Bullenmast: Wachsen, aber zu welchem Preis?

Markt
Foto: Heil
Kaum ein Betriebszweig ist so stark an
die Fläche gebunden
wie die Bullenmast:
Der Acker liefert den
Silomais und
verwertet die Gülle.
Bullenmast: Wachsen,
aber zu welchem Preis?
Von vier Euro können die Bullenmäster aktuell nur träumen. Viele haben allerdings
zuletzt gut verdient und wollen wachsen. Aber es fehlen gute Kälber und günstige
Flächen. Benedikt Ewigmann hat die Bullen-Profis deutschlandweit befragt.
M
ehr als zwei Drittel der Bullenmäster beurteilen ihre wirtschaftliche Lage als gut bis sehr
gut. Das ist die schöne Nachricht. Die
schlechte lautet: Viele Betriebsleiter
sehen für ihren eigenen Betrieb kaum
noch Entwicklungsmöglichkeiten. Das
sind die wichtigsten Ergebnisse der
Masterarbeit von Benedikt Ewigmann,
die gemeinsam von der Universität Göttingen und dem Braunschweiger Thünen-Institut begleitet wurde. Im Sommer 2012 hat Ewigmann insgesamt 348
Rindermäster in Deutschland zu ihrer
Situation und ihren Perspektiven befragt.
An der Umfrage nahmen vor allem
spezialisierte Bullenmäster teil. Die
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meisten kamen aus den typischen Mastregionen:
• Nieder- und Oberbayern
• Mittel- und Unterfranken
• Münsterland
• Weser-Ems
• Küstenregion (Niedersachsens und
Schleswig-Holsteins)
Mit deutlich über 200 Stallplätzen
sind die befragten Betriebe in Nordwestdeutschland wesentlich größer als
in Bayern, wo die Befragten im Schnitt
weniger als 200 Bullen halten. Gleiches
gilt auch für die Flächenausstattung der
Betriebe (siehe Übersicht 1).
Wachsen ja, aber wie?Mehr als jeder
zweite der Befragten gibt an, in der Bul-
lenmast weiter wachsen zu wollen. Doch
viele Betriebsleiter befürchten, dass
ihnen dann die Kosten aus dem Ruder
laufen, weil insbesondere Bullenkälber
und Pachtflächen jetzt schon knapp
sind.
Autoren:
Benedikt Ewigmann und Ludwig
Theuvsen, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre des Agribusiness,
Universität Göttingen;
Zazie von Davier und Claus
Deblitz, Thünen-Institut für
Betriebswirtschaft, Braunschweig
Foto: KälberKontorSüd
Die meisten Mäster
setzen auf Fleckvieh. Nur im Norden
gibt es viele
Betriebe, die
HF-Tiere aus dem
eigenen Milchviehbetrieb ausmästen.
Übersicht 1: Stichprobe mit großen Betrieben
Standort
Anzahl Betriebe Ø Mastbullengesamt
plätze 2012
Ø Tageszunahmen
Ø Landw.
Nutzfläche
ha
Plätze
g/Bulle u. Jahr
Nieder-/Oberbayern
77
185
1338
75
Mittel-/Unterfranken
49
151
1340
96
Münsterland
88
287
1217
83
Weser-Ems
53
223
1210
86
Küstenregion
41
246
1115
173
Quelle: Ewigmann (2012)
Das war zu erwarten: Der Süden steht für hohe Mastleistungen, der Nordwesten für
hohe Viehdichte und im Norden sind die flächenstärksten Betriebe.
Übersicht 2: Mäster bevorzugen Fleckvieh
Landwirte mästen…
>3 Rassen
3%
1 Rasse
2 Rassen
79%
davon
78%
18%
Fleckvieh
Holstein-Schwarzbunt
oder Rotbunt
Braunvieh
Sonstige
8%
6% 8%
Quelle: Ewigmann (2012)
Die meisten Mäster konzentrieren sich auf eine Rasse. In vielen Bullenställen hat
Fleckvieh andere Rassen verdrängt.
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Grafik: Orb
Mit fast 80 % wird vorzugsweise
Fleckvieh gemästet (siehe Übersicht 2).
