NACHHALTIGKEIT GLAUBWÜRDIG UND WIRKSAM KOMMUNIZIEREN
Nachhaltigkeit – die Herausforderung
des 21. Jahrhunderts
Von Prof. Dr. Gerd Michelsen, Seniorprofessor für Nachhaltigkeitsforschung an der Leuphana
Universität Lüneburg
Wer gegen Nachhaltigkeit ist, macht sich verdächtig. Warum? Wenn wir Nachhaltigkeit im Sinne der
ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland verstehen, dann geht es darum,
die Bedürfnisse der heutigen Generationen zu befriedigen, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können. Oder kurz und bündig ausgedrückt: genug,
für alle, für immer. Es geht bei der Idee der Nachhaltigkeit um die Frage von Grenzen des Wachstums,
der Belastbarkeit unseres Planeten, der Verteilung von Wohlstand und auch um die Frage, wie wir die
Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse für alle Menschen auf der Erde gewährleisten können.
Wer sich gegen diese Idee ausspricht, scheint offensichtlich nicht viel von Gerechtigkeit zu halten: von
einer gerechteren Verteilung der endlichen Ressourcen auf der Erde oder von der Ermöglichung einer
gerechteren Verteilung von Wohlstand innerhalb und zwischen den Generationen. Wer sich gegen
Nachhaltigkeit ausspricht, für diejenigen scheint der eigene Nutzen und das eigene Wohlbefinden
wichtiger zu sein als das Gemeinwohl.
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …
In den letzten Jahren hat die Berichterstattung über Nachhaltigkeit im unternehmerischen Bereich
zugenommen. So veröffentlichen mittlerweile alle DAX-30-Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte und
rühmen sich ihrer Erfolge. Aber auch viele andere Groß- und mittelständische Unternehmen sehen
die Notwendigkeit, über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zu berichten. Das ist auch gut so, schließlich
ist die Wirtschaft neben der Politik in besonderem Maße gefordert, wenn es darum geht, den Prozess
der nachhaltigen Entwicklung positiv zu befördern. Und ‚Klappern mit dem Geschirr‘ gehört nun mal
zum Geschäft. Allerdings sind die entsprechenden Berichte kritisch zu hinterfragen, wenn mit deren
Veröffentlichung in erster Linie „Greenwashing“ betrieben wird. Angesicht der in den letzten Monaten
bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten eines bedeutenden deutschen Unternehmens erscheint
es notwendig, sich noch einmal die Anforderungen vor Augen zu halten, wenn über Nachhaltigkeit
berichtet wird. Glaubwürdigkeit, Transparenz, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit sind hierfür
ganz zentrale Punkte. Wenn ein Unternehmen, eine Organisation oder ein Verein nicht glaubwürdig
ist, macht selbst die professionellste Berichterstattung keinen Sinn!
Was für ein schreckliches Wort …
Wenn wir den Umfragen in der Bevölkerung Glauben schenken, dann unterstützt die überwiegende
Mehrheit die Idee der Nachhaltigkeit und den damit verbundenen politischen Prozess, den wir nachhaltige Entwicklung nennen. Ja, viele Menschen haben auch konkretere Vorstellungen davon, was sich
hinter der Idee verbirgt. Von der jüngeren Generation wissen wir, dass sie sich bereits in der Schule
mit Fragen zu einer nachhaltigen Entwicklung auseinandersetzt und sich ein differenziertes Bild hierzu
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machen kann. Sie möchte auch einen konkreten Beitrag leisten, sich engagieren, aber weiß nicht immer,
wie so etwas sinnvoll geschehen kann.
Aber: Es gibt auch den Missbrauch, wenn von Nachhaltigkeit gesprochen wird. Vielfach wird nachhaltig
im Sinne von andauernd oder lang anhaltend benutzt, ohne dass sich konkrete Inhalte dahinter verbergen. Wenn also über Nachhaltigkeit kommuniziert wird, ist sehr darauf zu achten, was diejenigen,
die dieses Wort in den Mund nehmen, damit konkret verbinden.
