TS_Philisophie_files/Nucleus Studio

ZEIT
REISE
Ein Gespräch mit Jens Kuphal, Nucleus Studio Berlin
Fritz Fey
Fotos: Jens Kuphal
Im September des vergangenen Jahres bekam ich eine schöne E-Mail von Jens Kuphal, der mich daran erinnerte, dass sein Studio
gerade fünfzehn Jahre alt geworden ist, und damit auch das Interview, dass wir seinerzeit zur Eröffnung im Jahre 1995 veröffentlicht hatten. Er lud mich ein, diese fünfzehn Jahre mit mir gemeinsam Revue passieren zu lassen und ich fand die Idee sehr reizvoll, an unser damaliges Gespräch anzuknüpfen. Ich fuhr also nach Berlin, um Jens in seiner ‚Glasskulptur‘ zu besuchen. Das Nucleus Studio besteht fast ausschließlich aus Glasflächen – nicht nur die Trennwand zwischen Regie und Aufnahme ist vollkommen transparent gestaltet, sondern auch seitliche Flächen, so dass man von jedem Punkt des Studios aus nahezu überall freien
Blick in alle räumlichen Bereiche genießt. Das war 1995 mehr als außergewöhnlich und ist es auch heute noch. Noch außergewöhnlicher ist es allerdings angesichts der einschneidenden Veränderungen in der Tonstudioszene, dass das Studio und sein Inhaber immer noch da sind, ebenso wie das Magazin und sein Chefredakteur, der damals an der Eröffnungsfeier teilnehmen durfte.
Als mir Jens die Tür öffnete, hatte ich für einen Moment das Gefühl, die Zeit sei stehengeblieben. Alles in diesem Studio, auch die
15 Jahre alte SSL 4000 G+ Konsole, sah aus, als sei die Eröffnung für den nächsten Tag angesetzt, praktisch wie neu. Nachdem
wir festgestellt hatten, dass die fünfzehn Jahre sehr wohl in unseren Gesichtern geschrieben standen, setzten wir uns in die Regie
und fingen an zu plaudern. Für all diejenigen, die es interessiert, habe ich ein PDF mit dem 1995er Interviewtext vorbereitet, das
zeitgleich mit dem Veröffentlichungstermin auf unserer Website zum Download bereitsteht. Als das Nucleus gebaut wurde, war die
Blütezeit der Tonstudios eigentlich schon vorbei. Umso erstaunlicher, aber gleichzeitig auch irgendwie beruhigend ist es, dass ein
stimmiges Geschäftsmodell aufgehen kann, wenn man den Mut und die Vision hat, seinen Weg gegen alle Widerstände zu gehen.
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Fritz Fey: Jens, es ist wirklich sehr schön,
Dich nach so langer Zeit wiederzusehen.
Woran arbeitest Du ganz aktuell?
