd. Ja, wir brauchen viel Geld. Aber verglichen mit den in der Automobilindustrie üblichen Investitionen sind das Peanuts.»
Im November 2014 konnte Rimac sein Projekt endlich auf
eine sicherere Basis stellen, mit Investitionen in Höhe von
10 Millionen Euro für die erste Finanzierungsrunde. Der e­ rste
Geldgeber war Frank Kanayet Yepes – ein gebürtiger Kroate,
der als Unternehmer in Südamerika im Öl- und Energiesektor ein Vermögen verdient hat. Yepes ist ausserdem an der
FIA-Formel-E-Meisterschaft beteiligt, besitzt mehrere Rennteams und ist Generalimporteur für Ferrari und Maserati in
Kolumbien. «Ausschlaggebend für mein Investment waren
Mate, seine Zuversicht und die Technologie, die er mit geringsten Mitteln entwickelt hat», sagt Yepes. Der grösste
Einzelinvestor war China Dynamics. Das im chinesischen
E-Automobil-Sektor tätige Unternehmen erwarb 10 Prozent der Anteile zum Preis von 70 Millionen Euro. «Dank
­dieser Finanzspritze konnte unser Unternehmen die nächste
Wachstumsphase in Angriff nehmen», erklärte mir Rimac
vor Kurzem.
Ausserdem hat Rimac für einen multinationalen deutschen Konzern ein selbstfahrendes Auto entwickelt und vor
Kurzem elektrische Antriebsstränge an einen Bootsbauer geliefert. Durch die Konzentration auf Spitzenleistungen konnte das Unternehmen gemäss Rimac seine Kernkompetenz
verfeinern: den Bau sehr kleiner, starker Antriebssysteme
und langlebiger Akkus, die sich für unterschiedlichste Anwendungen eignen. Rimac Automobili ist und bleibt jedoch
dem Rennsport verbunden: So entwickelte das Unternehmen
­Anfang dieses Jahres einen 1500-PS-Boliden für die japanische Rennlegende Nobuhiro «Monster» Tajima.
Von der ersten Idee bis zum Endprodukt
«Wir können auch schnell und preiswert Prototypen entwickeln und bauen», sagt Rimac. Weltweit sind wir die ein­
zige Firma, die ein komplexes Modell – etwa ein Auto, ein
Motorrad oder ein Boot – vollkommen eigenständig ent­
werfen und bauen kann, und zwar mit eigener Kohlefaserfertigung, Metallbearbeitung, Chassis- und Batterieproduktion
sowie Aufhängungskonstruktion. Alles aus einer Hand – ein
einzigartiges Konzept. Niemand sonst bietet diese Bandbreite. Zudem können wir ein komplettes Fahrzeug in weniger als
einem Jahr entwickeln. Normalerweise dauert das viel länger,
weil nicht alle unter einem Dach arbeiten. Wir kennen das
Auto bis ins kleinste Detail, und in unserem Unternehmen
schreiben wir die vertikale Integration der Prozesse gross.
Von Antriebssystem bis zum akku
In dieser neuen Phase sollen die verschiedenen Geschäftsbereiche der Firma expandieren. Der Concept One
wird für eine Handvoll Direktkunden weiterhin von Rimac
Automobili gebaut: Bis Ende nächsten Jahres soll das letzte
Fahrzeug der auf acht Exemplare limitierten Serie ausgeliefert werden. Gleichzeitig entwickelt das Unternehmen schon
seinen nächsten Supersportwagen, den Nachfolger des
­Concept One, sowie Fahrzeuge und Prototypen für andere
Firmen. Der spanische Automobilentwickler Applus IDIADA
beispielsweise hat einen E-Sportwagen in Auftrag gegeben,
der die gleiche Fenster- und Dachkonstruktion wie der
­Concept One erhält, aber ansonsten nach anderen Spezi­
fikationen gebaut wird.
Haupteinnahmequelle von Rimac ist heute jedoch die
Entwicklung und Fertigung unterschiedlicher Bauteile für andere Firmen – von elektrischen Antriebssträngen über Infotainment-Systeme bis zum Batteriemanagement. Erst kürzlich schloss das Unternehmen einen Vertrag mit dem
schwedischen Autobauer Koenigsegg Automotive über die
Lieferung des «leistungsdichtesten Batteriesystems der
Welt» für dessen Hybrid-Sportwagen Regera.
VORREITER
26
Mate Rimac, der Gründer von Rimac Automobili.
Der Concept One wird fast vollständig bei Rimac Automobili hergestellt.
In den letzten Jahren ist aus Rimac Automobili noch ein
weiteres Start-up-Unternehmen hervorgegangen, Greyp
Bikes – ein Spin-off, das Hightech-E-Bikes herstellt. Das
­Produkt, eine Art hybrides Fahrrad, ist mit einem hochmodernen Akku ausgerüstet, der eine Spitzengeschwindigkeit
von 70 km/h liefert und im reinen Batteriebetrieb bis zu
120 Kilometer Reichweite hat. Zu den weiteren Hightech-­
Finessen des Bikes gehört auch eine smarte, per Fingerabdruck aktivierbare Tastatur. «Eine Neuheit in diesem Markt»,
sagt Rimac. Schon jetzt hat die Firma mehr als 200 Exemplare des ersten Modells, das im Handel 8500 Euro kostet, an
Kunden in 26 Ländern verkauft. Rimac ist überzeugt, dass
Greyp Bikes mit dem richtigen Management und der richtigen Finanzierung, was ihm zufolge jetzt gegeben ist, sogar
seine Autofirma überflügeln kann. «Bei den E-Bikes gibt es
noch keinen eindeutigen Marktführer», sagt er. «Wir wollen
hier nicht mit dem Massenmarkt konkurrieren, sondern die
beste Technologie und die beste Leistung liefern.»
Als Nächstes möchte Rimac die Produktion des­
Concept One abschliessen und einen brandneuen ElektroSportwagen mit einem anderen Design entwickeln. Er hofft,
bis in fünf Jahren mehrere Hundert Fahrzeuge jährlich zu
verkaufen und seine erprobten elektrischen Antriebstechnolo­gien weltweit zu exportieren. Ein langfristiges Projekt,
wie er zugibt. Und er fügt hinzu: «Wir stehen mit beiden Unter­nehmen noch am Anfang. In den vergangenen
fünf Jah­ren haben wir viel erreicht, aber vor uns liegt noch ein
langer Weg.»
«Weltweit sind wir die einzige Firma,
die ein komplexes Modell – etwa ein
Auto, ein Motorrad oder ein Boot –
vollkommen eigen­ständig entwerfen
und bauen kann, und zwar mit eigener
Kohlefaserfertigung, Metallbearbeitung,
Chassis- und Batterie­produktion sowie
Aufhängungskonstruktion. Alles aus
einer Hand – ein einzigartiges Konzept.»
Mate Rimac
27
VORREITER
Werte und
Technologie,
vereint in Mode
Elena Corchero bezeichnet sich selbst als «Technologie-Handwerkerin» – denn
sie arbeitet an der Schnittstelle zwischen futuristischem Hightech und traditioneller
Handwerkskunst. Die früher am MIT Media Lab Europe tätige Forscherin hat
sich auf intelligente Materialien und tragbare Technologie, sogenannte Wearables,
spezialisiert. Ihr Ziel: Produktion und Konsum wieder mehr Sinn verleihen.
Autorin: Janet Anderson
«Ich möchte Technologie
nicht nur deshalb nutzen,
weil es sie gibt oder um
die Leute zu beeindrucken. Wahre Innovation
ist nicht nur das Neueste
vom Neuen, wahre Innovation liegt in der Sinnhaftigkeit, im ‹Warum›.»
Elena Corchero
«Die meisten Kleider, die wir heute tragen, wurden so
produziert, dass sie weder für Hersteller noch für Verbraucher Bedeutung haben und am Ende auf Mülldeponien
­landen», sagt Elena Corchero, die Gründerin der Londoner
Bera­tungsfirma Lost Values. «Bei Lost Values untersuchen
wir, wie sich intelligente Materialien und Wearable-Technologie sinnvoll einsetzen lassen – so möchten wir der ­Technologie
zum Anziehen eine menschliche Note geben.» Anhand eines
einfachen Pullovers lässt sich erklären, was Corchero damit
meint: Automatisierung hat die Produktion von Strickwaren
schnell und effizient gemacht – heute kosten Pullis teilweise
VORREITER
28
nur noch ein paar Euro. Genauso rasch werden sie aber auch
wieder entsorgt. Ein handgestricktes Oberteil dagegen kann
zu einem echten Schatz werden – die vielen Stunden für
seine Herstellung, Masche für Masche, machen einen Teil
seines Reizes und seines Wertes aus.
Nach Corcheros Ansicht muss heutige Technologie jedoch nicht ausschliesslich zur Herstellung von unpersön­
lichen Wegwerfprodukten führen. Sie möchte kunsthandwerkliches Geschick, modernste Technologien und die
Ästhetik von Mode zusammenbringen und auf diese Weise
Produkte kreieren, die Kunden aufbewahren wollen – sie will
also mehr als nur die nächste Lösung für Wearable Computing in einem Silikongehäuse schaffen. Mit 3D-Druck lassen
sich heute Produkte herstellen, verändern und individualisieren. Liesse sich diese Technologie auch für «Drucken» mit
Wolle einsetzen, könnten wir individuelle Stücke fertigen und
so mehr Bedeutung in unsere Kleidung bringen.
Innovative Produkte mit
dauerhaftem Reiz
«Designer sollten sich schon früh mit der ­Lebensdauer
ihrer Kreationen auseinandersetzen und dafür sorgen, dass
sie so lange wie möglich genutzt werden», sagt Corchero.
Ihrer Ansicht nach können Designer über ihre Produkte aktiv
den Wandel in der Gesellschaft vorantreiben, was sie als
«Design-Aktivismus» bezeichnet. «Je konsequenter ein Produkt bei Design und Produktion auf den Wert achtet, desto
tiefer kann seine Verbindung mit den Werten der Verbraucher sein», erklärt sie. Corchero ist in einem Umfeld aufgewachsen, in dem man Dinge selber macht. Ihre Mutter war
Schneiderin, ihr Vater Landwirtschaftsingenieur im Bereich
Pflanzengenetik. Schon in jungen Jahren wurde sie ermutigt,
sich eigene Kleider zu nähen. Das Konzept des «Massschneiderns» ist somit tief in ihr verwurzelt.
«Mein Vater hat mir gezeigt, wie man zwei Pflanzen miteinander vereinen kann, sodass eine neue entsteht. Und meine Mutter hat mich gelehrt, wie man Kleider nach Mass anfertigt. Mir wurde immer gesagt, ich solle Sachen selber
machen, die den eigenen Bedürfnissen und Wünschen ent­
sprechen und somit für die Ewigkeit sind. Dieser Gedanke
hat sich in meiner gesamten bisherigen Arbeit niedergeschlagen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, liegt die Lösung
nicht immer in Recycling. Dinge sollten so hergestellt sein,
dass sie lange halten.»
Innovation dank Zusammenarbeit
mit unterschiedlichen Fachrichtungen
Corchero studierte Kunst und Design in Spanien und
setzte ihr Studium in Deutschland fort. Dort arbeitete sie neben Produktdesignern, die mit 3D-Kon­
struktionssoftware
Ideen für Volkswagen entwickelten. Damit eröffneten sich
für Corchero die Möglichkeiten der Hightech-Welt. Damals
hatte das MIT gerade mit der Forschung an tragbarer Technologie begonnen. 2000 eröffnete es in Dublin das euro­
päische MIT Media Lab.
Corchero beschloss, den Sprung zu wagen und sich dem
Forschungsteam des MIT anzuschliessen. «Dies war ein
grosser Glücksfall: Ich hatte keinen technischen Hintergrund, aber Nicholas Negroponte, der Mitgründer und Leiter
des MIT Media Lab, war der Ansicht, dass Innovation dann
entsteht, wenn man sehr unterschiedliche Fachrichtungen
zusammenbringt. Meine Aufgabe war, als Designerin den Ingenieuren bei der Entwicklung von tragbarer Technologie zu
helfen. Bei dieser engen Zusammenarbeit habe ich von ihnen
viel über Elektronik gelernt – dieses Wissen leistet mir seitdem gute Dienste», sagt Corchero.
Als das europäische MIT Media Lab geschlossen wurde,
ging Corchero für ein Masterstudium mit Fokus auf «zukünf­
tige Materialien» an die Kunsthochschule Central Saint
­Martins in London. «Saint Martins war eine der ersten Hochschulen, die den aufkommenden Trend zu tragbarer Technologie erkannten. Materialien gibt es überall – nicht nur in
Kleidung, sondern auch in Autos oder Häusern. Und gerade
weil Materialien so umfassend eingesetzt werden, ist es wichtig, dass sie nachhaltig sind», sagt sie.
2008 gründete Corchero im Osten Londons ihre Beratungsfirma Lost Values. Damit schuf sie die Basis, von der
aus sie neue Produkte entwickeln und mit ihnen experimentieren kann. Ausserdem wollte sie mit Menschen aus vielen
unterschiedlichen Fachrichtungen zusammenarbeiten. Das
Motto von Lost Values lautet sinngemäss: «Wir wollen eine
Zukunft, in der Technologie eine Erweiterung für unser
Menschsein ist.» Die Kernaussage ist, Konsum mehr Sinn zu
geben. «Meine Strategie besteht darin, dass alle Projekte
eine enge Anbindung an die Werte des jeweiligen Unternehmens und die seiner Kunden haben», erklärt Corchero. «Ich
möchte Technologie nicht nur deshalb nutzen, weil es sie gibt
oder um die Leute zu beeindrucken. Wahre Innovation liegt
in der Sinnhaftigkeit, im ‹Warum›. Genau das schafft die
emotionale Verbindung zwischen dem Verbraucher und einem Produkt oder einer Marke.»
Mehr Transparenz
durch technologie
Corchero glaubt, dass im Zug der Industrialisierung ­viele
Werte verloren gegangen sind und Technologie dabei helfen
kann, sie zurückzuholen. «Mit der Einführung von ausgelagerter Massenproduktion ist vieles verschwunden: die Kommunikation zwischen den Herstellern und den Verbrauchern,
das Zusammengehörigkeitsgefühl sowie das Konzept der
Fertigung nach Mass. Inzwischen ist die Technologie aber so
weit entwickelt, dass sie diese Vorteile zurückbringen kann.
Heute ermöglicht sie Massenindividualisierung und mehr
Transparenz. Also sollten wir Technologie nicht nur dafür
verantwortlich machen, dass Dinge verloren gegangen sind,
sondern sie auch nutzen, um das wiederzubekommen, was
wir wertschätzen», sagt sie. Die Verbindung zwischen Tech-
Gezüchtete Albedonite™-Kristalle wechseln in der Sonne ihre Farbe.
nologie und Handwerk ist nichts Neues. Seit Jahrhunderten
ist sie etwa ein integraler Bestandteil der Schweizer Uhrenbranche. In der Welt der Textilien und Materialien lässt sich
laut Corchero schon an den ersten Webstühlen das Konzept
des binären Computing in seinen Anfängen erkennen: «Das
Herstellen von Garnen ist zum Beispiel eine mathematische
Angelegenheit.» Das Neue in der digitalen Welt von heute
ist, dass die Werkzeuge nicht mehr visuell zu verstehen
sind – bei Software sieht man nicht, wie sie im Inneren funktioniert. Aus genau diesem Grund kann heute kein ­Experte
29
VORREITER
für ein einzelnes Gebiet mehr allein Innovationen schaffen.
Wie der bereits erwähnte Nicholas Negroponte ­bereits ­sagte,
ist Innovation heute nur noch in einem multidisziplinären
Umfeld möglich.
Als Technologie-Handwerkerin will Corchero auf drei Gebieten innovativ sein: bei Werkzeugen, Materialien und Fertigkeiten. «Digitale Innovation hat Auswirkungen auf alle
drei und erfordert entsprechendes Wissen», sagt sie. «Hier
kommen die unterschiedlichen Stränge meiner Ausbildung
zusammen.» Corcheros multidisziplinärer beruflicher Hintergrund ist selten, wird aber immer relevanter. Dies ist auch
­daran zu erkennen, dass viele Unternehmen nach Mitarbeitenden mit einem sogenannten T-Profil suchen: Sie sollen
tigt und richten sich zum Beispiel an urbane Radfahrer, die
gut aussehen und gleichzeitig sicher unterwegs sein wollen.
Da die Wolle aus Schottland stammt, helfen die Produkte,
eine traditionelle Branche am Leben zu erhalten. Das Besondere daran ist, dass ­Corchero eine Möglichkeit gefunden hat,
die Wolle ohne umweltschädliche Zusätze zum Reflektieren
zu bringen. Bei den BluePrint-100 %-Design-London-Awards
2009 wurde LFLECT mit dem Titel «Bester Einsatz von
­Materialien» ausgezeichnet.
Daneben gibt es die Produktpalette ECOLORIUM –
handgearbeitete Schmuckstücke aus Albedonite™, einem
gezüchteten Kristall, dessen Farbe bei Sonneneinstrahlung
von blassem Weiss zu einem leuchtenden Fuchsia wechselt.
«Designer sollten sich schon früh
mit der Lebensdauer ihrer Krea­
tionen auseinandersetzen und
dafür sorgen, dass sie so lange
wie möglich genutzt werden.»
Elena Corchero
Corchero produziert Kleidung und Accessoires aus reflektierender
Wolle mit umweltfreundlichen Bestandteilen.
breites Wissen in unterschiedlichen Bereichen mitbringen
mit Spezialwissen in einem davon. Die von Corchero entwickelte Produktpalette reicht von intelligenter Kleidung über
Bildungswerkzeuge bis zu umweltfreundlichem Schmuck.
Das gemeinsame Motiv als verbindender Faktor hinter
dem buntgemischten Angebot ist Corcheros überlegter und
zukunftsorientierter Ansatz. «Wenn ich ein neues Projekt
starte, habe ich zwei mögliche Ausgangspunkte», sagt sie.
«Entweder beginne ich mit einer neuen interessantenTechno­
logie oder mit einer neuen Heraus­forderung in der Gesellschaft, mit der ich mich aus­einandersetzen möchte. In beiden Fällen analysiere ich zunächst, was es bisher gab und ob
es lösungsorientiert war. Erst wenn ich etwas wirklich Bedeutsames gefunden habe, stecke ich ernsthaft Ressourcen
in das Projekt.»
Eine von Corcheros ersten Produktentwicklungen war
nachhaltige, reflektierende Wolle, aus der sie schön designte
Schals und andere Kleidung sowie Accessoires herstellt. Sie
beschreibt ihre LFLECT-Kollektion als «sicht­bare Produkte
für modische Menschen». Sie werden auf Bestellung gefer-
VORREITER
30
Dadurch macht der Schmuck die UV-Strahlung sichtbar und
schafft sehr direkt ein Bewusstsein für die unsichtbare Kraft
der ­Sonne. ­«Natürlich kann man auch Apps auf sein Telefon
laden, um die UV-Strahlung genauer zu messen, aber darum
geht es nicht», sagt Corchero. «Beim Albedonite™ ist es, als
würde die Natur selbst sprechen: ­Seine Farbe zeigt die Stärke
der Strahlen direkt an. Das ist eine viel natürlichere Art der
Kommunikation.» Ein Teil der Einnahmen aus dem Schmuckverkauf geht als Spende in die Hautkrebsforschung.
Kinderspielzeug als Inspiration
für Technologie
Corcheros Produktideen machen auch vor dem Bildungsbereich nicht Halt. Ihre ZippyKit-Spielzeuge sollen Mädchen
dazu inspirieren, Technologiekenntnisse zu entwickeln. «Ich
wusste, dass nur wenige Mädchen viel über Elektronik lernen,
also beschloss ich, etwas dagegen zu tun. In Grossbritannien
sind nur 8 Prozent der Ingenieure Frauen, und dieser Anteil
hat sich in den vergangenen 30 Jahren nicht verändert. Mit
meinen Produkten kann ich einen kleinen Beitrag zur Verbesserung leisten», sagt sie.
Die Kinder bauen ihre Spielzeuge selbst, und bei diesem
Prozess gewinnen sie nicht nur praktische Fertigkeiten, sondern lernen auch etwas über verschiedene elektronische
Komponenten wie beispielsweise drahtlose Induktionsspulen. Corchero hofft, dass diese Erfahrung ein Feuer in den
Mädchen entfacht und ihnen das Selbstbewusstsein gibt,
Technologie zu nutzen und zu entwickeln. Spielzeuge werden
heute, genau wie Mode- und Technologieprodukte, genutzt
und dann schnell weggeworfen. Der Konsumzyklus hat sich
in den letzten Jahrzehnten stetig verkürzt. Immer wieder
neue Trends lassen eine nicht endende Nachfrage nach Neuem entstehen. «Selbst wenn ein Produkt an sich nachhaltig
produziert wurde, hilft das wenig, wenn es am nächsten Tag
im Müll landet», sagt Corchero. «Deshalb ist es so wichtig,
etwas herzustellen, das ein langes Leben haben wird.»
Es mag wenig überraschen, dass Corchero mit Mode eine
Art Hassliebe verbindet. «Mode erzeugt den Wunsch, ständig unser Aussehen zu verändern. Die Leute wollen immer
das Neueste haben. Etwas zu entwerfen, das sich wiederverwerten lässt, ist nicht immer die beste Lösung. Denn erstens
ist es leichter gesagt als getan, und zweitens wird für Transport und Sortierung viel Energie verschwendet. Also sollte
Recycling nicht der Ausgangspunkt sein – es ist eher die
faule ­Lösung», sagt sie.
Corchero findet, dass technische Lösungen dazu dienen
sollten, den Produktionsprozess effizienter zu machen. Zum
Beispiel durch weniger Abfall beim Zuschnitt, durch Digitaldruck statt der Verwendung giftiger und wasserschädlicher
Farbstoffe oder durch selbstreinigende Materialien, was weniger Wasserverbrauch bedeutet.
Unternehmen, die solche Praktiken auf eigene ­Initiative
einführen, werde es langfristig besser ergehen als denjenigen,
die warten, bis sie zum Umdenken gezwungen werden. Ausserdem glaubt Corchero, dass mehr dafür getan werden sollte, Verbraucher über die Umweltfolgen aufzuklären, die manche Materialien mit sich bringen – dadurch würde der Druck
auf die Unternehmen steigen, etwas zu ändern.
«Es gibt den verbreiteten Irrglauben, dass natürliche
­Fasern besonders umweltfreundlich seien», sagt Corchero.