Alle anderen Rassen spielen nur eine
untergeordnete Rolle. Dabei ist der
Fleckvieh-Anteil in Süddeutschland mit
über 90 % in Bayern am höchsten. Aber
auch im Münsterland haben 9 von 10
Bullen einen weißen Kopf. Nur in
Norddeutschland werden noch verstärkt Holstein-Tiere gemästet. Deshalb
ist der Fleckvieh-Anteil mit 60 % in Weser-Ems und 34 % in der Küstenregion
deutlich niedriger.
Doch auch hier sind typbetonte Kälber bzw. Fresser auf dem Vormarsch,
weil etliche Mäster in den letzten Jahren umgestellt haben. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Rasse Fleckvieh
verspricht höhere Zunahmen und Ausschlachtungen sowie einen besseren
Erlös. Das einzige Problem ist die Verfügbarkeit.
Fleckviehkälber sind knapp, sodass
die Zukaufspreise in den letzten Jahren
viel deutlicher gestiegen sind als bei HFoder Braunviehtieren. 75 % der Umfrage-Teilnehmer gehen deshalb davon aus,
dass es in Zukunft schwieriger sein
wird, gute Tiere zu ergattern. Vor allem
in Bayern verfolgen Mäster das
schrumpfende Kälberangebot sowie die
steigenden Preise mit Sorge, obwohl sie
den Fleckvieh-Kälbermarkt vor der Tür
haben. Nur die Küstenregion mit
Markt
Übers. 3: Pachtpreise variieren stark
Anteil der Pachtfläche an landw.
Nutzfläche
€/ha
Spanne
Nieder-/Oberbayern
45 %
680
210 – 1 200
Mittel-/Unterfranken
64 %
491
140 – 1 000
Münsterland
40 %
897
400 – 1 400
Weser-Ems
48 %
879
330 – 1 500
Küstenregion
49 %
577
200 – 1 000
Foto: Heil
Typbetonte Bullen versprechen hohe
Zunahmen.
hohem Milchviehanteil macht sich weniger Sorgen um den Kälberzukauf.
Bei der Qualität wollen die meisten
Mäster trotzdem keine Kompromisse
machen. Fast 60 % der Betriebsleiter
sind bereit, für gute Kälber auch mehr
anzulegen. Sie glauben, dass sie die Kosten dafür durch bessere biologische
Leistungen wieder einspielen. Wenn die
Kälber zu teuer werden sollten, würde
jeder zweite Mäster den Einstalltermin
aber auch mal nach hinten verschieben.
Die Entscheidung für oder gegen einen
Kauf treffen die meisten Mäster aber
wohl eher aus dem Bauch heraus, denn
nur jeder vierte rechnet vorab genau
aus, was er maximal für Kälber bzw.
Fresser ausgeben darf.
Bevor die Mäster aber den Stall leerstehen lassen, erhöhen sie bei steigenden
Zukaufspreisen lieber die Mastendgewichte. Ob das allerdings auf Dauer
funktioniert, ist fraglich. Erste Schlachtunternehmen deckeln nämlich mittlerweile die Schlachtgewichte durch
schmerzhafte Abzüge. Die Teilstücke
würden sonst zu groß für den Abverkauf an den Lebensmitteleinzelhandel,
so die Erklärung.
Kreuzungstiere eine Alternative?Die
Mast von Kreuzungstieren kann eine Alternative zum „knappen“ Fleckvieh sein.
Dagegen spricht allerdings, dass Gruppen mit Kreuzungstieren oft nicht so
homogen sind wie bei reinrassigen Tieren. Das bringt nicht nur in der Vermarktung Nachteile.
Den Kälbermarkt entlasten könnte
ansonsten auf Dauer nur ein reduzierter
Preisabstand zwischen den einzelnen
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Ø Pachtpreis für
Neuvertrag Ackerland
Bei Neupachten
kann es richtig
teuer werden – in
allen Regionen.
