Vieles deutet auf einen Dreikampf hin

ZO/AvU
Mittwoch, 7. Oktober 2015
Bezirk Hinwil l 5
Vieles deutet auf einen Dreikampf hin
Analyse
M
Michael von Ledebur
Stv. Chefredaktor
omentan steht die lokale Politik im Schatten der nationalen
Wahlen. Aber sobald sich der
Pulverdampf des nationalen Kräfteringens verzogen hat, wird Wetzikon im
Banne einer anderen Wahl stehen. Die
Stimmberechtigten werden entscheiden müssen, wer Hans Peter Bosshard
im Stadtrat ersetzt, nachdem der langjährige FDP-Politiker und Finanzvorstand Anfang September überraschend
das Handtuch geworfen hat.
Wem sollen die Wetziker dieses wichtige Amt anvertrauen? «Stadtratswahlen sind Persönlichkeitswahlen», lautet
eine Binsenwahrheit. Deren Gegenstück ist die Faustregel des freiwilligen
Proporzes, der in vielen Gemeindebehörden praktiziert wird. Er wird angewandt, wenn in schwer zu besetzenden
Behörden eine Vakanz entsteht: Dann
sind wählerstarke, aber untervertretene Parteien aufgefordert, Kandidaten
zu stellen. In Wetzikon ist das Gegenteil
der Fall: Es wird wohl mehrere Bewerber für das offene Amt geben. Doch die
Idee des Proporzes bleibt legitim. Die
Regierung soll die Kräfteverhältnisse
in der Bevölkerung abbilden.
Nimmt man die letzten Gesamterneuerungswahlen zum Massstab, ist
klar: Die Linke ist im Stadtrat untervertreten. Links-grün – SP, Grüne,
Grünliberale und AW – vereinigt fast 34
Prozent der Stimmen auf sich, stellt mit
Franz Behrens (SP) aber nur einen von
sieben Stadträten. Mathematisch entsprechen 14,3 Prozent einem Stadtratssitz. Bei der SVP stimmen Wähleranteil
und Exekutivvertretung besser überein
– sie stellt mit 23,5 Prozent zwei Stadträte. Übervertreten ist die Mitte (EVP,
CVP, BDP) mit 16 Prozent und ebenfalls
zwei Sitzen.
Der FDP wäre bei 15 Prozent Wähleranteil mit einem Sitz korrekt reprä­
sentiert. Von den Verhältnissen
der ­letzen Legislaturperiode, als die
­Liberalen drei von sieben Sitzen be­
setzten, ist man weit entfernt. Ande­
rerseits: Was das Volk will, hat es
bei den letzten Gesamterneuerungswahlen zum Ausdruck gebracht –
nach dieser Logik stünde der Sitz der
FDP zu. Das letzte Wort hat der Wähler,
und die Erfahrung lehrt, dass die FDP
auf eine treue und disziplinierte Wählerschaft zählen kann. Wird die Wahl
über das Parteibüchlein entschieden,
dann ist der FDP-Kandidat so gut
wie gewählt.
Aber eben: «Stadtratswahlen sind
Persönlichkeitswahlen.» Auch diese
Wahrheit gilt. Ein guter Teil der Wählerschaft verfolgt die lokale Politik
­genau und kennt deshalb ihre Pappenheimer. Und da wird es eine grosse
­Rolle spielen, wem man es am ehesten
zutraut, das Finanzressort zu führen –
auch wenn das Volk einen Stadtrat und
keinen Finanzvorstand wählt, denn
eine Rochade im Stadtrat nach der
­Ersatzwahl ist denkbar.
Wer antritt, ist derzeit offen – logischerweise. Es ist wie vor einer Bundesratswahl: Wer sich zu früh aus der
Deckung wagt, wagt womöglich zu
viel. Doch der Kreis der möglichen
Kandidaten lässt sich eingrenzen.
Aus dem Spektrum rechts der FDP ist
nichts zu erwarten. Die SVP ist im
Stadtrat gut vertreten. Sie hat keinen
Überfluss an möglichen Kandidaten
mit Behördenerfahrung. Und: SVPVertreter haben es generell schwer in
Ersatzwahlen. Ebenso unwahrscheinlich ist ein Kandidat aus der über­
vertretenen Mitte.