«Das stimmt nicht in jedem Fall. Tatsächlich werden ­gewisse
synthetische Materialien wie zum Beispiel Tencel® in einem
geschlossenen Kreislauf produziert, wo Wasser nicht verschmutzt wird. Baumwolle dagegen verursacht die grössten
Umweltbelastungen.»
Nachhaltige Auswirkungen
auf das Verbraucherverhalten
Corchero ist davon überzeugt, als Designerin einen positiven Einfluss auf das Verbraucherverhalten ausüben zu können. Dafür sei allerdings bereits ganz am Anfang des Design­
prozesses der richtige Ansatz erforderlich: «Auch wenn ich
weiss, dass das Endergebnis ein physisches Produkt sein
wird, ist der Ausgangspunkt für mich immer das Konzept
einer Dienstleistung. Die Menschen werden das Produkt
konsumieren, also stellt man ihnen letztlich eine Dienstleistung zur Verfügung. Beginnt man mit dieser Überlegung,
kann das Produkt die gewünschten Auswirkungen auf das
Verbraucherverhalten haben.»
Viele von Corcheros Produkten werden als Geschenke
gekauft, sodass die Käufer nicht die Nutzer sind. «Wenn man
ein Geschenk für jemanden kauft, ist das eine Form der Kommunikation. Man sagt damit: ‹Ich kenne dich und weiss, was
dich anspricht.› Mein Beitrag liegt darin, dass ich eine Gele-
genheit für einen derartigen Austausch schaffe», sagt sie.
Und die Mühe, die sie in die Ideenfindung steckt, zahlt sich
eindeutig aus.
Ihre Marke gewinnt an Bekanntheit, hauptsächlich durch
Mundpropaganda. Die Leute kommen zu ihr – Kunden,
Medien und grössere Marken, die eine Zusammenarbeit
wünschen. Ihr überlegtes Vorgehen hat Corchero schon in
Kooperationen mit Guinness, Hugo Boss und Cadbury eingebracht. Derzeit entwickelt sie zusammen mit dem Getränkekonzern Diageo eine Kampagne für Sicherheitsbewusstsein rund um dessen Marke Johnny Walker. Für dieses Projekt
arbeitet Corchero daran, ihre LFLECT-Materialien in einem
ungleich grösseren Massstab einzusetzen: Geplant sind riesige Plakate, die allein durch Reflexion leuchten, also ohne
Stromversorgung auskommen.
Für die Zukunft erwartet Corchero Materialien, die von
biologischen Vorbildern inspiriert sind. «In der Bauindustrie
kann man diese Entwicklung bereits verfolgen, und zwar an-
«Denn mein Tun kann zum Auslöser für jemand
anderen werden, der von meiner Arbeit die
Inspiration für etwas Neues bekommt. Das ist
für mich die grösste Leistung überhaupt:
andere zu inspirieren und so meiner Vision die
Chance zu geben, zu wachsen.»
Elena Corchero
hand von sogenannt selbstheilenden Materialien. Ich glaube,
dass die wichtigsten künftigen Trends von Innovationen in
der Biologie und der Chemie ausgehen werden», sagt sie.
«Ich denke deshalb, dass es Materialien geben wird, die
Menschen Eigenschaften oder Fähigkeiten verleihen, die von
der Natur für andere Arten entwickelt wurden. Schon heute
können wir unsere Körper durch Schönheitsoperationen verändern. Wenn die Technologie so weit ist, wird die Industrie
für Implantate neue Fähigkeiten erlangen – nämlich indem
die im Körper vorhandene Glukose mit Energie versorgt
wird», erklärt Corchero. «Diese Zukunft ist näher, als man
denkt. Wenn man Ihnen sagen würde, dass es ein Implantat
gibt, mit dem Sie jede Sprache der Welt sprechen können,
würden Sie dann nicht zugreifen? Die Zukunft von tragbarer
Technologie liegt für mich nicht in Modeaccessoires, sondern
in ­Implantaten und Prothesen.»
Corcheros Ideen sind gross, und ihre Ziele ambitioniert.
Doch das schreckt sie nicht ab. «Als Einzelperson kommt
man schnell an Grenzen, aber es ist wichtig, das zu tun, was
man kann», sagt sie. «Denn mein Tun kann zum Auslöser für
jemand anderen werden, der von meiner Arbeit die Inspira­
tion für etwas Neues bekommt. Das ist für mich die grösste
Leistung überhaupt: andere zu inspirieren und so meiner
­Vision die Chance zu geben, zu wachsen.»
31
VORREITER
Wandel im
grossen stil
Wie Darcy Winslow ihre Vision der Nachhaltigkeit umsetzt
Darcy Winslow gehört zu den führenden Fachleuten, die in einem grossen,
erfolgreichen Unternehmen für verstärkte ökologische Nachhaltigkeit gesorgt
haben. In den 1990er-Jahren veränderte
sie mit ihrer bahnbrechenden Arbeit
bei Nike viele Einstellungen und Vorgehensweisen des Sportartikelherstellers
im Hinblick auf Umweltbelange. Hier
spricht sie darüber, was es für ein solches
Engagement braucht und welches die
Herausforderungen sind, die es als
Nächstes zu meistern gilt.
Interview: Janet Anderson
In den 1990er-Jahren führten Sie bei Nike ein Nachhaltigkeitsprogramm ein – lange bevor viele andere Konzerne
überhaupt über Umweltthemen nachdachten. Was bewog
Sie damals dazu?
Ich hatte gesundheitliche Probleme und fand heraus,
dass diese sehr wahrscheinlich durch chemische Substanzen
in unserer Umgebung verursacht wurden. Die Stoffe galten
zu dieser Zeit als ungefährlich. Fünf Jahre später wurden sie
als toxisch eingestuft und verboten. Ich war damals für fortschrittliche Forschungs- und Entwicklungsprojekte bei Nike
zuständig und fragte mich, ob ich nicht noch etwas Bedeutenderes für die Welt tun könnte, als das nächste ­coole Produkt zu entwickeln.
Zu dieser Zeit wollten auch die ersten Kunden wissen,
welche Chemikalien in Nike-Schuhen verwendet wurden. Wir
mussten eingestehen, dass wir das nicht wussten. In diesem
Moment erkannte ich, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine
­Sache der Corporate Social Responsibility ist. Ich fragte den
damaligen Präsidenten von Nike: «Wollen wir uns nicht in
diesem Bereich engagieren?» Er erwiderte: «Gut, dann finden Sie heraus, wie das geht.»
VORREITER
32
Sie waren bei Nike so erfolgreich, weil Sie die Werte des
Unternehmens mit systemischer Nachhaltigkeit in Einklang brachten. Welche Hindernisse gab es, und wie haben Sie diese überwunden?
Damals dachten die Leute beim Begriff Nachhaltigkeit
nur an nachhaltiges geschäftliches Wachstum. Ich musste
erst lernen, eine neue Art von Nachhaltigkeit zu vermitteln,
die Mitarbeitenden und das Management zu einer Diskus­
sion darüber anzuregen und ihnen zu erklären, warum sich
Nike für solche Themen engagieren sollte. Umwelt­belange
zählten damals nicht zu den Aspekten, die die Markentreue
förderten. Meine Aufgabe war es, einen Business Case zu entwerfen, der Nike als Pionier in diesem Bereich ­positionierte.
Am Anfang kam ich damit nicht weit, bis ich herausgefunden habe, wer die «Helden», die einflussreichsten Personen in unserem System sind. Bei Nike waren das die Designer. Also stellte ich ihnen die Idee der Nachhaltigkeit als
Innovation vor und konnte sie überzeugen.
Eines unserer Ziele war beispielsweise «Zero Waste» –
kein Abfall. Nach unseren Berechnungen fielen bei der Produktion von einem Paar Laufschuhen so viele Materialabfälle an, dass man damit einen dritten Schuh hätte produzieren können. Dabei ging es nicht um Verbote – das hätte
auch nicht zu unserer Unternehmenskultur gepasst. Wir
erarbeiteten gemeinsam mit den Designern unzählige Innovationen, die sich auf die eingesetzten Materialien und deren
Design bezogen. Die Ergebnisse sind heute zum Beispiel in
der Flyknit-Kollektion von Nike zu finden.
Sie sind Managing Partner der Academy for S
­ ystemic
Change. Was sind deren Ziele?
Für die internationalen Mitglieder der Akademie steht
der bewusste systemische Wandel im Mittelpunkt: Wir wollen die Zahl der Führungskräfte weiter erhöhen, die diesen
Wandel befürworten und durchsetzen können. Wir sprechen
von einem «bewussten» Wandel, weil er ein verändertes
­Bewusstsein der einzelnen Akteure voraussetzt: Der Erfolg
einer Massnahme hängt einzig und allein von der Einstellung
der Person ab, die diese Massnahme veranlasst. Zuerst
­fokussierten wir uns auf die Umgestaltung von Bereichen
wie Ausbildung, Meeresökosysteme und Fischfang, Landwirtschaft und Ernährung, alternative Banken, die Rolle der
Frau, nachhaltige Gemeinden und tropische Regenwälder.
Wir wollen die Fähigkeiten anderer Fachleute und Führungskräfte als Gemeinschaft fördern. Wir gewähren den Zugang
zu allen unseren Netzwerken und richten Zentren für diese
Bereiche ein. Wir wollen dafür sorgen, dass künftig die Zahl
derjenigen Führungskräfte weiter zunimmt, welche die Bereitschaft, den Wunsch und die Fähigkeit haben, auf Systemebene zu führen.
Wie optimistisch sind Sie angesichts dessen, was Sie bisher erreicht haben?
Vor 30 Jahren war Nachhaltigkeit noch ein neuer Begriff.
Heute weiss fast jeder, was damit gemeint ist. Bewertet man
aber die Bemühungen um Nachhaltigkeit auf einer Skala von
1 bis 5 – wobei 1 für die blosse Einhaltung von Vorschriften
steht und 5 für die Neuordnung von Finanzsystemen sowie
die Integration von Nachhaltigkeit in alle Aktivitäten, Visionen und Grundsätze eines Unternehmens –, erreichen die
meisten Firmen und Organisationen heute ungefähr die
­Stufe 2. Nachhaltigkeit wird noch nicht strategisch gesehen,
sondern eher als freiwilliges Engagement. Das ist zwar auch
wichtig, aber eben nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Wir brauchen mehr Zusammenschlüsse, wie beispielsweise in meiner Branche die Sustainable Apparel Coalition
(Zusammenschluss für Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie), die sich mit dem Thema der Wasserknappheit
befasst. Systeme kann man nicht verändern, indem man an
einer einzigen Stellschraube dreht. Alle Beteiligten müssen
an einem Strang ziehen und sich für den Wandel einsetzen.
Ist ein nachhaltiges Konsumwachstum ohne Abstriche an
unserem heutigen Lebensstandard möglich? Und was
bedeutet das für Investoren?
Wir verbrauchen heute schon etwa die eineinhalbfache
Menge der Rohstoffvorkommen unseres Planeten – aber wir
­haben nur eine Erde. Zunehmender Wohlstand, eine in vielen
Ländern wachsende Mittelschicht und Konsummuster, die
sich am westlichen Lebensstil orientieren, werden uns ins
Straucheln bringen, wenn wir keine nachhaltigen Lösungen
finden. Ein unendliches exponentielles Wachstum ist einfach
nicht möglich. Die Aufgabe besteht darin, eine Kreislaufwirtschaft einzurichten, die den Verbrauch unserer natürlichen
Ressourcen überflüssig macht. Bei allem Respekt: Sollen wir
weiter in kurzfristiges Wachstum und Gewinne für einige
­wenige investieren oder in unsere langfristige Fähigkeit, allen
Menschen nicht nur das Überleben, sondern auch einen
­gewissen Wohlstand zu sichern?
Darcy Winslow
Darcy Winslow ist Mitbegründerin und Managing
Partner der Academy for Systemic Change,
Gründerin von Designs for a Sustainable World
Collective, LLC und Hochschuldozentin am MIT
Leadership Center der MIT Sloan School of
­Management. Zuvor war sie mehr als 20 Jahre für
Nike Inc. tätig und leitete dort ein bedeutendes
Nachhaltigkeitsprogramm.
33
VORREITER
Die NanoRevolution
Aymeric Sallin sieht eine grosse Zukunft
für kleine Dinge
Nanotechnologie ist überall – eine Schlüsseltechnologie für alle Branchen, die Fortschritte in
sämtlichen Bereichen der Gesellschaft verspricht. Die Wissenschaft der kleinsten Dinge erschliesst
neue Möglichkeiten für viele Produkte und Anwendungen – vom Gesundheitssektor über den
Energiebereich bis hin zur Produktion. Die Liste könnte beliebig weitergeführt werden. Aymeric Sallin,
der Gründer von NanoDimension, ist überzeugt: Unternehmen, die es schaffen, diese Wissenschaft
aus dem Labor auf den Markt zu holen, können die Blue Chips von morgen werden.
Autorin: Michèle Bodmer
VORREITER
34
View Dynamic Glass entwickelt intelligente Fenster.
Aymeric Sallin, CEO der Risikokapitalgesellschaft NanoDimension, rechnet damit, dass die Wissenschaft der
­Nanotechnologie schon bald ähnlich revolutionäre Aus­
wirkungen auf die traditionellen Technologien haben wird,
wie dies derzeit Uber auf die Taxibranche hat. Und er sollte
es wissen: NanoDimension investiert in frühen Phasen in
Unternehmen, die sich bahnbrechende Errungenschaften
der Nanotechnologie zunutze machen, sodass Sallin bestens
darüber informiert ist, wie die Arbeit auf atomarer und
­
molekularer Ebene die globale Technologielandschaft verändern wird.
Mit der Gründung seines Unternehmens im Jahr 2002
hat sich Sallin darauf spezialisiert, Wissenschaft aus dem
­Labor in den Bereich der Produktion zu holen. Er glaubt daran, dass wissenschaftliche Durchbrüche zu disruptiven Technologien gemacht werden müssen, damit sie die Revolutionierung ganzer Märkte ermöglichen. «Ich liebe meine Arbeit:
Ich ­setze die Wissenschaft aus dem Labor in erfolgreiche Unternehmen um, deren Produkte das Potenzial haben, ganze
Branchen neu zu definieren. Ausserdem werden diese Technologien dazu beitragen, einige der grössten gesellschaft­
lichen Herausforderungen von heute zu lösen.»
Das Erfolgsrezept: eine Fusion aus Hobby
und Unternehmergeist
Bei der Gründung seines ersten Unternehmens studierte
­Sallin noch Technische Physik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (ETHL), und schon damals
verband er seine persönliche Leidenschaft mit dem Unternehmertum. Anfang der 1990er-Jahre war er begeisterter
Snowboarder und wollte sogar Profi in dieser Sportart werden. Ein Unfall verhinderte dies, doch Sallin war nicht gewillt,
sich deshalb ganz vom Sport abzuwenden: Er gründete ein
Unternehmen, mit dem er nah an den Pisten und seinen
Sportkameraden bleiben konnte. «Wir betreuten ein Team
von professionellen Snowboardern», erzählt Sallin. «Mit die-
VORREITER
36
Die Fenster lassen sich automatisch verdunkeln.
sem haben wir von 1996 bis 1998 zwölf europäische und
­internationale Titel gewonnen, Filme auf Vulkanen und im
Hochgebirge gedreht und weltweit an Wettbewerben teilgenommen. Das war eine wundervolle Abwechslung von den
Labors und Hörsälen.»
Nach Abschluss seiner Labortätigkeit an der ETHL begann Sallin seine berufliche Laufbahn als Strategieberater
bei der Managementberatungsfirma Bain & Co. Als Nächstes brachte ihn seine Leidenschaft für Nanotechnologie und
Unternehmertum dazu, die allererste auf Nanotechnologie
spezialisierte Risikokapitalgesellschaft zu gründen. «Die
beste Möglichkeit für mich, zur Entwicklung dieses Sektors
beizutragen, lag nicht in Beratungsleistungen, sondern in
der Bereitstellung von Kapital, mit dem Entrepreneure ihre
Unternehmen gründen und aufbauen können», erklärt er.
Also gründete er im Jahr 2002 NanoDimension.
Die Anfänge seien schwierig gewesen, erinnert er sich.
Die Internet-Blase war soeben geplatzt, und mögliche Investoren konnten sich nicht dafür begeistern, in einem völlig
neuen Gebiet Risiken mit einem neuen Team einzugehen,
das noch keinen Leistungsausweis vorzeigen konnte. «Bildlich gesprochen, musste ich mit meinem Kopf durch eine
Wand voller Herausforderungen hindurch. Entweder mein
Kopf oder die Wand musste irgendwann nachgeben – zum
Glück war es die Wand. Ich brauchte fast vier Jahre, um das
Team aufzubauen, für genügend Transaktionen zu sorgen,
das Geschäftsmodell zu entwickeln und so ziemlich jedem,
der mir zuhörte, von den Vorteilen der Nanotechnologie
zu erzählen», sagt Sallin. Heute hat er Teams in der Schweiz
und im Silicon Valley, und mit einem investierten Kapital
von weltweit mehreren Hundert Millionen Dollar ist Nano-­
Dimension die grösste auf Nanotechnologie spezialisierte
Risikokapitalgesellschaft überhaupt.
Als Erster erwähnte der amerikanische Physiker Richard
Feynman im Jahr 1959 die Möglichkeit, Atome und Mole­küle
direkt zu manipulieren. Bis 1981 war die Wissenschaft im
Nanomassstab mit der Entwicklung des Rastertunnelmikros-
kops Realität geworden. Und seitdem hat es viele weitere
Fortschritte gegeben. «Heute sind wir in der Lage, Atome so
zu organisieren und Moleküle so zu entwerfen, wie wir sie
wollen und benötigen», erläutert Sallin. «Dadurch haben
Wissenschaftler ein beispielloses Mass an Eingriffsmöglichkeiten, und sie können sich Änderungen physikalischer
­Eigenschaften zunutze machen, die sich im Nanomassstab
ergeben.» Die Fähigkeit, Atome anzuordnen und Moleküle
frei zu entwerfen, öffnete die Tür zu Anwendungen, die sich
noch vor ein paar Jahren niemand hätte vorstellen können.
Beispiele ­dafür sind zielgenaue Medikamente und Impfstoffe,
neue Wasserbehandlungssysteme sowie Energieproduktions- und -speicherungstechniken der nächsten Generation.
Nanotechnologische Produkte haben bereits erheblich
zur Entwicklung von effektiveren Medikamenten beigetragen. Im Portfolio von NanoDimension befinden sich mehrere
Biopharmaunternehmen, die neue Therapien gegen Krebs,
Fibrose, Entzündungen und andere Krankheiten entwickeln.
Eine davon ist ARMO BioSciences, ein Unternehmen, das
eine Leitstruktur in klinischen Studien der Phase I testet und
zwei Jahre nach seiner Gründung schon mehr als 200 Pa­
tienten behandelt hat. «Der Forschungsprozess kann so
schnell vorangehen, weil sich mit Nanotechnologie bestehende Komponenten (oder Moleküle) verwenden und neu
zusammenstellen lassen. Diese zielge­nauen Therapien können durch den menschlichen Körper zirkulieren, sich bei einem Krankheitsherd sammeln sowie ihre Wirkstoffe effektiver abgeben, und das genau dort, wo sie benötigt werden.
Das ist keine Science-Fiction: Derzeit führen mehrere Unternehmen in den USA ähnliche klinische Studien durch.»
In Ländern wie Israel oder Singapur wird Abwasser mehrmals zur Wiederverwendung aufbereitet. Mit der bestehenden Nanofaser-Technologie lassen sich bereits heute volle
99 Prozent der Verunreinigungen einschliesslich Viren und
Bakterien ausfiltern. Allerdings gelangen auch Hormone aus
Landwirtschaft und Industrie ins Abwasser, die sich mit den
heutigen Methoden noch nicht eliminieren lassen. Dies kann
erhebliche Störungen ganzer Ökosysteme auslösen: «Es gibt
Flüsse, in denen alle Fische weiblich sind, und Regionen, in
denen alle Mädchen im Alter von acht Jahren fruchtbar
werden. Wenn wir Nanopartikel so funktionalisieren können,
dass sie Krebszellen im menschlichen Körper identifizieren,
dann bin ich überzeugt, dass das Gleiche bald auch mit
funktionalisierten Nanomembranen zum Ausfiltern dieser
Wirkstoffe möglich ist», so Sallin.
Weltweites Bevölkerungswachstum, veränderte Demografien und die zunehmende Urbanisierung werden einen
enormen Druck auf unsere bestehenden Energieressourcen
ausüben – aber auch hier kann Nanotechnologie helfen.
«Der Klimawandel und die explosiv steigende Energienachfrage sind Realitäten. Wir sind die letzte Generation, die
­etwas dafür tun kann, um diese Trends umzukehren», sagt
Sallin, der vom Weltwirtschaftsforum zu einem Young Global
Leader gekürt wurde. Sowohl die Speicherung von Elektronen als auch die Konvertierung von Photonen spielen sich
im Nanomassstab ab. Effizientere Batterien, Solarzellen,
Nanotechnologie heute und morgen
Zur Erläuterung zeigt Sallin ein Röntgenbild vom dreifach
negativen Brustkrebstumor einer Patientin und erklärt: «Fast
90 Prozent dieses Tumors waren vier Wochen nach Beginn
der Behandlung mit einem der Medikamente aus den klinischen Studien verschwunden.» Sallin hofft, dass diese Therapien in naher Zukunft von den Gesundheitsbehörden zugelassen und kommerzialisiert werden. Nanotechnologie wird
auch dazu genutzt, ­Materialien und Geräte zu entwickeln,
die sich an der menschlichen Biologie orientieren. In solchen
Geräten kommen Nanotechnologie-Aspekte aus Physik und
Biowissenschaften zusammen: Hier wachsen in mikromechanischen Umgebungen, in denen sich physiologische Bedingungen besser nachbilden lassen als mit traditionellen Methoden, lebende menschliche Zellen heran oder vermehren
sich im Blut. Diese Technologie ermöglicht einen Blick auf
die Abläufe im Innern des menschlichen Körpers und erlaubt
so bessere Vorhersagen über die Reaktion auf Medikamente,
Chemikalien oder Lebensmittel als traditionelle Zellkulturen
oder Tierversuche. Sallin blickt voraus: «Daraus könnte die
ultimative personalisierte Medizin der Zukunft hervorgehen:
Man könnte potenzielle Therapien mit personalisierten Chips
testen, bevor sie am Patienten angewendet werden.»
«Organs-on-Chips» imitieren menschliche Biologie.
37
VORREITER
Ein Nanoteilchen ist 1 bis 100 Nanometer gross.