Quelle: Ewigmann (2012)
Handelsklassen der Schlachttiere. Dann
hätte die Mast von HF-Bullen wieder
eine größere Chance. Diese müsste aber
nachhaltig sein. Die Mäster möchten
klare Marktsignale und kein „Hin und
Her“. Ein Springen zwischen Kälberherkünften und Rassen lehnen die meisten
Halter ab. Es ist sowieso schwer abzuschätzen, welche Erlöse am Ende der
Mast zu erwarten sind, schließlich
gehen dabei bis zu eineinhalb Jahre ins
Land. Dann ist es ärgerlich, wenn sich
in der Zwischenzeit der Markt wieder
dreht.
Erster Ansprechpartner bei der Kälberherkunft ist für die meisten Mäster
der Viehhändler. Da gibt es auch zwischen den Regionen kaum größere Unterschiede. Bullenmäster aus dem
Münsterland beziehen fast ausschließlich auf diesen Weg ihre Kälber (90 %).
In den bayerischen Regionen ist der Anteil etwas geringer. Hier spielen Nutzviehmärkte noch immer eine relativ
große Rolle – immerhin ein Drittel der
bayerischen Mäster nutzt sie. In der
Küstenregion wird fast jedes dritte Kalb
noch aus der eigenen Milchviehhaltung
gezogen. Der Anteil der Viehhändler ist
hier mit knapp 70 % am geringsten.
Neben guten Kälbern brauchen Mäs-
Schnell gelesen
• Viele Bullenmäster wollen
nach den beiden letzten guten
Jahren weiter wachsen.
• Durch hohe Kälberpreise und
Flächenpachten ist dies
schwierig.
• Die meisten Mäster setzen auf
Fleckvieh – selbst im Nordwesten der Republik.
• Die höchsten Pachtpreise
werden im Münsterland und in
­Weser-Ems gezahlt. Viele Betriebsleiter erwarten weiterhin
steigende Preise.
ter vor allem bezahlbare Ackerflächen.
Die Abhängigkeit von Pachtflächen ist
insgesamt recht hoch und bei fränkischen Betrieben am größten. Zwei von
drei bewirtschafteten Hektar sind hier
kein Eigenland (Übersicht 3). Aber
auch die Bullenmäster in Nieder-/
Oberbayern, Weser-Ems und an der
Küste haben durchschnittlich knapp
die Hälfte der landwirtschaftlichen
Nutzfläche zugepachtet. Den geringsten Pachtanteil mit 40 % weisen die Betriebe im Münsterland auf.
Zu hohe Pachtpreise?Will ein Betrieb
wachsen, braucht er zusätzliche Flächen.
Abgesehen von der Frage, ob diese überhaupt verfügbar sind, ist das auch eine
Frage des Pachtpreises. Am schwersten
haben es in diesem Zusammenhang die
Mäster aus den Veredelungsregionen
Münsterland und Weser-Ems, die im
Schnitt fast 900 €/ha für Neupachten
auf den Tisch legen müssen. Deutlich
günstiger ist da schon die Neupacht in
Nieder- und Oberbayern mit weniger als
700 €/ha. Die niedrigsten durchschnittlichen Pachtpreise geben die fränkischen
Mäster mit 491 €/ha an. Berücksichtigen
muss man allerdings, dass die Spannbreite der Angaben sehr groß ist und von
140 €/ ha in Franken bis 1 500 €/ha in
Weser-Ems reicht. Viele Betriebsleiter
erwarten tendenziell weiter steigende
Pachtpreise.
Etwas differenzierter ist hingegen die
Einschätzung zu Nährstoffüberschüssen. Während Mäster in den Veredlungszentren Weser-Ems und Münsterland größere Probleme erwarten, machen sich Bullenmäster von der Küste
und vor allem aus Süddeutschland deutlich weniger Sorgen. Die Formel ist einfach: Je mehr Vieh in einer Region,
desto höher die Pachtpreise und ungünstiger die Entwicklungsmöglichkeiten für die Bullenmast.
Was das für die Zukunftspläne der
Betriebsleiter bedeutet und wie sie ihre
Mastbullen vermarkten, lesen Sie in
der nächsten top agrar-Ausgabe.