Jens Kuphal: Derzeit mische ich Titel für
das kommende Adoro-Album (zwischenzeitlich Goldstatus. Die Red.), eine sehr
aufwändige, für die heutige Zeit außergewöhnliche Produktion, die vielleicht
deshalb gut in dieses Studio passt. In
der Nalepastraße im großen Aufnahmesaal wurde ein 80-Mann-Orchester aufgenommen, dazu kommen viele Arten von
Programmings, so dass als Sinnbild unserer Zeit das Klassische mit dem Modernen verbunden wird. Genauso ist das
auch mit der Mischung. Ich wurde vermutlich deshalb angesprochen, da ich digitale Technik auf der einen und mein
SSL-Analog-Pult auf der anderen Seite anbieten kann. Diese Kombination ist für
mich immer noch das Optimum und war
damals, als ich das Studio eröffnete, die
Zukunftsaussicht, als ich noch zwei verkoppelte Studer 24-Spur-Maschinen betrieb. Heute mag das selbstverständlich
klingen, aber fünfzehn Jahre sind technologisch gesehen eine sehr lange Zeit und
ich finde es wunderbar, heute in der Folge an einer solch schönen Produktion für
Universal mitarbeiten zu dürfen. So lief
es aber auch in den vergangenen Jahren. Es waren stets besondere Projekte,
die ich betreuen durfte – das gesamte
Spätwerk von Hildegard Knef, Rammstein, Herbert Grönemeyer, Till Brönner, Paul van Dyk, um nur einige zu nennen. Ich glaube, ich sagte damals, dass
wir ein Studio für jede Musikrichtung
sein möchten, was sich erfreulicherweise
bewahrheitet hat – von Jazz über Rock
bis hin zu Dance und Pop. Dass sich jeder wohlfühlt, egal aus welcher stilistischen Ecke er kommt, macht unter anderem ein gutes Studio aus. Damals habe ich mir das gewünscht und es ist tatsächlich auch eingetreten. Als ich das
alte Interview las, das ich mir anlässlich des 15jährigen Bestehens vornahm,
musste ich schon schmunzeln. Manche
Dinge, vor allem technische, haben sich
ganz anders entwickelt, als ich glaubte,
es vorhersagen zu können, andere wiederum stimmen aus heutigem Blickwinkel sehr genau. Ich habe damals prophezeit, dass es das Mittelklassestudio nicht
mehr geben würde und es ist genauso
gekommen. Dieser Bereich befindet sich
heute in der Hand der Produzenten, die
irgendwann anfingen, ihre eigenen Studios zu bauen. Aber es gibt eben auch
noch die wenigen Studios der Oberklasse, zu denen wir uns glücklicherweise als
Überlebende zählen dürfen. Aber dieses
Überleben war ja auch Teil der Strategie,
als wir anfingen, das Studio zu planen.
Fritz Fey: Du bist ja auch nicht dem Modell eines klassischen Dienstleistungsbetriebes gefolgt…
Jens Kuphal: Das stimmt, damals war die
Marschroute, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenproduktionen zu finden. Genauso ist es auch gelaufen. Ich muss gestehen, dass es mich
schon mit einem gewissen Stolz erfüllt,
dass diese Idee und dieses Geschäftsmodell so gut aufgegangen sind.
Volles
Pfund ...
...liefert das RØDE K2: zum Beispiel bei Snare,
Overhead, Amps, Lead Vocals und Bläsern.
Dank Hi-Tech-Kapsel und handselektierter
6922-Röhre verträgt es unglaubliche 162 dB
Schalldruck und reicht das Signal mit
gnadenlosem Output weiter – bei
minimalem Eigenrauschen.
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Fritz Fey: Inzwischen habe ich das Gefühl, dass das Equipment wichtiger als
die Menschen geworden ist, die es bedienen. Glaubst Du, dass ein Teil des Erfolges auch dem außergewöhnlichen Design der Räume zuzuschreiben ist? Oder
bist Du es, der Mann, der für dieses Studio steht?
Jens Kuphal: Ich glaube, von dem AhaEffekt kann sich keiner freisprechen, der
jemals hier gewesen ist. So viel Glas
und ein derartig freier Blick auf das gesamte Studio ist eben doch die Ausnahme. Aber wenn das Ergebnis, was darin
erzielt wird, nicht den Erwartungen entspricht, die das Design weckt, wird ein
Kunde schnell wieder gehen und auch
nie mehr wieder­kommen. Glücklicherweise sind sehr viele wiedergekommen,
so dass ich mit einiger Sicherheit sagen
kann, dass das Gesamtpaket stimmt. Der
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Vertrieb für Deutschland und Österreich:
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optische Effekt verblasst auch nach einer gewissen Zeit und dann zählt wirklich nur noch das Ergebnis. Das aber
wird dann doch fast ausschließlich von
den Menschen bestimmt, die das Studio betreiben. Es ist natürlich ein unglaublicher Luxus, dass ich 15 Jahre lang
in diesem Studio arbeiten durfte und es
so gut kenne. Der menschliche Faktor ist
aber nach wie vor der entscheidende.