Technologien zur CO2-Abscheidung und andere Lösungen
im Energiebereich werden künftig auf Nanotechnologie
­basieren. Diese bietet umfangreiche Anwendungsmöglichkeiten sowohl bei der Energiespeicherung als auch bei der Erzeugung von Solarstrom. Nanomaterialien in Lithium-­IonenBatterien könnten beispielsweise die Speicherkapazität
erhöhen. Ebenso liesse sich mit Nanomaterialien dafür sorgen, dass Solarzellen effizienter Licht ernten und Strom produzieren. Wenn sowohl Batterien als auch erneuerbare Energie effizienter und günstiger werden, dürfte die Nach­frage in
den kommenden Jahren weiter steigen.
Nanotechnologie kann auch einen Beitrag zu nachhaltigeren Städten leisten. Das Unternehmen View Dynamic
Glass, ebenfalls im Portfolio von NanoDimension, hat ein
Glas mit einer elektrochromen Innenbeschichtung ent­
wickelt, das bei Bedarf verdunkelt werden kann. Dadurch
lässt sich steuern, wie viel Licht und Wärme in ein Gebäude
gelangt, ohne dass die Durchsicht verloren geht. Beim Anlegen einer Spannung bewegen sich Ionen zwischen mehreren
auf dem Glas aufgebrachten Schichten und halten so unerwünschte Strahlen und Wärme ab. Der Energie­verbrauch eines Gebäudes kann auf diese Weise um bis zu 20 Prozent
gesenkt werden. Ausserdem steigert die präzise Anpassbarkeit der Umgebung den Komfort für die Bewohner.
Wissenschaft aus dem Labor in die Produktion zu holen,
benötigt Zeit, Infrastruktur und Kapital. Bei View Dynamic
Glass hat es ungefähr acht Jahre gedauert. Eine einzelne Fabrik habe das Poten­zial, pro Jahr und Produktionslinie einen
Gewinn von USD 125 Millionen zu erzielen, lasse sich aber für
nur USD 100 Millionen aufbauen, rechnet Sallin vor. Wenn
man also davon ausgeht, dass 10 Prozent aller neuen Gewerbeimmobilien weltweit mit dynamischem Glas ausgestattet
werden, bräuchte man allein für diese Nachfrage ungefähr
500 Fabriken. Sallin dazu: «Genau darum geht es bei Nanotechnologie: einen ganzen Sektor aufzubrechen, ein echtes
Problem zu lösen und sich zu einem höchst bedeutenden
Akteur zu entwickeln.»
Der Nanotechnologie-Markt wächst rasant. So bezifferte
BCC Research den Umsatz mit nanotechnologischen Pro-
VORREITER
38
dukten im vergangenen Jahr auf USD 26 Milliarden, nach
­einer Prognose der Marktforschungsfirma RNCOS soll er bis
2020 auf USD 76 Milliarden steigen. «Die erste Generation
der ­Nanotechnologie ist schon da, und erste Auswirkungen
auf alle anderen Branchen sind bereits deutlich spürbar.»
Allerdings weiss er auch, dass der Weg nicht leicht werden wird. In Europa, so Sallin, gebe es die Tendenz, vor allem
auf die Risiken von neuen Technologien zu schauen, und
auch in den USA seien die Behörden bei neuen Nanoanwendungen vorsichtig. Die US Food and Drug Administration
(FDA) hat ein spezielles Programm zur Prüfung von Nano­
partikeln und Nanostrukturen auf mögliche toxische Wirkungen aufgelegt. «Die wissenschaftliche Gemeinde nimmt
diese Sicherheitsfragen sehr ernst», betont Sallin. Trotz des
heutigen, enormen Potenzials musste er mit seinem Unternehmen in die USA expandieren, weil es in ­Europa nicht genügend überzeugende Investitionsmöglichkeiten gab. Mit
Teams in der Schweiz und im Silicon Valley profitiert NanoDimension jetzt von weltweiten Transaktionen und kann
Infrastruktur und Talente nutzen. «Es gibt in Europa keinen
Mangel an brillanten Wissenschaftlern und führenden Universitäten, aber anders als in den USA fehlt es hier an Infrastruktur, Technikern, Entrepreneuren und einer Risikokultur.»
Silicon Valley als Vorbild
Sallin würde es begrüssen, wenn Politiker verstehen könnten, was grundlegende Innovation heute bedeutet und erfordert – nicht nur theoretisch, sondern auch konkret in der Praxis. Die Globalisierung von Technologie verlangt, dass die
Wissenschaft rasch aus dem Labor heraus- und in ein Umfeld hineinkommt, das Skalierung, Produktion und Kommerzialisierung ermöglicht. Europa beschäftigt sich in seinen
Augen zu sehr damit, mit Forschungsbeihilfen Doktorarbeiten zu finanzieren. Wichtiger wäre, Zentren für Produktion
und Kommerziali­sierung zu schaffen, in denen Ökosysteme
für Innovation entstehen können. Dieser Prozess werde einige Zeit in ­Anspruch nehmen.
«Ohne die Möglichkeiten des Silicon Valley wären wir
nicht in der Lage gewesen, aus Wissenschaft Technologie zu
machen», sagt Sallin. Produktion in grossem Massstab lässt
sich überall ansiedeln. Europa und die Schweiz müssen
­deshalb bereit sein, Chancen für den Aufbau von HightechProduktionszentren und die Schaffung von hochwertigen
­Arbeitsplätzen in der Produktion zu nutzen. «Solche Produktionszentren können das Ökosystem schaffen, in dem Innovation entsteht, genau wie im Silicon Valley.» Sallin rät jedem, der in den Nanotechnologie-Markt einsteigen möchte,
diesen Schritt sehr pragmatisch zu hinterfragen und den Fokus aufs Produkt zu legen: «Fragen Sie sich selbst, ob Sie eine
bessere Wertschöpfung für Ihr Produkt, ­einen klareren Kostenvorteil und einen effizienteren Herstellungsprozess bekämen als mit anderen Technologien. Lautet die Antwort Ja,
­legen Sie los. Lassen Sie sich nicht von all den anderen Dingen ablenken, die mit dieser Technologie möglich wären.»
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Die StädtE
der Zukunft
Die anhaltende Wanderungsbewegung in die Städte führt zur Entwicklung neuer
Technologien, die das urbane Leben nachhaltig gestalten sollen. Selbstfahrende Autos,
automatisierte Gebäude und vernetzte Informationstechnologie sind bereits Realität
und geben einen Einblick in eine Zukunft, die unsere Art zu leben deutlich verändern
wird. Zwei führende Experten berichten über ihre Vision für die Stadt der Zukunft und
erklären, warum Wandel nötig ist und wie er sich vollziehen wird.
Autor: Stuart Spear
Ob Sie Städte lieben oder nicht – es wird sie immer­
geben, und sie werden immer grösser. Wenn Menschen in
den 1960er- und 1970er-Jahren über nachhaltiges Leben
sprachen, dachten sie meist an ländliche Idyllen. Die Zurückaufs-Land-Bewegung sah die Abwanderung aus den Städten
als unsere Rettung an. Leben im Einklang mit der Natur­
sollte die gesellschaftlichen und ökologischen Probleme
­lösen, die durch die Urbanisierung entstanden waren.
Heute hat sich diese Sichtweise umgekehrt. Experten
sprechen davon, wie innovative Designs, Technologie und
Planung unsere Städte so umgestalten werden, dass sie zum
Vorbild für Nachhaltigkeit werden. Wenn wir eng zusammenleben, können wir Energie effizient einsetzen, Recycling
betreiben, Ressourcen teilen, weniger reisen und so letztlich
unsere schädliche Auswirkung auf die Umwelt auf einem bereits überlasteten Planeten verringern.
Für den Weg zur nachhaltigen Stadt gibt es keine
­Patentlösung. Ein Bewohner von Dhaka in Bangladesch wird
andere Prioritäten und Probleme haben als Menschen in
London oder Zürich. Alle grossen Städte haben aber eines
gemeinsam: Sie wachsen, jedoch nicht mehr nachhaltig. Alex
Steffen ist Umweltjournalist und berichtet seit vielen Jahren
über die Herausforderungen unseres Planeten. Für ihn sind
die ländlichen Träume der 1960er- und 1970er-Jahre gescheitert, weil sie auf einer einfachen Selbsttäuschung
beruhten: Die meisten Leute, die aufs Land zurückkehrten,
taten dies nicht etwa, um ökologische Landwirtschaft und
nachhaltige Forstwirtschaft zu betreiben oder ein Leben im
Einklang mit der Natur zu führen. Vielmehr exportierten sie
einfach ihren alten Lebensstil von der Stadt aufs Land.
Millionen ziehen in die Städte
«Wenn Menschen aufs Land ziehen und dort ihren früheren städtischen Lebensstil weiterführen, ist das die am wenigsten nachhaltige Art zu leben», sagt Steffen, unter anderem ­Autor der Bücher «Carbon Zero: Imagining Cities That
Can Save the Planet» und «World Changing: A User’s Guide
for the 21st Century». «Angenommen, Sie leben zwei Stunden entfernt von der nächsten grossen Stadt auf einem grossen Grundstück, das Sie als Garten oder Landschaft gestal-
ten, fahren aber trotzdem mit dem Auto überall hin und
leben so wie früher in der Vorstadt: Das hat keinerlei ökologische Vorteile, sondern ist sogar noch schlimmer», erklärt er.
«Wenn es um unsere Zukunft geht, sollten wir uns aus
pragmatischen Gründen zuerst Gedanken über die Stadt
machen», sagt Steffen, der sich selbst als «Planet-Futuristen» bezeichnet. Er beschäftigt sich mit Zukunftsfragen, die
Bedeutung für die ganze Welt haben, insbesondere in den
Bereichen Urbanisierung und Nachhaltigkeit. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO leben derzeit 54 Prozent der
Weltbevölkerung in urbanen Räumen – im Jahr 1960 waren
es 34 Prozent; pro Jahr soll dieser Anteil künftig um weitere
1,8 Prozent steigen. «Wir sind eine Spezies, die sich schnell
urbanisiert, sodass bis Mitte des Jahrhunderts drei Viertel
der Weltbevölkerung in Städten und 95 Prozent in einer Entfernung von maximal zwei Stunden zur nächsten grossen
Stadt leben werden. Wir werden also auf überwältigende
Weise mit unseren Städten verbunden sein», sagt Steffen.
Wirtschaftliche Faktoren zählen zu den wichtigsten
­Treibern dieser Entwicklung. In den Städten sind unsere
Volkswirtschaften zuhause, in ihnen bieten sich die meisten
Gelegenheiten, und der Handel floriert. Städte sind ein
fruchtbarer Boden für neue Ideen sowie ein Hort für Kultur,
Kunst und Innovation. Aus diesem Grund verlaufen die
­Migrationsbewegungen weltweit vom Land in die Städte.
Für Stadtplaner liegt die unmittelbare Herausforderung
darin, die wachsende Bevölkerung auf nachhaltigere Weise
unterzubringen. Laut Steffen wird das auf ein Bauen in die
Höhe hinauslaufen, sodass Hochhäuser ein immer gewohnterer Anblick werden dürften. «Man kann die Städte nicht
nachhaltig grösser machen, wenn man ihr Wachstum nicht
konzentriert», sagt Steffen. «Würde man die chinesische
Stadtbevölkerung so verteilen, dass sie nur noch so dicht zusammenlebt wie zum Beispiel die Leute in Houston in den
USA, erforderte dies Tausende Quadratkilometer Platz. Wir
können nicht Milliarden zusätzliche Menschen in Städten
­unterbringen, indem wir diese sich weiter nach aussen hin
ausbreiten lassen.»
Die Bevölkerungsdichte dürfte in Zukunft also noch zunehmen, doch Steffen geht davon aus, dass dies auch Chancen bringt, nachhaltiger zu leben. «Die Dichte der Städte
41
VORREITER
Masdar City in Abu Dhabi ist eine Stadt der Zukunft.
gibt uns die Möglichkeit, Dienste und Infrastrukturen aufzubauen, die bei geringerer Dichte nicht möglich sind. Das ist
ein direkter Vorteil der Konzentration einer hohen Zahl von
Menschen auf einem Gebiet», sagt Steffen.
Die unmittelbarsten Vorteile ergeben sich durch Skaleneffekte. Beispielsweise lassen sich dicht zusammenlebende
Menschen leichter mit nachhaltiger Energie versorgen als
eine Bevölkerung, die über eine lockere Vorstadtbebauung
verteilt ist. Auch das Abfallmanagement ist einfacher. Wenn
wir näher an unseren Arbeitsplätzen leben, werden nachhaltige Transportnetze realistischer. Durch effiziente Planung
werden wir in der Lage sein, die meisten Ziele zu Fuss oder
mit dem Fahrrad zu erreichen. Die Gebäude, in denen wir leben und arbeiten, werden weitaus weniger Energie für den
Betrieb benötigen. Und technische Innovationen sowie Rechengeschwindigkeit werden so sehr zunehmen, dass eine
total vernetzte Welt entsteht, in der wir materielle wie gesellschaftliche Ressourcen deutlich effizienter nutzen können.
Als Beispiel dafür, wie veraltet das aktuelle Denken in Bezug auf die Nutzung von Ressourcen ist, verweist Steffen auf
den Besitz von Autos: «Es gibt eine enorme Bandbreite an
Möglichkeiten, wie man die riesige Zusatzkapazität nutzen
könnte, die in jedem Fahrzeug schlummert – die meisten
stehen 23 Stunden am Tag nur da. Man stelle sich stattdessen ein selbstfahrendes Auto vor, das fast 24 Stunden am
Tag unterwegs ist. Dieses würde weitaus mehr Fahrten ermöglichen, als der beste Uber-Fahrer schaffen kann, und
zwar zu deutlich niedrigeren Kosten und ohne dass Sie das
Auto jemals parken müssen – ausser zum Aufladen, wenn es
elektrisch ist. Wenn man das mit anderen grossen Änderungen zusammennimmt, etwa der Fähigkeit, dank Verbraucherdaten und geeigneter Software immer genauer vorherzusagen, was kurzfristig passieren wird, dann wird es vielleicht
irgendwann möglich sein, ein Auto zu den Leuten zu schi-
VORREITER
42
Die Architektur sorgt für ein Maximum an Schatten.
cken, bevor diese überhaupt wissen, dass sie eines brauchen», erklärt er. Natürlich ist der Einsatz von Informationstechnologie nicht auf den Verkehrsbereich beschränkt. Sie
lässt sich für jeden Aspekt unseres Lebens verwenden, solange wir nah genug beieinander leben, um Ressourcen gemeinsam zu nutzen. «Wir sprechen hier über eine kooperativere
Lebensweise. In sämtlichen wichtigen Teilen der Volkswirtschaft, mit denen ich mich bisher ge­
nauer beschäftigen
konnte, spielt sich eine vergleichbare Entwicklung ab.»
Intelligente Städte sind im Kommen
Ein Besuch im Songdo International Business District,
65 Kilometer südwestlich von Seoul in Südkorea, bietet einen
Blick auf die Art von Zukunft, wie sie Steffen vorschwebt.
Songdo gilt als «die intelligenteste Stadt der Welt» und wurde komplett neu auf Land erbaut, das man dem Gelben Meer
abgerungen hatte. Sie ist zu 60 Prozent fertiggestellt und hat
derzeit 70 000 Bewohner; bis zur Fertigstellung im Jahr
2018 soll sich diese Zahl verdreifachen.
Hoch aufragende Wohngebäude bedeuten, dass 40 Prozent der Stadt für Freiflächen wie Parks oder einen Golfplatz
reserviert bleiben können. Um eine koordinierte und synchronisierte Stadt zu schaffen, sollen hier jede Dienstleistung
und jedes Gerät an ein Informationsnetz angeschlossen werden. Haustechnik wird per Mobiltelefon gesteuert, Müll über
unterirdische Leitungen abgesaugt und dann automatisch
sortiert, wiederverwertet oder zur Energiegewinnung verbrannt. Fahrräder sind allgegenwärtig, nachts werden sie in
ordentlichen Reihen vor den Wohnungen abgestellt. Über
Fussgängerpassagen können die Stadtbewohner Geschäfte
und Restaurants mit Aussensitzplätzen erreichen. Jeder ist
per Video mit jedem verbunden. Sensoren steuern elektrische Hilfen wie etwa Rolltreppen, die aktiviert werden, wenn
man sich ihnen nähert.
Eine weitere Stadt der Zukunft ist Masdar City in Abu
Dhabi. Sie ist in der gnadenlosen Hitze der arabischen ­Wüste
am Entstehen und soll 2025 fertig sein. Die Gebäude werden
mit Solarstrom versorgt und sollen nur so viel Energie verbrauchen, wie sie erzeugen. Es gibt keine Lichtschalter oder
-regler, nur Sensoren. Passivhaus-Technologien minimieren
den Energiebedarf zur Kühlung, die Strassen sind in Anlehnung an traditionelle arabische Bauweisen schmal und gut
beschattet. Allgemein ist die Stadt so angelegt, dass möglichst viel Schatten entsteht, und ein Windtunnel leitet kühle
Luft durch die Strassen. Im Nahen Osten werden normalerweise 60 Prozent des Energiebedarfs von Gebäuden für die
Kühlung aufgewendet. Masdar City konnte diesen Wert auf
die Hälfte reduzieren.
Hitze erzeugende fossile Brennstoffe wird man in Masdar
City vergeblich suchen. Konventionelle Autos bleiben am
Rand der Stadt, denn diese bekommt ein Netz aus fahrerlosen Elektrofahrzeugen, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Damit ist Masdar City ein wichtiger Ort, um sich
über nachhaltige Konzepte zu informieren. Im Stadtzentrum
befindet sich das Masdar Research Institute, das Studenten
aus aller Welt aufsuchen, um mehr über modernste Entwicklungen zu erfahren. Das Institut steuert Forschung und Theorie bei, dann werden die Theorien an Pilotstandorten getestet und technisch optimiert. Zuletzt folgen Anwendung und
Kommerzialisierung in der gesamten Stadt.
Die meisten Städte wachsen über
einen langen Zeitraum
Anders als Songdo und Masdar, die am Reissbrett entstanden, entwickeln sich die meisten Städte über eine lange
Zeit. Ihre Geschichte beginnt mit einem natürlichen Meer­
zugang, einer Kreuzung auf Handelsrouten, einer Brücke
oder fruchtbarem Land. Singapur ist ein gutes Beispiel dafür.
1819 traf der britische Staatsmann Sir Stamford Raffles
hier ein und fand nur tropischen Dschungel vor. Heute hat
die 700 Quadratkilometer grosse Insel dank ihrer idealen
Lage für den Handel zwischen Indien und China bald 5,5 Millionen Einwoh­
ner und beherbergt den zweitwichtigsten
­Hafen der Welt.
Professor Peter Edwards leitet das Future Cities Laboratory am Singapore-ETH Centre for Global Environmental
Sustainability. Das Labor ist ein interdisziplinäres Forschungsprogramm mit dem Ziel, Ideen und Wissen zu ent­
wickeln, um Städte und urbanen Lebensstil nachhaltig zu
machen. Es bringt unterschiedliche akademische Fachrich-
«Wir werden bald an die Grenze dessen
stossen, was mit stark zentralisierten
Städten möglich ist. Also müssen wir
unsere Städte so weiterentwickeln, dass
sie natürlichen Ökosystemen ähneln.»
Professor Peter Edwards, Leiter des Future Cities Laboratory
tungen partnerschaftlich zusammen und ist stolz darauf,
kreative Lösungen für die Herausforderungen des städtischen Lebens beizusteuern. «Man kann ein Problem wissenschaftlich und technisch hervorragend verstanden haben,
aber wenn die Gestaltung nicht stimmt und man keine angenehme Umgebung zum ­Leben geschaffen hat, wird niemand
dort leben wollen», ­erklärt Edwards. «Man braucht diese
Designkomponente. Es ist enorm wichtig, beim Entwickeln
einer Vision für eine ­Zukunft mit mehr nachhaltiger Technologie auch Architekten hinzuzuziehen.»
Regenwälder als Vorbild für Städte
Professor Edwards hat seine Laufbahn als Botaniker begonnen. Deshalb versteht er die Geschichte von Raffles und
Singapur als Anhaltspunkt dafür, in welche Richtung uns
die nachhaltige Stadt führen wird. «Als Raffles dort ankam,
gab es den tropischen Regenwald schon seit 80 Millionen
Jahren», erklärt er. «Regenwälder sind hochgradig dezen­
tralisiert: Ihre Produktionssysteme – die Blätter – sind de­
zentralisiert, die Entsorgung von ­Abfallstoffen ist dezentralisiert, und es gibt alle möglichen Arten von homöostatischen
Mechanismen. Moderne industrialisierte Städte dagegen
sind extrem zentralisiert. Sie haben Systeme für die Energieversorgung und die Abfallentsorgung, Ausgleichsmecha­
nismen wie im Regenwald gibt es fast nicht. Diese Zen­
tralisierung wurde grossenteils vom Wunsch nach mehr
wirtschaftlicher Effizienz getrieben, doch die Folge davon ist
ein zunehmendes ökologisches Ungleichgewicht, sodass
Städte an Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit eingebüsst haben.»
Edwards glaubt, dass der Regenwald eine Lehre über die
Zukunft der nachhaltigen Stadt für uns bereithält. Gebäude
werden wie Bäume autonom sein müssen, indem sie ihr eigenes Wasser sammeln und vielleicht zu einer umfassenderen
Wasserversorgung beitragen. Sie müssen energieneutral sein
und Energie über Photovoltaik ernten, und auch ihre Nährstoffbilanz muss ausgeglichen sein. «Wir werden bald an die
Grenze dessen stossen, was mit stark zentralisierten Städten
möglich ist. Also müssen wir unsere Städte so weiterent­
wickeln, dass sie natürlichen Ökosystemen ähneln», sagt er.
Die Arbeit des Future Cities Laboratory bringt uns dieser
Vision einen Schritt näher. Ein Beispiel dafür ist ein aktuelles
Projekt, bei dem Edwards’ Team daran arbeitet, den Energie-
43
VORREITER
bedarf für die Kühlung von Gebäuden um bis zu 40 Prozent
zu senken. Das könnte massive Energieeinsparungen für Singapur bringen, wo 70 Prozent des gesamten Gebäudeenergiebedarfs für Kühlung anfallen. Spannend an dieser Technologie ist, dass sie auf gewerblich genutzte Bauten ausgelegt
ist und den Bedarf an Rohrsystemen zur Kühlung verringern
soll. Das Projekt hat den Namen «3für2», weil man drei Etagen bauen kann, wo es jetzt üblicherweise zwei gibt, wenn
weniger sperrige Kühlungskanäle gebraucht werden.
