Leichttriebwagen «Blauer Pfeil» der BLS von 1938: Vom Abbruchobjekt zum Flaggschiff der historischen BLS-Flotte Hintergrundinformationen zur Restaurierung Bern, im Dezember 2015, Kilian T. Elsasser Der Blaue Pfeil ist eine technische Pionierleistung: Der Leichttriebwagen mit Baujahr 1938 vereint Lokomotive und Personenwagen in sich und gilt deshalb als Vorläufer heutiger S-Bahn- und Regionalverkehrszüge. Der Blaue Pfeil war bis 1983 auf dem BLS-Streckennetz und bis 1999 auf dem Netz der Sensetalbahn in Betrieb. Der Tramverein Bern rettete das letzte erhaltene Fahrzeug der Serie vor dem Abbruch. Die BLS-Stiftung erwarb den Leichttriebzug 2011 und restaurierte ihn. Heute fährt der Blaue Pfeil für Charter- und Publikumsfahrten wieder durch die Schweiz. Restaurierung: So wenig wie möglich, so viel wie nötig Mit der Restaurierung und Wiederinbetriebnahme des Triebwagens Blauer Pfeil setzt die BLS-Stiftung das innovative Denken der BLS fort. Das Konzept legt Gewicht auf die Erhaltung der historischen Substanz und verzichtet auf grundsätzliche Rekonstruktionen. Die äussere Erscheinung präsentiert sich im wesentlichen im Zustand von 1938. Die 1985 eingeschweissten Abrundungen der Fenster liess die Stiftung entfernen. Damit ist die strenge Eckigkeit im Stil der neuen Sachlichkeit wieder hergestellt. Der eine Wagenkasten mit der dritten Klasse präsentiert sich im Ablieferungszustand von 1938, der andere Wagenkasten in der Erscheinung von 1985. Die Stiftung liess die beiden Führerstände wieder öffnen, damit Passagiere neben dem Lokführer sitzen und wie 1938 eine Rundumsicht geniessen können. Weitere wichtige historische Teile sind das WC, die Gefängniszelle und der Gepäckraum, die im Ablieferungszustand von 1938 konserviert wurden. Geschichte: Ein technischer, wirtschaftlicher und gestalterischer Wurf Der Blaue Pfeil ist ein innovatives Produkt der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre. Die BLS liess die drei Triebwagen mit je 30 % aus Mitteln der Arbeitsbeschaffung des Bundes und der Kantone Schaffhausen und Genf finanzieren, denn die drei Triebwagen bauten die Sécheron SA in Genf und die Schweizerischen Industriegesellschaft SIG in Neuhausen SH. Die Wagenkasten sind als selbstragende, verschweisste viereckige Röhren gestaltet. Die einzige gestalterische Extravaganz sind die schwungvolle nach hinten gebogene Bleche auf dem Dach der Stirnseiten. Die Zugfronten erhielten eine markante, leicht stromlinienförmige Erscheinung, was dem Pfeil den Übernamen „Pharao“ eintrug. Die technischen Apparaturen sind unter dem Wagenkasten und auf dem Dach platziert. Damit konnte die ganze Fläche für den Transport von Personen und Gütern genutzt werden. Im Vergleich zu Regionalzügen mit derselben Kapazität konnte das Zugsgewicht halbiert werden und damit auch die Kosten für die elektrische Antriebsenergie. Überdies entfielen mit den Leichttriebzügen die umständlichen Rangiermanöver in den Endbahnhöfen. Die BLS AG gab für eine kundenfreundliche Nutzung beim Bau des Zuges folgendes vor: „Die seitlichen Fenster (…) sind möglichst breit (…) zu wählen, damit die Aussicht uneingeschränkt ist. (…) Es ist eine möglichst einfache, aber doch geschmackvolle innere Ausrüstung zu wählen. Die Sitze sind gepolstert und mit gepolsterten Rücklehnen, jedoch mit Metallgestellen zu bauen, so dass ein bequemes Sitzen gewährleistet wird. (…) Die Rücklehnen dürfen jedoch höchstens 1.00 m hoch sein, um die Sicht nicht zu beeinträchtigen.“ Die drei gebauten Doppeltriebwagen kamen bis 1984 auf dem ganzen Netz der BLS zum Einsatz. Von 1985-1999 fuhren noch zwei der Pfeile auf dem Netz der Sensetalbahn STB. Der Erhalt eines Blauen Pfeils ist dem Tramverein Bern zu verdanken, der diesen vor der Verschrottung bewahrte. 2011 kaufte die BLS-Stiftung das Fahrzeug zurück. Zusammenarbeit mit Denkmalpflege Kanton Bern Das Restaurierungsprojekt wurde nach dem denkmalpflegerischen Grundsatz behandelt, der die Funktion als integraler Bestand der Erhaltung definiert, wie es bei Gebäuden üblich ist. Erleichtert wurde dieser Entscheid, weil die Eisenbahngesetzgebung vorsieht, historische Fahrzeuge, gemäss den Bestimmungen der historischen Inbetriebsetzung des Fahrzeuges, wieder als Charterfahrzeug einsetzen zu können. Die nötigen sicherheitstechnischen Anpassungen erfordern im Vergleich zu Schiffen, die im Regelverkehr eingesetzt werden, weniger Eingriffe in die historische Substanz. Der Innenausbau wurde in der BLS-Werkstatt in Bönigen restauriert. Hier ist derzeit noch viel Wissen und Fertigkeit über den Bau historischer Fahrzeuge vorhanden. Die Stiftung zog schon zu Beginn des Projekts die Denkmalpflege des Kantons Bern in die Konzeption der Restaurierung ein. Die Festlegung auf die Erhaltung der vorhandenen Substanz ermöglichte bei Detailentscheidungen die Diskussion zu vereinfachen und die Projektkosten zu senken. Eine der Grundlagen der konstruktiven Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege ist die Gesetzgebung des Kantons Bern. Diese erwähnt explizit die Erhaltung von technischem Kulturgut als deren Aufgabenbereich, eine Errungenschaft, die sich noch nicht in allen Kantonen durchgesetzt hat. 2015 zeichnet die Konferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger KSD den Blauen Pfeil für die sorgfältige und fachgerechte Restaurierung mit dem Denkmalpreis aus. Der Blaue Pfeil ist das Flaggschiff der historischen BLS-Flotte Bei der Restaurierung liess die BLS-Stiftung zwischen den Bänken wegnehmbare Tische einbauen. Sie ermöglichen während der Fahrt als Teil des einzigartigen Erlebnisses Essen und Trinken anzubieten. Für den Betrieb und die Vermarktung leiht die BLS-Stiftung den Blauen Pfeil an die BLS AG aus. Seit der Jungfernfahrt im August 2014 ist der Blaue Pfeil mehr als 40 Mal zum Einsatz gekommen und entwickelt sich zum Flaggschiff der historischen Flotte der BLS AG. 2/2
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