Wir werden dennoch gelegentlich wegen
der Atmosphäre gebucht und es werden
hier sehr viele Vocals aufgenommen.
Das kommunikative Design ist gerade
für diese Art der Aufnahmen sehr beflügelnd. Also, wenn ich so richtig darüber
nachdenke, ist es vielleicht doch eine
Kombination aus Mensch und Design.
Fritz Fey: Nach fünfzehn Jahren ist für mich
die einzige erkennbare Veränderung, dass
Du nicht mehr auf Bandmaschinen aufzeichnest und das, obwohl die Studio­
technik und die Studios einer nahezu dramatischen Veränderung unterworfen waren.
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Jens Kuphal: Ich muss zugeben, dass ich
irgendwann ausgestiegen bin und einfach gearbeitet habe, um die Geräte, die
ich schon hatte, richtig kennenzulernen.
Dem ständigen Drang nach immer neuer Technik habe ich mich tatsächlich für
einige Jahre entzogen. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich bis vor
kurzem noch auf einem Pro Tools Mix
Plus aufgenom­men habe. Wenn vom Kunden gewünscht, hatte ich zwar ein HDSystem zur Verfügung, aber ich bilde mir
ein, dass draußen niemand den Unterschied hätte hören können. Dazu spielen einfach zu viele analoge Faktoren in
diesem Studio eine Rolle. Klar, klingt ein
HD besser als ein Mix Plus. Immer wieder etwas Neues zu kaufen, es eigentlich
nicht richtig kennenzulernen, um dann
schon wieder die nächste Kiste ins Studio zu stellen, schien mir irgendwie absurd. Ganz ohne Investitionen sind wir
aber natürlich auch nicht geblieben, zum
Beispiel habe ich gerade mein TC 6000
auf MK II umbauen lassen, ein wahnsinnig tolles System, mit dem wir viele Sur-
round-Produktionen gefahren haben. Eine
solche Technologie ist so wert- und qualitätsbeständig, dass man nicht alle paar
Jahre neu investieren muss. Auch mein Tubetech-Equipment ist gestern, heute und
morgen von gleich­bleibendem Wert. Da
brauch ich einfach nichts anderes. Ich bin
dem digitalen Wahnsinn, dem vor allem
junge Kollegen geradezu verfallen sind,
nicht gefolgt, auch aus dem Grunde, dass
ich kein Ergebnis gehört habe, was mich
wirklich überzeugt hätte. Man kann im
Computer tolle Mischungen machen, keine Frage, aber es gibt immer noch einen
massiven Unterschied, wenn eine Analogkonsole ins Spiel kommt. Auch übrigens,
was die Art des Arbeitens betrifft. Wenn
ich einen Roughmix angeliefert bekomme,
sozusagen ein DAW-Projekt als Vorlage für
eine Mischung, die ich machen soll, dann
sehe ich, wie im System alle Fader immer weiter heruntergezogen wurden. Zum
Schluss bewegt sich alles bei -20 oder
-30, weil die Summe überhaupt nicht angefahren werden kann und alles irgendwie
implodiert. Ich will genau das Gegenteil.
Das erste, was ich bei einem solchen Mix
mache, ist, alle DAW-Regler in Nullstellung zu bringen. Dann fange ich an, analog etwas dazu zu addieren. Wenn mein
RTW dann richtig rot zu leuchten beginnt, beginnt es zu klingen. Das ist eine völlig andere Arbeitsweise und damit
auch ein völlig anderes Ergebnis. Ich bilde mir ein, dass das jeder hören kann.
Fritz Fey: Ich würde gerne über das SSLPult reden.
Jens Kuphal: Ja, sehr gerne (lächelt)…
Fritz Fey: Es sieht aus, als wäre es gestern neu aufgebaut worden und hat
aber dennoch 15 Jahre auf dem Buckel.
Ich sah es vor 15 Jahren, ich sehe es
heute und frage mich, wie Du die Zeit
anhalten konntest…?