Die Technologie hat ihren Ursprung in Zürich. Sie wurde
in der Schweiz vor allem zum Heizen genutzt und weniger
zum Kühlen. Mit denselben Prinzipien und ein paar zusätz­
lichen Techniken wie einer Luftentfeuchtung eignet sie sich
jedoch auch für die Tropen, und die Ergebnisse könnten wegweisend sein. Ausserdem arbeiten Architekten, Designer und
Ingenieure aus Edwards’ Labor in Singapur gemeinsam daran, einigen alten Einkaufsvierteln neues Leben einzuhauchen. «Es gibt hier immer noch viele traditionelle Ladenzeilen mit kleinen Wegen zur Anlieferung dahinter, ein bisschen
wie in einer Londoner Geschäftsgasse. Aber nach hinten blasen Hunderte von Klimageräten heisse Luft heraus und verwandeln die Lieferwege in ein schreckliches Umfeld, eine Art
­inneren Kreis der Hölle», erklärt Edwards. «Würden wir an
der Rückseite der Häuser stattdessen unsere neue Kühlungstechnologie einsetzen, könnte aus dieser Hölle eine wunderbare Umgebung entstehen, eine nette Gasse mit kleinen
­Cafés, Bäumen und Sitzgelegenheiten.»
Informelle Siedlungen
nachhaltiger gestalten
Bei Jakarta läuft derzeit ein weiteres Projekt zur Aufwertung einer bestehenden Stadt durch Wissenschaft und bessere Planung. Städte in den Entwicklungsländern wachsen
häufig auf chaotische Weise – es entstehen informelle Siedlungen, die den Zustrom neuer Bewohner vom Land aufnehmen. Der Grossraum Jakarta ist dadurch von 3 Millionen
Einwohnern in den 1970er-Jahren auf heute 30 Millionen gewachsen. Der Verlust von Grundwasser hat dazu geführt,
dass die tief liegenden Gebiete, auf denen sich die Siedlungen befinden, absacken, sodass Überflutungsgefahr besteht.
Trotzdem werden die Flüsse für alles genutzt – von der Kanalisation bis zur Trinkwasserversorgung.
Anstelle der drastischen Option, die Menschen zu vertreiben und in Hochhäuser am Rand der Stadt zu verbannen,
lässt die Regierung ein multidisziplinäres Team des Future
Cities Laboratory erkunden, wie sich die informellen Siedlungen nachhaltiger gestalten lassen. «Die Community und
ihren Lebensraum zu zerstören, ist keine gute Idee. Also wollen wir diesen Menschen mit guter Planung und guter Technologie helfen, ihre Gemeinschaften weiterzu­entwickeln und
Stück für Stück weiterzuwachsen», sagt ­Edwards.
Hydrologen und Landschaftsarchitekten beschäftigen
sich mit einer Sanierung des Flusses Ciliwung, die Überflutungsschutz, Wasserqualität, Kultur und Umwelt gleicher-
VORREITER
44
«In China laufen Investitionen und
Entwicklungen in einem unglaublichen
Tempo ab – rund zehnmal schneller
als die Industrialisierung in England.»
Alex Steffen, Autor und Journalist; er nennt sich selbst «Planet-Futurist»
massen berücksichtigt. Zusammen mit lokalen Behörden
und Stadtplanern arbeiten sie an Konzepten zur ökologischen Aufwertung des Flusses und zur Milderung der Folgen
von Hochwasser. «Im Weiteren haben wir mit der Entwicklung ­eines Gebäudes begonnen, das nach Bedarf wachsen
kann. Grösser werdende Familien könnten dann zum Beispiel
ihr Haus nach oben erweitern, indem sie das Dach anheben
und eine Etage anbauen», erklärt Edwards. «Ausserdem
sieht ­unser Designkonzept dezentrale Systeme für Wassersammlung, Abfallbehandlung und Stromerzeugung vor. Diese Häuser sollen so autonom wie möglich werden, was in Gegenden mit schlecht ausgebauter öffentlicher Infrastruktur
sehr wichtig ist. Hinter all dem steckt die Überlegung, diese
eher chaotisch zusammengewürfelten städtischen Gebiete
mit Planung und passenden Technologien in die Lage zu versetzen, aus ihren Problemen herauszuwachsen und sich besser zu entwickeln.»
Steffen hat sich auch mit den Herausforderungen für
Städte in Entwicklungsländern beschäftigt. Er glaubt, dass
diese Städte paradoxerweise sogar Vorteile gegenüber solchen in den Industrienationen haben könnten, weil in ihnen
nicht so stark in alte Infrastrukturen investiert wird. «Es gibt
viele Autos in den Entwicklungsländern, aber pro Kopf gerechnet sind es deutlich weniger. Die Leute dort haben viel
weniger die fixe Idee, dass ein Auto unverzichtbar sei», erklärt Steffen. «Also ist es im Zug der weiteren Entwicklung
durchaus möglich, dass sich autonome Fahrzeuge in diesen
Städten am schnellsten durchsetzen. Denn dort treten sie
nicht in Konkurrenz zu privaten Autos, sondern zu anderen
Methoden der Fortbewegung.»
Als Beispiel für dieses technische «Leapfrogging» (Überspringen) nennt Steffen China. In Europa beispielsweise
haben sich die Verkehrssysteme über Jahrhunderte ent­
­
wickelt, sodass heute etwa in London Ingenieurwissen aus
viktorianischer oder edwardianischer Zeit die Anforderungen
einer Stadt des 21. Jahrhunderts erfüllen soll. «China dagegen hat gesagt: ‹Gut, wir werden neue Methoden des Bauens
erfinden, und wir werden dies im ganz grossen Massstab tun.
Wir brauchen Beförderungsmöglichkeiten, also werden wir
innert 20 Jahren ein komplettes U-Bahn-System für Schanghai errichten. Wir werden Tausende Kilometer an landes­
weiten Eisenbahnstrecken bauen.› Und so weiter. In China
laufen Investitionen und Entwicklungen in einem unglaub­
lichen Tempo ab – rund zehnmal schneller als die Industrialisierung in England», erklärt Steffen.
Kopenhagen ist mit seinen vielen Fahrrädern ein gutes Beispiel für eine nachhaltige Stadt.
Was bedeutet das für die sich langsamer entwickelnden
historischen Städte beim Rennen um mehr Nachhaltigkeit?
Wie Edwards erklärt, wurden viele von ihnen vor der Erfindung des Autos gebaut, sodass ihr Kern hinsichtlich Strassenführung und Dichte an sich gut für nachhaltiges Leben
geeignet ist. «So gesehen liegt das grössere Problem vielleicht in der beträchtlichen Ausbreitung an den Rändern, die
mit der Verbreitung von Autos eingesetzt hat», sagt er. Mittelfristig reiche es möglicherweise aus, Häuser, die vor mehr
als 100 Jahren gebaut wurden, zu modernisieren. Auf lange
Sicht aber müssten sie komplett durch etwas Effizienteres
abgelöst werden.
Kosten für Wohnraum
müssen sinken
In allen bedeutenden Städten der Welt gibt es aber ein
Problem, das sehr kurzfristig gelöst werden muss: die Kosten
für Wohnraum. Das Ungleichgewicht von Angebot und
Nachfrage verzerrt die Immobilienmärkte so sehr, dass bereits ganze Volkswirtschaften in Mitleidenschaft gezogen
und vor allem jüngere Generationen benachteiligt werden.
«Über eines bin ich mir relativ sicher: In Kürze werden die
durch Nichtreagieren generierten Kosten so schnell steigen,
dass eine Stadt nach der anderen schlagartig realisieren wird,
wie viel vorteilhafter es ist, neue Infrastrukturen zu bauen,
neue Strategien auszuprobieren und besser zu planen, als
beim Status quo zu bleiben», sagt Steffen. «Das aktuelle System ist bis an den Rand des Zusammenbruchs ausgereizt –
nicht nur in London, sondern überall. Wenn man sich die
Wohnkosten, die Fahrtzeiten und den Rückstau bei Infrastrukturarbeiten ansieht, den es inzwischen in fast jeder
Stadt der Welt gibt, sieht man, wie das Niveau der öffentlichen Dienstleistungen sinkt. Manche Städte halten sich
besser als andere, aber nirgendwo läuft es so gut, wie die
Bürger es erwarten.»
Insgesamt sind Professor Edwards und Steffen gleichermassen optimistisch für die Zukunft. Als ihr wohl liebstes
Beispiel für eine nachhaltige Stadt nennen beide Experten
Kopenhagen – wegen seiner Fahrräder, seiner guten Fuss­
wege, seiner grünen Initiativen und weil es auf mehrere
­Zentren ausgelegt ist.
Wie wird die Stadt der Zukunft in 20, 50 oder 100 Jahren
aussehen? In 20 Jahren werden autonome Gebäude Einzug
gehalten haben. Stadtplaner werden gezwungen worden
sein, das Problem der Wohnraumknappheit anzugehen, und
die Technologiemärkte werden reife Lösungen etwa für automatisierten Verkehr zur Verfügung stellen. In Steffens Augen
wird gesellschaftlicher und politischer Druck eine plötzliche
Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit ausgelöst haben, weil
immer mehr Menschen den Status quo infrage stellen und
erkennen, dass schrittweiser Wandel nicht mehr ausreicht.
In 50 Jahren wird die polyzentrische Stadt der Normalfall
sein, weil Cybertechnologie die Notwendigkeit, zur Arbeit
zu pendeln, hat verschwinden lassen. Doch es wird noch
100 Jahre dauern, so glaubt Edwards, bis sein ultimativer
Traum Wirklichkeit geworden ist: eine Stadt, die sich in einem
echten ökologischen Gleichgewicht befindet.
45
VORREITER
claudia comte
46
Versteckt in einer
­Berliner Nebenstrasse,
in einem Gebäude,
das an eine Lagerhalle
in einem Industriegebiet
erinnert, liegt das Atelier
von Claudia Comte.
Sie gilt als eine der
20 vielversprechendsten
jungen Künstler der
Schweiz. Obwohl erst
Anfang 30, hat sich
Comte durch Ausstellungen unter anderem in
New York, Paris, London,
Brüssel und Zürich bereits einen Namen in der
Kunst­szene gemacht.
Autorin: Michèle Bodmer
In diesem Jahr hat Claudia Comte einen ihrer bislang anspruchsvollsten Aufträge bekommen: eine grossformatige
Skulptur für einen prominenten Ort in London. Ab dem Jahr
2018 soll das Werk zu sehen sein, genauere Informationen zu
Standort und Datum werden erst kurz vor der Enthüllung bekannt gegeben. «Dieser Auftrag ist hinsichtlich Umfang,
Produktion und Budget der nächste grosse Schritt nach vorn
in Comtes Entwicklung», sagt Chaja Lang, Mitgründerin der
Zürcher Galerie BolteLang, von der Comte vertreten wird.
«Wir sind sicher, dass sie und ihr sehr professionelles Studio
in der Lage sind, auch in Zukunft ähnlich grosse Produktionen zu bewältigen.»
Comtes Arbeiten bewegen sich zwischen Bildhauerei,
Malerei und Videokunst – sogar computergestütztes Design
zählt zu ihren Medien. Sie spricht genauso gerne über den
«Reitausflug» nach Kirgisistan, den sie kürzlich für ein Videoprojekt unternommen hat, wie über ihre neuesten Kreisbilder,
die sie selbst als Wandskulpturen bezeichnet, und über ein
weiteres aktuelles Projekt, für das sie quaderförmige, versengte Holzskulpturen vor einer mit grafischen Mustern gestalteten Wand platziert. Bekannt ist sie vor allem wegen
ihrer abstrakten Skulpturen aus Holz. Hier hat sie auch ihre
Wurzeln: Die Künstlerin verbrachte ihre Kindheit in den Wäldern von Grancy, einem Schweizer Dorf rund 20 Kilometer
vom französischsprachigen Lausanne entfernt. Wenn sie von
der Energie und den typischen Farben von Holz erzählt,
spricht aus ihr eine Leidenschaft, die eine tiefe ­Vertrautheit
mit diesem Werkstoff zeigt. «Ich bin in einem Chalet im Wald
aufgewachsen. Das hatte grossen Einfluss auf mein Verhältnis zur Natur und auf meine Arbeitsweise», erklärt sie.
VON DER NATUR IN DIE STADT
Auf ihrem Weg von den Schweizer Wäldern in ihr Berliner
Grossstadtatelier hat Comte viel erlebt. Sie wohnte in Rom,
Berlin, Paris und Johannesburg und hat drei bedeutende
Schweizer Kunstpreise gewonnen: den Swiss Art Award, den
Kiefer Hablitzel Preis und den Prix Mobilière. Ihr jüngster
Coup ist der rasante Aufstieg in der 22. jährlichen Rangliste
der «50 besten Künstler der Schweiz» des Wirtschaftsmagazins «Bilanz». Darin nimmt sie Platz 18 ein, nach Platz 44 im
Jahr 2014 und ihrem Debüt 2013. Barbara Staubli, Kuratorin
der Julius Bär Kunstsammlung und Mitglied der «Bilanz»-­
Jury 2014 und 2015, erklärt die Gründe für diesen Sprung:
«In den letzten Jahren hatte Comte eine Reihe von beeindruckenden Ausstellungen und Projekten in der Schweiz und im
Ausland, unter anderem im Centre PasquArt in Biel, im Centre Culturel Suisse in Paris und – in diesem Jahr – eine Einzelausstellung in der Gladstone Gallery in New York. Ihr Platz in
der Rangliste 2015 ist das Ergebnis eines starken und überzeugenden Auftretens in der Kunstszene.»
Für ihre Kunst reist Claudia Comte durch die ganze Welt,
doch das geliebte Holz für ihre Skulpturen bezieht sie weiterhin aus den Wäldern ihrer Kindheit. Sie lagert es im Chalet,
in dem ihre Eltern noch heute wohnen, und arbeitet dort
47
Kunst
manchmal auch daran. «Der Wald ist für mich wie eine Art
Weinkeller», erklärt sie. «Ich spreche mit den Holzfällern aus
der Gegend, um genau das richtige Werkstück für eine Skulptur zu finden. Denn von aussen offenbart Holz seinen Charakter nicht auf Anhieb. Eibenholz beispielsweise, der RollsRoyce unter den Hölzern, ist sehr wertvoll und teuer und hat
ein fantastisches Farbspiel. Im Rohzustand ist das nicht zu
sehen, erst wenn man das Holz bearbeitet und poliert, kommen seine unglaublich schönen Farben zum Vorschein.»
Sie weiss genau, wie stark die verschiedenen Hölzer beim
Trocknen schrumpfen, wo und wie sich Risse bilden und wie
man das Material behandeln muss, damit seine Schönheit
voll zum Ausdruck kommt. In ihrem Atelier lagert sie gebrauchsfertige Rohlinge aus Eiche, Birne, Akazie, Walnuss,
Kirsche und ­Zeder. Dieser Vorrat sei allerdings nichts im Vergleich zu dem, was sie im Wald aufbewahre, sagt Comte.
Die Skulptur steht bei Comte an erster Stelle. Vor der Entscheidung über das passende Material legt sie ihre Form fest.
«Ich fertige zuerst eine präzise Zeichnung an, dann ein Tonmodell, und ganz zum Schluss wähle ich das Material für die
Skulptur aus», erklärt sie. «Allein das richtige Holz zu finden,
macht die Hälfte meiner Arbeit aus. Jetzt, wo ich meine
Skulpturen verkaufe, kann ich mehr in das Material investieren und so noch präziser arbeiten. Was mich fasziniert, ist die
Art und Weise, wie Bäume auf ihren Standort reagieren. Das
Holz entwickelt eine ganz besondere Energie, je nachdem, ob
es in der Nähe eines Flusses oder im Wald gewachsen ist.»
EINE MEISTERIN IHRES FACHS
Comte arbeitet gerne schnell – ein Grund, warum sie am
liebsten zur Kettensäge greift. Normalerweise schneidet sie
die Skulpturen gleich im Wald zu und bringt sie dann für den
letzten Schliff in ihr Atelier. Anfangs benutzte sie noch die
elektrische Kettensäge ihres Grossvaters. Doch das Gerät
ging nach wenigen Stunden kaputt, weil Comte sich damit
über viel zu dicke Stämme hermachte. Davon unbeirrt lieh sie
sich im Dorf eine stärkere Kettensäge mit Benzinmotor und
war von deren Geschwindigkeit so begeistert, dass sie dieser
Arbeitsweise bis heute treu geblieben ist. In ihrem Atelier hat
sie gleich fünf Kettensägen unterschiedlicher Grössen. «Den
richtigen Umgang mit der Kettensäge habe ich bei den Waldarbeitern gelernt. Ich hatte noch nie einen Unfall, denn ich
weiss genau, wie ich das Gerät einsetzen muss. Natürlich ist
die Arbeit trotzdem gefährlich wegen der Rückschlaggefahr.
Aber ich weiss, wie ich reagieren muss», sagt sie.
Der Bearbeitungsprozess ist für Comte entscheidend.
Auf einen Tag Sägen kommen sieben Tage Schleifen, anschliessend wird die Skulptur noch gewachst. Das Wachs bezieht die Künstlerin von einem 90-Jährigen aus der Umgebung ihres Heimatdorfes. «Es riecht unglaublich gut und
erzielt genau den gewünschten Effekt.» Auch Comtes Berliner Atelier zeigt ihre künstlerische Vielseitigkeit: Der hohe,
helle und offene Raum erinnert an eine Fabrikhalle, ist aber
so unterteilt, dass trotzdem eine warme und entspannte At-
Kunst
48
mosphäre entsteht. Der Teil für die staubigen Schleifarbeiten
ist getrennt von einem saubereren Bereich zum Malen.
Ausserdem ist das Atelier zweistöckig, mit einer Küche im
unteren und einem Wohnzimmer im oberen Teil. Comtes
zwei Katzen Minus und Cortex streunen frei durch das
Atelier und das Aussengelände.
BERLIN – DIE STADT DER KÜNSTLER
Das Atelier hat sie vor einem Jahr bezogen. Die dynamische Stadt schaffe es, gleichzeitig praktisch und inspirierend
zu sein, sagt Comte. Tatsächlich bietet Berlin die kreative
Freiheit, die eine lebendige zeitgenössische Kunstszene
braucht. Zudem ist Comte froh darüber, dass sie dort vom
kommerziellen Rummel des Kunstmarkts verschont bleibt.
«Hier gibt es zwar eine Kunstszene, aber nicht viel Geld und
auch keine Sammler. Das hat seine Vorteile, denn so verspüren die Künstler weniger Druck, etwas zu verkaufen.»
Ein wichtiger Aspekt von Comtes Arbeit ist die Zeit. Die
Künstlerin arbeitet mit einem Material, das lange zum Reifen
braucht und sich auch beim Trocknen noch leicht verändert.
Gerade deshalb ist ihr bewusst, wie rasant sich im Gegensatz
dazu das Tempo in der Kunstwelt erhöht – es geht mittlerweile alles schon etwas zu schnell, weil immer mehr Künstler
in den Markt drängen. «Interessant finde ich, dass man in der
Kunst rasch Ideen haben muss. Man muss schnell produzieren und auf Anfragen von Museen und Galerien reagieren.
Aber wenn man mit Holz arbeitet, muss man sich auch Zeit
nehmen und vorsichtig sein, weil es Risse bekommen kann.
Holz lässt sich nicht hetzen.»
Die Unerschütterlichkeit ihres Lieblingsmaterials ist eine
Quelle der Inspiration für Comte: «Holz fasziniert mich, weil
es einer der wichtigsten Rohstoffe weltweit ist und schon
lange vor uns Menschen da war. Seine Verbindung zum
­
Handwerk steht für eine Rückbesinnung, und genau das
macht es für mich so interessant. Holz wächst sehr langsam.
Damit setzt es einen Kontrapunkt zu der Hektik, mit der wir
in der digitalen Welt von heute kommunizieren und leben.
Holz hat eine gewisse Schwere. Ich versuche, daraus etwas
Präzises, Radikales und Amüsantes zu schaffen.»
Begonnen hat Comte ihre Laufbahn an der Kunsthochschule Lausanne (ECAL). Für sie sei das eine Art Initiationsritus gewesen, in dessen Verlauf sie endgültig beschlossen
habe, ihr Leben als Künstlerin zu verbringen, erklärt sie.
­Später machte sie einen Master an der Pädagogischen Hochschule (HEP) und unterrichtete Kunst an einer lokalen
­Schule. Dabei habe sie gelernt, den kreativen Prozess zu
strukturieren – so wie man auch den Lernprozess strukturieren müsse, um Teenagern etwas beizubringen. Comte ist
überzeugt, dass sie durch diese Erfahrung heute effizienter
arbeitet, weil sie bei jedem ihrer Projekte auf bewährte Systeme, Regeln und Merkmale zurückgreifen kann.
Zehn Jahre lang hat Comte an den Wochenenden zusätzlich als Kassiererin im Militärmuseum in Morges gearbeitet.
Schon in dieser Zeit verschaffte sie sich Einblicke in den
In der Holzwerkstatt.
Videostandbild aus «La Danse Macabre», 2015.
«Wandgemälde im Freien», Domaine du Muy, 2015.
Claudia Comte mit ihrer Katze Minus vor ihrem Berliner Atelier.
video
www.juliusbaer.com/
vision
Kunstbetrieb: «An der Kunsthochschule habe ich einigen
Freunden aus meinem Jahrgang vorgeschlagen, mit mir gemeinsam eine Ausstellung zu veranstalten. Das war eine
wertvolle Erfahrung. An der Schule wird einem das nicht beigebracht.» Den grössten Einfluss auf ihre Arbeit hatte nach
Comtes eigenem ­Bekunden ein einjähriger Aufenthalt am
Schweizerischen ­Institut in Rom, umgeben von den grössten
Kunstschätzen der Welt. Quellen der Inspiration findet sie
aber überall. Während eines Aufenthalts bei Pro Helvetia in
der südafrikanischen Stadt Johannesburg zum Beispiel entdeckte sie neue, spannende Hölzer für ihr Material-Arsenal.
Dabei ist Comte nicht auf ein bestimmtes Medium festgelegt. «Ich interessiere mich für verschiedene Grundformen, ihre Zusammensetzung, ihre Struktur und dafür, wie
ihre Gestalt – in der Wissenschaft wie in der Natur – eine
wundervolle poetische und mathematische Konsistenz haben kann.» Comtes jüngstes Medium ist das Video. Eines der
Werke aus dieser neuen Richtung trägt den Titel HAHAHA:
Zunächst baute sie aus 18 Pinienstämmen die Buchstaben
dafür. Dann, so beschreibt Comte, erweckte sie diese Skulptur zum Leben – sie steckte sie in Brand, während davor zwei
Pianisten die «Danse Macabre» des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns spielten. «Das ist sehr unterhaltsam, weil an einer Stelle ein Motorrad durch die brennenden
Buchstaben und zwischen die Pianisten springt und vor der
brennenden Skulptur einen Wheelie macht. All das habe ich
auf Video aufgezeichnet.»