Immer wieder hört man deshalb, dass Nachhaltigkeit ein „sperriger Begriff“ sei. Alles und nichts kann
man damit verbinden. Und es stimmt, Nachhaltigkeit ist nicht einfach zu kommunizieren. Die Ursachen
einer nicht-nachhaltigen Entwicklung sind sehr komplex und die aus den Analysen abzuleitenden
Lösungen außerordentlich vielfältig. Zusätzlich sind sie mit Risiken verbunden, da ihre langfristigen
Wirkungen oft nicht in ihrer ganzen Breite abzuschätzen sind. Trotzdem und gerade deswegen sind
unter diesen Bedingungen mutige Entscheidungen zu treffen – und diese sollten auch kompromisslos
kommuniziert werden. Hierbei spielen die Medien und die dort arbeitenden Menschen eine wichtige
Rolle, denn Sie können diese Themen und Lösungsansätze transportieren. Aber die Zusammenhänge
von Journalismus und Nachhaltigkeit werden kontrovers diskutiert: Ein Journalist oder eine Journalistin macht sich eine „Sache“ nicht zu eigen, sondern berichtet „neutral“ über sie, ist eine Position.
Eine andere Position vertritt die Auffassung, dass der Journalismus sich mit den Zusammenhängen
auseinandersetzen und mit konkreten Projekten, Initiativen oder Prozessen vor Ort verbinden sowie
die globalen Zusammenhänge aus der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung beleuchten muss.
Aus dieser Sicht soll Nachhaltigkeitsjournalismus Mut machen und Lust auf Veränderung verbreiten.
Mut zu Werten
Zur Annäherung an die Idee von Nachhaltigkeit und deren Umsetzung gehört auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Wertvorstellungen und Verhaltensweisen. Das ist nicht immer bequem, denn
es geht im Kern darum, allen Menschen auf der Erde – heute und in Zukunft – ein gutes und friedvolles
300 Jahre
Nachhaltigkeit in Deutschland
Nachhaltigkeit: Freiherr von Carlowitz hat den Begriff vor 300 Jahren
geprägt. Heute wird dieser Begriff inflationär (miss-)braucht. Gro Harlem
Brundtland, die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin, brachte seine Bedeutung auf den Punkt: Es geht
darum, die Bedürfnisse der heutigen
Generationen zu befriedigen, ohne
zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht
mehr befriedigen können.
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Leben zu ermöglichen. Jeder ist somit gefordert, entsprechende ökologische wie auch wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rahmenbedingungen zu schaffen, die von der Gemeinschaft mitgetragen werden. Nicht nur bei uns, sondern auch in Weltregionen, in denen kriegerische Auseinandersetzungen
stattfinden oder in denen Hunger und Armut herrschen. Die dafür nötigen Veränderungen setzen bei
den Menschen Veränderungen in den Köpfen voraus, ein Prozess, der leider nicht automatisch abläuft.
Bildung kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Die Vereinten Nationen haben im September 2015
die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die sogenannten „Sustainable Development
Goals“. Sie unterstreichen mit Nachdruck die Notwendigkeit, individuelle wie auch gesellschaftliche Veränderungsprozesse zu initiieren, zu unterstützen und fortzuführen, damit eine nachhaltige Entwicklung
auf der Erde möglich wird. Dieser Herausforderung haben sich Politik, Wirtschaft und Verwaltung, aber
auch die Zivilgesellschaft insgesamt zu stellen. Eine professionelle Kommunikation und die engagierte
Berichterstattung sind dazu ein wichtiger Katalysator.
Literatur
Michelsen, Gerd / Grunenberg, Heiko / Mader, Clemens / Barth, Matthias (2015): Greenpeace Nachhaltigkeitsbarometer 2015. Nachhaltigkeit bewegt die Jugend. Bad Homburg
Michelsen, Gerd / Godemann, Jasmin (Hrsg.; 2007): Handbuch Nachhaltigkeitskommunikation.
2. Aufl., München
Prof. Dr. Gerd Michelsen ist Seniorprofessor für Nachhaltigkeitsforschung an der Leuphana Universität Lüneburg.
Seine Arbeitsschwerpunkte sind Bildung für nachhaltige Entwicklung, Nachhaltigkeitskommunikation und nachhaltiger Konsum. Prof. Michelsen ist u. a. Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission. Bereits 1998
erhielt er den B.A.U.M.-Umweltpreis in der Kategorie „Wissenschaft“.
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