Jens Kuphal: Es ist wirklich immer noch
das gleiche Pult (lacht).
Fritz Fey: Wie arbeitet es sich denn damit
nach dieser langen Zeit? Kracht, knackt
und bruzzelt es?
Jens Kuphal: Ich will einmal etwas vorausschicken: In diesem Studio ist es wie
auf einem Schiff. Ich bin leidenschaft-
licher Segler und auf einem Schiff muss
stets alles pikobello sein. Auch im Studio sollte man auf seine Sachen achten.
Wir haben, wie man sich vorstellen kann,
in den Jahren viele Assistenten durchgeschleust und es sind viele gute Leute daraus hervorgegangen. Mein erstes Gebot war, dass man sich anständig um das
Equipment kümmern muss. Es ist daher
fast ein Ritual, dass ein neuer Assistent
in den ersten Wochen das Pult reinigt,
damit er auch gleich weiß, wie es hier
läuft. Es hat sich keiner gewehrt, trotzdem haben zwei Drittel nach einem halben Jahr das Handtuch geworfen, nicht
wegen der Pultreinigung, sondern weil
sie eine etwas verklärte Vorstellung von
diesem Job hatten. Aber um auf Deine
Frage zu antworten… natürlich kracht es
hier und da, aber wir haben uns natürlich unabhängig von der optischen Pflege auch um die Innereien gekümmert. Es
muss auch immer mal wieder etwas ausgetauscht werden. Wenn ich mir jedoch
überlege, in welchem Verhältnis zum
Nutzen und zur Wirtschaftlichkeit diese Wartungsarbeiten stehen, sieht die Bilanz fantastisch aus. Und der Sound ist
immer noch gleich gut, um nicht zu sagen, noch besser (lacht). Ich würde es
Neos. Die erste Konsole auf 120 Volt.
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Ich wollte damals ja auch ein Studio und
eine Regie vor allem zum Mischen, nicht
zuletzt wegen meiner eigenen Leidenschaft. So haben wir bis heute unseren
Platz besetzt und sind weiterhin erfolgreich aktiv.
Fritz Fey: Würdest Du Dich als konsequent oder als konservativ bei der Anschaffung von Equipment bezeichnen?
auf keinen Fall verkaufen. SSL hat mich
natürlich gejagt, das ist klar. Nach etwa
fünf Jahren wollte man mir ein Axiom in
die Regie stellen und dafür mein G+ haben. Ich war aber von der rein digitalen
Konzeption nicht überzeugt und bin froh,
dass ich der Versuchung nicht erlegen
bin. Bei einer 9000er hätte ich eher überlegt. Die Konsole hätte zwar in die Regie
gepasst, aber alles was dahinter hängt –
die komplette Verkabelung, die Klimaanlage, die Computer – hätte nicht funktioniert. Ich hätte alles auseinanderreißen
müssen und das wäre es mit Sicherheit
nicht wert gewesen.
Fritz Fey: Ich will nicht indiskret sein,
aber so entspannt, wie Du hier sitzt, hat
sich die Investition in das Studio gelohnt…
Jens Kuphal: Das Studio hat sich schon
gerechnet, ja. Ich konnte davon zwar kein
zweites bauen und auch kein Haus kaufen, aber dennoch sieht die Bilanz gut
aus. Künstlerisch gesehen, mehr als das.
Das steht absolut außer Frage. Als reines
Dienstleistungsstudio hätte es sich allerdings nicht gerechnet, insbesondere in
den letzten Jahren nicht. Am Anfang noch
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mehr, in der Mitte am meisten und in den
letzten Jahren gar nicht mehr. Die letz­ten
Jahre liefen fast ausschließlich über meine Person und den Sound, den ich abliefere.