Die gleiche Präzision, mit der Comte Holz bearbeitet, legt
sie nun bei ihrer neuen Skulptur für London an den Tag. In
diesem Fall ist ihr Medium allerdings computergeneriertes
Kunst
50
Modelle für geplante Projekte und fertige Holz­
arbeiten von Claudia Comte.
Design. Mithilfe einer Spezialfirma aus Zürich will sie – in
­einem komplexen Prozess mit 3D-Scans und Fräsen – drei
Bananen in einem Käfig perfekt reproduzieren, und zwar in
Aluminium. Die menschengrossen Früchte werden nur von
den Seitenteilen eines vier Meter hohen, rechteckigen Rahmens gehalten und wirken daher, als würden sie im Käfig
schweben. Durch den Rahmen werden die Bananen leicht
eingedrückt, was an die Spannung und die Textur der Skulpturen von Gian Lorenzo Bernini erinnert. Comte beschreibt
die Aktion als einen «Scan des ­Lebens» und eine Hommage
an Leonardo da Vincis «vitru­vianischen Menschen».
Kunst als Berufung
«Die Skulptur heisst ‹Die Drei Grazien› – wie das gleichnamige Gemälde von Raffael aus dem Jahr 1505. Dort halten
die drei Grazien Äpfel in den Händen. Die Bananen sind eine
humorvolle Interpretation dieses Themas», erklärt Comte.
«Das Projekt ist keine klassische Holzskulptur, die auf einem
Sockel steht. Vielmehr wird der Sockel zum integralen
­Bestandteil des Werks – beides geht ineinander über. Der
Rahmen um die Bananenskulptur veranschaulicht die Proportionen der Natur und wird gleichzeitig zu einer Studie, zu
einer wissenschaftlichen Darstellung von dem, was wir konsumieren. Die Skulptur thematisiert das Leben.»
Überhaupt sprüht Claudia Comte nur so vor Ideen, wenn
sie über ihre Berufung berichtet: «Ich produziere einfach
gern. Hätte ich zwei Gehirne und zusätzliche Hände, würde
ich noch mehr Projekte angehen. Ich liebe es, die ganze Zeit
Neues zu schaffen und zu experimentieren.»
51
Neuankäufe
Julius Bär Kunstsammlung
Jedes Jahr kauft die
Kunstkommission von
Julius Bär neue Kunstwerke an, um sie in den
Fluren und Büros des
Unternehmens in aller
Welt auszustellen. 2014
hat die Kommission
39 zeitgenössische
Kunstwerke aus unterschiedlichen Genres
erworben – von Gemälden über Skulp­turen
bis zu Fotografien
und Videos.
Zu den Neuankäufen gehören unter anderem
Kunstwerke von Niklaus Rüegg (*1977), Pierre
Vadi (*1966), Sara Masüger (*1978) und Claudia
Comte (*1983). Wir freuen uns, Ihnen auf den
folgenden Seiten einen Überblick über diese
Kunstwerke zu präsentieren.
Seit die Kunstkommission von Julius Bär 1981
ins Leben gerufen wurde, konzentriert sie sich
­darauf, herausragende Talente aus der Schweiz
möglichst früh zu entdecken. Ziel ist es, schon
zu ­Beginn der Karriere eines Kunstschaffenden
Werke von ihm zu kaufen und ihn auch durch die
weitere Entwicklung zu begleiten.
Nach fast 35 Jahren strategischer Sammlungstätigkeit umfasst die Kunstsammlung mittlerweile
mehr als 5000 Werke. Viele bedeutende Schweizer Künstler der vergangenen Jahrzehnte und
alle wichtigen Trends der bildenden Kunst in der
Schweiz sind in ihr vertreten.
Über die Jahre hat Kunst auch als sichtbarstes
Merkmal ihrer Schweizer Herkunft grosse Bedeutung für Julius Bär gewonnen: als Markenzeichen
des globalen Unternehmens sowie als integraler
­Bestandteil seiner Kultur. Von der Sammlung sollen alle Beschäftigten bei Julius Bär profitieren
können. Die ausgestellten Kunstwerke sind so ausgewählt, dass sie neue Perspektiven aufzeigen und
auf diese Weise Mitarbeitende wie Besucher ansprechen, inspirieren oder auch herausfordern.
Kunst am Arbeitsplatz schafft einen guten Ausgangspunkt für den Meinungsaustausch. Sie
eröffnet neue Horizonte und motiviert dazu,
­
­Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Wir hoffen, dass Ihnen die kleine Auswahl an
Kunstwerken gefällt.
Barbara Staubli, Kuratorin,
Julius Bär Kunstsammlung
Kunst
52
Sara Masüger, 1978
«Sitzende», 2013, Acrystal, 86 x 90 x 49 cm
Tanja Roscic, 1980
Links: Ohne Titel, 2014, Acryl, Filzschreiber, Leder, Latex, Kugelschreiber und Stoff, 43 x 33 cm
Rechts: Ohne Titel, 2014, Garn und Kugelschreiber, 43 x 33 cm
Nicolas Party, 1980
«Still Life», 2014, Kreide auf Leinwand, 120 x 100 cm
Taiyo Onorato & Nico Krebs, 1979/1979
«Fire», 2014, Film, 16 mm, übertragen auf SD-DVD
56
Bernard Voïta, 1960
«Melencolia IV», 2014, Inkjet auf Papier, 180 x 130 cm
Niklaus Rüegg, 1977
«Voids» (2-teilig), 2012, Gouache und Tusche auf Papier, je 100 x 70 cm
Claudia Comte, 1983
«Lapin africain 3», 2014, Zedernholz, 33,5 x 20 x 9 cm
Shahryar Nashat, 1975
«Not the stuff of stone», 2011, Gipsmörtel, Farbpigmente und Stahl, 62 x 135 x 35 cm
Fabian Marti, 1979
«Capsule (All is All)», 2014, Textilie eingegossen in Polyester, 43 x 34 x 31 cm
Franziska Furter, 1972
«Island Parasite II», 2013, Metall, Draht, 44 x 66 x 52 cm
Pierre Vadi, 1966
«Brands – and – Bands», 2012, Acrylharz, Färbemittel, 23,5 x 33 x 16 cm
Junge Talente
mit Elektrovisionen
Der Rennsport bietet Ingenieurstudenten die einzigartige Möglichkeit, das Geschäfts­
leben so kennenzulernen, wie es im Hörsaal nie möglich wäre. Jonas Abeken, für ein
Jahr zum Chief Executive Officer des Akademischen Motorsportvereins Zürich (AMZ)
ernannt, steuert dort die Entwicklung eines Elektroautos für die internationale Rennserie
Formula Student. Er schildert, welchen Herausforderungen er und das Team des AMZ
sich beim Bau eines Sieger-Rennautos stellen mussten.
Autorin: Ayako Lehmann
2015 erreichte das Team in zwei von vier Events Rang eins und verteidigte so den ersten Platz in der Weltrangliste.
sponsoring
66
Im Herzen von Zürichs Technologieviertel steht ein modernes Gebäude,
das gleichzeitig als Werkstatt und als
Büro für das Rennteam des Akademischen Motorsportvereins Zürich (AMZ)
dient. Das Team wurde 2006 von
­Studenten der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) gegründet,
um eigene Autos für die Teilnahme an
Formula-Student-Rennen rund um die
Welt zu entwerfen und zu bauen. Direkt
hinter dem Eingang zum Hauptquartier
des Teams wartet auf den Besucher
eine beeindruckende Hall of Fame der
Technik: Hier stehen alle Autos, die
der AMZ in den letzten Jahren entwickelt hat.
CEO des AMZ ist zurzeit Jonas
Abeken. Stolz erzählt er, welche Erfolge
die in der riesigen Halle ausgestellten
Autos schon herausgefahren haben.
Abeken ist 24 Jahre alt und hat sich
dem AMZ vor drei Jahren als Maschinenbaustudent angeschlossen, um in
freier Mitarbeit bei der Entwicklung
­eines Lenkrads mitzuhelfen. Heute hat
er das Kommando und die Gesamtverantwortung für das neue Autoprojekt
«Flüela» inne – in Anlehnung an die
Herkunft des Teams wird jedes AMZAuto nach einem Gebirgspass in der
Schweiz benannt. Abekens Amtszeit als
CEO ist auf ein Jahr begrenzt. Unterstützt wird er von zwei Chief Technology Officers. Die Entscheidung, Abeken
zum CEO zu ernennen, fiel einstimmig.
«Dieser Karriereschritt hat sich ganz
natürlich ergeben. Interessanterweise
gab es keine Rivalität, als wir darüber
berieten, wer für das nächste Jahr unser
CEO sein sollte», erklärt er. «Im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, wer
Führungsqualitäten hat und wer diese
Aufgabe ­lieber anderen überlässt.» Für
Abeken liegt der Schlüssel zu guter
Führungs­arbeit in der Fähigkeit, strukturiert vorzugehen: «Eine Leitungsfunktion bedeutet nichts weiter, als die
Arbeit von anderen zu koordinieren.»
Unerlässlich für den CEO des AMZ
ist solides Wissen über Maschinenbau
und Elektrotechnik – und viel Leidenschaft. «In diesem Job muss man viel
arbeiten, auch an Wochenenden und
Feiertagen, er verlangt einem viel ab»,
sagt Abeken. «Wenn es nur darum
geht, die nötigen Punkte für das Studium zu bekommen, gibt es dafür viel einfachere Möglichkeiten, als sich für ein
Jahr beim AMZ zu engagieren. Studenten, die beim Projekt mitmachen, tun
dies hauptsächlich, weil sie eine Leidenschaft für Autos haben und an der Erforschung und Entwicklung ­eines neuen Elektroautos teilhaben wollen.»
Abeken hat sich entschieden, sein
Studium ein Jahr lang ruhen zu lassen,
um praktische Managementerfahrung
zu sammeln. Nach dem Ende seiner
Amtszeit als CEO möchte er sein zweijähriges Masterstudium beginnen. «An
der ETH hätte ich in diesem Jahr mit
­Sicherheit mehr über Maschinenbau
gelernt. Aber in Bezug auf soziale Kompetenzen und andere Soft Skills, etwa
wie man mit unterschiedlichen Menschen umgeht oder sich mit Sponsoren
und Medien abspricht, konnte ich sehr
viel dazulernen», meint Abeken.
Genau diese multidisziplinäre Erfahrung der Ingenieurstudenten ist für
die Personalabteilungen der Automobilindustrie höchst interessant: «Es gibt
nicht viele Maschinenbaustudenten,
die schon so jung so viel Geschäftserfahrung und Kompetenz in puncto Soft
Skills vorweisen können», sagt er.
BRUTSTÄTTE FÜR UNTERNEHMERISCH DENKENDE STUDENTEN
Die ETH Zürich arbeitet mit anderen
technischen Hochschulen zusammen,
um ihren Studenten die Möglichkeit zu
bieten, ihr theoretisches Wissen über
Maschinenbau und Elektrotechnik in
der Praxis umzusetzen: Sie treten jedes
Jahr beim weltgrössten Ingenieurwettbewerb in der Kategorie für Autos mit
Elektro- und Verbrennungsmotoren an.
Das Team des AMZ spielt seit seinem Einstieg vor neun Jahren weit
vorne mit. Als dann aber 2010 die
­
Kategorie der Elektroautos eingeführt
wurde, beschloss es, sich gänzlich
von den Benzinmotoren abzuwenden.
Diese mutige Entscheidung erwies sich
als richtig: An der letztjährigen Formula
Student Germany wurde das Team
Sieger im Wettbewerb für Elektroautos
s­owie in der Kategorie «Gesamtdy­
namik», bei der Fahrzeuge mit Elektroantrieb und solche mit Verbrennungsmotor zusammen bewertet werden.
«Dass ein Elektroauto gewonnen hat,
ist umso überraschender», so Abeken.
Der Sieg hat dem Team einen deutlichen Schub und den Zukunftsaussichten von Elektroautos wichtige Impulse
verliehen. Abeken glaubt, dass diese
unaufhaltsam an Bedeutung gewinnen
Der «Flüela» siegte 2015 in der Designwertung.
werden. «Damit ein Elektromotor eine
überzeugende Alternative zum Verbrennungsmotor wird, braucht es in
einigen Bereichen noch Verbesserun­
gen, zum Beispiel bei der Technologie
der Batterien – grössere Reichweiten
und schnelleres Laden müssen möglich
werden», sagt Abeken. Tatsächlich
konnte der AMZ auf diesem Gebiet
schon ­erhebliche Fortschritte erzielen.
Das Team hat eine Technologie entwickelt, mit der dank intelligenter
Bremssysteme und effizienter Antriebstechnik ungefähr 30 Prozent der
eingesetzten Energie zurückgewonnen
werden können. Insgesamt wird damit
deutlich weniger Energie benötigt als
bei Verbrennungsmotoren.
Um am erwähnten Wettbewerb teilzunehmen, müssen die Studenten
strenge, vom weltweiten Verband vorgegebene Regeln beachten. Die Formula Student wurde 1982 in den USA
gegründet und kam 1998 über ein erstes Rennen in Grossbritannien nach
Europa. Das Projektjahr beginnt jeweils
im September und endet im August.
Die Vorgabe: Die Studenten müssen ihr
Auto komplett neu entwickeln, gestalten und bauen. In der zweiten Jahreshälfte treten sie damit dann jeweils
67
sponsoring
Jonas Abeken, CEO des AMZ.
Die vom AMZ entwickelten Autos, ausgestellt am Hauptsitz von Sauber Motorsport.
video
www.juliusbaer.com/
vision
gegen andere Studententeams an.
­Leistung und Tempo sind dabei natürlich sehr wichtig, doch die Autos werden auch nach Ausdauer, ­Effizienz und
Beschleunigung sowie aufgrund ihres
Abschneidens beim ­Autocross und auf
Schleuderplatten beurteilt.
Nicht immer gewinnt dabei der
Schnellste. Weitere Kategorien für die
Bewertung durch die Jury sind die
Qualität der Konstruktion, die KostenNutzen-Analyse und ein Businessplan
für hypothetische Verkäufe. Dadurch
müssen die Teams bereichsübergreifend denken und können sich nicht auf
spezielle Kompetenzen beschränken.
In der Saison 2015 erreichte das
AMZ-Team in zwei von vier Events
Rang eins und konnte so seinen ersten
Platz in der Weltrangliste erfolgreich
verteidigen.
Seit der Gründung der Formula Student im Jahr 1982 hat sich die Zahl der
teilnehmenden Länder weltweit deutlich erhöht. Heute sind Teams aus
Deutschland, Spanien, Österreich, Ungarn, Tschechien, Brasilien, Russland,
Japan, China und Australien dabei –
und natürlich die Pionierländer USA
sponsoring
68
und Grossbritannien. Die Teams müssen allerdings nicht zu den Rennen in
allen Ländern fahren, da jedes Rennen
ein Einzelereignis ist. Am Ende des
Jahres entscheidet die Gesamtzahl der
gesammelten Punkte darüber, wer auf
der Weltrangliste Nummer eins wird.
EIN BISSCHEN WIRTSCHAFTSLUFT
SCHNUPPERN
Ein Auto auf die Rennstrecke zu
bekommen, hat viel mit der richtigen
­Finanzierung zu tun. «Der Bau eines
Rennautos bringt viele Ausgaben mit
sich, und nicht alle lassen sich mit
direktem Sponsoring für Produktion
oder Material abdecken», erklärt
Abeken. «Finanzierung ist für viele
Bereiche wichtig, unter anderem für die
Veranstaltungslogistik.»
Die Finanzierung durch Sponsoren
zu sichern, ist eine der wichtigsten Aufgaben für Abeken als CEO. Wie das
funktioniert, lässt sich kaum theoretisch vermitteln, also musste Abeken
seine Lernkurve grösstenteils mitten im
Job durchlaufen. Die Tatsache, dass einige Sponsoren den AMZ schon seit
vielen Jahren unterstützen, hat ihm den
Einstieg in diese Aufgabe jedoch erleichtert. «Später habe ich mich auch
mit möglichen neuen Sponsoren getroffen, darunter Julius Bär, die dann
unser allererster Privatbanken-Sponsor
wurde. Ich war sehr stolz, 2014 in Verhandlungen mit einem so professionellen Unternehmen treten zu können.»
Julius Bär ist seit 2014 globaler Sponsor
der neuen Rennserie Formel E und
wollte auch junge Talente bei der
Entwicklung von Elektroautos unterstützen. Der AMZ passte bestens zu
diesem Vorhaben.
Welche Art von Auto die Teams aus
den verschiedenen Ländern bauen und
fahren können, hängt von den Sponsoringmöglichkeiten ab, über die sie verfügen. Studenten aus Europa oder den
USA können meist teurere Autos produzieren, weil sie von Sponsoren grosszügig mit Materialien ausgestattet werden. Teams aus weniger entwickelten
Ländern wie Indien, Pakistan oder
China dagegen müssen kreativ mit den
verfügbaren Ressourcen umgehen. «Ich habe schon Teams gesehen,
die ihre Autos mit Teilen und Kompo-
Der «Flüela» gewann 2015 auch in der Kategorie «Beschleunigung» den ersten Preis.
nenten vom Schrottplatz entwickelt
­haben», erzählt Abeken. «Das ist aber
auf keinen Fall negativ gemeint. Diese
­Autos können natürlich nicht dieselbe
Leistung erreichen wie diejenigen aus
den Industrienationen, aber das ist
auch gar nicht das Ziel der Teams.
Stattdessen konzentrieren sie sich
darauf, ein Auto zusammenzubauen,
­
das überhaupt fahren kann – und
sie sind stolz, wenn sie damit bei den
Rennen antreten können. Es geht
ihnen eher darum, Spass zu haben und
dabei zu sein.»
Für Sponsoren kann die Arbeit mit
einem Team wie dem AMZ Testdaten
von unschätzbarem Wert über die von
ihnen zur Verfügung gestellten Komponenten liefern, obwohl oder gerade weil
sich die von den Studenten entwickelten Fahrzeuge stark von gewöhnlichen
Elektroautos unterscheiden. Ein Beispiel dafür sind die Controller, die den
Motor des Autos steuern: Der Sponsor
hatte sie ursprünglich für elektrische
Busse und Züge entwickelt, dank dem
Sponsoring konnte er jedoch Erkenntnisse für ihren Einsatz in einem potenziellen neuen Markt gewinnen. «Dass
wir die Komponenten in einem ungewöhnlichen Kontext einsetzen, kann
dazu führen, dass unsere Sponsoren auf
neue Einsatzgebiete stossen», sagt
Abeken. «Wir sind für sie potenzielle
Ideenlieferanten.»
auf lange Sicht sieht Abeken Verbrennungsmotoren völlig verschwinden.
Ausserhalb der Auto­industrie werde es
weiterhin Geschäftsfelder geben, die
weniger unter dem ­kritischen Auge der
Ein siegreiches auto
entwickeln
Abeken und seine ambitionierten
Ingenieurkollegen im AMZ konzentrieren sich ganz darauf, auch in dieser
Saison ein siegreiches Auto für die Formula Student zu entwickeln. Doch sie
haben auch langfristige Vorstellungen
darüber, welche Fahrzeuge in Zukunft
auf der Strasse unterwegs sein werden.
Der junge CEO glaubt nicht daran,
dass das Licht für Verbrennungsmotoren in näherer Zukunft ausgehen wird;
mittelfristig dürften sie nach seiner Einschätzung als Reichweiten-Verlängerer
in Hybridautos an Bedeutung gewinnen. «Die meisten Menschen fahren
mit ihrem Auto weniger als 50 Kilometer am Tag – eine Strecke, die sich mit
Hybridautos bereits elektrisch zurücklegen lässt», erläutert er. Nicht einmal
Die Arbeit beim AMZ verlangt ein Auge fürs Detail.
immer umweltbewussteren Öffentlichkeit stehen und deshalb immer noch
Benzin oder Diesel verbrennen dürfen. Ein Beispiel dafür ist die Schifffahrtsbranche. «Trotzdem gehe ich davon aus, dass innerhalb der nächsten
50 Jahre der Grossteil der ­Bevölkerung
Elektroautos fahren wird, denn langfristig hat die Menschheit gar keine andere
Wahl», meint Abeken zum Schluss.
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sponsoring
Julius Bär –
Your Wealth
Sie entscheiden, wie wir Sie unterstützen
Am Wandel führt kein Weg vorbei, am Fortschritt schon. Wer sich Veränderungen stellen und diese zur Weiterentwicklung nutzen möchte, muss die Schlüsselfaktoren verstehen und eine offene Unternehmenskultur pflegen. Julius Bär
begreift die durch die globalen Märkte und strengeren regulatorischen Anforderungen bedingten grundlegenden Veränderungen in der Welt der Vermögensverwaltung als Chance. Deshalb hat das Unternehmen ein neues, erweitertes
Dienstleistungsangebot namens «Your Wealth» lanciert.
Autorin: Michèle Bodmer
Boris F.J. Collardi, CEO von Julius Bär, bezeichnet «Your
Wealth» als ein Mittel zur weiteren Verbesserung der Dienstleistungen der Bank. Denn im Rahmen dieses neuen Angebots ermittelt Julius Bär die Bedürfnisse ihrer Kunden ganz
genau, um sie noch strukturierter und systematischer zu
erfüllen. «Wir sind überzeugt, durch ‹Your Wealth› eine höhere Beratungsqualität, regelmässigere Kontakte zwischen
Kundenberatern und Kunden sowie eine gezieltere Beratung
sicherzustellen. All dies sollte letztlich in eine bessere Performance münden», so Collardi.
«Julius Bär – Your Wealth» wurde in der Schweiz im September 2015 lanciert. Die weltweite Markteinführung
beginnt 2016 und wird 2018 abgeschlossen sein. Die Initia­
tive umfasst alle Dienstleistungen der Bank – d
­ arunter Vermögensverwaltungsmandate, ein Execution-only-Angebot,
Vermögens- und Steuerplanung, Finan­
zie­
rung, Research
und Handel sowie drei überarbeitete Dienstleistungsmodelle
mit unterschiedlichen Beratungs­
niveaus. Die optimierten
Beratungsdienstleistungen sind nun noch transparenter als
zuvor. Das ist umso wichtiger, als sich die Welt des Private
Banking im Zug der immer strengeren Vorschriften in den
Bereichen Beratungsqualität und Transparenz weiter wandelt. Im heutigen Informationszeitalter kennen sich die
­Kunden im Bankgeschäft besser aus als ­früher. Vor diesem
Hintergrund fordern sie von ihrer Bank zu Recht weitere
Dienstleistungen, wie Dr. Burkhard P. V
­ arnholt, Chief Investment Officer und Head of Investment Solutions Group,
­erklärt: «Wir betrachten all diese Entwicklungen als Gelegen-
Unser unternehmen
70
heit, unser gesamtes Dienstleistungsangebot um­zugestalten.