Der Herausforderer der FDP wird
­somit aller Voraussicht nach von links
kommen. Dort drängen sich zwei Namen auf: Martin Wunderli, Präsident
der Grünen, und Esther Schlatter, Präsidentin der Grünliberalen. Beide haben sich im Parlament profiliert. Beide
antworten auf die Frage nach ihren
Ambitionen weder mit Ja noch mit
Nein, geben aber beide an, ein Stadtratsamt lasse sich theoretisch mit ihren
Berufen vereinbaren. Beide spielen zumindest mit dem Gedanken, sich aufstellen zu lassen. Beide würden es sich
zutrauen, das Erbe von Hans Peter
Bosshard anzutreten. Schlatter, Bosshards schärfste Kritikerin seit Jahren,
hat eine kaufmännische Ausbildung
und entwickelt beruflich IT-Module im
Finanzbereich. Wunderli bringt seine
Erfahrung als Unternehmer (Velo Plus)
und Betriebsökonom mit.
Dass die FDP ihren Sitz verteidigen
will, ist klar. Und sie ist die Partei mit
dem nach wie vor grössten Reservoir an
erfahrenen Leuten. Doch viele stehen
nicht zur Verfügung. Urs Bürgin wäre
als jahrelanger Präsident der Rechnungsprüfungs- und nun Geschäftsprüfungskommission ein natürlicher
Kandidat. Doch der Beruf lasse ihm
­keinen Spielraum, sagt er. Präsident
Stefan Lenz ist ein Mann mit Ambi­
tionen, aber auch ihm fehlt als Unternehmensberater die Zeit.
Somit verbleibt Stephan Weber, FDPFraktionspräsident im Wetziker Parlament, als wohl aussichtsreichster Kandidat. Weber ist wie Wunderli Unternehmer und führt ein grösseres Architekturbüro. Dass er Ambitionen hat
und Ressourcen für ein zusätzliches
Amt, zeigt seine Kandidatur für den
Kantonsrat im vergangenen Frühjahr.
Die Prognose sei deshalb gewagt:
­Weber, Wunderli und Schlatter machen
die Nachfolge von Hans Peter Bosshard
unter sich aus.Michael von Ledebur
In Kürze
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Kernstück des neuen Kraftwerks: Gestern Nachmittag montierten Arbeiter die dreieinhalb Tonnen schwere Steffturbine des Kleinwasserkraftwerks an der Jona.
DÜRNTEN Gestern wurde
im Tannertobel die Turbine
des Kleinwasserkraftwerks
an der Jona montiert.
Schon bald liefert sie Strom
für rund 20 Haushalte.
Für das Kleinwasserkraftwerk
an der Jona ging es gestern
einen grossen Schritt vorwärts.
Am Nachmittag wurde die 2,7
Meter lange und dreieinhalb
Tonnen schwere Turbine angeliefert und mithilfe eines grossen Pneukrans von einem halben Dutzend Arbeitern montiert. «Die Hauptelemente sind
gesetzt», sagt Michael Trachsler
von der Hinwiler Walter Reist
Holding. «Jetzt fehlen noch die
Kanäle.» Die Arbeiten sollen in
den nächsten Tagen abgeschlossen werden.
Bei der Turbine handelt es sich
um eine sogenannte Stefftur­
bine, einer Art Förderband mit
Schaufeln, deren Grundidee von
Firmengründer Walter Reist
stammt. Dabei wird das Wasser
in einem «Tirolerwehr» durch
einen Rechen gefasst und über
einen Kanal zur Turbine geleitet. Diese hat eine Kapa­zität von
600 Litern pro Sekunde und ist
so angelegt, dass sie auch ein
Jahrhunderthochwasser übersteht. Ein Vorteil der Steff­
turbine ist, dass sie bereits bei
niedrigen Fallhöhen – in der
Jona beträgt sie lediglich drei
Meter – und selbst bei geringen
Wassermengen mit einem hohen
Wirkungsgrad arbeitet.
«Das Kraftwerk
wird in knapp
drei Wochen
ans Netz gehen.»
Michael Trachsler
Fest mit Besichtigung
Die Anlage hat eine maximale
Leistung von 12 Kilowatt und liefert 70 000 Kilowattstunden pro
Jahr. Das entspricht dem Verbrauch von etwa 15 bis 20 Haushalten. «In knapp drei Wochen
wird das Kraftwerk bei der Eröffnungsfeier ans Netz gehen»,
sagt Trachsler. Organisiert wird
die Feier am 24. Oktober vom
Verein Unternehmen Dürnten,
der das Kraftwerk betreibt. Dabei ist die Bevölkerung von 15 bis
17 Uhr zur Besichtigung ins
Tannertobel eingeladen. aku
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