Fritz Fey: Ich habe einmal in meiner hellseherischen Art behauptet, dass es irgendwann in den Städten nur noch eines
oder zwei Tonstudios im klassischen
Sinne geben würde, in denen man Musik produzieren kann, die zu Hause mit
der Telefonzelle als Gesangskabine eben
nicht gelingen und dass dafür auch ein
gewisser Bedarf bestehen bleiben würde. Ich kenne die Berliner Studioszene
nicht gut genug, um sagen zu können,
dass ich recht behalten habe…
Jens Kuphal: Ein richtiges, amtliches Studio in Berlin ist das Teldex-Studio. Das
Hansa ist ein sehr traditioneller Standort
und dort passiert mehr als man denkt.
Dann gibt es den Komplex in der Nalepastraße, aber wohl mehr für die Aufnahme,
und zum Mischen gibt es dann uns. Alle anderen Studios gehören Produzenten
und Musikern, die natürlich auch auf sehr
hohem Niveau produzieren, aber eben
nicht wie wir ‚gebucht‘ werden können.
Jens Kuphal: Ich muss wohl einsehen,
dass ich konservativ bin, was mich
manchmal zum Nachdenken bringt
(lacht). Aber konservativ bin ich aus
gutem Grund, denn das Ergebnis gibt
mir recht. Es ist verführerisch, sich dem
unfassbar großen analogen und digitalen Angebot hinzugeben, aber ich verliere Zeit, herauszufinden, ob es noch
geiler als geil geht. Es gibt natürlich
Software, wie zum Beispiel Melodyne,
die zum Standard gehören. Damit bekomme ich aber eine Leistung, die nur
mit digitaler Technik zu realisieren ist.
Für alles, was die Analogtechnik kann,
benutze ich lieber das Original. Meine
Logic-Workstation nehme ich natürlich
auch gerne in Schutz, aber nicht ohne
mein SSL.
Fritz Fey: Machst Du jemals Mischungen
nur im Computer?
Jens Kuphal: Nee, das Pult ist immer dabei. Selbst bei Leuten, die herkommen,
um in der Box zu mischen, bleibt das
Pult nicht außer Betrieb. Neulich war Clemens Matznick (Hallo Clemens. Gruß von
Fritz) hier und hat im System gemischt,
aber dennoch die Ausgänge der Workstation via Inserts, ohne Fader, über das
Pult geschickt. Er wollte es einfach mal
ausprobieren und es klang definitiv besser. Ein Einfamilienhaus mit Swimmingpool als Summierer (lacht).
Fritz Fey: Sag mal, Jens, wenn eine
solche große Abhöre 15 Jahre alt ist,
muss man dann zwischenzeitlich etwas tun?
Jens Kuphal: Ja, Chassis wechseln, komplett zweimal. Weiche wechseln ist auch
gerade angesagt, da würde ich bei dieser
Gelegenheit gerne mal die digitale Version
ausprobieren.
Fritz Fey: Nun müssen wir ja auch noch
kurz über die nächsten 15 Jahre sprechen…
Jens Kuphal: Ich durfte in all den Jahren
sehr viel Erfahrung sammeln und fände es
schade, diese nicht weiter zu nutzen. Das
ist eigentlich meine Hauptvision und für
mich auch der eigentliche Wert. Um ganz
ehrlich zu sein, ich könnte hier jeden Tag
sitzen und mischen. Das ist für mich ein
wirklich paradiesischer Zustand. Abgesehen davon bin ich mit dieser Vorstellung
zeitweise gar nicht ganz so weit weg von
der Realität.
Fritz Fey: Wie lange willst Du denn das
Baby noch am Leben halten?
Jens Kuphal: Das Pult bleibt hier so lange wie ich. Ich werde in dieses Studio
kein neues Pult mehr stellen. Man soll ja
eigentlich nie ‚nie‘ sagen, aber ich
kann es mir nicht vorstellen. Es gibt
auch keinen Grund anzunehmen, dass
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Analoge Wärme und der Komfort von Firewire.
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das Pult nicht nochmal fünf oder zehn
Jahre durchhält.
Fritz Fey: Was würdest Du denn tun, wenn
das Pult wirklich nicht mehr funktionieren
würde?