Für uns ist zentral, dass wir unser Angebot auf der Grund­lage unseres kundenorientierten Ansatzes vorantreiben –
und uns nicht einfach darauf beschränken, die r­ egulatorischen
Anforderungen zu erfüllen und unsere Dienstleistungen an
die neuen Vorschriften anzupassen.»
Das neue Dienstleistungsangebot
«Your Wealth» von Julius Bär verfolgt vor allem ein Ziel:
Es soll die Kundenberater bestärken, einen noch engeren
Kontakt zu ihren Kunden zu pflegen und noch bessere
Dienstleistungen zu erbringen. «Beispielsweise haben wir
unser Research-Universum ausgeweitet und komplett überarbeitet», so Varnholt. Julius Bär stützt sich auf ihren einzigartigen Anlageansatz, um ihren Kunden proaktive Beratungsdienstleistungen zu bieten. Dies geschieht im Rahmen
von zwei Modellen, die eine permanente Überwachung der
Anlagerisiken sicherstellen und gewährleisten, dass alle
Kunden eine sorgfältige, auf ihre jeweiligen Bedürfnisse
zugeschnittene Anlageberatung erhalten. Das Angebot umfasst auch eine rein reaktive Beratung zu Einzel­produkten
oder -transaktionen – jedoch ausschliesslich dann, wenn der
Kunde dies so wünscht. Unabhängig vom gewählten Dienstleistungsmodell können die Kunden laut Varnholt auf zweierlei zählen: zum einen auf eine Beratung, die auf der Grundlage umfangreicher ­Research-Erkenntnisse und umfassender
Erfahrung erfolgt, und zum anderen darauf, dass sich die
vorgeschlagenen ­Lösungen dank der vollkommen offenen
Produkt- und Dienstleistungsplattform von Julius Bär ideal
zur Erfüllung ihrer individuellen Bedürfnisse eignen.
«Wir haben unsere Beratungsprozesse spürbar weiterentwickelt, um besser auf die Kundenerwartungen einzugehen. Für unsere Kunden stellt dies die Gelegenheit dar, ihren
Dienstleistungsbedarf zu überdenken, ihr Anlageportfolio zu
überprüfen und anzupassen sowie ihre Anlagestrategie neu
zu analysieren. Wahrscheinlich wird in den meisten Fällen
bereits die richtige Strategie verfolgt. Womöglich möch­
ten manche Kunden aber eine strategische Anpassung
­vornehmen. Somit ist dies wie ein jährlicher ‹Finanzcheck›
zu verstehen.»
Je nach gewähltem Modell profitieren die Kunden von
­einer permanenten Portfolioüberwachung und entsprechenden Anlageempfehlungen. Und diese erweiterten, mass­
geschneiderten Beratungsdienstleistungen werden nicht
etwa dadurch eingeschränkt, dass die Zahl der jährlichen
­Interaktionen mit dem Kundenberater begrenzt wäre. «Wir
ermöglichen es unseren Kundenberatern, den spezifischen
Wünschen der Kunden zur Erfüllung von deren Bedürfnissen
nachzukommen. Punkt. Wir möchten die Zahl der Interaktionen nicht reglementieren», so Varnholt. «Vielmehr wollen wir
unseren Kunden vermitteln, dass wir für sie da sind. Der beste Vertrauensbeweis unserer Kunden besteht natürlich darin,
sämtliche Anlagebelange an uns zu delegieren. Durch diese
Entscheidung schöpfen sie das Potenzial des Anlageansatzes von Julius Bär vollumfänglich aus.»
Solide Grundlage
Julius Bär bietet seit 2006 massgeschneiderte, gebührenfinanzierte Beratungsdienstleistungen an. Zu Beginn richteten sich diese an eine ausgewählte Gruppe von Kunden mit
zusätzlichem Beratungsbedarf, die neben der Betreuung
durch ihren Kundenberater auf die ­Erfahrung ausgewiesener
Spezialisten zugreifen wollten. Um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, wurde ein proaktiver, disziplinierter Anlageprozess eingerichtet. «Es dauerte seine Zeit, die richtigen Tools und die
richtige Anlagephilosophie zu entwickeln und dann die richtigen Leute zur Erfüllung unseres Leistungsversprechens zu
finden. Die Idee, für Beratung Gebühren zu erheben, war
zum damaligen Zeitpunkt revolutionär. Wir waren aber überzeugt, dass dieser Ansatz notwendig war, um aussergewöhnliche Dienstleistungen erbringen zu können – und zwar transparent sowie auf der Grundlage einer klaren Preisstruktur»,
so Varnholt. «Jeder weitere Schritt, den wir seit 2006 unternommen haben, stellt eine natürliche Weiterentwicklung unserer Beratungsdienstleistungen dar.»
2008 – also zwei Jahre nach Einführung des Beratungsangebots – wurde die Welt durch die Finanzkrise erschüttert.
Weil Julius Bär bereits die Grundlage für eine proaktive Beratung geschaffen hatte, verfügte sie über gute Vorausset­
zungen, um ihren Kunden in dieser kritischen Phase mass­
geschneiderte Beratungsdienstleistungen zu bieten. «Wir
haben unsere Kunden in dieser schwierigen Zeit nicht im
Stich gelassen – unsere Beratungsteams standen in stetigem
Kontakt mit ihnen. Da wir bereits die richtigen Prozesse eingerichtet hatten, war es für uns einfacher, strukturiert und
proaktiv zu agieren», sagt Varnholt. «Im Rahmen unserer
Dienstleistungskultur waren wir schon immer für unsere Kunden da, und zwar in guten wie in schlechten Zeiten. Dieses
neue System unterstützte uns aber noch zusätzlich darin. Die
hohe Qualität unseres Dienstleistungsangebots sprach sich
schnell herum, wodurch wir immer mehr Neukunden gewannen. Die grosse Akzeptanz dieses Modells hat uns jetzt dazu
bewogen, unser Angebot an Beratungsdienstleistungen im
Rahmen von ‹Your Wealth› weiter auszubauen.»
«Wir sind überzeugt, durch ‹Your Wealth›
eine höhere Beratungsqualität, regel­
mässigere Kontakte zwischen Kunden­
beratern und Kunden sowie eine
gezieltere Beratung sicherzustellen.
Boris F.J. Collardi
Alle Kunden erhielten 2011 die Möglichkeit, auf strukturierte Beratungsdienstleistungen zuzugreifen. Dies geschah
im Rahmen eines Investment-Advisory-Mandats, das eine
systematische, kundenorientierte Beratung im Portfolio­
kontext beinhaltete. «So etwas können Sie nicht über Nacht
aus dem Boden stampfen, denn es braucht die richtigen
­Leute, die richtigen Standorte und die richtigen Sprachfertigkeiten», so Varnholt. In einem ersten Schritt wurde interessierten Kunden 2013 eine permanente Port­folio­überwachung
angeboten. «2018 wird ‹Your Wealth› ­
unserer gesamten
Kundschaft offen­
stehen. Eine solche k­onstante Über­
wachung von Kundenportfolios erfordert viel Know-how und
eine genaue Kenntnis der verschiedenen P
­ositionen, der
­Vermögensallokation und der Risikoneigung der Kunden»,
sagt Varnholt. Damit alle Beteiligten über denselben Wissensstand verfügen, haben die Kundenberater zusätzliche
Fachschulungen absolviert. Derzeit tritt ein Finanzinstitut
nach dem anderen mit neuen Beratungsdienstleistungen an
die Öffentlichkeit.
«Mit ‹Your Wealth› verfügt Julius Bär aber über einen
deutlichen Wettbewerbsvorteil. Was das Erbringen wegweisender massgeschneiderter Beratungsdienstleistungen für
unsere Kunden betrifft, verfügen wir über eine lange
­Tradition», so Varnholt. «Schon seit 2006 setzen wir das
richtige Beratungsmodell um. Das Versprechen, immer den
bestmög­lichen Service zu erbringen, ist nichts Statisches –
Verbes­
serungen sind immer möglich. Es liegt in unserer
Unternehmenskultur, für unsere Kunden stets nach exzellenter Leistung zu streben.»
71
Unser unternehmen
TYPISCHE ANlageFallen und -Fehler
VERMEIDEN
Interview: Janet Anderson
Maximales
Risiko
Maximales
Risiko
Euphorie
ÄngstNervenkitzel
lichkeit
Aufregung
Optimismus
Verweigerung
Angst
Optimismus
Verzweiflung
Erleichterung
Panik
Kapitulation
Konjunkturzyklus
Verhaltenszyklus
Hoffnung
Verzagtheit
Niedergeschlagenheit
Maximale
Chance
investment trends
72
Ökonomen vertreten vielfach die ansicht, anleger träfen im eigenen Interesse
rationale entscheidungen, um ihre ziele zu erreichen. alle Untersuchungen
zum anlegerverhalten ergeben jedoch, dass sich Investoren häufig irrational und
nachteilig entscheiden. die dafür verantwortlichen psychologischen Kräfte
sitzen teilweise so tief, dass sie uns nicht bewusst sind. dr. burkhard P. Varnholt,
chief Investment officer und head Investment solutions group bei Julius bär,
erklärt, wie emotional bedingte anlagefehler vermieden werden können.
Was bedeutet «Behavioural Investing» für Sie?
behavioural Investing ist eine verhaltensorientierte Investitionstheorie, bei der sich menschen durch ihre gefühle
leiten lassen – und zwar viel stärker, als sie es sich zugestehen. das zeigt sich schon am beispiel des autos, das sie besitzen: haben sie sich beim Kauf durch rationale oder eher
durch emotionale gründe leiten lassen? gefühle formen unser Verhalten, und diese Verhaltensmuster bestimmen auch
erfolg oder misserfolg unseres anlagestils. häufig liegen
sie im Verborgenen und werden ignoriert, obwohl sie viel
entscheidender sind als Finanzanalysen und -mathematik.
nennt: Wie lemminge laufen alle in dieselbe Richtung, weil
jeder glaubt, der erste in der Reihe wisse besser bescheid als
er selbst.
das herdenverhalten kann sich durchaus über längere
zeit auszahlen. deshalb werden oft geschichten erfunden,
um es zu rechtfertigen. das lässt sich in den medien verfolgen: die märkte entwickeln sich in die eine oder andere Richtung, und die anleger versuchen dies durch passende storys
zu erklären. das hat aber wenig mit den triebkräften des
marktes zu tun.
Worin besteht beim Behavioural Investing das Problem?
Jede generation muss selber erfahren, dass Intuition
und die eigenen Präferenzen fehlleiten können. nehmen
wir an, sie hätten die Wahl zwischen zwei anlagen: bei der
einen liegt die Wahrscheinlichkeit eines hohen gewinns beziehungsweise eines gleich hohen Verlusts bei 50 Prozent.
bei der anderen ist die Verlustwahrscheinlichkeit viel geringer. der gewinn ist unverhältnismässig klein, aber viel sicherer. mathematisch gesehen liegt der erwartungswert der ersten anlage höher als jener der zweiten. dennoch wählen
anleger häufig das Investment mit dem geringeren Verlustrisiko. ein erfahrener anleger kann es seinen Kindern noch so
oft erklären – sie werden ihm nicht zuhören. sie müssen es
selbst herausfinden.
Birgt die Angst vor Fehlern ebenfalls Gefahren?
extremsituationen haben eine lähmende Wirkung. Werden anleger durch eine marktkrise erschreckt, sind sie schnell
paralysiert. ebenso bekannt ist das Phänomen, dass anleger
viel zu lange an verlustbringenden titeln festhalten, weil sie
in schockstarre verfallen, sobald der buchwert der anlage
unter den Kaufpreis fällt. das ist nicht die beste handlungsoption – genauso wenig wie eine vorschnelle gewinnmitnahme. Wenn sich titel in Ihrem Portfolio stark entwickeln,
dann halten sie an ihnen fest. Viele Investoren verkaufen
aktien von gewinnerunternehmen zu früh. Wären sie geduldiger, könnten sie ein Vermögen machen. gleichzeitig halten
sie weiterhin titel, die sie am besten schon vor Jahren abgestossen hätten. dieses Verhalten ist sehr üblich – und stellt
einen der grössten Fallstricke dar.
Welches sind die grössten Fallstricke?
In der Regel halten wir geschichten für glaubwürdiger,
die unsere sichtweise stützen. ein gutes beispiel hierfür ist die
hypothese, dass Wohneigentum stets die beste geldanlage
darstellt. nehmen wir an, sie besitzen ein haus, in das sie
60 Prozent Ihres Vermögens investiert haben. Wir sprechen
dann von einer undiversifizierten asset allocation: das Investment konzentriert sich auf einen Vermögensgegenstand und
reagiert darüber hinaus sehr sensibel auf zinsen und anleiherenditen. trotzdem halten viele menschen ihr haus für eine
sichere anlage, weil sie es anfassen und darin leben können.
geschichten üben eine grosse macht aus. sie bewegen
die anleger zum handeln und können sowohl einen marktboom als auch einen marktkollaps auslösen. dann kommt es
zu einem Verhalten, das die Wissenschaft «herdentrieb»
Wie stark sind die Gefühle, die diesem Verhalten zugrunde liegen?
es kommt vor, dass sich anleger in bestimmte titel
verlieben. sie wollen es dann nicht wahrhaben, wenn ihre
aktie aus der mode gekommen ist. auf dieses Verhaltensmuster bin ich oft gestossen – auch bei Fondsmanagern. die
leute vergöttern ihr lieblingsunternehmen und können die
Realität nicht annehmen – nämlich, dass das Unternehmen
die Verbindung zu seinem markt und seinen Konsumenten
verloren hat.
es ist mir enorm wichtig, Fondsmanager vor einem solchen Verhalten zu bewahren. In den griff bekommen lässt
sich das jedoch nur durch geeignete Prozesse: sie brauchen
ein system, in dem sich mindestens zwei spezialisten mit unterschiedlichen sichtweisen gegenseitig kontrollieren.
73
anlagetRends
«Sie können sich in einen Menschen verlieben und den Rest Ihres Lebens mit
ihm verbringen. Im Anlagebereich ist
das kein empfehlenswertes Verhalten.»
Dr. Burkhard P. Varnholt
Wer in die Falle tappt, gibt dies nicht gerne zu. Tut es weh,
dies einzugestehen?
Ja, sehr. Sie können sich in einen Menschen verlieben
und den Rest Ihres Lebens mit ihm verbringen. Im Anlagebereich ist das kein empfehlenswertes Verhalten. Als Anleger
müssen Sie sich immer wieder schmerzhaften Trennungsprozessen stellen – und von dem Unternehmen ablassen, das
­Ihnen so viel bedeutet hat. Das kann sehr anstrengend sein.
Kann man gegen Behavioural Investing immun sein?
Nur wenige sind es, obwohl viele davon überzeugt sind.
Sie überschätzen sich ganz einfach. Wenn Sie 100 Menschen
fragen, ob sie sich als überdurchschnittliche, durchschnitt­
liche oder unterdurchschnittliche Autofahrer einschätzen,
wird die grosse Mehrheit sich als überdurchschnittliche
­Autofahrer bezeichnen. Das kann aber kaum stimmen. Dasselbe Ergebnis erhalten Sie, wenn Sie «Autofahrer» durch
«Anleger» ersetzen. Was lehrt uns das? Wir sollten Demut
üben und anerkennen, dass Regeln hier hilfreicher sind als
die Intuition. Wir sollten diese Regeln systematisch und vernünftig anwenden und uns ständig hinterfragen.
Würde eine Maschine bessere Anlageentscheidungen
treffen als ein Mensch?
Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Die Maschine
hat grosse Vorteile, besitzt aber kein Urteilsvermögen. Das
Problem bei regelbasierten Anlagestrategien besteht darin,
dass sie tendenziell prozyklisch sind. Man könnte zwar eine
konträre Regel entwickeln, doch ironischerweise ist diese in
sich ebenfalls zyklisch. Ich glaube, es braucht beide – Mensch
und Maschine. Es klingt interessant, jegliche Namen zu ignorieren und sich stattdessen nur auf Zahlen zu konzentrieren.
Doch wer tut das schon? Der Begriff des «Contrarian In­
vestor» wird überstrapaziert, denn fast jeder Anleger dürfte
von sich behaupten, entgegen dem Herdenverhalten zu investieren. Dabei verhalten sich nur wenige Anleger wirklich
antizyklisch. Denn das ist leichter gesagt als getan.
Wie können wir die Fallstricke vermeiden?
Seien Sie als Anleger demütig. Sorgen Sie dafür, dass sich
Ihre Fähigkeiten, Ihr Urteilsvermögen und die Regeln ergänzen – und setzen Sie alle drei Faktoren gleichzeitig ein. Versuchen Sie, die Distanz zu wahren und sowohl das Gesamtbild
als auch das Detail im Blick zu haben. Natürlich ist es wichtig,
die kurzfristige Dynamik zu verstehen. Gleichzeitig muss
Anlagetrends
74
aber der mittelfristige Zeithorizont nüchtern bewertet und
die Frage gestellt werden, wie sich die Dinge entwickeln,
wenn das Herdenverhalten abebbt.
Deshalb bin ich ein leidenschaftlicher Verfechter des
Discretionary Portfolio Management. Ein guter Vermögensverwalter lässt sich von den definierten Anlageprozessen
­leiten. Er gehört einem Team erfahrener Experten an, die
nicht alle gleich denken. Unter diesen Rahmenbedingungen
können Sie nachts ruhiger schlafen. Denn Ihr Portfolio wird
weniger schwanken und besser abschneiden als eines, das
nur von einer Person verwaltet wird. Als Verantwortlicher für
die Vermögensverwaltungs- und Beratungsmandate bei
Julius Bär lege ich grossen Wert auf unsere Prozesse. Sie
dienen dazu, die Zahl der verhaltensbedingten Fehler zu reduzieren. Sie sollen die Gefahr verringern, dass alle gleichzeitig aus demselben Grund in dieselbe Falle geraten. Wenn
Feedback-Schleifen eingebaut werden und Menschen mit
unterschiedlichen Sichtweisen gegen­seitig ihr Verhalten hinterfragen, kann daraus viel Gutes entstehen.
Wie schaffen Sie eine solche Kultur bei Julius Bär?
Dieser Herausforderung stelle ich mich täglich. Dabei
sind unsere Anlageprozesse der einfachste Teil der Übung.
Schwieriger sind die unternehmenskulturellen Aspekte.
Letztlich läuft alles darauf hinaus, welche Werte wir verfolgen. Meine Mitarbeitenden sind alle erstklassige Profis. Auf
sie können wir uns also verlassen. Darüber hinaus ist es entscheidend, demütig, offen und lernbereit zu sein, sich Fehler
einzugestehen und Korrekturen vorzunehmen.
Dr. Burkhard P. Varnholt
Dr. Burkhard P. Varnholt ist seit März 2014 Chief
Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bank Julius Bär. Varnholt begann
seine Laufbahn als Assistent an der Universität
St. Gallen, an der er im Fach Ökonomie promovierte. Er unterrichtete zudem am Massachusetts
Institute of Technology (MIT) und an der Stern
School of Business, New York University.
2004 gründete er «Kids of Africa» (www.kids-ofafrica.com). Diese in der Schweiz und in Uganda
eingetragene Wohltätigkeitsorganisation betreibt
ein Heim für verwaiste und verlassene Kinder im
ugandischen Kampala. Ausserdem führt sie eine
Grundschule für 500 Schülerinnen und Schüler,
eine kleine Klinik, einen Kindergarten und eine
mittelgrosse Farm. Für sein Engagement und
­seine Arbeit im Zusammenhang mit diesem Projekt wurde Varnholt mit dem Milizpreis von Swiss
Re geehrt. 2012 ernannte ihn die Geneva School
of Diplomacy and International Relations zum
­Ehrendoktor für Internationale Beziehungen.
Weiter ist er Mitgründer und Mitglied der Geschäftsleitung von W.I.R.E. Dieser in Zürich ansässige Thinktank befasst sich mit Entwicklungen
in der Wirtschaft, in der Gesellschaft und in den
Life Sciences.
Die digitale
Revolution und
ihre Folgen
Interview: Robert Ruttmann
Die digitale Revolution des 21. Jahrhunderts hat unsere Arbeits- und Lebensweise
grundlegend verändert. Die Julius Bär Experten Andreas Feller, Global Head of
Investment Solutions and Advisory, und Luigi Vignola, Head of Investment Services
Group Asia, erklären, welche Branchentrends diesem rapiden Strukturwandel
zugrunde liegen und was dies für das langfristige Wirtschaftswachstum bedeutet.
Ausserdem zeigen sie Wege auf, wie sich Anleger in diesem sich rasch verändernden
Umfeld am besten zurechtfinden können.
Was bringt uns die Digitalisierung der Zukunft?
75
Anlagetrends
Das digitale Zeitalter hat unsere Lebens- und Arbeitsweise auf den Kopf gestellt. Was genau bedeutet «Digitalisierung» und warum ist sie heute wichtiger denn je?
Feller: Das 21. Jahrhundert hat tatsächlich bemerkenswerte technologische Errungenschaften mit sich gebracht –
viele davon sind ein Ergebnis der Digitalisierung. Digitalisierung bezeichnet einen Prozess, bei dem materielle Güter
schrittweise durch digitale ersetzt werden. Die vielleicht
­populärsten Beispiele hierfür sind der Buchmarkt und die
Musikindustrie. Diesen Prozess zu überwachen, ist wichtig,
denn er verläuft schneller als jede frühere technologische Revolution und verändert die Art, wie wir leben und arbeiten.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Feller: Gerne. Einige Leser werden sich an die Zeiten
­erinnern, als Musik noch auf Vinyl-Schallplatten verkauft
wurde. Auf die Schallplatten folgten erst die CDs und dann
im Zug der Digitalisierung die digitalen Downloads. Die
Branche reagierte sehr ungeschickt auf diesen technologischen Wandel: Anstatt einen eigenen, legalen DownloadService zu entwickeln, versuchte sie, durch erfolglose Klagen
die Schliessung von File-Sharing-Diensten wie Napster und
Gnutella zu erreichen. Über diese Dienste konnten sich Konsumenten erstmals Einzeltitel aus dem Netz herunterladen,
womit es nicht mehr notwendig war, das ganze Album auf einer physischen CD zu kaufen.
Einen Weg zurück gab es aber nicht. Die Umsätze mit
Musik-CDs befanden sich im freien Fall, als Apple die
Chance ergriff und sich der Musikindustrie als perfekter Partner anbot. Steve Jobs gelang es, den rechnerischen Preis
­eines Einzeltitels auf einem CD-Album um 30 Prozent zu
senken. Dies schmälerte zwar die Tantiemen der Künstler.
Musikliebhaber auf der ganzen Welt erhielten dadurch aber
die Möglichkeit, neue Musik zu entdecken – zu günstigeren
Preisen und in einem viel praktischeren Format. Hiervon profitierten junge Künstler, denn sie erhielten Zugang zu einer
Zuhörerschaft, die ihnen sonst verschlossen geblieben wäre.
So gesehen lassen sich an der Musikbranche die Effekte der
Digital Disruption besonders gut veranschaulichen.
Wir sprechen also von Digital Disruption?
Vignola: Genau. Das Thema ist in aller Munde – viele
wissen aber nicht, was genau darunter zu verstehen ist. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um eine unerwartete
Gewinnumverteilung innerhalb einer Branche. Zu einer solchen kommt es bei der Markteinführung von Produkten oder
Dienstleistungen, die kostengünstiger, leistungsfähiger und
effizienter sind als bisherige Angebote und insgesamt zu
­einer höheren Kundenzufriedenheit führen. Beispiele hierfür
sind Amazon oder Netflix, welche die Medien- und Unterhaltungsbranche auf den Kopf gestellt haben, indem sie dem
Kunden einen anderen Zugriff auf Information ermöglicht
haben. Dies hat auch der Werbebranche neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet und den traditionellen Fernsehsendern Probleme bereitet. Sie können nicht mehr so viel Geld
Anlagetrends
76
Digitale Downloads schmälern die Tantiemen der Musikindustrie.
für ausgestrahlte Werbung verlangen wie früher, als die Zuschauer sich ausschliesslich über den Fernseher informierten. Oder denken Sie an die Reisebranche: Dass Kunden
­Reiseangebote nun online vergleichen und buchen können,
bedroht die Existenz vieler Reisebüros.
Welche Entwicklungen werden die digitale Revolution in
den kommenden Jahren voranbringen?
Feller: Ich erwarte grosse Fortschritte in den Bereichen
Robotik, künstliche Intelligenz, ­Nanotechnologie, Molekularwissenschaft und Biotechnologie. Besonders spannend finde
ich aber, dass wir vielleicht von einem «kognitiven Überschuss» profitieren werden. Dann nämlich, wenn sich immer
mehr Menschen mit grossartigen Ideen über leistungsfähige
Technologien vernetzen und so die Fähigkeit erwerben,
mehr Herausforderungen in kürzerer Zeit zu meistern. Dieses
Zusammenwirken der Technologien dürfte den Digitali­
sierungsprozess in einem Tempo voranbringen, das es bei
früheren technologischen Revolutionen nicht gab.
Vignola: Das Internet der Dinge oder auch Big Data
können Veränderungen in unserer Arbeits- und Lebenswelt
erheblich beschleunigen. Mein Lieblingsbeispiel ist die
3D-Druckertechnologie. Sie nutzt Computer-Aided-Design(CAD-)Software, um dreidimen­sionale Gegenstände in fast
jeder Gestalt oder Form herzustellen. Ihr grosser Vorteil: Sie
ermöglicht eine beispiellose Anpassung des Herstellungsprozesses an spezifische Bedürfnisse. Dadurch können
­Unternehmen ihre Produkte exakt auf die Vorgaben ihrer
«Ich glaube, der Gesundheitssektor
bekommt die Umwälzungen besonders
schnell zu spüren – er wird jetzt schon
durch bahnbrechende Entwicklungen in
Biotechnologie, Nanotechnologie und
3D-Druck verändert.»
Andreas Feller
Kunden zuschneiden – und zwar schnell, direkt vor Ort und
viel kostengünstiger als bisher. 3D-Drucker werden schon
heute bei der Herstellung von Hörgeräten, Zahnspangen und
massgeschneiderter Bekleidung eingesetzt. In Zukunft könnten wir die Technologie einsetzen, um künstliche Herzklappen, Kontaktlinsen, Hautgewebe und andere medizinische
Produkte zu drucken.
Feller: Big Data ist ein weiteres spannendes Feld, das
den Fortschritt im digitalen Zeitalter beschleunigen könnte.
Mit der Erschliessung immer grösserer Datenmengen können wir eine Reihe von Aufgaben automatisieren, bei denen
die Mustererkennung eine grosse Rolle spielt. So setzen beispielsweise im Gesundheitssektor Onkologen des Memorial
Sloan Kettering Cancer Center in New York das IBMComputersystem Watson ein, um Behandlungsoptionen für
Krebspatienten vorzuschlagen. Die Vorschläge basieren
auf Daten aus 600 000 medizinischen Befundberichten,
1,5 Millionen Patientenakten und 2 Millionen Seiten Text aus
medizinischen Fachzeitschriften. Auf der Grundlage dieser
Daten erstellt das Watson-System einen individuellen
Behandlungsplan, der auf die persönlichen Symptome, die
Genetik, die Familiengeschichte und die bisherige Medikation des betreffenden Menschen zugeschnitten ist.
Sie haben das Internet der Dinge ange­
sprochen. Was
genau ist das – und wie könnte es sich auswirken?
Vignola: Das Internet der Dinge bezeichnet eine neue
Generation von miteinander verbundenen Computergeräten, die interagieren. Man kann sich das als eine Armee aus
Milliarden von kleinen Robotern vorstellen. Sie sind mit
Sensoren ausgestattet, verarbeiten Daten und dienen dazu,
unser Leben einfacher zu machen.
Die Palette möglicher Einsatzbereiche reicht von FitnessTracker-Geräten, die in Echtzeit unsere Körperfunktionen
überwachen, über Selbstlernsysteme, WiFi-fähige Thermostate zur Optimierung von Temperatur und Energieeffizienz
in unseren Wohnungen bis hin zu selbstfahrenden Autos, die
bereits 2020 in Massenproduktion gehen könnten. Die Fähigkeit, physische Gegenstände elektronisch zu überwachen
und zu steuern, wirkt sich schon jetzt dramatisch auf unseren
Lebensstil aus. Und in ein paar Jahrzehnten wird sich kaum
ein Kind mehr vorstellen können, dass Autos einmal von
Hand gelenkt worden sind.
Welche Branchen dürften als erste durch die Digital
­ isruption revolutioniert werden?
D
Feller: Ich glaube, der Gesundheitssektor bekommt die
Umwälzungen besonders schnell zu spüren – er wird jetzt
schon durch bahnbrechende Entwicklungen in Biotechnologie, Nanotechnologie und 3D-Druck verändert. Zum Beispiel
sind Ärzte dank der Biotechnologie bereits heute in der Lage,
aus Patientenzellen neue Organe wie Ohren, Knochen, Herzklappen oder Blutgefässe zu züchten. Dadurch kann verhindert werden, dass der Körper diese Ersatzorgane abstösst.
Die Nanomedizin wird genutzt, um geschädigtes Gewebe zu reparieren, Medikamente auf Molekularebene exakt zu
dosieren oder Nanopartikel zielgerichtet zu steuern, damit
sie Krebszellen lokalisieren und abtöten. Eine interessante
Entwicklung stellt auch die Markteinführung von intelligenten Pillen dar: Diese enthalten einen winzigen Chip mit einer
Videokamera und einem Magneten und können über die
Speiseröhre durch den Körper des Patienten gelenkt werden,
um Endoskopien durchzuführen.
Vignola: Es gibt zahllose Anwendungen, von denen
einige auch unseren Geschäftszweig betreffen. Denken Sie
nur an das Privatkundengeschäft. Eine der grössten Veränderungen im Bankwesen ist der Erfolg des Online-Bankings,
der zu einem erheblichen Einbruch des klassischen Filialgeschäfts geführt hat. Die gute Nachricht: Europäische ­Banken,
die sich dieser Entwicklung stellen, können mit einem
Gewinn­potenzial rechnen. Und die schlechte: Der Wandel
kommt – unabhängig davon, ob die Banken darauf vorbereitet sind oder nicht. Fazit: Die Zukunft wird voraussichtlich
durch eine zunehmende mobile Interaktion und eine stärkere
Automatisierung geprägt sein. Dieses Umfeld erfordert mehr
individuelle Lösungen und Beratungsdienstleistungen.
Millennials teilen online alles – von Kleidern bis zu Autos.
77
Anlagetrends
Werden sich diese neuen Technologien auch auf das Konsumentenverhalten auswirken?
Vignola: Immer mehr Verbraucher verändern ihr Konsumverhalten. Sie wenden sich von bestehenden Modellen
ab und entscheiden sich für neue Plattformen, weil sie günstiger, bequemer und einfacher zugänglich sind. All das führt
zum Entstehen einer Sharing Economy, in welcher der
­Zugang zu Gütern und Dienstleistungen wichtiger wird als
deren Besitz.
Ein gutes Beispiel hierfür ist das Auto, das in der Regel
95 Prozent seines Lebenszyklus in der Garage steht. Mittlerweile entscheiden sich mehr Menschen für CarsharingModelle wie Mobility in der Schweiz. Wer an solchen Modellen teilnimmt, kann ein Auto zu sehr günstigen Preisen
mieten – und das manchmal für ein paar wenige Stunden.
Feller: Junge Leute spielen eine wichtige Rolle bei der
Prägung von Konsumgewohnheiten. Die meisten Millennials – also die Bevölkerungsgruppe, die im Zeitraum von
etwa 1990 bis 2010 zu den Teenagern zählte – sind bereit,
fast alles zu teilen. Sie stellen bereits ihre Häuser und Wohnungen anderen befristet zur Verfügung, und viele gehen
­sogar dazu über, Kleidung, Werkzeuge und selbst ihre Sportausrüstung zu teilen.
Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, dass die für
die digitale Wirtschaft richtungsweisenden Millennials soziales Kapital oder die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft in
der Regel höher bewerten als finanzielles Kapital. Sie stellen
Nachhaltigkeit oft über gedankenlosen Konsum und äussern
vielfach die Meinung, dass am Markt Kooperation mindestens genauso wichtig ist wie Wettbewerb. Viele junge Eltern
besuchen heute Plattformen zur gemeinsamen Nutzung von
Spielzeug. Nach der Zahlung einer Grundgebühr haben sie
die Möglichkeit, sich jedes beliebige Spielzeug für einen bestimmten Zeitraum nach Hause schicken zu lassen, um es
später gegen einen anderen Artikel auszutauschen.
Dadurch begreifen die Kinder, dass das Spielzeug nicht
ihr Eigentum ist, sondern eine Erfahrung, die sie mit anderen
teilen. Als Angehörige der nächsten Verbrauchergeneration lernen sie somit, Dinge verantwortlich zu nutzen und
zu teilen.
Gibt es auch Nachteile?
Vignola: In der Arbeitswelt hat die Digitalisierung zu
beispiellosen Umwälzungen geführt. Ohne Zweifel bieten
neue Technologien – wie das Smartphone, der universelle
­Internet-Zugang, der Fitness Tracker und der 3D-Drucker –
uns Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten und Komfort.
Die Auswirkungen dieser Technologien auf die Güterund Dienstleistungsproduzenten sind indes komplexer. Immer mehr Aufgaben, die früher von Menschen erledigt wurden, lassen sich durch digitale Technologien automatisieren.
Denken Sie nur an die Kassiererinnen im Supermarkt oder
an Fahrer. Die Automatisierung könnte viele Arbeitnehmer
die Stelle kosten.
Anlagetrends
78
«Die Digitalisierung könnte stärkere
Umwälzungen und Veränderungen mit
sich bringen als frühere technologische
Revolutionen, weil sich der Wandel diesmal
schneller vollzieht als bei vergleichbaren
Zyklen in der Vergangenheit.»
Luigi Vignola
Grosse Datenmengen (Big Data) werden ausgewertet und zu
wertvoller Information aufbereitet.
Feller: Vielleicht ist es hilfreich, das Phänomen auch
aus einer historischen Perspektive zu betrachten. Ein wichtiges Merkmal der ersten industriellen Revolution bestand darin, dass sie sowohl für die Produzenten als auch für die Verbraucher von Nutzen war: Die Verbraucher erhielten Zugang
zu besseren und günstigeren Waren, während niedrig qualifizierte Arbeiter besser bezahlte Jobs fanden.
Das digitale Zeitalter ist den einfachen Leuten hingegen
vor allem in ihrer Eigenschaft als Verbraucher zugutegekommen – als Produzenten haben sie kaum profitiert, denn in der
digitalen Ära sind die neuen Beschäftigungschancen vorwiegend gut ausgebildeten Arbeitnehmern vorbehalten. Somit
birgt die digitale Revolution die Gefahr, dass niedrig qualifizierte Beschäftigte stark benachteiligt werden, während innovative Köpfe und Unternehmer einen überproportional
hohen Nutzen aus der Entwicklung ziehen.
Wie wird sich die digitale Revolution in den nächsten
zehn Jahren auf die Weltwirtschaft auswirken?
Vignola: In der Vergangenheit haben revolutionäre
Technologien stets ein enormes Wirtschaftswachstum generiert. Die Digitalisierung könnte stärkere Umwälzungen und
Veränderungen mit sich bringen als frühere technologische
Revolutionen, weil sich der Wandel diesmal schneller vollzieht als bei vergleichbaren Zyklen in der Vergangenheit. Deswegen bin ich mir sicher: Neben dem potenziellen
Vermögens- und Produktivitätszuwachs, den das digitale
Zeitalter verspricht, bringt der derzeitige rasante technologische Wandel auch erhebliche ökonomische Risiken mit sich.
Das grösste Risiko besteht wahrscheinlich in der zunehmenden Ungleichheit. Sie droht nicht nur, unsere Gesellschaft zu spalten, sondern gefährdet auch die Stabilität
unserer Wirtschaft.
«Die meisten Millennials – also die Bevölkerungsgruppe, die im Zeitraum von etwa
1990 bis 2010 zu den Teenagern zählte –
sind bereit, fast alles zu teilen.
Andreas Feller
Feller: Für mich spricht sehr viel dafür, dass die Robotik und andere technologische Fortschritte den durchschnittlichen Lebensstandard dramatisch verbessern werden. Auf
individueller Ebene werden die Auswirkungen des digitalen
Wandels fortan davon abhängen, welche Fähigkeiten eine
Person besitzt. Mit anderen Worten: ob diese Person den an
ihre Tür klopfenden Roboter ersetzen oder ergänzen kann.
Es ist wichtig, die von Luigi Vignola angesprochenen Herausforderungen richtig zu verstehen und eine vernünftige,
vorausschauende Politik zu führen, um die Gesamtnachfrage
anzukurbeln und Ungleichheiten zu verringern. Gelingt
dies, könnte sich das digitale Zeitalter sehr wohl zu einer in-
In naher Zukunft werden uns persönliche Roboter bei der
Arbeit helfen.
tegrativen Epoche entwickeln, die allen Menschen zugutekommt – egal ob in ihrer Eigenschaft als Verbraucher oder
als Produzent.
Wie können Anleger am besten an diesen technologischen Revolutionen teilhaben?
Feller: In die erwähnten Bereiche zu investieren, kann
langfristig lohnend sein, ist aber sicher nicht risikolos. So
kann ein Hype rund um ein Thema die Kurse in einem bestimmten Segment kurzfristig in die Höhe treiben. Genauso
schnell können sie aber auch wieder einbrechen, wenn sich
die Anleger «dem nächsten heissen Thema» zuwenden. Derartige Marktschwankungen können auch dann auftreten,
wenn das zugrunde liegende Thema strukturell betrachtet
intakt ist. Deshalb haben wir die Anlagephilosophie Next
Generation entwickelt. Sie hilft dabei, langfristige Trends wie
den der ­Digital Disruption zu identifizieren. Gleichzeitig
stellt sie den Anlegern praktikable Anlagelösungen in attraktiven Phasen des Investmentzyklus zur Verfügung.
Vignola: Julius Bär Next Generation zielt darauf ab,
den Anlegern Orientierung zu geben beim Aufbau von Positionen mit langfristigen Wachstumschancen. Im Rahmen
dieser Initiative veröffentlichen wir regelmässig thematische
Research-Berichte und monatliche Videos. Zudem werden
hochkarätig besetzte Investmentkonferenzen abgehalten,
bei denen globale Vordenker interessante Einblicke geben.
All das soll unseren Kunden dabei helfen, durch eine geeignete Positionierung von wichtigen Zukunftstrends zu profitieren. Um es mit Mark Twain zu sagen: ­«Plane für die Zukunft, denn dort wirst du den Rest deines Lebens verbringen.»
79
Anlagetrends
JULIUS BÄR AUF EINEN BLICK
MOSKAU
ISTANBUL
BEIRUT
TEL AVIV
KAIRO
MANAMA
ABU DHABI
NASSAU
Mexiko-Stadt
Panama-Stadt
LIMA
BELO HORIZONTE
RIO DE JANEIRO
SÃO PAULO
SANTIAGO DE CHILE
MONTEVIDEO
Julius Bär: die internationale Referenz im Private Banking
Julius Bär Gruppe* / 30. Juni 2015
• Wir leben reines Private Banking –
für unsere Kunden vor Ort und weltweit.
Total Kundenvermögen (in Mrd. CHF)
Verwaltete Vermögen
Custody-Vermögen
368.6
284.0
84.6
Personalbestand (auf Vollzeitbasis)
Schweiz
Ausland
5378
3162
2216
BIZ-Kernkapitalquote (Tier 1)
19,1%
Moody’s Rating (langfristig)
Bank Julius Bär & Co. AG
Aa2
• Wir sind unabhängig – unserem
Schweizer Familienerbe verpflichtet.
• Wir beraten objektiv und kompetent – auf Basis
unserer einzigartigen, offenen Produktplattform.
• Wir handeln unternehmerisch und sind innovativ –
als Taktgeber der Branche.
* An der SIX Swiss Exchange kotiert (BAER.VX)
Unser unternehmen
80
DUBAI
KIEL
DUBLIN
HAMBURG
AMSTERDAM
LONDON
DÜSSELDORF
GUERNSEY
FRANKFURT
LUXEMBURG
MANNHEIM
WÜRZBURG
STUTTGART
MÜNCHEN
WIEN
ZÜRICH
MAILAND
TURIN
TOKIO
MONACO
SCHANGHAI
HONGKONG
ROM
MADRID
SINGAPUR
JAKARTA
BASEL
ST. GALLEN
ZÜRICH
ZUG
LUZERN
BERN
LAUSANNE
GENF
Hauptsitz
Buchungszentrum
Standort
GPS, strategische Mehrheitsbeteiligung von 80 %
NSC Asesores, strategische
Minderheitsbeteiligung von 40 %
ST. MORITZ
CRANS-MONTANA
SION
VERBIER
Kairos Julius Baer SIM SpA,
strategische Minderheitsbeteiligung von 19,9 % an der
Holdinggesellschaft
Julius Bär ist in Mailand durch
Julius Baer Fiduciaria S.r.l.
vertreten.
81
LUGANO
TFM Asset Management AG,
strategische Mehrheitsbe­teili­
gung von 60 %
Unser unternehmen
UNSERE PRODUKTE UND
DIENSTLEISTUNGEN
KERNPRODUKTE – ANLAGELÖSUNGEN
WEITERE DIENSTLEISTUNGEN
Basierend auf dem bewährten Anlageansatz von
Julius Bär sowie unserer offenen Produkt- und Dienstleistungsplattform.
Wealth & Tax Planning
Auf Basis unserer offenen Produkt- und Dienstleistungsplattform bieten wir unabhängige Beratung zu Vermö­
gensstrukturierung, Finanz-, Steuer- und Nachfolgeplanung,
Wohnsitzwechsel, Pensionierung und Philanthropie.
Vermögensverwaltungsmandate
Wir bieten Ihnen eine Palette von Mandaten mit
verschiedenen Merkmalen. Sie delegieren alle Anlage­
entscheidungen an uns und werden so von laufenden
Entscheidungsfindungen entlastet.
Investment-Advisory-Angebote
Sie wählen zwischen verschiedenen Dienstleistungsmodellen aus, besprechen Ihre Anlageentscheidungen mit Ihrem
Kundenberater und/oder Anlageberater und erhalten von
uns eine massgeschneiderte Beratung.
Produkt- und Wertschriftenempfehlungen
Wir behalten Ihre Anlagen für Sie im Auge und unterbreiten Ihnen auf Ihr Risikoprofil abgestimmte Anlage­
empfehlungen. Sie treffen alle Entscheidungen selbst.
Finanzierungen
Wir bieten Ihnen eine breite Palette von Kreditlösungen –
von Lombardkrediten über Hypothekardarlehen bis hin
zu strukturierten Finanzierungen.
Trading/Administration & Safekeeping
Wir unterstützen Sie beim Handel mit Devisen, Edelmetallen und Wertpapieren und übernehmen für Sie
die ­Ab­wicklung, Administration und Verwahrung dieser
Werte. Ausserdem sind wir ein Kompetenzzentrum in
den ­Bereichen Derivate, strukturierte Produkte und
e-Trading-Lösungen.
RESEARCH
Bankeigenes Research
Unser bankeigenes Research bietet Ihnen Analysen zur
Wirtschaftsentwicklung sowie zu Aktien, Anleihen,
Währungen und Rohstoffen. Ergänzend dazu widmet sich
Julius Bär Next Generation strukturellen Trends, welche
die Zukunft verändern werden.
Unser Produkt- und Dienstleistungsangebot ist
abhängig vom Domizil des Kunden und von der
jeweiligen Rechtseinheit von Julius Bär.
83
Unser unternehmen
Wichtige rechtliche Hinweise
Diese Publikation stellt Marketingmaterial dar und
ist nicht Resultat einer unabhängigen Finanzana­
lyse. Sie unterliegt daher nicht den rechtlichen
Anforderungen bezüglich der ­Unabhängigkeit der
Finanzanalyse.
Die in dieser Publikation enthaltenen Informa­tionen
und Meinungen wurden von Bank Julius Bär & Co.
AG, Zürich, die der Aufsicht der ­Eidgenössischen
Finanzmarktaufsicht (FINMA) untersteht, zum
Zeitpunkt der Redaktion dieser Publikation produziert und können sich ohne ­Ankündigung ändern.