Jens Kuphal: Das ist eine krasse Frage,
wirklich. Wenn dieses Pult nicht mehr funktionieren würde, würde ich vielleicht zumachen. Oder sagen wir so, vielleicht würde
ich dann aufhören.
Fritz Fey: Das ist eine krasse Antwort und
schon fast eine Liebeserklärung – ein
Mann und sein Pult…
Jens Kuphal: Ich will jetzt nicht übertreiben, das klingt so dramatisch, aber wenn
das Pult komplett abrauchen würde, hätte ich ein massives Problem. Das ist eine
grausame Vorstellung, über die ich gar
nicht nachdenken will. Meine Erfahrung
und mein Setup beruhen auf diesem Pult.
Würde ich also etwas anderes in die Regie stellen, müsste ich sehr weit vorne
wieder anfangen. Wir haben es gehegt
und gepflegt, die thermische Situation ist
optimal, so dass man nur so weiter machen und hoffen kann, dass ich noch lange Spaß damit haben werde. Jetzt nach
15 Jahren haben wir uns auch dazu entschlossen, wieder mal ein größeres ‚Update‘ zu machen, also die Knöpfe und Ta52 | 53
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sten, die zum dritten Mal im Fehlerbuch
erwähnt werden, einfach auszutauschen.
Aber nochmal: die Betriebsfähigkeit dieses Pultes ist voll gegeben.
Fritz Fey: Ich habe nicht den Eindruck,
dass sich die Frage stellt, aber: Hast Du
es bereut, dieses Studio gebaut zu haben?
Jens Kuphal: Nein, ganz sicher nicht. Dieses Studio ist als Statement enorm stark
und hat sich künstlerisch und inhaltlich
absolut gerechtfertigt.
Fritz Fey: Aber Du würdest es heute nicht
nochmal tun?
Jens Kuphal: Nein!
Fritz Fey: Aus Altersgründen?
Jens Kuphal: Nein, aus allen Gründen,
die einem dazu einfallen können. Man
braucht eine gute Idee, ein gutes Gesamtkonzept und es muss zur richtigen
Zeit passieren. Damals war dieses Studio im wahrsten Sinne des Wortes konzeptionell glasklar. Ich bräuchte heute eine ganz andere Idee und Vision,
welches Studio ich mir 2011 vorstellen könnte. Ist es überhaupt nötig, noch
ein Studio zu bauen? Man muss ja berücksichtigen, wie sich die Musikindustrie entwickelt hat, nicht nur der pro-
duzierende Teil. Unter den heutigen Bedingungen braucht doch keiner mehr ein
Musikproduktionsstudio. Ich würde aber
nur ein solches bauen wollen, nichts anderes. Ich habe mit fünf Jahren Klavier­
unterricht gehabt, mit zwölf die erste
Band, und die Musik als Vision und Leidenschaft – völlig Old School. Musik ist
heute ein Gebrauchsgegenstand. Als ich
anfing, war Musik eine Lebensphilosophie. Musik gibt es heute überall kostenlos, zu jeder Zeit im Überfluss. Also
für mich ganz persönlich bedeutet das,
heute kein Studio mehr bauen zu wollen. Ich lebe heute von, mit und in meiner damaligen Vision. Unsere Gesellschaft hat sich viel zu sehr verändert.
Musik als Massenware oder Gebrauchsgegenstand interessiert mich überhaupt
nicht. Das mag sich alles ein bisschen
ältlich anhören, aber eigentlich ist es
nur konsequent. Die Idee von damals
war so stark, dass sie auch heute noch
trägt und ich keine neue brauche. Das
ist keine Frustration, sondern eher eine gewisse Gelassenheit. Ich habe viele
Dinge erreicht, die ich heute auch nicht
mehr erreichen muss.
Fritz Fey: Jens, ich wünsche Dir viel Erfolg
für die kommenden Jahre. Ich freue mich
schon auf Deine E-Mail zum zwanzigsten
Jubiläum. Dann ist es auch Zeit für das
nächste Interview…