Diese Publikation dient ausschliesslich Informa­
tionszwecken und stellt keine Offerte, Empfehlung oder Aufforderung von Julius Bär oder in
­ihrem Auftrag zur Tätigung einer Anlage dar. Alle
Gesellschaften, die in dieser Publikation genannt
werden, sind nur zu Illustrationszwecken erwähnt
und stellen keine Investitionsempfehlungen dar. Die
Äusse­rungen und Kommentare widerspiegeln die
derzeitigen Ansichten der Verfasser, können jedoch
von Meinungsäusserungen anderer Einheiten von
Julius Bär oder sonstiger Drittparteien abweichen.
Die in dieser Publikation genannten Dienstleistungen und/oder Produkte sind unter Umständen
nicht für alle Empfänger geeignet und nicht in allen
Ländern verfügbar. Die Kunden von ­Julius Bär
werden gebeten, sich mit der lokalen Einheit von
Julius Bär in Verbindung zu setzen, wenn sie
sich über die angebotenen Dienstleistungen
und/oder Produkte im entsprechenden Land
informieren wollen.
Diese Publikation ist ohne Rücksicht auf die ­Ziele,
die Finanzlage oder die Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt worden. Bevor ein Anleger
ein Geschäft abschliesst, sollte er prüfen, ob sich
das betreffende Geschäft angesichts seiner persönlichen Umstände und Ziele für ihn eignet. Der
Kunde sollte nur nach gründlicher Lektüre des relevanten Produktmerkblatts, der Zeichnungsvereinbarung, des Informationsprospekts, des Verkaufsprospekts oder anderer ­Angebotsdokumente im
Zusammenhang mit der Wertschriftenemission
oder anderen Finanz­instrumenten Investitions-,
Handels- oder sonstige Entscheidungen treffen.
Die in dieser Publi­kation enthaltenen Informationen
stellen weder eine Anlage-, Rechts-, Buchführungsoder Steuerberatung dar noch eine Zusicherung,
dass sich eine Anlage oder Anlagestrategie unter
bestimmten persönlichen Umständen eignet oder
angemessen ist; sie sind auch keine persönliche
Empfehlung für einen bestimmten Anleger. Julius
Bär empfiehlt allen Anlegern, unabhängigen professionellen Rat über die jeweiligen finanziellen
Risiken sowie die Rechts-, Aufsichts-, Kredit-, Steuer- und Rechnungslegungsfolgen einzuholen.
Obwohl die in dieser Publikation enthaltenen Informationen und Angaben aus Quellen stammen,
die als zuverlässig gelten, wird keine Zu­sicherung
bezüglich ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit
abgegeben. Bank Julius Bär & Co. AG, Zürich, ihre
Tochtergesellschaften und die mit ihr verbundenen
Unternehmen lehnen jegliche Haftung für Verluste
Unser unternehmen
84
infolge der Verwendung dieser Publikation ab.
Diese Publikation darf nur in Ländern vertrieben
werden, in ­denen der Vertrieb rechtlich erlaubt
ist. Diese Publikation ist nicht für Personen aus
Rechts­ordnungen bestimmt, die solche Publikationen (aufgrund der Staatsangehörigkeit der Person,
ihres Wohnsitzes oder anderer Gegebenheiten)
untersagen.
Externe Vermögensverwalter / externe Finanz­
berater: Falls diese Marketingpublikation einem
externen Vermögensverwalter oder einem externen
­Finanzberater abgegeben wird, verbietet Julius Bär
ausdrücklich, dass externe Vermögensverwalter
oder externe Finanzberater diese Publikation weitergeben oder ihren Kunden und/oder Drittparteien
zugänglich machen. Die externen Vermögensverwalter oder externen Finanz­berater bestätigen, dass
sie bei Erhalt jeglicher ­Marketingpublikation ihre
eigene unabhängige Analyse durchführen und
unabhängige Anlage­entscheide fällen.
Bahamas: Diese Publikation wird von Julius Baer
Bank & Trust (Bahamas) Limited vertrieben, ­einer
Einheit, der von der Zentralbank der Bahamas eine
Lizenz erteilt wurde und die zudem der Regulierung
durch die Securities Commission of The Bahamas
untersteht. Diese Publikation ist kein Emissionsprospekt und keine Mitteilung im Sinn des Securities
Industry Act 2011 oder der Securities Industry
­Regulations 2012. Zudem ist diese Publikation nur
für Personen bestimmt, die im Sinn der Bahamian
Exchange Control Regulations and Rules als «nonresident» bezeichnet oder betrachtet werden.
Chile: Diese Publikation wurde von Bank Julius Bär
& Co. AG, Zürich, erstellt und ist nur für den vorgesehenen Empfänger bestimmt.
Deutschland: Bank Julius Bär Europe AG, die der
Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienst­
leistungsaufsicht (BaFin) untersteht, gibt ihren
Kunden diese Publikation ab. Anforderungen
­betreffend (i) die ­Unabhängigkeit der Finanz­
analyse und (ii) das Verbot des Handels vor
der Ankündigung von Finanzanalysen finden
keine Anwendung.
Dubai Internationales Finanzzentrum: Diese
­Publikation wird von Julius Baer (Middle East) Ltd.
vertrieben. Sie ist nicht geeignet für Retailkunden
und darf nicht an diese abgegeben werden. Bitte
beachten Sie, dass Julius Baer (Middle East) Ltd.
Finanzprodukte oder Dienstleistungen nur profes­
sionellen Kunden anbietet, die über genügend
­Finanzerfahrung und Kenntnisse über die Finanzmärkte, Produkte oder Geschäfte und die damit
verbundenen Risiken verfügen. Die erwähnten Produkte oder Dienstleistungen stehen ausschliesslich
professionellen Kunden zur Verfügung, die der
­Definition des «Conduct of Business»-Moduls der
Dubai Financial Services Authority (DFSA) nachkommen. Julius Baer (Middle East) Ltd. verfügt
über eine rechtmässige Lizenz der DFSA und unterliegt ihrer Aufsicht.
Guernsey: Diese Publikation wird von der Bank
Julius Baer & Co. Ltd., Niederlassung Guernsey,
verteilt, die eine Lizenz von der Guernsey Financial
Services Commission zur Erbringung von Bankund Anlagedienstleistungen in Guernsey besitzt
und von dieser reguliert wird.
Hongkong: Diese Publikation wird in Hongkong
von und im Auftrag von Bank Julius Bär & Co. AG,
Niederlassung Hongkong, vertrieben, die eine volle
Bankenlizenz der Hong Kong Monetary Authority
gemäss der Bankenverordnung (Chapter 155 der
Gesetze von Hongkong SAR) besitzt, und kann
­dieser zugerechnet werden. Die Bank ist ebenfalls
ein registriertes Institut mit der Central-EntityNummer AUR302, das gemäss der Securities and
Futures Ordinance (SFO) (Chapter 571 der Ge­
setze von Hongkong SAR) regulierte Aktivitäten
des Typs 1 (Wertpapierhandel), des Typs 4 (Wertpapierberatung) und des Typs 9 (Vermögensverwaltung) anbieten darf. Diese Publikation darf in
Hongkong nur an professionelle Anleger (profes­
sional investors) im Sinn der SFO abgegeben werden. Der Inhalt dieser Publikation wurde von keiner
Aufsichtsbehörde geprüft. Sollten Sie Fragen zu
dieser Publikation haben, wenden Sie sich bitte an
Ihren Kundenberater in Hongkong. Bank Julius Bär
& Co. AG hat ihren Sitz in der Schweiz mit beschränkter Haftung.
Irland: Julius Baer International Limited, Niederlassung Irland, ist autorisiert und wird reguliert durch
die Aufsichtsbehörde Financial Conduct Authority
im Vereinigten Königreich und wird in Bezug auf die
unternehmerischen Wohlverhaltensregeln durch
die Zentralbank von Irland ­reguliert.
Israel: In Israel wird diese Publikation von Julius
Baer Financial Services (Israel) Ltd. (JBFS) ver­
trieben, die durch die Aufsichtsbehörde Israel Securities Authority für die Bereitstellung von Dienstleistungen in den Bereichen Investment Marketing
und Portfoliomanagement zugelassen ist. Nach
­israelischem Gesetz bedeutet «Investment Marketing» die Beratung von Kunden im Zusammenhang
mit den Vorteilen einer Anlage sowie dem Kauf,
Verkauf oder Halten von Wertpapieren oder
Finanz­instrumenten, sofern der Anbieter dieser
Leistungen den Wertpapieren oder Finanzinstrumenten zugehört. Aufgrund der Zugehörigkeit von
JBFS zu Bank Julius Bär & Co. AG, Zürich, gilt
JBFS als zugehörig zu ­bestimmten Wertpapieren
oder ­Finanzinstrumenten, die möglicherweise im
Zusammenhang stehen mit den Leistungen, die
JBFS anbietet, und daher ist jede Verwendung des
Begriffs «Anlageberatung» oder Variationen dieses
­Begriffs in dieser Publikation als «Investment Marketing» im vorstehend genannten Sinn aufzufassen.
Königreich Bahrain: Julius Baer (Bahrain) B.S.C.
(c), eine Kapitalanlagegesellschaft, die von der
­Zentralbank von Bahrain (Central Bank of Bahrain,
CBB) lizenziert ist und reguliert wird, vertreibt für
ihre fachkundigen und akkreditierten Investoren
(expert and accredited investor clients) diese Publi-
kation. Bitte beachten Sie, dass Julius Baer (Bahrain) B.S.C. (c) finanzprodukte oder Dienstleistungen nur fachkundigen und akkreditierten Investoren
anbietet, in Übereinstimmung mit der Definition
des CBB-Regelwerks, das Regeln, Richtlinien und
Vorschriften der CBB gemäss dem CBB-Gesetz
enthält. Diese Publikation darf nicht an Retailkunden abgegeben werden und darf diesen nicht als
Entscheidungsgrundlage dienen. Die CBB übernimmt keinerlei Verantwortung für die Richtigkeit
der in dieser Publikation enthaltenen aussagen und
Informationen und haftet nicht für Schäden oder
Verluste, die Personen durch das Vertrauen auf diese aussagen und Informationen entstehen.
Libanon: Diese Publikation wird vertrieben von
Julius Baer (lebanon) S.a.l., einem ordentlich
zugelassenen finanzintermediär, der der aufsicht
der Kapitalmarktaufsicht untersteht.
Luxemburg: Diese Publikation wird von Julius Baer
Investment Services S.à r.l. vertrieben, einem Unternehmen, das von der Commission de Surveillance
du Secteur financier (CSSf) zugelassen ist und
reguliert wird. Diese Publikation wurde nicht von
der CSSf zugelassen oder überprüft und es wird
nicht beabsichtigt, sie bei der CSSf einzureichen.
Monaco: Bank Julius Baer (Monaco) S.a.M., eine
vom Staatsminister des fürstentums Monaco und
der französischen nationalbank autorisierte Institution, gibt ihren Kunden die vorliegende Publikation
ab. Julius Baer Wealth Management (Monaco)
S.a.M., ein in Monaco zugelassener Vermögensverwalter, vertreibt diese Publikation an seine Kunden.
Niederlande: Julius Baer (netherlands) B.V., die
der aufsicht der netherlands authority for the
financial Markets (afM) unterliegt und ermächtigt
ist, (i) von Kunden aufträge anzunehmen und
weiterzuleiten sowie (ii) anlageberatung zu erteilen, gibt diese Publikation an ihre Kunden ab. Bank
Julius Bär Europe aG unterliegt der aufsicht der
Bundesanstalt für finanzdienstleistungsaufsicht
(Bafin) und ist berechtigt, in den niederlanden
Bankdienstleistungen sowie gewisse anlagedienstleistungen entsprechend der ihr erteilten lizenz zu
erbringen. Diese Publikation wird von Bank Julius
Bär & Co. aG, zürich, herausgegeben, die der
aufsicht der Eidgenössischen finanzmarktaufsicht
(fInMa) untersteht, jedoch nicht berechtigt ist,
in den niederlanden regulierte Dienstleistungen
zu erbringen. anforderungen betreffend (i) die
Unabhängigkeit der finanzanalyse und (ii) das
Verbot des handels vor der ankündigung von
finanzanalysen finden keine anwendung.
Panama: Die in dieser Publikation beschriebenen
relevanten Dienstleistungen und/oder Produkte
dürfen ausschliesslich von einer zu Julius Bär gehörenden, für die Bereitstellung dieser Dienstleistungen und/oder Produkte in Panama lizenzierten
Rechtseinheit beworben werden. Diese Publikation
richtet sich nur an die vorgesehenen Empfänger.
Schweiz: In der Schweiz wird diese Publikation von
Bank Julius Bär & Co. aG, zürich, vertrieben, die
der aufsicht der Eidgenössischen finanzmarktaufsicht (fInMa) untersteht.
Singapur: Diese Publikation wird von Bank Julius
Bär & Co. aG, niederlassung Singapur, vertrieben
und steht nur amtlich anerkannten Investoren
(accredited investors) zur Verfügung. Da die niederlassung Singapur von einer ausnahmeregelung
(unit exemption) gemäss artikel 100(2) des financial advisers act, Cap. 110 von Singapur (faa),
profitiert, sind viele der Vorschriften des financial
advisers act nicht anwendbar. Unter anderem
ist die niederlassung Singapur nicht verpflichtet,
Beteiligungen an den in dieser Publikation erwähnten Wertpapieren oder finanzinstrumenten oder
die absicht zum Kauf oder Verkauf dieser Wertpapiere oder finanzinstrumente offenzulegen. auf
Wunsch sind weitere Einzelheiten über diese ausnahmeregelung erhältlich. Diese Publikation wurde
nicht bei der Monetary authority of Singapore
(MaS) als Prospekt registriert. Dokumente oder
Materialien in Bezug auf den Kauf oder Verkauf
oder die Einladung zum Bezug oder zum Kauf von
in dieser Publikation aufgeführten Wertpapieren
oder anlagefonds dürfen in Singapur weder verteilt
werden noch direkt oder indirekt an andere Personen weitergegeben oder verbreitet oder zum Bezug
oder Kauf angeboten werden, ausser (i) an institutionelle Investoren gemäss artikel 274 bzw. 304 des
Securities and futures act, Cap. 289 von Singapur
(Sfa), (ii) an relevante Personen (dazu zählen akkreditierte Investoren) oder an sonstige Personen
gemäss artikel 275(1a) oder 305(2) Sfa, wobei die
Bedingungen von artikel 275 oder 305 Sfa erfüllt
sein müssen, oder (iii) auf sonstige Weise, die gemäss und in Übereinstimmung mit den Bedingungen aller sonst anwendbaren Vorschriften des Sfa
zulässig ist. In Bezug auf anlagefonds, die nicht von
der MaS zugelassen oder anerkannt sind, dürfen
anteile solcher fonds keinen Privatanlegern angeboten werden und sämtliche schriftlichen, an vorstehend genannte Personen im zusammenhang mit
dem angebot abgegebenen Materialien sind kein
Verkaufsprospekt im Sinn des Sfa. Dementsprechend besteht keine gesetzliche haftung nach dem
Sfa in Bezug auf den Inhalt der Prospekte. für
alle fragen bezüglich der vorliegenden Publikation
wenden Sie sich bitte an einen Repräsentanten von
Bank Julius Bär & Co. aG, niederlassung Singapur.
Bank Julius Bär & Co. aG hat ihren Sitz in der
Schweiz. Der in dieser Publikation verwendete
Begriff «unabhängig» bedeutet nicht, dass Bank
Julius Bär & Co. aG (die Bank) oder irgendein
Vermögensverwalter bzw. irgendein family
office in Singapur, mit welchem die Bank möglicherweise verbunden ist, unabhängig (independent) im Sinn von Cap. 110 faa ist.
Spanien: Julius Baer agencia de Valores, S.a.U.,
ein durch das Börsenaufsichtsamt Comisión
nacional del Mercado de Valores (CnMV) zugelassenes und reguliertes Unternehmen, vertreibt
diese Publikation an seine Kunden. Die in dieser
Publikation genannten Dienstleistungen und/oder
Produkte dürfen in Spanien nur von einer Einheit
von Julius Bär erbracht werden, die in Spanien für
die Erbringung dieser Dienstleistungen und/oder
Produkte zugelassen ist.
Uruguay: falls diese Publikation als angebot oder
Empfehlung oder aufforderung zum Kauf oder
Verkauf von Wertpapieren oder anderen finanzinstrumenten angesehen wird, werden diese unter
Berufung auf die Befreiung privater anlagen (oferta
privada) gemäss artikel 2 von Gesetz nr. 18 627
angeboten und sind und werden nicht bei der Bankenaufsichtsbehörde der zentralbank von Uruguay
für das öffentliche angebot in Uruguay registriert.
Im fall geschlossener fonds oder Private-Equityfonds handelt es sich bei den betreffenden Wertpapieren nicht um Investmentfonds, die durch das
uruguayische Gesetz nr. 16 774 vom 27. September
1996 in der geänderten fassung reguliert werden.
Wenn Sie in Uruguay ansässig sind, bestätigen Sie
hiermit, die deutsche Sprache, in der diese Publikation und alle hierin genannten Dokumente verfasst
sind, vollständig zu verstehen und keine weiteren
Dokumente in spanischer oder einer anderen Sprache zu benötigen.
Vereinigte Arabische Emirate: Diese Publikation
wurde nicht von der UaE Central Bank, der Securities and Commodities authority oder einer anderen
zuständigen Behörde der Vereinigten arabischen
Emirate genehmigt oder lizenziert. Sie ist streng
vertraulich und wird nur auf anfrage an eine festgelegte anzahl sophistizierter privater und institutioneller anleger ausgegeben. Sie darf nicht an dritte
Personen weitergegeben oder von diesen verwendet werden.
Vereinigtes Königreich: Bei dieser Publikation
handelt es sich um eine sogenannte financial
Promotion entsprechend Section 21 des financial
Services and Markets act 2000 (fSMa). Soweit
diese Publikation an Empfänger im Vereinigten Königreich abgegeben wird, wurde sie von Julius Baer
International limited (JBInt) genehmigt. JBInt
unterliegt der aufsicht der financial Conduct
authority (fCa). Personen, die mit anderen Mitgliedern der Julius Bär Gruppe Geschäfte tätigen,
sind nicht durch die Regeln und Vorschriften gedeckt, die zum Schutz der anleger im Vereinigten
Königreich bestehen; sie geniessen daher nicht die
Rechtsansprüche von Retailkunden und anderen
anlegern gemäss dem fSMa und den Vorschriften
der fCa.
USA: WEDER DIE VoRlIEGEnDE PUBlIKatIon noCh KoPIEn DaVon DÜRfEn In DIE
USa VERSanDt, DoRthIn MItGEnoMMEn
oDER VERtRIEBEn oDER an US-PERSonEn
aBGEGEBEn WERDEn.
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85
UnseR UnteRnehmen
Redaktionskommission
Dr. Jan A. Bielinski,
Chief Communications Officer,
Julius Bär
Nicole Chandrashekara,
Co-Head Marketing, Julius Bär
Lenah Crass, Julius Bär
Redaktion
Melanie Kienzle, Julius Bär
Ayako Lehmann, Julius Bär
Emily Rookwood, Julius Bär
Textbeiträge
Janet Anderson, Journalistin
Dorothée Enskog, Journalistin
Andy Isaacson, Journalist
Robert Ruttmann, Julius Bär
Stuart Spear, Journalist
Redaktionelle Gestaltung
Meiré und Meiré, Köln
Deutsche Umsetzung
medienwerkstatt ag, Sulgen
Korrektorat
Syntax Übersetzungen AG, Zürich
Lektorat
sprach-art, Inés Flück
Sprachagentur Bahia,
Ruedi Häuptli
Der Forest Stewardship Council
Illustrationen und Grafiken
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London; Seite 72: C3, Berlin;
Seiten 75–79: Cameron Law.
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Druck
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Julius Bär erhalten Sie unter:
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© Julius Bär Gruppe, 2015
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AUSGABE 3 OKTOBER 2015
AUSGABE 3‹
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Telefax +41 (0) 58 888 5517
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JULIUS BÄR
Chefredakteurin
Michèle Bodmer, Julius Bär
Bildnachweis
Titelseite: Meiré und Meiré;
Seiten 3, 6, 9, 10: Thomas Eugster;
Seite 19: mit freundlicher Genehmigung von Jared Cohen; Seiten
23–27: mit freundlicher Genehmigung von Rimac Automobili;
Seiten 28–30: mit freundlicher
Genehmigung von Elena
Corchero; Seite 33: mit freundlicher Genehmigung von
Darcy Winslow/Getty Images;
Seite 35: mit freundlicher
Genehmigung von Thomas
Eugster; Seiten 36–38: mit freundlicher Genehmigung von
NanoDimension; Seiten 40–42:
LAIF; Seite 45: Getty Images;
Seite 46: Rainer Rudolf Benoit;
Seite 49: mit freundlicher Genehmigung von Claudia Comte;
Seiten 50–51: Rainer Rudolf
Benoit; Seiten 53–65: Thomas
Eugster; Seite 66: Kroeger;
Seite 67: mit freundlicher Genehmigung des Akademischen
Motorsportvereins Zürich (AMZ);
Seite 68: Rainer Rudolf Benoit
und Sauber Motorsport; Seite 69:
mit freundlicher Genehmigung
des AMZ; Seite 82: Thomas
Eugster.
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WIE MAN DAS BESTE AUS
EINEM VORSPRUNG MACHT
VISIONÄRE DENKER
NANOTECHNOLOGIE, MODE
UND DIE STÄDTE DER ZUKUNFT
JARED COHEN
WIRD VERNETZUNG UNSERE
WELT ZUM BESSEREN VERÄNDERN?
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Die von Meiré und Meiré gestaltete Titelseite symbolisiert den
First-Mover-Vorteil, der sich mitunter nur schwer verteidigen lässt.
Wer als Erster auf einen Markt
vorstösst, hat womöglich die
besten Erfolgschancen. Doch
die Mitbewerber schlafen nicht:
Sobald sie eine Chance sehen,
werden sie nachziehen und dem
Marktpionier den Startvorteil
streitig machen.
Rechtschreibung
Vor über 125 Jahren wurde die
Bank Julius Bär in der Schweiz
gegründet. Um diese Herkunft zu
widerspiegeln, verwenden wir
in diesem Magazin die Schweizer
Rechtschreibung.
(FSC) ist eine unabhängige, gemeinnützige Nichtregierungs-
organisation, die sich weltweit für
schaftung von Wäldern einsetzt.
Julius Bär sorgt sich um die
Umwelt. Deshalb wurde dieses
Dokument auf FSC-zertifiziertem
Papier gedruckt. medienwerkstatt
ag ist eine durch FSC und
ClimatePartner zertifizierte,
klimaneutral arbeitende
Druckerei.
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DER DEMOGRAFISCHE WANDEL
BIETET NEUE PERSPEKTIVEN.
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